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Chir.-akad. Klinik Dfisseldorf. (Prof. E. Rehn.) Operation am iiberlebenden Siiugerf tus. Von Ernst Bors. Eingegangen: 12. 3. 27. Operationen am fiberlebenden FStus haben sich his vor kurzem auf Nicht-S~uger beschr~nkt and nur theoretisch-biologisches In- teresse gehabt. Der S~ugetierfStus wurde hSchstens in Vivisek- tionen den Beobaehtungen ausgesetzt, da die Ansicht vertreten war, da~ eine intrauterine und intraamniale Operation am S~uger stets dutch Abortus fehlsehlagen miisse. Die Operation am fiber- lebenden S~ugetierfStt~s hat sich aber als mSglich erwiesen and durch den Ausbau der Methodik ist ein normaler Wurf mit nach- folgendem A_ufziehen der Jungen erzielt wordenl). Neben dem Interesse, das d~ese Methode fiir die fibrigen biolo- g~schen Wissenszweige bietet, tritt sie auch in den Forschungskreis der Chirurgie. Denn es ist jetzt mSglieh Fragestellungen, wie etwa tier Teratogenese, freien Organverpflanzung, fStalen Entziindtmg -- unter anderem der Peritonitis --, amniotischen A_bschnfi- rungen, Tumorbfldung aus Versprengung embryonalen Gewebes, Chorionepitheliom u. a. m., experimentell n~her zu treten. Waren bisher ffir die Entstehungsursaehen pathologischer, im FStalleben erworbener Zust~nde, nur theoretische ~)berlegungen vorhanden, so ist es uns heute mit der Methodik freigegeben, die bestehenden Theorien im Versuehe auf ihre Bereehtiguag zu prfifen. Einen Beitrag hierzu liefern bereits unsere ersten AbschnfirungsversUche, welche gezeigt haben, da~ jene Theorie zu Reeht besteht, welche als eine ~er Ents,tehtmgsursachen tier Entwieklungshemmung die Abschn~rung ansieht. Die Methodik, die msich aus der Anatomie tier Organe ergibt, ist folgende (Kaninehen): 1) E. Bors, Die Methodik der intrauterinen Operation am fiberlebenden S~ugetierfStus. Arch. f. Entwicklungsmech. 1925, 105, H. 3.

Operation am überlebenden SÄugerfötus

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Page 1: Operation am überlebenden SÄugerfötus

Chir.-akad. Klinik Dfisseldorf. (Prof. E. Rehn.)

Operation am iiberlebenden Siiugerf tus. Von

E r n s t B o r s .

Eingegangen: 12. 3. 27.

Operationen am fiberlebenden FStus haben sich his vor kurzem auf Nicht-S~uger beschr~nkt and nur theoretisch-biologisches In- teresse gehabt. Der S~ugetierfStus wurde hSchstens in Vivisek- tionen den Beobaehtungen ausgesetzt, da die Ansicht vertreten war, da~ eine intrauterine und intraamniale Operation am S~uger stets dutch Abortus fehlsehlagen miisse. Die Operation am fiber- lebenden S~ugetierfStt~s hat sich aber als mSglich erwiesen and durch den Ausbau der Methodik ist ein normaler Wurf mit nach- folgendem A_ufziehen der Jungen erzielt wordenl).

Neben dem Interesse, das d~ese Methode fiir die fibrigen biolo- g~schen Wissenszweige bietet, tritt sie auch in den Forschungskreis der Chirurgie. Denn es ist jetzt mSglieh Fragestellungen, wie etwa tier Teratogenese, freien Organverpflanzung, fStalen Entziindtmg - - unter anderem der Peritonitis - - , amniotischen A_bschnfi- rungen, Tumorbfldung aus Versprengung embryonalen Gewebes, Chorionepitheliom u. a. m., experimentell n~her zu treten. Waren bisher ffir die Entstehungsursaehen pathologischer, im FStalleben erworbener Zust~nde, nur theoretische ~)berlegungen vorhanden, so ist es uns heute mit der Methodik freigegeben, die bestehenden Theorien im Versuehe auf ihre Bereehtiguag zu prfifen. Einen Beitrag hierzu liefern bereits unsere ersten AbschnfirungsversUche, welche gezeigt haben, da~ jene Theorie zu Reeht besteht, welche als eine ~er Ents,tehtmgsursachen tier Entwieklungshemmung die Abschn~rung ansieht.

Die M e t h o d i k , die msich aus der Anatomie tier Organe ergibt, ist folgende (Kaninehen):

1) E. Bors, Die Methodik der intrauterinen Operation am fiberlebenden S~ugetierfStus. Arch. f. Entwicklungsmech. 1925, 105, H. 3.

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670 Ernst Bors:

Tier in Rfickenlage, .(thernarkose. Paramamm~rer Schnitt fiber dem Unterbauch in 6--8 cm Ausdehnung. Durchtrennung der schragen Bauch- muskulatur und Er5ffnung der Bauehh5hle. Vorw~lzen der Geb~rmutter- h5rner. Z~hlung der Fruchtblasen. Einstellung einer ebenm~fig runden, prall geffillten Fruchtblase, Rfickverlagerung der fibrigen in die Leibes- hShle, die mit einer Klemme vorfibergehend verschlossen wird. Mit waxmen Kochsalzkompressen wird die Fruchtblase festgelegt. Durch die Geb~rmutter- wand scheint der helle FStus durch. Will man am Kopfe oder Rumpf der Frucht operieren, so wird die Haut des FStus im Bereiche des Operations- gebietes durch peruterine Naht am Uterus befestigt. Erst dann wird die Er- 5ffnung der Fruchtblase vorgenommen. Wesentlich ist, daft durch die Fixie- rung des FStus eine Art Ventilversehluf bewirkt und der Abfluf des Frueht- wassers vermieden wird. Auch die Luxierung der Frucht vor die Uterus- wunde wird auf diese Weise verhindert (Reposition der luxierten Frucht ist wegen der unmittelbaren Kontraktion der Uterusmuskulatur unmSglich). Will man an ether Extremit~t operieren, so wird die Uteruswand mit feiner dreh- runder ~adel durchstochen, der Faden unter der Extremitiit durchgeffihrt und auf der Uteruswand geknfipft. Um die Extremit~t zu entwickeln, legt man eine seromuskul~re Tabaksbeutelnaht durch die Uteruswand, die in Nahtkreismitte erSffnet wird; die Dottersackgef~fe sind beiseite zu sehieben oder zu unterbinden, da ihre Verletzung Tod der Frucht durch Verblutung zur Folge hat. Hierauf l~ft sich die Extremit~t mit einem Irisspatel luxie- ren. Naeh vollendetem Eingriff wird die Extremitgt versenkt und die Uterus- wunde dureh Knfipfen der Tabaksbeutelnaht verschlossen. Rfickverlagerung der Fruchtblase. Verschluf der Bauehwunde in drei Schichten. - - Ffir die Untersuchung sind Kaninehenembryonen yore 21. T. aufwgrts geeignet, welche - - bet einer Tragzeit von 28---31 T. - - 7--9 T. bis zum Wurfe fiberleben kSnnen.

Die M e t h o d i k am H u n d e is t yon der am K a n i n c h e n

in so fe rn verschieden , ~ls es sich um andere P lazen ta t ionsverh~ t l t -

nisse handel t .

Wiihrend dan Kaninehen eine Scheibenplacenta mit mesometraler Haft- stelle aufweist, besitzt der Hund eine Gfirtelplaeenta, welche ringfSrmig die Mitte der langgestreckten Fruchtblase einnimmt. Die Er5ffnung der Frucht- blase mug im extraplazentaren Gebiet erfolgen. Die T e e h n i k gestaltet stch folgendermai~en :

Tier in Rtickenlage. Morphin-Xthernarkose. Paramammiirer, pararektaler Schnitt fiber dem Unterbauch yon ungefiihr 12--15 em Lgnge. Vorlagerung und Zahlung der eifSrmigen Fruchtblasen. Einstellung einer grofen, eben- mhfig runden, prall gespanntell Blase wie beim Kaninehen. tm /i_quator der Fruehtblase ist die Placenta durch eine dunkelgefiirbte Partie gekenn- zeichnet. Zu beiden Seiten verlaufen in der Riehtung des Gebgrmutterhornes dieke Venen, welche ihre Verbindungen fiber den ganzen Uterus entsenden. Ein gefiifarmes Gebiet der Kuppe - - wie beim Kaninchen - - besteht nieht. Die ErSffnung der Fruchtblase wird an deren ovarialem oder vaginalem Pol fiber dem gewfinsehten, tastbaren FStalteil vorgenommen. Vorerst werden einander gegenfiberliegende seromuskulare Haltefgden in transversaler Rich- tung gelegt, die gleiehzeitig als Umsteehungen die ErSffnungsstelle ab- steppen. Hierauf transversale Durchtrennung der Uteruswand. Das reich mit Gef~t6en versorgte Chorion wird umstochen und durchtrennt. Abfliefendes

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Fruchtwasser wird zur Reinfusion aufgefangen. Es folgt die vorsichtige, teilweise Vorlagerung der Frucht, welehe die UterusSffnung tamponiert und weiteren AbfluB des Fruchtwassers verhindert. Ein Zusammensinken der Uteruswand durch die Inhaltsverminderung ist nicht zu fiirchten, da die ringfSrmige Placenta als Sttitze dient. Nach vollendeter Op. am FStus wird dieser reponiert. VerschluI~ des Chorions dureh Kniipfen der langgelassenen Umstechungsf/iden. Verschlu~ des Uterus durch Kntipfen der Haltef/iden. VerschluB der Bauchwunde in 3 Schichten.

Die Op. 1/~I~t sich am FOtus 15 T. vor dem Wt~rf leicht aus- fiihren. Aus naheliegenden Griinden ist der Eingriff bei groi~en Muttertieren einfacher als bei kleinen. Tiere, die schon geworfen haben, sind vorzuziehen, well die (individuell verschiedene) Trag- dauer bereits bekannt ist und die FOten grOB.er sind als bei Erst- werfenden.

In letzter Zeit ist auch mit der R a t t e erfolgreieh operiert wordenl). Es ist somit bei drei S/~ugetierarten gelungen, den tiberlebenden FStus zu operieren. Damit ist die Anschauung wider- legt, dab zwangsl/~ufig mit einem intrauterinen Eingriff Tod der Frueht und Abortus verkniipft ist. Mit der angegebenen Metho- dik 5finer sich - - wie eingangs erw/~hnt - - ein neues weites ]?eht experimenteller Forsehung auf den verschiedensten Gebieten der Biologie.

1) Nicolas John Spangler, Notes of the application of experimental methods upon mammalion embryos. Anat. record, Dez. 25, V, 31, No. 4, 384--395. Proceedings of the society for experimental biology and medecine 1926, 111, 436--439. - - D e r s e l b e , Exstirpation experiments upon the embryonic forelimb of the rat.