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ZEITSCHRIFT FÜR !SSN 0722/5067 Infonnationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie September/Oktober 1995 -16.jahrg. Übersicht ß-Laktamasen: Neue Einteilung und klinische Bedeutung Bereits wenige Jahre nach der Einführung des Penicillins in die Therapie von Infek- tionskrankheiten wurden Staphylokokken gegen das neue Arzneimittel resistent. Längst ist bekannt, daß diese Resistenz- entwicklung auf der Fähigkeit der Erreger beruht, "Penicillinase" zu bilden - ein Enzym, das in der Lage ist, den ß-Laktam- ring im Penicillinmolekül hydrolytisch zu spalten. In den 60er Jahren wurden dann ähnliche Enzyme beschrieben, die in der Lage waren, Cephalosporine zu hydroly- sieren. Da Penicilline gegenüber diesen bakteriellen Produkten stabil waren, nannte man sie zunächst "Cephalospori- nasen". Allgemein durchgesetzt hat sich heute die Bezeichnung "ß-Laktamasen" für die Gesamtheit dieser wichtigen, Resi- stenz-vermittelnden Enzyme. 1 Einteilung n ach Bush Mit den zunehmenden Erkenntnissen der Mikrobiologen über die ß-Laktamasen wurde in den 70er] ahren ein Klassifizie- rungssystem vorgeschlagen, das bis heute gelegentlich noch benutzt wird. Die Autoren Richmond und Sykes hatten die damals bekannten Enzyme, die den ß-Laktamring in Penicillinen oder/und Cephalosporinen spalten konnten, in mehrere Klassen eingeteilt und mit römischen Ziffern von I bis V bezeichnet. Mittlerweile hat das Wissen über die ß-Laktamasen enorm zugenommen. Heute sind fast 200 unterschiedliche bak- terielle Proteine bekannt, die in der Lage sind, den ß-Laktamring zu hydrolysieren und die betreffenden Antibiotika da- durch zu inaktivieren. Die einzelnen ß-Laktamasen unterscheiden sich jedoch zum Teil erheblich in ihrem Substrat- profil. In derTabeile 1 wird ein neu es der- artiges Klassifizierungssystem vorgestellt, das unlängst von renomierten Unter- suchern auf diesem Gebiet veröffentlicht wurde. Es handelt sich um eine aktuali- sierte und erweiterte Form eines Schemas, das von Karen Bush erstmals vor etwa 5 Jahren vorgeschlagen worden ist. Wahr- scheinlieh wird diese Klassifizierung in Zukunft häufiger angewandt werden und das überholte System von Riebmond & Sykes ersetzen. 2 Von vielen dieser Proteine ist die genaue Aminosäuresequenz bekannt . ß-Lakta- masen der Klasse A besitzen ein Moleku- largewicht von etwa 29.000 und weisen einen Serinrest im aktiven Zentrum auf- sie hydrolysieren bevorzugt Penicilline. Ein Beispiel für Enzyme dieser Gruppe ist das TEM-1 Enzym, das in gramnegativen Bakterien häufig nachgewiesen werden kann (Anmerkung: "TEM" ist die Abkür- zung für "Temoniera" - der Name eines Patienten). Klasse B ß- Laktamasen sind Metalloenzyme, die eine Zink-bindende Thiolgruppe aufWeisen. In die Klasse C gehören Enzyme, die hauptsächlich Cephalosporinase-Aktivität besitzen. Sie haben ein relativ hohes Mo lekular- gewicht von 39.000, besitzen ebenfalls einen Serinrest im aktiven Zentrum, Übersicht weisen aber nur relativ geringe Homo- logie mit den Enzymen der Klasse A auf. Interessanterweise besitzen beide - die Klasse A und Klasse C Enzyme- struktu- relle Ähnlichkeiten mit den sogenannten Penicillin-bindenden Proteinen, aus denen sie wahrscheinlich hervorgegangen sind. Schließlich gibt es Klasse D ß-Laktama- sen, die Oxacillin und ähnliche Penicil- line hydrolysieren können. Genetische Kontro ll e der ß-Laktamasen Die ß-Laktamasen der grampositiven Er- reger sind überwiegend induzierbar und werden in das umgebende Medium abge- geben; die gramnegativen Keime bilden eine weitaus größere Vielfalt an ß-Lakta- masen, die im periplasmatischen Raum lokalisiert sind. Es ist bemerkenswert, daß praktisch alle gramnegativen Bakterien eine -oft für die betreffende Spezies spe- zifische- ß-Laktamase bilden. Die Gene, auf denen die Sequenzen dieser Proteine kodiert sind, liegen in der Regel auf dem 5'95 Seite 33-35 - ß-Laktamasen: Neue Einteilung und klinische Bedeutung Antibiotikatherapie im ärztlichen Alltag (5) - Nekrotisierende Fasziitis Kongreßbericht - 19. ICC in Montreal Vakzination - Influenza-Impfung: Auch im Alter wirksam - Eiweiß-Allergie keine Kontraindikation Pharmamarkt - Vier Chemotherapeutika in der Spitzengruppe N eueinfiihrung - Meropenem - bei Peritonitis/ bei Meningitis Mittel der Wahl - Lyme-Erkrankung: Doxycyclin oder Cefuroxim? - Minocyclin bei rheumatoider Arthritis? Fragen zu wichtigen Infektionen (11) - Lyme-Krankheit (II) Seite 35 Seite 36 Seite 36-37 Seite 37 Seite 37-39 Seite 39-40 Seite 39 33

ÜbersichtBeispiel von Enterobacteriaceae an Haemo philus influenzae und an Neisserien über tragen worden und heute we ltweitverbreitet.3 Bedeutung für die Klinik Die intensiven

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Page 1: ÜbersichtBeispiel von Enterobacteriaceae an Haemo philus influenzae und an Neisserien über tragen worden und heute we ltweitverbreitet.3 Bedeutung für die Klinik Die intensiven

ZEITSCHRIFT FÜR !SSN 0722/5067

Infonnationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie September/Oktober 1995 -16.jahrg.

Übersicht ß-Laktamasen: Neue Einteilung und klinische Bedeutung

Bereits wenige Jahre nach der Einführung des Penicillins in die Therapie von Infek­tionskrankheiten wurden Staphylokokken gegen das neue Arzneimittel resistent. Längst ist bekannt, daß diese Resistenz­entwicklung auf der Fähigkeit der Erreger beruht, "Penicillinase" zu bilden - ein Enzym, das in der Lage ist, den ß-Laktam­ring im Penicillinmolekül hydrolytisch zu spalten. In den 60er Jahren wurden dann ähnliche Enzyme beschrieben, die in der Lage waren, Cephalosporine zu hydroly­sieren. Da Penicilline gegenüber diesen bakteriellen Produkten stabil waren, nannte man sie zunächst "Cephalospori­nasen". Allgemein durchgesetzt hat sich heute die Bezeichnung "ß-Laktamasen" für die Gesamtheit dieser wichtigen, Resi­stenz-vermittelnden Enzyme. 1

Einteilung nach Bush

Mit den zunehmenden Erkenntnissen der Mikrobiologen über die ß-Laktamasen wurde in den 70er] ahren ein Klassifizie­rungssystem vorgeschlagen, das bis heute gelegentlich noch benutzt wird. Die Autoren Richmond und Sykes hatten die damals bekannten Enzyme, die den ß-Laktamring in Penicillinen oder/und Cephalosporinen spalten konnten, in mehrere Klassen eingeteilt und mit römischen Ziffern von I bis V bezeichnet.

Mittlerweile hat das Wissen über die ß-Laktamasen enorm zugenommen. Heute sind fast 200 unterschiedliche bak­terielle Proteine bekannt, die in der Lage sind, den ß-Laktamring zu hydrolysieren und die betreffenden Antibiotika da­durch zu inaktivieren. Die einzelnen ß-Laktamasen unterscheiden sich jedoch zum Teil erheblich in ihrem Substrat­profil. In derTabeile 1 wird ein neu es der­artiges Klassifizierungssystem vorgestellt, das unlängst von renomierten Unter­suchern auf diesem Gebiet veröffentlicht wurde. Es handelt sich um eine aktuali­sierte und erweiterte Form eines Schemas, das von Karen Bush erstmals vor etwa 5 Jahren vorgeschlagen worden ist. Wahr-

scheinlieh wird diese Klassifizierung in Zukunft häufiger angewandt werden und das überholte System von Riebmond & Sykes ersetzen.2

Von vielen dieser Proteine ist die genaue Aminosäuresequenz bekannt. ß-Lakta­masen der Klasse A besitzen ein Moleku­largewicht von etwa 29 .000 und weisen einen Serinrest im aktiven Zentrum auf­sie hydrolysieren bevorzugt Penicilline. Ein Beispiel für Enzyme dieser Gruppe ist das TEM-1 Enzym, das in gramnegativen Bakterien häufig nachgewiesen werden kann (Anmerkung: "TEM" ist die Abkür­zung für "Temoniera" - der Name eines Patienten). Klasse B ß-Laktamasen sind Metalloenzyme, die eine Zink-bindende Thiolgruppe aufWeisen. In die Klasse C gehören Enzyme, die hauptsächlich Cephalosporinase-Aktivität besitzen . Sie haben ein relativ hohes Molekular­gewicht von 39.000, besitzen ebenfalls einen Serinrest im aktiven Zentrum,

Übersicht

weisen aber nur relativ geringe Homo­logie mit den Enzymen der Klasse A auf. Interessanterweise besitzen beide - die Klasse A und Klasse C Enzyme- struktu­relle Ähnlichkeiten mit den sogenannten Penicillin-bindenden Proteinen, aus denen sie wahrscheinlich hervorgegangen sind. Schließlich gibt es Klasse D ß-Laktama­sen, die Oxacillin und ähnliche Penicil­line hydrolysieren können.

Genetische Kontrolle der ß-Laktamasen Die ß-Laktamasen der grampositiven Er­reger sind überwiegend induzierbar und werden in das umgebende Medium abge­geben; die gramnegativen Keime bilden eine weitaus größere Vielfalt an ß-Lakta­masen, die im periplasmatischen Raum lokalisiert sind. Es ist bemerkenswert, daß praktisch alle gramnegativen Bakterien eine -oft für die betreffende Spezies spe­zifische- ß-Laktamase bilden. Die Gene, auf denen die Sequenzen dieser Proteine kodiert sind, liegen in der Regel auf dem

5'95 Seite 33-35

- ß-Laktamasen: Neue Einteilung und klinische Bedeutung

Antibiotikatherapie im ärztlichen Alltag (5) - Nekrotisierende Fasziitis

Kongreßbericht - 19. ICC in Montreal

Vakzination - Influenza- Impfung: Auch im Alter wirksam - Eiweiß-Allergie keine Kontraindikation

Pharmamarkt - Vier Chemotherapeutika in der Spitzengruppe

N eueinfiihrung - Meropenem - bei Peritonitis / bei Meningitis

Mittel der Wahl - Lyme-Erkrankung: Doxycyclin oder Cefuroxim? - Minocyclin bei rheumatoider Arthritis?

Fragen zu wichtigen Infektionen (11) - Lyme-Krankheit (II)

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Zeitschrift fü r Chemotherapie

bakteriellen C hromosom. Die Enzyme werden in sehr geringe r Menge gebildet­die ß-Laktamaseaktivität kann aberdurch Induktion oder durch Vermehrung der entsprechenden Gene gesteigert werden. Die Mehrzahl der klinisch re levanten, chromosomal kodierten ß-Laktamasen gehören zu der Gruppe 1 nach Bush und sind demnach Cephalospo rinasen , die duch Clavulansäure nicht inhibierbar sind. Sie können auch die Cephalospo­rine der sog. "3. Generation" zerstören, di e

stab il gegenüber den m eisten Plasmid­kodierten ß-Laktam asen sind. H äufig sind die Gene, auf denen die In­formation für ß-Laktam asen gespeichert ist, aufPlasmiden oderTransposons loka­lisiert (Plasmide = extrachromosoma le, ringförmige DNA; Transposans = tran s­ponierbare DNA, di e zwischen Chromo­somen und Plasmiden übertragbar ist). Wegen dieser Anordnung auf übertrag­baren DNA-Molekü len kann die Infor­mation diese r Res istenzgene von einer

Tabelle 1: Einteilung der ß-Laktamasen (nach Bush et al., 1995)

September/ Oktober 1995 - 16.}ahrg.

Bakterienart zur anderen weitergegeben werden . D ie TEM -1 ß-Laktamase ist zum Beispiel von Enterobacteriaceae an Haemo­philus influenzae und an Neisserien über­tragen worden und heu te we ltweitverbreitet. 3

Bedeutung für die Klinik Die intensiven Forschungsbemühungen auf diesem Gebiet sind nicht nur von aka­demischem Interesse: die Ausbreitung resistenter Erreger spielt heute weltweit eine große Rolle. Es sind bereits za hl­reiche Resisten zmechanism en bekannt,

Gruppe Gruppe nach Molekular- Bevorzugtes H emmung durch: typische Enzym e Riebmond Klasse Substrat C lavulan- E DTA &Sykes säure

Gruppe 1: Cephalosporinasen , keine Inaktivierung durch C lavulansäure

1 Ia, Ib , Id C Cephalosporine

Gruppe 2: ß-Laktamasen, mehr oderweniger durch C lavulansäure inaktivierbar

2a - 1 A Penicilline +

2b

2be

2br 2c

2d

2e

2f

III A

A

A II,V A

V D

Ic A

A

Penici ll ine, Cephalosporine Penicill ine , Cephalosporine2

Monobactam e Penicilline Penicilline, Carbenicillin Penicill ine, C loxacil lin Cep halosporine

Penicilline Cephalosporine Carbapeneme

+

+

+

+

+

MIR-F; AmpC aus gramnega tiven Bakterien

Penicillinasen aus gramposi tiven Bakterien TEM-1,TEM-2, SHV-F ''.

TEM-3 bisTEM -26; SHV-2 bis SHV-6 '' K. oxytoca K1 TEM-3 0 bis TEM-36, TRC-1 PSE-1 '•'', PSE-3, PSE-4

OXA- 1 ,,.,,. bis OXA-11 , PSE-2 (OXA- 10) induzierbare Cephalo-sponnasen von Proteus vulga ri s NM C-A aus E. cloacae Sme-1 aus S. marcescens

Gruppe 3: Metallo-ß-Laktamasen, keine Inaktivierung durch Clavulansäure (hemmbar durch EDTA) 3 1 B ß-Laktamantibiotika + L1 aus X. maltophilia

einschl. Carbapeneme CerA aus B. fragilis

Gruppe 4: Penicillinasen, keine Inaktivierung durch C lavulansäure 4 - 1 X3 Penicilline Penicillinase aus P. cepacia

''Enzy me, di e in Bakteri en ge funden werd en , die nosoko mi ale Ausbrüche vo n Infektionen verursacht haben "" häufig ode r sehr häufi g vo rko mmende ß-Laktamase n I = ni cht kl ass ifi z iert 3 = ni cht bes timmt modifi z ie rt nach Bush et al., 1995 ; Mayer et a l. , 1995 2 =einschl ieß lich Cephalosporine mit e rweite rtem Spektrum

Tabelle 2: Resistenzmechanismen bakterieller Erreger

Mechanismus ß-Laktam - Amino- Makro- Tetra- Chin o- Vanco-an tibiotika glykoside Iide cycline lone mycm

1. Produktion von inakti- C, P C,P p vierenden Enzymen 2. Impermeabilität c c - C,P - c der bakteriellen Zellmembran 3. Efflux (aktiver Auswärtstransport) - - c C, P c des Antibiotikums 4. Veränderungen des - c C,P C,P Targe ts am Ribosom 5. Veränderungen des - - - - - C,P Targets in der Zellwand 6. Veränderungen des Targetenzyms c - - c C = C h ro mosomal kod ie rt , P = Plasmid-kodiert modifi z iert nach M ayer et al. , 1995

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Zeitschrift für Chemotherapie

doch neue Erkenntnisse kommen laufend hinzu.4 Durch Mutation des Erbgutes eines Erregers kann es zum Beispiel zu Veränderungen im Aufbau eines riboso­malen Proteins kommen, an welches das Antibiotikum dann nicht mehr bindet -man spricht von Veränderungen des Target­oder Zielenzyms (Tabelle 2, Punkt 6). Häufig entwickeln Bakterien auch Mecha­nismen, die dazu führen, daß die Konzen­tration des Antibiotikums am Wirkort in der Bakterienzelle ·niedrig bleibt und nicht ausreicht, um den Erreger entspre­chend zu schädigen (Tabelle 2, Punkte 2 und 3). Sehr häufig sind es jedoch ß-Laktamasen, die den entsprechenden Bakterienstämmen ihre Resistenzeigen­schaften verleihen (Tabelle 2, Punkt 1).

Auch der klinisch tätige Arzt, der sich mit den Problemen der Res istenzepidemio­logie auseinander setzt, wird heute zu­nehmend mit den Ergebnissen der "ß-Laka tamase-Forschung" konfrontiert. Der Hinweis auf die ß-Laktamasestabilität eines bestimmten ß-Laktamantibiotikums gehört neben der Angabe des antibakte­riellen Spektrums zu den Standardpara­metern, die für die Charakterisierung eines Antibiotikums benutzt werden. Im Wettlauf zwischen neuen ß-Laktamasen in resistenten Erregern und der Entwick­lung neuer Antibiotika hat es immer wieder Fortschritte im Sinne von besser wirksamen ("ß-laktamasefesten") Anti­biotika gegeben, doch wurden bereits wenige Jahre nach Einführung des Cefo­taxims (CLAFORAN) in Deutschland Klebsiella pneumoniae-Stämme isoliert, die das Antibiotikum mit Hilfe der ß-Lak­tamase SHV-2 hydrolysieren konnten (Gruppe 2 be nach Bush). Ähnliche Ent­deckungen machte man in Frankreich mit Erregern, die in der Lage waren Ceftazidim zu spalten (Bezeichnung des Enzyms: CTX-1 oderTEM-3). Als eine wachsende Gefahr werden heute die Metallo-ß-Laktamasen der Gruppe 3 nach Bush angesehen, die in der Lage sind, auch die sonst so stabilen Carbapeneme zu hydrolysieren.

ZUSAMMENFASSUNG: Mit dem neuen Klassifizierungssystem von Bush werden die bisher bekannten ß-Lakta­masen neu eingeteilt. Mit der neuen "Nomenklatur" werden auch die klinisch tätigen Ärzte konfrontiert werden, denn die Kenntnisse über die ß-Laktamasen stehen in engem Zusammenhang mit den epidemiologischen Problemen der Resistenzausweitung unter wichtigen Erregern bakterieller Infektionen. I. MEDEIROS,A.A.

Brit. Med. Bull. 1984 ; 40 : 18- 27 2. BUSH, K. et al.

Antimicrob. Agents. Chemother. 1995; 39: 1211- 1233

3. MAYER, K. H. et al. in: Principles and Practice oflnfectious Disease. Mandeli et al. (eds). 1995; 212-225

4. JACOBY,G.A.,ARCHER,G. L. N. Engi.J. Med. 1991; 324:601-612

September/Oktober 1995 -16.jahrg.

Antibiotikatherapie im ärztlichen Alltag (5) Nekrotisierende Fasziitis Kasuist ik : Bei einem über mehrere Wochen bettlägerigen 73 Jahre alten Patienten mit Diabetes mellitus und chronischem Alko holismus entwickelte sich über einige Tage im Bere ich eines Dekubitalulcus über dem Tuber ischiadicum ein massives Erythem der Haut mit fokalen nekrotisiere nden Epidermolysen im gesamten Anogenitalbereich. Der Patient gibt in diesem befallenen Hautbereich erhebli che Schmerzen an und biete t febrile Temperaturen b is 39° C sowie zeitweilige Verwirrtheitszustände.

Bemerkung_;_ Der klinische Befund mit. einer entzündlich en Schwellung der Haut, einem unscharf begrenzten Erythem sowie ei ner rötlich lividen, landkartenartigen Verfarbung der Haut mit zentralen schwärzlichen Bezirken muß auf die Verdachtsdiagnose einer nekrotisie­renden Fasziitis hinweisen. D a die Di ffe rentialdiagnose insbesondere im Anfangsstadium schwierig ist, sind in der einschlägigen Literatur sechs weitere Charakteristika formu liert worden: 1. Eine extensive Nekrose der oberflächlichen Faszie mit Ausdehnung auf die angren­zende Haut, 2. mittlere bis schwere Systemintoxikation mit Bewußtseinsstörung, 3. Feh len einerprimären Muskelbeteiligung, 4 . Fehlen von Clostridien im Wundabstrich, 5. Fehlen eines ursäch lich en Gefaßverschlusses , 6. Leukozyteninfiltration ,.fokale Nekrosen der Faszie und des umgebenden Gewebes sowie mikrovaskul äre Thrombosen bei der histologischen Unter­suchung des exzidierten Gewebes.

Im fortgeschrittenen Stadium dieser Erkrankung kommt es zu breitflächigen Fasziennekrosen mit ausgedehnten kutanen Gewebsuntergängen. Meist fehlt eine Lymphadenopathie und es entwickelt sich ein ausgeprägtes septisches Krankheitsbi ld .

Ätio logie: Bei der nekrotisierenden Fasziitis handelt es sich um eine bakterielle Infektion, bei der bezüglich des Erregerspektrums zwei Typen differenziert werden können. DerTyp I ist charakterisiert durch eine Mischinfektion mit Anae robiern, Enterobakterien oder Non-A­Streptokokken ,derTyp II wird durch hämolysierende Streptokokken derGruppeAverursacht. DerrA-Streptokokken wird pathogenetischdi e größere Bedeutung beigemessen. Insbesondere die Streptokokken mit den M-Proteinen Typ 1 und Typ 3 werden bei derartigen invasiven Erkrankungen gefunden. Darüberh in aus si nd diese bakteriellen Erreger charakterisiert durch einen endotoxinähnlichen C-Komplex, durch das Streptolysin S, sowie durch sogenannte "spreading factors" wie Hyaluronid ase, Streptokinase und Streptodornase. Epidemiologisch wird in den USA von 10.000 Erkrankungsfallen jährlich ausgegangen und das Krankheitsbild wird neuerdings als streptogenes, toxisches Schocksyndrom bezeichnet.

TheraR ie: Liegen die klinischen Charakteristika einer nekrotisierenden Fasziitis vor, so besteht die Indikation zur unverzüglichen Operation. Sämtliches nekrotisches Gewebe muß konse­quent exzidiert werden. Insbesondere bei septischem Krankheitsbild ist eine intensivmedizi­nische Therapie und Überwachung notwendig. Die antibiotische Behandlung steht nicht im Vord ergrund der therapeutischen Bemühungen, sollte jedoch unbedingt auch eingeleitet werden. Den Streptokokken kommt zwar pathogenetisch der höchste Stellenwert zu , sehr häufig handelt es sich jedoch um Mischinfektionen mit grampositiven, gramnegativen und anaeroben Erregern. Eine antimikrobielle Therapie mit einem Breitspektrum-Penicillin in Kombination mit einem ß-Laktamase- lnhibitorerfaßt das Keimspektrum adäquat. So können Ampicillin plus Sulbactam (UNACID) in einer täglichen Dosis von dreimal3 g, Amoxicillin plus Clavulansäure (AUGMENTAN) viermal 2 g täglich, Mezlocillin (BAYPEN) dreimal 4 g täglich plus dreimal 1 g Sulbactam (COMBACTAM) täglich oder Piperacillin plus ß-Lak­tamasehemmer (TAZOBAC) drei- bis vierma l 5 g iv täglich empfoh len werden.

Prognose: Die Letalität dieser schweren Infektion ist davon abhängig, wi e schnell di e chirur­gische Versorgung erfolgt. Mit zunehmendem Alter steigt die Letalität der nekrotisierenden Fasziitis. Diese kann bei unzureichender oder verzögerter Behandlung bis zu 70% erreichen.

P. KUJATH et al., Dtsch. med. Wscr. 1995; 120: 965- 968 B. SCHWARTZ et al., 34. ICAAC Orlando, Oktober 1994

Differentialdiagnose der nekrotisierenden Fasziitis Krankheit Erreger Progredienz Lymphan- Erythem- Nekrosen systemische

gitis begrenzung Toxizität

nekro- Mischinfektion rasch unscharf H aut und +++ tisierende (aerob/anaerob), (Stunden- Faszie Fasziitis Streptokokken Tage)

der Gruppe A Erysipel Streptokokken verzögert +++ scharf +

der Gruppe A (Tage-Wochen)

Gasbrand Clostridien, rasch + meist kein Muskel +++ Mischinfektion (Stunden- Erythem

Tage) vorhanden "toxic shock Staphylococcus rasch ++ diffus Haut, ober- +++ syndrome" aureu s (TSST-1, (Stunden- fläch li ch

Enterotoxin B) Tage)

TSST ="toxic shock syndrome toxin"; +=gering,++= deutlich,+++= massiv

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Zeitschrift für Chemotherapie

Kongreßbericht 19. Internationaler Kongreß fiir Chemotherapie (ICC), Juli 1995 in Montreal/Canada Der 19. ICC lag zeitlich weitgehend in der Sommerferienzeit, weshalb mit 7.000 Teilnehmern der Besuch unterhalb der Erwartungen blieb. Im Mittelpunkt der viertägigen Veranstaltung standen zu­nehmende Resistenzprobleme, neue gen­therapeutische Ansätze und die Vorstel­lung neuer Chemotherapeutika.

Eine Arbeitsgruppe aus Boston von der Harvard-Universität berichtete über die Resistenzmechanismen gegenüber Chi­nolonen . Eine Resistenz gegenüberdieser Substanzgruppe wird vermehrt bei Sta­phylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa gesehen. Eine multiple Resi­stenz gegen andere Antibiotika zusam­men mit den Chinolonen ist insbeson­dere verbunden mit einem bakteriellen Transportkanalprotein (Porin) sow1e auch bei einigen Bakterien in Zusammen­hang mit anderen Proteinen der äußeren Bakterienmembran. Die Regulation der Express ion dieser Effluxtransportmecha­nismen und Porinproteine ist sehr kom­plex und beinhaltet m ehrere Gene. Aber auch die Veränderungen der DNA-Gyrase und die damit verbundene Resistenz haben deutlich zugenommen.

Eine spanische Arbeitsgruppe berichtete über die zunehmende Res istenz von gram positiven Errege rn . Während in den Jahren von 1970 bis Ende 1980 vorwie­gend Substanzen mit Wirksamkeit gegen gramnegative Erreger entwickelt wurden, ist in den IetztenJahren insbesondere die Resistenzentwicklung von grampositiven Erregern zu einem erheblichen therapeu­tischen Problem geworden. Diese Pro­bleme können wie folgt charakterisiert werden:

Deutliche Zunahme von Betalaktam- und Makrolidresistenz von Streptococcus pneumomae; Viridans-Streptokokken entwickeln Resistenz gegen Betalaktame und Aminoglykoside; Streptococcus pyogenes wird resistent gegenüber Makro­liden und verm utlich auch demnächst gegen Penicilline; Streptokokken der Gruppen B, C und G werden makrolid­resistent; Enterokokken entwickeln Resi­stenz gegen Vancomycin (VANCOMY­CIN CP Lilly) und Teicoplanin (TARGO­CID) sowie eine Resistenz auch bei hohen Konzentrationen gegenüber Penicillinen und Aminoglykosiden ; S. aureus ist resi­stent gegenüber Betalaktamen, Makro­liden , Clindamycin (SOBELIN) und Aminoglykosiden; Koagulase-negative Staphylokokken sind resistent gegen Be­talaktam e, Aminoglykoside, Makrolide, Clindamycin und Glykopeptide; Stämme von Listeria- und Corynebakterien sind

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multiresistent und gram-positive anaerobe Keime wie Peptostreptococcus und Clo­stridium sind unempfindlich gegenüber Penicillinen und Makroliden . Gegenüber diesen resistenten Stämmen ist das derzei­tige therapeutische Armentarium außeror­dentlich eingeschränkt und bedarf drin­gend neuer Entwicklungen.

Schwere Infektionen durch Streptokokken der Gruppe A nehmen zu und sind häufig verbunden mit Sepsis, einer aggressiven diffusen Weichtei li nfektion und dem Pro­blem der frühen Manifestation von Schock und Organversagen . Das Vollbild dieser Erkrankung wird als toxisches Schocksyndrom bezeichnet. Derartige Streptokokkenstämme produzieren ein pyrogenes Exotoxin der Gruppe A oder B oder beide zusammen. Zumeist wird durch dieses Exotoxin eine massive Zyto­kinfreisetzung induziert. Bei 50% der Patienten kann eine Eintrittspforte nach­gewiesen werden (u. a. chirurgische Wunden, Entbindungen, Schnittverlet­zungen , Windpocken). Eine frühe Dia­gnose und aggressive Maßnahmen, ein­schließlich der chirurgischen Interven­tion, sind notwendig, um den häufig aggressiven potentiell letalen Verlauf zu beeinflussen . Penicilline können gele­gentlich nicht wirksam sein, da derartige Streptokokken teilweise keine Penicillin­bindenden Proteine aufWeisen . Protein­syntheseinhibitoren, wie z. B. Clindamy­cin (SOBELIN) sind zumindestens 1m Tierexperiment wirksam.

Aus Jamaica wird ein deutlicher Anstieg der Resistenz von Gonokokken mitge­teilt. Bei 199 in den letzten Monaten isolierten N. gonorrhoae wurde in 2 9% eine Penicill inresistenz und in 16% eine Tetrazyklinresistenz gefunden (1989 noch 1 %). Komplett aktiv waren Ceftria­xon (ROCEPHIN), Cefuroxim (ZINA­CEF), Ciprofloxacin (CIPROBAY), Nor­floxacin (BARAZAN) und Spectinomy­cin (STANILO).- Die Ursache für diese Resistenzentwicklung kann in den verän­derten Behandlungsregimen für Gono­kokken infektionen in Jamaica gesehen werden .

Eigenreche rche

Vakzination Influenza-Impfung auch wirksam bei älteren Patienten Immerwiederwird gerade in Deutschland die Wirksamkeit einer Influenza-Impfung bei älteren Patienten bezweifelt. In der vorliegenden Stud ie aus den südlichen Bezirken der Niederlande wurde mit einem doppelblinden, placebokontrollierten Pro­tokoll in der Influenza-Saison 1991192 eine erfolgreiche Studie vorgenommen. 15 niedergelassene praktische Ärzte gaben

September/Oktober 1995 -16.jahrg.

bei 1.838 Patienten im Lebensalter über 60 Jahren (53% Frauen, 27% risikoreiche Grunderkrankungen) entweder eine wirk­same Vakzine in der damals empfohlenen Zusammensetzung bzw. ein Placebo. 927 Patienten gehörten der Verumgruppe an, 91 1 Patienten erhielten phys iologische Kochsalzlösung als Placebo . Alle Patienten wurden im Mittel fünf Monate lang hin­sichtlich der Inzidenz von klinischen Influenza-Symptomen wie auch positiver Influenza-Serologie kontrolliert. Die Ärzte diagnostizierten eine klinische Influenza-Manifestation bei 1,8% der geimpften Patienten im Vergleich zu 3,4% in der Placebo-Gruppe. Die Häufig­keit einer serologisch nachgewiesenen Influenza betrug 4,5% in der Impfgruppe und 9% in der Placebo-Gruppe . Die Unterschiede waren statistisch signifi­kant.

FOLGERUNG DER AUTOREN: In dieser prospektiven Doppelblindstudie erwies sich die Influenza-Impfung als wirksam hinsichtlich der Verminderung der klinischen und serologisch nachweis­baren Manifestationen einer Influenza bei Patienten über 60 Jahren.

GOVAERT, T.M. et al. JAMA 1994; 272: 1661 - 65

Influenzaimpfstoff 1995/96 Die WHO empfiehlt für die Saison 1995 / 96 den trivalenten Influenza-Impfstoff mit den Stämmen (bzw. den als "entspre­chend" deklarierten Stammvarianten): A/Johannesburg/ 33 / 94 (H3N2), A/S inga­pure/ 6/ 86 (H1N1) und B/ Beijing/ 184/ 93 .

Die Empfehlung, bei dem Subtyp H3N2 zum Stamm A!Johannesburg/33/94 zu wechseln, basiert auf der Erkenntnis, daß sich inzwischen viele Isolate antigenetisch von A/ Shangdong/ 9/ 93 unterscheiden . Der H1N1-Subtyp (A/Singapure/6/86) persistiert offenbar auf einem niedrigen Niveau; eine Aktivität konnte nur spora­disch in einigen Ländern über all e Konti­nente verteilt nachgewiesen werden. Aktuell typisierte Influenza B-Viren ent­sp rachen dem Stamm B/ Beijing/184/93.

WHO: Wkly Epidemie. Rep. 1995; 70 : 53

ANMERKUNG DER REDAKTION: In den USA ist es den Bestrebungen der Ärzte und des öffentlichen Gesundheits­wesens gelungen, den Anteil der jährlich gegen Influenza geimpften Erwachsenen im Alter über 65 Jahre auf über 60% zu steigern. In Deutschland sind wir noch weit von diesem Ziel entfernt; jedoch sollte vermehrt an diese - auch von den Krankenkassen bezahlte- sehr sinnvolle Präventionsmanahme von allen Ärzten gedacht werden.

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Zeitschrift für Chemotherapie

Masern-Mumps-Röteln-Impfstoffe bei Kindern mit Hühnereier-Allergie Es wird geschätzt, daß 0,5% aller neuge­borenen Kinder allergisch gegenüber Hühnereiweiß sind. Bislang galt eine derartige allergische Disposition als Kontra­indikation fürdie Gabe von Impfstoffen, bei denen der Impfstamm aufHühnereiweiß­enthaltenden Nährböden bzw. entspre­chenden vom Huhn abstammenden Zell­kultursystemen angezüchtet wird. Für Patienten mit einernachgewiesenen Hüh­nereiweiß-Allergie, die nicht zu einer anaphylaktoiden Reaktion führt bzw. mit einer Allergie gegenüber Hühnerfedern, gilt diese generelle Kontraindikation nicht. Patienten mit einem positiven Prick- bzw. intrakutanem Hauttest können durch mehrfache Impfungen mit auf­steigenden Dosen einer Desensibilisie­rung unterzogen werden. Eine amerikani­sche Arbeitsgruppe untersuchte jetzt die Frage, ob die Gabe des kombinierten Masern-, Mumps-, Rötelnimpfstoffes bei Kindern mit nachgewiesener Hühnerei­weiß-Allergie zu klinischen Problemen führt. Der getestete Impfstoff der Fa. Merck, Sharp & Dohme wird in Fibro­blasten kultiviert, die von Hühnerem­bryonen gewonnen werden.

Die Autoren rekrutierten 54 Kinder in einem mittleren Alter von 18,5 Monaten, die bisher nicht geimpft waren und von denen bekannt war, daß eine Allergie gegenüber Eiern bestand. Von den 54 Kin­dern hatten alle eine positive Reaktion im Hauttest. Eine Allergie gegenüber Eiern konnte bei 26 der 54 Kinder durch eine überzeugende Anamnese hinsichtlich einer anaphylaktoiden Reaktion nach dem Genuß von Eiern bestätigt werden. Bei weiteren 22 Kindern gelang die Siche­rung der Allergie durch eine Nahrungs­exposition, die von entsprechenden Durchfällen gefolgt war. Bei den rest­lichen sechs Patienten ergaben sich aus der Anamnese Hinweise auf eine kürzlich zurückliegende allergische Reaktion. Bei 17 Patienten mit ganz besonders hoch eingeschätztem Risiko wurde zusätzlich ein intrakutaner Test mit dem Impfstoff durchgeführt, eine positive Reaktion zeigten drei der 17 Kinder. Im Anschluß an die ausgedehnte allergologische Dia­gnostik erhielten alle 54 Kinder 0,5 ml der Vakzine als subkutane Injektion. Keines der Kinder zeigte kurzfristig oder im lang­fristigen Verlauf eine Impfreaktion.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Die Masern-Mumps-Rötelnvakzine kann in einer einzelnen Dosis auch Kindern mit einer nachgewiesenen Eiweiß-Allergie gegeben werden, ohne daß wesentliche unerwünschte Wirkungen beobachtet werden. Dies gilt auch fiir Kinder mit aus­geprägter Hypersensitivität gegenüber Hühnereiweiß. ]. M.JAMES et al. N.Engi.J .Med.l995 ; 332: 1262- 6

Pharmamarkt Pharmazeutische Spitzenprodukte weltweit 1994 Ranitidin (ZANTIC) mit einem Umsatz von 4.011 Milliarden US Dollar und Enalapril (LOPIRIN) mit 2.042 Milliar­den US Dollar waren 1994 weltweit un­verändert die am meisten verkauften pharmazeutischen Produkte. Unter den ersten zehn am häufigsten verkauften Pharmaka befanden sich drei Antiinfek­tiva- erstaunlicherweise an vierter Stelle Aciclovir(ZOVIRAX) mit einem Umsatz von 1.535 Milliarden US Dollar, Amoxi­cillin/Clavulansäure (AUGMENTAN) mit 1.322 Milliarden US Dollar und Ciprofloxacin (CIPROBAY) mit 1.287 Milliarden US Dollar. Mit Cefaclor (PANORAL) und Ceftriaxon (ROCE­PHIN) auf den Plätzen 18 und 19 waren zwei weitere Antibiotika unter den ersten 20 umsatzstärksten Präparaten zu finden.

Eigenrecherche

Neueinführung Meropenem- ein neues ß-Laktam­antibiotikum zur Behandlung schwerer Infektionen Meropenem (MERONEM) ist ein neues ß-Laktamantibiotikum zur parenteralen Behandlung von Patienten mit schweren bakteriellen Infektionen. Nach seiner Grundstruktur gehört es in die Gruppe der Carbapeneme und weist damit vor allem Verwandtschaft zum Imipenem auf, das in Kombination mit Cilastatin als ZIENAM im Handel ist. Allerdings unter­scheidet es sich von diesem Antibiotikum in einigen Punkten, die es zu einer inter­essanten Alternative werden lassen. Im Gegensatz zu Imipenem weist die neue Substanz zum Beispiel eine deutlich höhere Stabilität gegenüber der renalen Dihydropeptidase-I auf - daher muß Meropenem nicht mit einem entspre­chenden Hemmstoff (z. B. Cilastatin) kombiniert werden.

CH3

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Meropenem

Antibakterielle Aktivität Carbapeneme besitzen bekanntlich ein breites antibakterielles Spektrum. So hemmt auch Meropenem Enterobacteria­ceae bereits in niedrigen Konzentrationen :

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0,008 bis 0,5 mg/1 sind ausreichend, um über 90% aller klinischen Isolate zu hemmen. Das Antibiotikum ist damit in vitro wirksamer als Ceftazidim (FORTUM), Piperacillin (PIPRIL) oder Imipenem. Der MHK90-Wert (= mini­male Hemmkonzentration, bei der mindestens 90% der Stämme gehemmt werden) für Pseudomonas aeruginosa war im allgemeinen kleiner als 4 mg/ 1.

Es ist charakteristisch für die Carbape­neme, daß sie auch im grampositiven Bereich eine deutliche antibakterielle Wirkung entfalten. Neben Staphylococcus aureus werden auch andere Staphylo­kokken erfaßt- allerdings ist die Aktivität von Meropenem bei diesen Erregern etwas geringer als die des Imipenems . Beiden gemeinsam ist schließlich jedoch ihre Wirkung auf anaerobe Bakterien, wie zum Beispiel Bacteroides fragilis .

Meropenem ist sehr stabil gegenüber klinisch relevanten ß-Laktamasen, doch entwickeln einige Isolate Resistenz gegen das Carbapenem-Antibiotikum durch andere Mechanismen . Veränderungen an den Penicillin-bindenden Proteinen sind zum Beispiel die Ursache fürdie Resistenz­entwicklung bei einigen E. faecium­Stämmen oder bei den MRSA-Stämmen (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus Stämme). Gramnegative Bakterien können durch veränderte Membran­proteine resistent werden- dieser Mecha­nismus beeinflußt die Durchlässigkeit der Zellmembran und behindert die Anrei­cherung des Antibiotimus in ausreichen­der Konzentration am Wirkort . Solche Veränderungen bilden die Grundlage für die Resistenzentwicklung bei einigen Pseudomonas-Stämmen. Aus klinischer Sicht ist es bedeutsam, daß keine gene­relle Kreuzresistenz zu anderen Gruppen von ß-Laktamantibiotika (Penicilline, Cephalosporine, Monobactame) besteht. Dies dürfte damit zusammenhängen, daß Carbapeneme über andere Wege zum Wirkort gelangen als die übrigen ß-Lak­tamantibiotika.

Pharmakakinetische Eigenschaften

Nach 30-minütiger Infusion von 1 g Meropenem (übliche Einzeldosis) liegen die Spitzenkonzentrationen im Plasma bei etwa 50 bi~ 60. mg/ 1. Das Verteilungs­volumen beträgt ca. 0,25 l!kg Körper­gewicht, was auf eine überwiegend extra­zelluläre Verteilung hinweist. Die Kon­zentrationen im Liquor sind gering, je­doch bei entzündeten Meningen deutlich erhöht (ca . 1 mg/ 1 nach Gabe einer Dosis von 20 mg/ kg KG). In anderen Geweben werden höhere Konzentrationen gemes­sen. Meropenem wird ganz überwiegend unverändert renal mit einer Halbwertzeit von 1 Stunde eliminiert. Die Standard­dosis soll daher dreimal täglich ver­abreicht werden .

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Zeitschrift für Chemotherapie

Bei Neugeborenen und bei Patienten mit renaler Insuffizienz ist die Elimination verzögert. Bei reduzierter Kreatinin-Ciea­rance soll zunächst das Dosierungsinter­vall von 8 auf 12 Stunden verlängert werden. Bei einerweiter fortgeschrittenen renalen Insuffizienz (Clearance 10 - 25 mllmin) soll zusätzlich die Dosis halbiert werden. Veränderungen der Leberfunk­tion hatten keinen erkennbaren Einfluß auf die Elimination von Meropenem.

Klinische Wirksamkeit und Verträglich­keit Während der klinischen Prüfung ist Meropenem in zahlreichen klinischen Studien bei diversen Indikationen so­wohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern untersucht worden. Dazu zählen intraabdominelle Infektionen, Infektionen der Harnwege oder der Atemwege, Sepsis, Meningitis, Hautinfektionen sowie Fieber bei neutrapeniseben Patienten. Diese Un­tersuchungen waren meist randomisierte Studien im Vergleich zu anderen Antibio­tika (Mono- oder Kombinationstherapie), für die Meropenem am ehesten als Alter­native infrage kommt. Das Carbapenem erwies sich in der Regel als mindestens gleich gut wirksam wie die Vergleichsprä­parate und war gut verträglich. Übelkeit und Erbrechen bei ca. 3-4% der Patienten, sowie Diarrhöen in einer ähnlichen Inzi­denz waren die häufigsten unerwünschten Reaktionen. In sehr seltenen Fällen (< 0,2 %) wurden Krampfanfalle unter der Gabe von Meropenem gesehen .

ZUSAMMENFASSUNG: Meropenem (MERONEM) ist ein neues Carbape­nem mit ähnlichen Grundeigenschaften und Indikationen, wie Imipenem/Cila­statin (ZIENAM).Aufgrund verbesserter Stabilität muß Meropenem jedoch nicht mit einem Dihydropeptidase-Inhibitor ( Cilastatin) kombiniert werden. Darüber­hinaus ist die Verträglichkeit- insbeson­dere hinsichtlich des ZNS- günstiger als bei Imipenem und die Substanz kann als i.v.-Bolusinjektion appliziert werden. Während die Aktivität im gramnegativen Bereich zum Teil deutlich höher ist als bei Imipenem, wirkt die neue Substanz gegen grampositive Bakterien etwas schwächer. Klinisch erwies sich das neue ß-Laktamantibiotikum als gleich gut wirksam und verträglich wie zahlreiche Vergleichsantibiotika. Bei einem vergrö­ßerten Angebot sehrwirksamer ß-Laktam­antibiotika werden nicht zuletzt ökono­mische Aspekte mit entscheiden, welchen Stellenwert Meropenem zur Therapie schwerer Infektionen im Krankenhaus einnehmen wird. Unter Berücksichtigung aller Eigenschaften wird ihm jedoch sicher eine wichtige Rolle als eine Alter­native unter den Reserveantibiotika bei schweren Infektionen zukommen. WISEMAN, L. R. et al. Drugs 1995;50:73- 101

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Meropenem versus Imipenem/ Cilastatin in der Behandlung intraabdomineller Infektionen Zahlreiche überzeugende Regime existieren gegenwärtig für die Antibiotikabehandlung von intraabdominellen Infektionen. Imi­penem plus Cilastatin (ZIENAM) hat sich als sicheres und wirksames Arznei­mittel wegen des breiten Spektrums gegen aerobe und anaerobe Keime in den ver­gangenen zehn Jahren erwiesen. Mero­penem (MERONEM) verfügt über das gleiche Spektrum wie Imipenem, hat je­doch den Vorteil, ohne Enzyminhibitor appliziert zu werden und ist offensicht­lich auch weniger ZNS-toxisch. In einer schwedischen multizentrischen Multi­zenterstudie erhielten 249 Patienten mit intraabdominellen Infektionen entweder dreimal 500 mg Meropenem täglich oder 500 mg Imipenem plus 500 mg Cilastatin ebenfalls achtstündlich täglich. Die mitt­lere Behandlungsdauer betrug fünfTage, die Maximalbehandlung lag bei 17Tagen. Die Mehrzahl der Patienten (166) litten an einer perforierten Appendizitis, 23 Pa­tienten hatten eine Perforation eines pep­tischen Ulcus, 16 eine Perforation des Dünndarms, 30 eine Colonperforation und 14 Patienten wiesen weitere schwere intraperitonale Infektionen auf. Die Ver­teilung dieser Infektionen auf die beiden Studiengruppen war identisch. Das mitt­lere Lebensalter betrug in der Mero­penemgruppe 50,5 Jahre, bei Imipenem 51,7 Jahre, auch Körpergewicht und Ge­schlechtsverteilung unterschieden sich nicht signifikant. 97 von 99 Patienten (98 %) unter einer Meropenem-Therapie konnten als klinisch erfolgreich beurteilt werden, in der Vergleichsgruppe mit Imi­penem lag diese Q!rote bei 96 %. Die mikrobiologische Eradikationsrate betrug bei den analysierbaren 89 Meropenem­Patienten 95%, unter Imipenem bei 78 auswertbaren Patienten 96%. Dominie­rende Erreger waren E. coli (164), Kleb­siella Spezies (31), Enterobacter Spezies (12), Pseudomonas Spezies (22), E. faeca­lis (21), Streptokokken (26), B. fragilis­Gruppe (215) und anaerobe Kokken (62). Unverträglichkeitsreaktionen traten bei 26 Patienten in der Meropenem-Gruppe und bei 36 Patienten in der Imipenem­Gruppe auf. Die häufigsten Reaktionen bezogen sich auf erhöhte Leberenzyme, die in der Regel spontan rückläufig waren . Zwei Patienten unter Meropenem entwik­kelten eine Urtikaria und vier Patienten unter Imipenem entwickelten Kompli­kationen wie Hautekzem, Urtikaria, Krampfzustand und eine Trombozyto­penie; alle diese vier Patienten wurden aus der Behandlung herausgenommen. Ein Patient in der Meropenem-Gruppe und vier Patienten in der Imipenem-Gruppe verstarben während der antibiotischen Therapie, wobei jedoch kein Zusammen­hang zwischen der Antibiotikabehandlung und dem Todeseintritt nachweisbar war.

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FOLGERUNG DER AUTOREN: Me­ropenem (MERONEM) erwies sich in der Behandlung von leichteren bis mittel­schweren intraabdominellen Infektionen als gleich wirksam wie lmipenem/Cila­statin (ZIENAM); es konnte eine Ten­denz zu einer besseren Verträglichkeit von Meropenem bei diesen Patienten nachgewiesen werden.

BRISMAR, B. et al. ) . Antimicrob. Chemother. 1995; 35: 139- 148

Meropenem: Pharmakakinetik und Dosierung bei Kindern Bei insgesamt 63 Kindern im Alter von 2 Monaten bis zu 12 Jahren (im Mittel: 4 Jahre) wurden detaillierte U ntersuchun­gen zur Pharmakakinetik von Meropenem (MERONEM) durchgeführt. Das neue ß-Laktamantibiotikum aus der Gruppe der Carbapeneme wurde intravenös in folgenden Dosierungen verabreicht : 10, 20 und 40 mg pro kg Körpergewicht. Die Eliminations-Halbwertzeit nahm alters­abhängig von 1,6 Stunden (Alter: 2 bis 5 Monate) auf0,8 Stunden (Alter: 6 bis 12 Jahre) ab (im Mittel : 1,1 Stunden). Im "steady-state" wurde das Verteilungsvo­lumen im Mittel mit 0,4 1/kg errechnet und die Clearance lag bei 5,6 mllmin/kg (renale Clearance: 2,5 mllkg/ min) . Eine Altersabhängigkeit war bei diesen Para­metern nicht feststellbar. Innerhalb der ersten 12 Stunden nach der intravenösen Infusion (Dauer: 30 Minuten) wurden 55% des verabreichten Antibiotikums unverändert renal eliminiert.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Auf­grund der pharmakokinetischen Unter­suchungen bei Kindern und unter Berücksichtigung des antibakteriellen Spektrums der Substanz wird eine 3 mal tägliche Gabe von 20 mg/kg Körperge­wicht als optimale Dosierung des Mero­penems (MERONEM) im Kindesalter angesehen.

BLUMER,J. L. et al. Antimicrob . Agents Chemother. 1995 ; 39: 1721 - 1725

Meropenem oder Cefotaxim zur Behandlung der bakteriellen Meningitis? Die drei häufigsten Erreger einer bakte­riellen Meningitis sind Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Neisseria meningitidis . Seit etwa 10 Jahren gilt die parenterale Gabe von Cephalosporinen mit breitem Spektrum als die Therapie der Wahl bei bakterieller Meningitis. Die Abnahme der Empfind­lichkeit von typischen Menigitiserregern gegenüber bisher üblichen Antibiotika hat in den letzten Jahren jedoch zuneh­mend Besorgnis hervorgerufen. Daher ist es verständlich, daß nach weiteren alter-

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nativen Behandlungsmöglichkeiten ge­sucht wird . Die klin ischen Studien mit dem ersten Vertreter aus der Gruppe der Carbapeneme, dem Imipenem/Cilastatin (ZIENAM), verliefen enttäuschend: die Studie wurde vorzeitig beendet, da es häufig zu Krampfanfällen während der Behandlung kam . Weitaus günstiger sind die aktuellen Ergebnisse mit Meropenem (MERONEM), das in einer randomisier­ten Studie bei 190 Kindern mit Menin­gitis mit Cefotaxim (CLAFORAN) ver­glichen wurde . Eine wichtige Grundlage für diesen klinischen Versuch waren die Ergebnisse aus toxiko logischen Tierexpe­rimenten, die für das Meropenem eine geringere ZNS-Toxizität anzeigten als für Imipenem/Cilastatin.

Die Studie zeigte , daß die beiden unter­suchten ß-Laktamantibiotika offenbar ähnlich gut wirksam waren. Bei den Pa­tienten ohne auffä llige neurologische Befunde zu Beginn der Therapie lag die Heilungsrate ohne neurologische Folge­schäden in beiden Gruppen bei etwa 80%. Auch hinsichtlich der Verträglich­keit wurden die beiden Substanzen ähn­lich positiv beurteilt. Eine genaue Analyse der Krampfanfalle, die in beiden Gruppen auftraten, ließ in keinem Fall einen Zu­sammenhang mit dem Antibiotikum ver­muten. Meropenem scheint damit eine geeignete Substanz zur Behandlung der bakteriellen Meningitis zu sein. Dies dürfte besonders für Neugeborene und ältere Patienten von Interesse sein, bei denen resistente Bakterienstämme häufi­ger als Erreger einer Meningitis isoliert werden.

FOLGERUNG D ER AUTOREN: Bei bakterieller Meningitis im Kindesalter war Meropenem (MERONEM) etwa gleich gut wirksam und verträglich wie Cefotaxim (CLAFORAN). Die Substanz stellt aufgrund ihres breiten Spektrums und hohen ß-Laktamasestabilität eine wichtige Bereicherung der Möglichkeiten zur Behandlung dieser lebensbedroh­lichen Infektion dar.

KLUG MAN , K. P. et al. Antim icrob . Agents. C hemoth er. 1995; 39:1140- 1146

MiHel der Wahl Doxycyclin oder Cefuroxim-Axetil bei Lyme-Erkrankung? Mehr als 200 Patienten mit einer Lyme­Erkrankung und Erythema migrans wurden im Rahmen einer randomisierten Studie 20 Tage lang entweder mit zweimal täglich 500 mg Cefuroxim-Axetil (ZIN­NAT, ELOBACT) oder mit dreimal täg­lich 100 mg Doxycyclin (VIBRAMYCIN) u . a.) behandelt. Die Patienten wurden während und nach Abschluß der Behand­lung mehrfach ärztlich untersucht . Die

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Fragen zu wichtigen Infektionen (11) Lyme-Krankheit II

5. Welchen p rädikti ven Wert haben ELI SA-U ntersuchungen bei ein er In fektio n mi t B. burg­

do rfe ri '

Der positive Vorhersagewert der Elisa-Untersuchung für eine Lym e-Erkrankung ist gering. Falsch positive Tests finden sich relativ häufig, da eine erhebliche Kreuzreaktivität zu einer Anzahl von Protei nen bes teht, die sowo hl von B. burgdorferi, als auch von anderen Bakterien gebildet werden. Besonders häuftg findet sich ein falsch positives Testergebnis bei nicht­infiz ierten Pati enten mit dem 41-Flagellar-Antigen und bei Antigenen mit einem Molekular­gewicht vo n 60- 73 kDa. Jeder positive Elisa muß daher im klinischen Kontext interpretiert werden. Ohne eindeu tige Symptomatik kann allein mit dem Elisa keine Di agnose erstellt we rd en . In den USA wird empfohlen , jeden Nachweis einer B. burgdorferi mittel s Elisa durch

e ine Western- Blot- Untersuchung zu bes tätigen.

6 . Wie so ll n ach der defi nitiven Diagnose e in er Lym e-Erk rankung d ie Behand lung erfo lge n ?

Bei einem Erythema migran s mit oder ohne viraler Symptomatik erfolgt die Behandlung entwedermit 500 mgAmoxicillin (CLAMOXYL u. a.) dreimal täglich oder 100 m g Doxycycl in (VIBRAMYC IN u . a.) zweimal täglich übere inen Gesamtzeitraum von 21 Tagen. Bei Kindern sollten zwei bis vier mg Doxycycl in pro kg pro Tag (zwei Dosen) oder 40-50 mg Amoxicillin pro kg pro Tag (drei Dose n) verabreicht werden. Eine Therapie von Kindern mit Doxycyclin darf erst ab ei nem Lebensalter von ze hn J ahren erfolgen. Ebenso sind entsprechende Kontra­indikationen hinsichtlich der Schwangerschaft und der Stillperiode zu beachten. Liegen bei einem Patienten Hinweise auf ein e Infektion des zentralen Nervensystems vor, muß eine Lumbalpunktion erfo lgen . Bei jeder Organbeteiligung außerhalb der Haut, sollte Ceftriaxon (ROCEPHIN) 2 g einma l täglich über einen Zeitraum von 14-28 Tagen gegeben werden, bei Kindern beträgt die Dosis 40-50 mg pro kg pro Tag. Hinsichtlich der kardialen Komplika­tionen eines drittgradigenAV-B locks,muß in einigen Fällen die Behandlung miteinem tempo­rären Schrittmacher erfolgen .

7. Wie ve rhä lt m an sich im Fall ein es Therapi eve rsage ns bei der Lym e-Erkranku ng?

Di e meisten Pati enten mit Erythemamigrans reagieren gut auf eine angemessene an tibiotisch e Therap ie. Bei den fortgeschritteneren Krankheitss tadien persistiert die Symptomatik bei ca. ze hn bis 15 % der Patienten, ohne daß eine Wiederholung der Therapie zu einer Änd erung der Situation führt. Di e Gründe hierfür sind unbekan nt . Eventuell sp ielen autoimmunologische Reak tionen in der postinfektiösen Ph ase eine Rolle. Führt die Behandlung nicht zu einer Beseitigung der Symptome, muß in jedem Fall auch noch einmal die Diagnose der Lyme­Erkrankung in frage geste ll t werden. Pe rsi stierende Schmerzen können konventionell mittels physikalischerTherapiemanahmen, nicht-sterodialer antiinflammatorischer Substanzen und in einigen Fällen auch mit trizyklischen Antidepressiva angegangen werden.

8. Ist es sin n vo ll , be i der Lyme-Erkrankung sero logische Un tersuch unge n zu wiederho len '

Die Reproduzierbarkeit der bisher verfügbaren serologischen Tes ts ist gering, daher ist

die Interpretation häufig se hr schwierig. Im allgemeinen wird davon ausgegangen, daß wiede rho lte serologische Untersuchungen nicht indiziert sind . In jedem Fall muß bei einer Wiederholung der serologischen Tests darauf geachtet werden, daß die verschiedenen Proben auf der gleichen ELISA-Platte gemessen werden bzw. im Westem-Blot direkt nebe neinander untersuch t werden.

9. Welch e Be hand lu ngsoption en bes tehen be i der Lyme-Erkrankung für Pati enten m it Peni c ill in-Allergi e und Unve rträgli chkeit vo n Doxycycl in '

Bei eine r Peni ci llin-All ergie kann versucht werden, mit Cephalosporinen zu behandeln. Die Gabe von Cefuroxim -Axeti l (ELOBACT u. a.) zweimal 500 mg pro Tag ist als alternative Th erapie der Lyme-Erkrankung belegt. Bei Fällen mit Organbeteiligung außerhalb der H aut sollte in jedem Fall ein C eph alosporin , am besten Ceftriaxon eingesetzt werden. Patienten mit einer anamnest isch belegten Penicillin-All ergie können einer Penici llin-Hauttestung unter­

zogen werden, da di ese eine Aussage über eine potentielle Anaphylaxie mache n kann. Bei negativem Penicillin-Hauttes t kann eine Therapie mit Amoxicillin mit hinreichender Sicher­heit vers ucht werden .

10. G ibt es ve rschi edene B. burgdorfe ri-Stämme und haben di ese kli n ische Releva nz'

Wie bei den meisten Bakterien gibt es auch von B. burgdorferi eine Vielzahl von Stämmen.' Drei ve rschiede ne Stämme verursachen dabei Erkrankungen beim Menschen. Von weiteren sieben Stämmen ist nicht bekannt , ob sie humane Erkrankungen induzieren. Insofern kann die Frage zum jetz igen Ze itpunkt noch nicht eindeutig beantwortet werden, da denkbar ist , daß unterschiedliche Stämme auch unterschied liche klinische Manifestationen induzieren. Eine Kreuzimmunität der ve rschiedenen Stämme scheint nach den bisher vorliegenden

Ergebnissen nicht vorzuliege n.

Literatur: siehe "ZCT" 3/ 95

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letzte Nachuntersuchung fand 12 Monate nach Ende der Therapie statt. Insgesamt war das Behandlungsergebnis mit 90 bzw. 95 Ofo der Patienten in beiden Gruppen gut (der Unterschied war nach üblichen Krite­rien nicht statistisch signifikant). Auch während der Nachbeobachtungszeit konnten keine relevanten Unterschiede hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit ermittelt werden . Das Cephalosporin war jedoch signifikant besser verträglich: die Nebenwirkungsinzidenzen lagen bei 17% bzw. 28 Ofo der Patienten. Bei fast jedem dritten Patienten traten unterder Behand­lung mit Doxycyclin unerwünschte Wir­kungen auf, was sicherlich auch mit der relativ hohen Tagesdosis von 300 mg zusammenhing. Am häufigsten waren Hautreaktionen oder es kam zu gastroin­testinalen Störungen. Phototoxische Re­aktionen wurden nur unter Doxycyclin gesehen (7 von 113 Patienten); dagegen wurden Diarrhöen nur unter der Behand­lung mit Cefuroxim-Axetil beobachtet (6 von 119 Patienten). Bei 12 Ofo der Be­handelten kam es in beiden Gruppen zu Jarisch-Herxheimer Reaktionen.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Bei etwa gleicher therapeutischer Wirksam­keit war die Behandlung der Lyme­Erkrankung mit Cefuroxim-Axetil (ELO­BACT, ZINNAT) besser verträglich als die Therapie mit Doxycyclin (VIBRA­MYCIN u. a.). Zu den häufigsten uner­wünschten Wirkungen des Tetrazyklin­Präparates gehörten phototoxische Reak­tionen, unter dem Cephalosporin traten dagegen bei einigen Patienten Diarrhöen auf.

LUG ER, S. W. et al. Antimicrob. Agents. Chemother. 1995; 39: 661-667

Minocyclin bei rheumatoider Arthritis? Die rheumatoide Arthritis ist eine häufige Erkrankung, deren Ätiologie immer noch unbekannt ist . Aufgrund verschiedener (wahrscheinlich falscher) Hypothesen zur Pathogenese sind immer wieder einmal Tetracycline zur Therapie der Erkrankung eingesetzt worden. In Kalifornien wurde eine große Doppelblind-Studie durchge­führt, in der die Wirkung von Minocyclin (KLINOMYCIN u. a.) im Vergleich zu Placebo bei dieser Erkrankung untersucht wurde. Mehr als 200 Patienten erhielten für 48 Wochen entweder täglich 200 mg des Antibiotikums oder das Scheinmedi­kament. Am Ende der Studie -also nach fast einem Jahr- wurde ein statistisch signi­fikanter Unterschied bei den Beschwerden in beiden Gruppen festgestellt: in der Minocyclin-Gruppe war es bei 54 Ofo der Patienten zu einer Besserung der Gelenk­schwellungen gekommen, jedoch nur zu 39% in der Placebo-Gruppe. Ist dieser Unterschied auch "biologisch und medi­zinisch signifikant"? Bekanntlich sollten

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derartige Ergebnisse -auch wenn sie stati­stisch signifikant sind - in einer zweiten, unabhängigen prospektiven Studie bestä­tigt werden. Erst wenn eine solche Unter­suchung zu einem ähnlichen Ergebnis kommt, wird der skeptische Leser zu über­zeugen sein. Aus dem Ergebnis dieser Arbeit abzuleiten, daß ab sofort jeder Patient mit rheumatoider Arthritis antibio­tisch behandelt werden soll, wäre sicherlich irrational. Gegen eine solche Konsequenz spricht auch ein anderes Ergebnis der Stu­die: bei 6 Ofo der Patienten kam es aufgrund von unerwünschten Wirkungen zum Ab­bruch der Therapie mit Minocyclin. Uner­wünschte Wirkungen wurden auch in der Placebo-Gruppe beobachtet, doch führten sie bei keinem Patienten zum Abbruch der Medikation. Die Nebenwirkungen in der

Verumgruppe waren typische Minocyclin­Wirkungen, mit denen bei einer derart langen Behandlungsdauer gerechnet werden muß: Schwindel, Kopfschmerzen, Diarrhö, Vaginitis und andere.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Mi­nocyclin (KLINOMYCIN u . a.) wird von den Autoren dieser Studie als wirksam und gut verträglich bei Patienten mit leichten bis mittelschweren Formen der rheumatoiden Arthritis eingestuft. Die­ser Folgerung kann angesichts der wenig überzeugenden klinischen Wirksamkeit und der erheblichen Abbruchrate sicher­lich generell nicht zugestimmt werden.

TI LLEY, B. C. et al. Ann Intern Med 1995;122: 81-89