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Quote as: Hering, S.; Redlich, T.; Wulfsberg, J. P.; Bruhns, F.-L.: Open Innovation im Automobilbau. Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb 106 (2011) 9, S. 647-652 Open Innovation im Automobilbau Hering, S. Redlich, T. Wulfsberg, J. P. Bruhns, F.-L. Arbeitsgruppe Wertschöpfungssystematik Laboratorium für Fertigungstechnik Helmut Schmidt Universität Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg

Open Innovation im Automobilbau · Kundenintegration im Rahmen des Innovationsprozesses unter Nutzung der Open ... Innovation-Methoden in der Automobilindustrie untersucht sowie die

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Open Innovation im Automobilbau

Hering, S.

Redlich, T.

Wulfsberg, J. P.

Bruhns, F.-L.

Arbeitsgruppe Wertschöpfungssystematik

Laboratorium für Fertigungstechnik

Helmut Schmidt Universität

Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg

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Kurzzusammenfassung

Unternehmen verschiedenster Branchen versuchen bereits heute, die Vorteile einer

Kundenintegration im Rahmen des Innovationsprozesses unter Nutzung der Open

Innovation-Strategie zu erreichen. Nicht in jeder Branche gelingt dies

gleichermaßen erfolgreich. In diesem Beitrag werden die Schlüsselfaktoren für eine

zielführende Anwendung von Open Innovation bestimmt und analysiert.

Desweiteren wird der derzeitige Stand der Anwendung verschiedener Open

Innovation-Methoden in der Automobilindustrie untersucht sowie die Chancen und

Probleme bei der Umsetzung einer solchen Strategie in dieser Branche

gegenübergestellt.

Abstract

Companies from different industries try to achieve benefits through customer

integration within the innovation process, using open innovation. Not every sector

succeeds equally successful with this strategy. In this paper, the key factors for a

targeted application of open innovation will be determined and analyzed.

Furthermore, the current state of application of various methods of open innovation

in the automotive industry is examined. Opportunities and challenges in

implementing such a strategy in this industry will be also contrasted.

Open Innovation – Offenheit von Wertschöpfungssyste men

Dem US-amerikanische Unternehmen Local Motors gelang es innerhalb kürzester

Zeit ein Automobil unter Anwendung vonOpenSource-Prinzipien gemeinsam mit

einer Internet-Community zur Produktionsreife zu bringen. Beidem Fahrzeug

handelt es sich um einengeländegängigen Rennwagen mit Straßenzulassung.

Die Globalisierung und die Fähigkeit zur zunehmenden informationellen Vernetzung

erzwingen und ermöglichen solche neuen Muster der Wertschöpfung, die unter dem

Begriff „Bottom-up-Ökonomie“ zusammengefasst werden [1]. Dieseunterscheidet

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sich in ihrem struktur- und prozessbezogenen Charakter wesentlich von

derindustriellen Produktion, indem sie einer Logik der Offenheit folgt. Zur

Umsetzung neuer Wertschöpfungsmethoden ist es daher notwendig, dass sich

Unternehmen oder Netzwerke von Unternehmen öffnen und damit ihre

Systemgrenzen erheblich erweitern oder im Extremfall ganz wegfallen lassen.

Auf den ersten Blick scheint die Eigenschaft „Offenheit“ dem Ziel eines

Unternehmens, durch einen Wettbewerbsvorteil Gewinne zu erwirtschaften, zu

widersprechen. Unterschiedliche Untersuchungen insbesondere aus Branchen der

Informations- und Kommunikationstechnik zeigen jedoch, dass auch durch die

Anwendung von Open-Source-Geschäftsmodellen Wettbewerbsvorteile erreicht

werden können.

Offenheit im Zusammenhang von Open Source bedeutet allerdings nicht, wie

gemeinhin angenommen, dass immaterielle und materielle Ressourcen von

Unternehmen verschenkt werden, sondern im Sinne eines vereinbarten coopetiven

Wertschöpfungsprozesses verfügbar gemacht werden. Offenheit beschreibt

demnach nicht etwas, was jeder unentgeltlich haben kann, sondern etwas, das

jeder „einsehen“ und an dessen Entwicklung er potenziell „teilhaben“ kann. Es

handelt sich also um Prinzipien zur Öffnung des Wertschöpfungsprozesses mit dem

Ziel, den Wert zuvermehren, was allen Akteuren zugute kommen kann.

Gerade das Beispiel Local Motors zeugt von interaktiver Wertschöpfung und ihren

extremen Ausprägungen wie Open Source und Open Innovation und widerspricht

damit vielen Organisationsprinzipien des traditionellen ökonomischen Konzepts.

Gerade für den Bereich der Automobilindustrie und die dort etablierten

Unternehmen scheint jedoch „Offenheit“ noch immer im Widerspruch zu bisherigen

Strategiepfaden zu stehen. Klar ist auch, dass Offenheit nie alles dominieren wird.

Es gilt vielmehr, für jeden Akteur in der Wertschöpfung eine optimale Konfiguration

zwischen Offenheit und Geschlossenheit zu finden. Open Innovation beschreibt

eine solche Strategie und umfasst Methoden, die zu mehr Offenheit führen.

Erforderlichkeit der Kundenintegration

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Die ausufernde „Knöpfchenanzahl“ in Premiumfahrzeugen deutscher

Automobilhersteller sorgte vor ein paar Jahren bei manchem Kunden für Unmut.

Die Hersteller reagierten mit zentralen Bedienkonzepten wie das iDrive von BMW

und das Multimedia Interface von Audi. Nach der Vorstellung der ersten Version

des iDrive stellte sich jedoch nicht die erhoffte positive Resonanz ein und es Schnitt

im Praxistest deutlich schlechter ab als das Multimedia Interface der Konkurrenz.

Doch wie kamendiese unterschiedlichen Bewertungen zustande? Ein wesentlicher

Unterschied war, dass Audi Kunden in die Entwicklung einband, während BMW

dies nicht tat.

Etwaige Fehlentwicklungen wie das iDrive sind bei dem heutigen Wettbewerb

fatal.Die Gründe hierfür sind vielfältig und haben ihren Ausgang im Wandel

gesellschaftlicher und marktbedingter Rahmenbedingungen für produzierende

Unternehmen (Bild 1).

Bild 1: Rahmenbedingungen für die Wertschöpfung produzierender Unternehmen

Der Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten äußert sich in verschiedenen

Merkmalen. Nicht nur die Herstellkosten stehen dabei im Vordergrund. Aufgrund

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zunehmenderProduktvielfaltmüssen produzierende Unternehmen auch versuchen,

durch eine stärkere DifferenzierungKundenbedürfnisse zu befriedigen [2].Das früher

beherrschende Streben nach Kostenführerschaft ist somit als einziges

Wettbewerbskriterium nicht mehr ausreichend. Allerdings führt eine zunehmende

Variantenvielfalt bei Produktenauch zuvermehrten Fehlentscheidungen bei

Neuentwicklungen. Zusätzlich müssen gerade Unternehmen an

Hochlohnstandorten, wie Deutschland versuchen, den Preiswettbewerb zu

umgehen und den Kunden durch innovative Produkte zu gewinnen. Diese

Notwendigkeit schlägt sich in der Automobilindustrie unter anderem im Trend zu

häufigeren Modellwechseln nieder [3].

Um dies zu gewährleisten und gleichzeitig das Risiko von Fehlentwicklungen zu

minimieren, ist eine Kundenintegration im Rahmen der Neuproduktentwicklung

sinnvoll.

Die Automobilbranche -Innovationstreiber Nr. 1

Untersuchungen zur Kundenintegration finden sich in der Literatur überwiegend

hinsichtlich des Industriegütermarktes oder der Sportartikel- bzw. Softwareindustrie.

Diese Branchen zeichnen sich jedoch durch spezielle Charakteristika aus.

In der Sportartikelindustrie beispielsweise entwickeln Käufer von Sportgeräten oft

eine starke Bindung zu ihrem Produkt. Dies führt dazu, dass viele Sportler ihre

Geräte selbst weiterentwickeln und konfigurieren [4].

In diesem Beitrag ist jedoch die Automobilbranche Betrachtungsgegenstand. Sie gilt

in Deutschland als der Innovationstreiber. Selbst im Jahr 2009, welches vonden

Auswirkungen der globalen Finanzmarktkrise geprägt war, erhöhten deutsche

Autobauer ihre Ausgaben für F&E auf 20,9 Mrd. Euro, was einen neuen

Höchststand darstellte. Damit ist die Automobilbranche der Industriezweig mit den

höchsten Ausgaben für F&E in Deutschland [5].

Dieser Innovationsdrang findet sich auch in den formulierten Strategien der

Autobauer wieder. Sowohl BMW als auch Porsche betrachten die F&E als ihre

Kernkompetenz. Volkswagen wählt seine Lieferanten nach deren

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Innovationsfähigkeit aus [6]. Eine starke Ausrichtung auf Innovationstätigkeiten lässt

vermuten, dass die Hersteller versuchen, jede mögliche Kooperation, insbesondere

mit Kunden, zu nutzen. Im Rahmen von Open Innovation findet Kundenintegration

in sehr frühen Phasen des Innovationsprozesses statt, während die Unsicherheiten

für die Unternehmen noch sehr groß ist [7]. Dies bietet produzierenden

Unternehmen die Möglichkeit, die für den Produktentwicklungsprozess nötigen

Bedürfnis- und Lösungsinformationen direkt vom Kunden zu erlangen [3]. Open

Innovation basiert auf verschiedenen Methoden, die im Folgenden erläutert werden.

Dazu zählen die Integration von Lead Usern, der Einsatz von

Innovationswettbewerben, die Nutzung von Toolkits und die Analyse von

Communities. Eine Interaktion mit dem Kunden erfolgt dabei überwiegend virtuell.

Einflussfaktoren beider Gestaltung von Open Innovat ion

Bevor diese Instrumente, und ihre Nutzung in der deutschen Automobilindustrie

näher untersucht werden, ist es notwendig zu prüfen, von welchen Faktoren im

unternehmerischen Umfeld die erfolgreiche Anwendung dieser Instrumente

abhängt.

Für deren Bestimmung ist die Anwendung einer direkten Einflussmatrix sinnvoll,

welche unter anderem in der Szenario-Technik genutzt wird [8]. Bei der direkten

Einflussmatrix werden zu Beginn Einflussbereiche definiert, welche ein Themenfeld

charakterisieren und im Anschluss Einflussfaktoren für die einzelnen Bereiche

ermittelt. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Faktoren werden bewertet, was

mittels Dynamik-Index erfolgt. Die Abhängigkeiten werden mit Zahlenwerten von 0

(kein Einfluss) bis 3 (sehr starker Einfluss) beurteilt [8]. In Bild 2 wird das

beschriebene Vorgehen verdeutlicht.

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Bild 2: Ermittlung von Schlüsselfaktoren [8]

Für das System Open Innovation wurden insgesamt zehn Einflussbereiche definiert.

Diese sind in Bild 3 durch die in den Klammern stehende Zahlen verdeutlicht.

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Bild 3: Einflussfaktoren und Einflussmatrix

Darunter wurden verschiedene Einflussfaktoren definiert und deren Zusammenhang

bewertet. Daraus ergab sich eine mittels Dynamik-Index taxierte Rangfolge.

Diese macht deutlich, dass neben der naheliegenden Untersuchung der

Anwendung von Open Innovation-Instrumenten, zuerst die Schwerpunkte in den

Wettbewerbsstrategien der Unternehmen als Schlüsselfaktoren betrachtet werden

müssen. Dagegen haben Faktoren die den Bereichen „Technik“ und „Gesellschaft“

zuzuordnen sind einen untergeordneten Einfluss. Dies ist auch schlüssig, da die

Analyse ergab, dass die zuletzt genannten Bereiche zwar durch eine relativ hohe

Aktivsumme, jedoch auch durch eine niedrige Passivsumme gekennzeichnet sind.

Dagegen besitzen Faktoren, wie beispielsweise die Ausrichtung der Unternehmen

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auf "Innovative Produkte", hohe Aktiv- und Passivsummen. Das macht sie zu

Schlüsselfaktoren, wodurch sie wesentlich für eine weitere Betrachtung werden.

Im Folgenden wird überprüft, inwiefern deutsche Autobauer Open Innovation-

Methoden ein- und umsetzen.

Peer User statt Lead User

Eine Form der Kundenintegration ist die Einbindung von Lead Usern (Bild 4).

Bild 4: Problematiken der Lead User Integration in der Automobilbranche i.A.a. [10]

Lead User sind Nutzer, die frühzeitig einen Bedarf an bestimmten Eigenschaften

eines Produktes haben, welche für den Großteil der Kunden erst viel später relevant

werden. Lead User verfügen über Bedürfnisinformationen, die für den Hersteller von

großem Interesse sind [3]. Die Unzufriedenheit mit einem Produkt führt bei diesen

Kunden dazu,dass sie selbst beginnen Lösungen zu entwickeln. Somit erlangen sie

neben den Bedürfnisinformationen auch Lösungsinformationen für Innovationen [7],

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die wiederum für das Unternehmen nützlich sein können. So arbeitete BMW mit

Lead Usern in dem Workshop „BMW on theinternet“ zusammen. Die Fragstellung

war hierbei, wie sich BMW besser im Internet präsentieren kann und wie eine

virtuelle Produktentwicklung gestaltet werden könnte [9].

DAECKE untersuchte die Anwendung von Open Innovation bei BMW, Daimler und

Audi und stellte dabei fest, dass diese Hersteller eine Kundenintegration anstreben.

Sie führte in dem Zusammenhang den Begriff des „peerusers“ ein, welcher in

Workshops Ideen und in Akzeptanztests Prototypen bewerten soll. Einem ähnlichen

Zweck dienen so genannte „Car Clinics“ [10]. Eine echte Kundeneinbindung findet

nach DAECKE jedoch maximal punktuell statt. Ursache dafür dürfte sein, dasssich

die Gewinnung von Lösungsinformationen mithilfe von Lead Usern gerade in der

Automobilindustrie schwierig gestaltet. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen

von mangelnder Fachexpertise bis hin zu dem Problem, dass Kundenwünsche

häufig nicht mit vorhandenen Fahrzeugkomponenten kompatibel sind [10].

In der Einflussanalyse konnte gezeigt werden, dass die Lead User Methode die

anderen Open Innovation-Instrumente beeinflusst, da die Existenz von Lead Usern

häufig die Grundlage bildet oder mit ihnen Lead User identifiziert werden können.

Dementsprechend erschwert ein Anwendungsverzicht die Erfahrungssammlung,

um die anderen Methoden effektiv nutzen zu können.

Innovationswettbewerbe

Ein weiteres Instrument von Open Innovation sind Innovationswettbewerbe. Hierbei

werden ausgewählte Zielgruppen dazu aufgerufen, innerhalb einer vorgegebenen

Zeit, Beiträge zu bestimmten Themenbereichen einzureichen [11]. Ein spezieller

Nutzen von Innovationswettbewerben besteht unter anderem darin, dass sich damit

leicht innovative Kunden identifizieren lassen, die ggf. in Workshops weiter

eingebunden werden können [3].

Als einer der ersten Automobilhersteller nutzte BMW virtuelle

Innovationswettbewerbe (Bild 5). Das Unternehmen versucht dabei sowohl andere

Unternehmen als auch Experten (mit der Virtuellen Innovationsagentur - VIA) und

Privatpersonen einzubinden.

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Bei den Wettbewerben für Privatpersonen ist ein Trend dahingehend festzustellen,

dass die zuletzt veranstalteten Ideenwettbewerbe mehr auf die Gewinnung

grundsätzlicher neuer Ideen im Bereich des Designs abzielten. Auch in den

Untersuchungen von DAECKE wird darauf hingewiesen, dass sich

Ideenwettbewerbe für die Entwicklung von Designkonzepten eignen. Bei

technischen Fragestellungen wird es demnach hingegen schwierig, vorgebrachte

Ideen zu integrieren und umzusetzen [10]. In diesem Zusammenhang ist der

geringe Prozentsatz verwerteter Ideen bei der VIA bemerkenswert, obwohl diese

sich an Unternehmen mit technischer Kompetenz richtet.

Bild 5: Innovationswettbewerbe bei BMW i.A.a. [10,16]

Integration über Virtuelle Communities

In der Praxis hat sich gezeigt, dass Innovationen oft durch das Mitwirken

verschiedener Akteure entstehen. Dementsprechend wäre es konsequent,

Communities zu nutzen, um eine große Anzahl von Personen zu integrieren.

Eine erste Möglichkeit besteht in der Nutzung von Open Source Prinzipien und dem

Aufbau von Open Invention Networks [3].

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Eine weitere Variante sind herstellerinitiierte Communities für Open Innovation (Bild

6). Es kann dabei zwischen der passiven Möglichkeit der Beobachtung als auch

Auswertung existierender Communities und dem aktiven Aufbau eigener

Communities unterschieden werden. Auch die Nutzung fremder Communities ist

denkbar.

Insgesamt ist festzustellen, dass im Automobilbereich viele themenbezogene

Communities existieren. Diese sind oft unabhängig von Herstellern, wie zum

Beispiel der „Smart-Club.de“. Anhand dieser Plattform überprüften HENKEL und

SANDER, wie erfolgversprechend eine Analyse einer Community durch ein

Unternehmen ist. Dabei sollte festgestellt werden, wie viele Beiträge verwertbare

Lösungsvorschläge beinhalten. Das Ergebnis war, dass nur 1,13% der Beiträge für

Unternehmen relevant waren. Dies macht deutlich, dass eine manuelle Analyse

einer Online-Community mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Hierfür

existierenzwar Software-Instrumente, deren Einsatz bisher jedoch nur bedingt

zufrieden stellend war [12].

Bild 6: Virtuelle Communities i.A.a.[3]

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Praktisch angewendet hat die Analyse von Communities BMW für die

"CleanEnergy" Kampagne, bei welcher 180 virtuelle Gemeinschaften analysiert

wurden [13].

Des Weiteren bauen auch die Hersteller selbst Communities für ihre Zwecke auf.

Ein Hersteller nutzte einen moderierten Blog mit dem Thema „Features“. Ein

Moderator leitete die Diskussion und definierte Leitfragen sowie Zielsetzungen. Die

Nutzer konnten ihre Ideen einbringen, welche anschließend zur Diskussion in einem

Blog präsentiert wurden. Auch BMW baute eine eigene Community zum Thema

"ConnectedDrive" auf. Da die Plattform Toolkit-Elemente nutzte, wird diese im

folgenden Abschnitt erläutert.

Insgesamt war diese Plattform, wie auch andere Open Innovation-Projekte von

BMW, unter der Community des „Co-Creation Lab“, angeordnet. Das„Co-Creation

Lab“ hat eine explizite Ausrichtung auf die Ideengewinnung gemeinsam mit dem

Kunden [14]. Diese Community ermöglicht es BMW auf einen Pool von

interessierten Menschen zuzugreifen, mit denen Workshops durchgeführt werden

können oder welche schnell für einen neuen Ideenwettbewerb zu begeistern sind.

Die beschriebenen Beispiele sind jedoch Einzelfälle und kein fester Bestandteil im

Innovationsprozess der Hersteller. Als Begründung hierfür wird angeführt, dass

unter anderem der Betreuungsaufwand den Nutzen übersteigt [10].

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es ein Internet-Start-up, wie Local-

Motors [15], mit einem deutlich geringeren Aufwand als große Hersteller schaffen

kann, wesentliche Elemente der Fahrzeugentwicklung einer Community zu

überlassen. Daher muss hier die Frage gestellt werden, ob die etablierten Hersteller

die nötige Offenheit besitzen, um Open Innovation-Instrumente effektiv zu nutzen.

Toolkits

Toolkitssind Entwicklungsumgebungen, die auf die Ermittlung von

Bedürfnisinformationen abzielen. Eine effektive Umsetzung und Anwendung basiert

auf unterschiedlichen Kriterien (Bild 7). Sie werden vornehmlich im Rahmen von

Innovationswettbewerben eingesetzt und finden selten allein Anwendung. „Die

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einem internetbasierten Ideenwettbewerb zugrunde liegende Interaktionsplattform

stellt prinzipiell ein Online-Toolkit dar." [11] Somit sind sie vielmehr ein Hilfsmittel,

um andere Open Innovation-Instrumente zu unterstützen.

Bild 7: Merkmale von Toolkits i.A.a. [3]

So basiert das "Customer Innovation Lab" bei BMW auf einem Toolkit und auch das

"Audi Virtual Lab" enthält Toolkit-Elemente. Aus diesem ging schlussendlich das in

der Einleitung erwähnte Multi Media Interface hervor (Bild 8).

Insgesamt wird deutlich, dass Automobilhersteller Toolkits als Unterstützung

anderer Open Innovation-Instrumente nutzen und somit den Anwendern einen

festen Handlungsrahmen vorgeben. Jedoch können so nur schwer wirklich neue

Ideen erzeugt werden.

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Bild 8: Beispiele für virtuelle Labore deutscher Hersteller i.A.a. [17]

Fazit

Das Ziel dieses Beitrags war es,zunächst aus der Vielzahl von Einflüssen,die sich

auf die erfolgreiche Anwendung von Open Innovation auswirken, die

Schlüsselfaktoren zu identifizieren. Hierfür wurde eine direkte Einflussmatrix

genutzt.

Dabei zeigte sich,dass neben der Untersuchung der Anwendung der Open

Innovation-Instrumente selbst, die jeweilige wettbewerbsstrategische Ausrichtung

des Unternehmens entscheidend ist.Demgegenüber nimmt die Betrachtung von

gesellschaftlichen Entwicklungen eine deutlich untergeordnete Rolle ein.

Die Untersuchung der Anwendung von Open Innovation-Instrumenten in der

Automobilbranche ergab eine je nach Hersteller mehr oder weniger erfolgreiche

Nutzung dieser Instrumente. Vor allem wurde deutlich, dass eine Anwendung für

technische Fragestellungen den etablierten Automobilunternehmen zumindest

schwierig erscheint und Open Innovation-Instrumente überwiegend bei

Gestaltungsfragen erfolgreich eingesetzt werden.

Berücksichtigt man den Fall Local Motors und ähnlich liegende Fälle in anderen

Branchen, wäre nach Ansicht der Autoren eine zukünftige Beschränkung der

Anwendung von Open Innovation auf reine Designfragen eine vergebene Chance.

Literaturverzeichnis

1 Redlich, T.; Wulfsberg, J.P.: Wertschöpfung in der Bottom-up-Ökonomie. Springer, Berlin 2011

2 Reichwald, R.; Höfer, C.; Wechselbaumer, J.: Controlling Anwendungen,

Schäffer-Poeschel-Verlag, Stuttgart 1996

3 Reichwald, R.; Piller, F.: Interaktive Wertschöpfung, 2. Aufl., Gabler Verlag, Wiesbaden 2009

4 Ernst, H.; Soll, J.H.; Spann, M.: Möglichkeiten der Lead-User Identifikation in Online-Medien, in: Herstatt, C.; Sander, J.G. (Hrsg.): Produktentwicklung mit virtuellen Communities,

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Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb 106 (2011) 9, S. 647-652

Gabler Verlag, Wiesbaden 2004

5 Vgl. http://www.wiwo.de/unternehmen-maerkte/autobauer-geben-mehr-geld-fuer-forschung- aus-417928/ (zuletzt aufgerufen 15.07.2011) 6 Arnold, B.: Strategische Lieferantenintegration, Deutscher-Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2004 7 Soll, J. H.: Ideengenerierung mit Konsumenten im Internet, in: Albers, S.; Brockhoff, K.; Ernst, H.; Gemünden, H. G.; Hauschildt, J.; Teichert, T. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre für Technologie und Innovation, Band 55, VS Verlag, Wiesbaden 2006 8 Gausemeier, J; Fink, A.; Schlake, O.: Szenario-Management, 2. Aufl., München,

Hanser Verlag 1996

9 https://www.bmwgroup-cocreationlab.com/cocreation/project/bmw-on-the-internet(zuletzt aufgerufen 15.07.2011)

10 Daecke, J.: Nutzung virtueller Welten zur Kundenintegration in die Neuproduktentwicklung, Gabler Verlag, Wiesbaden 2009

11 Walcher, D.: Der Ideenwettbewerb als Methode der aktiven Kundenintegration,

Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2007

12 Henkel, J.; Sander, J. G.: Identifikation innovativer Nutzer in virtuellen Communities, in: Herstatt, C.; Sander, J. G. (Hrsg.): Produktentwicklung mit virtuellen Communities,

Gabler Verlag, Wiesbaden 2004

13 https://www.bmwgroup-cocreationlab.com/cocreation/project/clean-energy-comunity- Monitoring(zuletzt aufgerufen 15.07.2011)

14 https://www.bmwgroup-cocreationlab.com/about(zuletzt aufgerufen 15.07.2011)

15 www.local-motors.com (zuletzt aufgerufen 15.07.2011)

16 www.bmwgroup.com

17 www.community-of-knowledge.de (zuletzt aufgerufen 15.07.2011)