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Public Health Forum 22 Heft 84 (2014)http://journals.elsevier.de/pubhef
One Health – Risikomanagement im €Offentlichen Raum
Manfred Wildner und Angela Wirtz
,,Das One Health-Konzept erkennt
an, dass die menschliche Gesundheit
mit der Gesundheit von Tieren und der
Umwelt verbunden ist‘‘ (One Health
Office der CDC, Atlanta). Diese Aus-
sage durfte in unserer Gegenwart fur
wenig Uberraschung sorgen. Viel-
leicht ist aber uberraschend, dass sie
so spat als eine Leitidee in Public
Health weithin akzeptiert wurde.
Zum besseren Verstandnis wird an
die jeweils zeitgebundenen Leitge-
danken von Public Health erinnert
(Wildner et al., 2009). Die Quaranta-
nephase mit der Isolierung von Er-
krankten und Ansteckungsverdachti-
gen alter Pragung wurde vor 200 Jah-
ren abgelost von der Hygienephase
mit ihren bahnbrechenden wissen-
schaftlichen Erkenntnissen und gro-
ßen bevolkerungsmedizinischen Er-
folgen. Ihr folgte speziell in Deutsch-
land die Organisation des
Sozialversicherungssystems. Erst im
20. Jahrhundert und verstarkt am
Ubergang zum 21. Jahrhundert entwi-
ckelte sich die gegenwartig pragende
systemische Phase einer New Public
Health. Erst dieser systemische An-
satz bot einen geeigneten Rahmen fur
eine Rezeption des One Health-
Ansatzes.
Eine Illustration dieser systemischen
Zusammenhange von Gesundheit gibt
das ,,Regenbogenmodell‘‘ (Dahlgren
und Whitehead, 1991). In diesemMo-
dell werden sich umlagernde und
durchwirkende Spharen individueller
biologischer Grundlagen, individuel-
ler Verhaltens- und Lebensweisen in
Wechselwirkung mit dem sozialen
Umfeld, allgemeinen Lebens- und Ar-
beitsbedingungen bis hin zur gesund-
heitlichen Versorgung und den weite-
ren sozio-okonomischen, kulturellen
und naturlichen Umweltbedingungen
beschrieben. Allgemein werden daran
die fur Public Health typischen me-
thodischen Merkmale der Inter- und
Transdisziplinaritat sowie der Multi-
professionalitat mit starken partizipa-
torischen Elementen in der Umset-
zung festgemacht.
In einer speziellen Fokussierung die-
ses Modells auf Infektionskrankheiten
entwickelte sich daraus der sogenann-
te ,,One Health‘‘ Ansatz. Er beruck-
sichtigt die komplexen Schnittstellen
menschlicher Gesundheit mit der tier-
ischen Gesundheit und dem€Okosystem. Eine besondere Bedeu-
tung haben dabei Zoonosen. Dabei
handelt es sich um vom Tier auf den
Menschen oder vice versa, teilweise
auch indirekt uber Lebensmittel oder
Vektoren, ubertragbare Krankheiten
wie SARS und MeRS, HIV, virusha-
morrhagische Fieber (z.B. Ebola),
Tuberkulose oder Influenza. ,,One
Health‘‘ wurde erstmals mit Hilfe
der ,,Manhattan Principles‘‘ auf einer
Konferenz der Wildlife Conservation
Society, 2004 mit dem Titel ,,One
Health, One World‘‘ naher ausformu-
liert (Wildlife Conservation Society,
2004). Daran schloss sich eine rasche
internationale Rezeption an. 2007 the-
matisierte die New Delhi Conference
zu Fragen der pandemischen Influenza
den ,,One Health Approach‘‘, 2010
verabschiedeten die internationalen
Organisationen FAO, OIE und WHO
die sogenannte ,,Tripartite Concept
Note‘‘. Damit wurde erstmals von
den drei (,,tripartite‘‘) beteiligten Or-
ganisationen auf Ebene der Vereinten
Nationen, namlich der Ernahrungs-
und Landwirtschaftsorganisation
(FAO), der Weltorganisation fur Tier-
gesundheit (OIE) und der Weltge-
sundheitsorganisation (WHO) die ge-
meinsame Verantwortung fur ein
koordiniertes Vorgehen zur Risikobe-
waltigung an der Schnittstelle von
menschlicher Gesundheit, tierischer
Gesundheit und €Okosystem festge-
schrieben. 2011 und 2013 fanden in-
ternationale One Health Kongresse
statt. Das Global Risk Forum in Da-
vos, Schweiz, begann 2012 jahrliche
,,One Health Summits‘‘ (Dokumenta-
tion unter www.planet-risk.org).
So verschieden die Herangehenswei-
sen und Methoden in der Humanme-
dizin, der Tiermedizin, der Lebens-
mittelsicherheit und der €Okologiesein konnen, im Bereich des Risiko-
managements infektioser Erkrankun-
gen sind sie eng auf einander ange-
wiesen. Beispiele fur diese Wechsel-
wirkungen sind eindrucklich. So
fuhren die gegenwartigen zivilisatori-
sche Entwicklungen beispielsweise zu
Entwaldungen, einer intensivierten
Landwirtschaft und einem globalen
Klimawandel. Diese Einbruche in
die naturlichen Lebensraume der Tie-
re bedingen neue Infektionsrisiken fur
dieMenschen. So fuhrt das anhaltende
Bevolkerungswachstum zu neuen
oder intensivierten Kontakten mit
Wild- und Haustieren innerhalb der
fortschreitend besiedelten Regionen.
Zudem ist eine bestandige Zunahme
beruflicher und privater Reisen und
Warenstrome zu beobachten. Die
EHEC-Infektionen uber Salatsprossen
aus dem Mittelmeerraum 2011 oder
der große Norovirus-Ausbruch in
Thuringen 2012 durch aus China im-
portierte Erdbeeren sind nur zwei Bei-
spiele. Diese Erkrankungen illustrie-
ren den Ubergang von internationaler,
d.h. zwischenstaatlicher Gesundheits-
fursorge zur heutigen globalen
33.e1
Public Health Forum 22 Heft 84 (2014)http://journals.elsevier.de/pubhef
Betrachtungsweise von Gesundheit
jenseits nationaler Grenzziehungen.
Die US-Amerikanischen CDC schat-
zen in ihrem Infectious Disease Fra-
mework 2011, dass etwa drei viertel
der neu auftretenden Infektionen zoo-
notischen Ursprungs sind (Frieden und
Khabbaz, 2011). Gesundheitspoliti-
sche Zielsetzung dieses strategischen
Rahmens ist eine aktive Vernetzung
der Partner aus der Tiermedizin, dem
Agrar- und Lebensmittelsektor sowie
der €Okologie fur integrierte Analysen
veterinar- und humanmedizinischer
Sachverhalte sowie zur Risikoreduzie-
rung in Tourismus und im Export und
Import von Tieren und Waren.
Die sich daraus ergebenden Heraus-
forderungen betreffen in einem geg-
liederten und ausdifferenzierten Ge-
sundheitssystem wie in Deutschland
verschiedenste Akteure: Die Bundes-,
Lander-, Kreis- und kommunale
33.e2
Ebene offentlicher Gesundheitsfursor-
ge, die akademischen Einrichtungen
insbesondere mit etablierten Public
Health Forschungs- und Ausbildungs-
strukturen, die Wirtschaftssektoren
und auch private Verbande und Ak-
teursgruppen. Gesundheit ist in einem
One Health Verstandnis zu einem er-
heblichen Teil auch das Ergebnis von
systemischen Beziehungen und Zu-
sammenhangen. Deren Regulierungen
liegen oftmals außerhalb des Einfluss-
bereichs einzelner Personen und teil-
weise im Zustandigkeitsbereich staat-
lichen Handelns. Das Bundesministe-
rium fur Bildung und Forschung hat im
Zeitraum 2009 bis 2015 eine nationale
Forschungsplattform fur Zoonosen ge-
fordert, welche sich 2014 auch mit
dem One Health Ansatz unter Trans-
feraspekten auseinander gesetzt hat
(Forschung trifft Praxis: Transfer und
Herausforderungen der Zoonosenfor-
schung, http://www.gesundheitsfor
schung-bmwf.de/de/5290.php). Auf
Landesebene finden sich bereits An-
satze der Integration dieser Sektoren,
wie z.B. in den Landesamtern bzw. der
Gesundheitsverwaltung in Baden-
Wurttemberg, Bayern, Hessen und
Niedersachsen – wichtige Schritte in
Richtung auf ,,Eine Gesundheit, eine
Welt‘‘ auch in Deutschland.
Der korrespondierende Autor erklart, dasskein Interessenkonflikt vorliegt.
http://dx.doi.org/10.1016/j.phf.2014.07.022
Prof. Dr. Manfred Wildner, MPHLandesinstitut fur GesundheitBayerisches Landesamt fur Gesundheitund Lebensmittelsicherheit (DienststelleOberschleißheim)Veterinarstr. 285764 Oberschleiß[email protected]
Literatur
DahlgrenG, WhiteheadM. Policies and strategies
to promote social equity in health. Stockholm:
Institute for Future Studies; 1991.
Frieden TR, Khabbaz RF. A CDC Framework for
Preventing Infectious Diseases: Sustaining the
Essentials and Innovating for the Future. At-
lanta, CDC 2011. Abrufbar unter http://www.
cdc.gov/oid/docs/ID-Framework.pdf, Abruf
am 14.05.2014
Wildlife Conservation Society. The Manhattan
Principles as defined during the meeting titled
Building Interdisciplinary Bridges to Health
in a ‘‘Globalized World’’ held in 2004. Ab-
rufbar unter http://www.cdc.gov/onehealth/
pdf/manhattan/twelve_manhattan_princip-
les.pdf
WildnerM, ZollnerH, Sigl C, et al. Der offentliche
Gesundheitsdienst im internationalen Vergleich
–EuregioBodensee. In: LocherW, WildnerM,
Kerscher G, editors. Veranderung gestalten:
Der offentliche Gesundheitsdienst im interna-
tionalen Vergleich – Euregio Bodensee am 10.
und 11. Oktober 2006 in Lindau. Ein Sympo-
sium des Hartmannbundes.. Germering: Zuck-
schwerdt Verlag; 2009. p. S3–28.
Public Health Forum 22 Heft 84 (2014)http://journals.elsevier.de/pubhef
Einleitung
,,Das One Health-Konzept erkennt an, dass die menschliche Gesundheit mit der Gesundheit von Tieren und der Umwelt
verbunden ist‘‘ (CDC, Atlanta). Diese Aussage wurde erst spat als eine Leitidee in Public Health weithin akzeptiert. Zum
Verstandnis wird an die jeweils zeitgebundenen Leitgedanken von Public Health erinnert. Erst der systemische Ansatz
einerNew Public Health im 20. Jahrhundert und 21. Jahrhundert bot einen geeigneten Rahmen fur eine Rezeption des One
Health-Ansatzes.
Abstract
,,The One Health concept recognizes that the health of humans is connected to the health of animals and the
environment’’ (CDC, Atlanta). This statement got accepted late as a leading idea for Public Health. For a better
understanding the change in leading ideas over time is recalled. It was only the systemic approach of a New Public
Health of the 20th and 21st century that was providing a suitable framework for a broad reception of the One Health
approach.
Schlusselworter:
One Health = One Health, Public Health = Public Health, Risikomanagement = risk management, Zoonosen = zoonoses
33.e3