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One Health – Risikomanagement im Offentlichen Raum Manfred Wildner und Angela Wirtz ,,Das One Health-Konzept erkennt an, dass die menschliche Gesundheit mit der Gesundheit von Tieren und der Umwelt verbunden ist‘‘ (One Health Office der CDC, Atlanta). Diese Aus- sage du ¨rfte in unserer Gegenwart fu ¨r wenig U ¨ berraschung sorgen. Viel- leicht ist aber u ¨berraschend, dass sie so spa ¨t als eine Leitidee in Public Health weithin akzeptiert wurde. Zum besseren Versta ¨ndnis wird an die jeweils zeitgebundenen Leitge- danken von Public Health erinnert (Wildner et al., 2009). Die Quaranta ¨- nephase mit der Isolierung von Er- krankten und Ansteckungsverda ¨chti- gen alter Pra ¨gung wurde vor 200 Jah- ren abgelo ¨st von der Hygienephase mit ihren bahnbrechenden wissen- schaftlichen Erkenntnissen und gro- ßen bevo ¨lkerungsmedizinischen Er- folgen. Ihr folgte speziell in Deutsch- land die Organisation des Sozialversicherungssystems. Erst im 20. Jahrhundert und versta ¨rkt am U ¨ bergang zum 21. Jahrhundert entwi- ckelte sich die gegenwa ¨rtig pra ¨gende systemische Phase einer New Public Health. Erst dieser systemische An- satz bot einen geeigneten Rahmen fu ¨r eine Rezeption des One Health- Ansatzes. Eine Illustration dieser systemischen Zusammenha ¨nge von Gesundheit gibt das ,,Regenbogenmodell‘‘ (Dahlgren und Whitehead, 1991). In diesem Mo- dell werden sich umlagernde und durchwirkende Spha ¨ren individueller biologischer Grundlagen, individuel- ler Verhaltens- und Lebensweisen in Wechselwirkung mit dem sozialen Umfeld, allgemeinen Lebens- und Ar- beitsbedingungen bis hin zur gesund- heitlichen Versorgung und den weite- ren sozio-o ¨konomischen, kulturellen und natu ¨rlichen Umweltbedingungen beschrieben. Allgemein werden daran die fu ¨r Public Health typischen me- thodischen Merkmale der Inter- und Transdisziplinarita ¨t sowie der Multi- professionalita ¨t mit starken partizipa- torischen Elementen in der Umset- zung festgemacht. In einer speziellen Fokussierung die- ses Modells auf Infektionskrankheiten entwickelte sich daraus der sogenann- te ,,One Health‘‘ Ansatz. Er beru ¨ck- sichtigt die komplexen Schnittstellen menschlicher Gesundheit mit der tier- ischen Gesundheit und dem Okosystem. Eine besondere Bedeu- tung haben dabei Zoonosen. Dabei handelt es sich um vom Tier auf den Menschen oder vice versa, teilweise auch indirekt u ¨ber Lebensmittel oder Vektoren, u ¨bertragbare Krankheiten wie SARS und MeRS, HIV, virusha ¨- morrhagische Fieber (z.B. Ebola), Tuberkulose oder Influenza. ,,One Health‘‘ wurde erstmals mit Hilfe der ,,Manhattan Principles‘‘ auf einer Konferenz der Wildlife Conservation Society, 2004 mit dem Titel ,,One Health, One World‘‘ na ¨her ausformu- liert (Wildlife Conservation Society, 2004). Daran schloss sich eine rasche internationale Rezeption an. 2007 the- matisierte die New Delhi Conference zu Fragen der pandemischen Influenza den ,,One Health Approach‘‘, 2010 verabschiedeten die internationalen Organisationen FAO, OIE und WHO die sogenannte ,,Tripartite Concept Note‘‘. Damit wurde erstmals von den drei (,,tripartite‘‘) beteiligten Or- ganisationen auf Ebene der Vereinten Nationen, na ¨mlich der Erna ¨hrungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), der Weltorganisation fu ¨r Tier- gesundheit (OIE) und der Weltge- sundheitsorganisation (WHO) die ge- meinsame Verantwortung fu ¨r ein koordiniertes Vorgehen zur Risikobe- wa ¨ltigung an der Schnittstelle von menschlicher Gesundheit, tierischer Gesundheit und Okosystem festge- schrieben. 2011 und 2013 fanden in- ternationale One Health Kongresse statt. Das Global Risk Forum in Da- vos, Schweiz, begann 2012 ja ¨hrliche ,,One Health Summits‘‘ (Dokumenta- tion unter www.planet-risk.org). So verschieden die Herangehenswei- sen und Methoden in der Humanme- dizin, der Tiermedizin, der Lebens- mittelsicherheit und der Okologie sein ko ¨nnen, im Bereich des Risiko- managements infektio ¨ser Erkrankun- gen sind sie eng auf einander ange- wiesen. Beispiele fu ¨r diese Wechsel- wirkungen sind eindru ¨cklich. So fu ¨hren die gegenwa ¨rtigen zivilisatori- sche Entwicklungen beispielsweise zu Entwaldungen, einer intensivierten Landwirtschaft und einem globalen Klimawandel. Diese Einbru ¨che in die natu ¨rlichen Lebensra ¨ume der Tie- re bedingen neue Infektionsrisiken fu ¨r die Menschen. So fu ¨ hrt das anhaltende Bevo ¨lkerungswachstum zu neuen oder intensivierten Kontakten mit Wild- und Haustieren innerhalb der fortschreitend besiedelten Regionen. Zudem ist eine besta ¨ndige Zunahme beruflicher und privater Reisen und Warenstro ¨me zu beobachten. Die EHEC-Infektionen u ¨ ber Salatsprossen aus dem Mittelmeerraum 2011 oder der große Norovirus-Ausbruch in Thu ¨ringen 2012 durch aus China im- portierte Erdbeeren sind nur zwei Bei- spiele. Diese Erkrankungen illustrie- ren den U ¨ bergang von internationaler, d.h. zwischenstaatlicher Gesundheits- fu ¨rsorge zur heutigen globalen Public Health Forum 22 Heft 84 (2014) http://journals.elsevier.de/pubhef 33.e1

One Health – Risikomanagement im Öffentlichen Raum

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Page 1: One Health – Risikomanagement im Öffentlichen Raum

Public Health Forum 22 Heft 84 (2014)http://journals.elsevier.de/pubhef

One Health – Risikomanagement im €Offentlichen Raum

Manfred Wildner und Angela Wirtz

,,Das One Health-Konzept erkennt

an, dass die menschliche Gesundheit

mit der Gesundheit von Tieren und der

Umwelt verbunden ist‘‘ (One Health

Office der CDC, Atlanta). Diese Aus-

sage durfte in unserer Gegenwart fur

wenig Uberraschung sorgen. Viel-

leicht ist aber uberraschend, dass sie

so spat als eine Leitidee in Public

Health weithin akzeptiert wurde.

Zum besseren Verstandnis wird an

die jeweils zeitgebundenen Leitge-

danken von Public Health erinnert

(Wildner et al., 2009). Die Quaranta-

nephase mit der Isolierung von Er-

krankten und Ansteckungsverdachti-

gen alter Pragung wurde vor 200 Jah-

ren abgelost von der Hygienephase

mit ihren bahnbrechenden wissen-

schaftlichen Erkenntnissen und gro-

ßen bevolkerungsmedizinischen Er-

folgen. Ihr folgte speziell in Deutsch-

land die Organisation des

Sozialversicherungssystems. Erst im

20. Jahrhundert und verstarkt am

Ubergang zum 21. Jahrhundert entwi-

ckelte sich die gegenwartig pragende

systemische Phase einer New Public

Health. Erst dieser systemische An-

satz bot einen geeigneten Rahmen fur

eine Rezeption des One Health-

Ansatzes.

Eine Illustration dieser systemischen

Zusammenhange von Gesundheit gibt

das ,,Regenbogenmodell‘‘ (Dahlgren

und Whitehead, 1991). In diesemMo-

dell werden sich umlagernde und

durchwirkende Spharen individueller

biologischer Grundlagen, individuel-

ler Verhaltens- und Lebensweisen in

Wechselwirkung mit dem sozialen

Umfeld, allgemeinen Lebens- und Ar-

beitsbedingungen bis hin zur gesund-

heitlichen Versorgung und den weite-

ren sozio-okonomischen, kulturellen

und naturlichen Umweltbedingungen

beschrieben. Allgemein werden daran

die fur Public Health typischen me-

thodischen Merkmale der Inter- und

Transdisziplinaritat sowie der Multi-

professionalitat mit starken partizipa-

torischen Elementen in der Umset-

zung festgemacht.

In einer speziellen Fokussierung die-

ses Modells auf Infektionskrankheiten

entwickelte sich daraus der sogenann-

te ,,One Health‘‘ Ansatz. Er beruck-

sichtigt die komplexen Schnittstellen

menschlicher Gesundheit mit der tier-

ischen Gesundheit und dem€Okosystem. Eine besondere Bedeu-

tung haben dabei Zoonosen. Dabei

handelt es sich um vom Tier auf den

Menschen oder vice versa, teilweise

auch indirekt uber Lebensmittel oder

Vektoren, ubertragbare Krankheiten

wie SARS und MeRS, HIV, virusha-

morrhagische Fieber (z.B. Ebola),

Tuberkulose oder Influenza. ,,One

Health‘‘ wurde erstmals mit Hilfe

der ,,Manhattan Principles‘‘ auf einer

Konferenz der Wildlife Conservation

Society, 2004 mit dem Titel ,,One

Health, One World‘‘ naher ausformu-

liert (Wildlife Conservation Society,

2004). Daran schloss sich eine rasche

internationale Rezeption an. 2007 the-

matisierte die New Delhi Conference

zu Fragen der pandemischen Influenza

den ,,One Health Approach‘‘, 2010

verabschiedeten die internationalen

Organisationen FAO, OIE und WHO

die sogenannte ,,Tripartite Concept

Note‘‘. Damit wurde erstmals von

den drei (,,tripartite‘‘) beteiligten Or-

ganisationen auf Ebene der Vereinten

Nationen, namlich der Ernahrungs-

und Landwirtschaftsorganisation

(FAO), der Weltorganisation fur Tier-

gesundheit (OIE) und der Weltge-

sundheitsorganisation (WHO) die ge-

meinsame Verantwortung fur ein

koordiniertes Vorgehen zur Risikobe-

waltigung an der Schnittstelle von

menschlicher Gesundheit, tierischer

Gesundheit und €Okosystem festge-

schrieben. 2011 und 2013 fanden in-

ternationale One Health Kongresse

statt. Das Global Risk Forum in Da-

vos, Schweiz, begann 2012 jahrliche

,,One Health Summits‘‘ (Dokumenta-

tion unter www.planet-risk.org).

So verschieden die Herangehenswei-

sen und Methoden in der Humanme-

dizin, der Tiermedizin, der Lebens-

mittelsicherheit und der €Okologiesein konnen, im Bereich des Risiko-

managements infektioser Erkrankun-

gen sind sie eng auf einander ange-

wiesen. Beispiele fur diese Wechsel-

wirkungen sind eindrucklich. So

fuhren die gegenwartigen zivilisatori-

sche Entwicklungen beispielsweise zu

Entwaldungen, einer intensivierten

Landwirtschaft und einem globalen

Klimawandel. Diese Einbruche in

die naturlichen Lebensraume der Tie-

re bedingen neue Infektionsrisiken fur

dieMenschen. So fuhrt das anhaltende

Bevolkerungswachstum zu neuen

oder intensivierten Kontakten mit

Wild- und Haustieren innerhalb der

fortschreitend besiedelten Regionen.

Zudem ist eine bestandige Zunahme

beruflicher und privater Reisen und

Warenstrome zu beobachten. Die

EHEC-Infektionen uber Salatsprossen

aus dem Mittelmeerraum 2011 oder

der große Norovirus-Ausbruch in

Thuringen 2012 durch aus China im-

portierte Erdbeeren sind nur zwei Bei-

spiele. Diese Erkrankungen illustrie-

ren den Ubergang von internationaler,

d.h. zwischenstaatlicher Gesundheits-

fursorge zur heutigen globalen

33.e1

Page 2: One Health – Risikomanagement im Öffentlichen Raum

Public Health Forum 22 Heft 84 (2014)http://journals.elsevier.de/pubhef

Betrachtungsweise von Gesundheit

jenseits nationaler Grenzziehungen.

Die US-Amerikanischen CDC schat-

zen in ihrem Infectious Disease Fra-

mework 2011, dass etwa drei viertel

der neu auftretenden Infektionen zoo-

notischen Ursprungs sind (Frieden und

Khabbaz, 2011). Gesundheitspoliti-

sche Zielsetzung dieses strategischen

Rahmens ist eine aktive Vernetzung

der Partner aus der Tiermedizin, dem

Agrar- und Lebensmittelsektor sowie

der €Okologie fur integrierte Analysen

veterinar- und humanmedizinischer

Sachverhalte sowie zur Risikoreduzie-

rung in Tourismus und im Export und

Import von Tieren und Waren.

Die sich daraus ergebenden Heraus-

forderungen betreffen in einem geg-

liederten und ausdifferenzierten Ge-

sundheitssystem wie in Deutschland

verschiedenste Akteure: Die Bundes-,

Lander-, Kreis- und kommunale

33.e2

Ebene offentlicher Gesundheitsfursor-

ge, die akademischen Einrichtungen

insbesondere mit etablierten Public

Health Forschungs- und Ausbildungs-

strukturen, die Wirtschaftssektoren

und auch private Verbande und Ak-

teursgruppen. Gesundheit ist in einem

One Health Verstandnis zu einem er-

heblichen Teil auch das Ergebnis von

systemischen Beziehungen und Zu-

sammenhangen. Deren Regulierungen

liegen oftmals außerhalb des Einfluss-

bereichs einzelner Personen und teil-

weise im Zustandigkeitsbereich staat-

lichen Handelns. Das Bundesministe-

rium fur Bildung und Forschung hat im

Zeitraum 2009 bis 2015 eine nationale

Forschungsplattform fur Zoonosen ge-

fordert, welche sich 2014 auch mit

dem One Health Ansatz unter Trans-

feraspekten auseinander gesetzt hat

(Forschung trifft Praxis: Transfer und

Herausforderungen der Zoonosenfor-

schung, http://www.gesundheitsfor

schung-bmwf.de/de/5290.php). Auf

Landesebene finden sich bereits An-

satze der Integration dieser Sektoren,

wie z.B. in den Landesamtern bzw. der

Gesundheitsverwaltung in Baden-

Wurttemberg, Bayern, Hessen und

Niedersachsen – wichtige Schritte in

Richtung auf ,,Eine Gesundheit, eine

Welt‘‘ auch in Deutschland.

Der korrespondierende Autor erklart, dasskein Interessenkonflikt vorliegt.

http://dx.doi.org/10.1016/j.phf.2014.07.022

Prof. Dr. Manfred Wildner, MPHLandesinstitut fur GesundheitBayerisches Landesamt fur Gesundheitund Lebensmittelsicherheit (DienststelleOberschleißheim)Veterinarstr. 285764 Oberschleiß[email protected]

Literatur

DahlgrenG, WhiteheadM. Policies and strategies

to promote social equity in health. Stockholm:

Institute for Future Studies; 1991.

Frieden TR, Khabbaz RF. A CDC Framework for

Preventing Infectious Diseases: Sustaining the

Essentials and Innovating for the Future. At-

lanta, CDC 2011. Abrufbar unter http://www.

cdc.gov/oid/docs/ID-Framework.pdf, Abruf

am 14.05.2014

Wildlife Conservation Society. The Manhattan

Principles as defined during the meeting titled

Building Interdisciplinary Bridges to Health

in a ‘‘Globalized World’’ held in 2004. Ab-

rufbar unter http://www.cdc.gov/onehealth/

pdf/manhattan/twelve_manhattan_princip-

les.pdf

WildnerM, ZollnerH, Sigl C, et al. Der offentliche

Gesundheitsdienst im internationalen Vergleich

–EuregioBodensee. In: LocherW, WildnerM,

Kerscher G, editors. Veranderung gestalten:

Der offentliche Gesundheitsdienst im interna-

tionalen Vergleich – Euregio Bodensee am 10.

und 11. Oktober 2006 in Lindau. Ein Sympo-

sium des Hartmannbundes.. Germering: Zuck-

schwerdt Verlag; 2009. p. S3–28.

Page 3: One Health – Risikomanagement im Öffentlichen Raum

Public Health Forum 22 Heft 84 (2014)http://journals.elsevier.de/pubhef

Einleitung

,,Das One Health-Konzept erkennt an, dass die menschliche Gesundheit mit der Gesundheit von Tieren und der Umwelt

verbunden ist‘‘ (CDC, Atlanta). Diese Aussage wurde erst spat als eine Leitidee in Public Health weithin akzeptiert. Zum

Verstandnis wird an die jeweils zeitgebundenen Leitgedanken von Public Health erinnert. Erst der systemische Ansatz

einerNew Public Health im 20. Jahrhundert und 21. Jahrhundert bot einen geeigneten Rahmen fur eine Rezeption des One

Health-Ansatzes.

Abstract

,,The One Health concept recognizes that the health of humans is connected to the health of animals and the

environment’’ (CDC, Atlanta). This statement got accepted late as a leading idea for Public Health. For a better

understanding the change in leading ideas over time is recalled. It was only the systemic approach of a New Public

Health of the 20th and 21st century that was providing a suitable framework for a broad reception of the One Health

approach.

Schlusselworter:

One Health = One Health, Public Health = Public Health, Risikomanagement = risk management, Zoonosen = zoonoses

33.e3