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Der Vortragsraum im einsti- gen Berliner Arbeiterstadt- teil Oberschöneweide war bis auf den letzten Platz gefüllt, obwohl der laue Sommerabend draußen durchaus mit Biergarten- wetter Konkurrenz machte. Der Ort hätte mit dem „Industriesalon“ nicht bes- ser gewählt werden können, ist doch hier in den letzten Jahren ein Museum zur In- dustriegeschichte entstan- den, das insbesondere auch die Sammlung „Technik im Turm“ aufgenommen hat, die einen Querschnitt der im Werk für Fernsehelek- tronik (WF) hergestellten Produkte zeigt und vom langjährigen Mitarbeiter Winfried Müller liebevoll zu- sammengetragen wurde. Ein anderer WF-Mitarbeiter, Joachim Kullmann, beschäf- tigte sich in seinem detailrei- chen aber auch humorvollen Vortrag mit der Geschichte der Störsender in der DDR. Die Sender wurden im WF in Schöneweide und von der Deutschen Post hergestellt. Die Initiative ergriff im September 1953 jedoch nicht die Regierung in Ostberlin sondern jene in Moskau, die insbesondere eine Störung des RIAS-Empfangs wünsch- te. In einer vom sowjetischen Botschafter in der DDR, Wladimir Semjonow, getätig- ten Erklärung heißt es, der RIAS habe seine „reak- tionären Rundfunksendungen gegen die DDR verstärkt“ und bisher gäbe es nur „unzurei- chende Gegenmaßnahmen“. Pikanterweise nahm man sich in Moskau ausgerechnet den Volksempfänger der Nazis zum Vorbild, dessen Prinzip, ausschließlich einheimischen, linientreuen Sendern den Empfang zu ermöglichen, auch in der sozialistischen Diktatur seine Nachahmung finden sollte. Tatsächlich gab es diese „Goebbels-Schnauze der DDR“ schließlich als Einkrei- ser unter dem Namen „Kolibri“ für 50 Mark zu kaufen, was vor allem bei den Rentnern aufgrund des attraktiven Prei- ses Anklang fand. Bestückt war der Apparat mit einer Röhre vom Typ UEL 51 aus dem Funkwerk Erfurt. Emp- fangbar waren nur zwei vor- eingestellte Sender. Zum ei- nen der jeweils örtliche Mittel- wellensender und zum ande- ren die DDR-weit zu hörende Langwellenfrequenz des Deutschlandsenders. Beglei- tet wurde die Markteinfüh- rung des neuen Apparats mit einer Kampagne im Duktus des Kalten Krieges: „Du willst kein Ami-Söldner sein, drum schalte nicht den RIAS ein!“ Referent Joachim Kullmann erinnerte sich in seinem Vor- trag noch gut daran, wie frü- her zu Hause die Rundfunk- gebühr persönlich von einem Postbeamten Monat für Monat kassiert wurde. „Damals war ein Betrag von 2,05 Mark zu entrichten - 2 Mark Rundfunk- gebühr und 5 Pfennig Kultur- abgabe. Unser Briefträger, Herr Müller, machte immer den Scherz ‚2 Mark für den RIAS und 5 Pfennig für Radio DDR’.“ Vielmehr war der Rundfunk in der Zone für viele Hörer nicht wert, was man offenbar auch in Ostberlin nur zu gut wusste. Nicht umsonst wurden die Quittungen und Zustellbelege der Post mit Propagandaaufdrucken ver- sehen, auf denen „Der RIAS lügt, die Wahrheit siegt“ oder „Wer den RIAS hört, den Frieden stört“ zu lesen war. Da mit derart durchsichtigen Ausfällen nicht viel erreicht werden konnte, erhielt das Werk für Fernmeldewesen (erst später hieß es Werk für Fernsehelektronik) den Auf- trag, einen kleinen Störsender mit 50 Watt Ausgangsleistung zu entwickeln, von denen spä- ter 50 bis 60 Stück DDR-weit im Einsatz waren. Der charak- teristische, an- und abschwel- lende Pfeifton sollte die RIAS- Ausstrahlung überlagern und so den Hörgenuss deutlich mindern oder sogar die Wort- beiträge aus der Kufsteiner Straße in West-Berlin gänzlich unverständlich machen. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Störsender ausschließ- lich in den sozialistischen Ländern zum Einsatz kamen. Die westlichen, demokratisch verfassten Staaten vertrauten auf das eigene Urteilsver- mögen ihrer Bewohner und ließen den ungehinderten Empfang der Programme von der anderen Seite des eiser- nen Vorhangs zu. Rücksicht nehmen musste die DDR je- doch auf den Vier-Mächte- Status von Berlin, weshalb im unmittelbaren Umfeld der westlichen Hälfte keine Stör- sender zum Einsatz kamen. Zu groß wären sonst die diplo- matischen Verwicklungen ge- wesen. Somit wurden die ers- ten Sender im Hinterland der DDR aufgestellt. Da sie ein- fach - auch von Laien - zu be- dienen waren, wurden sie meist auf Volkspolizei-Kreis- ämtern, Kasernen und Stasi- RUNDFUNKGESCHICHTE_ 20 RADIO JOURNAL 5/11 Fotos: Ralf Drescher Wer den RIAS hört, den Frieden stört - Zur Geschichte der Störsender in der DDR

ÑWer den RIAS hˆrt, den Frieden stˆrtì - Zur Geschichte ... · auf das KPD-Verbot in der Bundesrepublik und ging nur wenige Tage nach diesem Ereignis auf Sendung. Um seine Herkunft

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Der Vortragsraum im einsti-gen Berliner Arbeiterstadt-teil Oberschöneweide warbis auf den letzten Platzgefüllt, obwohl der laueSommerabend draußendurchaus mit Biergarten-wetter Konkurrenz machte.Der Ort hätte mit dem„Industriesalon“ nicht bes-ser gewählt werden können,ist doch hier in den letztenJahren ein Museum zur In-dustriegeschichte entstan-den, das insbesondere auchdie Sammlung „Technik imTurm“ aufgenommen hat,die einen Querschnitt derim Werk für Fernsehelek-tronik (WF) hergestelltenProdukte zeigt und vomlangjährigen MitarbeiterWinfried Müller liebevoll zu-sammengetragen wurde.

Ein anderer WF-Mitarbeiter,Joachim Kullmann, beschäf-tigte sich in seinem detailrei-chen aber auch humorvollenVortrag mit der Geschichteder Störsender in der DDR.

Die Sender wurden im WF inSchöneweide und von derDeutschen Post hergestellt.Die Initiative ergriff imSeptember 1953 jedoch nichtdie Regierung in Ostberlinsondern jene in Moskau, dieinsbesondere eine Störungdes RIAS-Empfangs wünsch-te. In einer vom sowjetischenBotschafter in der DDR,Wladimir Semjonow, getätig-ten Erklärung heißt es, derRIAS habe seine „reak-tionären Rundfunksendungengegen die DDR verstärkt“ undbisher gäbe es nur „unzurei-chende Gegenmaßnahmen“.Pikanterweise nahm man sichin Moskau ausgerechnet denVolksempfänger der Naziszum Vorbild, dessen Prinzip,ausschließlich einheimischen,linientreuen Sendern denEmpfang zu ermöglichen,auch in der sozialistischenDiktatur seine Nachahmungfinden sollte.

Tatsächlich gab es diese„Goebbels-Schnauze der

DDR“ schließlich als Einkrei-ser unter dem Namen „Kolibri“für 50 Mark zu kaufen, wasvor allem bei den Rentnernaufgrund des attraktiven Prei-ses Anklang fand. Bestücktwar der Apparat mit einerRöhre vom Typ UEL 51 ausdem Funkwerk Erfurt. Emp-fangbar waren nur zwei vor-eingestellte Sender. Zum ei-nen der jeweils örtliche Mittel-wellensender und zum ande-ren die DDR-weit zu hörendeLangwellenfrequenz desDeutschlandsenders. Beglei-tet wurde die Markteinfüh-rung des neuen Apparats miteiner Kampagne im Duktusdes Kalten Krieges: „Du willstkein Ami-Söldner sein, drumschalte nicht den RIAS ein!“

Referent Joachim Kullmannerinnerte sich in seinem Vor-trag noch gut daran, wie frü-her zu Hause die Rundfunk-gebühr persönlich von einemPostbeamten Monat für Monatkassiert wurde. „Damals warein Betrag von 2,05 Mark zu

entrichten - 2 Mark Rundfunk-gebühr und 5 Pfennig Kultur-abgabe. Unser Briefträger,Herr Müller, machte immerden Scherz ‚2 Mark für denRIAS und 5 Pfennig für RadioDDR’.“ Vielmehr war derRundfunk in der Zone für vieleHörer nicht wert, was manoffenbar auch in Ostberlin nurzu gut wusste. Nicht umsonstwurden die Quittungen undZustellbelege der Post mitPropagandaaufdrucken ver-sehen, auf denen „Der RIASlügt, die Wahrheit siegt“ oder„Wer den RIAS hört, denFrieden stört“ zu lesen war.

Da mit derart durchsichtigenAusfällen nicht viel erreichtwerden konnte, erhielt dasWerk für Fernmeldewesen(erst später hieß es Werk fürFernsehelektronik) den Auf-trag, einen kleinen Störsendermit 50 Watt Ausgangsleistungzu entwickeln, von denen spä-ter 50 bis 60 Stück DDR-weitim Einsatz waren. Der charak-teristische, an- und abschwel-lende Pfeifton sollte die RIAS-Ausstrahlung überlagern undso den Hörgenuss deutlichmindern oder sogar die Wort-beiträge aus der KufsteinerStraße in West-Berlin gänzlichunverständlich machen. Nichtunerwähnt sollte bleiben,dass Störsender ausschließ-lich in den sozialistischenLändern zum Einsatz kamen.Die westlichen, demokratischverfassten Staaten vertrautenauf das eigene Urteilsver-mögen ihrer Bewohner undließen den ungehindertenEmpfang der Programme vonder anderen Seite des eiser-nen Vorhangs zu. Rücksichtnehmen musste die DDR je-doch auf den Vier-Mächte-Status von Berlin, weshalb imunmittelbaren Umfeld derwestlichen Hälfte keine Stör-sender zum Einsatz kamen.Zu groß wären sonst die diplo-matischen Verwicklungen ge-wesen. Somit wurden die ers-ten Sender im Hinterland derDDR aufgestellt. Da sie ein-fach - auch von Laien - zu be-dienen waren, wurden siemeist auf Volkspolizei-Kreis-ämtern, Kasernen und Stasi-

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Dienststellen installiert. Spä-ter folgten deutlich größereStörsender mit einer Aus-gangsleistung von zwei Kilo-watt. Sie wurden von derDeutschen Post in Eigenregiehergestellt und auf den Ge-länden der herkömmlichenRundfunksender aufgestellt.Die großen Störsender wur-den in der Regel mit einemDDR-Hörfunkprogramm mo-duliert und um 1000 Hertz ver-setzt zur zu störenden Fre-quenz der westlichen Senderausgestrahlt. In der Nähe derStörquellen war dann das Pro-gramm von Radio DDR zuhören, da es stärker war, wei-ter weg überlagerten sich bei-de Aussendungen und es ent-stand einen Stimmenwirrwarr.

Da der RIAS, wie auch vieleandere Rundfunksender, miteiner Tag- und Nachtfrequenzarbeitete, um - angepasst andie Ionisierungsschichten inder Hochatmosphäre - die je-weils optimalen Sendebeding-ungen zu nutzen, mussten dieStörsender bei Frequenz-wechsel natürlich auch perHand nachgestimmt werden.Später erleichterten Doppel-frequenzgeneratoren dieseArbeit. Wenn der RIAS seine

Welle wechselte, musste nurnoch ein Drehknopf betätigtwerden und der Störsenderfolgte. Ein Kuriosum ist mitdem zweiten RIAS-Sender imfränkischen Hof verbunden,der für die Versorgung der

südlichen DDR installiert wur-de. Da das Modulationssignallive aus West-Berlin dorthinübertragen werden musste,betrieb die DDR quasi „fern-meldetechnische Prostitution“(O-Ton Kullmann) und reakti-vierte ein bereits zur NS-Zeitverlegtes Kabel, das von Ber-lin über Dresden, Leipzig,Chemnitz, Hof nach Münchenverlief. Dafür kassierte derchronisch klamme sozialisti-sche Staat harte West-Mark.Gleichwohl ermöglichte es dieAusstrahlung über den Sen-der Hof in bestmöglicher Stu-dioqualität, die dann natürlichwiederum von der DDR ge-stört wurde. So funktionierteder Kalte Krieg.

Doch nicht immer steckt hintertechnischen Problemen Ab-sicht oder gar eine Verschwö-rung. Als der Pegel währendder RIAS-Nachrichten in Hofimmer um 6 Dezibel abfiel,wusste man sich dort zu-nächst nicht anders zu helfenund regelte den Pegel ent-sprechend nach. Als man beiden DDR-Oberen ob der ver-meintlichen Sabotage prote-stierte, stellte sich jedoch he-

raus, dass ein DDR-Post-techniker sich mit einem nie-der-ohmigen Kopfhörer par-allel auf das Kabel nach Hofgeschaltet hatte, um dieWestnachrichten verfolgenzu können. Angeblich habendie RIAS-Techniker ihremKollegen dann einen hochoh-migen Kopfhörer geschickt,bei dem das Problem nichtmehr auftrat.

So plötzlich die Störsender-tätigkeit 1952 begann, so un-vermittelt war am 23. Novem-ber 1978 schlagartig damitSchluss. Man darf nicht ver-gessen, dass die politischeEiszeit zwischen beiden deut-schen Staaten allmählich zutauen begann. In der Bundes-republik war Egon Bahrs„Wandel durch Annäherung“das große Schlagwort undauch die DDR war sichtlichum weltweite Anerkennungbemüht. 1975 war sie etwabei der KSZE-Konferenz inHelsinki durch Erich Honeckervertreten, der seine Unter-schrift unter die Schlussaktesetzte, mit der eine verstärkteZusammenarbeit in Europabesiegelt wurde. Zudem stand

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Joachim Kullmann vor dem großen Störsender - links unten: der kleine Störsender

eine Wellenkonferenz in Ko-penhagen vor der Tür, an derdie DDR als souveräner Staatteilnahm und die peinlicheEpisode mit den Störsendernam liebsten schnell vergessenmachen wollte. Hinzu kam derrasante Ausbau des UKW-Sendernetzes, der Störver-suche auf den amplitudenmo-dulierten Wellen zunehmendunattraktiv machte.

Ebenfalls in die Zeit desKalten Krieges gehören derDeutsche Freiheitssender 904und der Deutsche Soldaten-sender 935. In beiden Pro-grammen, die stark ideolo-gisch gefärbt waren, wurdesuggeriert, es handele sichum Stationen, die vom Bodender Bundesrepublik aus be-trieben werden. In Wahrheitstand der 250 Kilowatt Grund-netzsender in Burg bei Mag-deburg. Da nur ein Sender -übrigens hergestellt im Funk-werk Köpenick - zur Verfü-gung stand, konnten beideProgramme nicht gleichzeitigausgestrahlt werden sondernmussten sich abwechseln.Der Deutsche Freiheitssender904, der seine Studios zeit-weise in Berlin-Grünau hatte,sendete vom 17. August 1956bis zum 30. September 1971.Er war ein politisches Echoauf das KPD-Verbot in derBundesrepublik und ging nurwenige Tage nach diesem

Ereignis auf Sendung. Umseine Herkunft zu verschlei-ern wurde mitunter mitten imProgramm die Modulationabgestellt und behauptet, „wirwerden angepeilt und müsseneinen anderen Sender wäh-len“. Hier setzte die DDR alsoauf ganz großes Theater. Umdie Hörer bei der Stange zuhalten, wurden nur westlicheSchlager gespielt, sodass derSender wenigstens in dieserHinsicht auch für DDR-Hörerattraktiv war, die somit dieübliche 40 zu 60 Quotenre-gelung umgehen konnten.

Der Deutsche Soldatensender935 sendete vom 1. Oktober1960 bis zum 30. Juni 1972.Auch hier waren mituntermerkwürdige Durchsagen zuhören, etwa „Achtung, jetztSilberlöffel kaufen“ oder „mor-gen Abend kommt das Eich-hörnchen“. Es wurde nichtganz klar, ob es sich hier umechte verschlüsselte Durch-sagen an DDR-Agenten imWesten handelte oder obauch dies Bestandteil derbewussten Irreführung derHörer war. Adressaten diesesProgramms waren Bundes-wehrsoldaten, die ebenfallsvon DDR-typischer Musik ver-schont worden sind. Dafürhatte es das Wortprogramm insich, das die Unsinnigkeit desDienstes an der Waffe in derBRD herausstreichen sollte.

Als Kontaktadresse wurdeWerner Schütz, Berlin W 8,Postfach 116, angegeben.Scheinbar eine Adresse inWest-Berlin, in Wahrheit abereine im Ostteil der Stadt, wodie Briefe abgefangen undentsprechend ausgewertetwurden. Viele Bundeswehr-soldaten waren da bereitsdrauf reingefallen und ahntennicht, dass hinter dem Pro-gramm die DDR-Staatssicher-heit und das Ministerium fürnationale Verteidigung steck-ten. Ihre Adressen gabenwertvolle Auskünfte über Bun-deswehrstandorte in der BRD.Zudem wurden für HörerbriefeKontaktadressen von Mäd-chen angegeben, was beiSoldaten naturgemäß die Be-reitschaft zum Schreiben er-höhte. Bei erfolgreicher Kon-taktaufnahme sollten soSpione für die DDR gewon-nen werden. In Informations-heften für die Soldaten sahsich die Bundeswehr schließ-lich genötigt, auf diese Irre-führung hinzuweisen und ihreKameraden zu warnen.

Die Frequenz 935 Kilohertzwurde vom Deutschen Sol-datensender nicht ohne Hin-tersinn gewählt, sendete dochauf diesem Kanal auch deramerikanische Soldatensen-der AFN in Berlin. Da er seineangestammte Frequenz austaktischen Gründen nicht auf-

geben wollte, die Ausstrah-lung jedoch erheblich gestörtwurde, nahm man dann denbekannten zweiten Sender inDahlem in Betrieb, dessencharakteristischer Sendemastim Dezember 1996 gesprengtwurde. Ende der 1980er Jah-re gab es für Störsender in derDDR noch einmal eine kurzeRenaissance - allerdings nurauf UKW und auf Berlin undsein Umland begrenzt. VomOstberliner Fernsehturm amAlexanderplatz wurden dievom privaten Rundfunk inWest-Berlin genutzten Fre-quenzen 100,6 Megahertzund 103,4 Megahertz gestört.Während der öffentlich-rechtli-che SFB politisch zahnlosagierte und sich linksliberalgeprägt eher mit der Mauerund der Frontstadt arrangierthatte, nahm insbesondere dasvom legendären Ulrich Scha-moni gegründete Hundert,6die politischen Machthaber inOstberlin ins Visier. Der „Sen-der für die schweigendeMehrheit“, wie er sich auchbezeichnete, hatte bis weit indas Berliner Umland hineinbereits eine große Popularitäterlangt und sein konsequen-ter Einsatz gegen die verhas-ste Mauer wurde gerade vonden DDR-Hörern honoriert.Kein Wunder also, dass abMärz 1989 massive Störun-gen insbesondere der Nach-richtensendungen einsetzten.Allerdings wurden hier „nur“bestimmte Meldungen her-ausgegriffen, die sich speziellmit der Lage in der DDR undden friedlichen Demonstratio-nen und dem sich abzeich-nenden politischen Umbruchdort beschäftigten.

Das Störprinzip war nun einanderes - es wurde einRauschsignal auf den Sendergegeben, wodurch der Emp-fang von Hundert,6 währenddieser Störungen in Ostberlinpraktisch unmöglich war.Doch da war der Mauerfallschon in Reichweite und mitder DDR war auch bald dasKapitel Störsender ver-schwunden.

Stefan Förster

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