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Notizen zur Vorlesung
AVWLII, WS 2008/09
LMU
Prof. Dr. Robert Fenge
Ludwig-Maximilians-Universität München
(©) Copyright: Thiess Büttner, 2008
23. September 2008
INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis
I Das Grundmodell in der makroökonomischen Analyse 8
1 Gütermarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.1 Ableitung des Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
2 Güter- und Geldmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.1 Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.2 Geldnachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.3 Geldangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.4 Geldmarktgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.5 Gleichgewicht im IS-LM Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3 Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
3.1 Output und Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
1
INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS
3.2 Beschäftigung und Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
3.3 Beschäftigung und Preisentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3.4 Das Modell mit Preisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.5 Die AS-Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
3.6 Die AD-Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
3.7 Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . 73
3.8 Korrekte Preiserwartungen: vertikale Angebotsfunktion . . . . . . . 76
3.9 Gleichgewichtige Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
4 Wachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
4.1 Wachstumsentwicklung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 82
4.2 Wachstum im AS und AD Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
4.3 Kapital, Investitionen und Arbeitsproduktivität . . . . . . . . . . . 94
4.4 Gleichgewichtswert der Arbeitsproduktivität . . . . . . . . . . . . . 98
4.5 Kapitalintensität und optimale Ersparnis im Steady State . . . . . 101
4.6 Technischer Fortschritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.7 Endogener technischer Fortschritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
2
INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS
II Erwartungen in der makroökonomischen Analyse 119
5 Erwartungen und Fiskalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
6 Konsum als intertemporale Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
6.1 Zwei Perioden Modell des Konsums . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
6.2 Ein einfaches Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
6.3 Kreditrationierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
7 Intertemporale Budgetrestriktion des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
7.1 Unendlicher Zeithorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
7.2 Zur Ricardianischen Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
7.2.1 Überlappende Generationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
7.2.2 Zinsunterschiede zwischen privatem und öffentlichen Bereich 151
7.2.3 Kreditrationierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
7.2.4 Effizienzkosten der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 154
7.3 Der ausgeglichene Staatshaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
8 Erwartungen und Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
9 Erwartungen und Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
3
INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS
9.1 Inflationserwartungen und die AD Kurve . . . . . . . . . . . . . . . 169
9.2 Gewinnerwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
9.2.1 Statische Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
9.2.2 Tobin’s q . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
III Internationale Makroökonomik 184
10 Internationaler Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
10.1 Warum gibt es Handel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
10.2 Handel in der VGR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
10.3 Außenbeitrag als Bestandteil der Nachfrage . . . . . . . . . . . . . 189
10.4 Einkommenseffekte auf den Außenbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . 195
10.5 Wechselkurseffekte auf den Außenbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . 201
11 Kapitalverkehr und Wechselkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
11.1 Zahlungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
11.2 Investitionen und Ersparnis bei Kapitalmobilität . . . . . . . . . . . 207
11.3 Zins und Wechselkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
4
INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS
11.4 Fixe Wechselkurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
11.5 Die offene Volkswirtschaft bei Preisanpassungen . . . . . . . . . . . 220
11.6 Wechselkurspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
11.7 Spektulative Attacken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
5
AVWL II 3
Gegenstand der Makroökonomik
Makroökonomik befasst sich mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
Das umfasst zum einen konjunkturelle Entwicklungen, also das Auf- und Ab der wirtschaft-
lichen Entwicklung, aber auch die langfristige Wirtschaftsentwicklung, beispielsweise das
Wachstum.
An dieser Stelle wollen wir nur kurz auf die Entwicklung des BIP eingehen.
Zugleich geht es um die Steuerung der Wirtschaftsentwicklung im Rahmen der Geldpolitik
und der Fiskalpolitik.
Ein wichtiger Aspekt sind auch die internationalen Zusammenhänge, sei es auf die Währun-
gen bezogen, oder auf den Austausch von Gütern und Diensten, oder auch auf die Mobilität
von Faktoren.
Gliederung der Vorlesung
Einleitung
I. Das Grundmodell der makroökonomischen Analyse
1. Gütermarkt
2. Geldmarkt und Gütermarkt
3. Arbeitsmarkt
4. Wachstum
AVWL II 4A
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INHALTSVERZEICHNIS AVWL II 5
5. Erwartungen und Fiskalpolitik
6. Konsum als intertemporale Entscheidung
7. Intertemporale Budgetrestriktion des Staates
8. Erwartungen und Geldpolitik
9. Erwartungen und Investitionen
III. Internationale Makroökonomie
10. Internationaler Handel
11. Kapitalverkehr und Wechselkurs
Methodik der Analyse
Repräsentative Agenten: Haushalte, Unternehmen, Investoren, Regierung, Zentralbank
Mikroökonomisches Entscheidungskalkül
Marktgleichgewicht: Markträumung oder Verhandlungsgleichgewicht
Rationale Erwartungsbildung
Erwartungsgleichgewicht
Vorkenntnisse
Mathematik: Einfache Differentialrechnung
Statistik: Einfache Statistik, Regressionsanalyse
INHALTSVERZEICHNIS AVWL II 6
VWL: Grundstudium
Literatur:
Blanchard, O. J., 2003, 2006, Macroeconomics, 3. bzw. 4. Auflage, Prentice Hall
Blanchard, O. J., und G. Illing, 2004, Makroökonomie, 3. aktualisierte Auflage, Pearson
Ergänzend für Mathematik und Statistik:
Karmann, S., 2000, Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler, 4.Auflage, Oldenbourg
Winker, P., 1997, Empirische Wirtschaftsforschung, Springer
INHALTSVERZEICHNIS AVWL II 7
Gliederung der Vorlesung, Bezüge zu Blanchard, 2006
I. Das Grundmodell der makroökonomischen Analyse
1. Gütermarkt (Blanchard, 2006, Kapitel 3)
2. Geldmarkt und Gütermarkt (Blanchard, 2006, Kapitel 4 und 5)
3. Arbeitsmarkt und Gleichgewicht (Blanchard, 2006, Kapitel 6 und 7)
4. Wachstum (Blanchard, 2006, Kapitel 10, 11, und 12)
II. Erwartungen
5. Erwartungen und Fiskalpolitik (Blanchard, 2006, 26-2)
6. Konsum als intertemporale Entscheidung Konsum (Blanchard, 2006, Kapitel
16-1)
7. Intertemporale Budgetrestriktion des Staates (Blanchard, 2006, 24-2 und 26-1)
8. Erwartungen und Geldpolitik (Blanchard, 2006, Kapitel 24-2)
9. Erwartungen und Investitionen (Blanchard, 2006, Kapitel 16-2)
III. Internationale Makroökonomie
10. Internationaler Handel (Blanchard, 2006, Kapitel 18)
11. Kapitalverkehr und Wechselkurs (Blanchard, 2006, Kapitel 21 und 22)
AVWL II 8
Teil I
Das Grundmodell in der
makroökonomischen Analyse
AVWL II 9
Wir wollen zunächst die Grundbausteine der traditionellen makroökonomischen Analyse
Revue passieren lassen, bevor wir sie dann noch einmal im Detail nachvollziehen und
erläutern.
Modell 1: Gütermarkt
Das Modell hat zwei Gleichungen und zwei Unbekannte.
1. Output (Y ) Gleichgewichtsbedingung
2. Konsum (C) Konsumfunktion
Die Vorstellung ist, dass Produzenten den Output bereitstellen. Output ist ein zusammen-
gesetzes Gut. Es wird für den Verbrauch und für Investitionen genutzt. Der monetäre Preis
ist dabei gegeben.
Investorenverhalten wird außerhalb des Modells bestimmt.
Innerhalb des Modells bestimmt werden Konsum C und Output Y (endogene Variablen)
Konsum und Output sind Plangrößen (ex-ante)
Gleichgewicht: alle Pläne werden realisiert.
AVWL II 10
Modell 2: Geldmarkt und Gütermarkt
Das Modell hat vier Gleichungen und vier Unbekannte.
1. Output (Y ) Gleichgewichtsbedingung
2. Konsum (C) Konsumfunktion
3. Zinssatz (r) Geldmarktgleichgewicht
4. Investition (I) Investitionsfunktion
Geldnachfrage und Geldangebot bestimmen Zinssatz r.
Zinssatz beeinflusst Investitionen I.
Innerhalb des Modells bestimmt werden nun C, Y , r, und I
AVWL II 11
Modell 3: Geld-, Güter-, und Arbeitsmarkt
Das Modell hat sieben Gleichungen und sieben Unbekannte.
1. Output (Y ) Gleichgewichtsbedingung
2. Konsum (C) Konsumfunktion
3. Zinssatz (r) Geldmarktgleichgewicht
4. Investition (I) Investitionsfunktion
5. Beschäftigung (N) Produktionsfunktion
6. Preisniveau (p) Preisfunktion
7. Lohnsatz (w) Lohnfunktion
Arbeitsangebot und -nachfrage bestimmen Lohnsatz w
Lohnsatz bestimmt das Preisniveau p
Arbeitsnachfrage ist bestimmt durch den Reallohn wp
Innerhalb des Modells bestimmt, also endogen sind: C, Y , r, I, N , p und w
AVWL II 12
Modell 4: Wachstumsmodell
Das Modell hat neun Gleichungen und neun Unbekannte.
1. Output (Y ) Budgetidentität
2. Konsum (C) Konsumfunktion
3. Zinssatz (r) Geldmarktgleichgewicht
4. Investition (I) Investitionsfunktion
5. Beschäftigung (N) Produktionsfunktion
6. Preisniveau (p) Preisfunktion
7. Lohnsatz (w) Lohnfunktion
8. Kapitaleinsatz (K) Kapitalbildung
9. Produktivität (A) Technischer Fortschritt
Bestand an Kapital K wird durch Investitionen beeinflusst.
Bestand an technischen Wissen ändert sich durch technischen Forschritt.
Bestimmt werden: C, Y , r, I, N , p, w, K und A.
AVWL II 13
Die Modellaussagen der unterschiedlichen Betrachtungsweisen unterscheiden sich ganz er-
heblich. Oft besteht die Kontroverse darin, welches der relevante Modellkontext ist.
Das zeigt sich geradezu täglich in der Wirtschaftspresse, z.B. bei
– Tarifpolitik
– Finanzkrise/Konjunkturprogramm
1. GÜTERMARKT AVWL II 14
1 Gütermarkt
Hier betrachten wir lediglich den Gütermarkt. Wir gehen davon aus, dass die Volkswirt-
schaft ein einziges Gut, den “Output” produziert. Maßgröße ist das Bruttoinlandsprodukt.
Es gibt den Wert der Güter und Dienste an, die im Inland produziert werden. Dabei wer-
den Zwischengüter, also Lieferbeziehungen zwischen Unternehmen nicht berücksichtigt,
stattdessen wird die Wertschöpfung jeder Firma erfasst.
Riskieren wir einen Blick in die Statistik.
Wo gibt es denn solche Daten? Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) wird vom
Statististischen Bundesamt erstellt:
http://www.destatis.de
(unter Publikation, Fachserien, VGR, dann geeignete Publikation auswählen)
oder
http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de
(Anhang zum aktuellen Jahresgutachten)
Gemäß Abbildung ?? liegt das Bruttoinlandprodukt in 2007 bei MRD e 2423,80
(im Buch von Blanchard steht etwas von Trillionen: die Amerikaner zählen anders...)
Ist das überraschend viel oder wenig?
1. GÜTERMARKT AVWL II 15
Abbildung
2:V
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echnung:
Ver
wen
dung
des
BIP
1. GÜTERMARKT AVWL II 16
Teilen Sie das durch die Bevölkerung. In Deutschland lebten im Jahr 2006 nach amtlicher
Statistik 82,366 Millionen Menschen. Das sind e29427 pro Einwohner. Berücksichtigt man,
dass in einem Haushalt ca 2.1 Personen leben, sind das e61797 pro Haushalt. Vergleichen
Sie das mit Ihrer Situation.
Es fällt Ihnen sicher auf, dass der Output durch eine monetäre Größe gemessen wird. Dies
hat zwei Aspekte. Zum einen werden die Outputs aller Firmen durch Ansatz mit den Euro
Werten zu einem Gesamtwert aggregiert. Zum anderen kann die Wertentwicklung auch
einfach rein monetäre Entwicklung abbilden. Wird vermehrt Geld in Umlauf gebracht, sinkt
die Kaufkraft des Geldes und der gleiche Berg an Gütern und Diensten steigt im Preis.
Dann steigt die nominale Wertschöpfung an, aber nicht notwendigerweise die preisbereinigte
oder reale Wertschöpfung.
Wie wird solche Preisbereinigung vorgenommen? Im Rahmen der VGR werden auch Preisin-
dizes erstellt. Sie geben die Preisentwicklung relativ zu einem Basisjahr aus (vgl. Abbildung
??).
Der ganze Berg der produzierten Güter und Dienste nun wird für verschiedene Zwecke
verwendet. Der wichtigste Teil sind Konsumausgaben. Hier lebt die Gesellschaft von der
Hand in den Mund, sozusagen. Konsumausgaben tätigen wir als private Haushalte. Einen
erheblichen Teil der Ausgaben tätigt aber auch der Staat. 2007 sind das MRD 436,05 also
immerhin % 24 des gesamten Konsums.
Die zweitwichtigste Komponente sind die Investitionen. Ein Teil wird auch hier vom Staat
1. GÜTERMARKT AVWL II 17
Abbildung
3:V
olksw
irts
chaf
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echnung:
Pre
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1. GÜTERMARKT AVWL II 18
getätigt. Im Jahre 2007 sind das aber nur MRD 36,21, also % 8 aller Anlageinvestitionen
(MRD 449,56). Deswegen werden die Investitionen des Staates oft vernachlässigt.
Schließlich spielt der Außenhandel noch eine wichtige Rolle. Wir exportieren in ganz er-
heblichem Umfang Güter und Dienste in die ganze Welt, zugleich kaufen wir von dort
zahlreiche Güter. Der Differenzbetrag ist der Aussenbeitrag. Er gibt an wieviel an Gütern
wir netto ans Ausland liefern.
Dies schreiben wir formal durch eine Gleichung auf
Y = C + I +G+X,
wobei X für den Aussenbeitrag steht.
Diese Beziehung gilt in der Statistik immer. Das liegt daran, dass die Statistik sich nicht
auf die geplanten Transaktionen also auf die “ex-ante” Werte bezieht sondern auf die
realisierten Transaktionen und damit auf die Werte “ex-post”.
1.1 Ableitung des Gleichgewichts
Eine andere Interpretation der Beziehung ist aber die, dass die Akteure in der Wirtschaft
die Größen von C, I,G,X oder Y planen. Wenn nun aber der Wert der geplanten Verkäufe
Y dem Wert der geplanten Käufe C +G+ I +X entspricht, dann gilt die Beziehung auch
1. GÜTERMARKT AVWL II 19
“ex-ante”. Wenn dies gegeben ist, ist der Gütermarkt im Gleichgewicht. Dann haben wir
hier die bekannte Gleichgewichtsbedingung Angebot=Nachfrage.
In welchem Sinne sprechen wir hier von dem Gleichgewicht? Dass Gleichgewicht ist der
Zustand, bei dem keiner der Akteure (hier Verbraucher, Staat, Exporteure, Importeure
und Produzenten) seine Planung mehr ändern muss.
Lassen Sie uns nun Schritt für Schritt auf die Planungen der Akteure eingehen: Wer oder
was bestimmt die Planung der Produktion, die Planung des Konsums oder die Planung der
Investitionen? Im Modell mit der kurzen Frist nehmen wir an, dass die Produktion läuft
und kurzfristig durch Lagerhaltung angepasst werden kann.
Machen wir uns die Situation jetzt ganz einfach und nehmen wir an, dass Investitionen in
der Höhe von I geplant sind und konzentrieren uns auf den Konsum. Wer oder was be-
stimmt, wieviel konsumiert werden soll, bzw. wer oder was bestimmt die Höhe der Konsum-
nachfrage (das sind die geplanten Käufe der Verbraucher)? Zunächst müssen Sie verstehen,
dass die Entscheidung des Verbrauchers sich hier nicht auf eine Auswahl unter verschiede-
nen Gütern bezieht, sondern nur auf die Entscheidung, wieviel konsumiert werden soll und
wieviel gespart werden soll.
Eine einfache Verhaltenshypothese ist, dass die privaten Haushalte sich nach dem verfügba-
ren Einkommen ausrichten. An diesen Terminus erinnern Sie sich sicher auch aus dem
Grundstudium. Er bezeichnet die Obergrenze des Konsums, bis zu der die Haushalte kon-
sumieren können, ohne dass sie ihr Vermögen reduzieren müssen. Ein Konsum in Höhe des
1. GÜTERMARKT AVWL II 20
verfügbaren Einkommens bedeutet, dass der Haushalt keinen Cent spart. Ein Konsum un-
terhalb des verfügbaren Einkommens bedeutet, dass der Haushalt Vermögen aufbaut oder
spart. Ein Konsum oberhalb des verfügbaren Einkommens bedeutet, dass der Haushalt
Vermögen auflöst oder entspart.
Eine Frage, die sich im normalen Kontensystem stellt, ist die Frage nach der Finanzie-
rung der staatlichen Käufe von Gütern und Diensten. Die übliche Annahme ist, dass der
Staat den öffentlichen Konsum G finanziert durch die Steuereinnahmen T . Das verfügbare
Einkommen ist dann das Einkommen nach Steuern Y − T .
In unserem vereinfachten Modell ist das verfügbare Einkommen gleich dem Output minus
Steuern, da wir von Abschreibungen absehen. Wir formulieren daher die Konsumfunktion
C = C (Y − T ) .
Wollen wir dann auch noch annehmen, dass der Konsum eine lineare Funktion des verfügba-
ren Einkommens ist, gilt
C = c0 + c1 (Y − T )
wobei c1 als marginale Konsumquote bezeichnet wird. Sie gibt an, um wieviel der Konsum
steigt, wenn das Einkommen um eine Einheit steigt. Typischerweise wird angenommen,
1. GÜTERMARKT AVWL II 21
dass diese marginale Konsumquote zwischen Null und Eins liegt.
Nun können Sie fragen: ist das nicht völlig aus der Luft gegriffen. Aber, in der Tat hat sich
diese Funktion in aller Regel empirisch bestätigt. Lassen Sie uns das im Detail nachvollzie-
hen. Wir machen es uns dabei einfach und definieren das verfügbare Einkommen einfach
durch Einkommen abzüglich Staatsausgaben. Dies impliziert, dass der Staatshaushalt aus-
geglichen ist (T = G). Damit gilt für die Konsumfunktion:
C = c0 + c1 (Y −G)
Grafik 7 zeigt die Werte für Deutschland. Dabei sind die Punkte die Beobachtungen und
die rote Linie ist eine Regressionslinie. Die einfache Regression liefert konkret:
C = 11.23 + 0.714 (Y −G)
(38.45) (.023)
R2 = 0.984
Können Sie diese Gleichung interpretieren?
Mit der Gleichgewichtsbedingung
Y = C + I +G+X
1. GÜTERMARKT AVWL II 22
Abbildung 4: Privater Konsum und Verfügbares Einkommen∗
1. GÜTERMARKT AVWL II 23
und der Konsumfunktion
C = c0 + c1 (Y −G)
können wir nun den gleichgewichtigen Wert des Output bestimmen.
Mathematisch haben wir 2 Gleichungen mit 2 Unbekannten. Das sollte lösbar sein. Inhalt-
lich: Die Konsumfunktion gibt uns die Höhe des geplanten Konsums für einen gegebenen
Wert von Y an. Dieser Konsumplan ist bei gegebenen Investitionen von I dann mit der
Planung der Produzenten vereinbar, wenn die Konsumenten von demselben Wert für Y
ausgehen. Setzen wir also die Konsumfunktion in die Gleichgewichtsbedingung ein, erhal-
ten wir
Y = c0 + c1 (Y −G) + I +G+X,
bzw.
Y =1
1− c1[c0 + I + (1− c1)G+X] .
Die Höhe von Investitionen, Staatsausgaben und Außenbeitrag liefert demnach den gleich-
gewichtigen Output.
Anhand dieser Gleichung können wir nun den Effekt eines Anstiegs der Investitionen oder
der anderen Nachfragekomponenten auf Einkommen und Output bestimmen. Wie machen
wir das? Formal gehen wir hin und bilden das totale Differential. Nehmen wir an, es gibt
mehr Investitionen, weil die Unternehmen die Kapazitäten weitgehend ausgeschöpft haben.
Was passiert?
1. GÜTERMARKT AVWL II 24
Nehmen wir die Gleichung her, dann können wir durch Differentiation ermitteln, dass
dY =1
1− c1dI,
wobei dX die infinitesimale Änderung der Differentialrechnung anzeigt. Nehmen wir den
obigen Schätzwert für die Konsumquote dann steigt das Einkommen bei zusätzlichen In-
vestitionen von e 1 um e 3,5 (= 11−0,714) an: ein gewaltiger Effekt!
Der Anstieg der Investitionen impliziert also nicht einfach einen proportionalen Anstieg
des Output sondern einen 3,5 fachen Anstieg. Was ist die Intuition? Nehmen wir an, die
Investitionsnachfrage steigt um dI. In der Konsequenz steigt dann der Output gemäß der
Gleichgewichtsbedingung Y = C + I +G um den gleichen Betrag:
1.Runde dY1 = dI.
Wenn aber der Output steigt, steigt nach der Konsumfunktion der Konsum um c1dI. Dies
führt zu einem weiteren Anstieg der Nachfrage
2.Runde dY2 = c1dY1 = c1dI
Dies führt aber wiederum zu einem Anstieg der Konsumnachfrage
3.Runde dY3 = c1dY2 = c21dI
1. GÜTERMARKT AVWL II 25
usw. Am Ende steigt der Output um den Investitionsanstieg und zusätzlich um alle indu-
zierten Konsumanstiege
dY = dY1 + dY2 + dY3 + ...
also
dY =(1 + c1 + c
21 + ...
)dI
Dies ist eine geometrische Folge. Für 0 < c1 < 1 gilt die Formel für eine geometrische Reihe
(Formelsammlung)
1 + c1 + c21 + ... = lim
n→∞
1− cn+111− c1
=1
1− c1
Einen Eindruck von der Prognosequalität unseres Modells erhalten wir, wenn wir einfach
mal ausrechnen, wass sich denn ergibt, wenn wir die aktuellen Zahlen eintragen
Y = (1/(1− 0, 714)) ∗ (11, 23 + (1− 0, 714) ∗ 436, 05 + 442, 51 + 170, 85) = 2454
wobei wir neben den Investionen den Außenbeitrag von 170.85 und die staatliche Nachfrage
in Höhe von 436.05 berücksichtigt haben. Damit würde der tatsächliche Output um gerade
einmal % 1,3 überschätzt. Die statistischen Eigenschaften unseres Modellchens scheinen
von daher vergleichsweise gut zu sein.
Allerdings haben wir die Schätzgleichung für eine Errechnung des Output innerhalb der
Schätzperiode herangezogen (in-sample prediction). Ob man die Gleichung auch zur Pro-
gnose des Outputeffekts einer Änderung von einer der Nachfragekomponenten, sagen wir
1. GÜTERMARKT AVWL II 26
einer Erhöhung der Staatsausgaben oder der Exporte, verwenden kann, steht auf einem
ganz anderen Blatt. Hier wird der Eindruck erweckt, dass sich I, G und X ändern können,
ohne dass sich das Modell in irgendeiner Weise ändert. Die Änderungen dieser Größen,
insbesondere die durch den Staat bewirkten Änderungen, können indessen noch ganz an-
dere Effekte auslösen. Von daher hat sich die Vorstellung, dass man einen Schlüssel zum
Wohlstand gefunden hat, die noch in den Sechzigern vorherrschte, nicht bewahrheitet. Aber
dazu später mehr.
Die obige formale Analyse ist für Geübte recht einfach. Sie liefert aber keine anschauliche
Darstellung der Zusammenhänge des Modells.
Abbildung 5: Gleichgewicht auf dem Gütermarkt
-
6
Nachfrage
Output.
....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
.
.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
ZZ
Dies kann die graphische Analyse mithilfe des “Keynesian Cross” besser. In Abbildung 5
1. GÜTERMARKT AVWL II 27
Abbildung 6: Gleichgewicht auf dem Gütermarkt, Anstieg von I
-
6
Nachfrage
Output.
.........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
.
.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
.
.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
ZZ’
ZZ
dargestellt ist die zu jedem Output gehörige Nachfrage
ZZ = [c0 + c1Y − c1T + I +G+X]
und die Gleichgewichtsbedingung.
Anhand der Grafik können wir nun den Effekt von Variationen in den verschiedenen exo-
genen Nachfragekomponenten aufzeigen. Beispielsweise ein Anstieg der Investitionen.
In Abbildung 6 ist der Effekt eines Anstiegs der Investitionen dargestellt.
Probieren Sie sich selbst an der verbalen Interpretation der Grafik. Bei der Interpretation
ist darauf zu achten, dass das Diagramm eigentlich nur den Schnittpunkt erklärt. Stories
1. GÜTERMARKT AVWL II 28
zur Anpassung sind zwar hilfreich, um sich Wirkungszusammenhänge zu merken und zu
illustrieren. Sie sind aber strenggenommen nicht korrekt.