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Oktober 2013 PRINT Das Magazin zum Westdeutschen Rundfunk Fotos: WDR/Interfoto/mauritius / Fernsehen Ranga Yogeshwar über 20 Jahre »Quarks & Co« / Radio 1LIVE-Chef Jochen Rausch zur Zukunft des Radios / Fernsehen Fußballfilm? Nein, Heimat- film: „Wir die Wand“ / Radio Hörspiel im Hollywood- Format: „Darknet“ Der WDR blickt tief in die Seele des Landes und spürt dem Herzensgefühl von Millionen Menschen in NRW nach, hier ganz zu Hause zu sein. Freuen Sie sich auf die große Sendereihe im Westdeutschen Fernsehen: »Heimatabend«. HEIMAT NRW

Oktober 2013 PRINT - WDR · 26 Wie real können virtuelle Welten werden? Im Hörspiel „Darknet“ tötet eine Software ... rungen sind, wie wir von Jean Paul wissen, das einzige

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Oktober 2013

PRINTDas Magazin zum Westdeutschen Rundfunk

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/ FernsehenRanga Yogeshwar über 20 Jahre »Quarks & Co«

/ Radio1LIVE-Chef Jochen Rausch zur Zukunft des Radios

/ FernsehenFußballfilm? Nein, Heimat-film: „Wir die Wand“

/ RadioHörspiel im Hollywood-Format: „Darknet“

Der WDR blickt tief in die Seele des Landes und spürt dem Herzensgefühl von Millionen Menschen in NRW nach, hier ganz zu Hause zu sein. Freuen Sie sich auf die große Sendereihe im Westdeutschen Fernsehen: »Heimatabend«.

HEIMAT NRW

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UUUUAAAAAHHH

Er wurde vor 100 Jahren von Autor Edgar Rice Burroughs erfunden. Aber heute würde der Dschungelheld – hier

Johnny Weissmüller – wahrscheinlich komplett die Orientierung verlieren in dem Dickicht von unzähligen

Tarzan-Büchern, Comics, Filmen und TV-Serien, die auf dem Markt sind. Die WDR-Doku „Mythos Tarzan“ (4.10.,

23:15, WDR Fernsehen) zeigt, warum dieser aufrechte Naturbursche im Lederschurz immer noch modern wirkt.

WDR Welten

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WDR WeltenWDR Welten

DAUER POWER

„Von der Wiege bis zur Urne, turne!“ lautet das Motto von Renate Recknagel (72), die im Alter von sieben

Jahren mit diesem Sport begann. In der am 17. Oktober von Matthias Opdenhövel präsentierten „Show der

unglaublichen Helden – Das Generationen-Duell“ tritt sie mit einer illustren Ü-60-Liga gegen zwei Promis an:

Sängerin Fernanda Brandao (30) und Schauspieler Hardy Krüger jr. (45). Werden die Jungen eine Chance haben?

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RUNDESACHE

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Hier schlägt das Herz der urbanen Metropolen: Die „Global Player“-Partys von Funkhaus Europa präsentieren

internationale globale Sounds und DJs wie den „Germexikaner“ Daferwa. Groovy, ekstatisch und radikal! Immer

samstags im Krefelder „Schlachthof“ (1. Sa./Monat), Kölner „Roxy“ (2. Sa.), Dortmunder „Domicil“ (3. Sa.) und

in der Düsseldorfer KITBar (4. Sa.). Mixtapes der DJ-Sets laufen in „Global Player Selector“ (Sa., 24:00, FHE).

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DICKE DINGER

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Walter Stratmanns Dinger sind dicker als die der übrigen 5 000 Hobbygärtner, die bei der Tomaten-Aktion von »daheim +

unterwegs« mitgemacht haben. Seine Siegertomate der Sorte „Moneymaker“ hatte 34 Zentimeter Umfang. »d+u« verriet der

Bochumer Rentner (77) sein Geheimrezept: Eine Erdmischung aus Kompost, normaler Blumenerde und etwas Kaffeesatz.

Guano und Brennesseljauche als Dünger. Außerdem ab und zu ein Schlückchen alkoholfreies Bier – für die Tomaten.

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GESICHT WAHREN

Rukhsana ist eine von vielen pakistanischen Opfern eines Säure-Attentats von Männern, die glauben, ihr eigenes

Gesicht wahren zu müssen. WDR Fernsehen zeigt den „Oscar“-prämierten Kurz-Dokumentarfilm „Saving Face“

(7.10., 22:00) über den plastischen Chirurgen Mohammad Jawad. Er lässt seinen lukrativen Job in London ruhen,

um in seiner Heimat die Opfer von Säureattentaten zu versorgen.

WDR Welten

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Inhalt

Liebe Leserinnen und Leser,

Heimat, was ist das eigentlich? Darauf hat wahr-

scheinlich jeder seine eigene, ganz persönliche

Antwort. Moderator Jürgen von der Lippe denkt

zum Beispiel an eine ganz bestimmte Frittenbude,

wenn es um seine Heimatstadt Aachen geht, wie

unsere Geschichte zu der zehnteilige TV-Serie

»Heimatabend« ab S. 8 offenbart.

Auch diese Ausgabe von WDR PRINT steckt voller

Heimat, und zwar auf vielfältigste Weise. Markus

Krczal, Reporter im Studio Siegen, legt Ihnen ab

Seite 38 seine Stadt Siegen wärmstens ans Herz.

1LIVE-Wellenchef Jochen Rausch erklärt im Inter-

view auf S. 30, warum in global vernetzten Medi-

enzeiten gerade in unserer Region die Zukunft der

Radiowellen des WDR liegt. Und die Wissensen-

dung »Quarks & Co« bietet seit 20 Jahren einem

der Erkenntnis und Aufklärung verpflichteten

Journalismus auch nichts anderes als – eine Heimat.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen,

Ihr Sascha Woltersdorf

Titel

8 Mit Porträts von zehn Städten zeichnet die

TV-Reihe »Heimatabend« ein Bild von NRW.

12 »NRW von oben« zeigt das Land aus der

Vogelperspektive

Fernsehen

16 20 Jahre »Quarks & Co«: Ranga Yogeshwar

erklärt den Erfolg der Wissenssendung

20 Matthias Bongard über den

Fußballheimatfilm „Wir die Wand“

22 Schneller und virtueller:

Das neue Studio E des WDR

TV Kompakt

24 »WDR-Check« von WDR-Intendant

Tom Buhrow, Türkei-Doku „1001 Macht“

von Renan Demirkan und weitere Themen

Radio

26 Wie real können virtuelle Welten werden?

Im Hörspiel „Darknet“ tötet eine Software

33 Weniger Prävention und Risikominimierung

fordert die Hörspielreihe „Nur Mut“

34 Der menschlichste Komponist:

200 Jahre Giuseppe Verdi

Radio Kompakt

36 »WDR 2 Die Möglichmacher« erfüllen

Hörerwünsche, Richard DeRosa wird neuer

Dirigent der WDR Big Band und weitere

Themen

Perspektiven

42 Neugier? Verantwortung? Hartnäckigkeit?

Was lernen WDR-Volontäre in 18 Monaten?

WDR Panorama

44 Wie wichtig ist der WDR-Kinderrechtepreis?

Was steckt hinter der kleinen weißen Tür

oben am Brandenburger Tor?

Berufsbilder

46 Jobporträt: Cutter Janis Tarut

Medienmenschen

48 Gebhard Henke würdigt Otto Sander,

Michael Houben bekommt den

Wirtschaftsfilmpreis und weitere Themen

Im Gespräch

50 Auf einen Latte Macchiato mit der

Paralympics-Schwimmerin Kirsten Bruhn,

Patin der ARD-Themenwoche „Zum Glück“

51 Service / Impressum

MEINE STADT

Siegen

Editorial

Die Zukunft des Radios30 Vor 90 Jahren wurde Radio erfunden. Wie verändert die digi-tale Evolution dieses Massenme-dium? Ein Interview mit 1LIVE-Wellenchef Jochen Rausch.

40 „Siegen ist einfach liebens-wert“, f indet WDR-Reporter Markus Krczal.

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Titel

Heimat NRWWO DAS HERZ ZU HAUSE ISTHeimat. Ein großes Wort, ein großes Gefühl, ein großes The-ma für Millionen Menschen in NRW. Mit der neuen zehntei-ligen Fernsehreihe »Heimat-abend« spürt der WDR dem Empfinden der Nordrhein-West-falen nach. Was bedeutet den Aachenern, Essenern, Kölnern und Münsteranern ihre Stadt? Welche Erinnerungen und Ge-schichten bleiben den Bonnern, Duisburgern und Dortmundern unvergessen? Was erfüllt Düssel-dorfer, Bochumer und Gelsenkir-chener mit Stolz oder Schmerz?Im Ganzen sind diese 450 Sen-deminuten voller Heimat nichts weniger als eine Hommage an unser Land.

Die WDR-Serie „Heimatabend“

im Netz

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Titel

In Aachen hat es 1958 eine der ersten Frit-

tenbuden in Deutschland gegeben, was an der

Nähe zu Belgien lag. Dort liebte man die krossen

Kartoffelstreifen schon länger. Stammgast war der

gebürtige Aachener Jürgen von der Lippe, erzählt er

in der Folge „Heimatabend Aachen“. Doch die Mayo

konnte er sich nicht leisten, sodass er die Fritten mit

dem Gratis-Senf essen musste. Auch die ehemalige

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt wuchs

mit Geldsorgen in Aachen auf. Doch ihre Oma und

sie wussten sich zu helfen, erinnert sie sich. Beide

schmuggelten unter ihren Röcken Kaffee im Drei-

ländereck. Süße Printen, metallisches Heilwasser,

hohe Tiere beim Karlspreis und sportliche beim

Reitturnier, das alles prägt das überschaubare und

gemütliche Städtchen, schwärmen die meisten

Aachener über ihre Heimat.

Warum ist man stolz auf seine Stadt?„Die zehn Filme zeigen, warum sich bei-

spielsweise die Aachener so wohl fühlen im

Dreiländereck, die Düsseldorfer stolz auf ihre

Landeshauptstadt sind, die Essener überzeugt

sind, in der heimlichen Hauptstadt zu leben,

und die Münsteraner ihre Stadt als die schönste

im ganzen Land sehen“, sagt Christiane Hinz,

Programmgruppenleiterin Dokumentation und

Gesellschaft. „Aber bei der Frage würden auch die

Kölner sicher schnell den Finger heben.“

Unter die Haut gehen sollen die zehn

45-minütigen Folgen, für die die Autoren jeweils

sechs bis zehn eingefleischte und begeisterte pro-

minente oder stadtbekannte Bewohner gefunden

haben, die ihre persönliche Geschichte erzählen

und verraten, was sie an ihrer Geburtsstadt oder

Wahlheimat anzieht und fesselt. „Hört man ihnen

genau zu, steht Heimat für etwas Nostalgisches,

ein sehnsuchtsvolles Gefühl“, sagt WDR-Redak-

teur Adrian Lehnigk. Ein Kölner würde das so

ausdrücken: „Wenn ich aus dem Urlaub zurück-

komme und den Dom sehe, weiß ich sofort, dass

ich wieder zu Hause bin.“

Fortsetzung auf Seite 10

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Titel

Fortsetzung von Seite 9

Natürlich würde man keine

Stadt „heruntermachen“, versichert

der Wahlkölner Lehnigk, doch

Kritik fließe auch ein, wenngleich

liebevoll geäußert. In Köln sind es

die vielen Bausünden, über die man

sich gerne empört.

Unveröffentlichtes MaterialNeue Einblicke eröffnen die

Heimatabende, weil das Filmmate-

rial größtenteils noch unveröffent-

licht ist. Es sind teils private Filme

von Karneval, Kirchenprozession

oder Sportturnier, aber auch offi-

zielle Aufnahmen der Städte, in

denen wichtige Richtfeste, bedeu-

tende Reden oder Ereignisse wie die

Studentenunruhen dokumentiert

sind. „Duisburg war damals sehr

wohlhabend und hat die Stadtge-

schichte seit den 1920er Jahren in

Bewegtbildern festgehalten“, sagt

Lehnigk. Die Filme zeigen, wie

man in der stolzen „Stadt Montan“

mit der Elektrischen zum Einkaufen fuhr, wie

sich Geschäft an Geschäft reihte und das kultu-

relle Leben florierte. Selbst Thomas Mann hielt

Lesungen in Duisburg. Daran erinnert sich die

fast 100-jährige Emmi Pannenbecker, denn sie

war dabei.

Auch in Gelsenkirchen wurde von 1952 bis

1996 alles über Kohle, Stahl und den FC Schalke 04

gefilmt – bis der Stadt das Geld dafür ausging. Aus

solchen Gründen sind die Zeitspannen der Hei-

matabende unterschiedlich. Einige beginnen vor

fast 100 Jahren, andere am Kriegsende oder später.

Der Bogen der ersten Folge über Bonn ist

die große Geschichte der kleinen Stadt als Regie-

rungssitz von 1949 bis 1999. John F. Kennedy zog

es dorthin, aber auch Charles de Gaulle. „Das war

das Absolute“, erinnert sich der Karnevalist Peter

Brust. „Die Schulen hatten frei, die Betriebe haben

Die »Heimat-abende« eröffnen ganz neue Einblicke, mit noch unveröffentlicht Filmmaterial, teils aus privaten Quellen

nicht gearbeitet, die Geschäfte waren geflaggt, ein

riesiger Umzug.“

Lokalkolorit erhält jede Folge zusätzlich,

weil der Sprecher immer eine besondere Bezie-

hung zur Stadt hat: Sportreporter Manni Breuck-

mann zu Gelsenkirchen, Fernsehmoderatorin

Asli Sevindim zu Duisburg und Kabarettist Fritz

Eckenga zu Dortmund. Und Überraschungen

seien garantiert, verspricht Christiane Hinz. Jeder

könne neue Seiten seiner Heimatstadt erfahren.

Peter Reuter

»Heimatabend« zehn Folgen

WDR Fernsehenab FR / 4. Oktober /jeweils 20:15 – 21:00 oder 23:15 –0:00

Was ist das Besondere an Ihrer Stadt? Zehn Promis über zehn Städte.

Essen:Marie-Luise Marjan

„Ich liebe Essen, weil ich

dort das Licht der Welt

erblickt habe.

Durch mein Buch ‚Ruhr

2010’ habe ich meine alte

Geburtsstadt Essen nach

all den Jahren wieder neu entdeckt und als

modern erlebt.”

Heimatabend EssenFR / 8. November / 20:15

Dortmund:Fritz Eckenga

„,Schön’ an und in Dort-

mund sind vor allem

meine Freunde. Durch

die Bank blendend aus-

sehende Menschen, an

denen es absolut nichts

zu verschönern gibt. Ohne die hätte ich auch

keine Heimat.“

Heimatabend DortmundFR / 25. Oktober / 20:15

Duisburg:Fritz Pleitgen

„Ich liebe mein Duis-

burg, weil Duisburg

eine Stadt der Kunst

ist , z u erleben i m

Lehmbruck Museum,

in der Küppersmühle,

im DKM, im Landschaftspark Nord und

im Wedaustadion, wo der MSV Spiel für

Spiel die hohe Kunst der Duisburger zele-

briert, nach Niederlagen und schweren

Rückschlägen unverdrossen wieder auf-

zustehen. Kunst und unverzagt – das ist

mein Duisburg.“

Heimatabend DuisburgFR / 25. Oktober / 23:15

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Titel

Was ist das Besondere an Ihrer Stadt? Zehn Promis über zehn Städte.

Aachen: Jürgen von der Lippe

„Ein Aachen-Besuch ist

für mich immer eine

Zeitreise zurück in die

Kindheit. Und Erinne-

rungen sind, wie wir von

Jean Paul wissen, das

einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrie-

ben werden können. In dem Zusammen-

hang: Ein Straßenschild ,Henger Herrjots

Fott’ wird man wohl kein zweites Mal in

Deutschland finden und es spricht Bände.

Aachen hat in den letzten 40 Jahren wahn-

sinnig gewonnen, an Charme, an mediter-

ranem Flair, und dann musste ich sehen,

dass gerade wieder ein Kino meiner Kind-

heit, das Gloria, und alles um St. Adalbert

herum abgerissen wurde und es entsteht

vermutlich ein weiteres Einkaufszentrum

mit den immer gleichen Läden. Wie überall.

Ärm Hur!“

Heimatabend AachenFR / 11. Oktober / 23:15

Bonn: Rainer Pause

„An Bonn mag ich eigent-

lich alles. Und eigentlich

könnte in Bonn auch gut

alles anders werden!

Aber ehrlich: was wäre Bonn

ohne Skandale? Langweilig!

Allerdings würde ich mich lieber über sehr

großzügig ausgeschenkte Gelder im Kultur-

bereich aufregen als über zig sinnlos versenkte

Millionen im WCCB!“

Heimatabend BonnFR / 4. Oktober / 20:15

Gelsenkirchen: Manni Breuckmann

„Gelsenkirchen ist keine

Schönheit, aber Gelsen-

kirchen ist auch nicht die

Hölle. Hier gibt es ein paar

anheimelnde Fleckchen.

Zum Beispiel den Consol-

Park auf dem Gelände der

ehemaligen Zeche Consolidation; oder den

Nordstern-Park – wieder ein ehemaliger Pütt! –,

wo 1997 die Bundesgartenschau stattfand. Ich

liebe besonders das Schloss Berge mit dem

hübschen Park drumherum und den Gelsen-

kirchener Zoo (jetzt ,Zoom Erlebniswelt’).

Über die gigantische Fußball-Arena müssen

wir hier wohl nicht lange reden, oder? Weni-

ger schön sind einige Problem-Stadtteile, auch

Schalke gehört dazu, und die Industriebra-

chen entlang der A 42. Ich kenne viele Men-

schen, die gerne in Gelsenkirchen leben, und

zwar nicht nur wegen Schalke 04.“

Heimatabend GelsenkirchenFR / 8. November / 23:15

Düsseldorf: Bettina Böttinger

„Der Rhein und die Offen-

heit der Leute. Das ist für

mich Düsseldorf.

Düsseldorf ist eben nicht

nur die Stadt der Mode, des

schönen Scheins und der

Eleganz. In Düsseldorf ist die Kunstakademie.

Und das ist eine ganz alte, lange Tradition. Die

Kunst ist in Düsseldorf zu Hause und insofern ist

immer eine Unruhe in der Stadt gewesen. Und es

ist eine Stadt, in der viele Gedanken aufgegangen

sind. Beuys hat da gelehrt beispielsweise, um mal

einen großen Namen zu nennen.“

Heimatabend DüsseldorfFR / 11. Oktober / 20:15

Bochum: Elli Altegoer

„ M a n den k t a n s e i n

Bochum und sagt, da bin

ich angekommen, da bin ich

einfach zu Hause und ich

möchte gar nicht woanders

sein, möchte einfach nur in

Bochum sein.“

Heimatabend BochumFR / 18. Oktober / 23:15

Münster: Ingrid Klimke

„Schön an Münster ist die

gelebte Tradition und die

herrliche Landschaft. Die

Menschen sind ehrlich und

ein Frühstück mit anschlie-

ßendem Einkauf auf dem

Wochenmarkt ist für mich persönlich ein

regelmäßiges Highlight.

Münster ist meine Heimat und ich fühle mich

tief verwurzelt. Wenn ich über Negatives

nachdenken soll fällt mir nur das Wetter ein,

was uns manchmal etwas im Stich lässt ;-))“

Heimatabend MünsterFR / 1. November / 23:15

Köln: Hartmut Priess

„Böll hat damals in die-

sen Jahren gesagt, dass

die Stadt im Wiederauf-

bau eigentlich nachhal-

tiger zerstört wurde als

durch den Krieg.

Eine Stadt braucht Merkmale, die unverwech-

selbar sind, dass man weiß wo man hingehört,

wo ein Heimatgefühl entstehen kann.

Ich muss heute lachen, wenn ich an den

Straßen vorbei gehe, wo wir gespielt haben.

Dann rief einer: Auto! Das hieß, das Spiel

wurde gestoppt, dann haben wir gewartet

bis der Wagen vorbei war. Dann haben wir

weiter gespielt. Ist heute undenkbar.“

Heimatabend KölnFR / 18. Oktober / 20:15

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Heimat NRW – von obenSTADT, LAND, FLUSS

Abgehoben vom Alltag und mit dem richtigen Überblick sieht unser Land noch einmal ganz anders aus. Die vierteilige Serie „NRW von oben“ zeigt den Rhein und das Ruhrgebiet aus ei-ner ungewöhnlichen Perspektive.

Titel

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Heimat NRW – von obenSTADT, LAND, FLUSS

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Titel

WDR-Fernsehredakteur Thomas Kamp ist

ein wenig verliebt. Sein Schwarm hat unglaublich

viele Facetten. Er ist romantisch, fleißig, zuweilen

krumm und wild und mag die Farbe Grün. Tho-

mas Kamps Zuneigung gehört dem Rhein, der sein

Herz im Sturm erobert hat. Der Redakteur betreut

die vierteilige Serie „NRW von oben“, die vom 29.

November an im WDR Fernsehen ausgestrahlt

wird und die Nordrhein-Westfalen, den Rhein und

das Ruhrgebiet aus der Luft betrachtet.

Regisseur Peter Bardehle hat bei seinen Auf-

nahmen zur Sendereihe auf eine neue Perspektive

und Technik gesetzt: Mit dem Helikopter ging es

in die Luft. Am Hubschrauberboden war eine so

genannte Cineflex-Kamera befestigt. Sie ist eines

der besten Helikopter-Kamerasysteme, denn sie

erlaubt noch aus großer Entfernung sehr scharfe

Aufnahmen. „Diese Technik setzten bereits inter-

nationale Produktionen wie ,Die Erde von oben’

oder ,Home’ ein“, weiß Kameramann Klaus Stuhl.

Kostenpunkt übrigens: gut 500 000 Euro.

„Der Rhein ist ein Strom der Sehnsüchte“Der Hubschrauber hebt ab, es ruckelt und

wackelt, doch die Kamera fängt gestochen scharfe

Bilder ein, die der Regisseur direkt am Monitor im

Cockpit des Helikopters verfolgt. Peter Bardehle:

„Jedes Bild begeistert mich aufs Neue“. Besonders

der Rhein hat es dem Regisseur ebenso wie Thomas

Kamp angetan: „Mit der Cineflex-Kameratechnik

wollen wir das vielleicht ausführlichste Bild des

europäischen Stroms erstellen, das je dokumen-

tiert wurde“, sagt Peter Bardehle. „Der Rhein ist ein

Strom der Sehnsüchte.“ Er verbindet oder trennt

von seiner Quelle bis zur Mündung sechs Länder:

Österreich, Liechtenstein, die Schweiz, Deutsch-

land, Frankreich und die Niederlande. Das macht

den Rhein zu einem fantastischen Geschichtener-

zähler. „Er ist ein wunderbarer Protagonist“, sagt

Thomas Kamp.

Die Bilder vom Rhein und von den Städten

des Ruhrgebiets der „NRW von oben“-Reihe sind

aus der Flugperspektive der Vögel gedreht. Tho-

mas Kamp: „Das ist für den Zuschauer ein völlig

neuer und ungewöhnlicher Blickwinkel. Es ist eine

Erfahrung, die er nicht aus seinem Alltag kennt.“

Die ehemaligen Zechen im Ruhrgebiet sind in

Szene gesetzt. Die Kamera umkreist überlebens-

große Skulpturen, wie den Tetraeder auf der Halde

in Bottrop, sie begibt sich auf Augenhöhe mit den

Besuchern verschiedener Aussichtskunstwerke

und zeigt atemberaubende Ausblicke auf die Sky-

line von Duisburg, Essen und Dortmund.

Aus der Luft entdeckten die Filmemacher

Die Altstadt von Münster aus der Vogelperspektive Foto: WDR

Das Team um Pilot Dietmar Hill (u. links) sowie die Producer Jörg Siep-mann und Harry Flöter (2Pilots) bei den Vorbereitungen für einen Flug.

Fotos: WDR/Fußwinkel

Die Hubschrauberkamera holt Objekte aus 500 Metern Entfernung messerscharf heran.Leute, die in irgendeiner Form am,

mit oder vom Rhein und im „Pott“

leben. Dann landete der Helikop-

ter und Regisseur Peter Bardehle

ließ die Menschen ihre Lebensge-

schichten in die Kamera erzählen.

„Eine echte Entdeckung war für

mich der Rhein als Industriefluss.

Es ist der Lauf ab Köln“, sagt Tho-

mas Kamp. „Verblüffend finde ich,

dass der Betrachter erst von oben

sieht, dass der Rhein auch in diesem

Abschnitt trotz der ganzen Indus-

trieanlagen durch riesige Grünflä-

chen und Auen fließt. Der Rhein ist von der Quelle

bis zur Mündung ein rundum schöner Fluss.“

Thomas Kamp ist gebürtiger Oberhausener.

Und so war es ihm eine Herzensangelegenheit,

seine Heimat Ruhrgebiet mit der besonderen

Kamera- und Aufnahmetechnik filmen zu lassen.

Und das „Ruhrgebiet von oben“ offenbart: Neben

dem ganzen Strukturwandel gibt es ihn noch –

den Brieftaubenzüchter, der fest mit seiner Heimat

verbunden und verwurzelt ist. Auch eine Liebe fürs

Leben. Tobias Zihn

„NRW von oben – ein Fernsehspiel“WDR FernsehenFR/ 29. November/20:15

„Rhein von oben“WDR FernsehenFR/ 6. und 13. Dezember/ 20:15

„Das Ruhrgebiet von oben“WDR FernsehenFR/ 20. Dezember / 20:15

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Fernsehen

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Fernsehen

„Die Sehnsucht nachTIEFGANG”Seit zwei Jahrzehnten ist das WDR-Wissensformat »Quarks & Co« auf Sendung. In WDR PRINT erklärt Moderator Ranga Yogeshwar diesen Erfolg mit der Haltung der Sendungsmacher. „Wir behan-deln unsere Zuschauer nicht als stumme Konsumenten, sondern als mündige Bürger, die in unserer komplexen Welt die Dinge auch kritisch hinterfragen möchten.“

In zwanzig Jahren ist sehr viel passiert: Das Fernsehen ist immer bun-

ter und kommerzieller geworden und das Internet löst allmählich unsere

Privatheit auf. Teenager und Manager sind gleichermaßen abhängig von

vibrierenden Smartphones. Wir wischen unsere Apps auf empfindlichen

Bildschirmen hin und her, sind ständig verbunden mit Freunden und unru-

hige Eilmeldungen erreichen uns selbst an entferntesten Orten.

Kaum vorstellbar, dass es einmal eine Zeit gab, in der Kinder einen

ganzen Nachmittag mit ihren Freunden umherzogen, ohne dass ihre Eltern

sie erreichen konnten – und niemand machte sich Sorgen! Vor zwanzig

Jahren legte sich das Deutsche Fernsehen nachts mit einem verrauschten

Testbild schlafen. Das Geräusch elektrischer Schreibmaschinen hallte durch

die Redaktionsflure. Kein Internet, kein Handy, keine Flachbildschirme. Die

wenigen Fernsehsender leisteten sich Philosophiesendungen, übertrugen

zur besten Sendezeit Schachpartien und in Redaktionskonferenzen teilte

man sich einen Aschenbecher.

Die Fernsehmacher kannten noch nicht den Unterschied zwischen

Zuschauerzahlen und Marktanteilen. Wissenschaftssendungen hatten

damals einen professoralen Touch. Ältere Herren im Anzug hielten Monologe

und nutzten Zeigestöcke, um die Flugbahnen neuer Satelliten nachzuzeich-

nen. Manche Moderatoren ermunterten zum Selbermachen, andere hielten

flammende Appelle gegen das Waldsterben. Das Fernsehen war langsam

und der Abspann wurde noch von Papierrollen abgefilmt. Und Kontakt zur

Redaktion bekam der Zuschauer per Postkarte und über selbstfrankierte

Rückumschläge.

Als »Quarks & Co« 1993 an den Start ging, war „Quote“ ein FremdwortHeute geht alles sofort: Per Mail, live, mit Twitter-Kanal und Facebook-

Auftritt. Per Pushdienst und Cloud sind wir stets auf dem Laufenden. Unsere

Kinder fliegen für den Preis eines besseren Abendessens um die halbe Welt

und dank Skype bleiben sie doch immer noch zu Hause.

Als »Quarks & Co« im Mai 1993 an den Start ging, war „Quote“ noch

ein Fremdwort. Doch inzwischen werden die bunten Internetauftritte der

Sendungen nach Pageviews optimiert und ihren Erfolg reduziert man auf

eine Akzeptanzstatistik: „Super Quote – tolle Sendung! Leider habe ich sie

noch nicht gesehen ...“ Das „Gefällt mir“ ist inzwischen zur harten Währung

einer umkämpften Medienlandschaft geworden, die stets auf Audience-flow

und Zielgruppen schielt. Sendungen sind zu Produkten verkommen und

Zuschauer zu Kunden.

Es klingt widersprüchlich, doch anfangs half die im WDR eingeführte

Quote unserer neuen Sendung sogar auf die Sprünge: Die Programmver-

antwortlichen waren überrascht vom messbaren Zuspruch, den das neue

Format beim Zuschauer fand. Fortsetzung nächste Seite

Ranga Yogeshwar im Studio. Foto: WDR/Langer

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Fernsehen

Fortsetzung von Seite 17

»Quarks« wurde zum Vorbild: Inhalt und Quote – geht doch! Die

„Wissenschaft“ wurde salonfähig und selbst kommerzielle Sendeanstalten

begaben sich mit „Wissensformaten“ und dunkelhäutigen Moderatoren auf

Zuschauerfang.

»Quarks & Co« blieb jedoch anders. Während sich die deutsche Fern-

sehlandschaft in eine mediale Kirmes verwandelte mit Casting-Shows,

Kochduellen, Dschungelcamps, überinszenierten Awards, allerlei Quiz-

formaten und Talkshows, setzte »Quarks« weiterhin ganz unaufgeregt auf

den mündigen Seher.

Vielleicht ist das der unbestrittene Erfolg der Sendereihe: Wir behan-

deln unsere Zuschauer nicht als stumme Konsumenten, sondern als mündige

Bürger, die in unserer komplexen Welt die Dinge auch kritisch hinterfragen

möchten. Sie können denken und nicht nur applaudieren. Sie wollen verste-

hen, um mitzureden. Und sie haben Humor.

Recherche ist für uns mehr als das Übernehmen von BehauptungenIm Laufe der Zeit ist eine Beziehung zu unseren Zuschauern entstan-

den, die geprägt ist von Vertrauen und gegenseitigem Respekt. Medien sollten

nicht zum Zirkus der Beliebigkeiten verkommen, sondern ein wesentliches

Element einer lebendigen Demokratie bleiben. Genau hierin liegt die so

kostbare Idee des öffentlich-rechtlichen Systems, um das uns so viele andere

Nationen beneiden: Wir orientieren uns nicht am vermeintlichen Zuschauer-

geschmack, sondern bieten den Menschen Orientierungshilfen an. Wenn die

Bildschirme immer f lacher

werden, dann muss sich das

nicht zwingend auch auf das

Programm auswirken.

Recherche ist für uns

mehr als das Übernehmen

von Behauptungen. Und The-

men werden nach Inhalten

bestimmt und nicht nur des-

halb, weil andere sie ebenfalls

machen. Mit kostenlosen

»Quarks«-Scripts, mit einem

reichen Internetangebot, das zu den ersten überhaupt im deutschen Fernse-

hen zählte, oder mit Podcasts, die auch auf den Smartphones junger Menschen

laufen, erreichen wir viele auch außerhalb unserer Sendestrecke. Schulen

nutzen unsere „Quarks-Box“ und »Quarks« hat einen festen Platz im Unter-

richtsplan. Lehrer und Schüler schätzen unsere Sendungen, und wenn man

sie nach dem „Warum ?“ fragt, heißt es: »Quarks« schafft es, komplexe Dinge

verständlich zu erklären, auf neue Erkenntnisse hinzuweisen, Zusammen-

hänge genauer zu beleuchten, Relevantes von Überflüssigem zu unterschei-

den, Inhalte korrekt auf eine unkonventionelle Art darzustellen oder mit

zahllosen Experimente und Tests die Sachverhalte wirklich unabhängig zu

überprüfen. Keine andere Sendung in Deutschland wurde hierfür von so

vielen unterschiedlichen Fachgremien ausgezeichnet. Dieser warme Zuspruch

macht uns auch stolz und erzeugt ein anregendes „Wir-Gefühl“. Vom Autor

zum Redakteur, vom Szenenbildner bis zum Grafiker, vom Kameramann

bis zum App-Programmierer – überall spürt man diese besondere Liebe zur

Sendung. »Quarks« gefällt eben nicht nur unseren Zuschauern, sondern auch

uns Machern. Wenn ich also hier von „Stolz“ spreche, so meine ich keines-

falls Überheblichkeit, sondern Selbstbewusstsein für unser Anliegen. Wir

Ralph Caspers gehört zum »Quarks«-Team und moderiert unter anderem »Quarks & Caspers«.

Herzlichen Glückwunsch, »Quarks«! Seit 20 Jahren informieren und unterhalten Ranga Yogeshwar und die »Quarks«-Redaktion mit wissenschaftlichen Themen. Foto: WDR/Berner

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Fernsehen

Der Physiker, Astronom und Autor Harald Lesch gratuliert »Quarks & Co« zum Jubiläum. Lesch moderiert unter anderem die Wissenschaftssendung »Abenteuer Forschung« im Fernseh-programm des ZDF.Heutzutage Wissenschaft in einem Unter-

haltungsmedium zu präsentieren ist ein

hartes Stück Brot. Schließlich sind die

guten alten Zeiten längst vorbei, in denen

das Medium Fernsehen das elektronische

Fenster in die Welt der Forschung und

Wissenschaft war. Auf dem Jahrmarkt

der Eitelkeiten ist es deshalb wirklich schwierig, die an sich nüchterne

wissenschaftliche Forschungstätigkeit so unter die Leute zu bringen,

dass sie als „Appetitmacher“ einerseits und einer durchgängig richtigen

Informationssendung andererseits entspricht. »Quarks & Co« macht das

seit zwanzig Jahren vorbildlich. Mit ihrem hervorragenden Moderator

Ranga Yogeshwar und einer höchst kompetenten Redaktion schaffen sie

es jede Woche in sehr bemerkenswerter Art und Weise, den „Menschen

draußen im Lande“ auf äußerst originelle und unterhaltende Weise aus

der Welt der Wissenschaft zu berichten. Ranga und seine Gang hissen

einmal pro Woche die Fahne der Aufklärung und stellen schlicht fest,

wir helfen euch, dem eigenen Verstand zu vertrauen. »Quarks & Co«

schafft es immer, die verwickelten und manchmal auch verzwickten

Zusammenhänge wissenschaftlicher Erkenntnisse so zu präsentieren,

dass es für einen Kollegen einfach eine Freude ist – und für das Publikum

offensichtlich ja auch. Ich gratuliere dir und deiner Redaktion herzlich.

Bitte bleibt bei eurem Konzept und ich wünsche euch weitere 20 Jahre.

Ich gratuliere dann gerne wieder. Harald Lesch

sind überzeugt vom öffentlich-rechtlichen Grundgedanken und wir stehen

dazu. Bei uns hat man nie gesehen, wie Starke sich auf Kosten Schwächerer

profilieren. Bei uns treten keine „Opfer“ auf. Bei uns wird nicht gemutmaßt

und nicht spekuliert. Als zum Beispiel vor dem Hintergrund einer Reaktor-

katastrophe eine mediale Hysterie um sich griff, blieben wir ruhig und klar.

„Fight the fear with the facts“ – „Bekämpfe die Angst durch einen Blick auf die

Fakten“. Das mag altmodisch klingen in Zeiten griffiger Online-Schlagzeilen.

Doch in solchen Momenten wurden wir zum „Lotsen im Nachrichtenstrom“.

Der anhaltende Erfolg von »Quarks & Co« ist für mich ein wunder-

barer Beleg dafür, dass unsere Medienlandschaft den Zuschauern mehr

zutrauen sollte. Die allermeisten Menschen sind interessiert, wenn man

sie ernst nimmt. Und trotz der grellen Leuchtreklamen sehnen sich viele

nach Tiefgang und Weitblick. Auch nach zwanzig Jahren bleiben wir dieser

Überzeugung treu und empfehlen sie weiter!

„Ranga und seine Gang sind seit zwanzig Jahren vorbildlich“

Herzlichen Glückwunsch, »Quarks«! Seit 20 Jahren informieren und unterhalten Ranga Yogeshwar und die »Quarks«-Redaktion mit wissenschaftlichen Themen. Foto: WDR/Berner

Per Blog können sich »Quarks«-Zuschauer an

der Entstehung eines Beitrags der Jubiläums-

sendung beteiligen.

Foto: WD

R/Lesch

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Fernsehen

„Wir die Wand“ ist eine ein-zigartige Dokumentation, die elf BVB-Fans während eines Bundesligaspiels auf der Dortmunder Südtribüne zeigt und ihre ganz persönlichen Geschichten erzählt. WDR PRINT-Autorin Ute Riechert sprach mit dem WDR-Moderator und bekennenden Borussia-Fan Matthias Bongard über die Doku. „Wir die Wand“ sei „kein Fußballfilm“, findet der.

„,Die Wand ist ein Heimatfilm“, sagt Mat-

thias Bongard. „Die Charaktere wird man auch in

anderen Stadien finden, denn das sind Menschen,

die ihre Identifikation im Fußball finden.“ Der

Mann weiß, wovon er spricht. Er selbst ist seit

„ungefähr 30 Jahren“ BVB-Fan, inklusive Schal,

verschiedener Trikots und dem BVB-Gründungs-

jahr „1909“ auf dem Autokennzeichen. „Da macht

man nichts dran. Wenn es einen erwischt hat,

dann ist das so“, erklärt er. Und selbstverständ-

lich kennt er die Südtribüne in Dortmund. „Ich

nenne das Stadion einen ‚Sozio-Zoo‘“, sagt er. „Die

Südtribüne ist eine heterogene Menge, in der vom

Fußballfilm – ein Heimatfilm?JAWOLL!

Professor bis zum Arbeitslosen Menschen für 90

Minuten zusammenfinden. Nach dem Spiel gehen

sie als Individuen wieder zurück in ihr Leben, um

sich dann zwei Wochen später beim Heimspiel

wieder auf ,der Süd’ zu treffen.“

Der Blick nur auf die FansDie Idee für den Film hütete Autor Klaus Mar-

tens zehn Jahre lang in der Schublade. Sie klingt ein-

fach, erzeugt aber packende Eindrücke: 16 Kameras

beobachteten am 20. April die Fans auf der Tribüne

vom Eintreffen im Stadion bis nach Spielende. Es

wird kein Tor vom Spiel gegen Mainz 05 gezeigt, es

Nicht nur Zuschauer, sondern Fan: Matthias Bongard vor dem Signal Iduna Park. Foto: WDR/Petzold

WDR-Redakteur Klaus Martens bespricht im Stadion eine Kamera-einstellung vor dem Dreh. Foto: WDR / Langer

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Fernsehen

gibt keinen Blick aufs Spielfeld, nur die Originalaus-

sagen der Protagonisten auf „der Süd“. Die Vorzüge

des Films sind für Bongard, der unter anderem die

WDR-Kultursendung WestArt moderiert, schnell

zusammengefasst: Technisch perfekt, die Auswahl

der Protagonisten, der Sinn fürs Wesentliche – und

mit Raum für Erkenntnisgewinn. Oder für ein emo-

tionales „Jawoll!“. „Es ist diese Machart, die mich

90 Minuten unterhält – ohne Kommentar und ohne

eine einzige Spielszene zu zeigen.“

Emotionales Ventil SüdtribüneDie Empfindungen der elf porträtierten

Fans kann Bongard gut nachvollziehen. „Es gibt

in unserem reglementierten Alltag immer weniger

Räume, um seine Aggressionen, seine aufgestau-

ten Gefühle loszuwerden.“ Die heftige Sprache,

das Gebrüll und die Sprechchöre zu verstehen,

bedeute ja nicht, sie zu akzeptieren, präzisiert

er. Bongard sagt, dass er gegenüber diesem Mas-

Trailer und viele Infos zu „Wir die Wand“

teristikum. Aber: „Diese bildgewaltige Opulenz

funktioniert filmisch wahrscheinlich nur bei der

Dortmunder Südtribüne.“ Die Menschen der Dort-

munder Südtribüne seien geradezu exemplarisch

auch für andere Stadien im Westen. Denn: „Das

Ruhrgebiet ist als Melting-Pot historisch geübter als

andere Regionen“, erläutert Bongard. Und stellt klar:

„Das hat nichts mit Ruhrgebietsromantik zu tun.“

Sondern schlicht mit Menschen, die ungeschminkt

sagen dürfen, was sie wollen. Im Schutz der spezi-

ellen Situation eines Fußballspiels. Und mit einer

schwarz-gelben Wand im Rücken. Ute Riechert

„Wir die Wand“

WDR FernsehenDO / 3. Oktober / 21:45

senphänomen nicht kritiklos sei, aber selbst als

„Sitzplatz-Kanake“, wie die Südtribüne Leute wie

ihn nennt, deren Gefühle nachempfinden könne.

Was er an Martens Film schätzt: Er stellt seine

Akteure niemals bloß.

Authentisch und liebevoll„Die Dokumentation geht liebevoll mit den

Menschen um, die dort viel von sich preisgeben. Die

machen sich nicht lächerlich, sondern die öffnen

sich einfach.“ Auch das sei ein meisterhafter Coup

von Klaus Martens: Die abgefilmten Borussen-Fans

auf der Südtribüne konnten die Kameras einfach

vergessen. „Diese Fans spielen nichts, sondern sie

sind einfach sie selbst“, findet Bongard. „Der Film

beschönigt nichts. Da sind so viele Aussagen drin,

von denen man vermuten könnte, sie müssten

den Menschen peinlich sein. Sind sie aber nicht.

Die sind so, und die meinen das so.“ Die Wand sei

deshalb auch nicht allein ein Dortmunder Charak-

Die Südtribüne vereint 25 000 „Schwarz-Gelbe“ – mehr Menschen als in manchen kleinen Städten leben. Foto: WDR/Langer

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Fernsehen

Am 14. Oktober nimmt das nahezu komplett erneuerte Studio E – das Herzstück der aktuellen Produktion – in der Kölner Innenstadt den Betrieb auf. Hier entstehen mehr als ein Dutzend Formate. Viele davon virtuell wie »Monitor«, »Ratgeber Internet«, »ttt«, »EinsWeiter«, »ARD Brennpunkt«, »PlusMinus«, »Weltspiegel« und ab November auch die »Servicezeit«.

Das neue Studio E sei ein echtes „Arbeits-

tier“, findet Christoph Augenstein, Leiter der

Kölner Fernsehproduktion. Per „Knopfdruck“,

genauer per Mausklick, lassen sich verschiedene

„Settings“ laden, die für jeden Arbeitsplatz in der

Regie die jeweils notwendigen sendungsrelevanten

Funktionen bereitstellen. Der Vorteil: Flexibilität.

Augenstein: „Je nach redaktioneller Anforderung

kann das Studio E von Teams in ganz unterschiedli-

cher Größe gefahren werden – von klein und smart

mit vier Personen bis zur aufwändigen Sondersen-

dung mit 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

aus Produktion und Redaktion. Früher folgten die

Personalkonzepte primär der Technik – heute den

redaktionellen Anforderungen.“

Voraussetzung für die f lexible Nutzung

ist die moderne, fast ausschließlich softwarege-

steuerte Servertechnik sowie die offene Raum-

struktur. Durch den Wegfall der zahlreichen

Trennwände und den Einsatz von großflächigen

Glasschiebewänden entstand ein offener Raum,

in dem direkte, schnelle und unkomplizierte

Kommunikation unter den Mitarbeiter/innen

möglich wird.

Virtuell und schnell„Ich wüsste kein Studio in Deutschland,

in dem die Möglichkeiten der aktuellen Tech-

nik so konsequent umgesetzt worden sind“, sagt

Hermann Stöters, Projektleiter des Umbaus. Für

Das neue Herzstück des AktuellenSTUDIO E

Die Teamstärke in der Regie des Studio E variiert je nach Anforderungen der Sendung. Fotos: WDR/Dahmen

Die 180 Quadratmeter große „Stanzecke“ liefert die grüne Fläche für viele virtuelle WDR-Produktionen.

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virtuelle Produktionen bietet das „Arbeitstier“

jetzt mehr Möglichkeiten durch eine mit nun

180 Quadratmetern wesentlich größere grüne

„Stanzecke“. Bei virtuellen Produktionen ent-

steht die Studioeinrichtung, die die Zuschauer

auf den TV-Bildschirmen sehen, mit Hilfe von

Computergrafik. Die virtuelle Kulisse wird dann

mit dem Realbild der Kameras ergänzt. Hierdurch

entsteht der Gesamteindruck des Szenenbilds.

Dieses Verfahren macht ein serielles Produzie-

ren möglich. „Durch die Virtualität sind wir sehr

flexibel und sehr schnell, da lange Umbauzeiten

für die Dekorationen und Technik entfallen. Pro-

duktionen sehen damit immer gleich gut aus. Ein

wichtiger Faktor im Punkt Qualitätssicherung“,

so Markus Gerlach, Abteilungsleiter der AÜ und

Studioproduktion.

KostenbewusstBei den Kosten blieb der WDR unter dem

vorgegebenen Rahmen, die EU-weit ausgeschrie-

bene Studiotechnik konnte etwa 30 Prozent

günstiger eingekauft werden. Auch ein kosten-

bewusster Umgang mit „alter“ Technik, die rund

16 Jahre auf dem Buckel hat, trug dazu bei. Beim

Ton wurde zum Beispiel „alles Gute aus dem

alten Studio E bewahrt“, erklärt Manfred Lei-

nen, technischer Leiter AÜ+Studioproduktion.

Erhalten blieb zum Beispiel der Akustikausbau in

der Sprecherkabine. Auch die gegenüberliegende

Seitenwand der Bildregie wurde übernommen

– nicht nur aus Kostengründen. Der Braunton

der Buchenpaneele gibt dem Hightech-Raum mit

seinem Retro-Charme im Stil der 70er Jahre eine

angenehm warme Atmosphäre. Und kostet – gar

nichts.

Sascha Woltersdorf

Fernsehen

Foto

: WD

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Die 180 Quadratmeter große „Stanzecke“ liefert die grüne Fläche für viele virtuelle WDR-Produktionen.

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Fernsehen kompakt

Im neuen »Tatort« „Die chinesische Prinzes-sin“ sorgt die Ausstellung einer international bekannten chinesischen Künstlerin für große Aufregung. Für diese »Tatort«-Produktion wurde im Westfälischen Landesmuseum in Münster gedreht, wo die Installationen ausge-stellt wurden. Dafür wurde der freie Szenen-bildner Alexander Scherer zum Künstler und entwarf die großformatigen Kunstwerke, die im Film zu sehen sind. WDR PRINT sprach mit dem Teilzeit-Künstler über die Herausforderungen seiner ersten eigenen Film-Ausstellung und die Reaktionen der Schauspieler.

Was bekommen die »Tatort«-Zuschauer in der Ausstellung zu sehen?A L E X A N DER S CH ER ER : Drei

Großinstallationen: Den „Lampcube“, eine Ins-

tallation aus 120 großen, seidenen chinesischen

Lampions, den „Bambuswald“, eine 100 Quadrat-

meter große Rauminstallation aus Bambusrohren

und Verpackungsmaterialien, und eine dekonst-

ruktivistische Installation aus antiken chinesi-

schen Schreibtischen.

Sie haben für den »Tatort« die Ausstellung der chinesischen Künstlerin Songma entworfen. Wie waren die Vorgaben?SCHERER: Beschrieben war die Ausstellung einer

chinesischen Installationskünstlerin, angelehnt an

die modernen chinesischen Künstler wie zum Bei-

spiel Ai Weiwei. Die Ausstellung musste natürlich

einen großen Schauwert haben. Und es sollte nicht

nur Boerne wehtun, wenn Kommissar Thiel mit sei-

ner robusten Art am Ende Recht und Gesetz wieder

herstellt und dabei die Kunstwerke zerstört werden.

War eine besondere Vorbereitung oder Recher-che nötig? Woher kamen Ihre Ideen?SCHERER: Die Ideen entwickelten sich aus den

verschiedensten Anforderungen. Eine wichtige

Komponente waren die Räumlichkeiten. Glückli-

cherweise war es uns möglich in einem richtigen

Museum zu drehen, dem LWL Landesmuseum

Münster. Eine ganz großartige Zusammenarbeit.

Als die Mitarbeiter nicht über meine Entwürfe

lachten, wusste ich, dass ich auf einem

guten Weg war.

Ist Ihnen die Aufgabe schwer gefal-len oder sind Sie privat auch künst-lerisch tätig?SCHERER: Das war schon eine beson-

dere Herausforderung. Ich interessiere

mich zwar sehr für darstellende Kunst,

Malerei und Fotografie. Mit Installa-

tionen oder gar Rauminstallationen hatte ich

mich aber vorher noch nicht beschäftigt. Mein

Anspruch war es, ein glaubhaftes Szenenbild

zu entwerfen. Ich denke aber, dass man als Sze-

nenbildner natürlicherweise eine künstlerische

Neigung haben muss.

Und wie fanden die Schauspieler Ihre künst-lerische Arbeit?SCHERER: Axel Prahl war begeistert. Professor

Boerne ist ja immer ein wenig zurückhaltender,

aber ich glaube, es hat ihm auch gefallen.

Im Showdown wird die ganze schöne Ausstel-lung kaputt gemacht. Ein bisschen schade? Oder hatten Sie Spaß an der Zerstörung?SCHERER: Mir hat das Herz geblutet!

Mit Alexander Scherer sprach Laura Nagel.

Der »Tatort« erschafft Kunstprojekt

Ein Mord geschieht in der Münsteraner Rechts-

medizin, dem Heiligtum von Professor Boerne.

Hat er selbst etwas damit zu tun? Gerade erst

wurde in Münster die Ausstellung von Songma

(Huichi Chiu) eröffnet, einer international

bekannten chinesischen Künstlerin, Dissiden-

tin und Prinzessin – schon ist sie tot. Nachdem

Boerne (Jan Josef Liefers) auf der Vernissage

mit der Künstlerin geflirtet hatte, wird sie am

nächsten Morgen mitten in der Münsteraner

Rechtsmedizin aufgefunden – ermordet mit

einem Skalpell. Daneben der Ermittler, der

sich nicht mehr an die Ereignisse der letzten

Nacht erinnern kann. Offenbar haben Drogen

eine große Rolle gespielt, die Boerne doch so

vehement ablehnt.

Kollege Frank Thiel (Axel Prahl) soll gegen

ihn ermitteln. Doch der glaubt fest an Boer-

nes Unschuld und verfolgt eine ganz andere

Spur. Seine Vermutung: Die chinesische Mafia

und der Geheimdienst haben ihre Finger im

Spiel. Thiel vermutet, dass alles mit den Video-

Clips auf Songmas Laptop zusammenhängt, in

denen Mitglieder der Volksgruppe der Uiguren

von Menschenrechtsverletzungen in China

berichten. EB

Tatort aus Münster:Auf den Spuren der chinesischen Mafia

Alexander Scherer

Foto: WDR/Scherer

Boerne (r.) und Thiel mit der chinesischen Künstlerin

Songma Foto: WDR/Weber

Der „Lamp-cube“, eine Installation aus 120 großen, seidenen chinesischen Lampions, entstand für den Münster-Tatort „Die chinesische Prinzessin“.Foto: WDR/privat

„Die chinesische Prinzessin“Tatort aus Münster

Das ErsteSo / 20. Oktober / 20:15

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Fernsehen kompakt

Im aktuellen Fall „Loverboy“ steht Horst Schi-

manski erst einmal vor den Trümmern seiner

eigenen Wohnung. Zwei Handlanger haben

sie im Auftrag von Gangsterboss Kaijewski

zerlegt, der zurzeit im Knast sitzt. Im Gefäng-

nis trifft Schimanski zu seinem Erstaunen

auf einen verzweifelten Kaijewski, der ihn

für einen Auftrag gewinnen will. Schimmi

soll seine verschwundene 14-jährige Tochter

finden, die mit ihrem Freund abgehauen ist.

Die Ermittlungen führen auf den Duisburger

Straßenstrich, zu den „Loverboys“, die junge

Mädchen erst dazu bringen, sich zu verlieben,

um sie dann für die Prostitution gefügig zu

machen.

In „Loverboy“ ist Götz George bereits zum

17. Mal als Horst Schimanski im Einsatz. An

seiner Seite spielen unter anderem Chiem van

Houweninge, Julian Weigend, Denise Virieux,

Anna Loos, Nina Kronjäger und Marek Wlo-

darczyk. Gedreht wurde in Duisburg, Köln und

Rotterdam.

Unter der Marke „Tatort“ stand George in die-

ser Rolle schon zum 46. Mal vor der Kamera.

Wer nicht bis zur Ausstrahlung am 10.11.

(20:15, ARD) warten möchte, sollte zur 23.

Cologne Conference kommen: Anlässlich

des 75. Geburtstags von Götz George wid-

men die Veranstalter des Filmfestivals dem

großen Charakterdarsteller am 3.10. im Köl-

ner Kino „Residenz“ eine Kultnacht mit drei

„Schimanski“-Filmen. Als Preview wird um

18:30 „Loverboy“gezeigt – mit George als

Ehrengast. Mit dem Köln-Tatort „Franziska“

eröffnet ein weiterer Tatort am 29. September

die Cologne Conference. CS

„Loverboy“ – Horst Schimanskis 17. FallMit einer Mischung aus Doku und Roadmovie

lernt die türkischstämmige Renan Demir-kan viel über das Land, aus dem ihre Eltern stammen.

Er wird der „Vater aller Türken“ genannt. Aber

welche Bedeutung hat Atatürk heute, wenn die

türkische Republik am 29. Oktober ihren 90.

Geburtstag feiert? In dem Film „1001 Macht“ setzt

sich Renan Demirkan mit dem Übervater ausein-

ander, der seine Reformen zur Modernisierung des

muslimischen Landes nicht ohne Druck durch-

gesetzt hat und auf alte Traditionen und religiöse

Gefühle wenig Rücksicht nahm. Gemeinsam mit

WDR-Autor Florian von Stetten begab sie sich auf

die Spuren des Staatsgründers in der Türkei.

Die Schauspielerin und Autorin geht in dem

Roadmovie auch ihrer eigenen Geschichte auf den

Grund. In der Türkei geboren, in Deutschland groß

geworden, musste sie vor einigen Jahren einem

Journalisten gegenüber zugeben, nicht viel über

das Land ihrer Eltern zu wissen.

„Wir haben nach einem deutsch-türkischen

Blick gesucht, nach einer prominenten Person,

die in Deutschland zu Hause ist und türkische

Wurzeln hat. Der das Land und seine Geschichte

eigentlich auch fremd sind, die es aber verstehen

möchte und dabei unsere, die deutschen Fragen

stellt“, erklärt WDR-Redakteurin Gudrun Wolter.

Renan Demirkan passte da perfekt – der Vater ein

Kemalist, froh, dank Atatürk Ingenieur werden

und die westliche Philosophie kennen und lie-

ben lernen zu können. Die Mutter ein gläubiger

Mensch, verwurzelt in der alten orientalischen

Türkei. Renan Demirkan sagt von sich selbst, sie

sei „zwischen Kant und Koran“ groß geworden.

Zwischen diesen beiden Polen scheint sich auch

die Türkei zu bewegen.

Wer an die Türkei denkt, hat zurzeit vor allem

Erdogans umstrittene Politik und die heftigen

Proteste rund um den Istanbuler Taksim-Platz

vor Augen. Als die Idee für den Film vor einem

Jahr entstand, war von den Unruhen noch nichts

zu spüren. Doch während der rund dreiwöchigen

Dreharbeiten im Juli und August dieses Jahres

bekam das Filmteam das Misstrauen gegenüber

westlichen Journalisten, das Ministerpräsident

Erdogan im Land geschürt hatte, deutlich zu

spüren. Lange im Voraus angefragte Drehgeneh-

migungen wurden zwar nicht verweigert, aber

schlicht ignoriert, eine Planung dadurch unmög-

lich. Um kein großes Aufsehen zu erregen, filmte

das Team mit einer kleinen Kamera – und wurde

trotzdem von einem öffentlichen Platz vertrieben,

obwohl Filmaufnahmen dort eigentlich ohne

Genehmigung erlaubt sind. Kein schönes Gefühl,

beschreibt Florian von Stetten die Situation, zumal

bekannt sei, dass Journalisten in der Türkei ohne

besonderen Anlass in Untersuchungshaft festge-

halten werden können. Dennoch hat die Reise,

die das Team mehrere hundert Kilometer durch

das Land geführt hat, ihm

auch die Augen für die

Vielschichtigkeit des Lan-

des geöffnet – und für die

Fehlbarkeit der westlichen

Klischees. „Wir assoziieren

Atatürk mit Modernität,

Erdogan mit rückwärts-

gewandter Islamisierung.

Doch das Verhältnis der

Türken zu ihrem Land ist

geprägt von Widersprüch-

lichkeit. Junge Türkinnen,

die froh sind, dank Erdogans

Beschluss in der Uni wieder

Kopftuch tragen zu dürfen, protestieren gegen die

Politik des Ministerpräsidenten und berufen sich

auf Atatürk.“ Wie viel Freiheit konnte sich in den

letzten 90 Jahren in der Türkei entwickeln – trotz

oder wegen Mustafa Kemal Atatürk? Laura Nagel

Wie frei ist die Türkei?

Für „1001 Macht“ sprach Renan Demirkan (r.) auch mit Zeynep Cöloglu von den

antikapitalistischen Muslimen. Foto: WDR/Baum

Götz George am Set von „Loverboy“ Foto: WDR/Stratmann

„1001 Macht. Ein türkisches Abenteuer“Geschichte im Ersten

Das ErsteDO / 28. Oktober / 23:30

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DARKNETDie letzte Schlacht gegen den DA EMON

Radio

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Mit dem Hörspiel „Darknet“ produziert der WDR großes Kino für den Kopf. Mit einer hochkarätigen Besetzung von 42 Schauspielern entstand ein Cyber-Thriller. Den opulenten Soundtrack zu „Darknet“ hat unter anderem das WDR Rund-funkorchester eingespielt. Und für zwei kleine Gastrollen stand sogar WDR-Intendant Tom Buhrow vor dem Mikrofon – unter anderem als Nachrichtensprecher.

Die letzte Schlacht gegen den DA EMON

Radio

Der Darknet-Agent Major (Thomas Loibl) während einer Action-Szene. Wer sich der virtuellen Macht unterordnet, erlebt die Realität wie ein Com-puterspiel und wird mit unge-heuren Kräften ausgestattet.Fotos: WDR/Hattenberger

Regisseurin Petra Feldhoff im Studio

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Radio

„Könntest du nochmal etwas länger ster-

ben?“ „Darknet“-Regisseurin Petra Feldhoff hat

klare Vorstellungen davon, wie Schauspieler Flo-

rian Seigerschmidt sein Leben aushauchen soll.

Schön langsam, bevor er brutal dahingemetzelt

wird. Und zwar von einem unbemannten Motor-

rad. Der Schauspieler röchelt und stöhnt ins Mi-

krofon, dann ist sein Job erledigt. Sein letztes

Wort in dieser Produktion ist ein sehr lautes, lang

gezogenes „Nein“. In dem WDR-Hörspiel „Darknet“

steckt viel Action, es ist eine Art „Cyber-Action-

Thriller“. „Wie ,Terminator’ ohne Bild“, sagt Ton-

ingenieur Jürgen Glosemeyer.

Fortsetzung des WDR-Hörspiels „Daemon“Der Zweiteiler „Darknet“ ist die Fortsetzung

des WDR-Hörspiels „Daemon“, das im Frühjahr

2013 in drei Teilen ausgestrahlt wurde. Beide Pro-

duktionen basieren auf den 2006 und 2009 veröf-

fentlichten gleichnamigen Science-Fiction-Roma-

nen des ehemaligen Software-Entwicklers Daniel

Suarez, für die auch eine Hollywood-Verfilmung

geplant ist. In der von Andreas von Westphalen

geschriebenen Hörspielfassung stirbt der geniale

Computerspiele-Entwickler Matthew Sobol

(Christian Redl) und hinterlässt ein gefährliches

Programm: den Daemon, gewissermaßen Sobols

virtueller Doppelgänger. Einmal aktiviert, über-

nimmt der Daemon die Kontrolle über die digital

vernetze Welt. Das Programm infiziert Unterneh-

mensnetzwerke, spioniert Konsumentendaten

und soziale Netzwerke aus und findet dadurch

eigene Gefolgsleute, die Darknet-Agenten. Diese

Agenten findet Sobol mit einem Computerspiel,

das die Fähigkeiten der Gamer testet und sie

rekrutiert.

Für Hörspiel-Regisseurin Petra Feldhoff hat

dieser Stoff etwas Visionäres. Zum Beispiel die

sogenannten Head-Up-Displays, spezielle Brillen,

über die das Daemon-Programm Informationen

und Befehle vermittelt: „Jetzt gibt es diese Google-

Brillen, im Buch werden sie bereits von allen getra-

gen, die im ‚Darknet‘ tätig sind.“ Für die Agenten

werde so die ganze Welt zu einem Computerspiel.

Mit fatalen Folgen: Wer nicht mitspielt, muss ster-

Der Schauspieler röchelt und stöhnt ins Mikrofon, dann ist sein Job erledigt. Sein letztes Wort in dieser Produktion ist ein lautes, lang gezogens „Nein“.

1.

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Radio

„Darknet“

1LIVETeil 1DO /17. Oktober /23:00Teil 2DO /24. Oktober /23:00

ben. „Wirtschaft, Geheimdienste, der Staat und

der Daemon bekriegen sich zwar heftig“, erklärt

Regisseurin Feldhoff, „aber am Ende geht es um

etwas ganz anderes: um Befreiung.“ Der Daemon

hat nämlich das „Darknet“ erschaffen, das der

Menschheit helfen soll, sie vom Raubtierkapita-

lismus zu befreien.

Handgemachte Musik als Soundtrack„Darknet“ wird ebenso aufwändig produziert

wie „Daemon“, für das beispielsweise Stuntmen

für die Motorradszenen engagiert wurden. Auch

der für die ersten Folgen auf dem Studiogelände in

Köln-Bocklemünd extra aufgenommene Sound des

fremdgesteuerten und mordlüsternen Geländewa-

gens Hummer-H4 kommt wieder zum Einsatz. Die

vielen anderen Sounds hat das Produktionsteam

nicht nur aus dem Archiv geholt, sondern selbst

am Computer hergestellt oder auf ganz analoge

Weise selbst gemacht: Für die Szenen, in denen

Körperteile abgetrennt werden, hackten sie kur-

zerhand ein paar Melonen entzwei.

Auch der Soundtrack ist zum großen Teil

handgemacht und kommt nicht nur aus dem

Computer. Denn die Profis wissen: Die Sounds in

Computerspielen klingen schon lange nicht mehr

wie mit einem billigen Synthesizer gemacht. „Um

diese Spielewelt herzustellen und das Soundde-

sign gegen die reale Welt abzugrenzen, brauchten

wir auch ein großes Orchester und sind sehr froh,

dass das WDR Rundfunkorchester mehrere Titel

des von Felix Rösch komponierten Soundtracks

eingespielt hat“, sagt Regisseurin Feldhoff. „Denn

die Spieleproduzenten arbeiten heutzutage alle

mit großem Hollywoodorchester.“ Der Aufwand

hat sich gelohnt: „Daemon“ ist inzwischen für

den europäischen Radiopreis „Prix Europa 2013“

nominiert worden. Christian Gottschalk

1. Links.: Oliver Stritzel spricht Boerner, eine Computerfigur aus dem Internetspiel.

2. Motorrad-Stuntman Marc Reiter rast durch eine Tiefgarage. Tonaufnahmen für die Szenen mit einem tödlichen Motorrad.

3. Shen verkörpert durch Sebastian Graf.

4. Philips (Lavinia Wilson) und Ross (Paul Herwig) verlieben sich ineinander, als sie gegen das Compu-tervirus kämpfen.

5. Tobias Oertel (r.) gehört neben Dustin Semmel-rogge zum Cast der Hörspielproduktion.

6. Tom Buhrow übernahm unter anderem die Rolle eines Nachrichtenspre-chers.

7. Das WDR Rundfunkor-chester spielte die Aufnah-men für das Hörspiel im Klaus-von-Bismarck-Saal des WDR ein.Fotos: WDR/Hattenberger

2.

3. 4.

5.

6.

7.

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Radio

Jochen Rausch im 1LIVE-Haus Foto: WDR/Dahmen

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Radio

90 Jahre Radio. Das sind 90 Jah-re Kultur- und Mediengeschich-te. In der Welt der Apples und Googles stellt sich aber nun mit Macht die Zukunftsfrage. Nur soviel ist sicher: Radio muss mit Internet und Bewegtbild zu einer radiogetriebenen Medien-marke verschmelzen, die das Publikum mit in die digitale Welt nimmt. Sagt 1LIVE-Chef Jochen Rausch. Und: „Wir sind super aufgestellt.” Das WDR-Radio habe das Potenzial, in der Digitalität zu überleben.

Seit 90 Jahren gibt es Radio. Das klingt nach Konstanz. Aber in Wirklich-keit verändert sich die Medienwelt derzeit rasant. Wie hört sich Radio in zehn Jahren an? JOCHEN RAUSCH: Zehn Jahre sind in der digitalen Welt eine Ewigkeit. Des-

halb kann niemand seriös vorhersagen, wie es sein wird. Sicher aber ist das

Radio stärker in Gefahr, als manch einer es wahrhaben möchte. Noch hat

das Radio seinen exklusiven Verbreitungsweg UKW. Aber längst nutzen die

Jüngeren ihre Smartphones für jeglichen Medienkonsum. Und dort muss das

gute alte Radio sich gegen Videos, Spiele und soziale Netzwerke behaupten.

Wie wird das Radio der Zukunft klingen?RAUSCH: Zunächst einmal steht es vor einer tiefgreifenden Zäsur. Wir müssen

unsere Radiosender zu starken multimedialen Marken entwickeln. Wichtig

ist dabei, dass wir uns nicht von digitalen Verbreitungswegen und Plattfor-

men abkoppeln lassen. Medienkonzerne wie Apple oder Facebook nehmen

uns sonst das Geschäft aus der Hand. Und wir Radioleute dürfen nicht dem

Irrtum verfallen, die digitale Evolution gehe schon irgendwie an uns vorüber.

Wir sind davon genauso betroffen wie alle anderen klassischen Medien auch.

Schon jetzt hören junge Menschen viel weniger Radio als ältere.

Müssen die Sender weg von linearen Programmen, die einem vorgege-benen Ablauf folgen? RAUSCH: Wir haben nach wie vor ein sehr großes Publikum, das so Radio

hören will, wie es das seit Jahrzehnten gewohnt ist. 1LIVE beispielsweise

erreicht in NRW trotz der Radiomüdigkeit der Jungen mehr junges Publikum

als etwa Pro7 oder RTL und ist auch im europaweiten Vergleich der stärkste

junge öffentlich-rechtliche Radiosender. Aber so wird es nicht bleiben: wir

müssen uns doppelt anstrengen, indem wir klassisches Radio machen und

uns gleichzeitig auf die digitale Welt einstellen. Es reicht nicht aus, im Inter-

net analoges Radio zu senden und auf der Internetseite ein paar begleitende

Informationen zu veröffentlichen. Wir müssen Radio, Internet und Bewegtbild

zu radiogetriebenen Medienmarken zusammenbringen.

Was heißt das konkret?RAUSCH: Etwa die sozialen Netzwerke nutzen und uns stärker mit den Hörern

verbinden. Wir sind nicht mehr nur Sender, wir werden zum Empfänger. Wir

müssen uns als ein Medium verstehen, das permanent im Internet präsent ist.

Am Ende treffen sich alle Medien im Internet. Dafür brauchen wir vor allem

auch Bewegtbild. Audio allein ist im Netz nicht attraktiv. Das WDR Fernsehen

und die ARD haben zwar sehr viel anzubieten, was beispielsweise zu WDR 2

oder zu WDR 5 passt, aber wir haben nicht genug junges Fernsehprogramm, mit

dem sich 1LIVE vernetzen könnte. Da lassen wir sehr viel Potenzial liegen. Wir

haben fast 300 000 überwiegend sehr junge Follower auf Facebook, können sie

aber kaum mit WDR-Inhalten verlinken, weil diese Inhalte sich an ein älteres

Publikum richten. Die Jungen wollen von uns Pop, Comedy, Musik, Stars,

das haben wir aber kaum im Angebot. Natürlich erhöht all das den Aufwand.

Aber wenn wir nicht handeln, spielen wir bald nicht mehr mit beim jungen

Publikum. Fortsetzung nächste Seite

WELCHE ZUKUNFT HAT DAS RADIO?

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Radio

Fortsetzung von Seite 31

Schon jetzt machen Comedystars wie Y-Titti einen Bogen um die klassischen

Medien und erreichen im Internet ein Millionenpublikum – das muss uns

alarmieren.

Aber es gibt doch auch noch die klassischen Hörsituationen, zum Beispiel beim Autofahren.RAUSCH: Auch das Auto wird digitalisiert werden. Über kurz oder lang gibt

es internetfähige Empfangsgeräte im Auto. Dies eröffnet den Automobilher-

stellern vollkommen neue Möglichkeiten zur direkten Kommunikation mit

den Kunden. Man kann Fragen

zum Auto stellen oder den Kunden

schöne Hörbücher liefern, Wetter-

vorhersagen und Verkehrsfunk

sowieso. Das klassische Radio ist

in diesen Geräten nur noch ein

Angebot unter vielen.

Das hört sich düster an. Wie sähe denn eine digitale Strategie fürs Radio aus? RAUSCH: Wir werden für unab-

sehbare Zeit das Alte und das Neue

parallel anbieten müssen. Das ist

eine große Herausforderung und

Belastung. Noch ist der Zug nicht

abgefahren. Es gibt ein Zeitfens-

ter, von dem wir nicht wissen, wie

lange es noch offen ist, in dem wir

die Chance haben, einen Großteil

unseres Publikums mit in die digi-

tale Welt zu nehmen. Die Menschen in NRW mögen ja die WDR-Radios: jeder

Zweite hört täglich zu. Das schafft einen Vorsprung in einer Welt, in der wir

jetzt schon mit tausenden Webradios und Musikchanneln konkurrieren.

Wie begegnet man dieser Konkurrenzsituation? RAUSCH: Wir müssen konsequent unsere Vorteile ausspielen. Radio ist ja

vor allem ein sinnliches Medium. Dass wir seriös und schnell journalistisch

informieren ist ohnehin gesetzt. Aber es geht im Radio nun mal vor allem

um Emotionen. Die Freude an Popmusik, Jazz oder Klassik, an der Kultur, an

Comedy, an intelligenter Unterhaltung, das steht für viele Radiohörer im Vor-

dergrund. Und sie hören gerne kompetente und unterhaltsame Moderatoren.

Bei 1LIVE versuchen wir schon seit Jahren, Radiostars aufzubauen, das ist ja

auch beispielsweise mit Sabine Heinrich oder Briesch/Imhof gelungen. Und

nicht zuletzt sind wir den Menschen in NRW nahe, das ist ein klarer Vorteil

gegenüber Sendern, die im Silicon Valley oder in China gemacht werden.

Wie kann man gegen große Player wie Apple oder Spotify bestehen, die in den deutschen Radiomarkt drängen?RAUSCH: Wir sind unabhängig von kommerziellen Interessen. Wir haben

einen hohen journalistischen Qualitätsstandard. Wir Öffentlich-Rechtlichen

stehen nicht unter Verdacht, zur Musik- oder Spieleindustrie zu gehören, wir

sind nicht Teil von Vermarktungsstrategien internationaler Konzerne, wir

haben einen unvoreingenommenen Blick auf die Dinge, wir haben einen

wesentlichen Anteil an einer funktionierenden Demokratie und an der kul-

turellen Entwicklung Nordrhein-Westfalens. Das alles unterscheidet uns von

den Apples und Googles dieser Welt, denen es in allererster Linie um Milli-

ardengewinne geht. Es kommt allerdings darauf an, dass unsere Hörer die

Unterschiede auch im Programm hören und sich für uns entscheiden.

Das könnte aber auch heißen, öffentlich-rechtliches Radio macht ein gutes Angebot, es bekommt nur in Zukunft keiner mit.RAUSCH: So schwarz sehe ich nicht. Die Hörer wissen, was sie an uns haben.

Wir haben es ja auch geschafft, mit einem öffentlich-rechtlichen Programm wie

1LIVE junges Publikum zu ziehen.

Junge Leute sind also nicht gene-

rell gegen den WDR. Im Gegenteil:

unser Publikum findet es gut, dass

wir nicht ständig etwas verkaufen

wollen. Trotzdem müssen wir auf-

passen, nicht in die Nischen abge-

drängt zu werden, wo uns kommerzi-

elle Anbieter gerne sähen. Nur wenn

wir auf den Massenmärkten bleiben,

können wir als öffentlich-rechtliche

Radios unsere Existenz auf Dauer

sichern. Sonst laufen wir Gefahr, zu

einer im öffentlichen Diskurs eher

bedeutungslosen Institution zu wer-

den, wie es beispielsweise das Public

Radio in den USA ist.

Wie wollen Sie sich auf dem Mas-senmarkt halten, auf den alle Kon-kurrenten abzielen?

RAUSCH: Wir müssen aufhören in Kategorien wie Radio, Fernsehen und

Internet zu denken. Wir müssen uns als großes Ganzes verstehen. Wir sind

in NRW der ideale Rundumversorger für Unterhaltung, Information, Kultur,

Regionalität. Viele private Radios wären doch froh, wenn sie mit der Tagesschau

oder dem WDR-Fernsehen kooperieren könnten.

Welche Rolle spielt in der digitalen Welt die Vor-Ort-Präsenz?RAUSCH: Der WDR-Hörfunk ist ja jetzt schon der größte Kulturproduzent

in NRW. Ohne den WDR wäre das kulturelle Leben in diesem Land sehr viel

ärmer. Alle Radios sind mit hochklassigen Events im Land unterwegs. Das ist

auch zur Absicherung der Marken unerlässlich. Wir schaffen hier eine spürbare

Nähe, die außer uns keiner schafft – das ist im Zeitalter der digitalen Evolution

fast noch wichtiger als je zuvor.

Macht das Radiomachen demnächst weniger Spaß?RAUSCH: Ich denke, es wird anstrengender. Wir können nicht vor uns hinsen-

den und alle paar Jahre einen Relaunch machen. Relaunch ist jeden Tag. Und

es hilft auch nicht, in den Rückspiegel zu sehen und den guten alten Zeiten des

Dampfradios nachzutrauern. Oder zu hoffen, dass das Internet wieder abge-

schafft wird. Wir sind super aufgestellt, wir haben viele tolle Moderatorinnen

und Moderatoren und Reporter und Redakteure, wir haben das Potenzial,

dass das WDR-Radio in NRW die meistgehörte Stimme bleibt und wir in der

Digitalität überleben. Mit Jochen Rausch sprach Sascha Woltersdorf

90 Jahre Radio – im RadioVor 90 Jahren entstand ein Massenmedium, als

in Berlin die „Deutsche Stunde, Gesellschaft für

drahtlose Belehrung und Unterhaltung mbH“

auf Sendung ging. Aus diesem Anlass blicken die

WDR-Hörfunkwellen am 29. Oktober mit vielen

Sendungen zurück auf 90 Jahre Radio. Aber sie

schauen auch nach vorn und wagen Prognosen

für die Zukunft des Mediums. Unter anderem

widmet sich das »WDR 5 Morgenecho« (6:05-

9:00) der Digitalisierung des Radios und ihren

Folgen. Wie beeinflussen etwa Nischenradios im

Netz die politische Meinungsbildung? Auch im WDR 5-Kulturmagazin »Scala«

(12:05-13:00) wird – ausgehend von der Kulturgeschichte des Rundfunks – über

die Perspektiven des Radios in digitalen Zeiten nachgedacht. Funkhaus Europa

schaut über den Tellerrand und diskutiert die Bedeutung des Radios in Ländern,

in denen gravierende gesellschaftliche Veränderungen stattfinden, wie derzeit

im arabischen Raum. EB

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Radio

Mut bedeutet nicht unbedingt, etwas

Gefährliches zu tun. Mut steht dafür, Angst zu

überwinden – aber auch für Optimismus und Zivil-

courage. Der WDR widmet dieser inneren Haltung

eine Hörspielreihe. Denn: „Definitiv brauchen wir

mehr Mut!“, findet WDR-Hörspielchefin Martina

Müller-Wallraf. „Im Moment befinden wir uns in

einer Zeit, in der die Hauptstrategie Prävention

und Risikominimierung zu sein scheint.  In

der alle nur darauf schielen, was die anderen

machen: Womit war jemand schon mal erfolg-

reich?“ Das aber führe zu ewigen Wiederholun-

gen, sagt Müller-Wallraf. „Also ist »Nur Mut.« ein

Plädoyer für das Unkalkulierbare, das Wagnis, das

Experiment.“ Mut und gute Ideen zeichneten die

in diesem Schwerpunkt versammelten Hörspiele

aus, sagt Müller-Wallraf. Vielleicht auch Wagemut,

Irrsinns-Mut, unsinniger Mut. „Aber eins ist die

Reihe bestimmt nicht: erwartbar, austauschbar,

statistisch vorhersehbar.“

Das Monster im FlurUnter den Beiträgen, die vom 14. bis 27. Okto-

ber im Programm von 1LIVE, WDR 3 und WDR 5

laufen, sind einige brandneue WDR-Produktionen

wie „Monster“. Das Stück erzählt am 21. Oktober in

WDR 3 (23:05) und am 22. Oktober in 1LIVE (23:00)

von Duck Macatarsney. Die 16-Jährige will einfach

ein normales Leben führen – aber dafür muss sie

nicht nur die Monster in ihrem Flur bändigen.

Duck lebt allein mit ihrem kranken Vater, einem

Ex-Biker, der seine MS-Schübe mit Joints zu lindern

versucht und die Nächte vor dem Computer ver-

bringt. Dann kündigt sich eine Dame vom Jugend-

amt an – und Duck muss etwas unternehmen.

greifen die Themen also

sozusagen aus dieser künst-

lerisch verdichteten Luft.“

Da der WDR Hör-

spiele auf drei Wellen sen-

det, decken die Stücke der

Reihe eine gewisse Vielfalt

ab. Auf dem Sendeplatz

„Bühne Radio“ bei WDR 3

läuft beispielsweise am

27. Oktober ein Klassiker

aus den Archiven: Georg

Büchners Revolutions-

Drama „Dantons Tod“

in einer Produktion des

BR von 1948 (20:05). Die

Inszenierung mit Schau-

spielerlegenden wie Fritz Kortner und Elfriede

Kuzmany besitze gerade in ihrem historischen

Sound großen Reiz, sagt Müller-Wallraf.

Besonders angetan hat es ihr aber ein Hör-

spiel aus einem völlig anderen Genre. Nämlich

eine Science-Fiction-Story des deutschen Autors

Matthias Schamp, die am 14. Oktober auf WDR 3

(23:05) und am 15. Oktober auf 1LIVE (23:00) läuft.

Allein schon der Titel hat die WDR-Redakteurin

überzeugt: „Der Aufstand in den Sinnscheiße-

Bergwerken.“ Barbara Buchholz

Mit sieben Hörspielen der Reihe »Nur Mut.« setzen die WDR-Hörfunkprogramme einen besonderen Schwerpunkt und plädieren für mehr Courage und mehr Experimente.

Neue Hörspielreihe »NUR MUT.«

In dem Hörspiel des österreichischen

Regisseurs Petschinka liefert sich eine Megafon-

Anarchistentruppe ein Schrei- & Crash-Duell mit

dem Direktor des „Circus Maximus“. Und zwar

am 26. Oktober in WDR 3 (15:05). Den Mut der

Verzweiflung beweist der arbeitslose Held aus

der Ruhrgebiets-Tragikomödie „Jimi Bowatski

hat kein Schamgefühl“ am 15. Oktober in WDR 5

(20:05). Jimi fährt zur Villa seines Ex-Chefs,

um sich seinen Job zurückzuholen – mit einem

Schweinebolzenschussgerät …

Solche aktuellen Stücke zeigten, dass poli-

tische oder gesellschaftsrelevante Themen wie

in diesem Fall der Mut in der Luft liegen und von

den Künstlern und Radiomachern aufgenommen

werden, sagt Hörspielchefin Müller-Wallraf. „Wir

Georg Büchner auf einem Stich um 1835 Foto: WDR/AKG

Bild links: Dirk Laucke,

der Dramaturg hat die

Ruhrgebiets- Tragiko-

mödie „Jimi Bowatski“

umgesetzt.

Foto: WDR/ddp

Eberhard Petschinka,

Regisseur von „Circus

Maximus"

Foto: Hummel, ORF

Mehr Infor-mationen zu

Beiträgen der Hörspielreihe

»Nur Mut.«

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Radio

Melodien derWAHRHEITAm 10. Oktober, wenngleich das Datum umstritten ist, feiert die Welt den 200. Geburtstag des italienischen Komponisten Giuseppe Verdi (1813 – 1901). In Deutschland ist die Begeisterung besonders groß, denn hierzulande zählen Opern wie „Aida“, „La Traviata“ oder „Nabucco“ zu den beliebtesten Werken klassischer Musik.

Ei ne O p er n s a i s on

ohne das Genie aus Le

Roncole bei Parma scheint

so undenkbar wie Pasta

ohne Parmesan oder Bühne

ohne Shakespeare. Richard

Lorber, Musik-Redakteur

und gestandener E-Musik-

Kenner beim WDR, bringt

die Verdi-Begeisterung auf

den Punkt: „Verdi ist der

menschliche Komponist,

v iel leicht der mensch-

lichste von allen, Ausnahme

Mozart. Mit seinen Figuren

– etwa Falstaff, Othello oder

Rigoletto – kann man, ja

muss man sich identifizie-

ren. Verdi adelt sie nicht,

aber er verleiht ihnen den

Adel des Ausdrucks, wie es

der Dirigent Riccardo Muti sah.“ »West.Art-Talk«-

Moderator Holger Noltze, der das faszinierende

Buch „Liebestod“ über die Opern-Heroen des

19. Jahrhunderts schrieb, legt nach: „Verdi hat

nicht nur schöne Melodien komponiert, sondern

den Menschen auf den Grund geschaut: Es geht

immer um Wahrheit und das ist viel mehr als

nur schöne Töne.“

Im Mittelpunkt der Geburtstags-Rezep-

tion steht einmal mehr die gigantische Rivalität

zwischen Verdi und seinem deutschen Widersa-

cher Richard Wagner – beide 1813 im Jahr der Völ-

kerschlacht zu Leipzig geboren. Der eine suchte

in der Musik die Tiefen des Menschlichen; der

andere die mystischen Weihen elitärer Weltsicht.

Dieser „Kontrapunkt“ ist so essentiell, dass

er in der Verdi-Ehrung auf WDR 3 immer wieder

thematisiert wird. Hildburg Heider spürt ihm zum

Geburtstags-Auftakt im „WDR 3 Musikporträt/

Das Wahre erfinden ist besser!“ nach (Donnerstag,

3. 10., ab 15:05). Verdi wird in diesem Report bio-

graphisch genau verortet. Die Autorin reiste nach

Le Roncole und Busseto in Oberitalien, nicht um

glänzende Opernpaläste in den Fokus zu rücken,

sondern um die einfach-schlichte Herkunft des

Opernklassikers auszuloten. Allerdings, Gius-

eppe, genannt Peppino, wuchs weder in Armut

noch in bildungsfeindlichem Milieu auf. Schon

früh schenkte ihm der Vater, Gast- und Landwirt,

ein Spinett, eine Frühform des Cembalo, und för-

derte sein offenkundiges musikalisches Talent.

Heider sieht den Maestro einerseits im Fahrwas-

ser großer Vorbilder wie Bellini, Donizetti und

Rossini, andererseits aber schon früh auf ganz

eigenen Wegen, „indem er sich dem Wahren des

Menschen öffnete – klar, echt, leidenschaftlich

und höchst intuitiv“.

Historische Fassung der Oper „Attila“In die musikalische Vielfalt des Maestro

kann man förmlich im »WDR 3 Klassik Forum«

versinken (Samstag, 5. 10., ab 9:05). Drei Stunden

lang mischt Moderator Kalle Burmester typische

Verdi-Cocktails vom frechen Salonlied bis zur

großen Chorszene, von den ersten Ouvertüren

bis zum Fugen-Finale des späten „Falstaff“ – bis

der ganze Verdi-Kosmos sichtbar wird. Weitere

Höhepunkte: Das »WDR 3 Sonntagskonzert« (6.

10., ab 10:05), das ausschließlich Verdi-Eigenpro-

duktionen der WDR-Klangkörper und der Kam-

mermusik-Redaktion präsentiert sowie »WDR

3 Bühne: Radio« (6. 10., ab 20:05), das mit einer

historischen Fassung der selten gespielten Oper

„Attila“ aufwartet, einstudiert 1972 an der Londo-

ner Oper mit dem Royal Philharmonic Orchestra

unter Dirigent Lamberto Gardelli.

Reiner Brückner

Oben: Die Fotografie zeigt Giu-seppe Verdi im Jahr 1889 – zwei Jahre vor seinem Tod.Foto: WDR/AKG/Pietro Baguzzi

Rechts: Diese Postkarte zeigt die Silhouette Giuseppe Verdis.Foto: WDR/Lebrecht Music & Arts

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Radio

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Radio kompakt

Richard DeRosa wird neuer Chefdirigent der WDR Big BandRichard DeRosa wird zur Spielzeit

2014/15 neuer Chefdirigent der WDR

Big Band. DeRosa, 1955 in New York

geboren, verfügt neben seinen Fähig-

keiten als Dirigent und versierter

sowie einfallsreicher Arrangeur über

eine breite musikalische Stilistik, die

gut zum vielfältigen Repertoire der

WDR Big Band passt.

„Ich freue mich sehr darüber, dass

der Dirigent und Arrangeur Rich

DeRosa die Stelle als Chefdirigent der

WDR Big Band ab der Saison 14/15

übernehmen wird. DeRosa schreibt

für die Großen des Jazz und seine

Orchesterarbeit ist überragend. Seine

stilistische Vielfalt zeugt von einem

weiten musikalischen Horizont. Das entspricht

genau der Ausrichtung, die wir mit der WDR

Big Band verfolgen“, sagt WDR-Hörfunkdirektor

Wolfgang Schmitz. „Ich bin voller Dankbarkeit

und Begeisterung darüber, neuer Chefdirigent

und Arrangeur von Europas erfolgreichstem Jaz-

Was wurde aus den „Uni-Stürmern“?Durch die Schulreform drängen

dieses Jahr zwei Jahrgänge an die

Universitäten. Zu Semesterbe-

ginn werden rund 40 000 zusätz-

liche Studienanfänger erwartet.

Das Wissenschaftsmagazin »Leo-

nardo« hatte in einer Serie über

den „Sturm auf die Unis“ berich-

tet. Nun zieht WDR 5 mit einem

Thementag Bilanz.

Was sagen die Neu-Studenten?

Welche Erfahrungen haben die

Unis gemacht? Und was bedeu-

tet der Ansturm für die Lehre

an den Hochschulen, fragt

zum Beispiel die Sendung »Neugier genügt«

(Mo.-Sa., 10:05-12:00). Das »Morgenecho«

(Mo.-Sa. 6:05-9:00) schickt Kandidaten in

einen Testlauf, um herauszufinden, wie gut die

NRW-Hochschulen die Studieninteressenten

beraten. »LebensArt« (Mo.-Do. 15:05-16:00) will

überprüfen, welche Unterstützung die Unis,

Fachschaften, ASten und Hochschulradios den

„gestrandeten Erstis“ bieten, die nicht mehr wei-

ter wissen. Und das Wirtschaftsmagazin »Profit«

(Mo.-Sa., 18:05-18:30) nimmt den „Schweinezyklus

Akademikerschwemme“ ins Visier und unter-

sucht, weshalb es so schwer zu sein scheint, genau

vorauszusagen, wann zum Beispiel wie viele

Absolventen für Fachlehrer benötigt werden. Und

am Ende wird alles gut – zumindest humorvoll.

»WDR 5 Spezial« überträgt einen „Science Slam“

aus Münster, bei dem Nachwuchsforscher und

ein Professor mit ihren Forschungsergebnissen in

Form eines Wettkampfs um die Gunst des Publi-

kums kämpfen. Lachen ist dabei erlaubt.

Was wurde aus Alexander?Der 19-jährige Alexander vom Stein, den der Jour-

nalist Armin Himmelrath für die »Leonardo«-

Serie über Monate begleitet hat, konnte inzwi-

schen den erhofften Studienplatz bekommen. Der

Einser-Abiturient beginnt ein Medizinstudium in

Köln und ist dabei, sich so langsam in die neue

Lebenswirklichkeit als Studi einzufinden: „Ich

habe vor Semesterbeginn Vorkurse in Chemie,

Physik und Mathe besucht“, sagt er. Auch, um

neue Leute kennen zu lernen. Himmelrath berich-

tet, dass alle Protagonisten seiner Serie einen Stu-

dienplatz erhalten haben. Und auch die Unis, lobt

der Journalist, „haben enorm viel geleistet“. uri

zensemble zu werden – der WDR Big

Band. Meine bisherigen Erfahrungen

mit diesen wahrhaftig herausragen-

den Musikern waren außerordentlich

fruchtbar“, sagt Rich DeRosa. Seine

Arran-gements und Kompositionen

sind in nahezu allen Bereichen der

Musik gefragt – vom Jazz über Musi-

cals bis zu Film-Soundtracks und

Videoclips. Auch große Solisten wie

Toots Thielemans, Norah Jones oder

Cassandra Wilson schätzen seine

kreative Arbeit. DeRosa spielte als

Arrangeur, Dirigent und Schlagzeuger

zudem umfangreiche Aufnahmen für

zahlreiche Labels ein, unter anderem

mit Susannah McCorkle und Gerry

Mulligan. An der University of North Texas leitet

DeRosa den Studiengang Jazzkomposition/Arran-

gieren. EB

Mit DeRosa bekommt die WDR Big Band einen stilistisch vielfältigen Chef. Foto: WDR/Kaiser

Die Beiträge der »Leonardo«-Reihe „Abijahr-gang XXL“

Thementag „Abi-Jahrgang XXL – Sturm auf die Unis“

WDR 5DI / 15. Oktober / von 6:05 – 23:30

Da war Abiturient Alexander vom Stein noch auf der Suche. Foto: WDR/Brill

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Radio kompakt

Wünsche erfüllen in 72 StundenDie WDR 2-Möglichmacher lassen bis Ende Oktober die Träume der WDR 2-Hörerinnen und -Hörer Wirklichkeit werden. WDR PRINT sprach mit WDR 2-Redakteur Julian Rochlitzer über große und kleine Wünsche.

Welche Wünsche erfüllen die WDR 2-Mög-lichmacher?JULIAN ROCHLITZER: Der Fantasie sind dabei

keine Grenzen gesetzt. Je kreativer die Idee ist,

desto besser. Und wenn der jeweilige Wunsch

erfüllt wird, ist WDR 2 mit Reporter Peter Schultz

live vor Ort und lässt die Hörerinnen und Hörer

vor dem Radio mitfiebern. Wir haben den Mög-

l ichmacher n beim

Wünscheerfüllen aber

ein zeitliches Limit

gesetzt. Innerhalb von

72 Stunden sollen die

Träume Wirklichkeit

werden. In dieser Zeit

glühen dann die Tele-

fondrähte der Redak-

tion und die Möglich-

macher müssen sicher

Organisationstalent

und Ü ber redungs-

künste aufweisen, damit die Projekt umgesetzt

werden können.

Konkrete Beispiele?ROCHLITZER: Die Wünsche können einen

gemeinnützigen Charakter haben oder einfach

nur Spaß machen: Beispielsweise würden sich die

Möglichmacher um den Spielplatz in der Wohn-

siedlung kümmern, der schon seit langer Zeit ein

trauriges Bild abgibt. Ein anderer hat vielleicht den

Lebenstraum, einmal im Cockpit eines Jets mit-

Die WDR 3-Produktion

„Der Kauf“ des Hörspielautors

und Regisseurs Paul Plamper

ist für den Deutschen Hör-

spielpreis der ARD nominiert.

Die Auszeichnung wird am 9.

November während der ARD-

Hörspieltage verliehen. Dieses

Festival f indet vom 5. bis 10.

November in Karlsruhe statt

und wird von der ARD und

Deutschlandradio veranstaltet.

F ü r de n We t t b e we r b

reicht jede Hörspielredaktion

der zehn Landesrundfunkan-

stalten eine Produktion ein –

das Team des WDR hat sich für

Paul Plampers Stück entschie-

den. Eine Fachjury vergibt den

Deutschen Hörspielpreis der

ARD, der mit 5 000 Euro ver-

bunden ist. Die eingereichten

Beiträge werden außerdem im

Internet hochgeladen, Nut-

zerinnen und Nutzer können

ihren Favoriten wählen.

Der Gew inner dieses

Publikumspreises ARD Online

Award erhält 2 500 Euro. Ab

Anfang Oktober beginnt die

Abstimmung unter hoerspie

tage.ard.de. BaB

ARD-HÖRSPIELPREIS

Paul Plampers „Der Kauf“ ist nominiert – jetzt online abstimmen

Julian Rochlitzer

Ein neuer Kinderspielplatz? Das wäre ein Job für die WDR 2-Möglichmacher. Foto: Mauritius

Hörspiele von Paul Plamper wurden bereits u. a. mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet. Foto: WDR/Kierok

zufliegen. Auch damit ist er

bei den Möglichmachern

an der richtigen Adresse.

Gibt es Wünsche, bei de-nen die WDR 2-Möglich-macher passen müssen?ROCHLITZER: Wir kau-

fen jetzt keine Autos, zah-

len Bares aus oder schicken

die Hörerinnen oder Hörer

einfach in den Urlaub.

Hinter dem jeweiligen

Wunsch muss schon eine

Geschichte stecken.

Wie erfährt WDR 2 von den Wünschen seiner Hörerinnen und Hörer?ROCHLITZER: Die Hörerinnen und Hörer kön-

nen sich vom 30. September bis Ende Oktober auf

unserer Homepage wdr2.de mit ihren Wünschen

und Träumen bewerben. Die Redaktion wählt

dann die originellsten Ideen aus, über die Umset-

zung entscheidet am Ende das Los. Bis Ende Okto-

ber werden wir ungefähr sechs Wünsche erfüllen

und Träume Wirklichkeit werden lassen.

Mit Julian Rochlitzer sprach Tobias Zihn

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Meine Stadt SIEGEN

Sendeplätze

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Markus Krczal:

Meine Stadt SIEGEN

Sieben Berge und ein „Krönchen“. Warum Siegen einfach liebens-

wert ist, beschreibt Reporter Markus Krcal. Er lebt gerne in seiner Heimatstadt und zeigt,

dass die Siegener gesprächiger und geselliger sind als ihr Ruf.

Eine Frage, die ich mir als Siegerländer ziem-

lich früh gestellt habe, ist, ob das Krönchen auf der

Nikolaikirche aus purem Gold ist. Denn passen

würde es! Fürst Johann Moritz hat es der Stadt

geschenkt, als er in den Fürstenstand erhoben

wurde, es ziert den Turm der Nikolaikirche und

ist das Wahrzeichen Siegens.

Ü ber den i m mer w ieder zit ier ten

Spruch:„Was ist schlimmer als verlieren? Sie-

gen!“ hätte Johann Moritz deshalb wahrschein-

lich laut gelacht und ich kann ihn ehrlich gesagt

auch nicht mehr hören. Ich lebe und arbeite gern

unterm Krönchen und Fakt ist: Die Stadt ist besser

als ihr Ruf. Vor allem dort, wo sie sich erst entde-

cken lassen muss.

Wer nach Siegen kommt, der sieht es dann

auch zuerst: das Krönchen. Auf den zweiten Blick

im Moment aber auch eine riesige Baustelle. Zuge-

geben, nicht gerade einladend, aber notwendig,

denn das Zentrum der Stadt bekommt ein neues

Gesicht. Dort, wo bis vor wenigen Monaten noch

ein riesiger Parkplatz war, ist heute der Blick frei

auf das Gewässer, das der Stadt den Namen gibt:

die Sieg. Früher zubetoniert, heute wieder geöffnet,

um das Zentrum attraktiver zu machen. Das neue

Herzstück ist noch nicht fertig, aber trotzdem lässt

sich erahnen, dass es schön wird, mit Sitzplätzen,

Cafés und Geschäften. Hier in der „Unterstadt“ liegt

auch unser WDR-Studio. Und wenn wir einmal im

Jahr unsere Türen für Besucher öffnen, dann gibt’s

hier Festivalstimmung. Dicht an dicht drängeln sich

die Gäste durch die Straßen mit unseren Info- und

Aktionsständen, bis zur Bühne direkt vor dem

Theater. Genau: ein Theater hat Siegen auch. Das

Apollotheater überzeugt unter anderem mit einem

guten Kinderprogramm und eigener Biennale.

Blick auf zwei SchlösserDie „Oberstadt“ hat’s da schon schwerer,

denn wie der Name schon sagt, muss man sie erst

„erklimmen“. Aber es lohnt sich: Wer’s schafft,

wird mit einem Blick auf die beiden Schlösser

belohnt. Fortsetzung nächste Seite

Sendeplätze

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Sendeplätze

Und wer’s nicht zu Fuß schafft, der steigt in

den „Hübbelbummler“ und lässt sich fahren. Aber

genug von touristischen Anziehungspunkten, die

erfahren Sie auch, wenn Sie in einem Stadtführer

blättern oder wenn sie einen waschechten Sieger-

länder fragen. Ja, wir sind gesprächiger als viele

denken!

Ich verrate Ihnen aber jetzt, warum Siegen

schon immer meine Heimat war und nach einem

Abstecher nach Köln sogar wieder geworden ist.

Es sind mit Sicherheit nicht die oben aufgezählten

Dinge. Das Gesamtpaket muss stimmen, und das

ist allein mit der Innenstadt noch nicht geschnürt!

In der Tat habe ich meinen Lebensmittelpunkt an

den Stadtrand verlegt. Getreu dem Motto: in fünf

Minuten im Zentrum, in weniger als fünf Minuten

auf dem Land.

Die waldreichste Region in NRWDas Siegerland ist grün. Südwestfalen ist

die waldreichste Region im Land und die Trup-

bacher Heide habe ich fast vor der Haustür – hier

ist meine Lieblings-Laufstrecke, ob mit Turnschu-

hen oder mit Gummistiefeln , Frau und drei Kin-

dern im Gepäck. Und wenn wie jetzt im Herbst

die Sonne schon so tief steht, dann ist das Licht

dort einfach einmalig. Ich bin hier auch selten

allein – Spaziergänger, Naturliebhaber, Sportler

zieht es hierher. Ab und zu gönne ich mir ein

Siegen ist städtisch und ländlich – auch bei den journalistischenThemen.

schmeißen hauptsächlich die Frauen den Laden:

Petra und Sonja, die Töchter des Hauses, haben

das Geschäft übernommen und zwar mit Herzblut!

Da wird auch mal im Bikini das Heu eingefahren,

während sich die Altersgenossinnen im Freibad

tummeln. In der Landwirtschaft gibt’s eben keinen

Urlaub, aber das merke ich den beiden Powerfrauen

überhaupt nicht an. Ich glaube, sie haben es noch

nie bereut, einen Bauernhof zu bewirtschaften.

Und die Leidenschaft für Tiere und Natur ist anste-

ckend. Die Kinder füttern die Pferde, streicheln

die Kaninchen und fahren Trecker. Und ich habe

das Gefühl, dass hier die Welt noch in Ordnung

ist und ich kann meine Gedanken erden. Egal ob

Stündchen querfeldein. Von hier aus kann ich

nämlich auch auf die Stadt gucken. Und der Blick

von weit oben aus der Ferne ist manchmal einfach

dringend nötig! Danach ist der Kopf frei und der

Körper erfrischt. Ein gutes Gefühl! Und während

ich das hier schreibe fällt mir ein, es wäre mal

wieder an der Zeit, die Turnschuhe zu schnüren.

Der goldene Oktober muss genutzt werden!

Quirlige Betriebsamkeit gibt’s ein paar

Kilometer weiter. Ganz in der Nähe im Wald liegt

der Biohof Ohrndorf. Ein Geheimtipp. Für eine

Reportage habe ich ihn entdeckt und der Kon-

takt ist geblieben. Einmal in der Woche packe

ich meine Familie ein und fahre dort hin. Jeden

Freitag und Samstag öffnet hier der Hofladen,

mit selbstgezogenem Gemüse, frischer Milch und

viel frischer Landluft. Hier werden die Kartoffeln

noch mit der Hand geerntet und glauben Sie mir:

man schmeckt das! Alle packen mit an, wenn die

Ernte eingefahren wird und anschließend gibt’s

frisch Gebackenes und ein Schnäpschen. Dabei

1.

2.

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1. Markus Krczal fühlt sich in seiner Hei-mat Siegen pudelwohl. Für ihn stimmt hier einfach das Gesamtpaket.

2. Um den Kopf frei zu bekommen, joggt Markus Krczal oft durch die Trupbacher Heide.

3. Markus Krczal setzt für eine Reportage Petra und Sonja in Szene, die einen Bio-hof von ihren Eltern übernommen haben.

4. Für Markus Krczal ist der Biohof Ohrndorf ein Stück Siegen.Fotos: WDR/Maurer

Markus Krczal (40) arbeitet seit 1996 als freier

Reporter und Autor hauptsächlich für die »Lokal-

zeit Südwestfalen«. Nach ein paar Jahren in Köln

arbeitet und lebt er mit seiner Frau und seinen

drei Kindern wieder in seiner Heimat Siegen.

Sonne oder Regen, wenn wir abends nach „Stall“

duftend nach Hause kommen, geht’s uns einfach

gut. Und wenn dann noch ein erntefrischer Salat

auf den Tisch kommt ist der Tag perfekt.

Gar nicht bio: Gyros, Pommes, MayoGutes und gesundes Essen ist mir wich-

tig. Und nirgendwo sonst gelingt das bewusste

Kochen und Genießen so gut wie hier, davon

bin ich überzeugt! Denn weil wir ringsherum

Landwirtschaft haben, viele Biobetriebe und

kleinere Erzeuger, wissen wir immer, woher

unsere Lebensmittel kommen. Ein Hof mit 50

Milchkühen statt 500 ist eben selten in einen

Skandal verwickelt. Und: man kennt sich hier

und hat Vertrauen, das nicht ausgenutzt wird.

Das wiederum spüre ich auch bei der Arbeit: bei

meinen Streifzügen mit der Kamera begegnet

man sich auf Augenhöhe, ein offenes Gespräch

ist hier kein Reporterglück, sondern entsteht

automatisch.

Bevor ich Ihnen zum Schluss verrate, wo

ich dann abends auch essenstechnisch mal

sündige, zuerst eine kleine Neuentdeckung.

Seit kurzem gibt es fast vor meiner Haustür

die „Wiesenraute“. Eine Gärtnerei, die sich

auf Stauden spezialisiert hat und zusätzlich zu

prachtvollen Gewächsen auch noch ein kleines

Schmankerl parat hat. Denn während meine Frau

sich die neuesten Exemplare für unseren Garten

anschaut, kann ich den Tag hier bei einer guten

Tasse Kaffee und einem ausgiebigen Frühstück

beginnen. In der Wiesenraute bekommt der

Hobbygärtner, oder eben auch jeder, der gern

in der Natur is(s)t, jeden Freitag ein liebevoll

zusammengestelltes Frühstück. Mit duftenden

Brötchen, selbst gemachter Marmelade und

Obst. Hier im Wiesenrauten-Café sitzt man wie

in einem schwedischen Sommerhaus, kann die

frische Luft genießen und Kunsthandwerk aus

der Region bestaunen. Und sich nebenbei übers

Gärtnern austauschen. Und wenn die Wiesen-

raute zum „Mittsommerfest“ einlädt oder zum

„Rosenzauber“, dann trauen sich ziemlich viele

Siegerländer hierher, denn auch Neues kann gut

sein!

Sie haben bestimmt schon bemerkt, ich bin

ein Gourmet, und wie versprochen jetzt noch eine

Sünde zum Schluss: Ab und an muss es bei mir

auch mal heiß und fettig sein. Und da verspreche

ich Ihnen: das weltbeste Gyros gibt’s in Siegen bei

Chris und seinen Kollegen. Der Imbiss hört auf

den Namen „Esperos“, liegt ziemlich versteckt,

aber wer zu angesagten Zeiten kommt (Sonntags

abends zum Beispiel), der muss sich in eine lange

Schlange einreihen. Hier genieße ich dann, auch

mal mit Kamerateam nach einem Dreh, Gyros

Pommes Mayo mit extra viel Zwiebeln und der

Garantie, dass der Laden Qualität bietet. Also:

Wer nach Siegen kommt, der kann nur gewinnen.

Und zum Thema Krönchen: das ist zwar nicht aus

purem Gold, sondern inzwischen aus vergolde-

tem Edelstahl, aber es soll eben auch lange halten,

denn über Siegen steht es zu Recht.

3.

4.

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Perspektiven

Tschüss. Und herz-lich will-kommen! Die Programm-volontäre 2012/13 haben sich Ende September verabschiedet. Der neue Jahrgang ist seit April 2013 im Sender. Jungvolontärin Anna Neifer befragte für WDR PRINT drei ihrer Vorgänger zu ihrer jour-nalistischen Ausbildung im WDR.

Was habt ihr gelernt beim WDR?

Anna Maria Neifer (27) ist seit einigen Monaten Programmvolontärin beim WDR. Sie hat an der Essener Uni Spanisch sowie Wirtschaftswissenschaften, Literatur und Medienpraxis studiert und als Journalistin für lokale Zeitungen gearbeitet.Fotos: WDR/Heisch

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Perspektiven

Martha Wilczynski:„Kann ich nicht

gibt’s nicht – das

hab ich direkt in

mei nen er sten

Tagen a ls Volo

bemerkt. Wenn

man Lust hat, neue

Sachen auszupro-

bieren, dann bietet

der Wdr sehr viel

raum dafür.“ Auch

wenn journalisti-

sche Praktika und

f reie Mitarbeit

Vor a u s s e t z u n g

sind, um überhaupt für ein Volontariat in

Frage zu kommen, wurde Martha Wilczynski

schnell klar, dass ihr in einigen Bereichen das

Basiswissen fehlt. Ihr Wissen vor dem Volonta-

riat hatte sie durch „Learning-by-doing“ selbst

herausgefunden. die Seminare des Volontariats

bescherten ihr so manches Aha-Erlebnis. „Ich

wusste zum Beispiel schon, dass ich lieber frei

spreche, als mit einem ausformulierten Skript

vors Mikrofon zu treten. Aber erst im Seminar

habe ich gelernt, wie ich meine Stichpunkte

richtig sortiere. So bin ich zwar immer noch

frei, aber komme trotzdem auf den Punkt und

vergesse nichts Wichtiges.“ Außerdem gaben

ihr die TV-Seminare „Storytelling“, „Selbst

drehen und schneiden“, „In Bildern erzählen“

und „Texten zum Bild“ „die richtigen Bausteine

in die Hand“. den Volontären, die nun in der

ersten Phase sind, rät sie, sich auch mal „Under-

dog-Stationen“ anzusehen, also bewusst auch

in redaktionen zu schnuppern, die bei den

Neu-Volontären meist nicht so begehrt sind.

Von der Ausbildung ist Martha Wilczynski

begeistert. „Uns wurde immer wieder Mut

gemacht, Neues auszuprobieren und einen

eigenen Stil zu entwickeln. das ist das, was ich

am meisten geschätzt habe.“ Für Martha Wil-

czynski geht es ab Anfang Oktober ins Funk-

haus Europa. „das freut mich total, weil mir

dort die Mischung sehr gefällt: Es gibt junge

und internationale Themen, die aber trotzdem

sehr seriös vermittelt werden.“

Tina Srowig: „Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich

vor einem Jahr nervös meinen ersten O-Ton

für das Studio Bielefeld geholt habe. Jetzt laufe

ich schon wie selbstverständlich durch das

Ard-Hauptstadtstudio“, sagt Tina Srowig

durchaus stolz. dass die Ausbildung beim

Wdr trimedial ist, empfand sie als Berei-

cherung. Ebenso das Vertrauen in sie als

Volontärin: In Bielefeld durfte sie als Sende-

redakteurin für die »Lokalzeit OWL« ran. Sie

war dafür zuständig, die Beiträge der Autoren

abzunehmen und zu kontrollieren, ob alle

Sendungselemente auf dem Server vorliegen.

„da schoss mir ordentlich Adrenalin in die

Adern – auf einmal war ich mitverantwortlich

dafür, was live auf dem Sender passiert.“

Beim Wdr die Möglichkeit zu bekommen, ihr

Volontariat zu machen, bedeutet für sie aber

auch, nicht zur Einzelkämpferin, sondern zur

Teamworkerin ausgebildet zu werden. „Man

darf auch mal Kri-

tik äußern – vor

allem, wenn man

als Neuling einen

etwas nüchternen

Blick von außen

mitbringt .“ Ihr

Volo-Highlight:

10 Tage mit der

Spor treda ktion

b ei m welt weit

größten reittur-

nier, dem CHIO in

Aachen. Tina Sro-

wig kennt sich gut

mit Pferden aus. Ein dickes Plus! Sie konnte

eine „Hinter den Kulissen“-reportage, einige

Teaser und ein Live-Interview nach dem Na-

tionenpreis machen. Für Tina Srowig geht es

ab dem 1. Oktober weiter in der Programm-

gruppe dokumentation und Gesellschaft für

das Wissensmagazin »xenius« auf ArTE. „das

Spektrum da ist super breit und man kann

sehr viel einbringen.“

Jonas Wixforth:Auch Jonas Wix-

forth findet die

erste Seminar-

phase des Volon-

tariats „äußerst

wichtig“. Alle zehn

Programmvolon-

täre hätten ganz

unterschiedliche

Voraussetzungen

mitgebracht aus

den B ereichen

Fernsehen, Hör-

funk, Print und

Online. „deswe-

gen war es wichtig, noch mal die Grundlagen

des Fernseh- und radiomachens im Schnell-

tempo durchzugehen. Hörfunk-Schalten,

Ü-Wagen-Technik, Sendungen planen, Nach-

richtenfilme, Fernsehreportage und so weiter.“

Auch Online spielt eine große rolle und wird

noch eine größere rolle in der Zukunft spielen.

das „Ausprobieren“ danach sei ebenfalls „sehr

bereichernd“ gewesen. „Ich durfte sehr schnell

schon meinen ersten eigenen Fernsehbeitrag

für die >Lokalzeit düsseldorf< planen und hatte

wirklich Bammel davor.“ Es ging um den kör-

perlich anstrengenden Job eines 60-jährigen

Mitarbeiters einer Gießerei. die Programmvo-

lontäre kämen in anderthalb Jahren, so Jonas

Wixforth, „ganz schön rum“. Sie arbeiten in bis

zu zehn redaktionen mit, zum Beispiel »Lokal-

zeit«, »Monitor«, 1LIVE, Wdr 5 oder wdr.de. In

den redaktionen müsse man sich ganz schön

schnell routine aneignen für die „tagesaktuelle

Hektik, die so entsteht“. Besonders gereizt hat

ihn, „dass man von Anfang an Verantwortung

übernimmt, da man als redakteur ausgebildet

wird und nicht den Bezug zum Gesamtpro-

dukt verliert“. Insgesamt sei der Wdr lange

nicht so „angestaubt“, wie es manchmal nach

außen wirke, sagt Jonas Wixforth. Für junge

Volontäre sei es ein Vorteil, auch unkonven-

tionelle Ideen einzubringen. deswegen rät er

den neuen Volontären, mutig zu bleiben und zu

neuen Ideen zu stehen. Für ihn persönlich geht

es ab Oktober zur »Aktuellen Stunde«, »Wdr

aktuell« und »Wdr extra«.

Was habt ihr gelernt beim WDR?

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WDR Panorama

Seit 1996 zeichnet der WDR-Preis für die Rechte des Kindes Einzelpersonen (Erwach-sene und Kinder), Gruppen, Organisationen sowie Institutionen aus Nordrhein-Westfalen aus, die sich vorbildlich und unkonventionell für Kinderrechte in Deutschland oder im Aus-land einsetzen. Im Interview spricht Preis-gründerin und Organisatorin Bergit Fesenfeld über Kinderrechte, Journalismus und die Sicht-weisen der Kinder, die zur Preisjury gehören.

Welche Kriterien legt die Jury des Kinderrech-tepreises bei der Auswahl der Preisträger an?BERGIT FESENFELD: Die Projekte sollten

besonders engagiert, nachhaltig, strukturell

wirksam und glaubwürdig sein. Sie sollten wich-

tige kinderpolitische Themen betreffen, gut

dokumentiert und kreativ sein. Natürlich wird

immer berücksichtigt, ob Einzelne da etwas

Tolles auf die Beine gestellt haben oder ob eine

Organisation dahinter steht, ob Kinder selbst

aktiv waren oder Erwachsene sich für Kinder

einsetzen.

Beim W D R K i n d e r -rechtepreis gibt es eine E r w a c h s e -nen- und eine Kinderjur y. Gehen Kin-der a nders an das Thema heran?FESENFELD:

Die Jury-Kin-

der sind sehr engagiert, kompetent und sehr

oft pragmatisch, fragen etwa „Wer braucht am

nötigsten die öffentliche Aufmerksamkeit oder

das Preisgeld?“. Die Erwachsenen denken eher

in den langfristigen, grundsätzlichen Dimensio-

nen. Beide Sichtweisen sind wichtig. Die gleich-

berechtigte Diskussion zwischen den Kindern

und den Erwachsenen in der Jury ist daher sehr

spannend und für mich immer ein Höhepunkt

der jeweiligen Auslobungsrunde.

Sie haben den WDR Kinderrechtepreis 1996 gegründet. Wie hat sich die Situation für Kin-derrechte in Deutschland seitdem entwickelt?

„Es bleibt noch viel zu tun” FESENFELD: Die Kinderrechte sind zwar

immer noch nicht ausreichend umgesetzt, aber

es hat sich schon viel getan. Es gibt mehr Anlauf-

stellen wie zum Beispiel Kinderbüros oder Kin-

derparlamente oder es gibt wichtige Gesetzesän-

derungen, etwa die zur gewaltfreien Erziehung.

Dennoch bleibt viel zu tun. Interessant ist auch:

Bei jeder Auslobungsrunde zeichnen sich The-

men ab, mit denen sich besonders viele Projekte

befassen. Am Anfang war es der sexuelle Miss-

brauch und aktuell ist es die Lage der Kinder mit

Behinderung, die Kinderarmut und die Situation

der Flüchtlingskinder.

Trägt der WDR Kinderrechtepreis dazu bei, dass das Thema stärker in der öffentlichen Wahrnehmung verankert wird? FESENFELD: Ja, ganz sicher. Die Preisträger wer-

den umfassend in einer Broschüre vorgestellt und

ich mache auch aus sehr vielen der Bewerbungen

gezielte Themenvorschläge für das Programm..

Der WDR arbeitet außerdem mit einschlägigen

Gremien, bietet Seminare zum Umgang mit

Kindern vor Mi-krofon und Kamera an und hat

das Thema „Kinderrechte“ in mehreren großen

Schwerpunktwochen aufgegriffen. Natürlich

kommt auch die aktuelle Berichterstattung nicht

zu kurz, ob es nun um den Ausbau der Kinderbe-

treuung geht oder um eine internationale Kinder-

rechtekonferenz bei der UNO.

Wie kamen Sie auf die Idee für den WDR Kin-derrechtepreis? FESENFELD: Ich habe 1995 aus Genf von der

UNO-Konferenz zur deutschen Kinderpolitik

berichtet. Die UN-Kinderrechte-Konvention, die

Deutschland 1992 unterzeichnet hat, schreibt

nämlich vor, dass jedes Land regelmäßig über

die Fortschritte berichten muss. Ein UNO-

Ausschuss prüft dies. Deutschland hat damals

nur sehr mittelmäßig abgeschnitten, es wurde

deutlich: hier muss viel mehr passieren, auch die

Öffentlichkeit muss mehr darüber informiert

werden, was Kinderrechte bedeuten. Ein Preis,

der besonders gelungene Aktivitäten bekannt

macht, kann hier viel bewegen – deshalb hat der

WDR den Kinderrechtepreis ins Leben gerufen.

(Informationen zur Bewerbung um den Kinderrech-

tepreis auf der nächsten Seite)

»WDR-Check«

WDR-IntendantBuhrow diskutiert live mit Publikum und Kritikern

KINDERRECHTE

Bergit Fesenfeld Foto:WDR/Kost

Was macht der WDR mit den Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag? Warum laufen so viele Talkshows? Und wieso kann man nicht alle Beiträge im Internet sehen? Solche und viele andere Fragen beantwortet WDR-Intendant Tom Buhrow in der neuen Live-Sendung »WDR-Check«.

„Wir machen unsere Programme für die Men-

schen, sie bezahlen dafür jeden Monat den Rund-

funkbeitrag. Sie haben deshalb ein Recht darauf

zu erfahren, wie wir mit ihrem Geld umgehen

und was wir dafür bieten“, so Buhrow. „Gleich-

zeitig wollen wir natürlich von ihnen wissen, was

wir besser machen sollen. Die erste, von Bettina

Böttinger moderierte Ausgabe des »WDR-Check«

wird am 30. Oktober aus dem Mönchengladba-

cher „Kunstwerk“ gesendet. 200 Zuschauer, Hörer

und prominente Gäste sind live dabei. Außerdem

berichten WDR-Redakteure und Autoren über

ihre Arbeit, zeigen Ausschnitte aus ihren Sen-

dungen und erlauben so einen Blick hinter die

Kulissen des Senders. EB

Tom Buhrow Foto:WDR/Sachs

WDR Fernsehen Mi / 30. Oktober / 20:15

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WDR Panorama

Beim Türöffner-Tag der Maus öffnen

am 3. Oktober rund 400 Einrichtun-

gen in ganz Deutschland für Kinder

und Familien ihre Türen, die sonst

verschlossen sind. Die Maus durfte

im Rahmen des Türöffner-Tags schon

im September eine ganz besondere

Tür öffnen – die vom Brandenburger Tor.

Für Sachgeschichten-Macher Armin

Maiwald hatte man eine Ausnahme

gemacht. Hinter dem eher unschein-

baren Seitentürchen unterhalb der

Quadriga befindet sich die sogenannte

Soldatenkammer. Der Raum, der mit

einer Länge von rund 60 Metern die

ganze Breite des Bauwerks einnimmt,

scheint auf den ersten Blick leer zu sein.

Was niemand ahnt: In dem schlichten

Holzfußboden der Soldatenkammer

sind Klappen eingelassen, die es in sich

haben: Sie verbergen armdicke lange

Stahlnägel, die das historische Gebäude

bis ins Erdreich hinein verankern. Dass

dieser Halt notwendig ist, zeigt der

Umstand, dass die Nägel mittlerweile

schon verbogen sind. Dafür sorgt die Kraft des

Windes, der gegen das Gebäude peitscht.

Am Türöffner-Tag, dem 3. Oktober, ist die »Sen-

dung mit der Maus« ausnahmsweise am Donners-

tag zu sehen. Ab 9:25 wird es eine halbstündige

Sonderausgabe mit „Tür-auf!“- Sachgeschich-

ten geben. Auf dem gewohnten Sendeplatz am

Sonntag, den 6. Oktober um 11:30, präsentiert das

Maus-Team eine Auswahl der Sachgeschichten

des „Türöffner“-Tages im Ersten und bei KiKa. EB

TÜRÖFFNER-TAG

Die Maus schaut ins Brandenburger Tor

Mit dem WDR Kinderrechtepreis ehrt der West-

deutsche Rundfunk herausragende Projekte, die

sich um den Schutz von Kindern verdient und

für die Durchsetzung ihrer Rechte stark machen.

Ausgezeichnet werden Einzelpersonen (Erwach-

sene und Kinder), Gruppen, Organisationen

sowie Institutionen aus Nordrhein-Westfalen.

Der Preis ist mit 5 500 Euro dotiert. Als Schirm-

herrin der zehnten Auslobungsrunde beschreibt

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

den WDR-Preis für die Rechte des Kindes als

ehrenvoll und wichtig. „Selbst in einem sozialen

Rechtsstaat wie dem unseren ist dies zu tun viel

wichtiger, als manche glauben wollen“.

Neben der Minis-

terpräsidentin um-

fa sst d ie Preis-

Jury Vertreter von

O r g a n i s a t ione n

wie UNICEF, Deut-

scher Kinderschutz-

bund, Deutsches

Kinderhilfswerk,

terre des hommes,

K i nder not h i l fe ,

National Coalition

für die Umsetzung

der Kinderrechte

sowie der WDR-Hörfunkdirektion. Die Bewer-

bungsfrist startete anlässlich des Weltkindertages

am 20. September und endet am 31. März 2014.

Die Preisträgerinnen und Preisträger werden im

September 2014 beim Kölner Weltkindertagsfest

geehrt.

Nähere Informationen zum Wettbewerb sowie

kostenlose Faltblätter mit den Details gibt es

beim WDR unter Telefon 0221 56789 555 oder

per E-Mail an [email protected] oder

im Internet kinderrechtepreis.wdr.de. EB

(Lesen Sie bitte das Interview auf der linken Seite)

Am 18. September 2013 starb der

große Publizist und Literaturkritiker

Marcel Reich-Ranicki in Frankfurt am

Main. Seine außergewöhnliche und

bewegende Lebensgeschichte wurde

in dem vom WDR für Das Erste pro-

duzierten Fernsehfilm „Mein Leben –

Marcel Reich-Ranicki“ (Erstsendung

10.4. 2009, ARTE) einem großen Pub-

likum nahe gebracht. WDR-Intendant

Tom Buhrow: „Der Tod von Marcel

Reich-Ranicki stimmt uns sehr trau-

rig. Nicht zuletzt verlieren wir einen

der großartigsten Literaturkritiker

Deutschlands.“ EB

Trauer um Marcel Reich-Ranicki

„EHRENVOLL UND WICHTIG”

10. WDR Kinder-rechtepreis: Jetzt bewerben

Schirmherrin Hannelore Kraft, NRW-Ministerpräsidentin

Schaut ins Tor und wieder raus: die Maus Foto: WDR/Meyer

Marcel Reich-Ranicki mit Regisseur Dror Zahavi (Mitte) und Matthias Schweighöfer bei der Präsentation von „Mein Leben“. Foto: WDR/Sachs

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Bericht über den Kinderrechte-preis auf der WDR-Unterneh-menseite

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Berufsbilder

Einer von uns:JANIS TARUT

Schnipp – Cutter Janis Tarut schneidet Filme. Wenn man das gut macht, werden die Szenen dramatischer, die Emotionen stärker, die Aussagen klarer. Foto: WDR/Anneck

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Berufsbilder

Eine Szene am Tisch. Kinder und

ihre Eltern sitzen um ein Brettspiel,

sanftes Licht fällt von der Seite durch das

Fenster. Die Kamera zoomt heran, zeigt

Gesichter und Spiel in Nahaufnahme.

Würfel klackern. „Sehr schönes Mate-

rial“, sagt Janis Tarut. Der 29-Jährige ist

Cutter und sichtet an einem Rechner

Filmmaterial für eine Dokumentation.

„Ich lasse 20 Sekunden dieser Szene als

Intro. Musik würde ich gar nicht unterle-

gen, denn das Geräusch vom Spiel ist ein

schöner Akzent, das weckt Interesse.“

Nach 20 Sekunden fährt Tarut dann die

„Atmo“, also die Hintergrundgeräusche,

herunter und blendet Musik ein. Wenn

die Gitarre einsetzt, schneidet er – auf den Vater, der jetzt etwas erzählt.

Tarut hört sich die Originaltöne an, die Sätze, die der Mann sagt. Störende

Füllwörter wie „äh“ sind zwar gar nicht dabei. Aber an einer Stelle fallen

die Worte „hatte ich mir so gedacht“. „Das kann weg“, sagt Tarut. Mit einem

speziellen Stift tippt er auf sein Grafiktablett, das die gleichen Dimensionen

wie der Bildschirm hat und ähnlich wie ein Touchscreen auf Berührung

reagiert. Tarut markiert eine Stelle auf der „Timeline“ des Films – das Mate-

rial ist in Abschnitte von fünfundzwanzigstel Sekunden unterteilt – und

macht einen Cut, direkt vor der Stelle des „hatte ich mir so gedacht“. Mit dem

Stift zieht er die nachfolgenden Bilder, ein Blick auf die Szene am Tisch, ein

Stückchen nach vorne. Dann ein Testlauf: Die störenden Worte sind spurlos

verschwunden. „Wir würden nie eine Aussage verändern, aber wir raffen

Sätze, damit sie klarer werden“, sagt der Cutter. Damit ein Schnitt nicht

abrupt wirkt, setzt Tarut Blenden ein: Mit flinken Bewegungen auf dem

Grafiktablett veranlasst er die Software, kleine Wunder zu wirken, die das

Auge gar nicht bewusst wahrnimmt, die aber sanfte Übergänge schaffen.

Ein guter Schnitt macht einen guten FilmMeist sitzt neben dem Cutter Autor oder Autorin, die das Konzept für

den Beitrag geschrieben hat. Gemeinsam bringen sie das Rohmaterial, das

die Kameraleute gedreht haben, in die Form eines Films. Manchmal muss das

schnell gehen, für die »Lokalzeit« oder die »Tagesschau« binnen weniger Stun-

den. Je mehr Rohmaterial da ist, desto länger dauert alleine das Sichten. Heute

sitzt neben Tarut allerdings Florian Böttger, ein angehender Mediengestalter,

den er in die Geheimnisse der Schnitt-Software Quantel einweist. Denn

die Arbeit des Cutters ist zwar gestalterisch – ein guter Schnitt schafft die

Dramaturgie eines Films, verstärkt Aussa-

gen, weckt Emotionen. Doch hat sie auch

einen unübersehbar großen technischen

Aspekt. Wo früher am Schneidetisch mit

Zelluloidband gearbeitet wurde, standen

später Bandmaschinen. Sie funktionierten

ähnlich wie Kassettenrecorder und ermög-

lichten, einen Zusammenschnitt mehrer

Bänder auf einem Band zu speichern.

Ruf eines Technik-NerdsHeute geschieht alles am Rechner,

mit Software wie Avid oder Quantel. Die

Programme bieten viele Feinheiten, in die

sich Cutter einarbeiten müssen. Daher

schult Tarut regelmäßig die Medienge-

stalter des zweiten Lehrjahres. Auch die Hardware, die Struktur der Server,

spielt eine entscheidende Rolle. Tarut zeigt zum Beispiel, wie Videoclips

benannt und wo sie gespeichert werden müssen, damit die Redaktion sie

im System finden kann.

„Ich hatte in der Schule schon den Ruf eines Technik-Nerds“, sagt

der Kölner, der so gar nichts von einem einzelgängerischen Sonderling

hat. Doch Technik interessiert ihn und seit ersten Experimenten mit einer

Videokamera wollte er wissen, wie man Filme schneidet. So ließ er sich

zum Mediengestalter Bild und Ton beim WDR ausbilden. Seit 2007 gehört

er nun zum Team der festen Cutter und schneidet Beiträge für alle Bereiche

des Programms – für die »Sportschau«, für »WestART«, für andere Maga-

zinsendungen. Gerne darf es aufwändiger sein, Tarut macht es Freude,

an Effekten zu tüfteln. Auch die Software auf Herz und Nieren zu prüfen,

Fehler zu finden und sie – gemeinsam mit der Herstellerfirma – auszumerzen

macht ihm Spaß. Doch ohne das Gestalterische würde ihm bei seiner Arbeit

etwas fehlen: „Am Schönsten ist es, wenn ich aus gut gedrehtem Material

eine tolle Geschichte erzählen kann.“ Ina Sperl

Wer Cutter werden möchte, braucht eine abge-

schlossene Ausbildung zum Mediengestalter Bild

und Ton. Auch das Cutter-Volontariat, das es vor

Einführung des Ausbildungsgangs Medienge-

stalter gab, wird noch anerkannt. „Cutter ist ein

Beruf mit hohem technischen und gestalterischen

Anspruch“, sagt Gabriele Unverdross, Leiterin der

Abteilung Nachbearbeitung in der HA Produktion

Köln Fernsehen. „Da manchmal bis kurz vor der

Sendung geschnitten wird, muss man unter hohem Zeitdruck arbeiten

und kreativ sein können.“ Um diesem Stress standzuhalten braucht

es Nervenstärke und die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen. Auch eine

hohe Sozialkompetenz ist gefragt, da Cutter jeden Tag mit anderen

Autoren und Redakteuren zu tun haben. isp

Wie werde ich Cutter?

Gabriele UnverdrossFoto: privat

Janis Tarut im Video-porträt

„Irgendwas mit Medien“,antworten viele Jugend-liche auf die Frage nach ihrem Berufswunsch. Hier stellen wir sie vor, die Jobs im WDR. Janis Tarut ist Cutter.

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Medienmenschen

Der .

48

PHILIPP MENN

Neuer Korrespondent für die die NRW-LandesprogrammeSeit Oktober ist Philipp Menn neuer Korrespon-

dent des WDR Fernsehens im ARD-Hauptstadt-

studio Berlin. Der 34-Jährige berichtet für die

NRW-Landesprogramme des WDR aus Berlin

über die Bundespolitik. Dabei hat er die NRW-

Perspektive und die Auswirkung der politischen

Entscheidungen auf die Menschen in Nordrhein-

Westfalen im Blick. Unter anderem für die Sen-

dungen »WDR aktuell« und »Aktuelle Stunde«

erläutert er die Hintergründe.

OTTO SANDER †

Zum Tode eines FreundesAm 12. September starb Otto Sander in Berlin. WDR-Fern-sehfilmchef Gebhard Henke würdigt den Schauspieler und Regisseur, der in zahl-reichen WDR-Produktionen mitwirkte.

Otto Sander war ein Freund.

Ein Freund der Sprache, der

guten und knappen Pointe

und ein Meister des Timings.

Niemand konnte beim Gehen

so beeindruckend schlurfen

wie er. Selbst, wenn jemand

nicht weiß, wie er aussah, so

würde er doch seine markante

und knarzige Stimme sofort

erkennen.

1978 lernte ich ihn kennen. Ich

war Student und Statist in dem

WDR-Film „Plastikfieber“, in

dem Otto Sander als Wurstgriller dem Travestie-

Star Romy Haag mit Hormonen angereicherte

Würstchen servierte. Sander war damals einer

der gefeierten Stars an Peter Steins legendärer

Westberliner Schaubühne am Halleschen Ufer

und er machte zugleich begeistert bei derartig

schönem Trash mit. Wir sahen ihn als Offizier

zur See im „Boot“, als Engel Cassiel in Wim

Wenders „Himmel über Berlin“, als Blinden in

„Amaurose“. Und wir hörten und liebten ihn in

vielen Sprechrollen. Diese Wahnsinnsstimme

war sein Markenzeichen und sein Kapital. Wenn

er einen Termin in Köln hatte und der Rückflug

nach Berlin spät war, so rief er flugs im Hörfunk

an, ob es nicht „etwas zum Sprechen“ gab. Und es

gab meistens noch vor dem Abflug etwas „zum

Sprechen“ im WDR.

Sehr gern spielte er zusammen mit seinen Stief-

kindern Meret und Ben Becker: das war dann

ein Familienausflug, am besten, wenn auch noch

Ehefrau Monika Hansen mitwirkte.

So sehr uns diese Stimme trug und diese Sprach-

gewalt Urvertrauen einflößte, so sehr konnte

Otto Sander an seiner Arbeit, an dem Wert sei-

nes Schaffens zweifeln, alles in

Frage stellen, mit dem Schick-

sal hadern. Allemal zu später

Stunde, wenn er an der Theke

der Berliner „Paris Bar“ bis zum

Schluss durchhielt und durch-

trank. Er hat sich und seinen

Körper wirklich nicht geschont,

wenn auch dabei die Stimme

veredelnd aufgeraut.

Sein Schalk, sein spitzbübischer

und ansatzlos trockener Witz

verdankt sich seiner nieder-

sächsischen Herkunft. Er ist im

niedersächsischen Peine aufge-

wachsen. Eine Gegend, in der

man lernt, aus dem Inneren zu

schöpfen. Da wir beide aus Nie-

dersachsen stammen und die

Konversation in diesem Dialekt

pflegten, redete er mich nie mit

meinem Namen, sondern stets

mit „Peine“ an.

Er perfektionierte den niedersächsischen

Slang, in dem man „ei“ als „a“ und „a“ als „o“

ausspricht. Sein Lieblingswitz: Geht ein Mann

in Peine (sprich „Paane“) ins Fischgeschäft

und sagt zu dem Verkäufer: „Haben Sie Aale“

(„Eile“)? „Nein“, sagt der Fischverkäufer, „ich

habe Zaat.“ („Zeit“).

Wir werden ihn in vielen alten Filmen wieder-

sehen und auf vielen CDs und im Radio wieder

hören und ihn und seine Stimme genießen. Aber

das bleibt leider nur ein kleiner Trost.

Otto Sander, hier bei einer Hörspielproduktion im Jahr 2011, stand für den WDR bei „Nikolaikirche”, „Himmel über Berlin”, „Rosa Luxemburg” und „Das Boot” vor der Kamera. Foto: WDR/Lippmann

Philipp Menn Foto: Jacobi

Der gebürtige Wuppertaler Menn löst Andrea

Kathage-Miosga ab, die nach Düsseldorf zurück-

kehrt und als Redakteurin wieder die landespo-

litische Redaktion Fernsehen verstärkt.

Philipp Menn ist seit 2011 beim Westdeutschen

Rundfunk und arbeitete vor seinem Wechsel

nach Berlin im Funkhaus Düsseldorf zunächst

als Redakteur der »Lokalzeit« aus Düsseldorf

und danach bei der »Aktuellen Stunde«. EB

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Medienmenschen

Der .

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Werden die Fernsehzuschauer zu oft

unterschätzt? Ja, glaubt WDR-Fern-

sehautor Michael Houben. „Wenn

wir zu sehr vereinfachen, macht das

die Sache langweilig. Nur wenn wir ein

bisschen geistiges Futter bieten wird

es auch interessant.“ Deshalb stelle er

sich stets die Frage: Wie macht man

das Komplexe schmackhaft?

Mit einem Beitrag für das ARD-Wirt-

schaftsmagazin »Plusminus« ist ihm

das einmal mehr gelungen Das fand

auch die Jury des 46. Deutschen Wirt-

schaftsfilmpreises. Sie verlieh Houben

für seinen Beitrag „Schattenbanken“ den ersten Preis in der Kategorie „Kurz-

film“.

„Schattenbanken“ erklärt für Laien verständlich, wie es den Banken gelingt,

sich einer wirksamen Kontrolle zu entziehen. Die dreizehn Fachjuroren lob-

ten neben der „präzisen Recherche des Beitrags“ auch die „verständliche und

einfallsreiche Umsetzung“ des Themas . An dieser hatte Grafiker Goetz Maxi-

milian Wegelin einen nicht unwesentlichen Anteil. Die von ihm gestalteten

Elemente haben in Houbens Beitrag viel mehr als eine erklärende Funktion:

„Die Grafik hat eine eigene Ästhetik und schafft eindrucksvolle emotionale

Bilder“, sagt der Fernsehautor.

Houben hat 2011 schon einmal den

Deutschen Wirtschaftsfilmpreis

gewonnen, mit einem »Plusminus«-

Beitrag über die Eurokrise. Die Aus-

zeichnung ein zweites Mal zu ergat-

tern, das ist bisher noch keinem ande-

ren Autor gelungen – immerhin wird

sie seit 1968 vom Wirtschaftsministe-

rium verliehen.

„Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, in

beiden Filmen agiere ich als Presenter

mit im Bild.“ Er sei „dann so eine Art

,Erklärbär’“ und könne das Publikum

gleichzeitig die eigene Verwunde-

rung über das spüren lassen, was er erzähle. „Es existieren ja in dieser Art von

Geschichten keine handelnden Personen, an die man emotional gebunden ist.

Dafür haben wir dann in einem gewissen Maße mich ,benutzt’.“ In dem Beitrag

über Schattenbanken erzählt der preisgekrönte Autor am Anfang, wie schwierig

das Thema doch sei. Lange habe er überlegt, wie er das erklären könne, bis er

bei der Deutschen Bank auf ein 37-seitiges Papier stieß, das präzise beschreibe,

wie eine Bank die Regulierungen umgehen kann. Das hielt er in die Kamera.

Unterzeichnet hatte unter anderem der damalige Top-Manager Josef Ackermann.

„Für den Film war das sicherlich auch ein dramaturgischer Kniff. Das Papier

ersetzt ja die Erklärung nicht. Aber es war ein schlagender Beweis.“ ChG

MICHAEL HOUBEN

Wirtschaftsfilmpreis für einen „Erklärbären“

Beim WDR-Hörfunk spricht der Intendant die

Nachrichten. Denn Sprecher Meinhard Zanger

ist Intendant des Wolfgang Borchert Theaters in

Münster. Und Regisseur. Und Schauspieler. Und

Dozent. Und Moderator. Und Student im zarten

Alter von 58 Jahren. Gerade schließt er sein Stu-

dium in Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft,

Germanistik und Philosophie an der Uni Köln ab.

Thema der Magisterarbeit ist Max Reinhardt.

In diesem Monat feiert Zanger sein 25-jähriges

Jubiläum als WDR-Sprecher. Seit 1994 ist er Teil

des Sprecherensembles Köln. Zu seinem Job gehört

mehr als Nachrichten zu lesen. Das bisherige High-

light seiner Karriere bescherte ihm zum Beispiel

eine „Literarische Sommernacht“ von WDR 5 im

Juli mit dem Titel „Die 7 Arten des Lachens“. Das

Thema wurde zum Programm: „Schon bei der

ersten Pointe sind die Leute so vor Lachen zusam-

mengebrochen, dass ich auch zusammengebro-

chen bin“, erinnert sich Zanger. „Teilweise konnte

ich einfach nicht weiterlesen.“ So etwas dürfe bei

den Radio-Nachrichten natürlich nicht passieren.

Deshalb blieb Zanger in einem Fall auch ganz ernst

und korrigierte sich schnell, nachdem er die Hörer

darüber informiert hatte, Joschka Fischer habe sich

nicht zu einer Hungerkatastrophe, sonder zu einer

„Hummerkatastrophe“ geäußert.

Angefangen hat Multitaskler Zanger „wie viele

WDR-Intendanten ja auch“ als Journalist. „Es ist

im Grunde eins aus dem anderen erwachsen. Ich

habe mit 15 Jahren im Redaktions-Volontariat ange-

fangen, mit Texten umzugehen.“ Auch Schauspie-

ler und Regisseure arbeiteten ja mit Sprache, so

Zanger. Mit einem wesentlichen Unterschied: „Im

Journalismus ist vieles möglich. In der Kunst ist

alles möglich. Da dürfen und da müssen sie werten.“

Auf die Frage, wie er all seine Jobs unter einen Hut

bringt, antwortet der Wahl-Münsteraner zunächst

lapidar, man könne ja auch gleichzeitig Fahrrad fah-

ren und klingeln. Sein ernsthafter Tipp: Eins nach

dem anderen tun und dann die anderen Baustellen

abarbeiten. Nur eine Doppelbelastung brachte den

bekennenden Workaholic einmal an seine körper-

lichen Grenzen: Als seine Tochter klein war, hatte

er nach einer unruhigen Nacht Frühschicht beim

WDR – und schlief in dem Moment ein, als das

Rotlicht anging. Sein aufmerksamer Redakteur

weckte ihn. „Und dann habe ich ganz normal die

Nachrichten gelesen.“ ChG

MEINHARD ZANGER

Der Intendant, der die Nachrichten spricht

TV-Autor Michael Houben mit Check-Reporterin Edith Dietrich beim Preisvergleich in einem Elektronikmarkt. Foto: WDR/Görgen

Meinhard Zanger Foto: WDR/Langer

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Im Gespräch

Frau Bruhn, sind Sie glücklich im Moment?Auf einer Skala mit dem Optimum von

10 würde ich mich momentan bei sechs

bis sieben einstufen. Ich habe eine

Operation vor mir und muss außerdem

vieles in den nächsten Tagen erledigen.

Wenn man so ungeduldig ist wie ich,

ist ein Berg vor mir, den ich abarbeiten

muss, nicht gerade ein Genuss.

Ihre Erfolgsliste als Sportlerin ist lang. Welcher Erfolg überragt?Etwas herauszupicken ist schwer. Toll

war immer, wenn ich Welt- und Euro-

parekorde geschwommen bin. Sieger-

ehrungen bei den Paralympics sind

immer was Besonderes. Wenn man die

Goldmedaille bekommt, die Hymne

gespielt wird und auch noch medial

präsent ist, dann ist das grandios. Es

ist aber auch immer etwas traurig, weil

es so schnell wieder vorbei ist.

Nach der Schwimmkarriere wech-seln Sie in die Öffentlichkeitsarbeit am Unfallkrankenhaus Berlin. Wel-che Erwartungen haben Sie?Für eine norddeutsche Deern vom

Land ist Berlin eine Herausforderung.

Ich erklimme eine weitere Hürde und

komme meinen auferlegten Zielen

näher. Zur beruflichen Herausforde-

rung gehört dann, dass ich mich um

Inklusion und Integration kümmere.

Ich helfe gern anderen Behinderten.

Das liegt mir sehr am Herzen und

macht mich auch glücklich.

Was gehört zu diesen Zielen?Ich möchte, dass andere nach ihrem

Schicksalsschlag oder Unfall nicht

so lange leiden wie ich. Ich habe zehn Jahre

gebraucht, um mit der Querschnittslähmung klar

zu kommen. Nur zu sehen, was nicht mehr geht,

macht unglücklich und depressiv. Ich möchte

anderen einen Weg zum eigenen Glück aufzeigen,

damit sie schneller den Weitblick bekommen, der

mir so lange gefehlt hat.

Was war Ihr Schlüsselerlebnis?Während der Rehabilitation machten wir Balan-

ceübungen im Kajak. Ich fiel ins Wasser. Weil ich

schon vor meinem Unfall Leistungs-

schwimmerin war, habe ich gemerkt,

wie gut es sich anfühlt und dass ich

immer noch besser bin als andere. Das

hat mir Mut und Energie gegeben. Zehn

Jahre nach meinem Unfall habe ich dann

2002 den ersten Wettkampf gemacht

und auch gleich gewonnen. Das war ein

großer und wichtiger Moment.

Wie war das damals auf dem Sieger-podest?Das war ein intensiver Glücksmoment,

ich spürte aber auch Wut, Genugtuung

und Arroganz. Das gehört für mich

irgendwie zusammen. So nach dem

Motto: Ich hab‘s gezeigt, ich kann’s

doch, in mir leuchtet ein Feuer und ich

möchte, dass alle es sehen. Das war so

ein Moment, den ich für mich immer als

Glück definiere. Es ist schwer in Worte

zu fassen, aber das ist so die Macht einer

gewissen Emotionalität, das ist dann

halt für mich der Glücksmoment.

In Ihrem künftigen Job geht es unter anderem um Inklusion. Macht es Sie glücklich, wenn Sie damit anderen helfen können? Ganz bestimmt. Von dem Glück, das

man sich erarbeitet hat und erleben

durfte, auch abgeben zu können. Diese

Möglichkeit ist für mich ein ganz gro-

ßes Geschenk. Und wenn andere dann

davon was abnehmen möchten und

können, dann wäre das ein noch viel

größeres Glück und Geschenk für mich.

Was ist ihr Ziel als Patin der ARD-Themenwoche Glück?Ich glaube viele Menschen sind, was

Wohlstand, Dankbarkeit und Wert-

schätzung angeht, nicht mehr geer-

det. Wir müssten viel bewusster sein,

um glücklich zu sein, weil es keinen

Grund gibt zu klagen. Um sich besser

zu fühlen, vergleichen sich Menschen

gern mit anderen, denen es schlechter

geht. Wenn diese Leute sehen, wie ich

mit meiner Situation klarkomme und ebenfalls

glücklich und zufrieden bin, dann könnte sich

dadurch das vermeintliche Unglück dieser Men-

schen relativieren.

Mit Kirsten Bruhn sprach Wolfram Stahl

Auf einen Latte macchiato mit

Kirsten Bruhn

Foto

:WD

R/

Mau

rer

„Zum Glück“ heißt das Motto der diesjährigen ARD-Themenwoche vom 16. bis 22. November. Feder-führer: der WDR. Die paraolympi-sche Goldschwimmerin Kirsten Bruhn, 43, ist eine der Paten. Seit einem Motorradunfall vor über 20 Jahren ist sie querschnittsge-lähmt. Zum Thema Glück hat sie ein ganz besonderes Verhältnis.

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Druck: Warlich Druck Meckenheim

Redaktionsschluss der November-Ausgabe ist

der 11. Oktober 2013

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