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Zu einem 200. Geburtstag kann man nicht häufig gratulieren. Und doch gibt es kaum Gratulanten! Wo bleiben die Kerzen, wo die Geschenke? Schließlich ist es nicht irgendwer, der hier Geburtstag feiert, sondern ein ganzes Fach: die Dermatologie! Daß niemand den Geburtstag der Dermato- logie feiern will, hat verschiedene Gründe. Zum einen herrscht Unsicherheit bezüglich des Geburtstermins. Wenn aber von der Geburts- stunde der modernen Dermatologie die Rede ist, so kann nur das Jahr 1798 gemeint sein mit der Publikation von Robert Willans bahnbre- chendem Lehrbuch „Description and Treat- ment of Cutaneous Diseases“. Anhand der in diesem Werk vermittelten Grundsätze begann die morphologische Analyse der faszinieren- den Vielfalt kutaner Veränderungen. Das Interesse an der morphologischen Analyse von Hautveränderungen hat inzwischen aller- dings nachgelassen, an den Universitäten wird die klinische Dermatologie vielfach vernach- lässigt, während Spielereien wie der Haut-So- nographie oder Randbereichen wie der Kos- metik mehr Raum gegeben wird. Auch das ist ein Grund für fehlende Gratulanten: ein Man- gel an Interesse. Der Geburtstag der Dermato- logie wurde einfach vergessen! Der dritte Grund besteht darin, daß es für die Dermatologie ohnehin keine Geschenke gibt. Im Gegenteil: andere Disziplinen knabbern das Fachgebiet an, der Wert spezifischer Kompe- tenz wird in Abrede gestellt, und eine sinnvol- le Patientenbetreuung wird durch die enge Herzlichen Glückwunsch ! Nr. 4 II 1998 Zeitschrift des Zentrums für Dermatopathologie Freiburg Schriftleitung und redaktionelle Verantwortung: Wolfgang Weyers, Carlos Diaz, Imke Weyers, Susanna Borghi Druck: pronto Freiburg Inhalt: Zu diesem Heft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Was ist das ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bunt gemischt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Der besondere Fall: Anuläres Erythem des Kindesalters . . . . . . . . . . . . 5 Für Sie referiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Memories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Das ist es ! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Dermatologie einmal anders: Die klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Klinische Befunde - histopathologisch erläutert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Darstellung der Hauteffloreszenzen im Lehrbuch von Robert Willan – die ersten Abbildungen in einem Lehrbuch der Dermatologie.

Nr. 4Budgetierung immer schwerer. Erst kürz-lich wurde der Ver-such, die Dermato-logie als medizini-sches Prüfungsfach ersatzlos zu streichen, mit knapper Not ab-gewehrt. Für einen

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Page 1: Nr. 4Budgetierung immer schwerer. Erst kürz-lich wurde der Ver-such, die Dermato-logie als medizini-sches Prüfungsfach ersatzlos zu streichen, mit knapper Not ab-gewehrt. Für einen

Zu einem 200. Geburtstag kann man nichthäufig gratulieren. Und doch gibt es kaumGratulanten! Wo bleiben die Kerzen, wo dieGeschenke? Schließlich ist es nicht irgendwer,der hier Geburtstag feiert, sondern ein ganzesFach: die Dermatologie!

Daß niemand den Geburtstag der Dermato-logie feiern will, hat verschiedene Gründe.Zum einen herrscht Unsicherheit bezüglich desGeburtstermins. Wenn aber von der Geburts-

stunde der modernen Dermatologie die Redeist, so kann nur das Jahr 1798 gemeint sein mitder Publikation von Robert Willans bahnbre-chendem Lehrbuch „Description and Treat-ment of Cutaneous Diseases“. Anhand der indiesem Werk vermittelten Grundsätze beganndie morphologische Analyse der faszinieren-den Vielfalt kutaner Veränderungen.

Das Interesse an der morphologischen Analysevon Hautveränderungen hat inzwischen aller-dings nachgelassen, an den Universitäten wirddie klinische Dermatologie vielfach vernach-lässigt, während Spielereien wie der Haut-So-nographie oder Randbereichen wie der Kos-metik mehr Raum gegeben wird. Auch das istein Grund für fehlende Gratulanten: ein Man-gel an Interesse. Der Geburtstag der Dermato-logie wurde einfach vergessen!

Der dritte Grund besteht darin, daß es für dieDermatologie ohnehin keine Geschenke gibt.Im Gegenteil: andere Disziplinen knabbern dasFachgebiet an, der Wert spezifischer Kompe-tenz wird in Abrede gestellt, und eine sinnvol-le Patientenbetreuung wird durch die enge

Herzlichen Glückwunsch !

Nr. 4II 1998Zeitschrift des Zentrums fürDermatopathologie Freiburg

Schriftleitung und redaktionelle Verantwortung:Wolfgang Weyers, Carlos Diaz,Imke Weyers, Susanna Borghi Druck: pronto Freiburg

Inhalt:

Zu diesem Heft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Was ist das ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Bunt gemischt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Der besondere Fall:

Anuläres Erythem des Kindesalters . . . . . . . . . . . . 5Für Sie referiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Memories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Das ist es !. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11Dermatologie einmal anders:

Die klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 12Klinische Befunde -

histopathologisch erläutert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Darstellung der Hauteffloreszenzen im Lehrbuch von RobertWillan – die ersten Abbildungen in einem Lehrbuch derDermatologie.

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Budgetierung immerschwerer. Erst kürz-lich wurde der Ver-such, die Dermato-logie als medizini-sches Prüfungsfachersatzlos zu streichen,mit knapper Not ab-gewehrt. Für einenMenschen wären 200Jahre ein biblischesAlter – für eine wis-senschaftliche Diszi-plin gilt dies nicht.Dennoch liegt dieDermatologie mori-bund auf ihrem Kran-kenlager, und die lie-ben Verwandten ste-hen schon Schlange,um beim Erben dieersten zu sein. Wer weiß, wie lange es dieDermatologie noch geben wird? Wer weiß,wieviel vergessen werden muß, um über Jahrehinweg spektakulär wiederentdeckt zu wer-den? Bei solchen Perspektiven denkt man nichtgern daran, Geburtstag zu feiern! Aber: dieDermatologie wird 200 Jahre alt. Feiern wirtrotzdem!

Bunt gemischt

Kennen ist gut, Lernen ist wichtig, Kennen-lernen ist beides – wichtig, weil es hilft, einan-der besser zu verstehen, und gut, weil es Spaßmacht. Dies galt zumindest für zwei angeregteRunden in Bremen und Berlin, bei denen Imkeund Wolfgang Weyers Gelegenheit hatten, zueinigen Stimmen, die sie nur von der telefo-nischen Diskussion dermatopathologischerBefunde her kannten, auch den Rest desMenschen kennenzulernen. Gemütlich war eshier wie da, im „Theatro“ am Goetheplatz inBremen ebenso wie im „Bovril“ auf demKurfürstendamm in Berlin, und die Inhalte derGespräche waren weitläufig und wechselnd –vom persönlichen Hintergrund über besonderedermatopathologische Fragestellungen (wieMethoden der Schnittrandkontrolle) bis hin zurfachkundigen Analyse der dargebotenen Ge-richte und zur nicht minder fachkundigen Erör-terung aktueller Höhepunkte des Welt-geschehens (wie der Fußball-Weltmeister-schaft!).

Zwischen diesen beiden Treffen fand vom 19.bis zum 21. Juni in Lübeck ein Kongreß beson-derer Art statt. „History of Dermatopathology –Dermatopathology in History“ hieß der Titeleiner regionalen Tagung der InternationalSociety of Dermatopathology, die von derLübecker Hautklinik (H.H. Wolff, M. Tronnier)in Zusammenarbeit mit dem Institut für Ge-schichte der Medizin (D.v. Engelhardt) organi-siert wurde.2

Was ist das?

Auch Bremen ist eine Reise wert: Imke und Wolfgang Weyers zusammen mit Sabine Richter,Sabine Bruchmüller-Jung und Ursula Hill (Mitte, v. l. n. r.)

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In achtzehn Vorträgen ginges um den Wandel vonKrankheitskonzepten, dieEntwicklung diagnostischerTechniken und um Lebenund Werk bedeutender Der-matologen und Pathologen.So berichtete Jean Civatte(Paris) über Jean Darier undseinen bleibenden Einflußauf die Dermatopathologie,Manfred Uerlich (Bonn)schilderte die Entwicklungder Immunhistochemie,Wolfgang Weyers (Freiburg)gab einen Abriß über die Ge-schichte der deutschen Der-matopathologie (von denHöhepunkten zu Beginn des20. Jahrhunderts über denZusammenbruch im Nationalsozialismus bishin zum schleppenden Neubeginn in der Nach-kriegszeit) und Manfred Goos (Essen) stellteunterschiedliche Lymphomkonzepte in ihrerhistorischen Entwicklung dar („Von denRetikulosen zu den Hautlymphomen“). DasVortragsspektrum umfaßte darüberhinausBeiträge zu Paul Langerhans, Friedrich Merkel,Ernst Kromayer und Friedrich Wegener, zurEntwicklung von Molekularbiologie undTelemedizin sowie zur Geschichte von Akne,Alopezie, melanozytären Naevi und bullösenDermatosen – im Ergebnis ein anregendes undunterhaltsames Potpourri, wie es auf medizini-schen Kongressen nur selten geboten wird.

Bereits einen Monat zuvor – vom 15. bis zum17. Mai – fand in Graz die gemeinsame Jahres-tagung der deutschen und der österreichi-schen Gesellschaft für Dermatopathologiestatt. Zentrales Thema der von Prof. H.-P. Soyergeleiteten Veranstaltung waren pseudomaligneErkrankungen.

Was sind pseudomaligne Erkrankungen? A.Bernard Ackerman vom Zentrum für Dermato-pathologie Freiburg gab in seinem einführen-den Vortrag die ursprüngliche Definition durchGottron wider, nach der Erkrankungen dann alspseudomaligne bezeichnet werden, wenn sieklinisch und biologisch gutartig sind, histopa-thologisch jedoch maligne Neoplasien vortäu-schen. Der Begriff „pseudomaligne“ reflektiertalso die Unfähigkeit von Histopathologen, gut-artige Veränderungen als solche zu erkennen.Glücklicherweise ist Unfähigkeit nicht festge-schrieben – der Mensch kann lernen! Und sowerden Erkrankungen, die zunächst als maligneund dann als pseudomaligne eingestuft wur-

den, heute ohne weiteres als gutartig erkannt.Der Grund sind verbesserte Kriterien für diehistopathologische Diagnose. Insbesonderewurden zytologische Kriterien, die früher ganzim Vordergrund standen, durch architektoni-sche Charakteristika (wie Symmetrie undBegrenzung) ergänzt. Bestes Beispiel ist derSpitz-Naevus, der heute – von wenigenAusnahmen abgesehen – kaum diagnostischeProbleme aufwirft und deshalb nicht mehr alspseudomaligne gelten kann. Umgekehrt wardie Entwicklung bei einigen Tumoren, beidenen sich nicht das histopathologische Bild,sondern Klinik und Verlauf als trügerisch erwie-sen. So werden mehrere pseudomaligneErkrankungen der Vergangenheit, wie dasKeratoakanthom und die lymphomatoidePapulose, heute als prinzipiell maligne angese-hen. In jedem Fall ist die Kategorie der„Pseudomalignome“ einem stetigen Wechselunterworfen, und das liegt in ihrer Natur, dennsie ist eine „Pseudokategorie“.

Und doch wird es immer Krankheiten geben,die Gottrons Definition entsprechen, denn un-ser Wissen ist nie vollkommen. Auch modernewissenschaftliche Methoden können zur Klä-rung der Grenze zwischen Gutartigkeit oderBösartigkeit nur wenig beitragen. Zu denSchwierigkeiten, diese Grenze mit Hilfe vonKlonalitätsuntersuchungen festzulegen, nahmH. Höfler (Graz) Stellung. Zwar gebe es ver-schiedene Möglichkeiten, Neoplasien auf ihreAbstammung von einer gemeinsamen Mut-terzelle hin zu überprüfen, jedoch seien nichtnur maligne, sondern auch gutartige Tumorenmonoklonal, und selbst Hyperplasien ließensich nicht zuverlässig abgrenzen. So sei es mög-lich, daß nur eine bestimmte Zelle auf

Ein stolzer Tag im Leben des H.-P. Soyer: Als Tagungsleiter durfte er dem internatio-nalen Publikum den soeben erfolgten erstmaligen Gewinn der österreichischenFußballmeisterschaft durch Sturm Graz vermelden.

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Wachstumssignale anspreche und durch reakti-ve Proliferation zu einem monoklonalen Tumorführe, der sich zurückbilde, sobald dasWachstumssignal wegfalle. Ein solcher Mecha-nismus sei für manche als „MALT-Lymphom“klassifizierte Veränderungen anzunehmen, dienach Eradikation von Helicobacter pylori durchantibiotische Therapie rasch abheilen. Auchmonoklonale Infiltrate bei Hautkrankheiten(wie dem Lichen planus und der Pityriasis liche-noides) ließen sich so erklären. Ebenso schwie-rig ist der Versuch, durch Untersuchung spezi-fischer Gene oder Rezeptoren Rückschlüsseauf den Grad der Bösartigkeit einer Neoplasiezu ziehen. J. Smolle (Graz) rechnete vor, daßallein der CD44-Rezeptor, der mit der Fähigkeitzur Metastasierung in Zusammenhanggebracht werde, 20 Isoformen besitze, so daßfür eine komplette Analyse 220 (1.048.576)Untersuchungen erforderlich seien. Da derCD44-Rezeptor mit Sicherheit nur einer vonvielen Faktoren ist, die bei der Metastasierungeine Rolle spielen können, darf man sich vonUntersuchungen dieser Art nicht allzu viel ver-sprechen. Für die Abschätzung von Gutartigkeitoder Bösartigkeit werden auf absehbare Zeitdiejenigen Parameter am wichtigsten bleiben,die das biologische Verhalten einer Neoplasieunmittelbar widerspigeln, wie zum BeispielSymmetrie, Begrenzung, und Ulzeration alsAusdruck infiltrierenden und destruierendenWachstums.

In weiteren Vorträgen wurde auf „Pseudomalig-nome“ eingegangen, die inzwischen als fi-brosierende entzündliche Veränderungen (z.B.noduläre Fasziitis, Dermatofibrom), gutartigeNeoplasien (z.B. Spindelzell-Hämangiom) oderbösartige Neoplasien (z.B. verruköses Karzinom)aufgefaßt werden, und aufsolche, deren Dignität nachwie vor umstritten ist (z.B.„postirradiation angioma“).Ein weiterer Schwerpunktwar die Differentialdiagnosevon malignem Melanomund ungewöhnlichen mela-nozytären Naevi. MichaelTronnier (Lübeck) stellte er-ste Ergebnisse des histolo-gischen Zentralregistersder DDG für maligne Mela-nome vor. Auffällig war da-bei u.a die fehlende Über-einstimmung von Histopa-thologen hinsichtlich des Tu-mortyps: die ursprünglicheEinordnung wurde bei einerNachuntersuchung für das

SSM in 89%, für das ALM in 55%, für das NMin 43% und für das LMM in nur 23% der Fällebestätigt. Diese Befunde unterstreichen Zweifelan der Relevanz der etablierten Melanomtypenund aller auf ihnen basierender statistischerErhebungen.

Am Schlußtag der Kongresses in Graz wurdeein neuer Vorstand der ArbeitsgemeinschaftDermatologische Histologie (ADH) der Deut-schen Dermatologischen Gesellschaft gewählt,dem Helmut Wolff (Lübeck) als Vorsitzender,Rudolf Stadler (Minden) als 2. Vorsitzender,Arno Rütten (Friedrichshafen) alsGeneralsekretär und Bernhard Pfeiff (Lüden-scheid) als Schatzmeister angehören.

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Keine Pseudomalignome: die Schnitzelbrote in derMittagspause waren morphologisch von vorneherein als gut-artig zu erkennen.

Schnittseminar im Rahmen der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft DermatologischeHistologie in Graz.

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Ein 10jähriges Mädchen stellte sich mit nichtjuckenden, randbetonten erythematösen Pla-ques im Bereich des Jochbeins, am Hals und anden Handrücken vor. Einige dieserEffloreszenzen waren angedeutet kokardenar-tig. Bläschen oder Schuppung wurden nichtgesehen. Die Hautveränderungen waren imAlter von vier Jahren erstmals aufgetreten undseitdem mehrfach rezidiviert, wobei sie stetsauf lichtexponierte Hautpartien begrenzt blie-ben. Die Rezidive erfolgten seit vier Jahrenjeweils im Frühjahr und zusätzlich einmal imSeptember. Weitere Krankheitssymptome oderauffällige Laborwerte fanden sich weder beider Patientin noch bei ihren Eltern (insbeson-dere ergaben sich keine Anhaltspunkte für dasBestehen eines Lupus erythematosus). DieHautveränderungen zeigten unter externer Ste-roidtherapie eine leichte Besserung, persistier-ten jedoch über Wochen. Anschließend bilde-ten sie sich möglicherweise spontan zurück.

Histopathologisch sahen wir ein ausgeprägtesdermales Ödem sowie ein oberflächliches undtiefes, perivaskuläres und interstitielles Infiltrat,dem neben Lymphozyten und Histiozyten auchzahlreiche eosinophile und neutrophile Granu-lozyten angehörten. Die Eosinophilie sprachim Zusammenhang mit dem klinischen Befundund dem Alter der Patientin für die Diagnoseeines anulären Erythems des Kindesalters.

Das anuläre Erythem des Kindesalters wurdeerstmals 1981 von Paterson und Jarratt beieinem ansonsten gesunden, 3 Monate altenSäugling beschrieben, der über 8 Monate hin-weg rezidivierend anuläre urticarielle Plaquesentwickelte, die sich jeweils innerhalb weni-ger Tage wieder zurückbildeten. Inzwischenwurde über fünf weitere Fälle berichtet. DieKinder waren bei Erstmanifestation zwischensechs Wochen und vier Jahren alt und wiesenkeine zusätzlichen Krankheitszeichen auf. Dieeinzelnen Hautveränderungen heilten auchohne Therapie innerhalb von Tagen bisWochen ab, rezidivierten jedoch über Monatebis Jahre.

Der hier geschilderte Fall unterschied sich vonden Angaben in der Literatur durch die relativ 5

Der besondere FallAnuläres Erythem des Kindesaltersvorgestellt von Ulrich Vibrans (Offenburg) und Carlos Diaz(Freiburg)

Oberflächliche und tiefe, perivaskuläre und interstitielleDermatitis mit ausgeprägtem Ödem der papillären Dermis.

Frühe Entwicklungsstadien des anulären Erythems: Zwei suk-kulente erythematöse Plaques sowie ein größerer Plaques mitzentraler Abblassung und erhabenem, urtikariellem Randwall.

Im ödematösen Stratum papillare finden sich Lymphozytenund neutrophile Granulozyten.

Das Infiltrat ist im Stratum reticulare gleichmäßig verteilt undbesteht vornehmlich aus eosinophilen und neutrophilenGranulozyten.

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langen erscheinungsfreien Intervalle, das Auf-treten der Hautveränderungen in lichtexpo-nierten Arealen und die Rezidivneigung vorallem im Frühjahr. Lokalisation und Verlauf er-innerten an eine polymorphe Lichtdermatose,die jedoch aufgrund der Histopathologie aus-geschlossen werden konnte. Gegen weitereklinische Differentialdiagnosen wie Lupus ery-thematosus, Urtikaria, Erythema exsudativummultiforme, Erythema anulare centrifugum,Erythema anulare familiare oder Erythema mar-ginatum rheumaticum sprach histopathologischv.a. das dichte gemischtzellige Infiltrat.

Die Ursache desanulären Ery-thems des Kin-desalters ist un-bekannt und dieAbgrenzung vonanderen anulä-ren Erythemenaufgrund der ge-ringen Zahl bis-her publizierterFälle unsicher.Ebenso wie beimhier geschilder-ten Fall, demzweiten in derdeutschen Lite-ratur, sind auchbei den übrigenFällen Abwei-chungen imHinblick auf kli-nisches und hi-s topatholog i -sches Bild, Ver-lauf und thera-peutische Beein-flußbarkeit zuve rze i chnen .Diese deutendarauf hin, daßdas anuläre Ery-them des Kin-desalters mögli-cherweise nichtals spezifischeKrankheit, son-dern als hete-rogene Krank-heitsgruppe auf-zufassen ist, dienur durch wei-

tere Fallberichte genauer charakterisiert wer-den kann.

Literatur:Peterson AO, Jarratt M. Annular erythema of infancy. ArchDermatol 1981; 117: 145-148.

Hebert AA, Esterly NB. Annular erythema of infancy. J AmAcad Dermatol 1986; 14: 339-343.

Toonstra J, De Wit FE. ‘Persistent‘ annular erythema of infan-cy. Arch Dermatol 1984; 120: 1069-1072.

Kunz M, Hamm K, Bröcker E.-B., Hamm H. Das anuläreErythem des Kindesalters – eine neue eosinophileDermatose. Hautarzt 1998; 49: 131-134.

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Für Sie referiert

Die Entwicklung von Basaliomen wird durchverschiedene exogene Faktoren gefördert, u.a.chemische Karzinogene, Verbrennungen, Ra-diotherapie und chronische Sonnenlichtbelas-tung. An der Mailänder Hautklinik wurden1053 Patienten mit Basaliomen bezüglich exo-gener Auslösefaktoren untersucht. Dabei fielen23 Patienten auf, bei denen die Basaliome anStellen lokalisiert waren, an denen 12 bis 31Jahre zuvor wegen muskulärer Beschwerden,Arthropathien oder Neuralgien eine Kurz-wellen-Therapie erfolgt war. Die vor allem beiBeschwerden des Bewegungsapparates häufigdurchgeführte Kurzwellenbehandlung kannmöglicherweise zur Entwicklung von Basa-liomen beitragen (Betti et al.: Dermatol Surg1998; 24: 353-355).

Aus Taiwan wird über vier Fälle von Klarzell-Papulose berichtet. Dieses erstmals 1987beschriebene Krankheitsbild ist durch multi-ple, kleine, weißliche Papeln gekennzeichnet,die bislang ausschließlich bei chinesischenKleinkindern entlang der Milchleiste an Thoraxund Abdomen beobachtet wurden. Die sym-metrisch verteilten, kaum tastbaren, nahezumakulösen Veränderungen traten zum Teil beiGeschwistern auf, so daß eine hereditäreGenese vermutet wird. Histopathologisch fin-den sich in den unteren Epidermislagen ein-zeln liegende Zellen mit blassen, ovalenKernen und reichlich klarem Zytoplasma, dieden neoplastischen Zellen des mammären undextramammären Morbus Paget ähnlich sind.Die pathognomonische Anordnung der weißli-chen Papeln entlang der Milchleiste und dieZytologie deuten auf eine apokrineDifferenzierung dieser Zellen hin. Über denVerlauf der Klarzell-Papulose ist wenigbekannt. Daß das Krankheitsbild bislang nochnicht bei älteren Kindern und bei Eurpäernbeobachtet wurde, kann daran liegen, daß eserst vor kurzem beschrieben wurde. DieKlarzell-Papulose sollte bei der Dif-ferentialdiagnose kleinfleckiger Depigmen-tierungen im Kindesalter berücksichtigt wer-den (Lee, Chao: Br J Dermatol 1998; 138: 678-683).

An der Universität von Indianapolis wurde dieGenauigkeit der klinischen Diagnose bei se-borrhoischen Keratosen und melanozytärenNaevi miteinander verglichen. 5592 Präparategingen in die Untersuchung ein. In 577 Fällenwurde klinisch die Diagnose einer seborrhoi-

schen Keratose gestellt, ohne daß Differential-diagnosen angegeben wurden. In 37 dieserFälle (6,4%) fanden sich histopathologischmaligne Tumoren. Die Diagnose eines mela-nozytären Naevus wurde klinisch 1592malohne Angabe von Differentialdiagnosen ge-stellt. In diesem Kollektiv lag die Rate malignerTumoren bei 2%. Wenn klinisch Differential-diagnosen genannt worden waren, wurdenmaligne Tumoren in beiden Gruppen nochdeutlich häufiger festgestellt, vor allemBasaliome, Plattenepithelkarzinome und mali-gne Melanome. Die klinische Diagnose vonseborrhoischen Keratosen erwies sich in dieserStudie als schwieriger als die Diagnose mela-nozytärer Naevi; angesichts der relativ hohenZahl maligner Tumoren wurde bei Entfernungseborrhoischer Keratosen grundsätzlich einehistopathologische Diagnosesicherung emp-fohlen (Eads et al.: Arch Dermatol 1997; 133:1417-1420).

In Barcelona wurden 160 Patienten mit leu-kozytoklastischer Vasculitis in bezug aufassoziierte Krankheiten und prognostischeFaktoren untersucht. In etwa zwei Drittelnder Fälle wurde eine mögliche Ursache gefun-den, wobei eine Hepatitis-C-Virus-Infektion(19%), maligne Neoplasien (10%), Me-dikamente (9,4%) und Kollagenosen (8,4%)am häufigsten beobachtet wurden. In fast derHälfte der Fälle dauerte die Vasculitis höch-stens ein halbes Jahr an, während 8% derPatienten über 10 Jahre hinweg rezidivierendeSchübe aufwiesen. Zu den Faktoren, die miteinem chronischen Verlauf assoziiert waren,zählten Arthralgien und der Nachweis vonKryoglobulinen. Kryoglobuline waren beieinem Viertel aller 160 Patienten nachweisbar.Bei 20% der Patienten wurde eine extrakuta-ne Vasculitis festgestellt, an der 3 Patientenverstarben. Die wichtigsten klinischenHinweise auf eine Systembeteiligung warenParästhesien, Fieber und das Fehlen schmerz-hafter Läsionen. Anti-Neutrophile cytoplas-matische Antikörper (ANCA) wurden bei 21%aller Patienten festgestellt, 40% dieserPatienten wiesen eine Systembeteiligung auf.Von zahlreichen weiteren mit einer System-beteiligung assoziierten Laborparametern er-wies sich in der Multivarianzanalyse nur einedeutliche BSG-Erhöhung als prognostischrelevant. Histopathologische und immun-fluoreszenzmikroskopische Parameter hattenkeine prognostische Aussagekraft; insbeson-dere erwies sich der Nachweis von IgA-Antikörpern als nicht spezifisch für diePurpura Schönlein-Henoch (Sais et al.: ArchDermatol 1998;134: 309-315). 7

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Der Pemphigus vulgaris geht in der Regel miteiner suprabasalen Akantholyse einher undwird auf Autoantikörper zurückgeführt, die andas Desmomen-assoziierte Glykoprotein Des-moglein–3 binden. Demgegenüber sind fürden Pemphigus foliaceus Autoantikörper ge-genüber Desmoglein–1 verantwortlich, unddie Akantholyse erfolgt im Stratum granulo-sum. Nicht selten findet man bei Patienten mitPemphigus jedoch eine Akantholyse in unter-schiedlichen Schichten, wofür eine Studie ausMilwaukee nun eine mögliche Erklärung bie-tet: die Autoren stellten bei einigen Patientenmit Pemphigus vulgaris Autoantikörpergegenüber Desmoglein–1 und –3 fest, undCD4-positive T-Lymphozyten dieser Patientenzeigten nach Inkubation mit diesen Antigeneneine Proliferationsantwort, was für die patho-physiologische Bedeutung dieser Befundespricht (Lin et al.: J Invest Dermatol 1997; 109:734-737).

Im Rahmen der Fortbildungsveranstaltungender Universitäts-Hautklinik Freiburg erläuterteMichael Meurer (Dresden) neue therapeuti-sche Konzepte bei Autoimmunkrankheiten.Unter anderem wies er auf die Abheilung vonAutoimmundermatosen bei Patienten hin, beidenen aus anderer Indikation Knochenmarks-transplantationen vorgenommen wurden, sodaß diese Therapie bei schwersten Fällen alsultima ratio erwogen werden sollte. Interessantwar auch die Beobachtung, daß Patienten mitbullösem Pemphigoid, bei denen BPA2-Antikörper nachweisbar sind, besonders gutauf eine DADPS-Therapie ansprechen.

Aus Erlangen wird über 22 Fälle von idiopa-thischer rezidivierender palmoplantarer Hi-dradenitis im Kindesalter berichtet. Die Er-krankung, die klinisch durch multiple, weiche,erythematöse Knoten an den Fußsohlen undseltener auch den Handinnenflächen gekenn-zeichnet ist, geht histopathologisch mit einemlockeren Infiltrat neutrophiler Granulozytenum ekkrine Drüsen einher. Die Veränderungentraten bei allen Patienten plötzlich auf undheilten innerhalb von drei Wochen auch ohneTherapie ab. In 10 Fällen kam es zu Rezidiven.Das Erkrankungsalter lag bei 1,5 bis 15 Jahren.Assoziierte Krankheiten wurden nicht beob-achtet. Die Autoren führten die Veränderungenauf eine durch thermische oder mechanischeTraumata bedingte Ruptur ekkriner Drüsenzurück (Simon et al.: Arch Dermatol 1998;134: 76-79).

In Israel wurde ein Therapieversuch mit nie-dermolekularem Heparin bei Lichen planusvorgenommen. In geringen Dosen, die nochkeine antikoagulatorische Aktivität aufweisen,hemmt Heparin die Heparanase-Aktivität vonT-Lymphozyten, die für deren Migration erfor-derlich ist. Zehn Patienten, die seit mehrerenMonaten an einem ausgedehnten, starkjuckenden Lichen planus litten, erhielten ein-mal wöchentlich 3 mg eines niedermolekula-ren Heparinpräparates subkutan. Innerhalbvon 4 bis 10 Wochen bildeten sich die Haut-veränderungen bei acht Patienten vollständigzurück, bei einem weiteren Patienten kam eszu einer deutlichen Besserung. Mundschleim-hautveränderungen sprachen nur bei einemvon vier Patienten auf die Therapie an. Neben-wirkungen wurden nicht beobachtet (Hodak etal.: J Am Acad Dermatol 1998; 38: 564-568).

Die pathogenetische Bedeutung von Demodexfolliculorum ist umstritten. Es gibt jedoch Hin-weise darauf, daß die zur residenten Flora vonTalgdrüsenfollikeln zählende Milbe eine Ent-zündungsreaktion hervorrufen kann, wenn siesich zu stark vermehrt oder in die Dermis pe-netriert. An der Universitäts-Hautklinik Brüsselwurden daher verschiedene Lokaltherapeutikahinsichtlich ihrer ascariciden Wirkung aufDemodex folliculorum untersucht. Bei Patien-ten mit einer hohen Demodex-Dichte (>5/cm2)wurde die Milbenzahl nach Therapie mit 2%Metronidazol, 1% Permethrin, 10% Schwefel,1% Lindan, 10% Crotamiton und 10% Benzyl-benzoat bestimmt. Für Metronidazol, Perme-thrin, Schwefel und Lindan wurde keine signi-fikante Abnahme von Demodex-Milben fest-gestellt; die besten Resultate wurden mit Ben-zylbenzoat und Crotamiton erzielt (Schnuch etal.: Br J Dermatol 1998; 138: 467-476).

Interferone sollen die Kollagenase-Aktivität inKeloiden steigern und zu einer Hemmung derProduktion verschiedener Kollagentypendurch Fibroblasten führen. In einer retrospekti-ven Studie wurde nun die Wirksamkeitintraläsionaler Injektionen von Interferon-alpha-2b (Intron A) zur Rezidivprophylaxenach Exzision von Keloiden überprüft. Unmit-telbar postoperativ wurde die Narbe mit 1Million I.E./cm infiltriert, eine Woche späterfolgte die Injektion von 5 Millionen I.E. imNahtbereich. Bei Nachbeobachtungszeitenvon etwa 7 Monaten lag die Rezidivrate beiunter 20 Prozent und war damit deutlich gerin-ger als nach alleiniger Operation oder posto-perativen Injektionen von Triamcinolonace-tonid (Berman, Flores: J Am Acad Dermatol1997; 37: 755).

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Vor 200 Jahren erschien in London RobertWillans Lehrbuch „Description and Treatmentof Cutaneous Diseases“. Es war der erste Ab-schnitt eines zunächst auf sieben Bände ange-legten Gesamtwerkes, das von Robert Willanselbst nicht mehr beendet werden konnte.Und es war eine echte Pionierleistung. Wieeiner der schärfsten Kritiker Willans, sein Zeit-genosse Samuel Plumbe, hervorhob, „existier-te damals nichts anderes von Wert in gedruck-ter Form, weder in bezug auf die Beschreibungvon Krankheitennoch auf ihrePathologie noch aufB e h a n d l u n g s m e -thoden, und bei sehrvielen dieser Krank-heiten wurde dieBehandlung Quack-salbern und altenFrauen überlassen.“

Was war das grund-sätzlich Neue anWillans Werk? Willananalysierte Haut-krankheiten anhandihrer „unterschiedli-chen Erscheinungs-formen“ und teilte sieanfangs in siebenGruppen ein: Papeln,Schuppen, Exanthe-me, Blasen, Pusteln,Knoten und Maculae.Das allein war nochnichts Neues, einenähnlichen Ansatz hat-te schon 1776 derWiener Joseph JakobPlenck gewählt. Willan jedoch beließ es nichtbei dieser groben Unterscheidung anhand derim Vordergrund stehenden Effloreszenz, son-dern versuchte, Krankheitsbilder abzugrenzen,indem er feine Nuancen der Effloreszenzen,ihre Kombination und Verteilung, den Verlaufvon Erkrankungen, ihre Assoziation mit Allge-meinsymptomen und selbst ihr Ansprechenauf Therapiemaßnahmen berücksichtigte.Hierbei kam ihm seine große praktischeErfahrung zugute: seit 1783 war Willan an derzwischen London und Westminster gelegenen

Carey Street Dispensary tätig, einer durchSpenden finanzierten wohltätigen Ambulanz,zu der viele Patienten mit Hautkrankheitenkamen. Diese Krankheiten wollte Willan klas-sifizieren und folgte damit einem Trend seinerZeit, die als Periode der „Systembildner“ in dieGeschichte der Medizin eingegangen ist. Einerder berühmtesten „Systembildner“, WilliamCullen, zählte zu Willans Lehrern an der Uni-versität von Edinburgh. Cullen, dessen Buch„First Lines of the Practice of Physic“ zu den

bedeutendsten medi-zinischen Werkender Geschichte zählt,beschäftigte sich zeit-lebens mit Proble-men der Definitionund Nosologie vonKrankheiten. DiesesInteresse färbte aufWillan ab. Schon1784, kurz nach Auf-nahme seiner Tätig-keit an der CareyStreet Dispensary,unternahm Willanerste Versuche mitder Plenckschen No-menklatur. Ein Jahrspäter überreichte erder Londoner Medi-zinischen Gesell-schaft den Plan für ei-ne Einteilung und Be-schreibung der Haut-krankheiten, der ihmdie begehrte Fother-gill-Medaille eintrug.Der erste Band seinesHauptwerkes, der pa-

pulösen Dermatosen gewidmet war, ließ dannbis 1798 auf sich warten. Im Vorwort umrißWillan seine Ziele wie folgt:

„1) Den Sinn der verwendeten Begriffe durchpräzise Definitionen festlegen. 2) AllgemeineEinteilungen oder Ordnungen von Krankhei-ten anhand führender oder besonderer Er-scheinungsmerkmale aufstellen, sie unter be-stimmte Genera ordnen und ihre spezifischenArten oder Varianten ausführlich beschreiben.3) Krankheiten, die bisher nicht hinlänglich

Robert Willan (1757-1812)

Memories„Description and Treatment of Cutaneous Diseases“ – 200 Jahre

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setzt sich in der Dermatologie bis heute fort. Sowird der von Willan geprägte Begriff „Ekzem“nach wie vor teils deskriptiv und teils alsDiagnose verwendet.

Im Unterschied zum „Ekzem“ und zur„Prurigo“ gelang es Willan, einige Hautkrank-heiten erstmals präzis zu beschreiben, zumBeispiel die Pityriasis versicolor und dasErythema exsudativum multiforme. Willan warauch der erste, der sein Lehrbuch mit Abbil-dungen ausstattete, die von Kupferplatten ab-gezogen und in Handarbeit koloriert wurden.Vor allem wegen dieser Abbildungen zog sichdie Herausgabe der Folgebände in die Länge.Als im Jahre 1808 die vierte Lieferung erfolgte,wurden die ersten drei Bände mit geringenVeränderungen erneut gedruckt und unter demTitel „On Cutaneous Diseases, Volume I“zusammenfaßt.

Willan starb vier Jahre später im Alter von 55Jahren. Die fehlenden Abschnitte seinesLehrbuches wurden von seinem kongenialenSchüler Thomas Bateman vollendet, und erstdurch Bateman fand Willans Werk größereVerbreitung. Viele der von Willan aufgestell-ten Krankheitsbilder mußten neu bearbeitetund verändert werden, aber dank Willan warzumindest etwas da, das verändert werdenkonnte. Vor allem hatte Willan eine Methodeetabliert, die es ermöglichte, Hautkrankheitenvoneinander abzugrenzen. Hautkranke blie-ben nicht länger „Quacksalbern und altenFrauen“ überlassen, sondern wurden von Ärz-ten mit speziellen Kenntnissen betreut. DieVeröffentlichung des ersten Bandes vonWillans Lehrbuch war die Geburtsstunde dermodernen Dermatologie!

unterschieden wurden, klassifizieren und be-nennen. 4) Die Behandlungsart für jedeKrankheit angeben.“

Eine Umsetzung dieser vier Ziele stünde nochheute jedem Lehrbuch gut zu Gesicht. Willanselbst gelang sie nur unvollkommen: viele dervon ihm aufgestellten, meist antiken Schriftenentlehnten und mit neuer Bedeutung versehe-nen Begriffe sorgten über Jahrzehnte hinwegfür Verwirrung. So war die Ordnung „Papeln“in drei Genera unterteilt – „Strophulus“, „Li-chen“, und „Prurigo“. Diese Genera wiederumzerfielen in mehrere „Spezies“, von denen diemeisten dem heutigen Verständnis nach keinerEntität mehr zuzuordnen sind. Die Namen derGenera haben sich bis heute erhalten, werdenaber höchst unterschiedlich gebraucht undzum Teil für den gleichen Krankheitsprozeßverwendet – zum Beispiel „Prurigo nodularis“und „Lichen simplex chronicus“ für durchchronisches Kratzen und Reiben ausgelösteKnoten und Plaques.

Willans Kardinalfehler war, daß er von einemzu engen Zusammenhang zwischen Krank-heiten und den ihnen zugehörigen Efflores-zenzen ausging. Er wußte noch nicht, wieunterschiedlich sich ein- und dieselbe Krank-heit äußern kann und wie ähnlich unterschied-liche Krankheiten sein können. Er machte nichtdie erforderliche Unterscheidung zwischenÄtiologie und Pathogenese auf der einen undmorphologischer Erscheinungsform auf deranderen Seite, verwendete seine Begriffesowohl für spezifische Krankheiten als auch fürEffloreszenzen und schenkte dem grundsätzli-chen Unterschied zwischen Diagnose undDeskription zu wenig Beachtung. Dieser Fehler

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Das ist es !Es handelt sich um eine Psoriasis vulgaris. DerBefund ist auf den ersten Blick ungewöhnlich,da die Hautveränderungen nicht oder nur ge-ring erhaben sind und mit einer flammendenRötung einhergehen. Diese Veränderungen las-sen ebenso wie die Lokalisation am Unter-schenkel differentialdiagnostisch an ein Erysi-pel denken, das jedoch praktisch nie symme-trisch auftritt. Eine weitere Differentialdiagnoseist eine Stauungsdermatitis, gegen die jedochdie relativ scharfe Begrenzung, die sehr groß-flächige, homogene Rötung und die Verteilungder Veränderungen sprechen: die Vorderseitender Unterschenkel sind weit stärker betroffenals die Innenseiten – im Falle einer Stauungs-dermatitis wäre wegen des Verlaufs der Venasaphena magna und der Perforans-Venen einSchwerpunkt an den Innenseiten zu erwarten.

Für die Diagnose einer Psoriasis sprechen dieSymmetrie, die Lokalisation an den Streck-seiten der Unterschenkel, die relativ scharfeBegrenzung und das Vorhandensein eines wei-teren, nur gering ausgeprägten Herdes amUnterrand der linken Kniescheibe. Das wich-tigste Argument für das Vorliegen einerPsoriasis sind jedoch die aufgelagerten grob-lamellösen Schuppen, die die anderen Dif-ferentialdiagnosen ausschließen. Zum klassi-schen Bild der Psoriasis vulgaris fehlt im Grun-de nur eine stärkere Erhabenheit der Hautver-änderungen, und dieser Umstand war im vor-liegenden Fall durch mehrwöchige externeSteroidtherapie bedingt. Eine Biopsie auseinem leicht infiltrierten Areal ergab die typi-schen histopathologischen Veränderungen derPsoriasis vulgaris.

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Leichte Spongiose, Verlust des Stratum granulosum undParakeratose, die für die klinisch wahrnehmbare grobla-mellöse Schuppung verantwortlich ist. In der Hornschichtfinden sich auch einige neutrophile Granulozyten (Pfeil).

Psoriasiforme Epidermishyperplasie mit der typischen gleich-mäßigen Verlängerung schmaler Reteleisten, geschlängeltverlaufenden Gefäßen im Papillarkörper und recht dichtemlymphozytären Infiltrat.

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„Die allgemeine Decke ist als integrierenderBestandteil des Gesamtorganismus keinen an-deren Krankheitsprozessen unterworfen als dieübrigen Organe des menschlichen Körpers ...Was aber bei den Hautkrankheiten ganz ver-schieden und eigentümlich dasteht, das sind

die Erscheinungen, durch welche die patholo-gischen Prozesse unseren Sinnen wahrnehm-bar werden ... Dies sind sichere, ja unfehlbareAnhaltspunkte, denn sie stammen von derKrankheit selbst her; sie sind sozusagen dieBuchstaben, welche durch die Erkrankung auf

die Haut geschriebenwerden; unsere Aufgabebleibt es nur, die Schriftzu entziffern.“

Dies schrieb Hebra inseinem 1860 erschiene-nen Lehrbuch der Haut-krankheiten und stellteso mit wenigen Wortendie Besonderheit derDermatologie heraus,daß es nämlich in derRegel keiner Hilfsmittelbedarf, um eine Diagno-se zu stellen, daß manselbst innere Krankhei-ten durch einfache In-spektion erkennen kann.Wenn man es kann.Denn einfach ist esnicht! Die Reaktions-möglichkeiten der Hautsind begrenzt, so daßman viele verschiedeneFaktoren – wie Lokali-sation, Anordnung undTyp der Hautverände-rungen – berücksichti-gen muß, um Krank-heiten zuverlässig von-einander abzugrenzen.

Um bei diesem komple-xen Prozeß die Über-sicht nicht zu verlieren,bedarf es einer Sys-tematik, einer Klassifika-tion von Hautkrankhei-ten, wie Robert Willansie vor 200 Jahren nochsehr unvollkommen an-strebte. Unvollkommendeshalb, weil das Wissenüber Hautkrankheitendamals sehr begrenztwar und sich Willan bei12

Dermatologie – einmal anders Die klinische Untersuchung

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seiner Klassifikation ganz vom Typ derHautveränderungen leiten ließ. AndereFaktoren wurden vernachlässigt. Die Folge war,daß unterschiedliche Manifestationen der glei-chen Erkrankung voneinander getrennt undvöllig verschiedene Krankheiten wegen der imVordergrund stehenden Effloreszenz in einenTopf geworfen wurden.

Die Schwachpunkte von Willans Klassifikationwaren rasch erkannt, und andere Klassifika-tionsversuche wurden vorgenommen. Im Jahre1845 stellte Ferdinand Hebra den „Versucheiner auf pathologische Anatomie gegründetenEintheilung der Hautkrankheiten“ vor, in der erKrankheiten in Kategorien wie „Hyperämie“,„Anämie“, „Sekretions-Anomalien“ und „Exsu-date“ einteilte. 1881 folgte von HeinrichAuspitz ein „System der Hautkrankheiten“ mitRubriken wie „Kryptosen“ und „Angiodesmo-sen“. Über solchen theoretisch begründetenKlassifikationen wurde das wesentliche Zielaus dem Auge verloren, nämlich eine Systema-tik zu schaffen, die die klinische Erkennungvon Hautkrankheiten erleichtert.

Wo gibt es heute eine solche Systematik? Wennman sich die Einteilung aktueller Lehrbücheransieht, ist ein System nicht erkennbar. ZumBeispiel werden im Lehrbuch von Braun-Falcound Mitarbeitern die Krankheiten der Haut nachvöllig unzusammenhängenden Gesichtspunkteneingeteilt, teils nach ihrer Ätiologie(Erkrankungen durch Viren, Bakterien etc.), teilsnach der Morphologie (Blasenbildende und Pu-stelbildende Erkrankungen), teils nach der Loka-lisation (Erkrankungen der Lippe, Mundhöhle,Glans penis etc.), teils nach der anatomischenStruktur, die betroffen ist (Erkrankungen derBlutgefäße, Lymphgefäße etc.). Für die klinischeDiagnostik ist diese Einteilung keine große Hilfe,und eine Methode der klinischen Untersuchungwird nicht vermittelt. Gerade 61¼2 von 1614Seiten sind der klinischen Untersuchung gewid-met, das entspricht 0,4%.

Auf diesen 61¼2 Seiten heißt es immerhin, daßzunächst ein Überblick „aus der Entfernung“gewonnen werden sollte, gefolgt vom „Studi-um der einzelnen Elemente aus der Nähe“.Neben den Effloreszenzen werden auch Ge-sichtspunkte wie Symmetrie, Anordnung undLokalisation besprochen. Dies geschieht je-doch sehr lückenhaft und wenig aufschluß-reich („Am behaarten Kopf lokalisieren sich be-stimmte Haarbodenerkrankungen und Haar-veränderungen“). Viele wichtige Aspekte blei-ben unerwähnt, z.B. daß Läsionen am Unter-schenkel an Erkrankungen denken lassen soll-ten, die durch venöse Hypertension ver-

schlechtert werden (wie die leukozytoklasti-sche Vasculitis) und Läsionen im Gesicht anphotoprovozierte Dermatosen (z.B. Porphyrien,Lupus erythematosus). Trotz dieser Mängel istdas Lehrbuch von Braun-Falco bereits einerühmliche Ausnahme; in anderen Büchernwird der klinischen Untersuchung noch weni-ger Platz eingeräumt.

Dabei gäbe es viel zu sagen! Alles, was mit dembloßen Auge erkannt werden kann, kann zurmakromorphologischen Diagnose vonHautkrankheiten herangezogen werden. Zumeinen können allgemeine Gesichtspunkte diffe-rentialdiagnostisch wichtig sein, nämlich Ge-schlecht (z.B. periorale Dermatitis v.a. bei Frau-en, seborrhoische Dermatitis v.a. bei Männern),Rasse (z.B. epitheliale Neoplasien bei der kau-kasischen, Akne keloidalis v.a. bei der ne-groiden Rasse), Allgemeinzustand (z.B. Epizoo-tien bei mangelnder Hygiene), Ernäh-rungszustand (z.B. Candida-Intertrigo bei Adi-positas) und allgemeiner Hautzustand (z.B.seborrhoische Dermatitis bei fettiger und atopi-sche Dermatitis bei trockener Haut). Zum ande-ren können die Hautveränderungen selbst nachverschiedenen Gesichtspunkten beurteilt wer-den, nämlich nach Zahl, Ausdehnung (um-schrieben oder disseminiert), Symmetrie, Loka-lisation, Anordnung (z.B. lineär, anulär, herpeti-form), Typ (Maculae, Papulae etc.), Größe, Far-be, Begrenzung (scharf vs. unscharf), Konfi-guration und – mit Einschränkung – Konsistenz.All diese Faktoren können durch reineInspektion erfaßt werden. Es mangelt also nichtan morphologischen Kriterien für eine spezifi-sche klinische Diagnose – was fehlt, ist eineAnwendungsmethode. Womit muß man begin-nen? Was ist wichtig und was weniger wichtig?

Das wichtigste Einzelkriterium, das in keinemLehrbuch herausgestellt wird, ist die Zahl derEffloreszenzen, denn die Zahl ermöglicht eineannähernde Abgrenzung von Neoplasien (inder Regel solitär), Hamartomen und infektiösenProzessen (oft mehrere Läsionen in einemumschriebenen Bereich) und anderen entzünd-lichen Dermatosen (multiple Effloreszenzen inmehreren Regionen). Bei der klinischen Unter-suchung sollte man aus der Entfernung begin-nen und erst dann einzelne Effloreszenzen be-trachten. Aus der Entfernung lassen sich nebender Zahl der Effloreszenzen auch deren Aus-dehnung (eine Region oder mehrere), Vertei-lung (symmetrisch oder asymmetrisch) undLokalisation in Sekundenbruchteilen beur-teilen. Bezüglich der Lokalisation ist es nichtnur wichtig, festzustellen, in welchen Körperre-gionen Hautveränderungen vorkommen, son-

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dern vor allem, welches der Lokalisations-schwerpunkt ist, das heißt, wo – bezogen aufdie Oberfläche – am meisten Effloreszenzenvorhanden sind. Die genannten Kriterien erlau-ben allein schon häufig eine weitgehende An-näherung an die Diagnose. So kommen zumBeispiel bei Vorliegen multipler disseminierter

Hautveränderungen mit Lokalisations-schwerpunkt am behaarten Kopf nur wenigeErkrankungen in Frage (Psoriasis, seborrhoischeDermatitis, Varizellen). Berücksichtigt manzusätzlich die anderen morphologisch faß-baren Kriterien, wird im Regelfall ein spezifi-sche Diagnose möglich sein.

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Eine methodische Vorgehensweise ist dafürjedoch unerläßlich. Für die Dermatohistopa-thologie wurde eine solche Methode ent-wickelt. Sie führt den Untersucher vom erstenallgemeinen Eindruck (z.B. Dichte und Lokali-sation eines entzündlichen Infiltrates) in meh-reren Schritten (u.a. Analyse der Infiltratzusam-mensetzung, Erfassen epidermaler Verände-rungen) geradlinig zur spezifischen Diagnose.Das gelingt natürlich nicht immer, hat aber dieZuverlässigkeit dermatopathologischer Un-tersuchungen erheblich verbessert. Warumsollte für die klinische Dermatologie nichtmöglich sein, was für die Dermatohistopatho-logie gelungen ist?

Kriterium Ausdehnung –Mehrere Effloreszenzen in einem umschriebenen Bereich alsHinweis auf Hamartom oder Infektion (Mollusca contagiosa).

Kriterium Zahl – Solitärer erythematosquamöser Plaque als Hinweis aufNeoplasie (Morbus Bowen).

Kriterium Lokalisation –Vorhandensein eines solitären Plaque am oberen Stamm alsHinweis auf besondere Formen von Neoplasien(Dermatofibrosarcoma protuberans).

Kriterium Symmetrie –Asymmetrische Verteilung als Hinweis auf nicht-systemischeErkrankung (Tinea corporis).

Das Problem ist, daß niemand es versucht. Seitden Zeiten Willans hat sich niemand mehrernsthaft um eine umfassende Klassifikation vonHautkrankheiten nach morphologischen Ge-sichtspunkten bemüht, geleitet von dem Ziel,die klinische Diagnose zu erleichtern und demStudenten der Dermatologie einen praktischenLeitfaden für die Beurteilung von Hautverände-rungen an die Hand zu geben. An denUniversitäten wäre eine Habilitation zu diesemscheinbar profanen Thema nahezu undenkbar.Dabei könnte sich solch eine Arbeit für dieBetreuung von Patienten als wertvoller erwei-sen als jede experimentelle Untersuchung!

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Das Pyoderma gangraenosum beginnt in derRegel mit kleinen Pusteln, die einen entzünd-lichen Randsaum aufweisen und durch Nekro-se der Pusteldecke rasch ulzerieren. DurchKonfluenz mehrerer Herde entsteht oft inner-halb weniger Tage ein großes Ulcus mit aufge-worfenem, unterminiertem, stark entzündetemRand. Auch in diesem Stadium sieht man inder Nachbarschaft des Ulcus nicht selten nochfollikuläre Pusteln, die die Abgrenzung vonUlcera anderer Genese erleichtern und zu-gleich einen Hinweis auf die Pathogenesegeben.

Während das Pyoderma gangraenosum in derVergangenheit den Vasculitiden zugerechnetwurde, deuten histopathologische Untersu-chungen inzwischen darauf hin, daß am An-fang des Prozesses eine suppurative Follikulitissteht. Wie bei anderen suppurativen Follikuli-tiden wird die Wand des Haarfollikels vonneutrophilen Granulozyten durchsetzt. Im An-schluß an die Follikelperforation kommt esjedoch nicht zu einem Abklingen des Entzün-dungsprozesses mit narbiger Abheilung, son-dern zu einer fortgesetzten Einwanderung neu-trophiler Granulozyten mit Ausbildung groß-flächiger Ulcera, in deren Randbereich nichtselten eine sekundäre Vaskulitis nachzuweisenist.

Das Pyoderma gangraenosum ist häufig mitentzündlichen Darmerkrankungen (MorbusCrohn, Colitis ulcerosa) assoziiert. Eine exzes-sive Einwanderung neutrophiler Granulozytenfindet sich auch bei anderen Dermatosen, dieeine solche Assoziation aufweisen, wie zumBeispiel beim Sweet-Syndrom. Die histopatho-logische Abgrenzung des Pyoderma gan-graenosum vom Sweet-Syndrom gelingt vorallem durch den Nachweis von Resten zerstör-ten Follikelepithels. Zur Abgrenzung vonvenös oder arteriell bedingten Ulcera dientneben den Zeichen einer abgelaufenen Folli-kulitis die wesentlich stärkere Infiltration derUlcusumgebung durch neutrophile Granulo-zyten.

oben: Pyoderma gangraenosum – flaches Ulcus mit erhabe-nem Randwall und follikulärer Pustel in unmittelbarerNachbarschaft.unten: Pyoderma gangraenosum – Biopsie aus demRandbreich eines Ulcus mit Resten von Follikelepithel (Pfeil)innerhalb eines dichten Infiltrates mit Dominanz neutrophi-ler Granulozyten.

Klinische Befunde – histopathologisch erläutert