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MB Yakinton Nr. 269 Kislev 5775, November 2014 Seite Themenheft Orthodoxie Themenheft Orthodoxie Orthodox, Zionist, Jecke Von Dr. Mordechai Friedman Der erste Einwanderer aus Deutschland traf 1830 in Erez Israel ein, gut hundert Jahre vor der Fünften Alija. Es hieß Mosche Sachs und war ein orthodoxer Jude mit einer Vision, die er zu verwirklichen gedachte. Lange vor dem politischen Zionismus, vor den osteuropäischen Vereinigungen der Hovevei Zion, träumte er von einem Land, dessen Einwohner produktiv arbeiteten, und kämpfte gegen die Gewohnheit, die Hand nach der „Chaluka“ auszustrecken, der Verteilung der Spenden aus den Diaspora-Gemeinden. Sachs setzte sich für die Verbindung von religiösen Studien und Allgemeinbildung ein. Er rief die Juden in Erez Israel dazu auf, in Landwirtschaft und Industrie tätig zu werden und sich nicht mit der Wohlfahrt und dem passiven Warten auf den Messias zu begnügen. Motti Friedmann erzählt vom aufgeklärten Orthodoxen, vom Zionisten vor dem Zionismus, vom praktischen Träumer, der etwas schaffen und andere anspornen wollte, vom ersten Einwanderer aus Deutschland. Ein Teil dieser vergessenen Geschichte findet sich im Folgenden, alles Weitere im Buch, das Friedmann zurzeit schreibt. Oft unterschlägt die zionistische Geschichtsschreibung das, was ihr vorausging, und den Anteil des al- ten Jischuw am jüdischen Leben vor dem Zionismus und vor den Verei- nigungen der Hovevei Zion. Ei- ner der Vergessenen ist Mosche Sachs. Die drei absichtlich ana- chronistischen Begriffe im Titel umreißen sein Trachten und Tun im Vokabular von heute. Mosche Sachs traf, wie gesagt, 1830 als erster ein. Der zweite, Josef Schwarz, folgte ihm 1833; der dritte, Elieser Bergmann, kam 1835. Gemeinsam gehörten sie 1837 zu den Mitbegründern der Gemein- schaft Holland und Deutschland. Bevor der 1800 in Thüringen ge- borene Sachs beschloss, sich in Je- rusalem anzusiedeln, absolvierte er eine religiöse Ausbildung an den be- sten Jeschiwen und bei renommierten Rabbinern in Fürth, Prag, Posnan, Nikolsburg und Pecs. Schon auf dem Weg nach Erez Israel, verbrachte er eine gewisse Zeit in Pressburg beim berühmten, hoch orthodoxen Chatam Sofer. Obwohl dieser Aufenthalt re- lativ kurz war, ist der Einfluss des in Jerusalem erhalten wir auf indi- rektem Weg aus den Akten der 1809 von holländischen Juden gegründe- ten Wohltätigkeitsorganisation „Ha- Pikidim we ha-Amercalin“, kurz: Ha-Pikuam. Sie verfolgte den Zweck, die in Westeuropa gesam- melten Spenden für Erez Israel zu koordinieren. Ihr Direktor war der wohlhabende holländische Kaufmann Zwi Hirsch Lehren. Als Einwohner Jerusalems stand auch Mosche Sachs eine Summe aus dieser Kasse zu, doch die Vor- schrift besagte, dazu müsse er einer Gemeinschaft angehören. Lehrens Briefen ist zu entnehmen, dass er sich bei wichtigen westeuropäischen Rabbinern für Sachs einsetzte. Aus dieser Quelle erfahren wir ebenfalls, dass Sachs 1832 Rachel, die Tochter eines sehr wohlhabenden Jerusale- mers, heiratete. Sachs selbst war allerdings ge- gen die Spendenverteilung und kri- tisierte die Berechtigungskriterien, so in Briefen an die ihm bekannten europäischen Rabbiner. Das wissen wir ebenfalls aus den Akten der Pi- kuam, wo Lehren den Verdacht äu- Chatam Sofer auf den weiteren Le- benslauf von Sachs deutlich zu erken- nen, zum Beispiel in dem Wunsch, religiöse und allgemein bildende Stu- dien zu verknüpfen, im Ansporn zur Produktivität und in der Ablehnung der Abhängigkeit von Spenden. Informationen über sein Leben Rabbiner Mosche Sachs

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Themenheft OrthodoxieThemenheft Orthodoxie

Orthodox, Zionist, JeckeVon Dr. Mordechai Friedman

Der erste Einwanderer aus Deutschland traf 1830 in Erez Israel ein, gut hundert Jahre vor der Fünften Alija. Es hieß Mosche Sachs und war ein orthodoxer Jude mit einer Vision, die er zu verwirklichen gedachte. Lange vor dem politischen Zionismus, vor den osteuropäischen Vereinigungen der Hovevei Zion, träumte er von einem Land, dessen Einwohner produktiv arbeiteten, und kämpfte gegen die Gewohnheit, die Hand nach der „Chaluka“ auszustrecken, der Verteilung der Spenden aus den Diaspora-Gemeinden. Sachs setzte sich für die Verbindung von religiösen Studien und Allgemeinbildung ein. Er rief die Juden in Erez Israel dazu auf, in Landwirtschaft und Industrie tätig zu werden und sich nicht mit der Wohlfahrt und dem passiven Warten auf den Messias zu begnügen. Motti Friedmann erzählt vom aufgeklärten Orthodoxen, vom Zionisten vor dem Zionismus, vom praktischen Träumer, der etwas schaffen und andere anspornen wollte, vom ersten Einwanderer aus Deutschland. Ein Teil dieser vergessenen Geschichte findet

sich im Folgenden, alles Weitere im Buch, das Friedmann zurzeit schreibt.

Oft unterschlägt die zionistische Geschichtsschreibung das, was ihr vorausging, und den Anteil des al-ten Jischuw am jüdischen Leben vor dem Zionismus und vor den Verei-nigungen der Hovevei Zion. Ei-ner der Vergessenen ist Mosche Sachs. Die drei absichtlich ana-chronistischen Begriffe im Titel umreißen sein Trachten und Tun im Vokabular von heute.

Mosche Sachs traf, wie gesagt, 1830 als erster ein. Der zweite, Josef Schwarz, folgte ihm 1833; der dritte, Elieser Bergmann, kam 1835. Gemeinsam gehörten sie 1837 zu den Mitbegründern der Gemein-schaft Holland und Deutschland.

Bevor der 1800 in Thüringen ge-borene Sachs beschloss, sich in Je-rusalem anzusiedeln, absolvierte er eine religiöse Ausbildung an den be-sten Jeschiwen und bei renommierten Rabbinern in Fürth, Prag, Posnan, Nikolsburg und Pecs. Schon auf dem Weg nach Erez Israel, verbrachte er eine gewisse Zeit in Pressburg beim berühmten, hoch orthodoxen Chatam Sofer. Obwohl dieser Aufenthalt re-lativ kurz war, ist der Einfluss des

in Jerusalem erhalten wir auf indi-rektem Weg aus den Akten der 1809 von holländischen Juden gegründe-ten Wohltätigkeitsorganisation „Ha-Pikidim we ha-Amercalin“, kurz: Ha-Pikuam. Sie verfolgte den Zweck, die in Westeuropa gesam-melten Spenden für Erez Israel zu koordinieren. Ihr Direktor war der wohlhabende holländische Kaufmann Zwi Hirsch Lehren. Als Einwohner Jerusalems stand auch Mosche Sachs eine Summe aus dieser Kasse zu, doch die Vor-

schrift besagte, dazu müsse er einer Gemeinschaft angehören. Lehrens Briefen ist zu entnehmen, dass er sich bei wichtigen westeuropäischen Rabbinern für Sachs einsetzte. Aus dieser Quelle erfahren wir ebenfalls, dass Sachs 1832 Rachel, die Tochter eines sehr wohlhabenden Jerusale-mers, heiratete.

Sachs selbst war allerdings ge-gen die Spendenverteilung und kri-tisierte die Berechtigungskriterien, so in Briefen an die ihm bekannten europäischen Rabbiner. Das wissen wir ebenfalls aus den Akten der Pi-kuam, wo Lehren den Verdacht äu-

Chatam Sofer auf den weiteren Le-benslauf von Sachs deutlich zu erken-nen, zum Beispiel in dem Wunsch, religiöse und allgemein bildende Stu-dien zu verknüpfen, im Ansporn zur Produktivität und in der Ablehnung der Abhängigkeit von Spenden.

Informationen über sein Leben

Rabbiner Mosche Sachs

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תורה עם דרך ארץ תורה עם דרך ארץ

»ßerte, dass Sachs‘ kritische Bemer-kungen das Spendenaufkommen reduzieren könnte.

Sachs behauptete, die Abhängig-keit von der Wohltätigkeit der Dia-sporajuden sei unwürdig. Außerdem sah er, dass die Gelder nicht unbe-dingt an diejenigen ausgezahlt wur-den, die ihrer am meisten bedurften. Daneben meinte er, die Verteilung der Kollekte dürfe nicht gleichmä-ßig an alle Einwanderer aus allen Ländern erfolgen, vielmehr müssten die aus Holland und Deutschland Kommenden mehr erhalten.

Lehren, der Direktor der Pikuam schrieb an die sephardischen Rabbi-ner Jerusalems, und aus seinem Brief erfahren wir etwas über die Absich-ten von Sachs: „Er beklagt sich dar-über, dass die Juden hier im Land Müßiggänger seien, weder studieren noch Handel treiben, sondern untä-tig herumlungern. Weiter regt er sich darüber auf, dass keiner sich bemüht, Sprachen zu lernen, sondern lange nach einem Übersetzer sucht, wenn er einen Brief in einer fremden Spra-che erhält. Er spricht unseren größten Gelehrten die Größe ab und beklagt sich im Besonderen über die polni-schen Rabbiner. Die Verteilungskrite-rien seien schlecht, behauptet er; die Leute der Vereinigung ‚Holland und Deutschland‘ bekämen höchstens zwanzig Prozent von den Spenden aus ihren Ländern, die anderen Ge-meinschaften dagegen gäben jenen niemals etwas von den Einkünften aus ihren Ländern ab.“ Im weiteren Verlauf deutet der Brief an, es müsse den Leuten in Erez Israel sehr daran gelegen sein, dass sich üble Nachrede dieser Art nicht verbreite.

1835 trat Sachs seine erste Eu-ropareise an. Als offiziellen Grund nannte er die Suche nach seinem Schwiegervater, der nach Tunis ent-sandt worden war. In einem Brief aus

Triest an die Pikuam erklärte er, er wolle Geld für die Errichtung einer Jeschiwa sammeln, in Wirklichkeit aber suchte er nach Wegen, die Pro-duktivität in Erez Israel zu fördern. Er erreichte Tunis und begegnete in Susa dem Landschaftsarchitekten und Reiseschriftsteller Fürst Pückler-Muskau, der über dieses Treffen in seinem Buch „Semilasso in Afrika“ wie folgt berichtet: „Während meines Aufenthalts in Susa erhielt ich eines Morgens den Besuch eines deutschen Rabbiners und Talmisten, wie er sich nannte, aus Jerusalem. Er war einer der schönsten Männer, der sich, weit reinlicher als gewöhnlich seinesglei-chen gekleidet, in seinem violetten Talar, dem schönen brauen Bart und den langen Locken, die unter dem Turban auf sein weißes Gesicht her-abfielen, vortrefflich ausnahm.“

Sachs erbat sich von Pückler-Muskau ein Empfehlungsschreiben an den Wiener Baron Rothschild. Dieses Schreiben erschien im Er-zählungsband Ein dunkles Loos von Ludwig Bechstein:

Susa, den 10. Juli 1835Hochwohlgeborner Herr Baron!Von Algier schrieb ich an Ew.

Hochwohlgeboren für einen Mann Ihrer Nation in weltlicher Hinsicht, heute nehme ich mir die Freiheit, Ih-nen den Rabbiner und Talmudisten aus Jerusalem, Moritz S., für einen geistigen und höchst menschen-

freundlichen Zweck zu empfehlen. Nicht Geld, nur Unterstützung durch den hohen Einfluß Ihrer mächtigen Familie wünscht er, um in Jerusalem eine Bildungsanstalt für die so ver-wahrlosten Israelitenkinder und auch Erwachsene dieser Art zu gründen – ein edler Zweck, den Sie gewiß, wie den schönen Eifer würdigen werden, mit dem dieser Rabbiner sich zu sei-ner Inswerksetzung großen Opfern und Fatiguen unterzieht. …

Aufgrund der Begegnung mit dem nicht-jüdischen Fürsten Pück-ler gewann Sachs an Ansehen unter den Juden. Bei den europäischen Regierungen wurde er als Jude aus dem Jischuw bekannt. Das Empfeh-lungsschreiben öffnete ihm die Tür des Wiener Barons Rothschild, der sich gemeinsam mit weiteren wohl-habenden Wienern verpflichtete, eine landwirtschaftliche Ansiedlung in Erez Israel unter der Schirmherr-schaft des österreichischen Reiches zu finanzieren, ein Vorhaben, das dem Versuch Österreichs, im otto-manischen Palästina Fuß zu fassen, entgegenkam. Leider verlief diese Initiative letzten Endes im Sand.

Für die nächsten zwei Jahre begab sich Sachs auf eine Überzeugungs-kampagne: Er bereiste ganz Europa, um die Idee der landwirtschaftlichen Ansiedlung in Erez Israel zu propa-gieren. Bei der Pikuam war man über diese Eigeninitiative wütend. Die Or-ganisation, und Lehren an ihrer Spit-ze, vertrat die Ansicht, in Erez Israel müsse man Thora lehren und lernen, alles andere sei eine Abweichung vom Weg der Erlösung und dem Kommen des Messias. Es war ausgerechnet dieser Widerstand, der die Aufmerk-samkeit der europäischen - jüdischen und nicht-jüdischen - Öffentlichkeit auf sich zog. Ende 1836 warnte Leh-ren den Oberrabbiner von London, Solomon Hirschell, vor Sachs: „Ich

Grabstein des Rabbiners Mosche Sachs

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halte es nicht für unwahrscheinlich, dass er sich dort (in London) mit einer Gruppe von Abtrünnigen zusammen-tun wird. Lasst ihn zur Hölle fahren, aber lasst ihn nicht in unser Heiliges Land zurückkehren.“ Der Konflikt mit Lehren spitzte sich derart zu, dass Lehren in den Verdacht geriet, dafür gesorgt zu haben, dass Sachs wegen ‚gefährlicher Herumtreiberei‘ ver-haftet und aus Frankfurt und Kassel ausgewiesen wurde.

1838 hielt Sachs sich in München auf und studierte dort während eines Sommersemesters Medizin. Am Se-mesterende würdigte das „Neue Ta-geblatt für München“ den ‚Rabbiner Mosche Sachs aus Jerusalem‘ mit einem langen, begeisterten Artikel: „Hier angekommen im März d. J. war er vom frühen Morgen bis spät in die Nacht mit ausdauerndem Fleiße und unbegreiflicher Beharrlichkeit be-müht Kenntnisse in der Arzneikunde, Geburtshilfe, Astronomie, Anato-mie, Pharmazie, Naturwissenschaft, Botanik, Chemie, Mathematik und in mehreren andern Fächern, als des Impfens, Singens und vorzüglich der Ökonomie sich aufs Gründlichste an-zueignen; so ward er der Liebling der Heroen unserer L.-M.-Universität!“

Zurück im Land, hoffte Sachs eine Gruppe zusammenstellen zu können, die bereit war, sich mit der Landwirtschaft zu beschäftigen, doch, wie die Zeitschrift Maggid schieb: „… fand er in Jerusalem nicht einen einzigen Menschen, der Lust auf Feldarbeit verspürte.“ Und das war nicht verwunderlich, hatten doch die Wächter über die Zuteilung,

ebenfalls im Maggid, verkündet: „Jeder, ob Mann oder Frau, der sich mit dem Gedanken trägt, im Heiligen Land der Feldarbeit nachzugehen, verliert jede Unterstützung und wird keinen Pfennig mehr aus den Spen-den der Wohltäter erhalten.“

Das folgende Jahrzehnt widmete Sachs dem Thorastudium, doch der Wunsch, die Produktivität anzutrei-ben, ließ ihm keine Ruhe. 1851 fand er einen neuen Weg zur Verbreitung seiner Ideen: die Presse. Sachs, der im Jischuw als europäischer Moder-nisierer galt und in Europa als ver-trauenswürdiger Erez Israeli bekannt war, betätigte sich als Journalist. In diesem Lebensabschnitt mauserte er sich ganz allmählich vom Objekt der Berichterstattung zum Berichterstat-ter. Er schrieb für jüdische Zeitungen in aller Welt: Für die Allgemeine Zei-tung des Judenthums und Die Israe-litische auf Deutsch; für den Jewish Chronicle in England, die Archives Israelites in Frankreich und The Oc-cident in den USA.

In Zusammenarbeit mit dem ame-rikanischen Konsul Varder Carson und anderen gründete Sachs 1854 die Orthodoxe Gesellschaft zum Aufbau einer landwirtschaftlichen Stiftung in Erez Israel. Einflussrei-che Chefredakteure in Amerika und Europa berichteten über diese Grün-dung und ihre Absichten, doch die Pikuam erwies sich als stärker. Die neue Gesellschaft musste ihre Akti-vitäten einstellen.

Die Wohnungsnot in der Heiligen Stadt, die viele Einwanderer anzog, wuchs mit der Zunahme der Pilger-reisen. Die arabischen Hausbesitzer vermieteten lieber kurzfristig an die frommen Besucher, denn das brachte mehr ein als die Jahresmiete eines jü-dischen Einwanderers. Im Verein mit anderen Führungspersönlichkeiten der Gemeinschaft Holland Deutsch-

land initiierte Sachs den Bau von So-zialunterkünften. Elieser Liepmann, der Chefredakteur des Maggid, be-richtete darüber auf der Titelseite der Ausgabe vom 23. März 1859: „Un-erträglich geworden ist das Leid der Bedrückten, die mit ihren Frauen und Kindern in Sandkulen, auf Misthau-fen und unter freiem Himmel lagern müssen. Nun aber haben sich ehren-werte Männer erhoben, um Abhilfe zu schaffen. Werden sich unter un-seren wohltätigen Brüdern im Aus-land nicht auch solche finden, die ein Grundstück erwerben, um darauf Un-terkünfte für die Armen zu errichten? Schon ist damit begonnen worden. Möge Gott das gute Werk segnen.“

1860 begab Sachs sich auf eine fast fünf Jahre dauernde Europarei-se. Er besuchte jüdische Gemeinden und rief dort Komitees ins Leben, die sich zur laufenden Unterstützung der Sozialunterkünfte verpflichteten. Seine Reiseeindrücke hielt er in den unterwegs geschriebenen Artikeln fest. Sie werfen ein Licht auf sei-ne Persönlichkeit wie auch auf den Charakter der von ihm besuchten Gemeinden West- und Osteuropas. Er zeigt zudem auf, welche Verän-derungen sich in den zwanzig Jahren seiner Abwesenheit in Europa voll-zogen hatten. Modernisation und Landflucht waren unverkennbar.

In den 1860-ern berichtet Sachs weiterhin aus dem Heiligen Land, so über eine Typhusepidemie und eine Hungersnot, über den Besuch des Bankiers und Philanthropen Sir Moses Montefiori und anderer Per-sönlichkeiten.

Mosche Sachs starb am 5. Juli 1870 in Jerusalem.

Ein besonderer Dank geht an Richter Christoph Gann und seine Familie aus Meiningen für den wichtigen Beitrag zur Erforschung der Lebensgeschichte von Mosche Sachs.

Dr. Friedmann würde sich über Hilfe bei der Erforschung des Lebens von Mosche Sachs freuen. Es geht darum, Texte aus dem Deutschen (auch in goti-scher Schrift) zu lesen und zu überset-zen. Interessierte wenden sich bitte an: [email protected]

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