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Notlandung auf Beauly II

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Nr. 179Notlandung auf Beauly IISie geraten in den Bann der Emotio-Strahlung - und vergessen, daß sie Menschensind...von K. H. Scheer

Am 10. Mai des Jahres 2328 irdischer Zeitrechnung schließt Ferry Rhodan, der Großadministrator desVereinten Imperiums der Menschheit und seiner galaktischen Verbündeten, mit den völlig geschlagenen Bluesvom Planeten Gatas einen Friedensvertrag.Das Ende der galaxisweiten Auseinandersetzung mit den Gatasern bedeutet einen wichtigen Wendepunkt in derGeschichte aller Völker der Milchstrasse denn nun, da die gefährliche Bedrohung für den Bestand von PerryRhodans Galaktischer Allianz nicht mehr existiert, muß es sich erst erweisen, ob die G. A. auch Friedenszeiteneinen inneren Zusammenhalt besitzt.Perry Rhodan hat sich von dieser Allianz offensichtlich zuviel erhofft, denn kaum ist der galaktische Kriegbeendet, da beginnen die Verbündeten ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Wirren entstehen, und selbstNachkommen von Terranern, die auf fremden Welten eine neue Heimat gefunden haben, beginnen sich aus demVerband des Vereinten Imperiums zu lösen.Wie gefährlich die neue Lage ist, zeigt die NOTLANDUNG AUF BEAULY II, als Menschen in den Bann derEmotio-Strahlung geraten ...

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Großadministrator des Vereinten Imperiums.Atlan - Der Lordadmiral gibt sich als Blitzgott aus.Melbar Kasom - Oberleutnant und Spezialist der USO, dem die Rolle eines »Urmenschen« nicht schlecht ansteht.Sergeant Erco Fudoli - Ein Irrer mit Phantasie.Osak - Häuptling des Rotstreifenvolkes.Kors Dantur - Kommandant der CREST.

1.

Sie waren allein. Zwei Männer. Allein mit einemkleinen Schiff. Selbst ein Superriese derImperiumsflotte wäre hier nicht aufgefallen. Es warnebensächlich, ob man einen Zerstörer oder einenSchlachtkreuzer als Beförderungsmittel wählte. Manwar immer klein; so nichtig, wie an keinem anderenOrt der Milchstraße.

Es war genaugenommen kein Ort, sondern einegalaktische Position, ein unsichtbarer Schnittpunktvon Raum-Zeit-Koordinaten. Orte im Sinne desWortes gab es nicht in der geheimnisvollen Ödezwischen den Sternen im Randgebiet desMilchstraßenzentrums.

Sie waren so allein wie nie zuvor. Zwei Männer!Der eine menschlich, der andere arkonidisch.

Ihre Namen und Dienstränge:Atlan, ehemaliger Imperator und souveräner

Herrscher über das Sternenreich der Arkoniden, jetztRegierender Lordadmiral und Oberbefehlshaber derUnited Stars Organisation, in Kurzform USOgenannt.

Melbar Kasom, Oberleutnant und Spezialist derUSO, umweltangepaßter Mensch; Nachkommeterranischer Auswanderer. Heimatplanet Ertrus,

System Kreit, 6136 Lichtjahre von Terra entfernt.Atlan und Melbar Kasom - ein Team von höchster

Vollendung. Sie waren mit einem Kleinraumschiffmodernster Bauart gestartet. Ihr Ziel war nur in derForm einer Koordinatengruppe bekannt. Aber auchnur einem Vertrauten! Zur Sicherheit!

Doch - es gab noch einen anderen Mann, der außerihnen den Schnittpunkt der Hauptlinien kannte.Dieser Mann war jedoch noch nicht eingetroffen.Wahrscheinlich hatte er Schwierigkeiten.

Unbedeutende Menschen können unauffälligerihres Weges gehen als bekannte Persönlichkeiten.

Man sorgt sich um sie! Aus verschiedenenGründen! Einmal aus Freundschaft undWarmherzigkeit, andererseits wegen militärischerund politischer Erfordernisse, die in Abwesenheit derBefugten nicht erledigt werden können.

Der dritte Mann hatte gewiß Schwierigkeiten! Erwollte ohne Begleiter kommen - fast unmöglich füreinen Menschen von seiner überragenden Größe.

Sein Name und Rang:Perry Rhodan, ehemals Ministerpräsident der

Dritten Macht, später Erster Administrator dessolaren Systems, jetzt Großadministrator undFlottenchef des Vereinten Imperiums. Es war ausdem kleinen Planetenreich Terras und dem riesigenHerrschaftsgebiet der Arkoniden entstanden.

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Zwei Männer warteten auf einen der Größten dergalaktischen Geschichte - und der galaktischenGegenwart. Wahrscheinlich trafen sie aber mit demGrößten zusammen.

Wenigstens Melbar Kasom, der 16,3 Zentnerschwere Überriese vom 3,4-Gravo-Planeten Ertrus,war der Auffassung, bald dem Größten unter denGroßen gegenüberstehen zu dürfen.

Kasom haderte mit sich selbst. Vor wenigenMonaten war er noch der Meinung gewesen, derzehntausendjährige Arkonide Atlan sei von keinemanderen Intelligenzwesen zu übertreffen. Nicht inLebenserfahrung, Klugheit, Moral und politischerAnpassungsfähigkeit.

Dann war Perry Rhodan durch die Ereignissegezwungen worden, wieder so zu handeln, wie er inden Jahren 1971 bis 2100 gehandelt hatte. Das hatteMelbar Kasom - eine »grundehrliche Haut«, wie ervon sich behauptete! - bewogen, seine Meinung zurevidieren.

Am 12. August 2328, Terrazeit, hatte er sich dazuentschlossen, Perry Rhodan um eine Stufe höhereinzuordnen als Lordadmiral Atlan.

Es war 13 Uhr Standardzeit. Sie trog natürlich - dieZeit. Die Bordchronometer waren bezugsgebunden.Die kosmonautische Navigation im Randsektor desMilchstraßenkerns ließ einen ununterbrochenenLinearflug nicht zu. Dafür standen die Sonnen zu engbeisammen; manche nur einen Lichtmonat von demNachbarstern entfernt. Daraus ergaben sich nautischeProbleme. Man konnte sie am sichersten meistern,wenn man den instabilen Halbraum und seineabstrakte Gesetzmäßigkeit verließ, um denschwierigen Teil der Strecke mit einfachlichtschneller Fahrt zu überwinden.

Daraus resultierten Dilatationseffekte. Also konntedie von den Uhren angegebene Zeit nicht mehrstimmen - wenigstens nicht für die Maßstäbe solcherWesen, die an andere Bezugssysteme gebundenwaren. Es war etwas kompliziert, aber es konnte vonComputern annähernd berechnet werden. Männer wieAtlan und Melbar Kasom gewöhnten sich rasch andie Besonderheiten der Unendlichkeit.

Sie waren allein - fühlbar allein! Nirgends kann einWesen einsamer sein, als im Raum zwischen denSternen. Auch dann, wenn sie nur wenigeLichtmonate voneinander entfernt sind.

Diese bedrückende Tatsache wurde aber durcheine zweite Gewißheit gemildert. Sie waren ihremSchöpfer sehr nahe. Überall war sein Waltenerkennbar. Nicht nur in der Existenz der Sterne; demgewaltigsten Hinweis auf das Unergründliche undUnnachahmliche. Schon die Ortungsgeräte bewiesen,daß diese scheinbare Leere von einemtausendfältigen Raunen und Wispern erfüllt war. Eshandelte sich um die Energieströme zwischen den

Sonnen. Früher hatte man diese Kräfte nicht erkannt,aber man hatte ihre Existenz vermutet.

Das Raumboot war knapp zwanzig Meter lang undin seiner Walzenform vier Meter durchmessend.MAJORI war es von Atlan getauft worden.

Seine Ortungsgeräte waren die modernsten dergalaktischen Völker. Es gab viel zu lauschen und zuhören - auch im nach den Erkenntnissen leerenRaum.

Die MAJORI war auf einer geheimen Werft derUSO erbaut worden. Mit dem Geld der USO undnach den Erkenntnissen von Wissenschaftlern derUSO. Sie nahmen für sich das Privileg in Anspruch,die Erkenntnisse aller raumfahrenden Intelligenzenverwenden zu dürfen, so, wie es einerübergeordneten Schutzmacht auch zustand. Nach denvertraglichen Vereinbarungen natürlich!

Also war die MAJORI das vollendetsteZwergraumschiff, das jemals die Galaxis durchquerthatte.

Das überlichtschnelle Lineartriebwerk war einErzeugnis der Mikrotechniker von Siga. Auch siewaren Menschen, wenn auch umweltangepaßt.

Die Normaltriebwerke waren von terranischenKonstruktionen abgeleitet worden. DieOrtungsanlagen stammten zum Teil von denbiopositronischen Robotern, die man Posbis nannte.

Alles, was gut und aufwendig war, hatte man indie MAJORI eingebaut. Ihre Konstrukteure hattenden Auftrag erhalten, ohne Rücksicht auf Kosten einMeisterwerk zu liefern.

So kam es, daß an Bord der MAJORI mehr gehörtund gesehen wurde, als auf anderen Schiffen. EinMann genügte zur Beherrschung der Flug- undMaschinenkontrollen. Die positronische Automatikwar vollendet - wenigstens nach den zur Zeitgeltenden Erkenntnissen. Wahrscheinlich konnte manes noch besser machen; aber Bessermachen setzte dasKönnen voraus. Bisher hatte noch niemand eine Ideegehabt, wie man die Erzeugnisse derHundertsonnenwelt verfeinern könnte.

Alles in allem: Die kleine MAJORI war einRaumschiff, mit dem man schon einen Vorstoß in dieunbekanntesten Gebiete der Milchstraße wagenkonnte. Das wußten auch die beiden Einsamen, dieihr Leben einer Stahlhülle mit sinnverwirrendenEinrichtungen anvertraut hatten.

*

Das Rauschen und Wispern der interstellarenStatik wurde nur hier und da von einem zirpendenTon unterbrochen. Er drang aus den Lautsprechernder hyperdronatischen Wandler. Irgendwo in derGalaxis hatte irgend jemand einen Hyperfunkspruchausgeschickt.

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Ob wichtig oder unwichtig - er wurde gehört. Dievollautomatischen Kanaltaster der Peiler suchten injeder Sekunde zweimillionenmal alle bekanntenFrequenzbänder ab.

In dem breiten Sessel ruhte ein Gigant. SpezialistMelbar Kasom wog nicht nur 16,3 Zentner, sonderner war auch 2,51 Meter groß und in den Schultern2,13 Meter breit.

Einem Mann wie ihm mußte man schon besondereKleidungsstücke und Geräte zubilligen, wenn manihn einsetzen wollte. Finanzielle Aufwendungendieser Art lohnten sich immer, wenn man dadurcheinen Ertruser als Mitarbeiter gewann.

Kasoms riesige Hand, umfangreicher als derBrustkorb eines normalen Erdgeborenen, konnte miterstaunlicher Behutsamkeit zugreifen. SeinZeigefinger, kräftig und dick wie der Unterarm einesJungen, legt den Schalter des Automatenaufzeichnersum. Melbar Kasom war der Ansicht, es könne nieverkehrt sein, lautstarke Funksprüche zu speichern.Die Auswertung hatte Zeit.

Das Zirpen verstummte. In der Kabine wurde esstill. Die Beleuchtung war abgeschaltet. Das Lichtder nahen Sterne wurde jedoch durch dieBeobachtungs-Bildschirme in die Zentrale gestrahlt.Es war hell genug für die Augen eines Mannes, der inden Abgründen zwischen den Sonnen zu Hause war.

Kasoms Gesicht spiegelte sich in denArmaturenverkleidungen. Es war ein breitflächigesGesicht mit grobporiger Haut und starkenMuskelwülsten an Wangen und Halsansatz. Dassandfarbene Haar trug er wie alle Ertruser vornehmerAbstammung als borstigen Sichelkamm. Dierestlichen Teile der Schädelhaut waren kahl.

Es schien, als schliefe der Riese. Als jedoch einblaugrüner Tasterreflex erkennbar wurde, stießKasom einen Seufzer aus. Er reckte sich.

Dann erhob er sich. Die Bewegung wirkte plump;aber nur für schlechte Beobachter. Ertruser konntenungeheuer schnell sein. Besonders aber dann, wennsie ihre Mikrogravitatoren abschalteten, die ihnen diegewohnte Schwerkraft von 3,4 Gravos vermittelten.

Breitbeinig, die Arme wie haltsuchendangewinkelt, stampfte Kasom durch die Zentrale desBootes. Sein Kopf berührte beinahe dieDeckenarmaturen.

Vor der Panzertür des Querschotts angekommen,warf Kasom einen mißbilligenden Blick nach oben.Der ohnehin niedrige Durchgang wurde durch eineVentilgruppe der Klimaanlage noch mehr eingeengt.

Kasom zog das luftdicht schließende Luk mit demkleinen Finger auf.

Es zischte.Hinter der ovalen Tür lag der Aufenthaltsraum, an

den sich drei Kabinen und die Automatkücheanschlossen. Der restliche Teil der Zelle wurde von

den Maschinenanlagen eingenommen.Kasom stieg über eine Bodenerhebung hinweg.

Unter den Verkleidungsblechen war dasVerschlußstück der Kanonen-Reaktionskammerangeordnet. Verschlußstücke waren meistens etwasplump.

Vor der ersten Kabinentür blieb der Ertruserstehen. Er lauschte. Ein Schimmer von Achtung undZuneigung glomm in seinen Augen auf.

Behutsam drückte er auf den Knopf desMagnetschlosses. Die Sicherheitstür schob sich in dieWand zurück.

Auf dem herabgeklappten Lager des Raumes ruhteein hochgewachsener Mann mit weißblonden Haaren.Atlans Gesicht war entspannt. Die massiveKnochenplatte seines Brustkorbes hob und senktesich kaum. Es war, als käme der Arkonide ohneAtem aus. Es war eine Täuschung.

Kasom räusperte sich. Bei dem entstehendenGrollen preßte er erschreckt die Lippen zusammen.Selbst wenn Ertruser flüstern wollten, klang es immernoch wie das Hallen ferner Baumtrommeln.

Atlan schlug plötzlich die Augen auf. Sieleuchteten in einem rötlichen Goldton.

Einen Moment lang musterte er den fastquadratischen Koloß, der nur dann die schmaleTüröffnung durchschreiten konnte, wenn er sichhindurchwand.

»Sie werden sich nie an einen Gegnerheranschleichen können, Spezialist Kasom«, sagteder Lordadmiral. »Das soll keine Rüge sein. Ich hörteSie schon, als Sie sich aus dem Kontrollsitzerhoben.«

»Entschuldigen Sie, Sir. Ich habe versucht, michfederleicht zu bewegen«, dröhnte der Baß desErtrusers.

Atlan lachte. Er zog den Kopf ein, um nicht gegendie vorspringenden Stützen der oberen Klappkoje zustoßen, und erhob sich von dem Lager.

Die Magnethalterungen der einfachenUniformkombination waren geöffnet. Sie glittauseinander und gab den Blick auf ein eigroßesGebilde frei. Es befand Sich auf Atlans Brust.

Kasom warf nur einen flüchtigen Blick auf dasäußere Zeichen der biologischen Unsterblichkeit.Atlan gehörte zu den ältesten Wesen der Galaxis;bestimmt aber war er das älteste humanoideGeschöpf. Trotzdem sah er aus wie einDreißigjähriger.

Während seines zehntausendjährigen Aufenthaltesauf der Erde war der ehemalige Verteidiger vonAtlantis mehr Mensch geworden, als mancher, derdiese Bezeichnung von Geburt an trug.

Atlan fuhr sich mit den Fingern durch die langenHaare. Er trug sie nach arkonidischer Sitte. Als er vordem Ertruser stand, mußte der fast zwei Meter große

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Mann den Kopf in den Nacken legen, um in dieAugen seines Untergebenen sehen zu können.

»Haben Sie eine Ortung?«»Ja, Sir. Er kommt. Ziemlich spät, wie mir

scheint.«Atlan schloß seine Uniform und legte den

Kombinationsgürtel um. Das Edelmetallgriffstückder Strahlwaffe war der einzige Luxus, den sich derUSO-Befehlshaber erlaubte.

»Die Galaxis brennt, Melbar«, erklärte Atlan. »Ichfinde es erstaunlich, daß Perry überhaupt kommt.Dazu noch unter solchen Umständen. Darf ich Siebitten, sich während unserer Besprechung in dieZentrale zurückzuziehen? Fassen Sie es bitte nicht alsMißtrauensbeweis auf.«

»Aber, Sir, das ist doch selbstverständlich. Ichwerde mir etwas in die Ohren stecken.«

»Lieber nicht. Unsere Wattebestände werdenanderweitig benötigt.«

Kasom grinste. Ein Summton ließ ihn aufhorchen.Ohne ein Wort zu verlieren, eilte er in die Zentralezurück.

Atlan sah dem Riesen nach. Kasoms Oberschenkelwaren so dick wie terranische Weinfässer. In diesemMann schlummerten ungeheure Kräfte.

Atlan warf noch einen prüfenden Blick in denMetallspiegel über der Waschgelegenheit. Ermusterte sich intensiv. Langsam strich er mit denFingern über die Narbe auf seiner Wange. Sie wareine Erinnerung an die bewegte Frühzeit dermenschlichen Rasse. Ein römischer Legionär hatteversucht, dem unsterblichen Arkoniden zu beweisen,wie leicht man ihn töten konnte.

Atlan lächelte seinem Spiegelbild zu. Dann ging erzur Zentrale hinüber.

Spezialist Kasom hatte die Hypertaster justiert.Auf den Reliefschirmen der Massen- undEnergieortung zeichnete sich ein länglicher Körperab. Es handelte sich um einen modernen Raumjägerterranischer Fertigung. Diese Boote wurden von denneuen Jagdwaffen-Trägerschiffen und auch vongrößeren Einheiten der Flotte mitgeführt. Sie warenschnell, wendig, schlecht zu orten und starkbewaffnet. Natürlich waren sie auch leichtverwundbar. Die Schutzschirme waren dürftig. Daswar aber konstruktionsbedingt.

Kasoms Augen verengten sich. Seine rötlichbrauneHaut schimmerte im Licht der Armaturen wieoxydiertes Kupfer.

»Damit hat er sich zwischen die Sonnen deszentrumsnahen Gebiets gewagt? Donnerwetter, Sir -und ich hatte schon angenommen, wir wären großeHelden. Schließlich ist unsere MAJORI ja auch keinSchlachtkreuzer.«

Atlan verzichtete auf eine Antwort. Er wartete, bisdie kleine Maschine mit dem Bremsmanöver begann.

Auf dem Echoschirm der Energieortung flackertengrüne Symbole. Die Zacken wurden immer steiler.

»Er bremst mit jedem Kilopond, das er in seinemTriebwerk hat«, murmelte Kasom. Es klang wiederwie verhallendes Donnergrollen. »Das sieht nach Eileaus.«

»Eile - das ist ein Begriff, der Rhodans Daseincharakterisiert. Die ständigen Belastungenkörperlicher und seelischer Natur werden ihnzermürben.«

»Er ist ein Aktivatorträger, Sir! Er ist außer Ihnender einzige Mann im Universum, der ein Gerät mitspezieller Individual-Eichung besitzt.«

Atlan winkte ab. Sein wissendes Lächeln wurdevon Melbar richtig gedeutet.

»Ich schätze, Sir«, meinte er nachdenklich, »ichschätze, ich kann mit meiner Lebenserwartung vonetwa dreihundertfünfzig Jahren zufrieden sein. Ichhabe erst den siebenten, vielleicht sogar nur denachten Teil davon gelebt, und doch ist mir, als wäreich ein uralter Mann. Darf ich etwas fragen, Sir? Ichwollte mich schon immer einmal danacherkundigen.«

Atlan ahnte, was der Ertruser wissen wollte. Ernickte.

»Sir, wenn ein Mann weiterleben muß, obwohl ervielleicht unsagbar müde geworden ist - und wenn ernicht altert trotz des nominell erreichten Alters - kanndas nicht schlimm sein?«

Atlan schwieg eine Weile. Verlorenen Blickesschaute er auf die Echoschirme. Der Jäger wurdejetzt auch von der Infrarotoptik erfaßt, die eineinwandfreies Fernbild lieferte.

»Schlimm? Mein Freund, Sie haben nicht denrichtigen Ausdruck gewählt! Es ist grauenhaft. WirMenschen - Sie gestatten, daß ich mich als Menschbezeichne - können die Natur nicht ungestraftüberlisten. Mehr als ein Überlisten haben wir nämlichnicht erreicht. Die sogenannte Unsterblichkeit derAktivatorträger ist das Ergebnis einer ungeheuerhochstehenden Wissenschaft. Wir freveln, verstehenSie! Es ist der Kreatur nicht gegeben, länger alsvorgesehen zu leben. Andererseits sage ich mir, daßPerry und ich weit über das Ziel dessenhinausgeschossen sind, was man eine normaleLebenserwartung nennt. Da wir noch nicht bestraftworden sind, kann man glauben, die ewigen Gesetzeder Natur wären damit einverstanden. Ich habe esschon lange aufgegeben, darüber nachzusinnen.Seien Sie zufrieden mit dem, was Ihnen beschiedenist. Ein Aktivatorträger sollte nicht beneidet werden.Keiner! Vor allem aber jene nicht, deren Geräte vonjedermann getragen werden können. Sie sind ihresLebens nicht mehr sicher.«

»Sir, ich bin vielleicht einfältig; aber warum legenSie Ihren Aktivator nicht einfach ab, wenn es zuviel

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wird? Der Zellzerfall beginnt augenblicklich. Erbedeutet den Alterstod.«

Atlan setzte sich auf den Platz des Bordkanoniers.Der Arkonide, für den es eine Ehre war, sich Menschnennen zu dürfen, lachte leise vor sich hin. Es wardas wissende, fast lautlose Lachen eines Mannes, derviele Generationen hatte kommen und gehen sehen.Große Kulturen waren entstanden und wiederzerfallen. Imperien, zu ihrer Blütezeit mächtigeReiche, anscheinend unschlagbar und unbesiegbar,waren dennoch vergangen.

»Es gibt einige Gründe, Kasom. Gute Gründe! Anerster Stelle rangiert der Selbsterhaltungstrieb desIndividuums. Er erzeugt die Angst, etwasLebenswertes verpassen zu können und die Hoffnungauf das Besserwerden, wenn man nur noch etwasdurchhält. In meinem Falle war die Neugierdeausschlaggebend. Das einzig Wundervolle derLanglebigkeit besteht darin, daß man immer dieMöglichkeit hat, etwas zu sehen und zu erleben, wasandere Wesen nur noch vorauszuahnen erhoffenkönnen. Ich habe die Menschheit erwachen sehen,Kasom. Es war schön, auch wenn man sich oftmalsMühe gab, mich umzubringen. Dafür hatte manimmer einen Grund. Aber lassen wir das, Kasom. Siesollten einen biologisch Unsterblichen nicht danachfragen, warum er seinen Apparat nicht einfachwegwirft. Sie werden nie eine erschöpfende Antworterhalten. Viele werden von einer Aufgabe sprechen.Andere von Verantwortung. Wo liegt die Wahrheit?«

Melbar Kasom sah seinen höchsten Vorgesetztenlange an. Dann wandte er sich wieder seinenInstrumenten zu.

»Restfahrt wird aufgehoben,Angleichungsmanöver beginnt«, sagte er ablenkend.»Der Großadministrator beherrscht den Jägerausgezeichnet, Sir. Große Klasse.«

»Dieser Mann hat den Raum mit Schiffenbezwungen, in die Sie sich wahrscheinlich nichthineinwagen würden. Haben Sie schon einmal dasterranische Raumfahrtmuseum besucht?«

»Nein, Sir. Keine Zeit.«»Ich werde Sie demnächst beurlauben. Jeder

USO-Spezialist sollte mit eigenen Augen sehen, wieseine Vorfahren angefangen haben. Ich kann michgut an diese wackeligen, zerbrechlichenRaketenkonstruktionen erinnern, die man je nachVerwendungszweck zwei- bis fünfstufig baute. Manbenutzte Flüssigkeitstriebwerke und etwas späterkernchemische Aggregate, die aber alle einechronische Unzuverlässigkeit aufwiesen. Das lagnicht an den eigentlichen Triebwerken, sondern anden zahllosen Nebenaggregaten und elektronischenPrimitivschaltungen, die man wegen derGewichtseinsparung nicht stabil genug bauen konnte.Mit einem solchen Schiff ist Perry Rhodan als erster

Mensch zum irdischen Mond geflogen. Es war einAbenteuer auf Leben und Tod. Halten Sie es nochimmer für erstaunlich, daß dieser Mann einennarrensicheren Raum Jäger mit schlafwandlerischerSicherheit beherrscht?«

»Hmm ...!«Melbar Kasom nickte. Atlan hatte ihm den inneren

Frieden vollends zurückgegeben. Der Ertruser warnun froh, daß er Rhodan um eine Stufe höhereingeordnet hatte, als den Arkoniden Atlan. Kasomgehörte nun einmal zu den Leuten, die erst mit sichselbst ins reine kommen müssen, ehe sie zu Tatenschreiten können.

Aus dem spitzen Bug des Jägers schoß eineorangerote Flamme. Kasom bediente denSaugstrahlprojektor. Das Feld erfaßte die stabförmigeMaschine und zog sie zur wesentlich größerenMAJORI herüber.

Metall dröhnte gegen Metall. Atlan erhob sich undging zur Luftschleuse hinüber. Die Kammerbeanspruchte einen Teil des ohnehin beengtenAufenthaltsraumes.

Eine rote Lampe leuchtete auf. Das Außenschottöffnete sich. Magnetsohlen klackten über dieAußenwandungen der MAJORI. Dann verstummtendie Geräusche.

Als das Außenschott zuglitt und die künstlicheAtmosphäre der MAJORI in die Schleuse einströmte,zog Atlan die Waffe aus dem Gürtelhalfter. Kasomrunzelte die Stirn.

»Es könnte ja auch jemand anders sein, nichtwahr?« bemerkte der Arkonide gedehnt. »SpezialistKasom - überlassen Sie nie etwas dem Zufall, wennSie den Ablauf von Ereignissen noch rechtzeitiggenug unter Kontrolle bringen können. Merken Siesich das. Diesem Leitsatz hatte ich oftmals meinLeben zu verdanken.«

Das Leben, das er nicht mehr liebt, dachte derErtruser.

Das innere Schott glitt auf. Ein hagerer,hochgewachsener Mann wurde erkennbar. Unter demtransparenten Kugeldruckhelm war ein schmalesGesicht mit scharfgezeichneten Falten zu sehen.Graue Augen beherrschten es.

Sie richteten sich auf die Impulswaffe und dasflimmernde Abstrahlungsfeld vor der Mündung. DieAugen verengten sich. Sie strahlten Ironie aus, ohnedaß ihr Besitzer ein Wort zu sagen brauchte.

Perry Rhodan gehörte zu jenen Männern, die mitden Augen sprechen, lachen und drohen konnten. Siewaren von großer Ausdruckskraft. Jetzt blickten sieernst, und dann verriet ein anderer Schimmer, wiehumorvoll der Terraner war.

Er klappte den Helm zurück. Die etwas unterÜberdruck stehende Luft des hautengenRaumanzuges entwich.

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»Ich bedanke mich für die Blumen«, sagte derGroßadministrator. Atlan ließ die Waffe sinken.»Man ist immer noch vorsichtig, wie?«

Atlan fuhr sich mit dem Handrücken über denMund. Melbar grinste. Außerdem war es für ihnselbstverständlich, eine exakte militärische Haltunganzunehmen.

Melbar Kasom schlug demzufolge die Absätzeseiner Stiefel gegeneinander. Es donnerteexplosionsartig. Die Erschütterung wurde vomMetallbelag des Fußbodens aufgenommen undweitergeleitet. Endprodukt: Die kleine MAJORIbegann zu schwingen - trotz der schalldämpfendenWandverkleidung.

Rhodan war zusammengezuckt. Für einenAugenblick stand er in steifer Haltung auf dergleichen Stelle. Dann drehte er den Kopf. Sein Blickwar vorwurfsvoll.

»Guten Tag, Herr Oberleutnant. Seit wann sind Sieso gehässig?«

Kasom riß die Augen auf. Er staunte.»Wie - wie bitte, Sir? Gehässig? Ich ...«»Ach - Sie hatten gar nicht die Absicht, dieses

schöne Raumschiff zu demolieren? Nun, dann bitteich um Entschuldigung.«

Rhodan verneigte sich gemessen. Atlan lachte insich hinein, und Kasom entschloß sich zu einemRäuspern. Es war etwas lautstark. Rhodan verzog dasGesicht, als litte er unter Zahnschmerzen.

»Tritt näher, kleiner Barbar«, forderte ihn derLordadmiral auf. Er machte eine umfassendeHandbewegung. »Dieser Raum ist nicht sehr groß,aber dafür modern. Ein Symbol für die schwerenZeiten, möchte ich sagen. Unsere Bundesgenossenwerden auch immer fortschrittlicher. Ichbeglückwünsche dich zu deinem phänomenalenEntschluß, unsere galaktischen Partner mit denmodernsten Raumschiffen und Waffen derterranischen Superfabrikation beliefert zu haben.«

Auf Rhodans Stirn bildeten sich Falten.»Danke. Ich ahnte, weshalb du mich unter so

geheimnisvollen Umständen sprechen wolltest. Nurkeine Hemmungen, Arkonide. Meine Schultern sindbreit und fest geworden. Was hast du sonst noch anmeinen Maßnahmen zu bemängeln?«

»Viel, wenn nicht alles. Aber komm erst einmalherein und lege deinen Raumanzug ab. Ich hatte mireigentlich vorgenommen, dich nicht so schnell mitmeinen Erklärungen zu überfallen. Melbar, wollenSie meinem Freund behilflich sein?«

2.

»Ich lasse mir viel von dir sagen, Arkonide, fastzuviel!« Perry Rhodan stand vor dem großenBildschirm des Aufenthaltsraumes. Es war still. Nur

das kleine Stromaggregat lief. Die MAJORI mußteauch jetzt mit Energie versorgt werden.

Der Terraner schaute nachdenklich auf dieBildfläche. Außer dem Gleißen und Funkeln derSterne war nichts zu sehen.

Atlan beobachtete den Freund. Es war alles gesagtworden, was gesagt werden mußte. Selten waren sieso allein und ungestört gewesen. Die Aussprachemußte zudem streng geheim erfolgen. In der Galaxisbegann man nervös zu werden, wenn sich derGroßadministrator und der Oberbefehlshaber derunabhängigen USO trafen. Dann warfen politischeEreignisse ihre Schatten voraus.

Atlan bediente sich aus dem Getränkerobot. DasSchweigen wurde bedrückend. Als der Arkonide denKunststoffbecher auf den Klapptisch stellte, entstandein schabendes Geräusch. Rhodan sagte noch immernichts. Seine Stirn war gefurcht.

»Die Politik der überspitzten Humanität mußaufhören«, erklärte der Lordadmiral leidenschaftslos.»Man kann nicht ein Imperium beherrschen, ohnehier und da wenigstens ernsthaft zu drohen. Ich habedir die Macht über das Reich meiner Vorfahrenübertragen. Ich war es leid geworden, ständig vonMordbuben umlauert zu werden. Man liebte michnicht auf den Arkonwelten.«

»Ich weiß!«»Dich und die Männer deines Volkes liebt man

aber noch weniger, Terraner! Man wirft mir vor, ichhätte nicht das Recht besessen, den Menschen dasErbe der Arkoniden anzuvertrauen. Nach denAnsichten der Neuarkoniden, die du durch deinebiologischen Regenerationsprogramme aus derDekadenz herausgerissen hast, bist du einbarbarischer Emporkömmling durch Arkons Gnade.Es ist nicht vergessen worden, daß die Menschheitbei der Ankunft unseres Forschungsschiffes geradeerst entdeckt hatte, daß man auch im luftleeren Raumfliegen kann. Zu jener Zeit umfaßte das arkonidischeImperium mehr als fünftausend Kolonialwelten. Ichhabe darauf verzichtet, weiterhin die Geschicke desStaates zu lenken. Man haßte mich. Man haßte meineLebensauffassung, die durch meine Wanderung aufder Erde zu menschlich geworden war, meine Härteund meinen gnadenlosen Kampf gegen Dekadenzund Demoralisierung, Ich trat ab. Ich dachte, ihrwürdet es bessermachen; denn ihr Terraner seid jung,stark und tatenhungrig. Was ist in den vergangenenzweihundert Jahren seit deiner Machtübernahmegeschehen?«

Rhodan schwieg auch jetzt noch. Nur die Faltenzwischen Mund und Nasenwurzel vertieften sich.

»Im Kugelsternhaufen M 13 braut sich eineRevolte gegen dich und das von dir errichteteVereinte Imperium zusammen«, fuhr Atlan mitgleicher leidenschaftsloser Stimme fort. »Die

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ehemaligen Kolonialwelten, denen du die Autonomieverliehen hast, anstatt sie nach dem Vorbild meinerAhnen mit Flotteneinheiten zu beherrschen und beiÜbergriffen zu bestrafen, haben vergessen, daß siedir Dank schulden. Arkonidische und akonischeAgenten schüren den Aufruhr.

Das Sternenreich der Akonen, der Stammväter derArkoniden, ist aus der Galaktischen Allianzausgeschieden. Der Krieg mit den Blues hat denunzuverlässigen Elementen die erhoffte Möglichkeitzum Aufstand und zum Abfall vom Bund gegeben.«

»Sollen sie abfallen. Ich war darauf vorbereitet.«Atlan blickte grübelnd auf den Boden.»Du warst darauf vorbereitet, schön! Du hättest

dich konsequenter darauf vorbereiten müssen, solltees besser heißen. Als die molkexgepanzerten Flottender Blues in unseren Herrschaftsgebietenaufkreuzten, blieb selbst einem so vorsichtigenTaktiker von deiner Art keine andere Wahl, als dieVerbündeten zum Beistand aufzufordern. Sie kamenund halfen; aber nicht deshalb, weil sie um dieErhaltung des Vereinigten Imperiums besorgt waren,sondern nur darum, weil auch ihnen die Vernichtungdrohte. Weißt du, wie meine Vorfahren die Lagebereinigt hätten?«

Rhodan winkte ab. Atlan zog die Brauenzusammen und erklärte etwas schärfer:

»Wenn sie wie du das Mittel gehabt hätten, dieMolkexpanzer zerstören zu können, hätte das auchdie Vernichtung der feindlichen Zivilisation bedeutet.Du hast sie ungeschoren ziehen lassen, nachdem ersteinmal feststand, daß sie keine Gefahr mehrdarstellten. Bei dieser Situation hast du außerdemübersehen, daß unsere Verbündeten, die sie immernur auf dem Papier der Verträge, niemals aber inWirklichkeit gewesen waren, im Verlauf des Kriegesmodern ausgerüstet wurden. Für einigehunderttausend Milliarden Solar, mein Freund!«

»Die Front mußte stabilisiert werden, solange wirnoch nicht wußten, wie das H2 O2-B-Hormonhergestellt wird.«

»Sicher mußte sie das. Ich habe ja auch eifrigmitgeholfen, in zweckloser Weise auf dieMolkexgiganten der Blues zu schießen. Freund - dieGeschichte aller Völker lehrt, daß die Beendigungeines großen Krieges grundsätzlich schwerwiegendeWandlungen mit sich bringt. Die Völker, die man zurHilfeleistung benötigte, beginnen zu erwachen. Siewerden von allerlei dunklen Elementen mitausgedienten Waffen versorgt, die aber noch gutgenug sind, um eine Drohung darzustellen. Diegalaktischen Händler sind zur Zeit dabei, dieverschiedenen Völkerschaften der Blues mit unserenKanonen- und Schutzschirmkonstruktionen vertrautzu machen. Überall in der Galaxis sind Schiffezurückgeblieben, die Terra und Arkon zur Verfügung

gestellt haben. Du kannst dich auf niemand mehrverlassen.«

»Noch etwas?«Atlan lachte humorlos auf. Unwillig erhob er sich

und stellte sich neben Rhodan.»Du solltest deinem Herzen einen Stoß geben, wie

man auf Terra sagt. Aus dem ehemaligen GroßenImperium meiner Vorfahren ist ein Planetenbundgeworden. Du hast Verträge abgeschlossen, in derAnnahme, die vielen Fremdvölker würden sich daranhalten. Einige Zeit ging es gut - etwa zweihundertJahre lang. Jetzt sind die ehemals Kolonisiertenabsolut selbständig geworden. - Du hattest es fürerforderlich gehalten, ihnen dasSelbstbestimmungsrecht zu verleihen. Vorzweihundert Jahren!«

»Ich habe den Völkern die Autonomie gegeben.Außenpolitische Maßnahmen sollten nur vomImperium erledigt werden.«

»Ich weiß nicht, ob ich deine Auffassungtatsächlich als Fehler bezeichnen soll«, erklärte Atlannachdenklich.

»Auch ich bin dafür, ein denkendes Wesen übersich selbst bestimmen zu lassen. Es ist äußerstfraglich, ob das Vereinte Imperium und dieGalaktische Allianz überhaupt noch bestünden, wenndu dich damals nicht dazu entschlossen hättest, dieGewaltherrschaft meiner Ahnen aufzuheben und aufden guten Willen des einzelnen zu hoffen. Vielleichtwäre das Reich schon hundert Jahre früherzerbrochen.«

»Zerbricht es denn?« Rhodan sah immer noch aufden Bildschirm.

»Du erkennst die Symptome so gut wie ich, nurmit dem Unterschied, daß du immer noch auf einenguten Ausgang hoffst. Freund, lasse dir von einemuralten Mann gesagt sein, daß dein Imperium auftönernen Füßen steht. Die Allianz ist schon vorJahrzehnten zu einer Farce geworden. Die Akonenhaben ihren Transmitterverkehr aufgegeben und einegewaltige Flotte erschaffen. Die Springer warenniemals zuverlässige Bundesgenossen. Aras, Antisund wie sie alle heißen, interessieren sich für dasImperium herzlich wenig. Als die Blues angriffen,kam nochmals eine Einheit zustande. Das ist jetztvorbei. Nur wenige hundert Lichtjahre entfernt tobtein interstellarer Krieg von unvorstellbarenAusmaßen. Gatas, die Hauptwelt der Blues, kannnicht mehr auf ihre unschlagbarenMolkexraumschiffe pochen. Die Revolution unterden Blues hat begonnen, als du die Macht der Gatasergebrochen hattest. Die humanoiden Völker werdenmehr und mehr in diese Zwistigkeiten verwickelt.«

»Niemand braucht sich hineinziehen zu lassen. Ichbeobachte nur.«

»Ein guter Standpunkt, der aber von anderen

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Leuten nicht gewürdigt wird. Das größte Geschäftder Geschichte hat begonnen. Man giert nachHandelsmacht und politischem Einfluß. Jeder glaubt,ein eigenes Reich aufbauen zu können. DeineVerbündeten fallen von dir ab, jedoch in einer sogeschickten Form, daß du auf Grund der bestehendenBeistandsabkommen gezwungen wirst,ununterbrochen die Schwierigkeiten zu bereinigen, indie sich diese Narren hineinmanövrieren. Es istgenug, Perry!«

Rhodan drehte sich endlich um. Sein Gesicht warausdruckslos.

»Du hast die Dinge überdeutlich beim Namengenannt. Du bist nicht der erste Warner, wohl aberder eindringlichste. Wie lautet dein Rat, Imperator?«

Atlan verzog das Gesicht.»Erinnere mich nicht an diese Zeiten. Du hast zwei

Möglichkeiten. Beide Wege sind gangbar, beideführen zum Erfolg.«

»Wie lautet die erste Möglichkeit?«»Angreifen, zuschlagen. Mit Waffengewalt

Gehorsam fordern und beweisen, wie stark die Erdegeworden ist. Unzuverlässige Elemente beseitigen,Gerichtsverfahren abhalten und keine Milde kennen.Du kannst die Sprache des Mächtigen sprechen -kompromißlos! Zuerst muß das Arkonidenreichübernommen werden. Dann solltest du die Akonenschlagen. Welten müssen zu Atomfackeln werden; solange, bis man vor Terra kuscht. So hätten es diearkonidischen Eroberer der Frühzeit gemacht. Washältst du davon?«

»Überhaupt nichts! Ich bin kein Mörder. Derzweite Weg?«

Atlan seufzte.»Ich dachte es mir. Schön, dann bleibt dir nur das

Verfahren des Klugen übrig. Die terranische Flotte,zur Zeit noch die mächtigste der Galaxis, weilqualitativ hochwertig und erstklassig bemannt, mußsofort zurückgezogen werden. Überlasse dieScheinverbündeten ihrem Schicksal, das sie ja sogerne selbst in die Hand nehmen wollen. Die völligeAufsplitterung deiner Kräfte muß augenblicklichrückgängig gemacht werden. Konzentriere deineSchiffe nur auf jene Punkte, die für die Interessen derErde wichtig sind. Alles andere geht dich nichts mehran. Kündige die Schutzverträge auf und strebe dafürHandelsabkommen an. Beherrsche die Fremdvölkerunauffällig durch die wirtschaftliche Macht der Erdeund halte dich aus allen Angelegenheiten heraus, diesich zu Zwistigkeiten entwickeln könnten. Festigeunterdessen deine eigene Macht und schlage mitjeweils angemessener Härte zu, wenn jemand eswagen sollte, Terra zu schädigen. Du wirst wiederrespektiert werden. Früher oder später winseln jene,die Terra jetzt nicht mehr zu benötigen glauben, umdeine Hilfe. Baue das Solare Imperium aus.

Unternimm alles, was bisher vernachlässigt wordenist, weil du keine Zeit dafür hattest. DieKonzentration deiner Flotte auf strategisch wichtigePunkte, darunter vor allem die von Terranernbesiedelten Sonnensysteme, bedingt ein plötzlichesAlleinsein all derer, die keine Menschen sind.Übernimm das Erbe meiner Ahnen auf einemanderen Weg. Kümmere dich nur noch um dichselbst. Wenn man von dir Hilfe fordert, dannverlange dafür Bezahlung. Unter allen Umständensollte Mercants Galaktische Abwehr erweitertwerden. Du mußt immer wissen, was an anderenOrten geschieht. Werde wieder zu demundurchsichtigen und gefährlichen Mann derzwanziger Jahre. Man muß zittern, wenn nur deinName fällt. Du wirst das Vereinte Imperiumverlieren, aber dafür dein eigenes stärken. Du wirstim Laufe der Zeit mehr wirkliche Freunde gewinnen,als es dir jetzt möglich sein kann. Bilde ein Zentrumder Macht. Sei die graue Eminenz im Hintergrund.«

Rhodan setzte sich und schlug die Beineübereinander. Atlan beobachtete ihn.

Seine Augen weiteten sich, als derGroßadministrator mit einem feinen Lächeln sagte:

»Ich danke dir für die Einladung zu dieserGeheimbesprechung, Freund. Das, was du mirsoeben geraten hast, ist bereits eingeleitet worden.Die Terraschiffe werden von den Arkonidenweltenabgezogen. Arkon habe ich aufgegeben. DerGeheimdienst, darunter das Mutantenkorps, wirdkonzentriert und erweitert. Die Geschichte mit denBlues war mir eine Lehre. Bist du zufrieden?«

»Zufrieden? Ich bin fassungslos! Warum läßt dumich stundenlang reden, wenn du bereits dierichtigen Maßnahmen angeordnet hast?«

Rhodan lachte.»Ich wollte deine Ansichten ganz genau kennen

lernen. Hast du nur als Freund oder auch als Chef derUSO gesprochen?«

Atlan winkte ab. Leichtfüßig ging er um Rhodanherum und betrachtete ihn von allen Seiten; so, alshätte er ihn nie gesehen.

»Ich stelle fest, daß mein ehemaliger Gegner nochimmer entschlußfreudig ist. Die USO benötigtfinanzielle Unterstützung. Meine Einkünfte aus demZollaufkommen des Arkonidenreiches schwindenmehr und mehr. Es gibt auf Arkon III genügendLeute, die den alten Vertrag anfechten. Angeblichwird auf Arkon II nichts mehr umgeschlagen, obwohlmeine Spezialisten von einem Handelsverkehrgrößten Ausmaßes berichten. Wenn ich meineOrganisation aufrechterhalten will, muß ich zahlenkönnen.«

»Das ist bedacht worden. Homer G. Adams, unserFinanzgenie, stellt dir fünfzig Prozent desGCC-Reingewinns zur Verfügung. Du kannst nach

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wie vor deine eigenen Schiffe bauen, Spezialistenausbilden und Geheimstützpunkte errichten.Allerdings ...!«

»Aha!«»Laß mich ausreden, Arkonide. Deine USO ist

mächtig. Wenn wir dich finanzieren, sind wirnaturgemäß nicht daran interessiert, dich für andereVölker arbeiten zu sehen. Ich schlage dir vor, dieUSO ruhig weiterhin USO zu nennen; aber nur nochjene Intelligenzen zu vertreten, die auch ihreSchutzbeiträge entrichten. Das dürften höchstensnoch die Posbis sein.«

»Deine treuesten Freunde«, spöttelte Atlan.»Willst du einen Vertrag?«

Rhodan winkte ab.»Wir brauchen keinen. Ich nehme nicht an, deine

Flotte eines Tages über Terra zu sehen. UnserAbkommen muß ausgearbeitet werden. Jeder solltewissen, wo seine Stärken liegen und was er zu tunhat. Atlan, wir können ein neues Reich aufbauen! Esdürfte noch nicht einmal so schwierig sein.Außerdem kannst du dich darauf verlassen, daß wirTerraner alles sehen und hören werden, was für unswichtig ist. Wenn du mein drittes Auge sein willst,gibt es keine Macht, die uns überraschen könnte. Wirwerden immer der Faktor sein, mit dem jedermannrechnen muß.«

Rhodan sah auf die Uhr. Es war einegewohnheitsmäßige Geste. Übergangslos erklärte er:

»Ich bin mit dem neuen Flottenflaggschiff CRESTgekommen. Kommandant ist Oberst Kors Dantur, derEpsalgeborene. Die CREST wartet ein Lichtjahr vonhier entfernt. Ich habe es für ratsam gehalten, dasSuperschlachtschiff im System von Beaulys-Sternwarten zu lassen. Als ich deine Nachricht erhielt,befand ich mich nahe der Hieße-Ballung, um dieFlottenbewegungen der Blues zu beobachten. DieBlaupelze lernen schnell. Ihre Offensiv- undVerteidigungswaffen sind nach wie vor miserabel,aber sie entwickeln einen kämpferischen Ehrgeiz, dermich mit Besorgnis erfüllt. Wir haben zahlreicheRaumschiffe der Springer und Akonen geortet.Zweitausend schnelle Terrakreuzer sind dafürabgestellt worden, die Waffenschmuggler anzuhaltenund die Ladungen zu beschlagnahmen. Das führtfrüher oder später zu ernsten Zerwürfnissen.Dennoch möchte ich versuchen, eine Aufrüstung derBlues so lange wie möglich zu verhindern.«

»Du sprichst wie der Rhodan des Jahres 1990!«»Es wurde Zeit dazu. Mutantenkommandos sind

unterwegs, um die von uns ausgerüstetenArkonidenschiffe in gewisser Hinsicht schrottreif zumachen. Ich werde sämtliche Transformkanonenzerstören lassen.«

Atlan lehnte sich mit dem Rücken gegen dieWand. Ein ahnungsvolles Lächeln umspielte seine

Lippen.»Darf man fragen, wie das gemacht werden soll?«»Jedes Geschütz enthält eine geheime

Vernichtungsschaltung. Die Herren sollen sich dochnicht einbilden, sie könnten vom Imperium abfallenund trotzdem unsere besten Waffen einkassieren. Sogeht es ja nun auch nicht. Ich schlage dir vor, mit mirzur CREST zu fliegen. Es spielt jetzt keine Rollemehr, ob man über unser Zusammentreffen zumunkeln beginnt oder nicht. Die Würfel sindgefallen. Ab sofort kümmere ich mich vor allem umTerra. Durch diese Maßnahme werden schlagartigfünfzigtausend schwere und mittelschwere Einheitenfrei, die ich bisher an allen möglichen Orten derGalaxis einsetzen mußte. Es muß mir von nun angleichgültig sein, ob sich die Bewohner von ArtosVI, um ein Beispiel zu nennen, mit ihren Nachbarn inden Haaren liegen oder nicht.«

»Ich kann nur noch staunen«, erklärte Atlan, »Die...!«

»Spezialist Kasom spricht«, dröhnte eine Stimmeaus den Lautsprechern der Bordverbindung. »Ichbitte um Entschuldigung, Sir. Ich habe soeben einenNotruf empfangen, höchste Dringlichkeitsstufe. Istetwa die CREST in der Nähe? Der Spruch wurde vonOberst Kors Dantur, Flottenflaggschiff, abgegeben.«

Rhodan sprang auf. Zusammen mit Atlan erreichteer das Querschott zur Zentrale. Kasom öffnete es.

Als die Männer den winzigen Raum betraten, warvon der CREST nichts mehr zu hören. Nur derAutomataufzeichner tickte noch.

Rhodan beugte sich über Kasoms massige Schulterund las die Schriftzeichen auf dem Registrierstreifen.

»Hyperkomspruch, Sir«, erklärte Kasom so leise,wie es ihm möglich war. »Klartext! GeringeLautstärke. Der Wortlaut kam verzerrt durch. DerSprecher schien verletzt zu sein. Er stöhnte.«

»Das - das ist doch nicht möglich!« sagte Rhodanstockend. Aus brennenden Augen sah er denLordadmiral an. »Kors Dantur hatte den Befehlerhalten, nahe dem fünften Planeten auf mich zuwarten. Das System von Beaulys-Stern ist nur unsbekannt. Es wurde erst kürzlich von einemExplorerschiff entdeckt. Haben Sie außer dem Notrufnichts gehört, Kasom?«

»Nein, Sir. Nur die wenigen Worte, die derAufzeichner registriert hat. Der Wortlaut istverworren.«

Atlan nahm den Streifen und las:»Werden angegriffen - Hilfe - alles unklar - ich

aber nicht - warum verletzt - hier FlottenflaggschiffCREST - jetzt wird es aber lustig - Hilfe - CRESTspricht - nein, ich bin Oberst Kors Dantur - Hilfe ...!«

Atlan legte den Streifen auf den Funktisch zurück.»Nanu!« sagte er gedehnt. »Das könnte die

Sprache eines Irren sein. Kasom, rufen Sie die

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CREST an.«»Nein, nicht«, gebot Rhodan hastig. »Ich möchte

hier nicht eingepeilt werden. Achten Sie auf weitereAnrufe. Ich bin gleich zurück.«

Rhodan wand sich zwischen Atlan an demRechengehirn hindurch.

»Wohin, Freund?«»Ich brauche die Koordinaten, aus der

Bordpositronik des Jägers. Bereite die Übernahmevor. Ist dein Schiff bewaffnet?«

»Und ob!«»Gut. Vernichte den Jäger, sobald ich wieder an

Bord bin. Kasom, sind Sie ganz sicher, auf keinenTrick hereingefallen zu sein? Haben Sie an dieMöglichkeit einer Hyperretronischen Spiegelunggedacht? Der verzerrte und obendrein unsinnigeWortlaut könnte das Fragment eines früherenFunkspruches sein. Schwundimpulse können nochnach Jahren springen.«

»Ausgeschlossen, Sir. Die Peilung steht klar,Schwundläufer-Impulse kommen niemals mitgleicher Lautstärke und aus dem gleichen Sektor an.Das war die CREST, Sir. Ich bezweifle nur, daß KorsDantur gesprochen hat. Das war ein anderer Mann.«

»Woher wollen Sie das wissen? Hatten Sie einenFernbildkontakt?«

»Nein, aber ich kenne Danturs Stimme.Epsalgeborene sind gegen uns Ertruser zwarkümmerliche Zwerge, aber sie sind doch schon etwaslauter als Normalmenschen. Das war kein Epsaler,Sir.«

Rhodan ging. Atlan half ihm in den Raumanzug.Dann wartete er vor der Schleuse, bis er das Tappender Magnetsohlen vernahm.

Eine Viertelstunde später wurde das Bordgehirnder MAJORI mit den kosmonautischen Daten desBeauly-Systems programmiert.

Je unruhiger Rhodan wurde, um so ausgeglichenergab er sich für den Beobachter. Atlan kannte dieSymptome. Dieser Terraner besaß eine erstaunlicheSelbstbeherrschung. Nur wer ihn genau kannte,konnte feststellen, wann Rhodan innerlich zu zitternbegann.

Die MAJORI nahm Fahrt auf. Eine Impulsflammelohte aus der Bugkanone. Der Jäger wurde vollgetroffen. Er verwandelte sich in eine grellaufleuchtende Gaswolke, die erst dann verblaßte, alsdie MAJORI mit Höchstbeschleunigung auf eineferne Sonne zuraste.

Der rote Stern, den man nach dem EntdeckerBeaulys-Stern genannt hatte, war noch nichterkennbar. Ein Lichtjahr bedeutete nicht viel. Wennman sich jedoch im zentrumsnahen Raumsektor derMilchstraße befand, genügte diese Distanz, um selbstgroße Sonnen im Ballungszentrum verschwinden zulassen.

Drei Minuten nach dem sprunghaften Start stießdie MAJORI in den Linearraum vor. Das Funkelnund Gleißen erlosch. Eine Entmaterialisierungerfolgte nicht.

2.

Zwei Dinge geschahen fast gleichzeitig.Das Tosen des Umlenktriebwerks verstummte. Die

MAJORI schwenkte mit dem Rest ihrer Fahrt in dieUmlaufbahn ein, auf der eigentlich dasFlottenflaggschiff CREST stehen sollte. Es war nichtda.

Das zweite Ereignis war schon etwasaufschlußreicher. Als der fünfte Planet, ein kalterEisriese, zur Hälfte umflogen war und die Sichel derroten Sonne immer voller wurde, begann derKlartextaufzeichner des Hyperkomempfängers zuticken.

Der automatische Speicher fiel ein. Gleichzeitigdrehten sich die Peilerantennen auf derRumpfoberseite des Schiffes. Kasom hatte dieentsprechenden Schaltungen schon vorgenommen,als die MAJORI nach einem gefährlichen Linearflugin den Normalraum zurückgefallen war.

Der positronische Peiler arbeitete so exakt, wieman es von einem terranischen Präzisionsgeräterwarten durfte. Die Daten wurden bereits zurAuswertung weitergegeben, als die ersten Zeichenaufgenommen wurden.

Diesmal morste die CREST. Jener Mann, dervorher um Hilfe gerufen hatte, schien nicht mehr inder Lage zu sein, seine Stimme zu gebrauchen.Seltsamerweise kam keine Bildverbindung zustande.

»... QQBar-Ter-1 - CREST-Rotfall, Rotfall -QQBAR-TER-1 - CREST - Angriff läuft, kommen...!«

Der Morsespruch war weder verschlüsselt, nochhatte man sich die Mühe gemacht, ihn zu einemunauffälligen Kurzsignal zu raffen. Dem Funkerschien es entgegen den Sicherheitsbestimmungengleichgültig zu sein, ob seine Sendung von Gegnernaufgenommen und eingepeilt wurde oder nicht.

Diese Gefahr war jedoch sehr gering, was sichaber erst nach der Auswertung herausstellte. DieLautstärke lag unter 0,001 Hykon. Anscheinendwurde ein tragbares Notaggregat mit geringerReichweite benutzt. Weiter als ein Lichtjahr konntendie Signale Raum und Zeit nicht überwinden.

Wer funkte? Warum verwendete man nicht diegroßen Sendeanlagen des Superschlachtschiffes?Wenn die CREST tatsächlich angegriffen wurde -weshalb rief der Kommandant dann nicht dennächsten Flottenstützpunkt mittels Richtstrahl an?

Fragen über Fragen türmten sich auf. DasKodezeichen »Rotfall« bedeutete Gefahrenstufe Nr.

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1. Von wem wurde der terranische Schiffsgigant sointensiv attackiert, daß man Rotfall gab?

Die MAJORI tauchte in das Licht der großenSonne ein. Die Peilungsauswertung lief noch. AndereGeräte arbeiteten gleichzeitig - allerdings mitnegativem Ergebnis.

Melbar Kasom lehnte sich in seinem Spezialsitzzurück.

»Sir, wenn sich in diesem Sonnensystem auch nurein Bluesraumschiff herumtreibt, oder sonst einKahn, der hier nichts zu suchen hat, dann will ich zueinem siganesischen Schrumpfzwerg werden. Hiergibt es nichts, was die CREST in Rotfall-Gefahrbringen könnte.«

»Meine Meinung!« bestätigte Atlan. Seine Augenverengten sich. Nachdenklich beobachtete er dievollendeten Ortungsgeräte des Spezialraumschiffes.

Rhodan sagte nichts. Er überprüfte nur immerwieder die Anzeigen. Kasom wurde nochunbehaglicher zumute.

»Sir«, meinte er vorsichtig, »Sir, wenn die CRESTtatsächlich in ein Gefecht verwickelt wäre, dannwürde dieses System beben. Sie kennen doch dieungeheure Bewaffnung unserer neuen Superriesen.Oder glauben Sie etwa, ein Mann wie Kors Danturließe sich so überraschen, daß er nicht mehr auf dieKnöpfe seiner Feuerorgel drücken kann? Das istausgeschlossen, Sir. Hier ist etwas passiert, was wiruns nicht vorstellen können.«

»Warten Sie die Auswertung ab«, betonte derTerraner.

Kasom sah zu dem Lordadmiral hinüber. Er kannteden leeren Ausdruck in den Augen des Arkoniden.Anscheinend hatte sich sein Extrahirn gemeldet, zudem Atlan auch Logiksektor sagte.

Melbar kam aber nicht mehr dazu, sich nachAtlans Schlußfolgerungen zu erkundigen. DieBerechnung der Peildaten war beendet. EinKunststoffstreifen mit auffällig gelben Schriftzeichentickte aus dem Auswerfer.

»Was - der Spruch kam aus diesem System?«entfuhr es Rhodan überrascht. »Können Sie sich aufdas Gerät verlassen?«

Kasom warf dem Großadministrator einenvorwurfsvollen Blick zu.

»Etwas Besseres gibt es in der ganzen Galaxisnicht, Sir. Wie viel Planeten hat Beaulys-Stern? Fünf...? Ich würde sagen, wir sehen uns einmal Nummerdrei und zwei an. Hier draußen gibt es kein Leben.«

»Fliegen Sie schon los. Worauf warten Sie noch!«Die MAJORI nahm wieder Fahrt auf. Auf den

Echoschirmen der Massentaster erschien der viertePlanet. Er war zur Hälfte hinter seiner Sonneverborgen. Die Automatauswertung stellte fest, daßes sich ebenfalls um einen Gasriesen handelte.

Kasom suchte weiter, bis er Nummer drei

gefunden hatte. Es war ein kleiner Himmelskörpermit wüstenhafter Oberfläche. Er stand in Oppositionzur zweiten Welt vom Beaulys-System. Dieüberlichtschnelle Entfernungsmessung ergab, daßman von dem zweiten Planeten knapp 3,1 MilliardenKilometer entfernt war.

Kasom zögerte nicht mehr lange. Männer vonseinem Ausbildungsstand wußten immer, worauf esankam.

Die MAJORI stieß in den Linearraum vor.Innerhalb von drei Minuten erreichte sie dasZielgebiet. Das Eintauchmanöver erfolgte sicher undroutiniert, obwohl jeder Kosmonaut der Flotte wußte,wie gefährlich gerade diese kurzeninterplanetarischen Sprünge waren.

Die Linearortung schaltete sich ab. DieNormalaufnahme begann wieder zu arbeiten.

Beauly II war ein etwa erdgroßer Himmelskörpervon urwelthaftem Charakter. Die Ferntasterregistrierten eine dichte, feuchtheiße Lufthülle mitausreichendem Sauerstoffgehalt, riesigeSumpfwälder und brühwarme Meere. Nummer zweiwar eine jungfräuliche, offenbar unbewohnte Welt,die noch kein intelligentes Leben hervorgebrachthatte.

Kasom flog mit halber Lichtgeschwindigkeit undim freien Fall auf den Planeten zu. Er verwendetedabei das in der Flotte berüchtigte und auchverbotene »Daumen-Peilverfahren«; den sogenanntenZielanflug nach »Giß«, bei dem man weder dieRechenmaschinen zu Rate zog, noch auf dieDatenauswertung wartete.

Erfahrene Piloten überschlugen im Kopf, wie großder Vorhaltewinkel ungefähr zu sein hatte, um nacheiner bestimmten Zeitspanne annähernd genau mitdem Anflugobjekt zusammenzutreffen.

Kasom war ein Meister seines Faches. Er steuertenach einfacher optischer Sicht und nach dem Motto:»So schnell wie ich auf den kosmischen Vagabundenzufliege, kann er gar nicht entkommen. Wenn ich ihnnicht genau treffe, fliege ich ihm eben nach. Wirkönnen uns eine Unergieverschwendung leisten, dennwir haben es ja.«

Rhodan erhob keine Einwände. Er schaute nursekundenlang auf die riesigen Hände des Ertrusersnieder. Dann warf er Atlan einen bezeichnendenBlick zu. Der Lordadmiral meinte dazu nüchtern:

»Kasom, wegen dieses verbotenen Manöverswerden wir uns gelegentlich unterhalten. Sie fliegenwie ein Urmensch.«

»Jawohl, Sir«, grinste der Gigant. »Wir Ertruserhaben aber auch Urmenscheninstinkte. Ich wette mitIhnen um ein Jahresgehalt, daß ich knapphunderttausend Kilometer hinter Nummer zweieinschwenke.«

»Ich wette nie mit einem Mann von Ihrer Art. Was

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verraten Ihnen die Ortungsgeräte?«»Überhaupt nichts, Sir - oder doch, etwas schon.

Die Materietaster können noch nicht einmal einenNickelmeteor ausmachen, geschweige denn einenSchiffsverband, der ja wohl erforderlich wäre, um dieCREST in Schwierigkeiten zu bringen.«

»Sie haben eine ziemlich hohe Meinung vonterranischen Superschlachtschiffen, SpezialistKasom«, bemerkte Rhodan. »Wieso eigentlich?«

»Ich war auf der SARTAGO, als die letzteSchlacht mit den Blues ausgetragen wurde. Dasgenügte mir zu einer Meinungsbildung, Sir. DasSchiff, das allein mit einem terranischenImperiumsraumer fertig wird, muß erst noch gebautwerden.«

Rhodan zwang sich zu einem Lächeln. Mitfiebrigglänzenden Augen überprüfte er dieBildschirme, auf denen Beauly II immer größerwurde. Ein kleiner Mond wurde erkennbar. Er warein toter Himmelskörper.

Kasom hätte seine Wette gewonnen. DerZielanflug war so genau, daß Atlan die Stirn runzelte.Weshalb er es tat, konnte Kasom nicht ergründen. Erhoffte jedoch, der Lordadmiral würde dieangekündigte Unterhaltung wegen des Manöversvergessen.

Wieder begann das Triebwerk der MAJORI zuarbeiten. Flammende Impulsströme schossenentgegen der Fahrtrichtung in die Leere des Raumes.Als Kasom zur Kreisbahn einschwenkte, wandertedie rote Riesensonne auf die Bildschirme ein. DieAutomatik schaltete die Filter vor die Aufnahme.

Immer noch mit hohen Werten bremsend, raste dasSpezialschiff der USO auf den grünblauen Planetenzu. Ausschnittsvergrößerungen seiner dampfendenOberfläche wurden von der Automatik eingeblendet.

»Ein ungemütlicher Bursche«, meinte Atlan.»Welten dieser Art liebe ich nicht. Man ist auf ihnennie vor Überraschungen sicher. Wann hast du dichzum letzten Mal einer Kombinationsimpfungunterzogen, Perry?«

Der Großadministrator winkte ab.»Ich habe nicht die Absicht, zu landen. Kasom,

bemerken Sie etwas vom ...!«Die Alarmanlage begann zu läuten. Masse- und

Energietaster sprachen gleichzeitig an. DieLeuchtanzeigen schimmerten in einem WarnendenRot. Walzenskalen klickten. Der Datenverarbeitersummte.

Die Energieortung war außerordentlich heftig. DieMaterietaster zeigten eine ungeheure Metallmasse an.

»Die CREST!« behauptete Atlan, obwohl dasSchiff von der optischen Bilderfassung nichteingefangen wurde. »Was, zum Donnerwetter, hatOberst Kors Dantur bewogen, auf dieserDschungelwelt zu landen? Er dürfte kaum abgestürzt

sein, oder?«Rhodan vergrub die Hände in den äußeren

Beintaschen seines Raumanzuges. Die Alarmsignalewurden noch hektischer. Außer dem einen Objekt,das die Ortung auf der Oberfläche des zweitenPlaneten ausfindig gemacht hatte, war jedoch keinzweiter Fremdkörper zu entdecken.

»Seltsam!« sagte Rhodan vor sich hin. »Äußerstseltsam! Kasom, peilen Sie die Energiequelle ein undstoßen Sie in die oberen Schichten der Lufthülle vor.Ich möchte ein gutes Bild haben.«

Eine Viertelstunde später erschien der gigantischeKugelkörper des Superschlachtschiffes auf denSchirmen. Zu dieser Zeit schwebte die MAJORIhunderttausend Kilometer über einer weiten Savanne,auf der die CREST gelandet war.

Die Zelle schien unbeschädigt zu sein. Dienachstrahlenden Energieerzeuger bewiesen, daß sieerst vor etwa drei Stunden abgestellt worden waren.Zwei Energiestationen liefen noch. Es warselbstverständlich. Die zahllosen Hilfsaggregate desRiesen benötigten auch dann Arbeitsstrom, wenn dasSchiff sich völlig passiv verhielt.

Ein Telekomanruf blieb unbeantwortet. Der zweiteund dritte ebenfalls. Die Besatzung des terranischenFlottenflaggschiffes meldete sich nicht.

»Die sind wohl von allen guten Geisternverlassen!« grollte Melbar Kasom. »Es kann mirdoch niemand erzählen, die CREST wäre angegriffenworden. Wollen wir uns die Sache nicht aus der Näheansehen, Sir?«

Rhodan nickte zögernd. Argwöhnisch überprüfteer die Kontrollen.

»Aber erst dann, wenn ich die Bordwaffenfeuerbereit habe. Du gestattest?«

Atlan tippte dem Terraner auf die Schulter. Perrypreßte sich gegen die Rücklehne des Pilotensitzes,und der Arkonide ließ sich hinter der Zielautomatiknieder.

Hinter dem Zentraleschott begann derGeschützreaktor zu rumoren. Der schwereLeistungsmeiler des Bordkraftwerks wurde zusätzlichhochgefahren. Vor der Mündung der Impulskanoneentstand das Abstrahlungsfeld, das eineunerwünschte Ausbreitung der im Verschlußreaktorerzeugten Thermalenergien verhinderte.

»Fertig. Beginnen Sie mit dem Anflug.«Rhodan hielt sich an Kasoms Schultergurten fest.

Die Zentrale hatte nur zwei Sitzgelegenheiten.Als die MAJORI im Schütze ihrer

molekülabweisenden Prallfelder in die Atmosphäreeintauchte und rotglühende Luftmassen in denentstehenden Vakuumstrichter hineinbrausten, riefKasom:

»Sir, Sie sollten sich besser auf den Boden setzenund den Rücken an meinen Sitz lehnen. Wer weiß,

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was die Verrückten vorhaben!«Die Verrückten ...? Rhodan befolgte den Rat.

Vernünftigen Einwänden war er immer zugänglich.In seinem Gehirn hallte ein Begriff nach. Die

Verrückten ...!

*

Vor drei Tagen hatte man Sergeant Erco Fudolieingesperrt. Die Isolierstation der Bordklinik hatteihn aufgenommen, weil Erco Fudoli offensichtlichnicht mehr im vollen Besitz seiner geistigen Kräftegewesen war.

»Hyperpsychose - bewußtseinsspaltendeAnomalie« hatten die Bordärzte zu dem Zustandgesagt. Eigentlich hatte Sergeant Fudoli nicht mehrgetan, als auf einen nichtvorhandenen Gegner dasFeuer zu eröffnen - mit sämtlichen Geschützen, überdie das Superschlachtschiff CREST verfügte.

Zusätzlich zu dieser maßlosenEnergieverschwendung, wie sich der erboste ErsteOffizier ausgedruckt hatte, war es Sergeant Fudolinoch eingefallen, einen Hyperfunkspruchauszusenden, mit dem er sämtlichen irdischenWühlmäusen, Hamstern und anderenlandwirtschaftlichen Schädlingen einFriedensangebot auf höchster politischer Ebeneunterbreitet hatte.

Diese Handlungsweise hatte Oberst Kors Danturbewogen, die persönlichen Freiheiten des SergeantenFudoli einzuengen - bis zum 12. August des Jahres2328, 23:11 Uhr Bordzeit.

Genau in dieser Minute war etwas geschehen, wasdie Psychiater wahrscheinlich verblüfft hätte, wennsie noch zu hochwissenschaftlichen Überlegungenfähig gewesen wären. Sie waren es aber nicht mehr!

Ganz im Gegensatz zu den geltenden Ansichtenüber psychische Anomalien war Erco Fudoli wiedergesund geworden - aber auch nur teilweise.

So hatte er es für zweckdienlich gehalten, in einemreichlich verworrenen Funkgespräch seine geistigeKlarheit zu beteuern und Oberst Kors Dantur alsAbsender zu nennen.

Etwas stimmte nicht mit Sergeant Fudoli - ganzbestimmt nicht!

Einem verantwortungsbewußten und geistiggesunden Soldaten wäre es beispielsweise niemalseingefallen, den einlaufenden Erkennungsimpuls derMAJORI zu ignorieren. Es besagte, daß sich dasRaumfahrzeug einer sehr hochstehenden Person derFlotte näherte.

Erco Fudoli hielt den Piepston für den Klagerufeines Wühlmaus-Abgeordneten; ein Zeichen dafür,daß Fudoli doch noch nicht so gesund war, wie erkundgetan hatte.

Als das kleine Raumschiff von der Automatortung

der CREST erfaßt und bildlich dargestellt wurde,geriet Sergeant Fudoli in Zorn. Zu dieser Zeit war eran Bord der CREST der einzige Mann, der sich nochvorstellen konnte, wieso ein Fahrzeug von der Artdes anfliegenden Raumschiffes überhaupt in der Luftschweben konnte.

Fudoli wartete mit kühler Gelassenheit, bis dieZielautomatik den Fremdkörper mit einem leichtenImpulsgeschütz eingepeilt hatte. DieseVorsichtsmaßnahme war üblich. Man ließ selbstFahrzeuge, die vorher den Erkennungsimpulsabgestrahlt hatten, nicht näherkommen, ohnewenigstens eine kleine Kanone in Feuerstellung zubringen.

»Besser ist besser«, hatte Oberst Kors Danturgesagt, als er den Befehl zu einer diesbezüglichenAutomatik-Programmierung gegeben hatte.

Als das Grünzeichen aufleuchtete, drückteSergeant Fudoli auf den Knopf derBereitschaftspositronik.

Der Strahler dröhnte auf. Eine flammendeEnergiebahn schoß in den trüben Himmel deszweiten Beauly-Planeten hinauf. Fast im gleichenAugenblick wurden die Wolkenmassen blutroterleuchtet. Es geschah dort, wo der Energiestrahl dasZiel getroffen hatte.

Fudoli hielt den Atem an. DieAußenbord-Geräuschaufnahme arbeitete einwandfrei.

Fudoli vernahm den Donner einer Explosion undanschließend das schrille Aufheulen einesHochdruckplasma-Triebwerks. Das Arbeitsgeräuschblieb aber nicht konstant.

Ein Stottern und Knallen wies darauf hin, daß dieMaschine nicht mehr einwandfrei funktionierte. Eineindringlicher Pfeifton war das vorletzte Anzeichenfür den Absturz des fremden Raumschiffes. DerKörper huschte über die Bildschirme der CRESThinweg. Der hintere Teil des Rumpfes leuchtete inverderbenbringender Rotglut.

Fudoli beobachtete die Ereignisse, bis das Schiffhinter den Gipfeln eines Gebirges verschwand.

Dann lachte und jubelte der dunkelhaarige Mann.Er stand auf, nahm eine pathetische Haltung an undbegann zum Volk der Wühlmäuse zu sprechen.

»Der Habicht, der euch aus den Löchern holenwollte, ist vernichtet worden. Ich, Fudoli der Erste,gebe kund und zu wissen, daß ...!«

Ein Mann wie Perry Rhodan hätte sich den Vortragdes Geisteskranken wahrscheinlich niemals angehört,es sei denn, er hätte es im Interesse seinermedizinischen Fortbildung für erforderlich gehalten.

Fortbildung oder nicht - in diesen Sekunden hätteRhodan ganz bestimmt darauf verzichtet. Männer, dieden Tod vor Augen sehen, legen keinen Wert aufeine Erweiterung ihres Wissens.

Fudolis Schuß hatte gut getroffen - fast zu gut.

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Der Großadministrator des Vereinten Imperiumswar bewußtlos. Wahrscheinlich wäre er schon totgewesen, wenn er Kasoms Rat nicht befolgt und sichauf den Boden gesetzt hätte.

So hatte die Sessellehne den Anprall des Körpersauffangen können. Die Auftreffenergie desImpulsstrahlers war so hoch gewesen, daß dieMAJORI mehrere hundert Meter hochgeschleudertund dazu noch völlig aus dem Anflugkurs gerissenwurde.

Der Einschuß lag nahe dem Hauptumformerraum.Das Strahlschott zwischen Wandelkammer und denSternkreisprojektoren, die zur Erzeugung desImpulsreaktor-Schirmfeldes dienten, warzerschmolzen worden. Die Überschußspeicher derUmformer hatten sich entladen und die wirksamgewordenen Thermalkräfte nochmals bereichert.

Der eigentliche Strahlschuß hatte nach der Abgabevon fünfundsiebzig Prozent seiner Energie dieSchiffszelle an der Rumpfoberseite wieder verlassen.Die Stromversorgung war ausgefallen. EinHyperfunkspruch war nicht mehr möglich. Der mitdem Hochstromreaktor verbundene Impulswandlerglühte. Die Freigabe der schubstarken Partikel war inFrage gestellt, zumal die Schirm-Düsenfelder nichtmehr aufgebaut werden konnten.

Melbar Kasom war sich über den Umfang derZerstörung im klaren. Die MAJORI war nur noch fürkurze Zeit flugtüchtig.

Atlan und Melbar Kasom hatten den unverhofftenAngriff gut überstanden, da ihre Pneumosessel denAufprallschock absorbiert hatten. Trotzdem warf sichdie Frage nach dem Überleben auf.

Die MAJORI raste mit zwanzigfacherSchallgeschwindigkeit - dem Rest ihrer hohenEintauchfahrt - auf ein Meer hinaus. Die Ortungs-und Meßgeräte, die jetzt von der Notstromanlagegespeist wurden, zeigten, daß es sich um einenMeeresarm von etwa achthundert Kilometern Breitehandelte.

Auf den Bildschirmen zeichneten sich vieleInselgruppen ab. Sie waren aber so dicht bewaldetund unübersehbar, daß Atlan den Befehl erteilt hatte,das Raumschiff unter allen Umständen an derOstküste zu landen.

Infolgedessen hatte es Kasom gewagt, dasTriebwerk auf Halblast zu schalten, obwohl dieKontrollen größte Gefahr anzeigten.

Taumelnd und schlingernd raste die MAJORI überden Ozean hinweg. Ihre Höhe betrug noch knappfünfzehn Kilometer.

Kasom saß hinter seinen Kontrollen, als wärenichts geschehen. Nur der Zorn in seinen Augenverriet etwas von seinen Gefühlen.

In diesem Augenblick brach auch noch dermolekülabweisende Prallschirm zusammen. Die

Innentemperaturen stiegen infolge derLuftreibungswärme schlagartig an. Die Kabinen undder Aufenthaltsraum standen ohnehin schon inRotglut. Das Thermalschott zwischen Maschinentraktund Wohnräumen war teilweise zerstört worden.

»Weiter«, schrie Atlan in das Tosen und Brausenhinein. »Schließen Sie Ihren Raumanzug. Können Sienoch steigen? Versuchen Sie, die Luftreibung zuvermindern.«

Auch der Lordadmiral verzichtete in dieserSituation darauf, über das aggressive Verhalten derCREST-Besatzung zu sprechen. Dafür war späternoch Zeit genug - wenn man überhaupt noch einmalzu einer Unterhaltung Gelegenheit hatte.

Kasom gelang das beinahe Unmögliche. Mit einemletzten, riskanten Feuerstoß des Impulstriebwerkszwang er die MAJORI zu einem raketengleichenSteigflug, der durch die Überschußfahrt erst infünfzig Kilometern Höhe endete. Auf denBildschirmen war bereits die Ostküste desMeeresarms zu sehen.

Während Kasom auf die aerodynamischen Ruderumschaltete und die Stabilisierungsflossen desHöhenleitwerks so weit ausfuhr, daß sie genügendhohen Auftrieb erzeugten, löste Atlan seineAnschnallgurte.

Auf Händen und Knien, immer wieder durchunkontrollierbare Flugbewegungen zur Seitegeschleudert, kroch er auf Rhodan zu.

Perry lag verkrümmt zwischen dem Sockel desPilotensitzes und der linken Instrumentenbank. Erblutete am Hinterkopf.

Atlan erreichte den Freund mit einer letztenAnstrengung und klappte ihm den Druckhelm desRaumanzuges über den Kopf.

Der Arkonide wartete, bis der Automatregler daseinwandfreie Funktionieren der Luftversorgunganzeigte. Wenn der arbeitete, war die Klimaanlageauch betriebsbereit. Zu diesem Zeitpunkt herrschtenin der Pilotenkanzel Temperaturen von etwa 110Grad Celsius. Nur die Raumanzüge konnten denVerbrennungstod verhindern.

Atlan kehrte zu seinem Sessel zurück, als dieMAJORI mit dem Rest ihrer Fahrt heulend über dieSteilküste hinwegschoß.

»Ich muß sie drücken«, schrie Melbar. »Vorsicht,Sir. Ich setze sie auf dem Präriestreifen vor demWald auf. Anschnallen.«

»Halten Sie Rhodan mit dem Fuß fest«, rief Atlanzurück. »Können Sie das? Er wird sonst nach vorngeschleudert.«

Melbar sagte nichts mehr. Er tastete mit seinemlinken Fuß nach hinten und stemmte ihn gegen denBoden, als er Rhodans Brust gefühlt hatte. DieStahlplatten des Belages knirschten. Kasom hörte esnicht.

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Eine Sekunde später riß er den spitz zulaufendenBug der MAJORI nach oben und schaltetegleichzeitig das Triebwerk ab.

Der letzte Vortrieb erstarb. Es hatte zur Folge, daßder Kleinraumer durchsackte und mit dem zerfetztenHeck den Boden berührte.

Es sprang hoch, schlug nochmals auf und drücktedurch die gegenwirkende Hebelkraft den Bug nachunten.

Hart prallte die MAJORI in voller Länge auf denGrund. Fast weißglühend, pflügte sie einen Graben indas Gelände. Schlingernd und ruckend übersprang sieUnebenheiten, riß kleinere Bäume um und kam erstzum Stillstand, als sie einen buschbestandenen Hangzur Hälfte hinaufgerollt war.

Es wurde plötzlich still. Atlan stöhnte.Flammenzungen fauchten durch die Risse imZentralequerschott.

Kasom gab sich ungerührt. Die Belastungen hattenihn nicht erschüttern können. Perry Rhodan war auchdavongekommen, nur hatte sich sein Körper umKasoms Unterschenkel gekrümmt.

In dieser Situation brachte es der Ertruser fertig, zusagen:

»Einen solchen Wadenwickel habe ich noch niegehabt, Sir! Mein Wort darauf.«

Kasom tippte etwas heftig auf den Schalter derAbwurfvorrichtung. Das Aggregat wurde durchMelbars Finger demoliert. Gleichzeitig explodiertedie sorgfältig dosierte Sprengladung, die denvorderen Teil der transparenten Kabinenverkleidungabriß.

Kasom stemmte die Beine gegen den Boden. DerPilotensitz brach aus den Verankerungen und klapptenach hinten. Kasom griff nach unten. Mit der Linkenfaßte er Rhodans Schulterkreuzgurte, mit der Rechtenzog er Atlan aus dem Sitz des Bordschützen.

Zusammen mit beiden Männern sprang derertrusische Gigant drei Meter nach oben. SeinenMikrogravitator hatte er vorher abgeschaltet. Melbarfand einen Halt auf dem massiven Wulst derAußenzelle, von der er sich nochmals, diesmal aberkräftiger abstieß.

Der Spezialist flog zehn Meter durch die Luft. Erlandete mit ausgestreckten Beinen auf dem Hang,dämpfte den für Rhodan und Atlan schädlichenAufprall mit wippenden Armen und rannte weiter.

Als die MAJORI mit einem ungeheuren Tosenexplodierte und ihre Trümmerstücke in die Luftgeschleudert wurden, lag Kasom jenseits derHügelgruppe in Deckung.

Eine Druckwelle orgelte über den Kamm hinweg.Nach einer zweiten, schwächeren Detonation, wurdees still. Nur das Prasseln kochenden Plastiks und eineschwarze Qualmwolke kündeten noch von demAbsturz eines Raumschiffes, das ein unglaublich

starker und geistesgegenwärtiger Mann nachFlugzeugart gelandet hatte.

Atlan richtete sich auf. Seine Lippen bluteten.Rhodan regte sich noch nicht, aber sein Atem ginggleichmäßig.

Ehe Melbar Kasom ein Wort des Bedauerns sagte,entschloß er sich, seine Meinung über den Vorfallbekanntzugeben.

»Wenn ich den Kerl erwische, der uns mit denWaffen des terranischen Flottenflaggschiffesabgeschossen hat, kann er etwas erleben! Das istdoch allerhand! Wie kommen die dazu, uns dasTriebwerk schrottreif zu schießen? Sind Sie noch inOrdnung, Sir?«

Atlan nickte schwach und öffnete seinenDruckhelm. Schnuppernd sog er die Luft desPlaneten ein. Sie war atembar, aber das hatte manschon vorher durch die automatische Analyseerfahren.

Wie feucht und heiß diese Atmosphäre allerdingswar, bemerkte man erst jetzt.

»Hatte Perry nicht gesagt, er hätte nicht dieAbsicht, auf Beauly II zu landen?« sann Atlan lautvor sich hin.

Kasom grinste. Vorsichtig öffnete er RhodansHelm und tastete den Kopf ab. Perry ächzte leise.Dann schlug er die Augen auf. Seltsamerweiseerfaßte er sofort, was geschehen war.

»Man - man hat uns beschossen?« erkundigte ersich stockend. »Notlandung, ja? Wunderbar! Schönerhätte es überhaupt nicht kommen können. Haben Sieschon versucht, die CREST anzurufen? Wenn manuns mit einem Gegner verwechselt hat, dann dürfteman wohl mittlerweile bemerkt haben, wie sehr mansich täuschte. Versuchen Sie es.«

»Ich versuche es seit drei Minuten«, erklärte Atlan.Sein Gesicht war unbewegt. »Die CREST meldetsich nicht. Freund - mache dich mit dem Gedankenvertraut, einen Meeresarm von achthundertKilometern Breite zu überqueren. Wie gut bist du alsBootsbauer? Vielleicht genügt auch ein Floß. Wenndu allerdings laufen willst, mache dich mit einemWeg von wenigstens fünfzehnhundert Kilometernvertraut.«

»Mehr, etwa zweitausend«, behauptete Kasom.»Wir sind weit nördlich gelandet; dort, wo die großeBucht beginnt. Wenn wir da herummarschierenwollen, brauchen wir Monate. Der Urwald stößt biszu den Küsten vor. Dieses freie Fleckchen habe ichnur mit Mühe und Not entdeckt. Also die CRESTmeldet sich nicht? Das wird ja immer lustiger!«

Die drei Männer sahen sich an. Der eine einErdgeborener, der zweite ein umweltangepaßterKolonialterraner, der dritte ein uralter Arkonide.

Rhodan stemmte die Ellenbogen auf den Bodenund richtete sich auf. Vorsichtig betastete er seinen

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Kopf.»Scheint noch in Ordnung zu sein. Können Sie mir

etwas Wasser besorgen, Kasom?«»Wird gemacht, Sir. Mit einem Operationssaal

kann ich allerdings nicht dienen. Ich besitze nur dieNotausrüstung des Raumanzuges.«

»Den Sie sofort ablegen sollten. Sie brauchen ihnnicht mehr. Lassen Sie Ihre Haut atmen, oder Sieschwimmen bald in Ihrem eigenen Schweiß. Wiesieht es in dem Raumschiff aus?«

Atlan preßte die Lippen zusammen. Nachdenklich,unbewußt seine schmerzende Schulter massierend,schaute er nach Westen. Das Rauschen der Brandungwar gut zu hören. Man befand sich knapp tausendMeter landeinwärts.

Kasom deutete auf ein metallisches Bruchstück. Eswar hinter dem Hügel niedergestürzt.

»Das dürfte einmal ein Landebein gewesen sein,Sir«, erklärte er.

Rhodan erblaßte.»Also explodiert!« stellte er fest. Er schwieg eine

Weile. Kasom überprüfte bereits seine Ausrüstung.Es war nicht viel, aber man besaß immerhinerstklassige Waffen, Notrationen, die wichtigstenAnti-Kosmobiotika gegen heimtückischeInfektionskrankheiten, Armband-Funkgeräte,thermische Trennschneider zur Beseitigung vonSchlingpflanzen und anderen Hindernissen,Mikro-Kreiselkompasse, Kunstfaserleinen fürAbseilmanöver und was der Kleinigkeiten mehrwaren. Sie gehörten zur Standardausrüstungmoderner Raumanzüge. Terranische Raumfahrerkonnten auch auf Urweltplaneten überleben. Dieersten fünf Tage waren erfahrungsgemäß dieschwierigsten. Jeder Himmelskörper hatte seineEigenarten, die man erst einmal studieren mußte.

Die Fauna konnte bedrohlich sein, aber mit gutenThermostrahlern waren selbst die größten Tiere zuerlegen. Eine heimtückische Flora war schonschwieriger zu besiegen. Mordpflanzen aller Artwaren Meister der Tarnung und erbarmungslos imZuschlagen.

Am gefährlichsten waren jedoch dieMikrolebewesen; unbekannte Erreger, denen mansehr schnell zum Opfer fallen konnte, sobald sie sichan die Biologie des menschlichen Körpersanzupassen vermochten.

Daran dachte auch Melbar Kasom. Er wußte, daßihn ein großes Lebewesen nur unter extremenUmständen umbringen konnte. Die ganz kleinen aber...! Der Ertruser blickte auf seine Hände nieder. Ernahm sich vor, alles zu tun, was überhaupt getanwerden konnte.

»Ich möchte nur wissen, was mit der CRESTgeschehen ist«, sagte Rhodan leise. »Das kann nichtmit rechten Dingen zugegangen sein. Warum meldet

sich niemand? Sind sie alle tot? Zweitausend Mann?«»Eine Falle!« behauptete Atlan. »Es gibt keine

andere Möglichkeit. Kors Dantur ist es auf derWartebahn natürlich langweilig geworden. Etwasmuß ihn verlockt haben, einmal schnell den zweitenPlaneten anzufliegen, um dort nachzusehen, was maneigentlich gehört, gesehen, oder auch geortet hat. Dasist so gut wie sicher.«

»Akzeptiert. Was sagt dein Extrahirn sonst noch?Es gibt dir doch wieder Ratschläge, nicht wahr?«

Atlan lächelte schwach. Der Freund kannte ihngenau.

»Ja. Der Logiksektor denkt schneller als meinNormalgehirn. Dantur ist gelandet. Vorher hat er denPlaneten analysiert. Eine erkennbare Gefahr kannnicht vorhanden gewesen sein, sonst hätte er sichgehütet, den freien Raum zu verlassen. Nach derLandung sind sowohl er als auch die Besatzungüberwältigt worden. Das Schiff ist unbeschädigt. Wasoder wer kann zweitausend erstklassige Soldaten mitjahrelanger Erfahrung unschädlich gemacht haben?«

»Parapsychischer Angriff?« vermutete Rhodan.»Vielleicht Suggestoren? Wesen mit natürlichenPsi-Kräften?«

»Es wäre denkbar, aber ich glaube trotzdem nichtdaran. Wenn mich nicht alles täuscht, werden wir inKürze die Lösung finden. Das dürfte uns aber nichtviel nützen. Für uns wirft sich primär das Problemauf, wie wir am besten den Meeresarm überwindenkönnen. Wir haben zahlreiche Inselgruppen bemerkt.Das bedeutet, daß wir uns immer von Eiland zuEiland vortasten können. Der Landweg kommt nichtin Frage.«

»Es gibt noch eine Möglichkeit, Sir«, gab Kasomzu bedenken. »Wenn Sie mir Gelegenheit geben, dieUmweltverhältnisse ungefähr drei Tage lang zuerkunden, gehe ich anschließend zu Fuß zur CREST.Sie können hier warten. Ich schaffe es, Sir! In einerWoche Standardzeit bin ich drüben. Es wäre gelacht,wenn ich nicht ein Beiboot der CREST flugklarmachen könnte.«

Rhodan musterte den Giganten. Der Vorschlag wargut - nein, er war sogar ausgezeichnet. Dieserlebende Panzerwagen hatte alle Chancen, denDschungel mit ausreichender Marschgeschwindigkeitzu durchqueren. Melbar konnte mit jedem Sprungfünfzehn bis zwanzig Meter zurücklegen. Er brauchtenur seinen Gravitator abzuschalten und seine an 3,4Gravos gewöhnte Muskulatur voll einzusetzen.

»Einverstanden«, erklärte Rhodan, ohne zu zögern.»Trauen Sie sich zu, mit den sicherlich existierendenRaubtieren fertig zu werden? Denken Sie auch angefährliche Pflanzen, Sümpfe und Insekten?«

Kasom klopfte bezeichnend auf seinen riesigenEnergiestrahler, den ein normaler Mann kaumanheben, geschweige denn damit schießen konnte. Es

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war ein Modell, wie es die schweren Kampfrobotertrugen.

»Verlassen Sie sich nur auf mich, Sir, Sie sindverwundet, und mein Chef scheint auch nicht inbester Verfassung zu sein. Außerdem können wirjederzeit Sprechfunkverbindung aufnehmen. Wennmir etwas zustoßen sollte, was ich aber auf Grundmeiner Erfahrungen bezweifeln darf, können Sieimmer noch mit dem Bau eines Bootes beginnen. Hm- da würde ich Ihnen allerdings sehr fehlen.«

»Sie müssen Ihre Sinne offen halten«, warnteAtlan. »Ich kenne Ihre Stärke, Spezialist Kasom.Wenn ich nicht davon überzeugt wäre, Sie könnten esschaffen, ließe ich Sie nicht gehen. Gut, dann wollenwir erst einmal feststellen, was wir anAusrüstungsgegenständen besitzen. Anschließendsuchen wir uns eine Unterkunft. Dieser Planet dürftehäufig von Unwettern heimgesucht werden. Abmorgen beginnen wir mit der Erkundung derUmweltverhältnisse. Wenn wir einigermaßen genauwissen, welche Gefahren auf uns lauern, können Siesich auf den Weg machen. Vor allem müssen wir aufdie Jagd gehen. Oder haben Sie noch keinen Hunger,Melbar?«

Der Riese lachte. Es klang wie Donnergrollen.»Nun ja, Sir, ein terranisches Ochsenviertelchen

könnte ich schon vertragen. Oder zwanzig Hähnchen.Ich will nicht kleinlich sein.«

»Wie bitte?« fragte Rhodan entsetzt. »SprachenSie von einem Ochsenviertel?«

Atlan erklärte ernsthaft:»Hüte dich, Freund, jemals ein Raumschiff mit

Ertrusern zu bemannen. Sie wären zwar eineunschlagbare Besatzung, aber dieNachschubverbindungen der Flotte würden anpermanenter Überforderung zusammenbrechen.Diese Leute essen den größten terranischenRinderzüchter arm.«

Kasom stand auf und drehte sich im Kreise. SeinBrustumfang maß wenigstens viereinhalb Meter. Ertippte mit dem Finger gegen die Rippen und sagtedazu bescheiden:

»Und darunter sitzt mein Magen, Sir. Und das istmein Hals!«

Er riss den Mund auf. Rhodan schaute in eingähnendes Loch. »Ich bin jetzt informiert, SpezialistKasom. Vielen Dank für die Demonstration. Ichwerde keine überflüssigen Fragen mehr stellen.«

4.

Atlan war allein aufgebrochen. Sein Ziel war dienahe Küste. Seit der Notlandung war erst eine Stundevergangen; aber Kasom und Rhodan klagten schonseit dreißig Minuten über heftige Kopfschmerzen.

Atlan war beunruhigt, zumal er jetzt ebenfalls das

Nagen und Bohren im Hinterkopf verspürte. Übelkeitstellte sich ein. Vor fünf Minuten hatte er sichübergeben müssen. Sein Gesichtssinn verschleiertesich.

Der zehntausend jährige Arkonide war erfahrengenug, um zu wissen, daß diese Symptome auf denBeginn einer bisher unbekannten Krankheithinwiesen. Gleichzeitig ahnte er, warum sich dieCREST nicht gemeldet hatte.

Auf Beauly II schien es gefährliche Erreger zugeben. Die Inkubationszeit war ungewöhnlich kurz.Sie betrug nur etwa dreißig Minuten.

Sein Logiksektor hatte Atlan geraten, schleunigstumzukehren und die Freunde zu beobachten. DerLordadmiral hatte sich nicht dazu entschließenkönnen, da er sich fragte, ob es ihm später nochmöglich wäre, die Küste aufzusuchen. UnterUmständen setzte ein rascher Kräfteverschleiß ein.

Atlan war weitergegangen. Als er die Steilküsteerreicht und auf das Meer hinausgeblickt hatte, warder Kopfschmerz fast unerträglich geworden. Atlanfühlte, daß er den Rückweg kaum noch schaffenkonnte. Es schien auch relativ nebensächlich zu sein,wo er sich zum Zeitpunkt des wahrscheinlichenTodes aufhielt. Die Gefährten waren schon eine halbeStunde früher von der Krankheit befallen worden.Atlan hätte ihnen nicht helfen können. Durch seinenEntschluß, trotz der stärker werdenden Beschwerdennicht umzukehren, hatte er wenigstens noch denOzean sehen können.

An und für sich war sein Wunsch, unbedingt biszur Küste vorzustoßen, ein logisch unbegründbaresVerlangen gewesen. Toten oder fast toten Männernkonnte es gleichgültig sein, was sich hinter dennächsten Hügelkuppen verbarg.

Atlan hatte sich auf den Boden gelegt. DasErdreich war warm. Betäubende Düfte stiegen auf.

Die rote Sonne des Planeten stand im Zenit. Atlanfiel das Atmen immer schwerer. SalzigeSchweißtropfen perlten von seiner Stirn, obwohlArkoniden kaum jemals schwitzten.

Atlan winkelte den linken Arm an und hielt dasMikrophon des Funksprechgerätes vor die Lippen. Errief Rhodan an. Niemand antwortete. Nach demvierten Versuch gab es der Lordadmiral auf.

Kasoms Vorhaben, die große Meeresbucht zuumgehen und ein Beiboot der CREST startklar zumachen, war jetzt schon gescheitert.

Atlan legte den Kopf auf die verschränkten Arme.So ruhte er auf dem fruchtbaren Boden einer heißenDschungelwelt, die ungebetenen Eindringlingen nichtgewogen war.

Nach fünf Minuten nahm Atlan die dritteAntibiotikum-Kapsel ein. Das Präparat war gegen diemeisten bekannten Infektionen wirksam, aber hierschien es zu versagen. Es mußte sich um eine

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unvorstellbar fremde Art von Mikroorganismenhandeln.

Nochmals zehn Minuten später erblickte Atlanplötzlich die bunten Segel. Etwa zwanzig Boote,einige von beachtlicher Größe, hielten vor einemsteifen Westwind auf die Küste zu.

Als die Fahrzeuge bis auf zwei Kilometerherangekommen waren, zog Atlan seine Strahlwaffeund schaute durch die Vergrößerungsoptik.

Er erblickte auf den Decks hochgewachseneMänner mit struppigen Bärten und langen Haaren.Die Lebewesen waren durchaus humanoid. Es hättenMenschen sein können.

Die Seefahrer waren kräftig, muskulös undoffenbar kerngesund.

Als sie vor der Brandung angekommen waren,wurden die einfachen Rahsegel eingeholt. SchwereRiemen erschienen außenbords. Die wilden Gesellenbegannen zu rudern.

Atlan steckte die Waffe in das Gürtelhalfterzurück. Die Existenz der humanoiden Lebewesenverwunderte ihn nicht. Die Erfahrung lehrte, daßderart menschenähnliche Lebewesen in fast allenFällen von gestrandeten Raumfahrern einer frühenEroberungs- und Kolonisationsepoche abstammten.Atlan war es gleichgültig, woher die Ahnen dieserLeute gekommen waren. Wahrscheinlich hatte essich um Arkoniden, oder auch um galaktischeHändler gehandelt, die auf Beauly II Schiffbrucherlitten hatten.

Wenn die Seeleute echte Eingeborene des Planetengewesen wären, hätten sie kaum so verblüffendeWesensmerkmale eines humanoiden Volkesaufweisen können.

Das erste Boot, es war über vierzig Meter lang undtrug zwei Masten, schoß durch die Brandung. DieBesatzung verhielt sich sehr geschickt. Diese Männerverstanden etwas von ihrem Fach.

Atlan konnte jetzt schon mit bloßem Auge dieAusrüstung der Unbekannten erkennen. Sie warprimitiv, aber die Bearbeitung von Eisen schien manschon entdeckt zu haben.

Man besaß Lanzen, kurze Wurfspieße, lange,zweischneidige Schwerter, Helme, Schilde undteilweise sogar Brustharnische.

Atlan erinnerte sich an seine lange Wanderungdurch die Kulturepochen der Erde. Diese Männerhätten eroberungslustige Wikinger sein können. Auchihre schlanken, flachbordigen Boote glichen jenen,die man vor vielen Jahrhunderten auf Terra gebauthatte.

Die Besatzung des ersten Schiffes landete amSandstrand hinter der Brandung. Atlan warzweihundert Meter entfernt. Hier und da vernahm ereinen Ruf. Ein riesenhaft gebauter Wilder mitockerfarbenen Haaren und einem bis zum Gürtel

reichenden Bart deutete landeinwärts. Atlan erkanntejetzt erst, daß die Eingeborenen rothäutig waren.

Sein Extrahirn meldete sich. Die Impulse wurdenin Atlans Wachbewußtsein wie gesprochene Wortehörbar.

Es sind Nomadenfahrer ohne festen Wohnsitz.Etliche Boote befördern nur den Hausrat.

Atlan wischte sich über die Stirn. Mitneuerwachender Aufmerksamkeit blickte er nachunten. Gleichzeitig kroch er hinter einen Felsblock,um nicht gesehen zu werden.

Tüchtig! meldete sich der Logiksektor erneut. Duhast zwar noch nicht bewußt bemerkt, daßKopfschmerzen und Übelkeit vergangen sind, aber dureagierst schon wieder wie ein erfahrener Mann.

Atlan zuckte zusammen. Der Logiksektor hatterecht - wie immer! Durch die erregendenGeschehnisse am Ufer hatte der Arkonide nicht mehrauf sich geachtet. Kopfschmerzen, Übelkeit,Schweißausbruch und Sehstörungen warentatsächlich soweit abgeklungen, daß er kaum nochBeschwerden verspürte.

Der auf seiner Brust hängende Zellaktivatorpulsierte heftig. Das mußte die Erklärung für dieplötzliche Genesung sein. Die Reizimpulse desvollendeten Gerätes mußten sämtliche Abwehrkräftedes Körpers mobilisiert haben. Der Organismus hattein ausreichend kurzer Zeit neue Abwehrstoffeentwickelt. Er hatte sich selbst geholfen. Vielleichthatte aber auch die dritte Antibiotikum-Kapselgewirkt.

Atlan richtete sich auf. Wesentlich lebhafter alszuvor und mit rasch wiederkehrenden Kräften, lugteer um den Felsblock herum.

Mehr und mehr Boote landeten. DieNomadenfahrer, wie sie von dem Extrahirn genanntworden waren, hatten tatsächlich einige Lastschiffedabei, die anscheinend nur Ausrüstungsgegenständeenthielten. Die großen Stoffballen schienenzusammengelegte Zelte zu sein. Atlan ließ sich vonden Geschehnissen faszinieren. Sein rastloses Gehirnarbeitete bereits an einem Plan. Mit Wilden dieserKulturepoche hatte er besondere Erfahrungengesammelt. Die Erinnerungen an seine Erlebnisse aufTerra drängten sich ihm auf. Sein fotografischesGedächtnis hatte nichts vergessen - nicht die kleinsteEinzelheit.

Verschwende deine Zeit nicht mitBegeisterungsausbrüchen, gab der Logiksektorironisch durch. Das sind gefährliche Burschen.Unberechenbar! Imponieren kannst du ihnen nur mitbrutaler Körperkraft, oder mit technischen Tricks.Rufe endlich Rhodan an. Er hat einen Aktivator.

Atlan schimpfte leise vor sich hin. Er vergaß dieelementarsten Notwendigkeiten. Anscheinendarbeitete sein Gehirn doch noch nicht mit gewohnter

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Präzision.Wieder hielt er das Armbandgerät vor die Lippen,

aber Rhodan meldete sich nicht! Melbar Kasom auchnicht! Was war geschehen? Wieso wurde er, Atlan,durch die Impulsströme des Aktivators wiedergesund und Perry Rhodan nicht? Sein Gerät warebenfalls individuell abgestimmt. Es besaß diegleichen Funktionen.

Ich ahnte es, sendete das Extrahirn. Du unterliegsteinem Irrtum! Der Aktivator hat dich nicht genesenlassen. Entweder bist du als Arkonide immun, oderich bin daran schuld.

»Du ...?« rief Atlan überrascht aus.Ja, ich, du Narr. Ich, dein biophysikalisch

aktivierter Gehirnteil, der dich unempfindlich gegenESPER macht. Warum nicht auch unempfindlichgegen die harte Strahlung, die von den Tastern derMAJORI angezeigt wurde? Oh - das hast du wohlauch nicht bemerkt?

»Strahlung?« flüsterte Atlan verstört. Plötzlichfielen ihm wieder die Meßwerte der Energieortungein. Eine blaue Kurve war auf dem Schirmerschienen. Sie war ungewöhnlich gewesen. DieAuswertung hatte man nicht mehr abwarten können.Die MAJORI war vorher abgeschossen worden.Führte der Logiksektor die Krankheitserscheinungenauf diese Strahlung zurück? Wenn ja, dann handeltees sich überhaupt nicht um eine Infektion.

Natürlich nicht. Ich sehe jetzt klar. Weshalb sindwohl die Eingeborenen gesund? Nur deshalb, weil sievielleicht immun gegen die Erreger geworden seinkönnten. Das ist unglaubhaft.

»Mache mich nicht wahnsinnig!« dachte Atlan.Das Extrahirn hörte mit. Es lachte.

Viel fehlt nicht mehr daran. Die Strahlung wirdkünstlich erzeugt. Deshalb ist auch Oberst Danturgelandet. Er hat sie ausgemacht. Er wolltenachsehen. Dann wurde er in dreißig Minutenüberwältigt. Stelle fest, inwieweit man davonausgeschaltet wird. Sieh dir Rhodan und Kasom an.Sie besitzen keine durchtrennten Hirnnervenleiterund ein Extrahirn wie du. Du bist ein Ausnahmefall.Worauf wartest du noch? Bemerkst du nicht, daß dieWilden die Notlandung gesehen haben? Sie werdendeine Freunde finden. Du solltest vorher bei ihnensein.

Atlan zögerte nicht mehr länger. Er begann zurennen. Es wurde allerhöchste Zeit. Am Strandversammelten sich etwa zweihundert Männer. DieFrauen und Kinder, die aus den Tiefen derSchiffsrümpfe aufgetaucht waren, entzündeten Feuer.

Geräte, die wie frühterranische Speerschleudernaussahen, wurden in Stellung gebracht. Wozu?Gegen Raubtiere? Oder zur Abwehr von Feinden?

Atlan lief schnell und ausdauernd. Seindurchtrainierter Körper hielt schon einige Strapazen

aus.

*

Oberleutnant Melbar Kasom, Spezialist der USO,wissenschaftliches Hauptgebiet ultraenergetischerEinsatzwaffen, hätte als Fachingenieur für diesenZweig der Hochenergiephysik eigentlich wissensollen, daß man die Mündung eines thermischenEnergiestrahlers nicht in den Mund stecken soll!

Trotzdem kaute Melbar Kasom kindisch lachendauf dem armdicken Abstrahlungstrichter herum, alsgälte es, ein Zuckerstangen-Wettlutschen zugewinnen. Diese verblüffende Tätigkeit einesFachingenieurs wäre zur Not noch akzeptabelgewesen, wenn der gleiche Fachingenieur nicht soleichtfertig gewesen wäre, zusätzlich zu seinerKautätigkeit an dem Abzug herumzuspielen! DerImpulsstrahler war feuerklar! Das Grünlichtleuchtete! In der Reaktionskammer schwebte dereingespritzte Hochkatalyse-Deuteriumnebel, der nurden Zündfunken benötigte, um in denKernverschmelzungsprozeß zu treten.

Es war wirklich sehr leichtsinnig von demSpezialisten Kasom!

Perry Rhodan verhielt sich ein wenig vernünftiger,wenn auch nicht wesentlich gescheiter. Jedenfallshätte der Großadministrator des Vereinten Imperiumswissen sollen, wie unklug es war, von einemabgebrochenen Ast die Rinde abzunagen. DieGrunzlaute, die der Oberbefehlshaber derAllianzflotte dabei ausstieß, ließen nicht aufgepflegte Tischsitten schließen.

Atlan stand hinter einem Baum und beobachtetedie beiden Männer. Der Arkonide war fassungslos -nein, er war entsetzt.

Verdummt, sagte sein Extrahirn. Jetzt wissen wir,was die Strahlung bewirkt. Die Kopfschmerzen sindAnlaufsymptome. Das ist keine Krankheit. DieStrahlung bewirkt eine extreme Verlangsamung deselektrischen Potentialausgleiches zwischen denHirnzellen. Denkvorgänge werden gedrosselt. Esmuß ein Sendegerät existieren. Ich nenne esEmotio-Strahler, Wer hat es installiert?

Lordadmiral Atlan, der kühle Taktiker, nüchterneDenker und harte Kämpfer, weinte. Auch Arkonidenkönnen weinen.

Verdummung ...! Was konnte es sonst sein? Einnormaler Perry Rhodan hätte niemals einen vielleichtgiftigen Ast angenagt. Ein gesunder Melbar Kasomhätte sich niemals die Mündung einer scharfenStrahlwaffe in den Mund gesteckt.

Unternimm etwas! Kasom bringt sich sonst um!forderte der Logiksektor scharf.

Atlan unterdrückte seine Gefühlsregungen. DerZorn über die Attentäter begann in ihm zu wallen.

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Zugleich dachte er fieberhaft über einen Ausweg ausdieser Lage nach.

Waren die eingeborenen Seefahrer schon immer soprimitiv gewesen?

Oder hatte jemand auf Beauly II ein Experimenteingeleitet, in das die MAJORI und auch die CRESThineingeflogen waren? Wollte jemand feststellen, obman mit einer neuentwickelten Waffe ganzePlanetenbevölkerungen unschädlich machen konnte?Durch eine Verdummung? Es wäre eine idealeOffensivwaffe gewesen. Welcher Bedrohung warman zufällig auf die Spur gekommen?

Atlan zweifelte nicht mehr an den Aussagen desLogiksektors. Um eine natürliche Weltraumstrahlungkonnte es sich kaum handeln. Selbst die stärkstenEinwirkungen dieser Art erzeugten nicht im Zeitraumvon dreißig Minuten eine Verdummung desmenschlichen Gehirns. Das konnte nur durch einegesteuerte Emotio-Strahlung hervorgerufen werden.

Atlan besann sich auf seine Erfahrungen. Erverstand sich auf die psychologische Behandlung vonprimitiven Eingeborenen, die - sofern sie humanoidwaren - alle den gleichen Gesetzen unterlagen.

Der Wahlspruch »heule mit den Wölfen« hatteAtlans Leben mehr als tausendmal gerettet. Er mußtesich geben wie ein Wilder, aber handeln wie einLordadmiral der USO. Er hatte unauffällig denSteuermann zu spielen, Tricks anzuwenden und diegeistig Schwachen von seiner eigenenVollkommenheit zu überzeugen. Er mußteBewunderung, Furcht und Unterwürfigkeit erwecken;den Halbgott oder wohlgesonnenen Dämonverkörpern.

Atlan trat aus seiner Deckung hervor. Kasomerspähte ihn. Seine Reaktionsschnelligkeit hatte derGigant nicht verloren. Er erkannte Atlan!

Lachend nickte er seinem Vorgesetzten zu. Ersagte sogar noch »Sir«! Seine jetzigeGeisteseinstellung war eine Mischung ausnatürlichen Trieben, schattenhaften Erinnerungenund einem Faktor, der erst noch bestimmt werdenmußte. Wahrscheinlich aber würde Melbar Kasomnach der Art eines jeden Frühzeitmenschen denstarken Mann darstellen wollen. Sein »neuer«Verstand gab ihm ein, nur der körperlich Starkekönne überleben und Macht gewinnen. Männer vonder Art eines Melbar Kasom mußten anders alsErdgeborene behandelt werden. Sie beugten sich nurvor einem anderen, wenn man sie davon überzeugenkonnte, sie hätten es mit einem höheren Wesen zutun.

Rhodan würde wieder anders ansprechen. Atlanwar sich darüber klar, welche Probleme er zu lösenhatte, noch ehe der Spähtrupp der Nomadenfahrereintraf. Bis dahin mußte im eigenen Lager Ordnunggeschaffen werden.

»Hei, Sir, schon zurück?« brüllte Kasom. Er nahmendlich die Mündung aus dem Mund und winkte mitdem Strahler. »Wo bleibt unser Essen? Hast dujemals so ein komisches Ding gesehen?«

Erstaunt hielt er Atlan den Strahler hin. Rhodanhörte auf, seinen Ast abzunagen.

Der Terraner lauschte in sich hinein. Dann zuckteer mit den Schultern.

»Hol dich der Teufel«, knurrte er. »Ich habeHunger.«

Er warf den Ast weg, ergriff einen Stein und schrittauf die nahe Waldgrenze zu.

Atlan zog seine Waffe und schoß. DerImpulsstrahler dröhnte. Eine ultrablaue Energiebahnschlug vier Meter vor Rhodans Füßen in den Bodenein und erzeugte dort einen weißglühenden Krater.

Der Großadministrator sprang zur Seite. Kasomverstummte. Aus geweiteten Augen schaute er Atlanan, der kühl erklärte:

»Ich, der Gott des Blitzes, werde die Nahrungbeschaffen. Ihr kennt mich. Habe ich je mein Wortgebrochen?«

Rhodans letzte Erinnerungen wurdenangesprochen. Nein, Atlan hatte nie ein Versprechenvergessen. Die Frage war geschickt gestellt worden.Verdummungsfaktoren mit allen damit verbundenenPrimitivvorstellungen und Resterinnerungen an dieNormalzeit vermischten sich. Es entstand ein neuerGeisteseindruck.

»Du hast es nie gebrochen!« sagte der Terraner.Seine Augen glänzten stumpf. »Du bist mächtig.Wirst du uns beschützen?«

»Gnade, Sir«, schrie Kasom und fiel auf die Knie.In seinem Falle trieben andere Resterinnerungen

und Neuzeit-Vorstellungen an die Oberfläche desGeistes. Atlan hatte sich als Gott des Blitzesausgegeben. Also war er mächtiger als der stärksteMann. Außerdem - und das war psychologischwichtig - hielt es kein humanoider Barbar fürunwürdig, vor einer Gottheit das Knie zu beugen.Ihre Gunst zu erringen, war sogar eine hohe Ehre.Atlan hatte richtig kalkuliert.

»Stehe auf, mein Freund«, befahl er. »Du bistKasom, der stärkste Mann unter den Deinen. Ichkenne dich!«

»Wirklich, Sir?« brüllte Kasom begeistert. »Darfich dein Diener sein? Ich bin verläßlich.«

»Du sollst es sein. Ich bin gekommen, um euch zuwarnen. Zweihundert Seefahrer-Nomaden nähernsich. Sie haben mein Feuerschiff gesehen, mit demich aus den Wolken kam.«

»Ich auch«, behauptete Rhodan. Zögernd kam ernäher. »Ja, ich auch. Wie heißt du? Bist du unswohlgesonnen, oder hast du Unheil im Sinn?«

Rhodan drückte sich gewählter aus als Kasom. DieIntelligenzquote des Terraners schien nicht so weit

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abgesunken zu sein. Nein - Atlan korrigierte seineMeinung.

Kasom war auf Grund seiner Körperkraft, die erschon immer in den Vordergrund gestellt hatte, zurvorbehaltlosen Anerkennung eines noch Stärkereneher prädestiniert als Rhodan.

»Ich bin Atlan, der Gott des Blitzes und desDonners. Niemand ist mächtiger als ich. Hört aufmich und gehorcht mir. Du, Perry Rhodan, und du,Melbar Kasom, ihr sollt meine Vertrauten sein,solange ich in der Welt der Sterblichen weile. Ichsuche die Burg der Unterweltdämonen. Sie habenmeinen Sohn entführt, um mich zu zwingen, aufmeine Macht zu verzichten. Helft mir, und ihr werdetreich belohnt werden.«

Sowohl in Rhodans als auch in KasomsVorstellungsvermögen tauchten Erinnerungsbilder andie Sagen des Altertums und an die nordischeMythologie auf. Plötzlich entsannen sie sich derGötter, die zur Erde kamen, um zu helfen, oderMenschen für sich zu gewinnen; an bösartigeDämonen, Halbgötter und auch an die Helden, diemit den Göttern kämpften und reisten.

Atlan hatte den ersten Psychokampf gewonnen.Er schritt zu Kasom hinüber und nahm ihm den

Strahler ab.»Deine Keule ist gewaltig, ertrusischer Held.

Benutze sie gut.«Mit schnellen Handgriffen entfernte Atlan die

Mikrostrombank zur Versorgung derHochfrequenzzündung. Die Waffe war ungefährlichgeworden.

Kasom strahlte. Vertrauensvoll sah er den Mannan, dessen Namen er kannte. Er hegte keinen Zweifeldaran, den Blitzgott Atlan vor sich zu sehen.

»Du bist stark genug, daß du selbst diese Keuleführen könntest!«

Atlan deutete zu dem Bruchstück des Landebeineshinüber, das die Explosion über die Hügelkuppegeschleudert hatte. Die stählerne Stütze wogwenigstens drei Zentner.

Kasom rannte freudetrunken darauf zu. Er waranerkannt worden!

Atlan wendete sich schnell an Rhodan.»Du, Terraner, bist ein Mann des Verstandes.

Darin liegt deine Stärke Hilf mir mit deinemEinfallsreichtum und mit deiner List, dann werdenwir die Burg der Unterweltdämonen finden. Groß seidein Lohn, noch größer die Ehre.«

Rhodan sagte zu. Für ihn unbewußt, machte sichdie Zuneigung zu dem Freund bemerkbar. Atlan hattewirklich gewonnen!

Der Arkonide war erschüttert. Bebend setzte ersich auf einen entwurzelten Stamm. Schließlich nahmer auch Rhodan die Waffe ab und entfernte dieZündungs-Stromquelle. Beide Geräte steckte er in die

Außentaschen seiner Uniformkombination.Es war getan, was getan werden konnte.

Wenigstens in dieser Situation.

*

Osak, der Oberhäuptling des Rotstreifenvolkes,war ein kluger Mann. Als er hinter einer Bodenwellestehenblieb und achtungheischend die Hand erhob,bewegten sich an seinem Körper nur noch dieockergelben Haupt- und Barthaare.

Seitdem Osak das Rotstreifenvolk führte, hatte esnur noch geringe Verluste gegeben, obwohl dieKämpfe mit anderen Völkern kein Ende nahmen.Osak hatte jedoch neue Waffen erfunden. Die starkenSchleudermaschinen konnten von den Booten gutgetragen werden. Speere, die von den Gerätenabgeschnellt wurden, durchdrangen sogar diePlanken der größten Feindboote und verursachtengefährliche Lecks.

Osak war auch auf die Idee gekommen, die Schiffeseines Volkes mit Kielen auszurüsten, die das Segelnbei allen Windrichtungen erlaubten. Vorher hatteman nur platt vor dem Wind treiben können. Jetztwar es möglich geworden, sogar gegen den Windanzukreuzen, indem man mit mehr oder wenigerlangen Schlägen und hart am Wind liegend, nach Luvaufkreuzte.

Osak war durchaus nicht der stärkste Mann seinesVolkes, aber er war fraglos der klügste. Ihm fielimmer wieder etwas Neues ein. Es sicherte dieÜberlegenheit bei den vielen Kämpfen. Er wurde alsFührer anerkannt! Sein Urteil über eine bestimmteSituation war so gut wie ein Gesetz. Osak hatte sichnoch nie getäuscht.

Das Rotstreifenvolk, so genannt wegen der breiten,roten Stoffbahnen auf den weißen Segeln, wargefürchtet. Es zählte über tausend Köpfe und besaßmehr kampffähige Krieger als andere Sippen, derenbeste Jahrgänge empfindlich dezimiert wordenwaren.

Osak wußte selbst am besten, wie mächtig er war.Es war sein Plan, noch zwei bis drei andere Völkerzu beherrschen. Osak war bis zu einem gewissenGrade selbstsicher - aber auch wirklich nur bis zueinem gewissen Grade!

Jetzt, in diesem Augenblick, hatte derOberhäuptling das Gefühl, um keinen Schrittweitergehen zu dürfen, wenn er nicht ein toter Mannsein wollte.

Aus verkniffenen Augen, immer noch reglos hinterder Bodenwelle stehend, sah er zu dem riesigenKrater hinüber, der früher nicht dagewesen war.

Die scharfäugigen Männer des Rotstreifenvolkeshatten vor vier Stunden das feuerspeiende Boot einesWolkengottes gesehen. Es war über das Meer

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hinweggerast und dann hinter der Steilküsteverschwunden. Das Donnern der Explosion warebenfalls vernommen worden. Osak hatte sichentschlossen, einmal nachzusehen, was aus demFeuerboot geworden war.

Zu den natürlichen Bedenken gegen eine solcheErkundung hatte sich Osak noch die Frage vorgelegt,ob es überhaupt ratsam war, mit dem Übermächtigeneinen Kontakt aufzunehmen.

Ein Feuerboot konnte abstürzen, aber der Donnerund Blitze speiende Steuermann selbst würdenatürlich überleben. Osak wußte nicht genau, wiesoer zu dieser festumrissenen Ansicht kam. Er glaubtees eben.

Trotzdem hatte die Neugierde gesiegt. Osak hattesich mit zweihundert Männern seines Volkesangeschlichen. Hier und da hatten sie metallischeBruchstücke gefunden. Daraus hatte Osakgeschlossen, was aus dem fliegenden Feuerbootgeworden war. Wo aber war der gute Geist oder derbösartige Dämon geblieben?

Osak hatte die Antwort in diesem Augenblickgefunden. Der Gesuchte stand auf dem Hügel, dessenFlanke den riesigen Krater aufwies. Es konnte keinSterblicher sein.

Der Übermächtige rührte sich nicht. Starr schauteer zu den Männern des Rotstreifenvolkes hinüber.

Osak begann zu zittern. Er kannte dieZauberkünste der Götter. Mit wem hatte man es zutun? War es ratsam, dem Besucher Hilfe anzubieten?

Osak senkte langsam die Hand und schaute sichum. Seine Männer waren erblaßt. Eingeschüchtertsahen sie zu ihrem Anführer hinüber. Osak überlegtefieberhaft.

Zum gleichen Zeitpunkt sagte ein Ertruser namensMelbar Kasom:

»Sie haben den Hügel umgangen, Sir. Soll ich dieLangbärte umbringen?«

»Hüte dich«, warnte Atlan, der von seinemStandort aus die Bewegungen in den Büschenbeobachtete.

»Du wolltest mein Diener sein, Ertruser. Kommealso zu mir herauf und suche mir einen Baum aus,den du gerade noch ausreißen kannst.«

»Pah - ich reiße jeden aus dem Boden. Mit derWurzel!« grollte der Gigant.

»Nimm den stärksten Baum, den du nochbewältigen kannst. Lege ihn aber erst dann um, wenndich die Langbärte sehen können. Los ...!«

Atlan erhob grüßend die Hand. Er winkte zu denWilden hinüber. Osak atmete auf. Das war ein gutesZeichen. Der Wolkengott betrachtete ihn also nichtals lästigen Störenfried.

Im nächsten Moment wich Osak entsetzt zurück.Furchtsame Rufe klangen auf. Behänd deuteten seineKrieger auf das Ungeheuer, das plötzlich hinter dem

Gott auftauchte und unter grauenhaftem Gebrüllseine Tonnenbrust betrommelte.

Melbar Kasom wankte breitbeinig auf die Lichtunghinaus. Er strengte seine Lungen an und erzeugtesomit ein Geräusch, das dem Grollen eines Gewittersglich.

Seine Riesenhände schlugen auf seiner Brustherum, daß es schauerlich hallte.

Atlan rührte sich nicht, als der Koloß an ihmvorbeiging.

Osak begann zu wimmern wie seine Männer, alsdas Ungeheuer auf einen Baum zuschritt und ihn mitden Armen umfaßte. Der Baum war dicker als derOberschenkel eines starken Mannes.

Kasom rammte die Schulter gegen den Stamm.Dann zog er ihn nach der anderen Richtung. Nacheiner dreimaligen Lockerungsbewegung, bei derkräftige Wurzeln aus dem Erdreich geschnellt waren,zog er mit titanischer Kraft an dem Baum. Krachendund knatternd brach er aus dem Boden.

Kasom sprang zurück. Die letzten Wurzeln gabennach. Triumphierend brüllend stemmte Kasom denlangen Stamm über den Kopf und drehte sich damitim Kreise.

Atlan blieb ungerührt stehen. Er kannte dieKraftakte des Spezialisten Melbar Kasom. Erbemerkte auch das unverhohlene Entsetzen derNomadenfahrer. Einige vernachlässigten ihreDeckung. Sie waren gut zu sehen.

Atlan winkte. Kasom ließ den Baum fallen undstellte sich seitlich hinter dem Gott des Blitzes auf.Atlan winkte nochmals. Diesmal auffordernd. Erwußte jetzt schon, daß er gewonnen hatte.

Ein großer Vogel, echsenhaft aussehend und miteinem langen Schnabel bewaffnet, kreuzte über derKüste auf. Neugierig, vielleicht auch Beuteerhoffend, kam er näher und strich auf den Hügel zu.

Atlan nutzte die Situation aus. Langsam zog er dieStrahlwaffe aus dem Halfter, schaltete dieFeldmündungsverstellung auf Fächerbreite, gingrasch ins Ziel und zog ab.

Der Impulsstrahler dröhnte auf. Eine sonnenhelleEnergiebahn brachte die Luftmassen zumAufleuchten. Der Vogel wurde voll getroffen undnoch in der Luft aufgelöst.

Kasom lag schon wieder auf den Knien. Nur PerryRhodan, der aus einer guten Deckung heraus dieNomadenfahrer beobachtete, runzelte nachdenklichdie Stirn. Eine Erinnerung wurde in ihm geweckt. Alser keine Erklärung für das Grollen und dengleißenden Feuerschein fand, schüttelte er den Kopf.Schwerfällig schritt er zu Atlan hinüber.

Osak hatte den letzten Beweis für die göttlicheMacht des seltsam Gekleideten erhalten. Er hatteeinen bösartigen Lufträuber getötet. Außerdem wurdeer von zwei Dienern begleitet, unter denen der Koloß

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ein Halbgott sein mußte. Niemand aus Osaks Volkkonnte Bäume ausreißen.

Der Donnergott winkte erneut. Er war gutgesonnen. Osak richtete sich aus seiner kauerndenStellung auf, sah sich im Kreise seinerangstzitternden Gefährten um und legte dann seineWaffen ab.

»Ich, Osak, werde gehen und dem Mächtigenunsere Hilfe anbieten«, erklärte er würdevoll, »Erwird uns später reich belohnen. Das ist immer so,wenn Sterbliche den Göttern helfen.«

Osak durchbrach die Büsche und trat auf dieLichtung hinaus. Melbar Kasom brüllte wieder. Inseinem Gürtel steckte das drei Zentner schwereBruchstück des Landebeines. Der beweglichangehängte Auflageteller sah wie die Schneide einergigantischen Axt aus - oder auch wie das abgeflachteHiebende einer stachelbewehrten Keule.

Osak warf sich zu Boden. Bittend erhob er dieHände und rief einen Gruß, von dem Atlan nur dieHälfte verstand.

Diese Hälfte reichte aber völlig aus, um demLordadmiral zu beweisen, daß er sich wegen derVerständigungsprobleme umsonst gesorgt hatte. DerLangbart sprach ein stark gefärbtes Interkosmo. Ermußte von gestrandeten Raumfahrern der Neuzeitabstammen.

Da Osak überdies bewies, wie stark ihn dieMachtdemonstration beeindruckt hatte, murmelteAtlan erleichtert vor sich hin:

»Na also! Die Bootsfrage wäre gelost. Ertruser -nimm den Baum und lege ihn dem Langbart zuFüßen. Verletze ihn aber nicht, verstanden! Zeigenochmals, wie stark die Helden von Ertrus sind.«

Kasom grinste und führte den Befehl aus. Osakglaubte seinen Tod nahen, als der Stamm nebenseinem Kopf auf den Boden krachte. Er blickte erstauf, als Kasom in tiefstem Baß sagte:

»Steh auf, Schwächling. Atlan, der Gott desBlitzes und des Donners, will dich sprechen.«

Der zwei Meter große »Schwächling« richtete sichauf und ging zögernd auf den Hügel zu. Kasom folgteihm.

Atlan begann zu lächeln. Er hatte ein zweites Malgewonnen.

»Wirst du ihnen vertrauen?« fragte Rhodan. DerArkonide bemerkte, wie sehr der Terraner seinenGeist anstrengte.

»Ich brauche ihre Boote. Halte deine Augenoffen.«

»Sie sind offen«, sagte Rhodan. Grübelnd sah ersich um.

»Ich meine, Terraner, du sollst die Langbärteüberwachen. Du bist klug!«

Perry lachte. Er schien sich schnell auf die neueLage umzustellen. Ein gewisses Maß von Intelligenz

blieb zurück. Sie war ausreichend für eineBeurteilung der jetzigen Situation, die keinebesonderen Anforderungen an den Verstand stellte.

Osak kam auf der Kuppe an. Atlan lächelte immernoch. Dann begann er mit seiner Erklärung. Osak sahein, daß die Metallburg der Unterweltdämonenunbedingt gefunden werden mußte, wenn derentführte Sohn des Blitzgottes gerettet werden sollte.

»Ich werde dich und das Rotstreifenvolk reichbelohnen, Held Osak. Die Burg der Dämonen enthältWaffen und Zauberdinge, die mir gestohlen wurden.Keine andere Sippe wird mehr in der Lage sein, dichund das Rotstreifenvolk zu besiegen, denn du wirstso mächtig werden wie die Dämonen.«

Osak - er war ein wirklich kluger Mann - erwogdiese verheißungsvollen Versprechen. Anschließenderklärte er:

»Wir sind deine Diener, Herr. Die Schiffe meinesVolkes gehören dir. Ich kenne den Ort, wo dieDämonen hausen.«

»Woher?« fragte Atlan überrascht.Osak machte eine umfassende Handbewegung.»Die Dämonen landeten während der Nacht. Sie

besitzen ein riesiges Feuerboot. Sie landeten dort, wodie alte Burg der Verdammten steht. Sie wollen dieVerdammten wieder quälen. Wir hören manchmalihre Schreie.«

Die Erklärung war an sich verblüffend genug; aberder zweimal ausgesprochene Begriff »Landung« ließAtlan aufhorchen.

Was wußte der Wilde von einer »Landung«? Wiekam er dazu, diesen Begriff aus einer technisiertenWelt zu gebrauchen? Warum hatte er nicht gesagt,die Dämonen wären aus den Wolken gekommen?Wieso »Landung«?

Atlan ahnte etwas.Ach - du ahnst auch etwas? meldete sich sein

Logiksektor. Mein Kompliment! Ich bin schon langedavon überzeugt, daß diese Wilden nicht immerprimitiv waren. Sie sind willkürlich verdummtworden. Nach dem Grad ihrer Ausrüstung und derbeachtlichen Anzahl ihrer Schiffe zu urteilen, muß dieIntelligenzabstumpfung in ihrem Falle vorwenigstens zwanzig Jahren Terrazeit eingesetzthaben. Sonst könnten sie sich noch nicht so gut andas primitive Leben angepaßt haben. Denke daran,wenn du an Bord gehst. Hier wird experimentiert. Esfragt sich nur, wer experimentiert.

Atlan entschloß sich, diese Frage als sekundär zubehandeln. Jetzt kam es erst einmal darauf an, diejenseits des Meeresarmes stehende CREST mit ihrenriesigen Vorratslagern zu erreichen.

5.

Die Seemannschaft der Nomadenfahrer war gut,

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teilweise sogar erstklassig. Wenn die Männer desRotstreifenvolkes erst vor zwanzig bis dreißig JahrenStandardzeit durch die Einwirkung eines immer nochlaufenden Experimentes verdummt worden waren,dann hatten sie sich sehr schnell mit den Tücken derMeere vertraut gemacht.

Trotzdem hatte das seemännische Können derNomadenfahrer die Strecke nicht verkürzen können.Widrige, von vorn einfallende Winde hatten eintagelanges Aufkreuzen erforderlich gemacht. Flautenwaren nur zur Mittagszeit und kurz vor demAusbruch eines Sturmes aufgetreten und - es hatteviele Stürme gegeben.

Osaks Schiff, das er nach sich OSAK benannthatte, glich einem konstruktiv verbessertenWikinger-Langschiff mit einem hohen Vor- undAchterkastell, auf denen dieSpeerschleudermaschinen aufgestellt waren.

Die beiden schweren Rahsegel konnten mit Hilfevon Brassen und Schoten der Windrichtungentsprechend bewegt werden. Die OSAK, ein reinerKlinkerbau mit durchgehend beplanktem Deck, warwesentlich hochbordiger als die anderen Schiffe desRotstreifenvolkes.

Ihre Steven liefen gradlinig abwärts zum Kiel. Diedamit verbundene Steifheit bewirkte die gutenSegeleigenschaften, die Atlan bewundert hatte. Dieumlegbaren Masten wurden in aufgetopptem Zustandvon starken Pfählen abgestützt. Das vollentwickelteBugspriet mit Bulinen und Block sowie die sorgfältigausgeführten Toppnanten wiesen außerdem daraufhin, daß die Nomadenfahrer voll und ganz in ihrerneuen Tätigkeit aufgegangen waren.

Die Fahrt nach Westen war viermal unterbrochenworden, da Osak der Auffassung war, seineWasserschläuche müßten bei jeder Gelegenheit frischgefüllt werden. So hatten sich zahlreiche Aufenthalteergeben, die Atlan von Stunde zu Stundeungeduldiger gemacht hatten.

Zwei Angriffe eines fremden Volkes waren vonAtlan im Zeitraum von wenigen Minutenabgeschlagen worden. Ein Strahlschuß hatte inbeiden Fällen ausgereicht. Die Fremden hatten sichfluchtartig zurückgezogen und an anderen Orten dieKunde verbreitet, Osak habe einen Übermächtigenals Freund gewonnen.

Vor zehn Minuten war wieder Land gesichtetworden. Der Ausguck im Toppkastell desGroßmastes hatte behauptet, diesmal hätte man dieWestküste vor sich.

Atlan war über die Steuerbordwanten aufgeentert.Das Toppkastell ruhte auf einer kräftigen Salingrüstedirekt auf der Mastspitze. Diese Konstruktion warungewöhnlich; aber auf Ogaks Schiff gab es vieleDinge, die einen irdischen Seefahrer verwundernkonnten.

Der Wind fiel seit einigen Stunden mehr achterlichals dwars ein. Die OSAK lief mit Steuerbord-Halsenüber Backbordbug auf die Küste zu. Die Fahrt betrugjetzt ungefähr acht Knoten.

Atlan hatte die Nomadenfahrer mit einigenseemännischen Raffinessen vertraut gemacht. DieHinweise wurden begierig aufgenommen und sofortbefolgt.

Osak folgte dem Arkoniden. Gewandt schwang ersich in das Toppkastell.

»Land, Herr«, behauptete er gelassen. »Ich will dieUferströmung erreichen.«

»Wirkt sie sich günstig aus?«»Sie wird uns nach Süden treiben. Der Wind fällt

dann voll von achtern ein. Wir werden noch vorSonnenuntergang die Burg der Verdammten sichten.«

Atlan atmete erleichtert auf. Sie befanden sich seitsechs Wochen auf See. Es wurde höchste Zeit, dieBesatzung der CREST unter Kontrolle zu bringen.

Atlan wußte nun sicher, warum niemand auf dieFunkanrufe geantwortet hatte. Nur der Abschuß derMAJORI und die beiden vorangegangenen Notrufeließen sich nicht einwandfrei erklären. Atlan nahmjedoch an, es könnte einem Besatzungsmitgliedgelungen sein, der Emotiostrahlung kurzfristig zuentgehen. Damit kam er der Wahrheit sehr nahe, auchwenn er nichts von Sergeant Erco Fudoli wußte.

»Laß das Schiff gleich nach dem Erreichen derStrömung abfallen. Der Wind ist tatsächlich günstig.Ist die Burg der Verdammten von See her gutauszumachen?«

»Ja. Sie hat sogar einen Hafen. Wirst du uns vorden Verdammten beschützen?«

Osak schaute den Gott des Blitzes prüfend an. Wiegroß war seine Macht?

Ehe Atlan antworten konnte, geschah etwas, wassich während der Reise bereits dreimal ereignet hatte.

Ein glänzender Körper raste von Norden her näherund strich in geringer Höhe über die kleine Flottehinweg. Atlan schaute unbewegt nach oben. DerKörper war ein Kleinraumschiff mit ausfahrbarenStabilisierungsflossen, die in den dichtenLuftschichten eines Planeten als Tragflächenverwendet werden konnten.

Das Dröhnen des Triebwerks wurde erstvernehmbar, als das Luftfahrzeug schon hinter denKüstenbergen verschwunden war.

Osak hatte sich auf den Boden des Mastkorbesgeworfen. Eine Druckwelle fauchte über die See. Siefüllte die Segel prall auf. Die OSAK krängte hartnach Backbord, nahm etwas Wasser über und richtetesich dann wieder auf.

Atlan schaute zu dem nur nebelhaft erkennbarenUferstreifen hinüber, hinter dem das Raumschiffverschwunden war.

Die CREST mußte weiter südlich, und zwar am

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Ende des Meeresarmes gelandet sein. War sie vonden Unbekannten entdeckt worden?

Ganz sicher, antwortete Atlans Logiksektor. Manmuß sie schon bei der Landung geortet haben. Machedich auf einige Unannehmlichkeiten gefaßt.

Atlan beruhigte den Chef des Rotstreifenvolkesmit dem Hinweis, der Besitzer des fliegendenFeuerbootes sei ein guter Halbgott gewesen, der ihm,Atlan, hätte zeigen wollen, daß man sich auf demrechten Kurs befand.

Osak glaubte die Erklärung. Schließlich war keinUnheil geschehen.

Zutiefst besorgt kehrte der Arkonide an Deckzurück. Die Besatzung der OSAK verhielt sichvertrauensvoll. Kasom und Perry Rhodan hatten sichin das Bordleben hineingefunden, obwohl es derErtruser nicht unterlassen konnte, sämtliche Männerder Reihe nach zum Zweikampf aufzufordern.

Er machte sich ein Vergnügen daraus, mit dreiSätzen von dem erhöhten Achterkastell bis zur Backzu springen, oder drei bis vier Nomadenfahrergleichzeitig in die Luft zu werfen und sie wiederaufzufangen.

Für Melbar Kasom schien die Seefahrt sehr spaßigund abwechslungsreich zu sein. Rhodan verhielt sichzurückhaltender. Er saß zumeist auf dem schmalenAusleger des Bugspriet, schaute in das rauschendeWasser hinunter und grübelte.

»Ertruser ...«Atlans Ruf wurde von dem Giganten gehört. Er

sprang zum Achterdeck hinauf.»Begib dich in den Mastkorb und halte Ausschau.

Wir müssen bald die Burg der Verdammten sehen.Hast du scharfe Augen?«

»Die besten, die es gibt«, behauptete Kasom. »Ichgehe, Sir. Ich nehme einige Langspeere mit.«

»Weshalb?«Kasom überlegte angestrengt. Er hatte schon

wieder vergessen, wozu er die primitivenWurfgeschosse verwenden wollte.

»Nun, dann lasse ich es eben sein«, erklärte ermürrisch. Mit flackernden Augen blickte er um sich.Atlan griff unauffällig zur Waffe.

Er fühlte, daß er den Ertruser scharf im Augebehalten mußte. Je länger die Emotiostrahlung aufKasoms Gehirn einwirkte, um so mehr brachen beiihm unkontrollierbare Triebe durch.

Kasom entfernte sich und sprang in dieGroßwanten hinauf. Atlan sah ihm besorgt nach.Osak kam wie zufällig näher. Seine Männerarbeiteten an den Brassen. Die Holzblöckequietschten. Der Stand des mächtigen Großsegelswurde korrigiert.

»Der Halbgott wird gefährlich, Herr«, stellte Osakfest. »Er hat einem Mann den Arm gebrochen. Erwollte mit ihm spielen, sagte er. Kannst du den

ertrusischen Helden zur Ordnung rufen?«Atlan nickte nur. Es wurde höchste Zeit, die

Seefahrt zu beenden. Der Lordadmiral schlenderteüber das Hauptdeck, erklomm das Vorkastell undblieb hinter Rhodan stehen.

»Worüber denkst du nach, Freund?« fragte er leise.Rhodan drehte den Kopf. Ein wilder Bart

umrahmte sein Gesicht. Die Augen glänzten fiebrig.»Freund ...? Ich danke dir. Worüber ich

nachdenke?«Er bewegte die Hände, als wollte er etwas

ergreifen. Dann schüttelte er verzagt den Kopf.»Es gelingt mir nicht, jenen zu fassen, der mich

quält. Was ist mit mir? Hast du einen Rat für mich?«»Du solltest mehr schlafen, Terraner. Es hilft dir.

Bald sind wir da. Ich werde die Burg der Dämonenfinden.«

Rhodan schwieg. Er sagte auch nichts, als sich derArkonide leise entfernte. Zu diesem Zeitpunkt ließOsak sein Schiff abfallen. Nach dem Manöver fielder Wind fast von achtern ein. Nach der üblichenMittagsflaute frischte es wieder auf. Der Wind drehteetwas nach Ost. Osak war zufrieden.

Hinter dem großen Fahrzeug glitten die achtzehnanderen Schiffe des Rotstreifenvolkes durch dieFluten. Das nahe Land, auf dem jetzt schonEinzelheiten zu unterscheiden waren, hatte Angst undUnruhe geweckt. Die Besatzungen der anderenSegler wußten, daß der Gott des Blitzes die Burg derVerdammten aufsuchen wollte. Man fragte sicherregt, ob er wohl Hilfe verlangen würde.

Man ahnte nicht, daß Atlan nicht den geringstenWert darauf legte, die Nomadenfahrer in der Nähe zuwissen.

Der Nachmittag verging. Kurz vorSonnenuntergang umrundete die OSAK ein weit indie See hinausragendes Vorgebirge. Es wurde still anBord:

Atlan sah starr zu den Turmbauten einer Stadthinüber, die Unbekannte entlang der Küste erbauthatten. Es war eine große, moderne Stadt.

»Die Burg der Verdammten«, flüsterte Osak.»Herr, wir fahren nicht weiter. Wohin willst du?«

Atlan vertröstete den Oberhäuptling und wies ihnan, die durch das Vorgebirge gebildete Bucht zuüberqueren.

Osak atmete auf, bedeutete diese Anweisung doch,daß man sich der Stadt nicht zu nähern brauchte.

Atlan dagegen fand seine Vermutung bestätigt. Dieoft erwähnte Burg der Verdammten war nichtsanderes als eine verlassene Stadt, in derwahrscheinlich noch einige Maschinen liefen. UnterUmständen gab es auch noch funktionsklare Roboter,die von den Wilden für Verdammte gehalten wurden.

Wie dem auch war: Es stand nun endgültig fest,daß der zweite Planet von Beaulys-Stern von

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galaktischen Raumfahrern besiedelt worden war.Atlan hatte diese Welt Stup genannt und seineverdummten Bewohner Stupos. Es war eine treffendeBezeichnung.

Als sich die OSAK dem Südufer der großen Buchtnäherte, erblickte Atlan das Gebirge aus Stahl. DieCREST war westlich der Stadt gelandet. Derfünfzehnhundert Meter durchmessende Kugelgigantüberragte mit dem oberen Viertel seines Rumpfeseinen Höhenzug, der den Blick bisher eingeengthatte.

Melbar Kasom rief eine Meldung nach unten. Ersaß immer noch im Mastkorb des Vortopps.

Atlan winkte ihm zu. Gleichzeitig fragte Osakerneut, wo der Blitzgott an Land gehen wolle.

»Morgen früh, kurz vor Sonnenaufgang, werde ichgehen, Osak«, entgegnete Atlan. »Lasse mich undmeine Diener an Land rudern. Dann segle aufs offeneMeer hinaus und beobachte einen Punkt an derKüste, den wir uns aussuchen werden. Wenn ich dichbrauche, werde ich dir ein Feuer- oder Rauchzeichengeben.«

6.

Der Planet Stup rotierte in 26,03 Stunden einmalum seine Polachse. Der Tag war ausreichend lang.Trotzdem war es nicht möglich gewesen, die CRESTnoch vor Anbruch der Nacht zu erreichen.

Das hatte verschiedene Gründe.Sie waren etwa zwanzig Kilometer von der Küste

entfernt an Land gegangen. Diese Strecke hätte mannormalerweise in acht Stunden überwinden können -Geländeschwierigkeiten und Pausen eingerechnet!

Atlan hatte sogar beachtliche Hindernisseeinkalkuliert, aber dann hatte es sich herausgestellt,daß es keine gab.

Schon wenige Minuten, nachdem sie das Uferbetreten hatten, war von Melbar Kasom eine Straßeentdeckt worden. Es handelte sich um ein glattesfugenloses Metallband, das offensichtlich auf dasMittelgebirge zulief. Atlan hatte angenommen, hinterdem Höhenzug einen Raumhafen zu finden. Auchdas hatte sich als richtig erwiesen.

Die Metallstraße war zum größten Teil vomUrwald überwuchert. Dennoch erlaubte sie einzügiges Vorankommen. Unter diesen Umständenhätte es möglich sein müssen, die CREST noch langevor Sonnenuntergang zu erreichen - wenn es nichtzweitausend von Urinstinkten beherrschte Terranergegeben hätte, die anscheinend darauf bedacht waren,die Umgebung der verlassenen Stadt und desRaumhafens als ihr Herrschaftsgebiet zu hüten.

Schon wenige hundert Meter jenseits des Strandeswaren Atlan, Perry Rhodan und Melbar Kasom voneiner verwahrlost aussehenden, schmutzstarrenden

Meute angegriffen worden. Die Funktion dertödlichen Energiewaffen hatten die Männervergessen. Sie benutzten ihre Strahler alsHiebwaffen. Dazu hatten sie noch Keulen und Stöckebesessen, mit denen sie auf Atlan losgegangen waren.

Einige Energieschüsse hatten die Verdummtenverjagt. Andere waren gekommen. Kasom hatte ineinem plötzlichen Wutanfall eingegriffen und eineneuentstandene Siedlung verwüstet.

Etwa hundert Mann, die unter dem Kommandoeines hochgewachsenen Leutnants standen, warenvor dem Giganten geflohen. Kasom hatte dieprimitiven Ast- und Laubhütten der Reihe nachzertrampelt und einen offenbar mühevoll errichtetenSchmelzofen zerstört.

Es war klar, daß sich die Besatzung der CREST inzahlreiche Gruppen aufgespalten hatte. Jede schienfür sich zu versuchen, mit den neuen Verhältnissenfertig zu werden.

Man war darum bemüht, Werkzeuge für dieMetallbearbeitung herzustellen. Hier und da gab esschon Schmiedefeuer, an anderer Stelle holzbeheizteSchmelzöfen, in denen man anscheinendTerkonitstahl verflüssigen wollte. Es war einzweckloses Unterfangen, aber das schien man nochnicht bemerkt zu haben.

So war der Tag vergangen. Atlan hatte sichvorsichtig an den Raumhafen herangepirscht. Er warerst nach der Durchquerung des Paßeinschnittessichtbar geworden.

Dann war die rote Sonne des Planeten Stup hinterdem Horizont versunken. Das Brüllen unbekannterTiere hatte Atlan gewarnt. Kasom, der sich durchseine Erfolge für unschlagbar hielt, hatte jedochdarauf gedrungen, den Weg fortzusetzen. Atlan hatteeingewilligt.

Nun stand man am Rande eines Raumhafens, derehemals hochmodern gewesen sein mußte.

Der Urwald hatte ihn an den Rändern überwuchert.Hier und da war der Plattenbelag aufgerissen.Dadurch hatten sich mitten auf dem GeländeBaumund Buschgruppen gebildet, die von demüberwiegenden Teil der CREST-Besatzung alsNotbehausungen benutzt wurden. Die Männerschienen sich auf der weiten Ebene sicher zu fühlen.Raubtiere mußten unweigerlich bemerkt werden.

Das terranische Superschlachtschiff CREST standverlassen im Mittelpunkt des Raumhafens. DieMannschleuse war geöffnet. Heller Lichtscheindurchstach die Finsternis unter dem Rumpf.

Das war die Situation sechseinhalb Wochen nachdem Abschluß der MAJORI.

*

Verblüffend! sagte das Extrahirn. Ich hatte Fremde

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erwartet. Die Crest ist unbekannt. Wieso?Atlan lachte vor sich hin. Diese Feststellung hatte

er auch ohne die Erklärung des Logiksektorsgetroffen.

Es gab einige Möglichkeiten - besser gesagtWahrscheinlichkeiten. Die Unbekannten glaubtensich im Vorteil. Sie hatten Zeit zu warten, bis dieBesatzung abgezogen war. Vielleicht wollte manauch erst ganz sichergehen, daß die Terranerverdummt waren. Es kam auf einige Tage oderWochen nicht an. Ewig konnten die sechshundertMann, die Atlan in kleinen Gruppen auf demHafengelände umherlungern sah, nicht dort bleiben.Die Nahrungsmittel mußten jetzt schon knappwerden. Außerdem hatten die Männer Furcht vorihrem Schiff. Sie wagten sich nicht mehr hinein. Jelänger der geistestötende Einfluß desEmotio-Strahlers anhielt, um so mehr mußte man dieCREST für ein Ungeheuer halten. Damit rechnetenauch die Unbekannten.

Es gab aber noch einen Grund, der sie bewegthaben konnte, das Schlachtschiff vorerst nicht zubetreten. Jemand hatte noch zwei Notrufe gesendet,nachdem die Besatzung an und für sich schon hätteverdummt sein müssen. War das der Grund, warumman sich noch nicht an das Raumschiff desImperiums herangewagt hatte? Wenn es so war, dannhatte der unbekannte Funker eine Schlachtgewonnen, ohne daß er es wußte.

Atlan gab es auf, noch länger über das Phänomennachzugrübeln. Diese Nacht mußte genutzt werden.

»Wann willst du endlich hineingehen?« nörgelteMelbar Kasom. Er lag neben dem Lordadmiral undspähte über den deckenden Busch hinweg. Sie hattensich so weit wie möglich in Richtung auf dasHafengelände vorgeschlichen. Niemand hatte siebemerkt. Die verwilderte Mannschaft hatte sichschon bei Eintritt der Dämmerung zwischen dieBauminseln zurückgezogen und riesige Feuerentfacht. Hier und da klangen Rufe auf. Man strittsich. Die Stimme des Epsalgeborenen war deutlich zuunterscheiden. Er beherrschte seine Leute auch jetztnoch.

Kasom knurrte wie ein Raubtier, wenn er dasOrgan von Kors Dantur vernahm. Es schienErinnerungen zu wecken. Die stille Rivalitätzwischen Epsalern und Ertrusern haftete noch inKasoms Gedächtnis.

Erstaunlicherweise fürchtete sich Kasom nicht vordem Riesenschiff, das wie ein fünfzehnhundert Meterhoher Berg aus der Ebene hervorwuchs. Blinzelndschaute er zu dem hellen Lichtschein hinüber, derschon seit Wochen aus der unverschlossenenSchleuse fallen mußte.

Rhodan war noch stiller geworden als während derlangen Seereise. Sinnend betrachtete er den

Schiffsgiganten, der nur auf seine geschulteBesatzung wartete, um diese Welt verlassen zukönnen.

Atlan sah zum sternflimmernden Himmel hinauf.Hier, im Randgebiet des galaktischen Zentrumswurde es niemals richtig dunkel. Das Sternenlichtwar hell genug, um jede Einzelheit gut unterscheidenzu können. Es war drei Stunden nachSonnenuntergang.

Atlan hatte einen Plan. Er wußte nicht, ob ergelingen würde, aber man mußte es versuchen.

Es war anzunehmen, daß die Ortungsanlagen derCREST in Betrieb waren. Kein Kommandant landeteauf einer Welt, ohne die vorprogrammierte Positronikeinzuschalten.

Sobald sich jemand dem Schiff näherte, würde dasP-Gehirn Alarm geben. Wenn die Besatzung dasLäuten vernahm, konnten Erinnerungen gewecktwerden. Was mußte dann geschehen?

Noch bedenklicher stimmten Atlan dieAutomatsperren an den Schleusen. Jeder Mann derBesatzung war nach seinem Individualmusterregistriert. Atlan hatte nicht zur Crew gehört; alsowar er auch nicht von den Gedächtnisspeichernaufgenommen worden.

Er konnte unter keinen Umständen allein auf dieSchleuse zuspringen. Die dort postiertenKampfroboter und stationären Abwehrgeschützehätten ihn sofort unter Feuer genommen. Er wäre alsunerwünschter Eindringling eingestuft worden.

Das konnte übrigens auch ein Grund gewesen sein,warum die Unbekannten bisher auf eine Eroberungder CREST verzichtet hatten. Wahrscheinlichbesaßen sie ein hohes technisches Wissen, das esihnen ratsam erscheinen ließ, sich nicht ohnegründliche Vorbereitungen einem terranischenSuperschlachtschiff zu nähern.

Atlan war sich also darüber klargeworden, daß erohne Rhodans Hilfe niemals in das Schiff gelangenkonnte.

Der Logiksektor hatte zudem an dengeheimnisvollen Funker erinnert. War dieser Manndurch irgendwelche Umstände der Verdummungentgangen? Hütete er sich, seine ehemaligenKameraden aufzusuchen?

Atlan wartete nicht mehr länger. Wahrscheinlichwürde es nicht schwierig sein, bis zur Schleusevorzudringen. Ehe man jedoch das Risiko derPlatzüberquerung auf sich nahm, war zu klären, obsich noch jemand an Bord befand oder nicht.

Atlan schaltete sein Armbandgerät ein und hieltdas Mikrophon vor die Lippen.

»Lordadmiral Atlan an CREST - ich rufe dieCREST - bitte melden.«

Atlan wiederholte den Anruf fünfmal. Es erfolgtekeine Antwort. Der Arkonide wußte, daß die

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Automataufzeichner angesprochen hatten. Wenn dieIndividualpositronik des Flaggschiffes mit AtlansKörperdaten vorsorglich programmiert worden war,konnte er gefahrlos auf die Schleuse zugehen. Wareine solche Maßnahme von Perry Rhodan veranlaßtworden oder nicht?

Atlan rief nochmals. Kasom schaute ihn ausgeweiteten Augen an. Das winzige Kontrollicht desMikrofunkgerätes beeindruckte ihn.

»Mit wem sprichst du, Sir? Rufst du dieDämonen?«

»Ich warne sie. Ertruser. Sie werden einschreckliches Ende finden, wenn sie meinen Sohnnicht freigeben. Die Männer, die du auf der weitenEbene siehst, sind verzaubert. Es sind meine Diener.

Greife sie nicht an, hörst du? Sie werden dir späterGetränke und knusprige Rinderviertel servieren,wenn du sie verschonst.«

Kasom richtete sich auf. Er war schon wiederhungrig, obwohl er Osaks Sippe fast arm gegessenhatte.

»Rinderviertel? Servieren? Ho, ich verspreche dir,Sir, keinem einzigen deiner Diener etwas zu tun. Ho -Rinderviertelchen, ho ...!«

Atlan lachte vor sich hin. Der Riese sah es nicht.Er dachte nur noch an seine »Viertelchen«.

Als die Lagerfeuer niedriger wurden und nur nochvereinzelte Posten zu sehen waren, befahl Atlan denAufbruch. Er hielt sich dicht hinter Perry Rhodan.

Sie verließen die Deckung der Büsche und ranntenin gebückter Haltung über das freie Gelände desRaumhafens. Es wäre zwecklos gewesen, jetzt nochverborgen bleiben zu wollen. Wenn die Raumfahrerauch unter der Emotiostrahlung litten, so hatten siedoch nicht ihre scharfen Sinne verloren.

Nach drei Minuten wurde die kleine Truppeentdeckt. Atlan entsicherte vorsichtshalber dieStrahlwaffe.

»Ruhe, weiter«, sagte er leise. »Ertruser,beherrsche dich. Ich will keinen Speer fliegensehen.«

Murrend ließ Kasom den Arm sinken. Er hatte seinVersprechen, die »verzauberten Diener« nichtanzugreifen, schon wieder vergessen. Er wurde zueinem Problem.

Die Posten riefen eine Warnung. Diehalberloschenen Lagerfeuer flammten wieder auf.

Kasom konnte es nicht unterlassen, mit zweiSätzen bis in die Nähe eines Feuers zu springen undmit den Speeren zu drohen. Sein Brüllen klang wieDonnergrollen.

Ein ähnliches Grollen erfolgte als Antwort. Ineiner Buschlücke erschien Kors Dantur, der fast zehnZentner schwere Epsalgeborene. Er hielt einenknorrigen Ast in der Rechten.

Kasom schrie noch wilder. Sein Arm erhob sich

zum Speerwurf.Atlan schoß. Das Dröhnen der Energiewaffe

übertönte die Schreie der Rivalen. Der sonnenhelleThermostrahl schlug in die Wurzel eines Baumes ein,ließ ihn auflodern und zusammenstürzen.

Kasom wich furchtzitternd zurück. Dann warf ersich zu Boden. Atlan schoß nochmals. Diesmalentstand ein glutender Krater im Metallbelag desPlatzes.

Kors Dantur taumelte zurück. Die Arme hatte erhaltsuchend ausgestreckt. Es wurde plötzlich still.Atlan erklärte laut:

»Ich, Atlan, der Gott des Blitzes und des Donners,dulde keinen Streit unter meinen Dienern. Ertruser,komme hierher. Ihr bleibt dort, wo ihr seid.«

Kasom rannte auf den Arkoniden zu. Atlanbeobachtete ihn argwöhnisch. Melbar wurdestündlich unzuverlässiger.

Die verdummten Männer der CREST wagtenkeinen Angriff mehr. Ein Raunen und Wispernerreichte Atlans Ohr.

Er drehte sich wortlos um und ging rasch, abernicht zu schnell auf das Flaggschiff zu. Die Würfelwaren gefallen.

Die Automaten der CREST würden fraglos dieEnergiefreigabe registriert haben. Was mußte jetztgeschehen?

Das Gebirge aus Stahl wuchs vor den dreiMännern auf. Kasom verhielt sich jetzt vernünftiger.Perry Rhodan hatte ohnehin kaum auf die beidenFeuerstöße geachtet. Seine Aufmerksamkeit galt nurder CREST.

Sie gingen an einem Landebein vorbei. DieDunkelheit unter der gigantischen Kugelwölbungnahm sie auf. Jetzt erst waren wieder die Stimmender Kranken zu vernehmen. Danturs Organ wardeutlich zu hören.

Atlan ging geradewegs auf die Schleuse zu. DerLichtschein war ein guter Wegweiser.

*

Sergeant Erco Fudoli fühlte sich so wohl, wie esseinem Geisteszustand angemessen war.

Er hatte sein Lager in der Funk- undOrtungszentrale aufgeschlagen, von der aus dieWaffenleitstelle überblickt werden konnte.

Erco Fudoli hatte täglich Funksprücheausgeschickt und das Erscheinen einerMäuseabordnung gefordert.

Als sich die Vertreter der terranischen Wühlmäusenicht meldeten, hatte Fudoli um einen Besuchgebeten. Sowohl die anfängliche Forderung als auchdie spätere Bitte waren ungehört verhallt. Das hattezwei Ursachen.

Einmal waren terranische Mäuse und Hamster

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noch nicht auf den intergalaktischen Funkverkehrvorbereitet, und zum anderen hatte Fudoli vergessen,den Hauptstromschalter des Hypersendersumzulegen. So hatte er erfolglos die Schütteltaste derMorseapparatur gehandhabt.

Fudoli hatte einmal geweint und dann wiedergetobt. Über die Außenbordlautsprecher hatte erlange Ansprachen an sein Volk gehalten. Er wargrößtenteils dafür verantwortlich, daß sich dieBesatzungsmitglieder der CREST nicht mehr in dasSchiff hineingewagt hatten, obwohl es hier und danoch einen Mann gab, der behauptete, in demHohlkörper gäbe es Nahrungsmittel in Hülle undFülle.

Ferner hatte Fudoli versucht, die riesige CRESTallein zu starten. Er hatte die Katastrophenautomatikgefunden und eingeschaltet. Da er jedoch falscheManuellschaltungen vorgenommen hatte, die bei derAusführung durch die Befehlsautomatik eineExplosion sämtlicher Triebwerke herbeigeführthätten, hatte der Kontroll-Computer eingegriffen undden Notstart unterbunden.

Die Triebwerke liefen aber noch. Sie waren nichtabgeschaltet worden. Da die bedingteStartbereitschaft ein sofortiges Ansprechen derSynchronpositronik bewirkte, liefen in dreiKraftwerksälen der CREST seit sechseinhalbWochen die Fusionsmeiler und Impulskonverter.Fudoli erlaubte sich wieder einmal eine maßloseEnergieverschwendung.

Trotzdem hatte auch diese Maßnahme einevorübergehende Rettung bedeutet. Die Energietasterder unbekannten Erkundungs-Raumschiffe hatten aufdie tosenden Maschinen des Superschlachtschiffesangesprochen. Die Besitzer dieser Raumfahrzeugehatten es infolgedessen nicht für ratsam gehalten,jetzt schon zu landen. Sie befürchteten, ein Teil derCREST-Besatzung hätte der Strahlung widerstehenkönnen.

Alles in allem war Sergeant Fudoli derSchutzengel der Terraner, nur ahnte er nichts davon.

Diese Nacht sollte jedoch schicksalhaft für ihnwerden.

Fudoli hatte ausgiebig gegessen, nochmals einenFunkspruch an den Präsidenten der terranischenMauseföderation abgeschickt und war dann zur Ruhegegangen.

Das Pfeifen der Ortungsautomatik weckte ihn.Fudoli sprang verstört auf, wischte sich über dieAugen und taumelte zu einem Sessel hinüber.

Auf den Bildschirmen erschienen drei Gestalten.Sie bewegten sich auf die CREST zu. Fudoli schauteauf das Fernbild. Er dachte wieder an den Verrat derMäuse. Sie hatten ihm Hilfe zugesichert, undüberdies war er schon längst zum Oberbefehlshaberder verbündeten Hamsterflotte ernannt worden.

Wer kam? Fudoli konnte zwischen Menschen undMäusen nicht mehr genau unterscheiden. Einzweifaches Dröhnen erschreckte ihn. Ängstlichkauerte er sich in seinem Sessel zusammen. Die dreiGestalten kamen immer noch näher.

Fudoli schaltete die Außenbordlautsprecher ein,zog ein Mikrophon näher und hauchte ein fragendes»Piiieeep« hinein. Es erfolgte keine Antwort.

Der Stimmungswechsel des Kranken erfolgtejählings. Schreiend vor Zorn rannte er in dieWaffenleitzentrale hinüber und schaltete dieZielautomatik für die Erfassung bodengebundenerObjekte ein.

In den Waffenkuppeln der CREST begannen dieStromumformer zu dröhnen. Langsam schoben sichdie Panzertürme aus der Kugelwandung hervor.

Fudoli wartete, bis die drei Gestalten von denZielkreisen erfaßt wurden. Er war bereit, mit denschwersten Thermogeschützen des Superriesen aufdie Eindringlinge zu schießen. Es mußte denUntergang des Raumhafens und die Vernichtung derungeschützten CREST bedeuten.

In dem Augenblick blieben die Unbekanntenstehen. Einer fiel auf die Knie und erhob bittend dieHände.

Fudoli zögerte erst, dann staunte und schließlichjubelte er. Er rannte zur Ortung zurück und zogerneut das Mikrophon vor den Mund.

»Ich, Fudoli der Erste, grüße euch«, schrie erfreudetrunken. »Ihr habt also doch meine Bittegehört. Das Volk der Terramäuse ...!«

*

Atlan erstarrte! Fassungslos lauschte er auf das irreGestammel, das häufig von einem Piepen undPiepsen unterbrochen wurde. Der Lordadmiralverstand plötzlich alles, zumal Rhodan unvermitteltsagte:

»Oh, das ist Fudoli. Er piepst immer noch. Bin icheine Maus? Ist sie es, die mich quält?«

»Antwortet, ihr Gesandten«, schrie der Irreübergangslos. »Kommt ihr in Frieden? Wollt ihr euerVersprechen einlösen?«

Atlan handelte blitzschnell. Er hieb Rhodan dieHandkante gegen den Magen und drückte ihmgleichzeitig die Rechte gegen das Genick.Aufstöhnend sank Rhodan zu Boden. Kasom lagohnehin flach auf dem Platzbelag.

Auch Atlan ging zu Boden. Er wußte, es kam aufSekunden an. Rhodans Bemerkung hatte ihm denletzten Beweis dafür erbracht, daß es an Bord desRaumschiffes einen Geisteskranken gab. Er konnteder Emotiostrahlung widerstanden haben, ohnejedoch dadurch vernünftig zu werden.

Atlan erhob beide Arme und spitzte den Mund.

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Ob der dich für eine Maus hält? fragte derLogiksektor skeptisch an. Ich finde das albern.

Atlan piepste verzweifelt. Aus immer starrerwerdenden Augen schaute er zur rotleuchtendenFeldmündung eines Polgeschützes hinauf, das dieZielautomatik auf die Männer eingeschwenkt hatte.

»Piieep«, gab Fudoli zurück. Jetzt jubelte erwieder. »Ihr seid es, ihr seid gekommen. Betretetmein Schiff. Seid willkommen.«

Atlan riß Rhodan vom Boden hoch, gab demErtruser einen Tritt und rannte auf die Schleuse zu.Keuchend kam er darunter an. Die Öffnung lagzwanzig Meter über dem Gelände. DasAntigravitationsfeld schien stabil zu sein.

Atlan stieß den Großadministrator zuerst hinein.Die beiden schweren Kampfroboter rechts und linksdes Schotts senkten die schon erhobenenWaffenarme. Sie hatten Perry Rhodan mit ihrenIndividualtastern identifiziert. Da sich Atlan undKasom in seiner Begleitung befanden, bestand keinGrund zur Abwehr.

Die drei Männer trieben nach oben. Rhodan sprachkein Wort. Er schaute sich nur nachdenklich um. DerErtruser dagegen wollte auf die Roboter losgehen.Atlan hielt ihn mit Mühe zurück.

»Du folgst mir jetzt, Hamster«, schrie er.Verzweifelt schaute er zu den glitzernden Linsen derFernbildoptik hinauf.

»Erlaube, Herr, daß ich dir den größten Vertreterunserer Verbündeten vorstelle.«

»Die Hamster sind auch gekommen?« rief ErcoFudoli begeistert. »Gut so, gut so. Kommt. UnserReich bedarf der Erneuerung. Wo ist euerRaumschiff?«

»Wir sind verkehrt gelandet und mußten durch denOzean schwimmen. Er war sehr naß.«

Fudoli lachte. Melbar Kasom schien plötzlichwesentlich vernünftiger zu werden. Nachdenklich saher zu der Optik hinauf. Atlan öffnete das innereSchleusenschott und sprang hindurch. Damit war erder Reichweite der automatischen Waffen entronnen.

»Ihr folgt mir jetzt, ohne ein Wort zu sagen«,flüsterte er rasch. »Die Dämonen reden dummesZeug. Achtet nicht darauf. Habt ihr verstanden?«

Rhodan nickte. Kasom grinste und klopfte aufseine Landebein-Keule.

Überall im Schiff brannte die Beleuchtung. Atlanwußte aus Erfahrung, daß man selbst bei größterBeeilung zehn Minuten brauchte, um dieHauptzentrale erreichen zu können. Der Irre mußtesich dort aufhalten.

Atlan sprang auf ein Transportband. Es setzte sichsofort in Bewegung. Kasom und Rhodan nahmen esals selbstverständlich hin. Sie verhielten sichgeschickt, obwohl sie nicht mehr unterscheidenkonnten, was sie nun eigentlich mit hoher

Geschwindigkeit durch die endlosen Gänge trug.Gewohnheitsmäßige Handlungen, Erinnerungen undGegenwart vermischten sich wieder. BesondersKasom schienen die Eindrücke gut zu bekommen.Sein stumpfsinnig gewordener Blick klärte sichetwas.

Nach fünf Minuten kamen sie vor dem zentralenAntigravlift an. Hier waren nochmals automatischeAbwehrwaffen eingebaut. Sie waren feuerklar. Zumzweitenmal seit seiner Notlandung auf Beauly IIbedeckte sich Atlans Stirn mit Schweiß. Wie gebanntstarrte er auf die Mündungen der materieauflösendenDesintegratoren.

»Habt ihr Waffen dabei?« schrie der Kranke. DieBordverständigung war für alle Abteilungeneingeschaltet worden. Kasom rettete die Situationdurch seinen natürlichen Witz, den er offenbarunbewußt gebrauchte.

Er erhob seine riesigen Hände und flüsterte: »Nurmeine Pfötchen, Herr.«

Atlan empfand das Tragikomische der Situation.Mit zwei Emotio-Verdummten umzugehen, warschon schwierig. Wenn aber noch ein echter Irrerhinzukam und die Strahlungsgeschädigten infolgeirgendwelcher Regungen auf den Blödsinn desKranken eingingen, wurde die Lage katastrophal.Wenigstens für einen gesund gebliebenen Mann!

Rhodan murmelte etwas von Mäusen. Es war eineentfernt wissenschaftlich klingende Abhandlung überFlurschädlinge. Es fiel ihm gerade so ein, da laufendvon Mäusen die Rede war.

Fudoli war von da an fest davon überzeugt, dieersehnte Abordnung wäre endlich eingetroffen. Eröffnete das Panzerschott zum Zentralelift. Damit wardie letzte Gefahr überwunden.

Kasom und Rhodan stießen sich ab und schwebtennach oben. Auch dabei dachten sie sich nichts. Siehatten so oft in ihrem Leben Antigravaufzügebenutzt, daß sie sich automatisch darauf einstellten.

Die Äquatorlinie der Zentralekugel lagsiebenhundertfünfzig Meter über der Polschleuse. Siedurchflogen die Strecke in einem Zuge. Atlan stießdie Gefährten aus dem Antigravlift und sprang selbsthinterher. Sie waren auf dem Rundgangangekommen, der die gepanzerte Kugel mit denwichtigsten Einrichtungen des Schiffes umlief.

Vorsichtig schritt Atlan auf die Steuerbordpfortenzu. Hier erfolgte nochmals eine fernbildlicheÜberprüfung und eine positronische Abtastung derIndividualimpulse. Nicht jedes Besatzungsmitglieddurfte die wichtigsten Räume des Schiffes betreten!Rhodan war dazu befugt. Die Positronik gab dasgrüne Lichtzeichen.

Atlan drückte auf den Öffnungsknopf. Dasmeterstarke Panzerschott glitt auf. Dahinter lag eineschmale Katastrophenschleuse.

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Nachdem sich das Außentor wieder geschlossenhatte, schob sich die Innenpforte zurück.

Atlan blickte in die riesige Rundung der Zentralehinein. Sie war wiederum in Geschosse unterteilt.

Die Bildschirme arbeiteten. Sergeant Erco Fudolistand auf dem Kommandantensitz und hattepathetisch die Arme erhoben. Als er mit seinerAnsprache begann, die gleich in den ersten Sätzeneine Aufforderung zum Gehorsam enthielt, raunteAtlan dem Ertruser zu:

»Das ist ein Unterweltdämon. Springe hin, fasseihn und bringe ihn zu mir, verletze ihn aber unterkeinen Umständen, hörst du! Ich muß ihn lebendhaben.«

Kasom winkte dem Irren freundlich zu. Dann rasteer los. Ehe Fudoli einen Schrei des Entsetzensausstoßen konnte, hatte ihn der Riese erfaßt.

Kasom ärgerte sich über das Geschrei desKranken. Also krümmte er bedächtig seinenZeigefinger und tippte damit gegen Fudolis Kopf.Der Kranke wurde sofort besinnungslos.

Mit letzter Kraft wankte Atlan in die Zentralehinein. Seine Finger huschten über die Schaltungen.

Das Rumoren der Energiestationen undKraftwerke verstummte. Atlan legte alles still, wasFudoli in seinem Wahn eingeschaltet hatte. Rhodanschien interessiert zu sein. Respektvoll musterte erden Mann, den er für den Gott des Blitzes hielt.

»Du kannst mit der Burg gut umgehen, Atlan«,stellte er fest. »Was ist jetzt zu tun? Wo ist deinentführter Sohn?«

Atlan mußte sein müdes Gehirn nochmalsanstrengen. Es war eine Erklärung fällig. Kasomblickte schon argwöhnisch zu ihm herüber.

»Die Dämonen haben mich überlistet«, gestand er.»Die meisten sind mit meinem Sohn davongeflogen.Nur dieser eine blieb zurück. Ich weiß aber, wie diekleinen Feuerboote dieser Burg zu gebrauchen sind.Terraner, du bleibst hier zurück und bewachst dengefangenen Dämon. Gib ihm zu essen und behandleihn gut. Ich brauche ihn noch.«

Rhodan nickte. Kasom kam näher. Er hatte denbesinnungslosen Fudoli am Fuß gepackt und schleifteihn hinter sich her.

»Laß das sein!« gebot Atlan scharf. Der Ertrusergehorchte grinsend. »Du wirst mit mir kommen. Ichkann mit einem Feuerboot umgehen. Hast duAngst?«

»Ich ...?« grollte der Gigant. »Sir, sage das nichtwieder.«

Atlan winkte beschwichtigend ab. Wenn Kasomder verderbenbringenden Strahlung noch einige Tageausgesetzt war, würde er nicht mehr zu bändigensein. Atlan beschloß, Melbar mit einemLähmungsstrahler unschädlich zu machen und ihn inder CREST einzusperren.

»Ich werde dich jetzt in die Küche der Burgbringen, Ertruser«, erklärte er. »Du kannst dochkochen, nicht wahr? Ich zeige dir, wo dieOchsenviertel hängen. Lasse uns ein Stück übrig.Terraner, kümmere dich um den Gefangenen.«

Rhodan beugte sich über Erco Fudoli, hob ihn aufund trug ihn zu einem Sessel hinüber.

Zu diesem Zeitpunkt wurde Atlan auf dieOszillographengalerie der Ortungszentraleaufmerksam. Die Schirme der Schwingungsschreiberwaren in Betrieb. Eine blaue Wellenlinie war zusehen.

Die Auswertungspositronik hatte schon vorWochen die Art der Energieortung bestimmt. Sie warungewöhnlich. Der Rechenrobot hatte sie unter demBegriff »unbekannt, mechanisch gesteuert«eingestuft.

Die mit der Auswertung verbundeneTastautomatik hatte den Standort des Senderseingepeilt. Auf den Schirmen der Sucher leuchteteein kleiner Himmelskörper. Die Entfernungsangabenvermittelten Atlan die entscheidende Erkenntnis.

Der Emotiostrahler stand auf dem einzigen Monddes Planeten Stup. Mittlere Entfernung des Trabantenzweihundertvierundsechzigtausend Kilometer!

Von da an wußte der Arkonide, wie dieUnbekannten das Experiment durchgeführt hatten.Von dem Mond aus konnten sie jeweils einePlanetenhälfte bestreichen. Von dort kamen auch diekleinen Raumschiffe, die man während der Seereiseviermal gesehen hatte. Es war alles klar!

Atlan ging mit Kasom in die Bordküche undöffnete die riesigen Kühlräume. Fudoli wurde imZellentrakt der Krankenstation untergebracht. Zweimedizinische Roboter übernahmen seine Betreuung.Der Arkonide hatte keine Zeit mehr, sich mit demKranken zu beschäftigen.

Ehe Atlan die Zentrale verließ, um dieBeiboothangars zu inspizieren, verschloß er noch dieMannschleuse in der unteren Polkuppel. Nun konnteniemand mehr das Schiff betreten.

Minuten später wurden die Stromreaktoren vondrei Energiestationen hochgefahren.

Ein undurchdringlicher Schutzschirm legte sichüber die Außenzelle der CREST.

Dann aßen die drei Männer. Kasom schien sichwieder gefangen zu haben. Möglicherweiseabsorbierte der Energieschirm einen Teil derschädlichen Emotiostrahlung.

Atlan konnte es wagen, für den Rest der Nacht dieZentrale aufzusuchen und sich auf einemherabgeklappten Konturlager zur Ruhe zu begeben.Er war erschöpft.

Sergeant Fudoli schrie in seiner Zelle. Niemandhörte ihn.

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7.

Atlan hatte alles so gut vorbereitet, wie es füreinen unter Zeitdruck stehenden einzelnen Mannmöglich war. Er glaubte, Rhodan unbesorgtzurücklassen zu können. Der Terraner versank, ganzim Gegensatz zu Melbar Kasom, mehr und mehr inseinen Grübeleien.

Die Schleusenpositronik der Beiboothangars warprogrammiert worden. Sie würde die Tore auf Grundeines bestimmten Funkimpulses öffnen und denSchutzschirm vorher an dieser Stelle unterbrechen.

Kasom hatte doch Angst! Die moderne Space-Jetflößte ihm Furcht ein. Der Riese saß hinter demPilotensitz auf dem Boden und umklammerte dieSockelfassungen der anderen Sessel.

Das Triebwerk lief bereits. Atlan hatte keinenRaumanzug angelegt. Wenn der Angriff mißlang,brauchte man die Schutzkleidung ohnehin nichtmehr.

Die Außentore waren geöffnet. Die rote Sonne desPlaneten Stup war soeben aufgegangen. Atlan dachteflüchtig an die Nomadenfahrer, die weit draußen aufdem Meer beigedreht hatten. Er durfte dieversprochene Belohnung nicht vergessen.

Vorausgesetzt, du kommst lebend zurück! gab dasExtrahirn zu bedenken. Du hast so gut wie keineChance!

Rhodans Gesicht war auf den Bildschirmen zusehen. Atlan hatte die Übertragungsanlageeingeschaltet, damit er jederzeit, auch vom Raumaus, die Verhältnisse in der CREST überprüfenkonnte. Er hatte das Risiko so klein wie möglichhalten wollen. Trotzdem war es immer größergeworden.

Kasom wimmerte, als das Arbeitsgeräusch desTriebwerks lauter wurde. Atlan überprüfte dieFeuerkontrollen.

Moderne Space-Jets waren verbesserte Gazellen.Sie konnten als Fernaufklärer mit Hyperantrieb undals normallichtschnelle Super Jäger eingesetztwerden.

Die neuesten Ausführungen konnten von einemMann geflogen werden. Die großkalibrigeImpulskanone war starr eingebaut. Bei einem Angriffmußte mit dem Flugkörper gezielt werden. Dieentsprechenden Vorhalte und Schußunterlagenwurden automatisch ermittelt und auf dem Zielschirmdes Piloten eingeblendet. Fehlschüsse gab es nurdann, wenn sich ein Objekt schneller als mit halberLichtgeschwindigkeit bewegte und zudem rascheAusweichmanöver durchführte.

Atlan rechnete jedoch nicht mit einem solchenFall. Der Emotiostrahler war höchstwahrscheinlichstationär.

Das Thermogeschütz gab Grünzeichen. Es warfeuerklar. In der bauchigen Reaktionskammer wartetehochkatalysierte Deuterium auf den zündendenLichtbogen. Der Stromreaktor, speziell für dieErzeugung der Kanonen-Schirmfelder vorgesehen,gab ebenfalls Grünwert. Die Space-Jet war sohervorragend in Ordnung, wie man es von einemterranischen Raumschiff erwarten konnte.

»Festhalten, Ertruser«, warnte Atlan. »DasDonnern ist nicht gefährlich. Ich, der Gott desBlitzes, beherrsche das Feuerboot.«

»Ja, Sir«, antwortete Kasom kläglich. Er war sattund daher etwas träge geworden.

Ohne ein Abschiedswort an Rhodan löste Atlandas Kraftfeldkatapult aus. Der Andruckabsorber derJet sprang eine Zehntelsekunde vorher an.

Das Boot wurde über die Gleitschienen gerissen.Zugleich dröhnte das Impulstriebwerk auf. Die Jetbrauste einige hundert Meter weit dicht über denBoden hinweg, bis sie von Atlan zum Steigfluggezwungen wurde, heftig anruckend, eine heißeDruckwelle erzeugend, raste sie in denwolkenverhangenen Himmel empor und verschwand.Nur das Lohen der hocherhitzten Luftmassen zeugtenoch von dem blitzschnellen Alarmstart eineshochwertigen Kleinraumschiffes.

Atlan beschleunigte mit Höchstwerten, die beidiesem Typ dicht unterhalb der 550 km/sec2-Grenzelagen.

In wenigen Sekunden hatte er die Lufthülle desPlaneten durchstoßen. Das Pfeifen der Luftmassenverstummte. Die Automatik begann zu arbeiten, aberAtlan achtete nicht darauf.

Auch er hatte sich zu dem verpönten Manövernach dem Daumenpeil-Verfahren entschlossen. DerMond war nur eine Viertelmillion Kilometer entfernt.Für die Space-Jet bedeutete es nicht mehr als einenSprung.

Atlan flog ohne besonderen Vorhalt auf den raschgrößer werdenden Himmelskörper zu und begann erstdann mit dem Bremsmanöver, als die blutrotleuchtende Sichel bereits die Bildschirme ausfüllte.

Kasom schrie. Da er auf dem Boden saß, fühlte erdas Vibrieren der Zelle besonders stark.

Atlans Rechte umspannte den einfachenImpulsknüppel der Zentralelenkung. Schon derkleinste Ausschlag ließ die entsprechendenKorrekturdüsen ansprechen. Es war einfach, einemoderne Space-Jet zu bedienen.

Der Sicherheitsschalter klickte nach oben. DerKnopf auf dem Ende des Impulsknüppels leuchtetegrün. Jetzt kam es nur noch darauf an, den Standortdes Emotiosenders so schnell einzupeilen, daß derüberhastete Anflug auch seinen Zweck erfüllte.Dabei konnte nur noch die Vollpositronik helfen.

Atlan schwenkte auf eine weite Kreisbahn ein.

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Dabei hob er den Rest seiner Fahrt auf. Er hatteknapp fünfzehn Minuten benötigt, um sein Ziel zuerreichen.

Atlan stieß auf die Oberfläche hinunter. DerHimmelskörper war eine tote Welt ohne Atmosphäre.In knapp dreißig Kilometern Höhe fing Atlan dieMaschine über dem Südpol ab.

Der Energiepeiler sprach nicht an.Schwerer als gedacht, was? meldete sich der

Logiksektor. Du fliegst zu tief!Atlan überhörte die Mahnung. Sein Gefühl sagte

ihm, es oei besser, so dicht wie möglich über derOberfläche zu bleiben. Der Funkhorizont durfte nichtwillkürlich erweitert werden.

Der Mond des Planeten Stup besaß eine schnelleEigenrotation. Da er zusätzlich zu dieser Eigenschaftnoch achtzehn Tage Standardzeit benötigte, umseinen Planeten einmal zu umlaufen, hatten sichfolgenschwere Gesichtspunkte ergeben.

Die Logikauswertung der CREST-Positronikbesagte, der Emotionsstrahler könne nur an eine nader beiden Pole stehen. Die Unbekannten wärendaran interessiert, den Planeten unablässig zubestreuen. Aus diesem Grund könnte man keinenanderen Standplatz gewählt haben, da man sonstdurch die Eigendrehung des Mondes ständig das Zielentzogen bekäme.

Die Librationsberechnungen der Positronikbewiesen ferner, daß der nördliche Pol dergeeignetste Ort zur Aufstellung eines stationärenGerätes war. Eine automatisch nachgeführte Kuppel,die die Rotation des Mondes ausglich, böte dieGewähr für einen ständigen Strahlbeschuß.

Atlan hatte die Automatikdaten überprüft. Siewaren richtig. Also flog er jetzt dicht über derOberfläche und von Süden kommend auf denNordpol zu. Seine Geschwindigkeit betrug nochzweihundert Kilometer pro Sekunde. Das war schnellgenug, um eine horizontbegrenzte Ortungüberraschend zu durchbrechen.

Das Schiff befand sich im freien Fall. Hier und dazündeten die oberen Bugdüsen, um den in den Raumhinausstrebenden Schiffskörper wie gewünscht imOrbit zu halten.

Drei Minuten nach dem Beginn des Zielanflugessprach die Energieortung an. Atlan krümmteunwillkürlich die Schultern nach vorn, als er dieblaue Wellenlinie bemerkte. Fast gleichzeitigverspürte er wieder die Kopfschmerzen. Siesteigerten sich, je näher er dem Polgebiet kam.

Kasom begann zu schreien. Er umklammerteseinen Kopf und ließ sich nach hinten fallen.Stöhnend lag er auf dem Boden.

Nochmals eine Minute später läuteten dieMassetaster. Sie hatten mehrere metallische Objekteentdeckt. Die Energiepeiler fielen ebenfalls ein. Dort

unten liefen schwere Atomreaktoren.Von da an geschah alles blitzschnell. Atlan hatte

keine Zeit mehr, sich um die verschiedenen Anzeigenzu kümmern. Er riß die Maschine hoch und drücktesie sofort wieder nach unten.

Im Winkel von fünfundvierzig Grad raste er aufdie nun klar erkennbaren Objekte zu. Es handeltesich um mehrere langgestreckte Gebäude, dieanscheinend zum größten Teil unter dem Bodenlagen. Atlan sah nur die Dächer mit denLuftschleusen. Darin konnte der Strahler nichtstehen.

Weiter rechts, fast genau auf dem Pol gelegen,entdeckte er jedoch eine riesige Kuppel. DieStahlwände reflektierten das Sonnenlicht so stark,daß die Außenbeobachtung die Filter vorschaltete.

Diese Kuppel, sie war fast achtzig Meter hoch,nahm Atlan als Ziel. Er bekam kein Feuer. Wenn esda unten denkende Menschen gab, dann waren siejetzt vor Überraschung erstarrt. Wie lange würden siees bleiben?

Das Triebwerk begann wieder zu arbeiten. Nochschneller raste die Space-Jet auf das Ziel zu. DieMeßskalen der Ortung liefen mit. Als dieTausendkilometer-Marke erschien, drückte Atlan aufden Feuerknopf.

Ein fürchterliches Dröhnen erschütterte das Schiff.Eine glutende Energiebahn schoß aus derFeldmündung hervor, eilte dem Schiff voraus undschlug am Fuß der Kuppel ein.

Atlan konnte nur noch dreimal feuern, ehe er dieSpace-Jet auffangen und hochziehen mußte.

Weit unter ihm kochte der Boden VerheerendeExplosionen zerfetzten die in Rotglut stehendeKuppel. Die Bruchstücke wurden mit solcher Gewaltdavongeschleudert, daß sie dieFluchtgeschwindigkeit des Mondes überschritten undin den freien Raum hinausrasten.

Zehn Minuten später meldete sich die CREST.Perry Rhodan war am Hyperkomgerät. Er war völligverstört.

»Atlan, wenn ich weiß, was das alles bedeutensoll, dann ...!«

»Mache dir nichts daraus«, unterbrach derArkonide. »Du hattest für den Zeitraum von fastsieben Wochen vergessen, wer du bist. Was machtdie Besatzung des Schiffes?«

»Das ist es ja eben! Die Männer kommen imhöchsten Grade verwundert aus allenHimmelsrichtungen anmarschiert. Sie sehen aus wie...«

»... wie Wilde, natürlich! Sie waren auch Wilde.Öffne ruhig die Bodenschleuse. Folgendes istgeschehen ...!«

Atlan wiederholte seinen Bericht. Rhodanschüttelte nur noch den Kopf.

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»Der Emotiostrahler ist vernichtet oder wenigstensso schwer beschädigt worden, daß er nicht mehrarbeitet. Ihr habt eine halbe Stunde gebraucht, umden Schock zu überwinden. Schicke einen Mann miteinem Flugwagen aufs Meer hinaus. Ich habe denLeuten des Rotstreifenvolkes eine Belohnungversprochen.«

»Selbstverständlich«, entgegnete Rhodanerschüttert. »Was soll er sagen?«

»Er wäre ein Diener des Blitzgottes, der jetzt nichtmehr persönlich kommen könnte. Mein Sohn wäregerettet. Ich ließe ihnen vielmals für die Hilfedanken. Gib den Männern erstklassige Werkzeugefür die Holz- und Metallbearbeitung.«

»Ich lasse ein Geschenksortiment fürPrimitivwelten zusammenstellen. Wir sindentsprechend ausgerüstet. Oh, soeben erscheint KorsDantur. Er ist außer sich.«

»Kein Wunder. Jetzt möchte ich nur noch wissen,weshalb er auf Stup - ich habe den Planeten sogenannt - gelandet ist.«

»Moment. Ich erkundige mich.«Atlan verfolgte die Unterhaltung zwischen den

beiden Männern. Es war alles sehr einfach gewesen.Dantur hatte die Emotiostrahlung geortet. Da er

vor Rhodans Abflug den Befehl erhalten hatte, sichum ungewöhnliche Dinge zu kümmern, war er raschzum zweiten Planeten des Beauly-Systems geflogen.Er war gelandet, nachdem er mit den Massetasterndie verlassene Stadt geortet und danach optischbeobachtet hatte. Dann hatte fast schlagartig dieStrahlung zu wirken begonnen. Die Männer hattenihr Schiff verlassen.

»Ein furchtbarer Fehler, Sir«, erklärte Danturerregt. »Sind Sie wirklich durch den Geisteskrankenauf uns aufmerksam geworden?«

Atlan nickte.»Kümmern Sie sich um ihn. Wenn er nicht

gewesen wäre, hätte man die CREST wahrscheinlichbesetzt. Ich bin auch nur deshalb hineingekommen,weil ich es vorzog, einen Abgesandten derterranischen Wühlmäuse zu spielen. Dantur - ichhabe verzweifelt gepiepst!«

Kasom begann zu lachen. Es war das erste froheGelächter seit fast sieben Wochen.

Während die Space-Jet auf den Planeten zuflog,informierte Perry Rhodan die Besatzung über dieVorfälle. Es stellte sich jetzt erst heraus, daß esVerluste gegeben hatte.

Acht Mann waren durch Raubtiere undStreitigkeiten untereinander getötet worden. Diezahlreichen Verletzten mußten sich sofort in ärztlicheBehandlung begeben.

Als Atlan ankam und die Jet eingeschleust wurde,stand Rhodan mit den führenden Offizieren desSuperschlachtschiffes im Bootshangar. Atlan grüßte

stumm. Der Reihe nach sah er die Männer an.»Nun, Sie scheinen ja wieder normal zu sein«,

stellte er fest. »Meine Herren, wenn Sie sich gesehenhätten, wäre Ihnen vor Ihnen selbst angst geworden.Denken Sie aber jetzt nicht darüber nach. Ein Bad,eine gute Rasur und frische Uniformen werden Siewieder zu Menschen machen. Was sagen dieMediziner?«

Der Chefarzt antwortete über dieBordverständigung.

»Alles in Ordnung, Sir. Die Symptome klingen ab.Hier und da klagt noch jemand über Kopfschmerzen.Die Individuen haben verschieden stark auf dieStrahlung reagiert. Das ist eine teuflische Waffe.«

Eine halbe Stunde später meldete sich der jungeOffizier, der das Rotstreifenvolk mit einemFlugwagen gesucht und auch gefunden hatte.

»Die Nomadenfahrer sind nach wie vor verdummt,Sir«, berichtete er. »Ich nehme an, daß sie derStrahlung zu lange ausgesetzt waren. Vielleichtgewinnen sie nie mehr ihr früheres Wissen zurück.Sie haben sich überschwänglich bedankt. Ich habeihnen eine betriebsklare Dampfmaschine inKleinformat überbracht, dazu gute Werkzeuge,Kunststoff für Segel und Kleidungsstücke und eineAnleitung für primitive Chemie. Damit können sieetwas anfangen. Dieser Osak ist ein älterer Mann. Ichvermute stark, daß er früher Ingenieur war. Erinteressierte sich lebhaft für die technischen Dinge.Am meisten hatte es ihm ein Gewindeschneiderangetan. Die Funktion der Jagdgewehre hat er auchsehr schnell verstanden. Er will Pulver herstellen,Blei schmelzen und die leergeschossenen Hülsenerneut laden. Ich habe ihm noch einen Kasten mitZündern gebracht.«

Atlan war zufrieden. Ohne die Männer desRostreifenvolkes wäre das Unternehmen negativausgegangen.

8.

Die CREST war fünf Minuten nach der Rückkehrdes Untersuchungskommandos gestartet. Die Zeitwar zu kurz gewesen, - um genau feststellen zukönnen, wann die Siedlung aufgegeben worden war.Diesbezügliche Nachforschungen hatten auch nochZeit.

Der Urwald entlang des Raumhafens stand inFlammen. Kors Dantur hatte bei demAbhebemanöver keine Rücksichten genommen.Stupos waren ohnehin nicht in der Nähe.

Die Besatzung der CREST fühlte sich gedemütigt.Rhodan hatte scharfe Verweise erteilen müssen, sonsthätten die Männer den Stützpunkt mit noch wilderemZorn angegriffen, als es ohnehin schon geschah.

Das Superschlachtschiff hing bewegungslos über

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den flachen Kuppeln und langgestrecktenBauwerken, die bereits Atlan flüchtig erkannt hatte.Die hohe Kuppe mit dem Emotiostrahler war völligvernichtet worden. Dort, wo sie gestanden hatte,klaffte ein riesiger Krater.

Zwei Kaulquappen der CREST waren unterwegs,um die beiden Kleinraumschiffe zu stellen, die kurzvor der Ankunft über dem Mond geflohen waren.

Das erste Boot war bereits abgeschossen worden.Als Rhodan das Feuer eröffnen ließ, wurde daszweite am Rand des Sonnensystems vernichtet.

Die riesigen Kraftstationen der CREST liefen mithöchster Leistungsabgabe. Sie versorgtenausschließlich die dreifach gestaffeltenEnergieschirme, in denen das Abwehrfeuer derUnbekannten aufgefangen und absorbiert wurde.

Kilometer Entladungen schossen aus dem Feldhervor, wenn wieder eine der hervorragend gezieltenSalven einschlug. Die Geschütze der Unbekanntenwaren aber zu schwach, um ein Riesenschiff vonRang der CREST gefährden zu können. DieSchirmkapazität wurde nur zu knapp dreißig Prozentbeansprucht.

Rhodan wartete in aller Ruhe die Entwicklung ab.Drei der Forts, aus denen das Energiefeuerhervorbrach, waren bereits zerstört worden. Mehrund mehr glutflüssige Krater entstanden auf derOberfläche des kleinen Mondes.

Rhodans Funkanrufe und Warnungen waren nichtbeantwortet worden. Niemand schien an eineKapitulation zu denken, obwohl die Kampfkraft desSuperschlachtschiffes auch von den Fremden alshoch überlegen erkannt worden sein mußte. Sieschossen mit dem Mut der Verzweiflung.

Kors Dantur hatte sich persönlich in dieFeuerleitzentrale begeben, damit seine erbostenMänner nicht auf alle erreichbaren Feuerknöpfedrückten. Rhodans Befehl lautete, grundsätzlich nurmit einem mittelschweren Thermogeschütz jeneGebäude unter Feuer zu nehmen, die klar als Fortserkennbar waren.

Die Kugelzelle erbebte unter einem Abschuß.Zwanzig Kilometer tiefer schlug die Geschoßbahnein. Wieder erzitterte das Land. Eine weitereWaffenkuppel wurde zerrissen.

»Feuer einstellen«, ertönte Rhodans Stimme ausallen Lautsprechern. »Oberst Dantur, lassen Siedreihundert Kampfroboter ausschleusen, dazuzwanzig Schwebepanzer mit Männern desLandekommandos. Heben Sie dieses Nest aus.«

Die Roboter und Panzer schwebten im Schutz ihrerAntigravfelder nach unten. Zwei fahrbare Batterien,die man bisher nicht entdeckt hatte, eröffneten einpausenloses Abwehrfeuer. Der Kommandant derCREST verlor die Geduld und ließ eine Salveschießen.

Diesmal schien unter dem Schiff der Mondzerplatzen zu wollen. Der Atomschlag beseitigte dieletzten Widerstandsnester.

Die Roboter landeten auf einer Trümmerwüste. Siedrangen in die zahlreichen Öffnungen ein undbegannen getreu nach ihrer Fernlenkprogrammierungmit der Durchsuchung der Untergrundanlagen.

Rhodan wartete geduldig. Atlan und Kors Danturstanden neben ihm. Die Berichte derPanzerbesatzungen waren wenig zufriedenstellend.Die Einrichtungen der Forts waren alltäglich.Maschinenanlagen und sonstige Geräte deuteteneinwandfrei darauf hin, daß ihre Erbauer zweiarmigwaren und auch zwei Hände besitzen mußten. Alsowaren sie humanoid.

»Oh!« sagte Atlan, »humanoid! Sieh einer an. Ichhätte es mir beinahe denken können. DasAbwehrfeuer deutete schon darauf hin. Hier sind guteTechniker am Werk. Rufe deine Besatzung zurück,Freund. Ich habe das Gefühl, als würden die da untenbis zum bitteren Ende kämpfen, wenn wir nichtandere Maßnahmen ergreifen. Versuche es einmalmit den Narkosestrahlern der Posbis. Wenn man indem Stützpunkt keine Absorberhelme besitzt, könnenwir die Überlebenden mühelos einsammeln.«

Die Panzer fuhren zurück. Die Roboter blieben inden Bauwerken.

Die CREST streute das Gelände fünf Minuten langmit N-Schauern ab. Danach stiegen diePanzerbesatzungen aus. Weitere zweihundert Mannfolgten mit Raumanzügen und Individualortern.

Eine knappe Stunde später entdeckte LeutnantGalogen drei reglose Gestalten. Sie lagen vor denSchleusentoren eines weitentfernten Notausganges.Anscheinend hatten die Fremden versucht,unbemerkt ins Freie zu entkommen.

Leutnant Galogen meldete sich über Telekom.Sein Gesicht war schweißbedeckt.

»Das sind Menschen, Sir!« erklärte erübergangslos.

»Was ...!« antwortete Rhodan so gedehnt, daß sichAtlan ein ironisches Lächeln nicht verkneifen konnte.Er erinnerte sich an die Warnungen, die er demFreund an Bord der MAJORI erteilt hatte.

»Menschen, sagen Sie? Irren Sie sich auch nicht,Galogen? Sehen Sie sich die Männer genau an. Eswerden wohl Arkoniden oder Akonen sein.«

»Ausgeschlossen, Sir«, behauptete der Leutnant.»Ich kenne die Unterschiede sehr gut. Das sindTerraner oder Kolonistennachkommen, Sir! Undjung! Die Raumanzüge sind aus einem transparentenMaterial gefertigt. Ich kann darunter Uniformenerkennen.«

»Uniformen?« Rhodan wurde immer ungläubiger.Leutnant Galogen lachte grimmig auf.»Jawohl, Sir, genau das. Sie tragen blaue,

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enganliegende Kombis mit Rangabzeichen. Unterdem Herzen leuchtet ein rotes V. Unübersehbar, Sir.Ich habe diese Uniformen noch nie gesehen, das Vam allerwenigsten. Die Männer sind noch bewußtlos.Soll ich sie zum Schiff bringen lassen?«

»Tun Sie das. Schnell. Ende. Vielen Dank fürIhren Bericht.«

Die anderen Suchkommandos hatten keinenErfolg. Anscheinend hatten nur die drei Flüchtlingeden letzten Feuerschlag überstanden.

Der Chef der mathematischen Abteilung ließ sichmelden. Er erklärte formlos:

»Sir, die Auswertung über die Geschehnisse istteils eindeutig, teils undurchsichtig. Ich halte es fürmöglich, daß die Besatzung dieser Geheimstationeinen Notruf abgestrahlt hat, auch wenn wir ihn nichtaufgefangen haben. Die Schiffe, die von denKaulquappen abgeschossen wurden, kamen nichtmehr zum Funken. Wohl aber könnte es von hier ausgeschehen sein, als wir noch geistig umnachtetwaren. Oder haben Sie, Sir, ununterbrochen denHyperempfänger der Space-Jet kontrolliert?«

Atlan schüttelte den Kopf. Nein, dazu hatte erkeine Zeit gehabt.

Der Kybernetiker ging. Rhodan wurde nochunruhiger. Er ordnete wieder erhöhteGefechtsbereitschaft an und ließ einenverschlüsselten Rafferspruch an dasFlottenkommando des Imperiums auf Terraabstrahlen. Noch ehe die drei Gefangenen eintraten,lief die Antwort von Reginald Bull ein. RhodansStellvertreter teilte mit, er würde mit einemForschungsschiff aufbrechen. Kors Dantur ließ nochdie genaue Position von Beaulys Stern durchgeben.Dann schwieg die CREST wieder.

Eine halbe Stunde später meldete sich LeutnantGalogen in der Zentrale. Die führenden Männer desSchiffes hatten sich eingefunden.

»Sie sind erwacht, Sir. Überraschend schnell,möchte ich sagen.«

»Und? Was sagen sie aus?«Galogen erlaubte sich ein Lächeln. Es war aber ein

grimmiges Lächeln.»Aussagen? Kein Wort, Sir. Sie benehmen sich

überhaupt sehr eigenartig. Man könnte meinen, manhätte es mit arroganten Aristokraten desvorkosmischen Zeitalters zu tun. Außerordentlichvornehm, Sir. Die Burschen, die sich über ihreVerbrechen durchaus nicht im klaren zu seinscheinen, geben sich so, als wären wir dieGefangenen und sie die Sieger.«

Rhodan schaute sich im Kreise der Wissenschaftlerum. Kasom ersuchte:

»Überlassen Sie mir die Häftlinge für eineViertelstunde, Sir. Dann werden sie reden!«

Rhodan warf dem Riesen einen verweisenden

Blick zu.»Sie befinden sich nicht mehr an Bord der OSAK,

Spezialist Kasom. Diese Männer haben sich gegendie Gesetze des Imperiums vergangen, und siewerden dafür angemessen bestraft werden. Diemeisten von ihnen sind bereits bei ihrem sinnlosenWiderstand umgekommen. Beaulys System gehörtzum Imperium. Hier haben wir zu richten. Wir habenaber nicht das Recht, Überlebende einerKampfhandlung zu quälen. Das hatten Sie doch wohlvor, oder?«

Melbar Kasom sah scheinheilig zu Boden, seinSchweigen besagte alles.

Die drei Gefangenen betraten nebeneinander dieZentrale.

Als sie den Ertruser erblickten, stutzten sie für eineSekunde. Dann blieben sie stehen.

Kasom musterte sie von oben bis unten. Sie warengroß, schlank, durchtrainiert und wahrscheinlicherstklassig ausgebildet. Sie gehörten fraglos zu einerElitetruppe.

Ihre blauen Uniformen waren kleidsam und dochäußerst zweckmäßig. Breite Kombinationsgürtelumspannten ihre Hüften. Die Waffentaschen warenleer. Auf den Brustteilen ihrer Uniformen trugen sieje ein rotleuchtendes V, das bereits Leutnant Galogenbemerkt hatte. Die Raumanzüge hatte man ihnenabgenommen.

»Sind Sie der Kommandant?« erkundigte sicheiner der Fremden. Er sprach ruhig und beherrscht.Aufmerksam sah er sich um. Eine Narbe zog sichüber seine Nase hinweg.

Sie waren nicht nur humanoid, sondern sie warenMenschen! Rhodan bemerkte auf den ersten Blick,daß er es weder mit Arkoniden, Springern oderAkonen zu tun hatte.

Ein Mediziner ging an den Gefangenen vorbei.Wortlos überreichte er Rhodan einigeRöntgenaufnahmen. Atlan beugte sich über dieFolien. Der Bau der Sklette und die Anordnung derOrgane war noch eindeutiger, als der äußereEindruck. Sie waren Menschen!

Rhodan bewahrte nur mühevoll seine Fassung.War es schon soweit? Hatte Atlan mit seinerWarnung noch untertrieben? Begannen die vonausgewanderten Terranern abstammenden Kolonistenjetzt schon mit der offenen Auflehnung gegen dasSternenreich? Oder hatte man es tatsächlich nur mitKriminellen zu tun, die mit Hilfe einer unbekanntgebliebenen Erfindung versuchen wollten, einigeWelten für sich zu erobern? Weshalb aber? Um sieauszubeuten? Dazu gehörte eine Flotte.

Rhodan wartete, bis sich seine Erregung gelegthatte. Zu diesem Zeitpunkt erkundigte sich dernarbige Fremde.

»Verzeihen Sie, Sir. Darf ich nochmals fragen, ob

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Sie der Kommandant dieses Schiffes sind?«»Wenn hier jemand fragt, dann sind wir es«,

entgegnete Melbar Kasom. Er hatte absichtlich etwaslaut gesprochen. Die Gefangenen reagierten nichtdarauf. Nur der mit der Narbe zeigte einüberlegen-nachsichtiges Lächeln.

»Wenn Sie meinen - bitte sehr. Was können wirfür Sie tun?«

Kasoms Augen verengten sich. Er schaute zuRhodan hinüber. Atlan ergriff das Wort.

»Treten Sie näher. Kasom, Sie bleiben hinter denGefangenen.«

»Wir werden Ihnen bestimmt nichts tun, Sir«,entgegnete der Sprecher verbindlich. Rhodan holtetief Luft. Atlan verzog keine Miene.

»Es wird sich noch herausstellen, wer wem etwastut. Dieser Mann ist Perry Rhodan, derGroßadministrator des Vereinten Imperiums. DenNamen kennen Sie doch, oder?«

Einer der Fremden verfärbte sich etwas. Derzweite konnte seine Überraschung nicht ganzverbergen. Der mit der Narbe hustete plötzlich. Dannhatten sie sich wieder gefangen.

»Selbstbeherrschung ist die Zierde des Mannes«,spöttelte der Arkonide. »Ich bin übrigensLordadmiral Atlan, Oberbefehlshaber der USO.Eigentlich sollten Sie mich auch kennen.«

»Die Überraschungen nehmen kein Ende mehr,Sir«, entgegnete der Narbige leicht irritiert. »Ichbedaure es, daß wir über Ihre Anwesenheit nichtschon vorher informiert waren.«

»Dann hätten Sie wohl die CREST besetzt, wie?«Der Sprecher schwieg. Noch aufmerksamer sah er

sich in der Zentrale um.»Ein erstklassiger Schiff, Sir«, wich er aus. »Kein

Wunder, daß wir es nicht abschießen konnten. Ja, wirhätten dann sofort angegriffen. Unser Vorgesetzterwollte noch warten. Können wir damit dieUnterredung beenden?«

»Sie vergreifen sich erneut im Ton«, fiel Rhodanein. »Das ist keine Unterredung, sondern einVerhör.«

Der Fremde verneigte sich.»Wie Sie meinen, Sir. Trotzdem sollten wir es

beenden. Sie haben bereits alles erfahren, was Sieerfahren durften. Sie können uns nicht zur Aussagezwingen. Wir sind Angehörige regulärer Streitkräfte.Wir bitten darum, wie Kriegsgefangene behandelt zuwerden.«

Rhodan gewann seine Überlegenheit zurück. Erlachte.

»Sie machen mir Spaß, mein Herr. Wir habenkeinen Krieg geführt. Also sind Sie keineKriegsgefangenen. Dagegen haben wir aber einVerbrechernest ausgehoben. Sie sind demnach auffrischer Tat ertappte Kriminelle, die sich vor einem

Gericht des Imperiums zu verantworten haben.«»Wir protestieren in aller Form, Sir!« sagte ein

anderer Mann.Rhodan runzelte die Stirn.»Oh, ich verstehe. Sie sind der Auffassung, wir

besaßen nicht das Recht, Sie zu verhaften und vor einAllianzgericht zu stellen?«

»Das meinen wir, Sir.«»Dann darf ich Sie darüber aufklären, daß dieses

Sonnensystem zum Vereinten Imperium gehört. Siehaben die eingeborene Bevölkerung des zweitenBeauly-Planeten durch die Einwirkung einesEmotiostrahlers verdummt. Wir selbst sind Ihnenbeinahe zum Opfer gefallen. Acht Soldaten desImperiums mußten ihr Leben lassen. Glauben Sieimmer noch, wir besäßen nicht das Recht, Sie zubestrafen?«

Die drei Unbekannten schwiegen.Rhodan lehnte sich zurück und schlug die Beine

übereinander.»Schön, dann können wir ja zur Sache kommen

Die Formalitäten dürften erledigt sein. DieAnklageschrift wird Ihnen später zugestellt. Ichmöchte nun von Ihnen wissen, wer Sie sind, woherSie kommen und wem Sie unterstehen. Sie sind dochSoldaten, nicht wahr?«

Die Fremden schwiegen weiterhin. Der mit derNarbe sah sich wieder in der Zentrale um.

Kasom kam näher, bis sein Atem den Nacken derGefangenen streifte. Er bettelte mit den Blicken.Atlan schüttelte kaum merklich den Kopf.

»Ihre Warmluftgebläse arbeiten etwasunregelmäßig, Sir«, meinte einer der Gefangenen.

Kasom hielt den Atem an. Der Zorn verfärbte seinGesicht.

»Treten Sie bitte zurück, Spezialist Kasom«,ordnete Rhodan an. Er ahnte, daß er so nichtweiterkam.

»Wollen Sie mir wenigstens Ihren sogenanntenmilitärischen Rang nennen?«

»Nein, ich bedaure«, lächelte der Narbige.»Vielleicht finden Sie es selbst heraus.«

Rhodan ließ sich nicht mehr verblüffen.»Sie sind menschlich, meine Herren. Sie stammen

von terranischen Kolonisten ab. Wir werden sehrschnell feststellen, von welchem der zahlreichenPlaneten Sie kommen. Es gibt immerumweltgeformte Charakteristika.«

»Wir zweifeln nicht daran, Sir.«»Was wollten Sie mit der Verdummung der

Eingeborenen erreichen?«»Verdummung? Wir verstehen Sie nicht, Sir. Kein

Wort, oder?«Der Narbige sah seine Kameraden an. Es waren

anscheinend seine Untergebenen. Sie verneigten sichverbindlich.

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»Ihr kaltschnäuzigen ...!«»Ruhe bitte«, sagte Atlan scharf. Kasom

verstummte. Wütend schritt er zu Kors Danturhinüber und stellte sich neben ihn. Der Kommandantzuckte mit den Schultern.

Rhodan schaute auf seine Finger nieder. Sie warennoch rissig und zerschunden.

»Sie wollen unter keinen Umständen sprechen,nicht wahr?« fragte er leise.

Die Fremden lächelten nur. Sie gaben die Haltungvon Siegern nicht auf. Atlan fühlte sich plötzlichnicht mehr wohl. Er dachte an die Warnung desKybernetikers. Wenn durch seinen, Atlans,Überraschungsangriff die Funkstation nicht sofortzerstört worden war, dann hatte man bestimmt nocheinen Notruf ausgeschickt.

Rhodan winkte den Chef der Funkzentrale heranund flüsterte ihm ins Ohr:

»Rufen Sie nochmals Reginald Bull an. Er sollunter allen Umständen einen Telepathen, oder aucheinen Suggestor mitbringen. Am besten denMausbiber Gucky. Wenn sich die betreffendenMutanten im Einsatz befinden, sofort zurückrufen.Notstandsbefehl. Alle anderen Angelegenheiten sindzurückzustellen. Teilen Sie Mr. Bull mit, ich würdehier auf ihn warten. Verschlüsseln und raffen Sie denSpruch. Höchste Richtstrahlkonzentration.«

Der Offizier ging. Die Gefangenen warfen ihm nureinen Blick nach. Sie brachen ihr Schweigen nicht.

Rhodan erhob sich.»Beenden wir das Verhör, meine Herren. Nein, ich

hatte die Offiziere meines Schiffes gemeint!« fügte erhinzu, als der Narbige ironisch die Lippen verzog.Rhodan hatte noch ironischer gesprochen. DasGesicht des Fremden spannte sich wieder.

Rhodan ging auf ihn zu und blieb vor ihm stehen.»Sie bilden sich doch wohl nicht ernsthaft ein, Ihr

Schweigen wäre sinnvoll? Sie verstricken sich immertiefer in Unannehmlichkeiten, die Ihnen wohllebenslängliche Zwangsarbeit auf einemWüstenplaneten einbringen werden. Bereiten Sie sichmittlerweile seelisch darauf vor. Die Anklage wird inihren Hauptpunkten auf bewaffneten Widerstandgegen die Staatsgewalt und verbotene Experimentemit verbrecherischen Absichten lauten. Sehen Siedahingehend klar?«

Jetzt war es Perry Rhodan, der ein Lächeln zeigte.»Abführen«, befahl er.Leutnant Galogen trat mit vier Bewaffneten näher.»Handschellen anlegen!« ordnete Rhodan an. Er

lächelte auch noch, als sich das Gesicht des Narbigenrötete.

»Nein, Mr. Unbekannt, schweigen Sie besser auchjetzt Ich weiß wohl, daß Sie meine letzte Anordnungfür ehrenrührig halten. Darf ich Sie nochmals daraufaufmerksam machen, daß Sie nach dem Gesetz nicht

als Kriegsgefangener, sondern als Verbrecher gelten?Verbrechern legt man jedoch Handschellen an.«

»Es tut mir leid, nicht mit meinen Kameradengefallen zu sein«, erklärte der Narbige.

Rhodan stieß einen Seufzer aus.»Sie lernen es auch nie. Soldaten können fallen,

gewiß! Mordbuben werden erschossen, wenn sieWiderstand leisten. Sie wären also bestenfallserschossen worden. Sehen Sie das ein?« DieGefangenen antworteten nicht. Schweigend ließen siesich abführen.

»Kaltschnäuzig, überheblich und beklemmendsiegessicher! Dazu diszipliniert, beherrscht undintelligent. Gefährliche Gegner, mein Freund! Ich binüberhaupt der Auffassung, daß die menschlicheRasse nur einen Feind zu fürchten hat, und das ist derMensch. Hüte dich vor den Deinen, Terraner!Kümmere dich mehr um die Angehörigen deinesVolkes. Die Fremden gehorchen dir ohnehin nichtmehr - auch wenn sie den Anschein zu erweckenversuchen. Das ist beinahe noch gefahrbringender.Denke an meine Worte, Perry. Beherzige sie, ehe eszu spät ist. Für Terra bleibt nur der planmäßigeRückzug aus den Interessengebieten derAllianzvölker übrig. Stärke deine eigene Position undnichts als deine eigene Position! Hörst du?«

»Ich höre, Arkonide«, entgegnete Rhodan leise.Wie verloren sah er zu den leuchtenden Bildschirmendes Superschlachtschiffes hinüber. Sie zeigten nochden verwüsteten Polsektor des kleinen Stup-Mondes.

Ein Wissenschaftler bat um Gehör.»Ich möchte vorschlagen, Sir, die Erkundung

dieser Anlagen erst dann einzuleiten, wenn einForschungsschiff des Experimentalkommandoseingetroffen ist. Die Hilfsmittel eines Kriegsschiffessind außerordentlich beschränkt. Dagegen würde esdie wissenschaftliche Besatzung sehr interessieren,wie sich die Eingeborenen von Beauly II verhalten.«

Rhodan stimmte zu. Die Landetruppen wurden anBord befohlen. Wenig später nahm die CREST Fahrtauf.

Als sie über Stup ankam, tauchten auch wieder diebeiden Kaulquappen auf, die zwei Feindfahrzeugeabgeschossen hatten.

Atlan bat die Kommandanten nach derEinschleusung zu sich. Zu dieser Zeit schwenkte dasSuperschlachtschiff auf eine enge Kreisbahn ein, diesie von Pol zu Pol führte. Der Urweltplanet drehtesich unter dem Schiff hinweg.

Atlan bot den Kommandanten derSechzig-Meter-Beiboote Plätze an.

»Sind Sie davon überzeugt, daß die beidenKleinraumschiffe keine Hyperfunksprüche mehrabgesetzt haben?«

Die Kommandanten waren nicht nur davonüberzeugt, sondern sie wußten es genau.

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»Dazu hatten sie keine Gelegenheit mehr, Sir«,erklärte Major Rodengo. »Wir waren ihnen so schnellauf den Fersen, daß die Besatzungen Besseres zu tunhatten, als Richtstrahler einzuschwenken und auf dieTasten zu drücken. Ich habe sofort das Feuereröffnet, als der Gegner den ersten Warnschußignorierte und seinerseits angriff. Das Schiffzerplatzte im ersten Feuerschlag der Grünseite.«Der zweite Befehlshaber hatte ähnlich gehandelt.Atlan entließ die Offiziere. Sinnend ging er in seinerKabine auf und ab. Kasom saß im Hintergrund.»Bleiben wir hier?« erkundigte er sich.»Vorerst ja. Ich bin neugierig auf dasMutantenverhör. Unter Umständen bringt Bull denMausbiber mit.«»Guck?« lachte der Ertruser. »Wir sind Freunde. Dasist eine schlaue, kleine Ratte, Sir.«»Das lassen Sie ihn aber besser nicht hören. IhreKörperkraft würde Ihnen nicht mehr viel nützen«,warnte Atlan. »Ich hoffe, daß er erreichbar ist. Wennnicht, muß ein anderer Mutant einspringen. Bull wirdalles versuchen. Es ist ein sträflicher Leichtsinn, diewertvollsten Mitarbeiter des Imperiums derart zuverstreuen, daß man sie im Notfall nur unterschwierigsten Umständen erreichen kann. Das mußaufhören.«»Es wird aufhören, Sir«, behauptete Kasom. »PerryRhodan hat sehr genau erfaßt, daß es ihm an denKragen geht. Für mich bedeutet es einen Festtag,wenn wir uns endlich auf die Lösung unserer eigenenProbleme konzentrieren können. Sollen die Fremdendoch zusehen, wie sie mit ihren Gegnern fertigwerden. Warum halten wir immer die Köpfe hin?

Was gehen uns die Streitigkeiten zwischen Akonenund Arkoniden an? Was haben wir mit denHerrschafts- und Monopolansprüchen derGalaktischen Händler und der Aras zu tun? Ich binviel mehr dafür, diesen Halunken auf die Finger zuklopfen, wenn sie ohne unsere Erlaubnis Handeltreiben.«Atlan lachte. Melbar Kasom hatte in unkomplizierterArt komplizierte Dinge beleuchtet. Aber er hatterecht. Es wurde Zeit, daß sich der Mensch auf sichselbst besann. Die Epoche der Kräftezersplitterungmußte beendet werden.Atlan schlief ein. Kasom entfernte sich leise undschloß die Kabinentür.Zwei Etagen tiefer befanden sich die dreiGefangenen.»Gefährlich!« dachte der Ertruser. »Du mußtaufpassen, kleiner Melbar! Sehr aufpassen!«Er ging in seine Kabine. Die CREST aber umkreisteeinen urweltlichen Planeten, auf dem langbärtigeSeefahrer auf einen weiteren Gunstbeweis derDämonen und Götter warteten.Die OSAK lief vor einer auflandigen Westbrise aufdie Küste zu. Der Anführer des Rostreifenvolkeshatte sich entschlossen, dort die neuen Gerätschaftenzu erproben. Auf hoher See wollte er es nicht wagen.Osak schaute häufig zum wolkenverhangenenHimmel empor. Wenn er es tat, bewegten sich dieHaare seines ockergelben Bartes. Dann lächelte er.Den Blitzgott Atlan würde er nie vergessen.

E N D E

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