5
This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. NMR-spektroskopische Untersuchungen an Chalkogenverbindungen, VI [1] 34 S-Isotopeneffekte auf 19 F-NMR-Frequenzen und ihre Abhängigkeit von Bindungslängen NMR Spectroscopic Studies on Chalcogen Compounds, VI [1] l4 S Isotope Effects on 19 F NMR Frequencies and their Dependence on Bond Lengths Willy Gombler* Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Anorganische Chemie II Herrn Prof. Dr. Fritz Seel zum 70. Geburtstag gewidmet Z. Naturforsch. 40b, 782-786 (1985); eingegangen am 6. Februar 1985 34/32 S Isotope Effect, 33/32 S Isotope Effect, 19 F NMR Spectra, S-F Bond Length, Sulfur Fluorine Compounds Nineteen values for 34 S-induced isotope shifts on the NMR frequency of directly bonded fluorine of fourteen S(II), S(IV), and S(VI) compounds are reported. The dependence of these l A 19 F( 34/32 S) values on the S —F bond length is demonstrated. Three reasons for this correlation are discussed. (1) A nonlinear dependence of nuclear shielding on bond distance. (2) Decreasing energy difference of two isotopomers with increasing bond distance. (3) Decreasing anharmonicity of the potential curve with increasing bond length. Some previously unknown S—F bond distances have been estimated by this correlation. The isotope shifts decrease with increasing temperature. This is attributed to vibrationally excited states in conjunction with a nonlinear dependence of nuclear shielding on bond distance. Furthermore, 34 S-induced isotope shifts on fluorine-19 over two bonds, 2 A 19 F( 34/32 S), have been observed for the first time, and the 33 S-induced isotope effect in SF 6 has been measured. Die Messung von Isotopenverschiebungen in der NMR-Spektroskopie erlebt aufgrund der hohen Lei- stungsfähigkeit moderner Hochfeldgeräte eine Re- naissance [2, 3], Isotopeneffekte haben in jüngster Zeit auch praktische Anwendungen gefunden. Bei- spielsweise wurden Sauerstoff-Austauschreaktionen mit Hilfe von 1816 0-Isotopenverschiebungen verfolgt [4], und es wurde über den Zusammenhang zwischen Isotopenverschiebung und Bindungslänge berichtet [5, 6], Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Abhän- gigkeit der Isotopenverschiebung von der Bindungs- länge in einer weiteren Verbindungsklasse zu über- prüfen. Für solche Untersuchungen sind SF 4 und seine Derivate besonders gut geeignet, da sie inner- halb desselben Moleküls längere axiale und kürzere äquatoriale S—F-Bindungen enthalten. Der 34 S-Iso- topeneffekt über eine Bindung auf die 19 F-chemische Verschiebung ( 1 J 19 F( 34/32 S), Definition siehe [5]) wurde bereits an einigen wenigen Beispielen nachge- wiesen [7]. In dieser Arbeit wird auch über den glei- * Sonderdruckanforderungen an neue Adresse: Prof. Dr. W. Gombler, Fachhochschule Ostfriesland, Fachbereich Naturwissenschaftliche Technik, D-2970 Emden. Verlag der Zeitschrift für Naturforschung, D-7400 Tübingen 0340-5087/85/0600-0782/$ 01.00/0 chen Isotopeneffekt über zwei Bindungen (F—C—S), 2 Zl 19 F( 34/32 S), und den 3, S-induzierten Isotopeneffekt auf die 19 F-Abschirmung in SF 6 berichtet. Ferner wird die Temperaturabhängigkeit der Isotopenver- schiebung diskutiert. Experimentelles Die untersuchten Verbindungen wurden nach Li- teraturvorschriften hergestellt. Bei der Bereitung der NMR-Proben wurde auf strengsten Feuchtigkeits- ausschluß geachtet, da die Schwefel-Fluor-Verbin- dungen sehr hydrolyseempfindlich sind und dabei entstehender Fluorwasserstoff Fluoraustauschreak- tionen katalysiert, welche zu Signalverbreiterungen führen. Die Substanzen wurden im Vakuum in NMR-Röhrchen mit 5 mm äußerem Durchmesser kondensiert, dann wurde jeweils so viel getrocknetes CD 2 Cl 2 als Lösungsmittel und Locksubstanz dazu- kondensiert, daß die Probe etwa 60 Vol.-% CD 2 Cl 2 enthielt, und schließlich wurden die Röhrchen abge- schmolzen. Einige Proben enthielten Gemische von Schwefel-Fluor-Verbindungen. Die Messung mehre- rer Proben verschiedener Zusammensetzungen er- gab vernachlässigbar geringe Unterschiede in den Isotopenverschiebungen. Zur Aufnahme der 19 F-NMR-Spektren diente ein Spektrometer des Typs Bruker WM 250 (235,36 MHz, 5,87 T). Die Messungen mußten bei

NMR-spektroskopische Untersuchungen an ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/40/ZNB-1985-40b-0782.pdf · Sulfur Fluorine Compounds Nineteen values for 34 S-induced isotope shifts on the

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: NMR-spektroskopische Untersuchungen an ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/40/ZNB-1985-40b-0782.pdf · Sulfur Fluorine Compounds Nineteen values for 34 S-induced isotope shifts on the

This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

NMR-spektroskopische Untersuchungen an Chalkogenverbindungen, VI [1] 34S-Isotopeneffekte auf 19F-NMR-Frequenzen und ihre Abhängigkeit von Bindungslängen

NMR Spectroscopic Studies on Chalcogen Compounds, VI [1] l4S Isotope Effects on 19F NMR Frequencies and their Dependence on Bond Lengths

Willy Gombler* Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Anorganische Chemie II

Herrn Prof. Dr. Fritz Seel zum 70. Geburtstag gewidmet

Z. Naturforsch. 40b, 782 -786 (1985); eingegangen am 6. Februar 1985 34/32S Isotope Effect , 33/32S Isotope Effect , 19F N M R Spectra, S - F Bond Length, Sulfur Fluorine Compounds

Nineteen values for 34S-induced isotope shifts on the NMR frequency of directly bonded fluorine of fourteen S(II), S(IV), and S(VI) compounds are reported. The dependence of these lA 19F(34/32S) values on the S —F bond length is demonstrated. Three reasons for this correlation are discussed. (1) A nonlinear dependence of nuclear shielding on bond distance. (2) Decreasing energy difference of two isotopomers with increasing bond distance. (3) Decreasing anharmonicity of the potential curve with increasing bond length. Some previously unknown S—F bond distances have been estimated by this correlation. The isotope shifts decrease with increasing temperature. This is attributed to vibrationally excited states in conjunction with a nonlinear dependence of nuclear shielding on bond distance. Furthermore, 34S-induced isotope shifts on fluorine-19 over two bonds, 2A 19F(34/32S), have been observed for the first time, and the 33S-induced isotope effect in SF6 has been measured.

Die Messung von Isotopenverschiebungen in der NMR-Spektroskopie erlebt aufgrund der hohen Lei-stungsfähigkeit moderner Hochfeldgeräte eine Re-naissance [2, 3], Isotopeneffekte haben in jüngster Zeit auch praktische Anwendungen gefunden. Bei-spielsweise wurden Sauerstoff-Austauschreaktionen mit Hilfe von 18160-Isotopenverschiebungen verfolgt [4], und es wurde über den Zusammenhang zwischen Isotopenverschiebung und Bindungslänge berichtet [5, 6],

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Abhän-gigkeit der Isotopenverschiebung von der Bindungs-länge in einer weiteren Verbindungsklasse zu über-prüfen. Für solche Untersuchungen sind SF4 und seine Derivate besonders gut geeignet, da sie inner-halb desselben Moleküls längere axiale und kürzere äquatoriale S—F-Bindungen enthalten. Der 34S-Iso-topeneffekt über eine Bindung auf die 19F-chemische Verschiebung (1J19F(34/32S), Definition siehe [5]) wurde bereits an einigen wenigen Beispielen nachge-wiesen [7]. In dieser Arbeit wird auch über den glei-

* Sonderdruckanforderungen an neue Adresse: Prof. Dr. W. Gombler, Fachhochschule Ostfriesland, Fachbereich Naturwissenschaftliche Technik, D-2970 Emden.

Verlag der Zeitschrift für Naturforschung, D-7400 Tübingen 0340-5087/85/0600-0782/$ 01.00/0

chen Isotopeneffekt über zwei Bindungen (F—C—S), 2Zl19F(34/32S), und den 3,S-induzierten Isotopeneffekt auf die 19F-Abschirmung in SF6 berichtet. Ferner wird die Temperaturabhängigkeit der Isotopenver-schiebung diskutiert.

Experimentelles

Die untersuchten Verbindungen wurden nach Li-teraturvorschriften hergestellt. Bei der Bereitung der NMR-Proben wurde auf strengsten Feuchtigkeits-ausschluß geachtet, da die Schwefel-Fluor-Verbin-dungen sehr hydrolyseempfindlich sind und dabei entstehender Fluorwasserstoff Fluoraustauschreak-tionen katalysiert, welche zu Signalverbreiterungen führen. Die Substanzen wurden im Vakuum in NMR-Röhrchen mit 5 mm äußerem Durchmesser kondensiert, dann wurde jeweils so viel getrocknetes CD2Cl2 als Lösungsmittel und Locksubstanz dazu-kondensiert, daß die Probe etwa 60 Vol.-% CD2Cl2 enthielt, und schließlich wurden die Röhrchen abge-schmolzen. Einige Proben enthielten Gemische von Schwefel-Fluor-Verbindungen. Die Messung mehre-rer Proben verschiedener Zusammensetzungen er-gab vernachlässigbar geringe Unterschiede in den Isotopenverschiebungen.

Zur Aufnahme der 19F-NMR-Spektren diente ein Spektrometer des Typs Bruker WM 250 (235,36 MHz, 5,87 T). Die Messungen mußten bei

Page 2: NMR-spektroskopische Untersuchungen an ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/40/ZNB-1985-40b-0782.pdf · Sulfur Fluorine Compounds Nineteen values for 34 S-induced isotope shifts on the

W. Gombler • NMR-Untersuchungen an Chalkogenverbindungen 783

Tab. I. 34S-induzierte Isotopenverschiebungen der 19F-NMR-Frequenzen von Schwefel-Fluor-Verbindungen und S —F-Bindungslängen.

Nr. Verbindung lA 19F(34/32S) [ppm] r ( S - F ) [pm]

1 SF4, Feq -0 ,0690 154,5 [20] 2 SF4, Fax -0 ,0330 164,6 [20] 3 CF3SF3, Feq -0 ,0648 (155,5) 4 CF3SF3, Fax -0 ,0220 (166,0) 5 (CF3)2SF2 , Fax -0 ,0091 [a] 168,1 [21] 6 SF3SF, (F l ) a x -0 ,0294 172 [8] 7 SF3SF, (F2)a x -0 ,0222 162 [8] 8 SF3SF, (F3)e q -0 ,0622 157 [8] 9 SF3SF, (F4) -0 ,0433 160 [8]

10 FSSF -0 ,0145 163,5 [22] 11 FSSSF -0 ,0095 (164,5) 12 FSSSSF -0 ,0115 (164,2) 13 CF3SF -0 ,0376 160,5 [23] 14 SSF2 -0 ,0755 159,8 [22] 15 SOF2 -0 ,0602 158,3 [24] 16 C F 3 S ( 0 ) F -0 ,0447 (162,0) 17 SF6 -0 ,0552 [b] 156,1 [25] 18 SO2CIF -0 ,0594 155 [11] 19 SO2F2 -0 ,0528 (156,5)

Meßtemperatur 210 K. [a] T = 190 K, [b] T = 225 K, Fax axiale, Feq äquatoriale F-Atome, ( F l ) bis (F4) beziehen sich auf <5F-Werte von hohen zu niedrigen Frequenzen, r(S—F)-Werte in Klammern wurden mit Hilfe von Abb. 1 abgeschätzt.

tiefer Temperatur vorgenommen werden, da einige der Verbindungen bei Raumtemperatur sehr zersetz-lich sind und außerdem starke Signalverbreiterung zeigen. Da die Isotopenverschiebungen sich als stark temperaturabhängig erwiesen, wurden die Messun-gen einheitlich bei 210 K durchgeführt. Lediglich (CF3)2SF2 und SF6 wurden bei 190 K bzw. 225 K ver-messen, da bei 210 K die geringe Isotopenverschie-bung von (CF3)2SF2 wegen Signalverbreiterung nicht meßbar war und SF6 und CD2C12 sich entmischten. Die digitale Auflösung betrug 0,01 bis 0,02 Hz pro Datenpunkt, aber wegen der relativ breiten Signale einiger Schwefel-Fluor-Verbindungen und der Ver-messung in verschiedenen Gemischen ist die Genau-igkeit der Isotopenverschiebungen in Tab. I nur ca. ±0,0005 ppm. Negative Werte bedeuten Verschie-bung nach niedriger Frequenz (hohem Feld) [5].

Ergebnisse und Diskussion

Wie aufgrund vorangegangener Untersuchungen [5, 6] erwartet, konnte gefunden werden, daß *zl19F(34/32S)-Werte von äquatorialen F-Atomen in SF4 und seinen Derivaten deutlich größer sind als von axialen (Tab. I), da äquatoriale S—F-Bindungen kürzer als axiale sind. Auch für SF3SF, das eine un-

-0.0600

E CL CL

U)

3 -0.0400

u_ cn

-0.0200

Abb. 1. Abhängigkeit des 34S-Isotopeneffekts auf 19F-NMR-Frequenzen von der SF-Bindungslänge in Schwefel-Fluor-Verbindungen. Die Nummern beziehen sich auf die in Tab. I angegebenen Verbindungen.

gewöhnliche Molekülstruktur mit vier unterschied-lich langen SF-Bindungsabständen besitzt [8], wur-den den Bindungslängen umgekehrt proportionale 34S-Isotopenverschiebungen gemessen. Die relativ starke Abweichung des Wertes für F( l ) kann mit den besonderen Bindungsverhältnissen dieses F-Atoms erklärt werden, dem eine zusätzliche schwache Bin-dung zum zweiten S-Atom zugeschrieben wird [8]. Abb. 1 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen dem 34S-induzierten Isotopeneffekt auf die ' ^ - A b -schirmung und der SF-Bindungslänge, in den sich auch S(II)- und S(VI)-Verbindungen gut einfügen. Es ist zu bemerken, daß die Isotopenverschiebungen bei einer Temperatur von 210 K in der flüssigen Phase gemessen wurden, während die Bindungslän-gen sich auf die Gasphase bei Raumtemperatur be-ziehen. Da Schwefel-Fluor-Verbindungen in der flüssigen Phase Assoziate bilden [9], können die ver-wendeten Bindungslängen nur als Näherung an die tatsächlich in der Flüssigkeit vorliegenden Bindungs-abstände angesehen werden.

Die hier beschriebene Abhängigkeit zwischen Isotopenverschiebung und Bindungslänge läßt zu-sammen mit früheren Ergebnissen [5, 6, 27] nun den Schluß zu, daß sie ein allgemeingültiges Phänomen darstellt. Der Einfluß der Bindungslänge scheint in der Regel andere Effekte zu überwiegen. Bei An-

150 160 170 r(S-F)/pm

Page 3: NMR-spektroskopische Untersuchungen an ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/40/ZNB-1985-40b-0782.pdf · Sulfur Fluorine Compounds Nineteen values for 34 S-induced isotope shifts on the

784 W. Gombler • NMR-Untersuchungen an Chalkogenverbindungen 784

L

L J u J

Abb. 2. 1 9F-NMR-Spektren mit 34S-Satelliten von SSF2 (oben links), FSSF (rechts) und F(3) von SF3SF. Die Ska-len sind miteinander vergleichbar.

Wendungen dieses Zusammenhangs sollte man sich jedoch auf Reihen sehr ähnlicher Verbindungen be-schränken, und es sollte möglichst nur ein Substitu-ent variiert werden. Mit dieser Abhängigkeit ist es beispielsweise möglich, mittels der 19F-NMR-Spek-troskopie SF-Bindungslängen zu bestimmen. Für die Verbindungen CF3SF3, CF 3 S(0)F , FS3F, FS4F sowie S0 2F 2 wurden durch Vergleich mit SF4 und (CF3)2SF2 bzw. SOF2 , FSSF und S02C1F unter Paral-lelverschiebung der Geraden in Abb. 1 durch die Vergleichsverbindung SF-Bindungslängen abge-schätzt (Tab. I, Werte in Klammern). Die Daten zei-gen, daß die Isotopenverschiebungen äußerst emp-findlich gegenüber Änderungen von SF-Bindungs-längen sind (siehe auch Abb. 2), so daß bei Messun-gen unter gleichen Bedingungen auch noch sehr kleine Unterschiede erfaßt werden können. Für FS3F und FS4F ergeben sich S —F-Bindungslängen, die sich nur um 0,3 pm voneinander unterscheiden. Die ent-sprechenden Isotopenverschiebungen sind bei der verwendeten Meßgenauigkeit eindeutig unterscheid-bar. Daß die Werte in der Reihe 10,11, 12 durch ein Minimum verlaufen ist zwar unerwartet, läßt sich aber mit den sehr unterschiedlichen Verknäuelungs-möglichkeiten der drei Moleküle erklären. Die für S0 2F 2 und S02C1F gemessenen Isotopenverschie-bungen lassen den Schluß zu, daß die S —F-Bin-dungslänge in S0 2 F 2 die größere ist. Die Literaturda-ten 153±3 pm [10] bzw. 155±3 pm [11] erscheinen in

diesem Licht als überprüfungsbedürftig. Einen ähnli-chen Hinweis auf die falsche Angabe der C—Se-Bin-dungslänge in CSe2, 205 pm [12], ergaben Isotopen-verschiebungen !Zl77Se(13 12C) von SeCO, SeCS und SeCSe. Aus den Werten für SeCO und SeCS konnte eine C—Se-Bindungslänge von 169 pm für CSe2 er-wartet werden [5]. Tatsächlich wurde dann ein neuer Wert von 169,2 pm publiziert [13].

Der Isotopeneffekt ist auf unterschiedliche Schwingungsamplituden von leichteren und schwere-ren Isotopomeren zurückzuführen [14, 15]. Bei An-wendung der Born-Oppenheimer-Näherung sind die Potentialkurven für die Schwingungen von isolierten 32S—F- und 34S—F-Oszillatoren gleich. Das schwe-rere Isotopomere befindet sich jedoch auf niedrige-rem Energieniveau in der Potentialkurve. Der Iso-topeneffekt in der NMR-Spektroskopie tritt dadurch auf, daß die Potentialkurve anharmonisch ist. Da-durch besitzen z. B. die 34S—F-Isotopomere einen ge-ringeren mittleren Bindungsabstand als die 32S—F-Isotopomere des entsprechenden Energieniveaus. Der geringere Bindungsabstand begründet die hö-here 19F-Abschirmung (niedrigere Resonanzfre-quenz) der ,4S—F-Isotopomeren.

Eine Erklärung für die gefundene Abhängigkeit der Isotopenverschiebung von der Bindungslänge kann in drei Ursachen gesucht werden. 1) Die Ab-hängigkeit der nuclearen Abschirmung vom Bin-dungsabstand, über die bisher nur wenig bekannt ist [16, 17], kann eine nichtlineare Funktion sein. Für zwei Isotopomere wäre dann die Differenz der Mit-telwerte der Schwingungsamplituden aus dieser Funktion bei verschiedenen Bindungslängen ver-schieden, was zu unterschiedlich starken Isotopen-verschiebungen für unterschiedliche Bindungslängen führen würde. 2) Mit zunehmendem Bindungsab-stand rücken die Energieniveaus der 34/32S-Isotopo-meren näher zusammen, so daß bei ähnlicher Anhar-monizität der Potentialkurve der Unterschied im Bindungsabstand und damit der Isotopeneffekt im-mer geringer wird. 3) Die Anharmonizität der Poten-tialkurven vergleichbarer Verbindungen könnte mit zunehmendem Bindungsabstand geringer werden, denn der Isotopeneffekt ist grundsätzlich auf die An-harmonizität der Potentialkurve zurückzuführen. Dabei wird vorausgesetzt, daß näherungsweise die Potentialkurven sehr ähnlicher Bindungen (z .B. S—F-Bindungen) sehr ähnlich sind und daß nur eng verwandte Verbindungen miteinander verglichen werden.

Page 4: NMR-spektroskopische Untersuchungen an ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/40/ZNB-1985-40b-0782.pdf · Sulfur Fluorine Compounds Nineteen values for 34 S-induced isotope shifts on the

W. Gombler • NMR-Untersuchungen an Chalkogenverbindungen 785

Tab. II. 34S-induzierter Isotopeneffekt über zwei Bindun-gen auf die 19F-Abschirmung bei 293 K sowie CS- und CF-Bindungslängen.

2A 1 9 F( 3 4 / 3 2 S) r ( C - S ) r ( C - F ) [ppm] [pm] [pm]

CF3SC1 - 0 , 0 0 5 4 182 ,4 [23] 133 ,0 [23] CF3SCF3 - 0 , 0 0 5 7 181 ,9 [23] 133 ,0 [23] C F 3 S ( 0 ) F - 0 , 0 0 7 8 ( C F 3 ) 2 S F 2 - 0 , 0 0 8 5 ( 2 1 0 K ) 188 ,8 [21] 131 ,7 [21] S = C F , - 0 , 0 1 1 9 158 ,9 [26] 131 ,6 [26]

Erstmals konnte in dieser Arbeit der 34S-Isotopen-effekt auf die 19F-Abschirmung über zwei Bindungen im Bindungssystem F - C - S anhand einiger weniger Verbindungen nachgewiesen werden (Tab. II). Wenn hier auch beide Bindungslängen von Bedeu-tung zu sein scheinen, so müssen doch weitere starke Einflüsse vorhanden sein, wie die Isotopenverschie-bung von (CF3)2SF2 zeigt. Sehr wahrscheinlich spie-len die Hybridisierung beteiligter Atome und deren räumliche Anordnung eine Rolle. Deshalb sind von den aufgeführten Verbindungen nur CF3SC1 und CF3SCF3, in denen sowohl der Schwefel als auch der Kohlenstoff in gleicher Hybridisierung vorliegen, miteinander vergleichbar.

Um mehr Information über die Temperaturabhän-gigkeit von Isotopenverschiebungen zu bekommen, wurden mehrere Verbindungen bei 210 K und 293 K vermessen. Von SOF2 und S=CF2 wurden die Isoto-penverschiebungen über eine bzw. zwei Bindungen mit einer Meßreihe erfaßt (Tab. III). Für SOF2 er-gibt sich eine lineare Abhängigkeit für den Tempera-turbereich zwischen 210 K und 293 K (Abb. 3). Alle Meßergebnisse zeigen, daß die Isotopenverschie-bung mit steigender Temperatur abnimmt. Diese

- 0 . 0 6 0 I E C L C L

L L

-0 .050

Abb. 3. Temperaturabhängigkeit der 34S-Isotopenver-schiebung auf die 19F-NMR-Frequenz von SOF2 .

Resultate stimmen mit theoretisch berechneten Er-gebnissen für 37C1F/35C1F [14] und experimentell er-mittelten 1Zl77Se(13/12C)-Werten für Se13CO/Se12CO und CF3Se13CN/CF3Se12CN [5] überein. Offenbar spielen schwingungsangeregte Zustände, die zur Vergrößerung des mittleren Bindungsabstandes füh-ren, eine Rolle. Mit der Beziehung In Ni/N0 = —AE/ (kT) kann man für SF-Valenzschwingungen, die im Bereich 700—900 cm - 1 auftreten, den Anteil der Moleküle im ersten schwingungsangeregten Zustand berechnen. Bei 210 K sind es 0 ,2 -0 ,8%, bei 295 K 1,2—3,3%. Als mögliche Ursache für die Tempera-turabhängigkeit des Isotopeneffekts läßt sich die nicht lineare Abhängigkeit der I9F-Abschirmung vom Bindungsabstand anführen, die oben auch als Grund für die Korrelation zwischen Isotopenver-schiebung und Bindungsabstand nach Abb. 1 disku-tiert wurde.

Tab. III. Temperaturabhängigkeit der 34S-induzierten Isotopeneffekte über eine bzw. zwei Bindungen auf die 19F-Ab-schirmung in SF- und FCS-Verbindungen.

T/K 210 225 2 3 0 240 2 5 0 2 6 0 2 7 0 2 8 0 2 9 3

lA 1 9P( 3 4 / 3 2S) [ p p m ]

S O F , - 0 , 0 6 0 2 - 0 , 0 5 8 2 - 0 , 0 5 7 4 - 0 , 0 5 6 9 - 0 , 0 5 5 8 - 0 , 0 5 5 0 - 0 , 0 5 4 4 - 0 , 0 5 3 0 - 0 , 0 5 2 8 - 0 , 0 4 9 3

SO-.C1F - 0 , 0 5 9 4 - 0 , 0 5 5 0 SF 6 - 0 , 0 5 5 2 - 0 , 0 5 3 0 C F 3 S ( 0 ) F - 0 , 0 4 4 7 - 0 , 0 3 8 7

2 A 1 9F( 3 4 / 3 2S) [ p p m ]

S=CF-> - 0 , 0 1 3 8 - 0 , 0 1 3 3 - 0 , 0 1 3 0 - 0 , 0 1 2 9 - 0 , 0 1 2 7 - 0 , 0 1 1 9 C F 3 S ( Ö ) F - 0 , 0 0 9 0 - 0 , 0 0 7 8

Page 5: NMR-spektroskopische Untersuchungen an ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/40/ZNB-1985-40b-0782.pdf · Sulfur Fluorine Compounds Nineteen values for 34 S-induced isotope shifts on the

786 W. Gombler • NMR-Untersuchungen an Chalkogenverbindungen 786

Eine 33S-Isotopenverschiebung wurde in SF6 ge-messen. In diesem Molekül tritt wegen der hohen Molekülsymmetrie die Spin-Spin-Kopplung mit dem 33S-Kern (I = 3/2) auf, die zu vier schwachen Satelli-ten-Signalen mit einer Gesamtintensität von 0,8% führt. Die Kopplungskonstante '7(33S—19F) wurde zu 251,7±0,15 Hz ermittelt, womit ein früher gemesse-ner Wert von 251 Hz [18] bestätigt wird. Die Isoto-penverschiebung ]zl19F(33/32S) beträgt bei 293 K -0,0274±0,0002ppm (s. auch [7]). Sie ist, bezogen auf eine Masseneinheit, größer als der XA 19F(34,2S)-Wert (—0,0265±0,0002 ppm), da der relative Massenunter-schied für ersteren Effekt größer ist ((34—32)/34 = 0,058 und (33-32)/33 = 0,030). Daß solche geringen Unterschiede noch zuverlässig meßbar sind, konnte kürzlich anhand von Isotopeneffekten JZl77Se("/74Se) (n = 76, 77, 78, 80, 82) nachgewiesen werden [1],

obwohl in diesem Fall die relativen Massenunter-schiede noch geringer sind. An vier Beispielen konnte gezeigt werden, daß der auf eine Masseneinheit be-zogene Isotopeneffekt mit geringer werdendem rela-tivem Massenunterschied in der Reihe 6 74Se bis 82/80Se geringer wird. Jameson und Osten haben die Abhängigkeit der Isotopenverschiebung über eine Bindung vom relativen Massenunterschied theore-tisch abgeleitet. Die Beziehung konnte mit den expe-rimentellen Daten nach [1] sehr gut bestätigt werden [19].

Diese Arbeit wurde vom Fonds der Chemischen Industrie unterstützt. Dank gebührt auch Prof. Dr. mult. A. Haas für finanzielle Unterstützung und Prof. Dr. H. Willner für die Überlassung von S2F4 und Difluorpolysulfanen.

[1] Mitteilung V: W. Gombler, J. Magn. Reson. 53, 69 (1983).

[2] H. Batiz-Hernandez und R. A. Bernheim, Prog. Nucl. Magn. Reson. Spectrosc. 3, 63 (1967).

[3] P. E. Hansen, Ann. Rep. NMR Spectrosc. 15, 105 (1983).

[4] J. M. Risley und R. L. Van Etten, J. Am. Chem. Soc. 101, 252 (1979).

[5] W. Gombler, J. Am. Chem. Soc. 104, 6616 (1982). [6] W. Gombler, R. W. Kinas und W. J. Stec, Z. Natur-

forsch. 38b, 815 (1983). [7] R. J. Gillespie und J. W. Quail, J. Chem. Phys. 39,

2555 (1963). [8] a) M. v. Carlowitz, H. Oberhammer, H. Willner und J.

E. Boggs, J. Mol. Struct. 100, 161 (1983); b) F. Seel, R. Budenzund W. Gombler,Chem. Ber. 103, 1701 (1970).

[9] W. Gombler und F. Seel, J. Fluor. Chem. 4, 333 (1974).

[10] D. R. Lide, D. E. Mann und R. M. Fristrom. J. Chem. Phys. 26, 734 (1957).

[11] C. W. Holt und M. C. L. Gerry. Chem. Phys. Lett. 9, 621 (1971).

[12] G. W. King und K. Srikameswaran. J. Mol. Spectrosc. 29, 491 (1969).

[13] A. G. Maki und R. L. Sams, J. Mol. Spectrosc. 90,215 (1981).

[14] C. J. Jameson, J. Chem. Phys. 66, 4983 (1977). [15] C. J. Jameson, Bull. Magn. Reson. 3, 3 (1981). [16] C. J. Jameson, J. Chem. Phys. 66, 4977 (1977). [17] H. J. Osten und C. J. Jameson, J. Chem. Phys. 81, 4288

(1984). [18] P. T. Inglefield und W. T. Reeves, J. Chem. Phys. 40,

2425 (1964). [19] C. J. Jameson und H. J. Osten, J. Chem. Phys. 81,4293

(1984). [20] W. M. Tolles und W. D. Gwinn, J. Chem. Phys. 36,

1119 (1962). [21] H. Oberhammer, R. C. Kumar, G. D. Knerr und J.

M. Shreeve, Inorg. Chem. 20, 3871 (1981). [22] R. L. Kuczkowski, J. Am. Chem. Soc. 86, 3617

(1964). [23] H. Oberhammer, W. Gombler und H. Willner, J.

Mol. Struct. 70, 273 (1981). [24] I. Hargittai und F. C. Mijlhoff, J. Mol. Struct. 16, 69

(1973). [25] L. S. Bartell und S. K. Doun, J. Mol. Struct. 43, 245

(1978). [26] D. Christen, H. Oberhammer, W. Zeil, A. Haas und

A. Darmadi, J. Mol. Struct. 66, 203 (1980). [27] V. P. Tarasov, V. I. Privalov. Yu. A. Buslaev und U.

Eichhoff. Z. Naturforsch. 39b, 1230 (1984).