8
...wie Tokushima alljährlich zum Mittelpunkt der japanischen Sommerfeste wird. S. 1-3 ...wie in Naruto das 175. Jubiläum der deutschen Eisenbahn gefeiert wurde. S.2 ...wie Oberbürgermeister Izumi und seine Stadt sich auf die Lüneburger Delegation vorbereiten. S. 4-5, 8 ...wer Marion Hellerich ist und wie sie Naruto erlebt hat. S. 4 August. In Tokushima wird es auch im Hochsommer nie spät dunkel. Gegen 9 Uhr abends, spätestens gegen halb 10 ist mit einem Mal die Sonne hinter der Bergkette im Westen verschwunden; zurück bleibt die Hitze, die seit Anfang Juni über dem Land liegt. Man möchte denken, die meisten Leute wären froh, sich bei ein paar Erfrischungen und laufender Klimaanlage etwas Erholung verschaffen zu können. Aber wenn man in den Nächten Anfang August auf die Veranda tritt, hört man aus der Ferne das rhythmische, schnelle Wummern von Taiko-Trommeln und die schrillen Töne von Bambus- flöten. Die Klänge gehören zum „Awa-Odori“, dem „Tanz von Awa“. Awa, das war zu Feudalzeiten der Name des Lehens Awa, das mit dem Gebiet der heutigen Präfektur Tokushima übereinstimmt. Der Tanz geht vermutlich zurück auf die Bon-Tänze anlässlich des im August stattfindenden Obon-Festes. Zu diesem Fest der Toten, einer in ganz Asien zelebrier- ten, mehrtägigen, buddhisti- schen Feierlichkeit, kehren die Geister verstorbener Angehöriger aus dem Jen- seits in die Häuser ihrer Familien zurück und werden dort aufgenommen, bewirtet und unterhalten. Anders als die Bon-Tänze im Rest des Landes ist der Tanz von Awa jedoch nicht ruhig und harmonisch, sondern hebt sich gerade wegen seiner schnellen, wilden, zuweilen exstatischen Bewegungen Anja Hankel betreut als Koordinatorin für inter- nationale Beziehungen seit August 2009 die Städtepartnerschaft zwi- schen der japanischen Stadt Naruto und Lüne- burg von japanischer Seite aus. Ihre zwei- monatlich erscheinende „Flaschenpost“ soll den Bürgern Lüneburgs ei- nen aktuellen, persön- lichen und lebendigen Eindruck vom Leben und den Geschehnissen ihrer Partnerstadt am anderen Ende der Welt ver- mitteln. Yatto Sa! - Narrentanz in Tokushima Leben und Erleben in Lüneburgs japanischer Partnerstadt Flaschenpost aus Naruto Nr. 6 • Juli—Sept. 2010 und seiner Lautstärke von ihnen ab. Getanzt wird in so genannten „Ren“ - „Zügen“ - auf den Straßen der Städte Tokushi- mas. Links und rechts stehen die Zuschauermassen Spa- lier, für etwas Eintrittsgeld kann man auch auf einer der großen Tribünen Platz neh- men und sich die Kunstfer- tigkeit der vorbeiziehenden Gruppen in aller Ruhe anschauen. Es gibt unterschiedliche Kostüme. Frauen tragen zumeist langärmlige Kimo- nos, dazu „Tabi“ genannte, weiße Zehensocken und hölzerne Sandalen mit hohen Absätzen vorn und hinten. Den Kopf schmückt der charakteristische „Vogel - scheuchenhut“. Man kann In dieser Ausgabe… werden Sie unter anderem erfahren: Hin und wieder kommt es vor, dass ich in Gegenwart unserer zweijährigen Tochter das Wörtchen „endlich“ - auf Japanisch „yatto“ - benutze. Etwa bei Telefongesprächen. Die Folge ist meist die gleiche: begeistert reißt sie die Arme nach oben, ihre Beinchen beginnen zu wippen, sie ruft „yatto yatto“ und beginnt, in Kindertanzschrittchen um unseren Küchentisch zu stolzieren. Angelockt vom plötzlichen Trubel in der Küche taucht nur Sekunden später ihr fünfjähriger Bruder aus dem Wohnzimmer auf und stachelt sie mit „Yatto sa!“ - „Ja, endlich!!“- Rufen weiter an. In der Folge rennen beide lachend, krakeelend und komische Tanzbewegungen machend solange um unseren Tisch, bis ihnen die Puste ausgeht. Sie möchten wissen was es mit diesem „Yatto“ auf sich hat? Nun, das kommt so... Auftritt - ein Tanzzug paradiert durch eine der Tribünenreihen ...weiter auf Seite 2

Nr. 6 • Juli—Sept. 2010 Flaschenpost aus Naruto Leben und ... · Der Tanz geht vermutlich zurück auf die Bon-Tänze anlässlich des im August stattfindenden Obon-Festes. Zu diesem

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Page 1: Nr. 6 • Juli—Sept. 2010 Flaschenpost aus Naruto Leben und ... · Der Tanz geht vermutlich zurück auf die Bon-Tänze anlässlich des im August stattfindenden Obon-Festes. Zu diesem

...wie Tokushima alljährlich zum Mittelpunkt der japanischen Sommerfeste wird.

S. 1-3

...wie in Naruto das 175. Jubiläum der deutschen Eisenbahn gefeiert wurde.

S.2

...wie Oberbürgermeister Izumi und seine Stadt sich auf die Lüneburger Delegation vorbereiten.

S. 4-5, 8

...wer Marion Hellerich ist und wie sie Naruto erlebt hat.

S. 4

August. In Tokushima wird

es auch im Hochsommer nie

spät dunkel. Gegen 9 Uhr

abends, spätestens gegen

halb 10 ist mit einem Mal die

Sonne hinter der Bergkette

im Westen verschwunden;

zurück bleibt die Hitze, die

seit Anfang Juni über dem

Land liegt. Man möchte

denken, die meisten Leute

wären froh, sich bei ein paar

Erfrischungen und laufender

Klimaanlage etwas Erholung

verschaffen zu können. Aber

wenn man in den Nächten

Anfang August auf die

Veranda tritt, hört man aus

der Ferne das rhythmische,

schnelle Wummern von

Taiko-Trommeln und die

schrillen Töne von Bambus-

flöten.

Die Klänge gehören zum

„Awa-Odori“, dem „Tanz

von Awa“. Awa, das war zu

Feudalzeiten der Name des

Lehens Awa, das mit dem

Gebiet der heutigen Präfektur

Tokushima übereinstimmt.

Der Tanz geht vermutlich

zurück auf die Bon-Tänze

anlässlich des im August

stattfindenden Obon-Festes.

Zu diesem Fest der Toten,

einer in ganz Asien zelebrier-

ten, mehrtägigen, buddhisti-

schen Feierlichkeit, kehren

die Geister verstorbener

Angehöriger aus dem Jen-

seits in die Häuser ihrer

Familien zurück und werden

dort aufgenommen, bewirtet

und unterhalten. Anders als

die Bon-Tänze im Rest des

Landes ist der Tanz von Awa

jedoch nicht ruhig und

harmonisch, sondern hebt

sich gerade wegen seiner

schnellen, wilden, zuweilen

exstatischen Bewegungen

Anja Hankel betreut als

Koordinatorin für inter­

nationale Beziehungen

seit August 2009 die

Städtepartnerschaft zwi-

schen der japanischen

Stadt Naruto und Lüne-

burg von japanischer

Seite aus. Ihre zwei-

monatlich erscheinende

„Flaschenpost“ soll den

Bürgern Lüneburgs ei-

nen aktuellen, persön-

lichen und lebendigen

Eindruck vom Leben und

den Geschehnissen ihrer

Partnerstadt am anderen

Ende der Welt ver-

mitteln.

Yatto Sa! - Narrentanz in Tokushima

Leben und Erleben in Lüneburgs japanischer Partnerstadt

Flaschenpost aus Naruto Nr. 6 • Juli—Sept. 2010

und seiner Lautstärke von

ihnen ab.

Getanzt wird in so genannten

„Ren“ - „Zügen“ - auf den

Straßen der Städte Tokushi-

mas. Links und rechts stehen

die Zuschauermassen Spa-

lier, für etwas Eintrittsgeld

kann man auch auf einer der

großen Tribünen Platz neh-

men und sich die Kunstfer-

tigkeit der vorbeiziehenden

Gruppen in aller Ruhe

anschauen.

Es gibt unterschiedliche

Kostüme. Frauen tragen

zumeist langärmlige Kimo-

nos, dazu „Tabi“ genannte,

weiße Zehensocken und

hölzerne Sandalen mit hohen

Absätzen vorn und hinten.

Den Kopf schmückt der

charakteristische „Vogel-

scheuchenhut“. Man kann

In dieser Ausgabe…

werden Sie unter anderem erfahren:

Hin und wieder kommt es vor, dass ich in Gegenwart unserer zweijährigen Tochter das

Wörtchen „endlich“ - auf Japanisch „yatto“ - benutze. Etwa bei Telefongesprächen. Die Folge

ist meist die gleiche: begeistert reißt sie die Arme nach oben, ihre Beinchen beginnen zu

wippen, sie ruft „yatto yatto“ und beginnt, in Kindertanzschrittchen um unseren Küchentisch

zu stolzieren. Angelockt vom plötzlichen Trubel in der Küche taucht nur Sekunden später ihr

fünfjähriger Bruder aus dem Wohnzimmer auf und stachelt sie mit „Yatto sa!“ - „Ja,

endlich!!“- Rufen weiter an. In der Folge rennen beide lachend, krakeelend und komische

Tanzbewegungen machend solange um unseren Tisch, bis ihnen die Puste ausgeht. Sie möchten

wissen was es mit diesem „Yatto“ auf sich hat? Nun, das kommt so...

Auftritt - ein Tanzzug paradiert durch eine der Tribünenreihen

...weiter auf Seite 2

Page 2: Nr. 6 • Juli—Sept. 2010 Flaschenpost aus Naruto Leben und ... · Der Tanz geht vermutlich zurück auf die Bon-Tänze anlässlich des im August stattfindenden Obon-Festes. Zu diesem

Deutschland doch recht bald

als Hindernis.

Dass die Ausstellung den-

noch in dieser Form über-

haupt realisiert werden

konnte, ist dem Engagement

und dem Herzblut einiger

ehemaliger Eisenbahner mei-

ner Familie, allen voran

Herrn Ernst-Jürgen Seegers

aus Hohen Neuendorf bei

Berlin und Herrn Horst

Schmidt aus Leipzig zu

verdanken, die ihr Material

und ihr Wissen zur Ver-

fügung stellten.

Durch ihre Hilfe konnten wir

nicht nur Bilder und

Zeitleisten zeigen, sondern

auch Exponate aus dem

Alltag der Eisenbahn und

ihrer Mitarbeiter präsentie-

ren: Käppies des Bahnhofs-

personals, Ausweise, histo-

rische Fahrkarten, Ausbil-

dungsmaterialien, techni-

175 Jahre Eisenbahn in Deutschland - Eine Sonderausstellung

Seite 2 Flaschenpost aus Naruto

Narrentanz in Tokushima, Teil 2 sich vorstellen, wie heiß und

ermüdend das Tanzen in

einem solch engen und

unbequemen Kostüm bei

über 30 Grad auch nachts

sein muss. Doch so sehr der

Hut auch zwackt und die

Füße in den ungewohnten

Holzschuhen auch schmer-

zen mögen, auf den Gesich-

tern der Tänzerinnen ist stets

ein Lächeln zu erblicken.

Die Männer haben indes

mehr Bewegungsfreiheit. Sie

tragen kurze Kimonos,

bequeme Tabi und ein

Stirntuch. Ihr Tanz ist

wilder, schneller, atemloser,

mit Sprüngen und Drehun-

gen. Heutzutage tragen oft

auch Frauen die Kostüme

des Männertanzes, umge-

kehrt ist das nicht der Fall.

Die Größe der Tanzzüge ist

recht unterschiedlich, ihre

Mitgliederzahlen gehen von

einigen Dutzend bis in die

Hunderte. Schon Monate vor

Vom 27. August bis 15. Sep-

tember fand im Deutschen

Haus eine Ausstellung zum

175. Jubiläum der Deutschen

Eisenbahn statt - und

gleichzeitig die erste Aus-

stellung die aus meiner Hand

entstehen sollte.

Ich hatte mir vorgenommen,

die wichtigsten Wegpunkte

de Geschichte der Deutschen

Eisenbahnen zu skizzieren

und mit Exponaten zu

illustrieren. Einfacher gesagt

als getan - zwar gibt es in

Deutschland viele Vereine,

die sich intensiv um die

Pflege der Eisenbahn-

tradition kümmern. Aber um

Kontakte zu diesen herzu-

stellen und den logistischen

Aufwand, den das Ver-

schicken des Materials mit

sich brachte, kostengünstig

zu bewältigen, erwies sich

wegen der Entfernung nach

dem Tanzfestival kommen

die Mitglieder mehrmals pro

Woche abends nach der

Arbeit zusammen und üben

bis spät in die Nacht hinein.

Jede einzelne Formation hat

ihr Thema, ihre besondere

Choreografie und ihre

Geschichte.

Die Wurzeln dieses Tanz-

brauchs selbst jedoch liegen

im Dunkeln. Sicher ist, dass

Tokushima bereits vor 500

Jahren für sein überbor-

dendes Obon-Brauchtum

bekannt war. Der Name

„Awa-Odori“ scheint jedoch

eine Schöpfung des 20.

Jahrhunderts zu sein und die

sich um die Entstehung des

Tanzes rankende Legende,

dass er bei den Feierlich-

keiten zur Fertigstellung des

Schlosses Tokushima spon-

tan im Freudentaumel der

alkoholisierten Massen zu

Stande kam, ist zwar eine

immer wieder gern erzählte

Geschichte, bis auf einen

zweifelhaften Zeitungsartikel

einer großen japanischen

Zeitung aus dem Jahre 1908

jedoch nicht belegbar.

Ob nun Zeitungsente oder

nicht - wahr ist, dass der

Tanz alljährlich bis zu 1,3

Millionen Besucher nach

Tokushima lockt. Die Atmo-

sphäre, in der die ganze Stadt

drei Tage und Nächte lang

auf den Beinen ist und

ausgelassen mit ihren Gästen

feiert, lässt keinen kalt.

„Yatto sa!“ - „Endlich ist es

so weit!“ ist der cha-

rakteristische Ausruf der

Tänzer dieses Festes und für

meine Familie und mich -

insbesondere für unsere

Kinder immer wieder ein

freudiger Anlass, die Hände

in die Luft zu recken, in

Erinnerungen zu schwelgen

und um unseren Küchentisch

zu paradieren.

sche Zeichnungen von Sig-

nalanlagen oder Schaubilder

über den Aufbau von

Dampfloks.

Großer Dank gebührt auch

der Familie Wolfrum

(ebenfalls aus Leipzig), die

das Material unbeschadet mit

nach Japan brachte und den

vielen fleißigen Händen der

Mitarbeiter des Deutschen

Hauses, die aus dem Mate-

rial in stundenlanger Arbeit

zu ausstellungsreifen Expo-

naten verarbeiteten und das

Plakat gestalteten.

Aufgrund des großen Erfol-

ges wird die Ausstellung

derzeit in einem Kultur-

zentrum in einem anderen

Stadtteil wiederholt.

Für das kommende Frühjahr

ist eine Neuauflage im Foyer

des Deutschen Hauses

geplant. Diesmal in Zusam-

menarbeit mi t einem

Ausstellungsplakat

örtlichen Modelleisenbahn-

club, der sich bei einem

Besuch der Herbstaus-

stellung bereiterklärt hat,

den Inhalten der Ausstel-

lung anhand seiner Modelle

noch mehr Leben einzu-

hauchen.

Page 3: Nr. 6 • Juli—Sept. 2010 Flaschenpost aus Naruto Leben und ... · Der Tanz geht vermutlich zurück auf die Bon-Tänze anlässlich des im August stattfindenden Obon-Festes. Zu diesem

Der Awao-Odori

2010 in Naruto

und Tokushima.

Eindrücke.

Seite 3 Flaschenpost aus Naruto

Eine Frauengruppe

bei der Aufführung

des „Otoko-odori“

oder „Männer-

tanzes“ auf einer

Straße in

Tokushima. Oft

beginnen vereinzelte

Besucher, spontan

mitzutanzen.

Mit Spannung erwartet eine

Gruppe Trommler ihren Auftritt

vor einer der Tribünen.

Das Highlight einer jeden „Ren“

sind die Kostüme und

Tanzformationen der Frauen

beim „Onna-odori“ oder

„Frauentanz“. Neben den

aufwendigen und farbenfrohen

Kostümen sind es vor allem die

perfekt aufeinander und auf die

Begleitmusik abgestimmten

Tanzbewegungen.

Jede Tanzgruppe hat ihre eigene

Choreografie, die monatelang

eingeübt wird.

Um mehr Besucher zum Awa-Odori

nach Naruto zu locken, hat sich die

Stadt in diesem Jahr etwas

besonderes ausgedacht. Auf den

Werbeplakaten für das Fest wirbt

der Anime-Charakter Naruto

Uzumaki, Hauptcharakter der

erfolgreichen Anime-Serie Naruto

Shipûden, die auch in Deutschland

ausgestrahlt wird, für das Fest. Die

Übereinstimmung ist schließlich

kein Zufall: der Schöpfer der Serie

hat sich beim Vornamen des

Helden von Naruto inspirieren

lassen und der Nachname heißt

übersetzt „Strudel“.

Buntes Treiben in der nächtlichen Hitze. Die ganze Stadt feiert.

Ein Schwätzchen

unter

kostümierten

Kollegen.

Sonst kennt man

sich nur als

korrekt

gekleidete

Büroangestellte.

Page 4: Nr. 6 • Juli—Sept. 2010 Flaschenpost aus Naruto Leben und ... · Der Tanz geht vermutlich zurück auf die Bon-Tänze anlässlich des im August stattfindenden Obon-Festes. Zu diesem

Seite 4

einfach die schöne Land-

schaft – erkunden und

genießen. Meine Empfeh-

lung ist also, Naruto und

Umgebung mit dem Fahrrad

zu erkunden.

Ab Mitte Oktober werden

die Feierlichkeiten zum 150.

Jubiläum der deutsch-japa-

nischen Beziehungen begin-

nen. Im Jubiläumsjahr

2010 / 2011 werden dazu in

beiden Ländern zahlreiche

Veranstaltungen stattfinden.

Naruto ist eine der Städte,

vielleicht die Stadt in Japan,

in der die deutsch-japa-

nische Freundschaft beson-

ders intensiv gepflegt wird.

Auf welche Weise wird

Naruto dieses Jubiläum

begehen?

Eine wichtige Veranstaltung

in diesem Rahmen wird das

„Deutsche Fest“ sein, das am

24. Oktober im Deutschen

Haus stattfinden wird. Um

darüber hinaus noch weitere

Veranstaltungen planen zu

können bzw. um die

Bewohner in die Stadt-

entwicklung mit einzu-

beziehen, finden derzeit

lebendige Gespräche mit den

Anwohnern des Stadtteils

Bando / Oasa statt. Von

diesen Gesprächen erhoffe

ich mir, dass weitere Ideen

gefunden werden. Außerdem

gibt es schon seit einiger Zeit

Pläne, an der Uferpromenade

in Naruto zur Adventszeit

einen Weihnachtsmarkt mit

richtigen Buden, in denen

zum Beispiel Glühwein

ausgeschenkt wird, zu

veranstalten. Ich hoffe, dass

diese Veranstaltung noch in

diesem Jahr, dem Jubiläums-

jahr der deutsch-japanischen

Freundschaft, realisiert wird.

Und schließlich wäre da

noch das Neunte-Konzert,

das sich hier im nächsten

Jahr zum 30. Mal jähren

wird. Wir arbeiten derzeit an

Ideen, wie man dieses

Ereignis mit der 150-Jahr-

feier verbinden könnte.

Wenn man durch Naruto

läuft, ist der Einfluss der

Städtepartnerschaft allge-

genwärtig. Könnten Sie

Naruto, 1. September 2010.

Herr Oberbürgermeister,

wären Sie so nett, sich den

Lüneburgern bitte kurz vor-

zustellen.

Ja, gerne. Mein Name ist

Michihiko Izumi. Geboren

bin ich am 23. November

1961, bin also 48 Jahre alt.

Ich bin verheiratet; meine

Frau ist genau so alt wie ich.

Wir haben keine Kinder.

Dafür kümmern wir uns um

zwei Katzen, die eine heißt

„Ginjiro“ und die andere

„Chibi“. Katzen sind seit

jeher meine Leidenschaft

und mein Hobby. Außerdem

gehe ich gern joggen.

Herr Izumi, Sie sind nun

seit einem Jahr im Amt. Wie

gefällt Ihnen Ihre Arbeit als

Oberbürgermeister der Stadt

Naruto bisher? Was hat sich

für Sie persönlich seither

verändert?

Es hat sich insofern etwas

verändert, dass ich unglaub-

lich viel zu tun habe, so viel,

dass ich kaum noch Zeit für

mich habe. Und ich habe das

Gefühl, ein wenig berühmt

zu sein. Egal, wo ich hin-

komme, überall werde ich

erkannt. Und noch etwas hat

sich verändert. Als ich

Oberbürgermeister wurde,

habe ich festgestellt, dass es

sehr viele Dinge gab, die ich

über Naruto noch nicht

wusste, doch in meinem

ersten Amtsjahr habe ich

viele dieser Dinge kennen-

gelernt.

Unter den vielen Besuchern,

die jedes Jahr Naruto und

das Deutsche Haus besu-

chen, gibt es natürlich auch

Touristen aus Deutschland.

Welche Sehenswürdigkeiten

oder Orte in Naruto würden

Sie diesen Besuchern per-

sönlich empfehlen? Gibt es

neben berühmten Sehens-

würdigkeiten eventuell auch

Orte, die weniger bekannt

sind, die Sie sozusagen als

Geheimtipp empfehlen

können?

Ja, da wäre natürlich an

erster Stelle das Deutsche

Haus im Westen der Stadt zu

nennen. Und dann gibt es im

Osten der Stadt noch den

Naruto -Park mit den

Uzushio-Gezeitenstrudeln,

díe zu den drei größten der

Welt gehören. Neben diesen

beiden Sehenswürdigkeiten,

die sicherlich die meisten

kennen, kann man aber auch

sehr viele schöne Orte in

Naruto entdecken, indem

man zum Beispiel die Stadt

mit dem Fahrrad erkundet.

Man kann das Fahrrad auch

auf Fähren, die hier überall

zwischen den kleinen

vorgelagerten Inseln in der

Bucht von Naruto verkehren,

mitnehmen und so im

Wandel der Jahreszeiten die

Küste, das Meer, die Berge –

Oberbürgermeister Izumi im Interview Anfang Oktober klopft wieder eine Freundschaftsdelegation aus Lüneburg an Narutos Tor.

Die Vorbereitungen zum Empfang der Gäste aus Deutschland laufen bereits seit Wochen auf

Hochtouren und befinden sich in der letzten Phase. Nun steigt mit jedem Tag die Spannung

und Vorfreude auf die Gäste aus dem Fernen Westen, unter anderem auch bei

Oberbürgermeister Izumi, der der Flaschenpost in einem Interview Rede und Antwort stand.

Flaschenpost aus Naruto

Oberbürgermeister Izumi im Gespräch

Page 5: Nr. 6 • Juli—Sept. 2010 Flaschenpost aus Naruto Leben und ... · Der Tanz geht vermutlich zurück auf die Bon-Tänze anlässlich des im August stattfindenden Obon-Festes. Zu diesem

des Bando-Films „Ode an

die Freude“, welches gerade

eröffnet wurde. An diesem

Ort hat man die Mög-

lichkeit, den Austausch

zwischen den Deutschen

und Japanern hautnah zu

erleben.

Als nächstes steht der Be-

such der 18. Freund-

schaftsdelegation aus

Lüneburg an. In diesem

Jahr werden 30 Delega-

tionsmitglieder vom 8. bis

zum 11. Oktober vier

spannende Tage in Naruto

verbringen. Herr Izumi, für

Sie ist es ja die erste

Delegation aus Lüneburg,

die Sie als Oberbürger-

meister der Stadt Naruto in

Ihrer Stadt willkommen

heißen. Mit welchen

Gefühlen blicken Sie auf

d e n b e v o r s t e h e n d e n

Besuch?

Ich freue mich sehr auf die

Lüneburger! Ich bin aller-

dings auch ein wenig

aufgeregt und mache mir

Gedanken, wie wir unsere

Gäste am besten will-

kommen heißen könnten.

Während meiner Studen-

tenzeit war ich ein Mal in

Deutschland und fand die

Deutschen unglaublich nett

– ich würde mich freuen,

wenn sich die Lüneburger

genau so herzlich aufge-

nommen fühlen wie ich

damals. Dazu werden wir

einfach das normale Leben

in Naruto zeigen, ganz ohne

uns zu verstellen. Zum

Empfang überlege ich

allerdings, ob ich einen

Kimono anlege, wie man

ihn hier zu besonderen

Anlässen trägt.

Wie bereitet sich Naruto

derzeit auf den Besuch der

Lüneburger vor?

Im Moment sind wir gerade

dabei, dem Programm den

letzten Schliff zu geben.

Außerdem stehen wir in

Kontakt mit den Familien,

die einen Tag lang Gäste

dazu einige Beispiele

geben?

Auch hier wäre als erstes das

Deutsche Haus zu nennen,

welches die Geschichte des

Lagers Bando und den

Beginn der deutsch-japani-

schen Freundschaft in Naru-

to dokumentiert und heute

als Begegnungsstätte fun-

giert, in der die Freundschaft

zur Partnerstadt Lüneburg

gepflegt wird. Das ganze

Jahr über kommen viele

Gäste aus Japan und selbst

aus dem fernen Ausland

nach Naruto, um sich das

Deutsche Haus anzuschauen

und mehr über die Geschich-

te des Lagers Bando zu

erfahren. Und natürlich

locken auch Sonderveran-

staltungen wie beispiels-

weise Ihre derzeitige Aus-

stellung zum Thema „175

Jahr Deutsche Eisenbahn“

viele Besucher an. Über die

Geschichte des Lagers

Bando ist auf Basis der

wahren Gegebenheiten

außerdem ein Kinofilm mit

dem Titel „Baruto no gakuen

– Ode an die Freude“

gedreht worden, der die

Geschichte über die Entste-

hung der deutsch-japani-

schen Freundschaft in Bando

nicht nur in ganz Japan,

sondern auch in Deutschland

bekannt gemacht hat. Ich

habe gehört, dass er auch in

Lüneburg gezeigt wurde.

Und dann gibt es hier noch

den Lüneburg-Platz an der

Promenade des Muya-

Flusses, dem seinerzeit

Oberbürgermeister Mädge

persönlich feierlich seinen

Namen verliehen hat – die

Namensplakette im Stil

deutscher Straßenschilder,

ein Geschenk aus Lüneburg,

ist gut sichtbar für Besucher.

Heute ist der Platz ein Ort,

der zum Verweilen einlädt.

Von hier aus hat man auch

die beste Sicht auf das große

Feuerwerksspektakel, wel-

ches jedes Jahr im Sommer

tausende Besucher anzieht.

Und noch einen Ort möchte

ich nennen: das Kulissendorf

Seite 5 Flaschenpost aus Naruto

x

Herzlich Willkommen in Naruto!

Weiter auf Seite 8

Page 6: Nr. 6 • Juli—Sept. 2010 Flaschenpost aus Naruto Leben und ... · Der Tanz geht vermutlich zurück auf die Bon-Tänze anlässlich des im August stattfindenden Obon-Festes. Zu diesem

Flaschenpost aus Naruto Seite 6

Ein Auslandssemester an der Hochschule für Pädagogik in Naruto

Ein halbes Jahr lang studierte Marion Hellerich an der Hochschule für Pädagogik in Naruto. Erfahren Sie hier,

welchen Eindruck sie in dieser Zeit von ihrer Gastgeber-Uni erhielt und wie sie ihren Aufenthalt hier empfand.

Angetrieben von der Vor-

stellung, dass vermutlich

in keiner späteren Lebens-

phase ein längerer Aus-

landsaufenthalt so un-

kompliziert sein würde,

saß ich am 2. April 2010

in einem Flugzeug nach

Kansai International

Airport auf dem Weg in

Lüneburgs Partnerstadt

Naruto. An der dortigen

Uni würde ich ein

Semester verbringen,

bevor ich ab August mit

meiner Magisterarbeit

a n f a n g e n k ö n n t e .

Die vielen nagenden

Fragen, ob ich es mit

meinen 26 Jahren

Lebenserfahrung wohl

schaffen würde zurecht zu

kommen, waren zunächst

sehr bald verflogen als ich

schon am Osterwochen-

ende – dem in Japan so

gar keine Beachtung

geschenkt wurde – endlich

in meinem mit dem

Nötigsten eingerichteten

Wohnheimzimmer saß

und beruhigt darauf

warten konnte, dass die

Orientierungstage für

internationale Studierende

und das Semester starte-

Eindrücke von Marion Hellerich, Studentin der Kulturwissenschaften an der

Uni Lüneburg

In landestypischer Tracht

- Kimonos werden zu

feierlichen Anlässen

getragen.

Die Naruto-Ôhashi, die Shikoku mit Honshu verbindet.

Von ihr aus kann man die Strudel sehen.

Page 7: Nr. 6 • Juli—Sept. 2010 Flaschenpost aus Naruto Leben und ... · Der Tanz geht vermutlich zurück auf die Bon-Tänze anlässlich des im August stattfindenden Obon-Festes. Zu diesem

Wohnheims erfuhr ich

dann aber von meinen

Zimmernachbarinnen,

was ich gekauft hatte und

wie es zuzubereiten war.

In der heutigen Gesell-

schaft sind wir es

gewohnt, jede Ungewiss-

Page 7 Flaschenpost aus Naruto

haben, wo sich auf der

Straße alle freundlich

begrüßen. Die Rhythmen

von Osaka, Kyoto, Hiro-

shima, Kobe und Tokyo

konnte ich im Rahmen

von Ausflügen und Reisen

versuchen zu erahnen. Ob

die ländliche Mentalität

der Japaner in Naruto das

Eingewöhnen für mich

erleichtert haben oder

nicht, vermag ich nicht zu

sagen. Für mich erschien

es ein geeigneter Aufent-

haltsort, weil ich nach vier

Monaten schon gut

orientiert war.

Insgesamt hat mich diese

Erfahrung gelehrt, dass

sprachliches Unverständ-

nis erträglich ist, wenn die

wesentlichen Umstände

gesichert sind. So war für

mich zum Beispiel jeder

Einkauf im Supermarkt

ein Abenteuer, weil ich

die Etiketten der Lebens-

mittel nicht entziffern

konnte. In der Küche des

ten. Ich war wohl selbst

etwas überrascht, wie

unkompliziert – dank

zahlreicher hilfsbereiter

Menschen – im Grunde

alles war.

Zu meiner Erleichterung,

die ers ten Hürden

gemeistert zu haben,

passte das friedliche

Kleinstadt-Idyll Narutos.

Da die Uni hauptsächlich

angehende LehrerInnen

ausbildet, ist überdies die

Studierendenstruktur auf-

fallend homogen. Solche

Details, die zu den

ohnehin bestehenden

kulturellen Herausforde-

rungen hinzukamen, hätte

ich bemerken können,

hätte ich mich über den

Unterricht der japanischen

Sprache hinaus, vorab

näher informiert.

Rückblickend bewerte ich

es als Vorteil, „dieses

Japan“ fernab der stark

westlich geprägten Groß-

städte kennen gelernt zu

heit immer sofort klären zu

können (man googelt

schnell oder bemüht einen

Telefon-Joker), obgleich

häufig die Antworten gar

nicht so schrecklich

wichtig sind, wie man

meint.

Reisen verbindet - mit einer japanischen Freundin vor

der Promenade des Kiyomizu-Tempels in Kyôto .

Vor dem Eingangstor des Kiyomizu-Tempels in Kyôto.

Zu Gast im Deutschen Haus. Gruppenbild nach

vollendeter Teezeremonie.

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Oberbürgermeister Izumi im Gespräch, Teil 2

Redaktion der

“Flaschenpost”:

Anja Hankel

Deutsches Haus in Naruto

779-0225

Tokushima-ken, Naruto-shi,

Oasa-cho, Hinoki,

Aza, Higashiyamada 55-2

Tel.: 088-689-0099

Fax: 088-689-0909

Email:

[email protected]

Impressum

www.lueneburg.de

Seite 8 Flaschenpost aus Naruto

aus Lüneburg bei sich aufzu-

nehmen werden, wozu ich

übrigens auch zähle. Es

werden diesmal auch einige

Mitglieder dabei sein, die

bereits bei früheren Delega-

tionsfahrten mitgefahren sind,

wie zum Beispiel Ober-

bürgermeister Mädge. Aber

keine Sorge – das Programm

haben wir auch diesmal wieder

so zusammengestellt, dass

selbst für Naruto-Kenner

etwas Neues dabei ist.

Worauf dürfen sich die

Lüneburger dieses Jahr

freuen? Gibt es Highlights im

Programm, die Sie den

Lüneburgern schon vorab

verraten können?

Wir hoffen, dass das

Programm sowohl denen, die

das erste Mal in Naruto sind

als auch denen, die bereits hier

waren, Neues und Interessan-

tes bietet. Ich weiß nicht, ob

man es als Highlight

bezeichnen kann, aber

interessant wird sicherlich das

Bemalen von Otani-Töpfer-

waren und das Bauen von

Wanwan-Drachen sein, welche

beide zu den traditionellen

Handwerkskünsten von Naruto

zählen. Auch der Spaziergang

durch Naruto wird bestimmt

ein Highlight sein. Wie vorhin

bereits erwähnt, wäre das

Erkunden der Stadt per

Fahrrad sicherlich spannend,

aber auch zu Fuß lässt sich die

Atmosphäre Narutos ganz

entspannt genießen.

Auch diesmal ist für die

Delegationsmitglieder wieder

ein eintägiger Besuch bei

Gastfamilien geplant. Was ist

das Ziel dieser Besuche?

Durch den Besuch der

Delegationsmitglieder bei den

Gastfamilien lernen die

Lüneburger ein Stück japani-

schen Alltag und japanische

Kultur kennen. Auf diese

Weise entstehen Freund-

schaften. Durch das gegen-

seitige kennen lernen lässt sich

d ie d eu t sc h - j ap an i sc h e

Freundschaft vielleicht am

besten vertiefen. Wenn die so

entstehenden Freundschaften

auch über den eintägigen

Besuch hinaus gepflegt

würden – heute macht man das

ja per Email – und daraus ein

regelmäßiges gegenseitiges

Besuchen würde, wäre das

doch ideal. Die deutsch-

japanische Freundschaft lässt

sich auf vielfältige Weise

vertiefen, die beste Methode

ist meiner Meinung nach

aber das kennen lernen auf

privater Ebene, das kennen

und verstehen lernen des

Alltags und der jeweils

anderen Kultur.

Möchten Sie den Delega-

tionsmitgliedern vorab noch

einen Willkommens­gruß

mit auf den Weg geben?

Liebe Lüneburger, ich bin

erst seit einem Jahr im Amt

und freue mich daher sehr

darauf, Sie zum ersten Mal

in Naruto begrüßen zu

dürfen. Wir werden alles

dafür tun, Ihnen Ihren

Aufenthalt so angenehm wie

möglich zu gestalten – Sie

können sich schon jetzt auf

einen Empfang, der von

Herzen kommt, freuen.

Vielen Dank für das

Gespräch.

Abendstimmung am Ryôzenji, dem ersten der 88 Pilgertempel Shikokus