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2014 1 1 WERKSTOFFE WO Mag 1 Grundlegendes 1930 gelang erstmals in Form eines Strahl- triebwerks die Umsetzung von Newtons driem Bewegungsgesetz, wonach jede Kraſt eine entgegengesetzt gleich große Reakonskraſt hervorruſt. Damit war eine deutliche Steigerung der Leistung verbun- den, die bis dahin bei Flugzeugantrieben bekannt war. Der bis heute nicht wesent- lich veränderte Entwurf sieht ein Aggegrat vor, das sich in der Hauptsache aus den drei Baugruppen Verdichter, Brennkammern und Turbine zusammensetzt (Abb. 1). Bei Strahltriebwerken für Zivilflugzeuge ist in Flugrichtung vor dem Verdichter noch der so genannte Fan platziert. Er saugt beim Start des Flugzeugs mit Drehzahlen von etwa 3000 min -1 Luſt an (Luſttempera- tur zwischen +50 °C auf dem Rollfeld und -60 °C in Reiseflughöhe) und führt sie dem Verdichter zu. Der Fan wird derzeit im Allge- meinen aus der α/β-Titanlegierung TiAl6V4 gefergt. Ein Teil der Luſt, die vom Fan an- gesaugt wird, wird als Mantelstrom um das Triebwerk herumgeführt, um das Triebwerk zu kühlen und die Geräuschabstrahlung zu reduzieren. Der Verdichter gliedert sich in den Niederdruckverdichter und den Hoch- druckverdichter. Beide Sekonen bestehen aus einer Serie roerender Scheiben, die, auf einer Welle monert, jede mit fächer- arg aufgesetzten Schaufeln bestückt sind. Diese Rotoren sind im Wechsel mit Ringen staonärer Schaufeln angeordnet, den Sta- toren, die am Gehäuse befesgt sind und den Luſtstrom zum jeweils nächsten Rotor umleiten. Der Luſtstrom, welcher dem Niederdruck- verdichter vom Fan zugeführt wird, wird dort immer stärker komprimiert, wozu die Schaufellängen von Rotor zu Rotor sukzes- sive kürzer werden. Gleichzeig steigt die Temperatur der verdichteten Luſt. Beim Start des Flugzeugs weist der Niederdruck- verdichter Drehzahlen von über 7000 min -1 auf. Am Ende des Niederdruckverdich- ters liegt die Temperatur dann bei etwa 450 °C. Der Niederdruckverdichter wird derzeit vielfach aus der α/β-Titanlegierung Ti-6-2-4-6 hergestellt. Dem Niederdruckverdichter schließt sich der Hochdruckverdichter an, der infolge seiner noch höheren Drehzahl (beim Start bei über 10 000 min -1 ) die Luſt weiter kom- primiert und damit ihre Temperatur er- höht. Unmielbar vor den Brennkammern liegt die Temperatur bei etwa 650 °C und dabei sind Drücke von ungefähr 2,5 MPa zu verzeichnen. Der Hochdruckverdich- ter wird daher vielfach aus der Near- α- Titanlegierung IMI 834 gefergt. Mit die- ser Temperatur und diesem Druck wird die Luſt in die nachfolgenden Brennkammern geführt, wo sie mit Kerosin zu einem Aero- sol vermischt wird. Nickelbasis-Superlegierungen für Flugzeugantriebe aus metallkundlicher Sicht Von Prof. Dr. Burkhard Heine, HTW Aalen Das verwirrend wirkende Spektrum der Legierungselemente, die in Nickelbasis-Superlegierungen anzutreffen sind, lässt sich sehr wohl strukturieren. Neben den drei Klassen der γ -stabilisierenden, γ ’-stabilisierenden und korngrenzenakven Elemente sind die zwei Un- terklassen der karbidbildenden sowie hochtemperaturoxidaons- und hochtemperaturkorrosionsschützenden Elemente zu unter- scheiden. Hinsichtlich der mechanischen Eigenschaſten ist es aber wichg festzuhalten, dass diese nicht nur durch die im Korninnern und auf den Korngrenzen vorliegenden fesgkeitssteigernden Mikrostrukturen, sondern, und dies vor allem bei hohen Temperaturen, auch von der Korngeometrie beeinflusst werden (Kornstreckungsverhältnis). Nickelbase-Superalloys for airoplane engine from standpoint of metallurgy The confusing variety of the alloying elements of the Nickelbase-superalloys can be structured very well. Beside the three classes of γ-stabilizing, γ ’-stabilizing und grain boundary acve elements one can disnguish between the two sub-classes of carbide forming and high temperature oxidaon as well as high temperature corrosion protecng elements. Concerning the mechanical properes it is important to note that not only the strengthening microstructures inside the grains as well as on their boundaries are raising the creep und fague strength but especially at high temperatures the creep und fague strength are also determined by the grain geo- metry (grain aspect raon). Abb. 1: Baugruppen einer Fluggasturbine und deren Beanspruchung

Nickelbasis-Superlegierungen für Flugzeugantriebe aus ... · Schaufellängen von Rotor zu Rotor sukzes-sive kürzer werden. Gleichzeitig steigt die Temperatur der verdichteten Luft

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WERKSTOFFE

WOMag

1 Grundlegendes

1930 gelang erstmals in Form eines Strahl-triebwerks die Umsetzung von Newtons drittem Bewegungsgesetz, wonach jede Kraft eine entgegengesetzt gleich große Reaktionskraft hervorruft. Damit war eine deutliche Steigerung der Leistung verbun-den, die bis dahin bei Flugzeugantrieben bekannt war. Der bis heute nicht wesent-lich veränderte Entwurf sieht ein Aggegrat vor, das sich in der Hauptsache aus den drei Baugruppen Verdichter, Brennkammern und Turbine zusammensetzt (Abb. 1).

Bei Strahltriebwerken für Zivilflugzeuge ist in Flugrichtung vor dem Verdichter noch der so genannte Fan platziert. Er saugt beim Start des Flugzeugs mit Drehzahlen von etwa 3000 min-1 Luft an (Lufttempera-tur zwischen +50 °C auf dem Rollfeld und -60 °C in Reiseflughöhe) und führt sie dem Verdichter zu. Der Fan wird derzeit im Allge-meinen aus der α/β-Titanlegierung TiAl6V4 gefertigt. Ein Teil der Luft, die vom Fan an-gesaugt wird, wird als Mantelstrom um das Triebwerk herumgeführt, um das Triebwerk zu kühlen und die Geräuschabstrahlung zu reduzieren. Der Verdichter gliedert sich in den Niederdruckverdichter und den Hoch-druckverdichter. Beide Sektionen bestehen aus einer Serie rotierender Scheiben, die, auf einer Welle montiert, jede mit fächer-artig aufgesetzten Schaufeln bestückt sind. Diese Rotoren sind im Wechsel mit Ringen stationärer Schaufeln angeordnet, den Sta-toren, die am Gehäuse befestigt sind und

den Luftstrom zum jeweils nächsten Rotor umleiten.

Der Luftstrom, welcher dem Niederdruck-verdichter vom Fan zugeführt wird, wird dort immer stärker komprimiert, wozu die Schaufellängen von Rotor zu Rotor sukzes-sive kürzer werden. Gleichzeitig steigt die Temperatur der verdichteten Luft. Beim Start des Flugzeugs weist der Niederdruck-verdichter Drehzahlen von über 7000 min-1 auf. Am Ende des Niederdruckverdich-ters liegt die Temperatur dann bei etwa 450 °C. Der Niederdruckverdichter wird derzeit vielfach aus der α/β-Titanlegierung Ti-6-2-4-6 hergestellt.

Dem Niederdruckverdichter schließt sich der Hochdruckverdichter an, der infolge seiner noch höheren Drehzahl (beim Start bei über 10 000 min-1) die Luft weiter kom-primiert und damit ihre Temperatur er-höht. Unmittelbar vor den Brennkammern liegt die Temperatur bei etwa 650 °C und dabei sind Drücke von ungefähr 2,5 MPa zu verzeichnen. Der Hochdruckverdich-ter wird daher vielfach aus der Near-α-Titanlegierung IMI 834 gefertigt. Mit die-ser Temperatur und diesem Druck wird die Luft in die nachfolgenden Brennkammern geführt, wo sie mit Kerosin zu einem Aero-sol vermischt wird.

Nickelbasis-Superlegierungen für Flugzeugantriebe aus metallkundlicher SichtVon Prof. Dr. Burkhard Heine, HTW Aalen

Das verwirrend wirkende Spektrum der Legierungselemente, die in Nickelbasis-Superlegierungen anzutreffen sind, lässt sich sehr wohl strukturieren. Neben den drei Klassen der γ-stabilisierenden, γ ’-stabilisierenden und korngrenzenaktiven Elemente sind die zwei Un-terklassen der karbidbildenden sowie hochtemperaturoxidations- und hochtemperaturkorrosionsschützenden Elemente zu unter-scheiden. Hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften ist es aber wichtig festzuhalten, dass diese nicht nur durch die im Korninnern und auf den Korngrenzen vorliegenden festigkeitssteigernden Mikrostrukturen, sondern, und dies vor allem bei hohen Temperaturen, auch von der Korngeometrie beeinflusst werden (Kornstreckungsverhältnis).

Nickelbase-Superalloys for airoplane engine from standpoint of metallurgy

The confusing variety of the alloying elements of the Nickelbase-superalloys can be structured very well. Beside the three classes of γ-stabilizing, γ ’-stabilizing und grain boundary active elements one can distinguish between the two sub-classes of carbide forming and high temperature oxidation as well as high temperature corrosion protecting elements. Concerning the mechanical properties it is important to note that not only the strengthening microstructures inside the grains as well as on their boundaries are raising the creep und fatigue strength but especially at high temperatures the creep und fatigue strength are also determined by the grain geo-metry (grain aspect ration).

Abb. 1: Baugruppen einer Fluggasturbine und deren Beanspruchung

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Nach der Zündung des Kerosin/Luft-Ge-mischs dehnt sich das Verbrennungsgas ex-plosionsartig aus und entweicht in Richtung Brennkammerausgang. Die Spitzentempe-ratur liegt bei etwa 1500 °C (die Bauteiltem-peratur wird durch ein Kühlkanalsystem so-wie thermisch isolierende Beschichtungen auf maximal 1050 °C begrenzt) und die Drü-cke bei rund 5 MPa. Das sich schnell aus-dehnende Heißgas tritt aus den Brenn-kammern mit hoher Geschwindigkeit und hohem Druck aus und trifft auf die sich an-schließende Turbinensektion, die gleich-falls eine Anordnung aus Rotoren und Sta-toren ähnlich der des Verdichters aufweist. Die Rotoren der Hochdruckturbine werden durch das austretende Heißgas (Tempera-turen des Heißgases beim Passieren des ersten Rotors der Hochdruckturbine beim Start bei etwa 1350 °C; die Bauteiltempe-ratur wird ebenfalls durch ein Kühlkanalsys-tem sowie thermisch isolierende Beschich-tungen auf maximal 1050 °C begrenzt) in Bewegung versetzt. Die Drehzahl liegt beim Start bei über 10 000 min-1 und wird über eine Hohlwelle an den Hochdruckverdich-ter zur erneuten Luftansaugung und Luft-verdichtung zurückgegeben.

Infolge der hohen Heißgastemperaturen und der gleichzeitig hohen Drücke (Brenn-kammer) beziehungsweise Fliehkräfte (Beschaufelung der Hochdruckturbine) kommen für diese Baugruppen Nickelba-sis-Superlegierungen zum Einsatz. Nach dem Passieren der Hochdruckturbine tritt das Heißgas mit einer Temperatur von etwa 800 °C in die Niederdruckturbine ein (beim Start bei über 7000 min-1), die ihre Rotati-onsbewegung zur erneuten Luftansaugung über eine Kernwelle an den Niederdruck-verdichter zurückgibt. Die Niederdrucktur-bine wird derzeit im Allgemeinen aus Titan-Aluminiden gefertigt. Mit einer Temperatur von etwa 600 °C wird das Heißgas nach dem Durchlaufen der Niederdruckturbine durch die Schubdüse ausgestoßen. Der re-sultierende Rückstoß sorgt zusammen mit dem Mantelstrom, der durch den Fan er-zeugt wird, für den nötigen Vorwärtsschub des Flugzeugs.

Das Beanspruchungskollektiv birgt grund-sätzlich die Gefahr einer Schädigung oder sogar des Versagens von einzelnen Bau-gruppen. Die Werkstoffwahl muss daher so erfolgen, dass die zur Schädigung oder zum Versagen führenden Mechanismen bis zum Erreichen der Betriebstemperatur über die gesamte Nutzungsdauer wirkungs-voll behindert sind. Die am schärfsten

gleichzeitig mechanisch, thermisch und hochtem peraturkorrosiv beanspruchte Sektion eines Triebwerks ist die Beschaufe-lung der ersten Stufen der Hochdrucktur-bine (Abb. 2).

Die infolge der Beanspruchung bestehen-den Schädigungs- und Versagensmöglich-keiten stellen an den Werkstoff Forderun-gen, die prinzipiell sowohl von Nickel- als auch von Kobaltbasis-Superlegierungen er-bracht werden. Wegen der im Vergleich zu den Kobaltbasis-Superlegierungen im in-teressierenden Temperaturbereich aber höhe ren Kriechfestigkeit dominieren in der Anwendung jedoch die Nickelbasis-Super-legierungen (Abb. 3).

Die Fülle an Nickelbasis-Superlegierun-gen (Tab. 1) mit dem verwirrend wirken-den Spektrum an Legierungselementen berechtigt zu der Frage: Wodurch werden

die Mechanismen, die zur Schädigung oder zum Versagen durch mechanisch-ther-misch-korrosive Beanspruchung führen, bei den Nickelbasis-Superlegierungen so effek-tiv behindert und in welcher Form sind die Legierungselemente daran beteiligt?

Abb. 2: Beanspruchungen, Gefahren, Forderungen und geforderte Werkstoffeigenschaften für die Beschaufelung der ersten Stufen einer Hochdruckturbine

Abb. 3: Temperaturabhängigkeit der Zeitstand-festigkeit verschiedener Basiswerkstoffe

Tab. 1: Auszug aus dem Spektrum der Nickelbasis-Superlegierungen

Handelsname Ni Co Fe Cr Mo W Nb Ta Ti Al SonstigeInconel 718 53 19 19 3,1 5 0,9 0,4Nimonic 80 A 75 20 2,3 1,4Inconel 713 C 72 13 4,5 2,3 1 6,2Nimonic 90 57 18 20 2,4 1,5Waspaloy 58 13 20 4,3 3 1,4Udimet 520 56 12 19 6 1 3 2Udimet 710 54 15 18 3 1,5 5 2,5MAR-M 246 60 10 9 2,5 10 1,5 1,5 5,5IN 100 60 15 10 3 4,7 5,5Nimonic 81 66 30 1,8 0,9Ca. ATS 260 62 12 19 2,7 1,2 2B 1910 61 10 10 3 7 1 6 1 HfTRW VI A 61 7 6 2 6 0,5 9 1 5,4 0,4 HF; 0,5 REWAZ 20 73 19 6 1,5 ZrNX 188 73 18 8

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Zur Beantwortung dieser Frage ist die Kenntnis der Mechanismen, die bei quasi-statischer sowie zyklischer mechanischer Beanspruchung zu einer plastischen Ver-formung führen, sowie der Hochtempera-turoxidations- und -korrosionsmechanis-men erforderlich.

2 Plastische Verformung bei mechanischer Beanspruchung

2.1 Quasistatische Beanspruchung

Mit Überschreiten einer kritischen mecha-nischen Beanspruchung setzt eine makro-skopisch feststellbare plastische Verfor-mung ein. Die Verformungsmechanismen, die dabei in Abhängigkeit von Beanspru-chungshöhe und Temperatur vorherrschen, fasste Ashby in einem Verformungsmecha-nismusdiagramm zusammen (Abb. 4).

Bis zum Erreichen der Schmelztempera-tur Tm (angegeben in Kelvin) dominiert bei hoher mechanischer Beanspruchung die plastische Verformung durch konservative Bewegung der Stufenversetzungen; allein Schraubenversetzungen können die Gleit-ebenen durch Quergleiten verlassen. Bis zu Temperaturen von etwa 0,45 · Tm sind diese Mechanismen sogar die allein mög-lichen. Mit Überschreiten dieser Tempera-turschwelle macht sich der Einfluss der Dif-fusion von Gitter- und Fremdatomen auf die Verformungsmechanismen bemerkbar, deren Geschwindigkeit mit der Tempera-tur exponentiell zunimmt. Nun können bei hinreichend niedriger Beanspruchung auch die Stufenversetzungen ihre ursprüngliche Gleitebene verlassen, was man als nicht-konservative Versetzungsbewegung oder Klettern bezeichnet. Diesen Verformungs-mechanismus bezeichnet man als Verset-zungskriechen. Oberhalb von etwa 0,55 · Tm ist die Diffusion der Gitter- und Fremdato-me derart beschleunigt, dass es bei noch

einmal reduzierten Belastungen zur plasti-schen Verformung durch eine Abgleitung der Kristalle gegeneinander kommen kann: Durch eine Zugspannung, die am Polykris-tall angreift, entstehen im Bauteilinneren Schubspannungen (Abb. 5).

Sie haben Korngrenzen mit geringerer Leer-stellenbildungshäufigkeit und Korngrenzen mit höherer Leerstellenbildungshäufigkeit zur Folge. Diese differierende Leerstellen-bildungshäufigkeit hat diffusionskontrol-lierte Ströme von Gitter- und Fremdato-men zur Folge. Die Gitter- und Fremdatome diffundieren bei Temperaturen von etwa 0,55 · Tm bis 0,80 · Tm infolge der dort höhe-ren Fehlordnung vorrangig über die Korn-grenzen, bei Temperaturen oberhalb von

etwa 0,80 · Tm wirkungsvoll zusätzlich auch über das Kornvolumen. Leerstellen bewe-gen sich dabei entsprechend in die Gegen-richtung. Diesen Mechanismus bezeichnet man als Diffusionskriechen. Das bei etwa 0,55 · Tm bis 0,80 · Tm bei niedrigen Bean-spruchungen dominierende Diffusionskrie-chen mit Diffusion über die Korngrenzen wird als Coble-Kriechen, das oberhalb von etwa 0,80 · Tm bei noch geringeren Bean-spruchungen dominierende Diffusionskrie-chen mit Diffusion über die Korngrenzen und das Kornvolumen als Nabarro-Hering-Kriechen bezeichnet. Beide Mechanismen haben zur Folge, dass jeder einzelne Kristall des Polykristalls schlanker wird. Um Inkom-patibilitäten an den Korngrenzen zu vermei-den, muss mit dem Diffusionskriechen stets

Abb. 4: Exemplarisches Verformungsmechanis-musdiagramm nach Ashby

Abb. 5: Zustandekommen des Diffusionskriechens als Folge von Schubspannungen

Abb. 6: Kornverschiebung durch Korngrenzengleiten

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ein Abgleiten der Einzelkristalle gegenein-ander gekoppelt sein, Korngrenzengleiten genannt (Abb. 6). Diffusionskriechen und Korngrenzengleiten haben zur Folge, dass das gesamte Bauteil in Beanspruchungs-richtung wächst und gleichzeitig schlanker wird.

2.2 Zyklische Beanspruchung

Überschreitet die Amplitude einer sinusför-migen zyklischen mechanischen Beanspru-chung einen kritischen Wert, so kommt es vor allem an der Bauteiloberfläche zu mikro plastischen Verformungen (Abb. 7). Diese führen in Abhängigkeit von der Am-plitudenhöhe nach einer mehr oder weni-ger großen Zahl von Lastspielen zum Bruch. Das Versagen tritt dabei für den Nutzer plötzlich ein, da er sich nicht durch makros-kopisch feststellbare plastische Verformun-gen ankündigt. Die plastische Verformung durch alternierende konservative Bewe-gung von Stufenversetzungen beschränkt sich dabei im Wesentlichen auf bezüglich der äußeren Lastrichtung günstig orientier-te Kristalle an der Oberfläche des Bauteils.

2.3 Reduzierung der plastischen Verformung bei Nickelbasis- Superlegierungen

Die Verformung durch die Versetzungs-bewegung (konservative Versetzungsbewe-gung und Versetzungskriechen), die im Kris-tallinneren abläuft, wird durch den Typ des Kristallgitters sowie dessen Baufehler be-stimmt. Die Verformung infolge Kornstre-ckung (Diffusionskriechen) wird dagegen durch den Typ des Kristallgitters sowie die Diffusionswege beherrscht. Die Verfor-mung durch Korngrenzengleiten schließlich wird durch die Korngrenzenmikrostruktur beeinflusst [11, 12].

Die Dehngrenze Rp0,2 erkannten Hall und Petch als über die Peierlsspannung σ0 vom Gittertyp sowie als von den Gitterfehler-konzentrationen abhängig:

Rp0,2 = σ0 + ΔσMK + ΔσKV + ΔσTH + ky · d-1/2

Dabei beschreibt ΔσMK den Beitrag einer Mischkristallverfestigung, ΔσKV den Beitrag einer Kaltverformungsverfestigung, ΔσTH den Beitrag einer Teilchenhärtung sowie ky · d-1/2 den Korngrenzenbeitrag, der mit zunehmender Korngrenzenhäufigkeit (ab-nehmendes d-1/2) zunimmt.

2.3.1 Peierlsspannung

Ein kubisch dichtest gepacktes Kri-stallgitter wie das des Nickels (kubisch

flächenzentriert; γ-Phase) hat infolge der dichtest gepackten Gleitebenen und Gleit-richtungen zwar eine vergleichsweise nied-rige Peierls spannung (σ0), was die konser-vative Versetzungsbewegung erleichtert. Gleichzeitig erschwert es aber infolge sei-ner hohen Packungsdichte die Diffusion. Letzteres hemmt das im oberen Tempera-turbereich über ein Klettern von Versetzun-gen ablaufende Versetzungskriechen sowie das auch über Kornvolumendiffusion ablau-fende Nabarro-Hering-Kriechen.

2.3.2 Mischkristallverfestigung

Die Löslichkeit des Nickels für eine Vielzahl von Legierungselementen macht dessen Mischkristallverfestigung (ΔσMK) möglich, was die konservative Versetzungsbewe-gung sowie das Versetzungskriechen er-schwert. Als mischkristallhärtende Ele-mente sind Chrom, Eisen, Kobalt, Molybdän und Wolfram zu nennen. In der γ-Matrix

mischkristallartig gelöstes Kobalt trägt nicht nur zur Mischkristallhärtung bei, son-dern senkt zudem die Stapelfehlerenergie, was die Stapelfehlerbreite entsprechend größer werden lässt und zum Zusammen-ziehen der Halbversetzungen höhere Span-nungen erforderlich macht (Abb. 8).

Dadurch wird das Klettern aufgespaltener Stufenversetzungen (es ist erst nach voll-ständigem Zusammenziehen eines Stapel-fehlers möglich) erschwert und das Kreuzen von Stufenversetzungen und Schraubenver-setzungen (es ist nur vor oder hinter dem Stapelfehler möglich) unwahrschein licher, was bei beiden den Widerstand gegen kon-servative Versetzungsbewegung und Ver-setzungskriechen erheblich steigert.

2.3.3 Kaltverformungsverfestigung

Eine Kaltverformungsverfestigung (ΔσKV) ist bei Nickelbasis-Superlegierungen we-gen der im Allgemeinen oberhalb der

Abb. 7: Mikroplastische Verformung durch mechanische Wechselbeanspruchung

Abb. 8: Stapelfehler kann von Versetzungen nicht durchquert werden

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Erholungstemperatur liegenden Betrieb-stemperaturen der entsprechenden Trieb-werkssektionen ohne festigkeitssteigern-den Beitrag.

2.3.4 Festigkeitssteigerung durchKorngrenzen

Beeinflusst wird die Festigkeit auch durch Korngröße und damit durch die Länge der Korngrenzen (ky · d

-1/2). Eine abnehmende Korngröße erhöht neben der Duktilität im Temperaturbereich der konservativen Ver-setzungsbewegung sowie des Versetzungs-kriechens die Festigkeit, steigert aber in den Bereichen des Diffusionskriechens infolge der kurzen Diffusionswege die Kriechver-formungsgeschwindigkeit. Einen deutlich verlängerten Diffusionsweg und somit eine verringerte Diffusionskriechgeschwindig-keit wird durch ein Langkorngefüge erreicht (Abb. 9), das quer zur Beanspruchungsrich-tung eine niedertemperaturduktilitäts- und -festigkeitssteigernde geringe Korngrö-ße aufweist. Man erzielt es durch Zonen-rekristallisation oder, wie in Abbildung 9 schematisch dargestellt, durch gerichtete Erstarrung. Extrem kriechfest ist verständ-licherweise eine Schaufel, die gar keine Korngrenzen aufweist, eine einkristalline Schaufel also (Abb. 10).

2.3.5 Festigkeitssteigerung durchTeilchen

Die Festigkeitssteigerung durch Teilchen (ΔσTH) ist erwartungsgemäß von der Art der vorhandenen Teilchen abhängig.

2.3.5.1 γ′-Phase

Das binäre System Nickel-Aluminium weist bei hinreichend hohen Aluminiumgehalten neben der γ-Matrix die kubisch flächenzen-trierte kohärente und geordnete γ ’-Phase (Ni3Al) auf, die sich bereits bei der Erstar-rung oder aber bei einer nachfolgenden Wärmebehandlung bildet (Abb. 11).

Die Phasengrenzflächenenergie, die infolge der Kohärenz vergleichsweise gering ist, lässt die γ ’-Phase in dichter und feiner Verteilung entstehen. Dies ist sowohl bei den Nickelbasis-Superlegierungen der Fall, die wegen ihres geringen γ ’-Gehalte noch schmiedbar sind als auch bei den Nickel-basis-Superlegierungen gegeben, die we-gen des höheren γ ’-Gehalts nur noch über Gießen wirtschaftlich auf Endkontur ge-bracht werden können. Im Gegensatz zu ei-ner ungeordneten Phase, zu deren Schnei-den eine Versetzung allein ausreicht, ist zum Schneiden einer geordneten Phase aus Gründen der Energieminimierung wegen der entstehenden Antiphasengrenze eine zweite Versetzung erforderlich, die der er-sten in geringem Abstand folgt (Superver-setzung), was erheblich größere äußere Spannungen zur Plastifizierung als bei einer ungeordneten Phase erfordert (Abb. 12).

Mit zunehmendem γ ’-Gehalt der γ-Matrix verringern sich dadurch die konservative Versetzungsbewegung und das Verset-zungskriechen, erhöht sich also die Festig-keit. Als γ ’-bildende Elemente sind Alumi-nium, Titan, Vanadium, Niob und Tantal zu nennen.

2.3.5.2 Karbide

Infolge eines Kohlenstoffgehaltes von 0,05 % bis 0,20 % kommt es bereits bei der Erstarrung, spätestens aber bei der Wär-mebehandlung, zur Bildung verschiedener Karbidtypen. Zunächst bilden sich im Kor-ninneren und auf den Korngrenzen Karbi-de vom Typ MC. Es sind dies vorrangig die Elemente Titan, Niob, Tantal und Hafni-um (Abb. 13). Liegen die Karbide auf den Korngrenzen vor, so erschweren sie das

Abb. 9: Gerichtet erstarrte Turbinenschaufel

Abb. 10: Einkristallin erstarrte Turbinenschaufel

Abb. 11: Binäres System Nickel-Aluminium mit metallographischem Erscheinungsbild der γ-Phase und der γ´-Phase

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Korngrenzengleiten. Allerdings sind der Kriechfestigkeitssteigerung durch Korn-grenzenkarbide dadurch Grenzen gesetzt, dass durchgehende Karbidfilme auf den Korngrenzen die Sprödbruchneigung er-höhen. Von letzteren Punkt her gesehen sind Karbide, die im Korninnern vorliegen, vorzuziehen. Ein Element, das keine Korn-grenzenkarbide, sondern frühzeitig sehr fein im Korninneren verteilt vorliegende Karbide bildet und daher dem Sprödbruch vorbeugt, ist das aus diesem Grund zu den korngrenzenaktiven Elementen gezählte Hafnium. Sein Karbid ist zudem sehr stabil und reagiert kaum auf eine nachfolgende Langzeitglühung und/oder einen Langzeit-einsatz bei hohen Temperaturen.

MC-Karbide der Elemente Titan, Niob und Tantal zerfallen bei einer Langzeitglü-hung und/oder einem Langzeiteinsatz bei hohen Temperaturen bei Dominanz von

Elementen, die M6C bilden, über die Reak-tion mit der umgebenden γ-Matrix in M6C, das von einer γ ’-Hülle umgeben ist:

(Ti,Nb,Ta)C + γ ⇒ (Co,Mo,W)6C + γ ’

Bei Dominanz von Elementen, die M23C6 bil-den, zerfallen die MC-Karbide der Elemente Titan, Niob und Tantal bei einer Langzeit-glühung und/oder einem Langzeiteinsatz bei hohen Temperaturen bei Dominanz von Elementen, die M23C6 bilden, über die Reaktion mit der umgebenden γ-Matrix in M23C6, das von einer γ ’-Hülle umgeben ist:

(Ti,Nb,Ta)C + γ ⇒ (Co,Mo,Cr,Fe)23C6 + γ ’

Sowohl M6C als auch M23C6 entstehen be-vorzugt auf den Korngrenzen und nur in ge-ringem Umfang im Korninnern. Sie erschwe-ren das Korngrenzengleiten. Allerdings sind der Kriechfestigkeitssteigerung durch Korn-grenzenkarbide dadurch Grenzen gesetzt, dass durchgehende Karbidfilme auf den

Korngrenzen die Sprödbruchneigung er-höhen, die durch die duktilen γ ’-Hüllen je-doch in gewissem Umfang verringert wor-den war. Eine besondere Gefährdung wird durch ein auf den Korngrenzen vorliegen-des hoch chromhaltiges M23C6 hervorgeru-fen: Durch Chromverarmung der umliegen-den γ-Matrix steigt deren Löslichkeit für γ ’, was um die Karbide herum zu einer an γ ’ verarmten γ-Schale führt und die Kriech-festigkeit dadurch deutlich herabsetzt.

Neben einer Absenkung des Chromgehalts besteht die Möglichkeit, Bor und Zirkon wegen des zum Nickel stark differierenden Atomdurchmessers an die Korngrenzen se-gregieren zu lassen, was dort Leerstellen auffüllt und so die Diffusion anderer Ele-mente erschwert. Wegen dieser korngren-zenspezifischen Wirkweise werden Bor und Zirkon gleichfalls zu den korngrenzenakti-ven Elementen gezählt. Die Verlangsamung der Korngrenzendiffusion erschwert nicht nur das Korngrenzengleiten, sondern auch die Entstehung γ ’-verarmter Korngrenzen-säume sowie durchgehender Karbidfilme. γ ’-Phase und Karbide wirken zudem rekri-stallisationsbehindernd.

2.3.5.3 Oxide

Da sich die γ ’-Phase oberhalb von etwa 1000 °C nennenswert in der Matrix zu lösen beginnt, wird nach Teilchen gesucht, die bis zur Solidustemperatur der Matrix in dieser unlöslich und in ihrer Größe stabil sind. Als solche bieten sich die als hochschmel-zend bekannten Oxide an, unter ihnen das Yttriumoxid (Y2O3). Leider sind sie aber in homogener Größe und Verteilung nur auf pulvermetallurgischem Weg in die Matrix einzubringen [13, 14]. Abbildung 14 zeigt die Mikrostruktur eines unter Zusatz von Yttriumoxid reaktionsgemahlenen Pulver-partikels der Legierung MA 6000.

Wird das ODS-Gefüge (ODS – oxide disper-sion strengthened) zudem durch Zonen-rekristallisation in ein Stängelkristallgefüge übergeführt, so weist es bis zu hohen Tem-peraturen einen hohen Widerstand gegen Versetzungskriechen und Diffusionskrie-chen auf, der im oberen Temperaturseg-ment sogar den eines einkristallinen Bau-teils überragt.

3 Hochtemperaturoxidation

3.1 Mechanismen [6-8]

Entsprechend den Abläufen an Metallen beispielsweise in wässrigen Lösungen bei niederen Temperaturen, reagieren auch

Abb. 12: Minimierung der Antiphasengrenzenflächenenergie durch eine Superversetzung

Abb. 13: Karbidbildende Elemente und sich bildende Karbidtypen

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Abb. 14: Verfahren des mechanischen Legierens und Mikrostruktur der unter Zusatz von Y2O3 mechanisch legierten Legierung MA6000

bei hohen Temperaturen Metall und Sau-erstoff zu Metalloxid. In der Regel müssen zur Fortführung der Reaktion die Metall-kationen, aus Gründen der Ladungsneut-ralität begleitet von einer entsprechenden Zahl von Elektronen, durch das Metalloxid-gitter an die Phasengrenzfläche diffundie-ren (Abb. 15).

Die Wachstumsgeschwindigkeit des Oxids wird daher durch dessen physikalische Be-schaffenheit bestimmt. Ist es dicht, haftfest und im Medium unlöslich, so kann es die Oxidationsrate absenken. Die Wachstums-geschwindigkeit ist zudem der Konzentra-tion an Leerstellen im Gitter des Metall-oxids proportional.

3.2 Reduzierung der Hochtemperatur-oxidation bei Nickelbasis- Superlegierungen

Der Einsatz von Nickelbasis-Superlegie-rungen wird durch die Möglichkeit zur Re-duzierung der Hochtemperaturoxidation verbessert [15]. Als Vermittler des Hoch-temperaturoxidationsschutzes kommen die Oxide der Elemente Aluminium und Chrom in Frage. Sie sind sehr dicht, haftfest und im angreifenden Sauerstoff bei Tempe-raturen unterhalb 1000 °C unlöslich. Infol-ge ihrer geringen Leerstellenkonzentration wachsen sie nach einer Erstbelegung der Oberfläche nur sehr langsam weiter, das

Abb. 15: Prozesse bei der Oxidation eines Metalls

heißt der Wanddickenverlust ist über lange Nutzungszeiträume tolerabel. Dabei über-ragt das Schutzvermögen durch Alumini-umoxid (Al2O3) das des Chromoxids (Cr2O3) noch. Oberhalb von etwa 1100 °C geht das Chromoxid allerdings in die im Medium lös-liche Modifikation des Oxids CrO3 über. Ab dieser Temperatur muss hier das Alumini-umoxid allein den Schutz übernehmen oder es muss eine aluminium- und chromreiche Beschichtung wie NiCrAlY aufgebracht wer-den. Yttrium steigert hierbei die Haftfestig-keit der entstehenden Oxidschicht.

4 Hochtemperaturkorrosion

4.1 Mechanismen [8-10]

In Brenngasen mitgeführte Stoffe wie Schwe-fel, Salze sowie Verbrennungsprodukte wie

Asche oder Vanadiumpentoxid reagieren mit der oxidischen Deckschicht, wodurch deren Schutzwirkung mehr oder weniger schnell beeinträchtigt wird. Nachfolgend kann es zur Reaktion der angreifenden Me-dien mit dem freigelegten metallischen Grundwerkstoff kommen.

4.2 Reduzierung der Hochtemperatur-korrosion bei Nickelbasis- Superlegierungen

Den wirksamsten Schutz vor hochtempe-raturkorrosivem Angriff [15] bietet Chrom-oxid (Cr2O3). Um jedoch die Kriechfestigkeit zu steigern, muss die Belegung der Korn-grenzen mit M23C6, das vor allem durch Chrom stabilisiert wird, und damit auch der Chromgehalt der Legierung abgesenkt wer-den. Der dadurch zurückgehende Hochtem-peraturkorrosionsschutz muss durch eine aluminium- und chromreiche Beschichtung wie MCrAlY aufgebracht werden. Yttrium steigert hierbei wieder die Haftfestigkeit der entstehenden Oxidschicht.

5 Zusammenfassung

Das verwirrend wirkende Spektrum der Legierungselemente, die heutzutage in Nickelbasis-Superlegierungen anzutreffen ist, lässt sich nach diesem Überblick sehr wohl strukturieren (Tab. 2).

Neben den drei Klassen der γ-stabi-lisierenden, der γ ’-stabilisierenden und der korngrenzenaktiven Elemente sind die zwei Unterklassen der karbidbildenden und deckschichtbildenden Elemente zu unter-scheiden. Hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften ist es aber wichtig festzuhal-ten, dass sie nicht nur durch die Mikrostruk-turen, die im Korninnern und auf den Korn-grenzen vorliegen, festigkeitsgesteigert werden, sondern, und dies vor allem bei hohen Temperaturen, auch von der Korn-geometrie beeinflusst werden (Abb. 16).

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DOI: 10.7395/2014/Heine1

Tab. 2: Wirkweise der Legierungselemente der Nickelbasis-Superlegierungen

Handelsname Ni Co Fe Cr Mo W Nb Ta Ti Al SonstigeInconel 718 53 19 19 3,1 5 0,9 0,4Nimonic 80 A 75 20 2,3 1,4Inconel 713 C 72 13 4,5 2,3 1 6,2Nimonic 90 57 18 20 2,4 1,5Waspaloy 58 13 20 4,3 3 1,4Udimet 520 56 12 19 6 1 3 2Udimet 710 54 15 18 3 1,5 5 2,5MAR-M 246 60 10 9 2,5 10 1,5 1,5 5,5IN 100 60 15 10 3 4,7 5,5Nimonic 81 66 30 1,8 0,9Ca. ATS 260 62 12 19 2,7 1,2 2B 1910 61 10 10 3 7 1 6 1 HfTRW VI A 61 7 6 2 6 0,5 9 1 5,4 0,4 HF; 0,5 REWAZ 20 73 19 6 1,5 ZrNX 188 73 18 8

γ-stabilisierend γ ’-stabilisierend Korngrenzen-aktivkarbidbildend

deckschichtbildend