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16 CAD CAM 9-10/2009 METHODEN FLÄCHENMODELLIERUNG AN DER OBERFLÄCHE BLEIBEN. Vielleicht vermisst so mancher Autofahrer das Design der 1930er- oder 1950er-Jahre. Die Formgestal- tung der Automobile und der Inte- rieurs aber unterliegt dem Wandel der Zeit. Nicht nur ästhetische, son- dern auch technische Zwänge defi- nieren das Aussehen eines Autos. Entwarf ein Zeichner früher ein Detail, so konnte er dem Modell- bauer allenfalls eine mit dem Kur- venlineal gezeichnete Linie liefern. Diese ließ dem Modellbauer viele Interpretationsmöglichkeiten. Auch später, als die ersten CAD-Systeme im Automobilbau aufkamen, wa- ren die Designer, Entwickler und Konstrukteure durch die Entwurfs- methodik des jeweiligen CAD-Sys- tems reglementiert. Nur anschauen – nicht tasten Weshalb optische Scanner Koordinaten-messmaschinen mit Tastköpfen übertrumpfen Ob ein Auto schön ist oder nicht, liegt im Auge des Betrachters. In einem Punkt aber sind sich De- signer, Ingenieure und Konstrukteure einig: Die Oberflächen und damit jede Wölbung, Sicke und Falte müssen so ebenmäßig wie nur irgendmöglich sein. Class-A-Qualität aber erreicht man nur mit der entsprechenden Software und adäquaten 3D-Messsystemen. Holm Landrock, freier Autor

Nur anschauen – nicht tasten - GOM · von Icem Technologies sowie auf die Atos-3D-Scanner von GOM (Gesellschaft für Optische Mess-technik). Heute sind diese Techno-logien Pflicht,

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1 6 CAD CAM 9-10/2009

METHODEN FLÄCHENMODELLIERUNG

AN DER OBERFLÄCHE BLEIBEN.Vielleicht vermisst so mancherAutofahrer das Design der 1930er-oder 1950er-Jahre. Die Formgestal-tung der Automobile und der Inte-rieurs aber unterliegt dem Wandelder Zeit. Nicht nur ästhetische, son-

dern auch technische Zwänge defi-nieren das Aussehen eines Autos.

Entwarf ein Zeichner früher einDetail, so konnte er dem Modell-bauer allenfalls eine mit dem Kur-venlineal gezeichnete Linie liefern.Diese ließ dem Modellbauer viele

Interpretationsmöglichkeiten. Auchspäter, als die ersten CAD-Systemeim Automobilbau aufkamen, wa-ren die Designer, Entwickler undKonstrukteure durch die Entwurfs-methodik des jeweiligen CAD-Sys-tems reglementiert.

Nur anschauen – nicht tastenW e s h a l b o p t i s c h e S c a n n e r K o o r d i n a t e n - m e s s m a s c h i n e n

m i t T a s t k ö p f e n ü b e r t r u m p f e n

Ob ein Auto schön ist oder nicht, liegt im Auge des Betrachters. In einem Punkt aber sind sich De-

signer, Ingenieure und Konstrukteure einig: Die Oberflächen und damit jede Wölbung, Sicke und

Falte müssen so ebenmäßig wie nur irgendmöglich sein. Class-A-Qualität aber erreicht man nur

mit der entsprechenden Software und adäquaten 3D-Messsystemen. Holm Landrock, freier Autor

16-18-CC110067_CC9-10 17.09.2009 16:29 Uhr Seite 16

Im Unternehmensbereich Sur-face Operations von Edag beschäf-tigen sich 37 feste und 80 freie Mit-arbeiter in vier Sparten (SurfaceDigital, Surface Studio, SurfaceSimulation und Surface Coordina-tion) mit der Entwicklung, Gestal-tung, Visualisierung und Vermes-sung der Oberflächen in der Mo-bilitätsindustrie (Exterieur undInterieur).

Damit die Datenbasis stimmt,setzt Edag unter anderem auf Class-A-Flächenmodellierungssoftwarevon Icem Technologies sowie aufdie Atos-3D-Scanner von GOM(Gesellschaft für Optische Mess-technik). Heute sind diese Techno-logien Pflicht, weil sich die Aufga-benstellung der Entwickler gewan-

delt hat. Jene feilen nicht nur an derAnmutung und Leistung, sondernauch an der aktiven und passivenSicherheit für die Insassen sowieam Passantenschutz. Ebenso habensich die ökonomischen und ökolo-gischen Anforderungen verändert.Um stets neue Käufer zu finden,werden innerhalb einer Modellge-neration immer mehr Variantenentwickelt. Dadurch rücken dieEntwicklungsschritte sowie dieMitarbeiter zusammen.

In der Abteilung Surface Opera-tions werden im Auftrag der OEMsdie Oberflächen von Fahrzeugenentwickelt. Das reicht von der ein-zelnen Interieur-Komponente überFahrzeugvarianten, wie einen Kom-bi, bis zu kompletten Fahrzeugen,beispielsweise der Mercedes-B-Klasse von Daimler.

Ganz unterschiedlicher Natursind die Aufgaben, die der SparteSurface Digital von Surface Opera-tions von ihren Kunden gestelltwerden. Immer geht es jedoch umdie Definition, Vermessung undFertigung von hochpräzisen Ober-flächen.

Im Bereich der Oberflächenent-wicklung beschäftigt Designer undStylisten hauptsächlich das Neue imLook eines Autos. Berechnungsinge-nieure versuchen, ökonomische Er-kenntnisse – beispielsweise aus derStrömungssimulation – möglichstfrühzeitig in die Entwicklung ein-fließen zu lassen. Konstrukteurewiederum benötigen ein korrektesDatenmodell, um daraus ihre wei-teren Konstruktionen, beispiels-weise für den Werkzeugbau, abzu-leiten. Andreas Farnung, Abtei-lungsleiter von Surface Digital, fasstzusammen: »Die Oberflächenent-wicklung stellt immer einenBalanceakt zwischen einem perfek-ten Styling und der technischen

Realisierbarkeit dar. Es ist span-nend, die Anschauungen der Krea-tiven und die der Techniker zu ver-mitteln.«

Vom Claymodell zur Class-A-FlächeAusgangspunkt ist in vielen Fällenein Claymodell, das die Ideen desDesigners vermittelt. War das Clay-modell anfangs noch die entschei-dende Fassung des Fahrzeugs, ander sich auch Werkzeugmacher undFormenbauer orientierten, so ist esheute der Mittler zwischen denWelten.

Die Idee, das Claymodell als Vor-lage für die CAD-Konstruktionund die nachgeordneten techni-schen Berechnungen zu nutzen, istnicht neu. Allerdings waren bis vorwenigen Jahren nur Koordinaten-messmaschinen mit Tastarmen all-tagstauglich. Diese erzeugten zwarkorrekte Linien, doch aufgrund desAbstands der gemessenen Linien-verläufe zueinander ließen die Da-tenmodelle immer noch zu vielInterpretationsspielraum für dieSoftware. »Wir mussten mit denSchnitten leben, die nie hundert-prozentig die exakte Form wider-spiegelten. Gerade die feinen Form-wechsel waren nicht sichtbar«, er-läutert Farnung. Ein weiteres Pro-blem bei den Koordinatenmessma-schinen mit Tastköpfen war derVersatz, der sich von Linie zu Linieergab und der manuell im Daten-satz korrigiert werden musste.

Heute wird Icem Surf mit Datenaus optischen Scannern gefüttert,die mit einer Weißlicht-Streifen-projektion arbeiten. Die Überle-gung, auf optische 3D-Scanner zuwechseln, stellte das Unternehmenschon vor einigen Jahren an. Auslö-ser war jedoch eine von Ford inAuftrag gegebene Fahrzeugstudie.

FLÄCHENMODELLIERUNG METHODEN

»Die Koordinatenmessmaschinen mit Tastarmen erzeug-

ten zwar korrekte L inien, doch aufgrund des Abstands

der gemessenen L inienverläufe zueinander l ießen die

Datenmodelle immer noch zu viel Interpretationsspiel-

raum für die Software.« (A. Farnung, Edag)

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Vom Claymodell über den Scan zum

Class-A-Flächenmodell und zurück zum

Claymodell – die Hülle eines neuen

Autos entsteht in mehreren Iterationen.

Das Raster von 0,05 mm zwischen den

Gitterpunkten eignet sich für die Class-

A-Flächenmodellierung mit Icem Surf.

Auch das Scannen mit einer Auflösung

von 0,2 mm erzeugt STL-Dateien, die

sehr glatt sind. (Bild: Edag)

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METHODEN FLÄCHENMODELLIERUNG

Die Entscheidung fiel zugunstendes Atos-3D-Digitalisierers vonGOM. Farnung begründet: »Mitder Streifenprojektion und der op-tischen Erfassung können wir ge-nauer arbeiten, und wir erhaltenstatt einzelner Schnitte das Ge-samtmodell des Fahrzeugs. Bei derFord-Studie sollte mit der Foto-grammetrie-Lösung Tritop ein zu-sammenhängender Fahrzeugdaten-satz erzeugt und so die Datenqua-lität gegenüber dem Aneinander-reihen von Schnittbildern verbes-sert werden.«

Mit dem Scanner von GOM istEdag auch für andere Unternehmenals Dienstleister interessant gewor-den. So ist der Haupteinsatzzweckdie Erstvermessung von Clay-Mo-dellen. Je nachdem, wie stark die De-signer und Straker das Clay-Modelländern, entstehen so mehrere Fahr-zeugdatensätze, die dann als geren-dertes CAD-Modell untersucht odermit Icem zu Class-A-Flächen weiter-entwickelt werden können. Inner-halb des Entwicklungsablaufs wirdder 3D-Digitalisierer überall dorteingesetzt, wo Clay-Modelling statt-findet, wo Clay- und Schaumodellehergestellt und 1:1-Maßstabmodelleerzeugt werden.

Auch beim Scannen mit Weiß-licht-Streifenprojektion definiertdas Messraster die Qualität der Er-gebnisse. Je nach Anforderung wird

mit einem Abstand der Messpunktevon 0,05 bis 0,2 mm gearbeitet.

Das Raster von 0,05 mm zwi-schen den Gitterpunkten ist für dieClass-A-Flächenmodellierung mitIcem geeignet. Auch das Scannenmit einer Auflösung von 0,2 mm er-zeugt STL-Dateien, die sehr glattsind, so Edag-MesstechnikerThomas Wildner. »Dank der Lö-sung können wir jetzt ein komplet-tes Fahrzeug sehr schnell scannen.Mit Abtastsystemen hatte das, beieiner geringeren Qualität, längergedauert.«

Der Designer modifiziert einClay-Modell bis zur Hälfte, diewiederum vom Scanner erfasstwird. Der Datensatz wird in IcemSurf gespiegelt und mit einer Fräsedirekt auf die unbearbeitete Fahr-zeughälfte übertragen. Wird dasDatenmodell im Class-A-Flächen-modellierungssystem bearbeitet,können die Stylisten noch Handanlegen, bevor das neue Design zu-rück auf das Clay-Modell gelangt.

Mit dieser Arbeitsweise kann dasGesamtfahrzeug auch in mehrerenDesign-Iterationen, die ästhetischeoder technische Ideen verkörpern,immer wieder als Clay-Modelluntersucht werden.

Zusammenspiel reduziert FehlerIm praktischen Einsatz bei Edag

wird die Punktewolke von IcemSurf verarbeitet. Dabei werdenmögliche Messfehler sinngerechteliminiert, also beispielsweise Lö-cher geschlossen. Das digitalisierteModell lässt sich auch auftrennen,modifizieren oder verkleinern.»Das kann nicht jede Software«, er-klärt Markus Theis, der als Projekt-leiter Surface Coordination das Zu-sammenspiel von Designern, Ent-wicklern und Konstrukteuren steu-ert: »Beide Systeme sind kompati-bel. Besonders praktisch ist dieschnelle Flächenrückführung, mitder sich eine Fläche für eine Detail-untersuchung generieren lässt.« Ei-ne derartige Untersuchung könnenAnwender dann in einem beliebi-gen CAD-System durchführen.

Auch das bereits etablierte IcemShape Design wurde schon getestet.Entsprechend den Kundenanforde-rungen will man bei Edag diese inCatia integrierte Class-A-Flächen-modellierungssoftware einsetzen.»Mit Icem Surf als eigenständigerLösung haben wir den Vorteil, fürverschiedene Kunden arbeiten zukönnen, ganz gleich, welches CAD-System sie einsetzen.« JRü

www.edag.de / www.gom.com /www.icem.comDiesen Artikel finden Sie auf unserer Home-page www.cad-cam.de unter der Dokumenten-nummer CC110067.

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Für Daimler entwickelt Edag

komplette Fahrzeuge wie die

B-Klasse, deren Hülle den Anfor-

derungen von Class-A-Flächen

entspricht. (Bild: Edag)

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