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Ottonische Neuanfänge SYMPOSION ZUR AUSSTELLUNG "OTTO DER GROSSE, MAGDEBURG UND EUROPA" Herausgegeben von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter VERLAG PHILIPP VON ZABERN . MAINZ AM RHEIN on; / 's: 0

Ottonische Neuanfänge - MGH-Bibliothek · 2012. 12. 12. · Ottonische Neuanfänge SYMPOSION ZUR AUSSTELLUNG "OTTO DER GROSSE, MAGDEBURG UND EUROPA" Herausgegeben von Bernd Schneidmüller

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  • Ottonische NeuanfängeSYMPOSION ZUR AUSSTELLUNG

    "OTTO DER GROSSE,MAGDEBURG UND EUROPA"

    Herausgegeben von

    Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter

    VERLAG PHILIPP VON ZABERN . MAINZ AM RHEIN

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  • Ernst-Dieter Hehl

    KAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER

    OTTOS I.

    Nach seinem vierten Italienzug, der ihm in Rom die Kaiserkrönung durch PapstLeo III. gebracht hatte, ist Karl der Große nie mehr nach Italien gezogen. SeinSohn und Nachfolger Ludwig der Fromme, von ihm selbst in Aachen zum Kai-ser erhoben und dann nochmals von Papst Stephan IV. in Reims gekrönt, hat sichals Kaiser niemals nach Italien begeben. Otto I.hingegen, der erste Kaiser ausdem jungen ostfränkisch-deutschen Herrscherhaus, hat sich in den Lebensjah-ren, die ihm nach seiner Kaiserkrönung durch Papst Johannes XII. am 2. Februar962 verblieben, überwiegend in Italien aufgehalten. Von den elf Jahren bis zuseinem Tod am 7. Mai 973 ist er nur vom Januar 965 bis zum Herbst 9661 unddann seit August 972 in dem nordalpinen Teil seines Imperiums gewesen/.

    Auch im Vergleich zu seinem Sohn Otto n. und seinem Enkel Ono Ill. istOtto der Große derjenige Herrscher, der sich alsKaiser am längsten in Italien auf-gehalten hat. Von dort aus hat er seine Politik in zentralen Bereichen gestaltet.Denn während seiner Italienaufenthalte hat sich der neue Kaiser um die Ver-wirklichung lang gehegter Pläne bemüht. Sie betrafen die Gründung desErzbistums Magdeburg und damit die kirchliche Struktur seines nordalpinenReiches überhaupt. Unmittelbar nach seiner Kaiserkrönung hat Otto bei PapstJohannes XII. eine erste Gründungsurkunde erwirkt, gelungen ist ihm die Grün-dung während seines letzten Italienzuges. Auf der Synode von Ravenna im April967 stellte Papst Johannes XIII. eine neue Gründungsurkunde aus, eineinhalb

    I JOHANNFRIEDRICHBÖHMER,Regesta Imperii. 11. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Herrschernaus dem sächsischen Hause 919-1024. 1.Abt.: Heinrich I. und Otro I., neu bearbeitet von EMILVONOTTENTHAL,Innsbruck 1893, Nr. 368 a-c, zum erneuten Aufbruch nach Italien Nr. 431 a (Hoftagzu Worms: 15. August 966). Generell zur Präsenz der deutschen Könige und Kaiser in Rom GERDTELLENBACH,Kaiser, Rom und Renovatio. Ein Beitrag zu einem großen Thema, in: Tradition als histo-rische Kraft. Interdisziplinäre Forschungen zur Geschichte des früheren Mittelalters, hg. von NOR-BERTKAMpJJOACHIMWOLLASCH,Berlin 1982, S. 231-253, hier S. 232 und S. 234 ff., S. 250 (Ta-belle).

    2 Zum Verlassen Italiens vgl. BÖHMERJOTTENTHAL(wie Anm. 1), Nr. 549 a.

  • 214 ERNST-DIETER HEHL

    Jahre später wurden auf einer weiteren Ravennater Versammlung die letzten Hin-dernisse beseitigt, die der Errichtung des neuen Erzbistums und seiner Kirchen-provinz entgegenstanden. Den formalen Abschluß dieses Gründungsprozessesbrachte das Palliumsprivileg Johannes' XIII. für den neuen Magdeburger Erz-bischof Adalbert und dessen Beauftragung mit der Organisation seiner Kirchen-provinz sowie die Aufforderung des Kaisers an die sächsischen Großen, an derInthronisation Adalberts in dessen Metropole teilzunehmen und ihm ihreUnterstützung zukommen zu lassen",

    All diese Maßnahmen zur Errichtung des Erzbistums traf Otto der Große fernvon dem Ort, dem sie galten: in Italien und in engem Zusammenwirken mit denjeweiligen römischen Bischöfen. Die unter vielen Mühen errichtete erzbischöf-liche Metropole hat er erstmals im Frühjahr 973, viereinhalb Jahre nach ihrerGründung, aufgesucht". Organisation der kirchlichen Strukturen des nordalpinenReiches aus der Ferne, aus Italien und Rom, ist auch ein Kennzeichen der Kir-chenpolitik seiner Nachfolger. Otto 11.hat 981 in Italien die Auflösung des Mag-deburger Suffraganbistums Merseburg gebilligt und gefördert, Otto Ill. von Italienaus dessenWiederherstellung betrieben. Heinrich n., der diese dann 1004 durch-setzen konnte, agierte vor Ort: In Merseburg selbst und indirekt in Magdeburgerfolgten seine entscheidenden Maßnahmens. Rorn-, Italien- und Papstbezugerscheinen gerade bei Problemen der Kirchenpolitik als ein besonderes Kenn-zeichen der drei ersten Kaiser des liudolfingisch-ottonischen Hauses. Otto derGroße stand hier nicht im geringsten hinter seinen beiden gleichnamigen Nach-folgern zurück, bei denen der Rombezug durch die Erweiterung des Kaisertitelszu imperator Romanorum unter Otto 11.6und das Schlagwort von der Renovatioimperii Romanorum unter Otto Ill. evident ist - gerade die unterschiedlichenMeinungen zu Ottos Ill. Position/ lassen sich vielleicht klären, wenn der Aus-

    3 Vgl. zusammenfassend DIETRICH CLAUDE,Geschichte des Erzbistums Magdcburg bis in das 12. Jahr-hundert. Teill: Die Geschichte der Erzbischöfe bis aufRuotger (1124) (Mitteldeutsche Forschungen67/1), Köln 1972, S. 78 fr.; siehe unten bei Anm. 62 fT.

    4 BÖHMERlOTTENTHAL(wie Anm. 1), Nr. 560 a.S Vgl. ERNST-DIETERHEHL, Merseburg - eine Bistumsgründung unter Vorbehalt. Gelübde, Kirchen-recht und politischer Spielraum im 10. Jahrhundert, in: Frühmittelalterliche Studien 31,1997,S.96-119.

    6 Zu Italienpolitik und -aufenthalten Ottos des Großen und Orros II. vg!. DIRK ALVERMANN,Königs-herrschaft und Reichsintegration. Eine Untersuchung zur politischen Struktur von regna und imperiumzur Zeit Kaiser Otros II. (967) 973-983 (Berliner Historische Studien 28), Berlin 1998, bes. S. 281 fT.;siehe auch in diesem Band den Beitrag von HUBERTUSSEIBERT.

    7 Vg!. z. B. die entgegengesetzten Urteile in den beiden letzten biographischen Darstellungen: GERDALTHOFF,Otto Ill., Darmstadt 1996, S. 114 fT.; EKKEHARDEICKHOFF,Kaiser Otto Ill. Die erste Jahr-tausendwende und die Entfaltung Europas, Stuttgart 1999, S. 203 fT., S. 314 fT. Ausgelöst hat die er-neute Diskussion KNuT GÖRICH, Otto Ill. Romanus Saxonicus et Iralicus, Kaiserliche Rompolitikund sächsische Historiographie (Historische Forschungen 18), Sigmaringen 1993.

  • IKAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER OTTOS I. 215

    gangspunkt der Entwicklung unter Otto dem Großen genauer bestimmt werdenkann.

    Die Frage wird so dringlich, zu welchem Zeitpunkt Otto der Große erstmalsKontakt mit Rom und dessen Bischof, dem Papst also, aufgenommen und ge-sucht hat. Nicht zuletzt eine Äußerung Widukinds zu den letzten Plänen vonOttos Vater Heinrich I. legt sie nahe. Denn Widukind erzählt, Heinrich habenach Rom ziehen wollen, seine Erkrankung, die ihm den Tod bringen sollte, habeihn daran gehindert. Was hinter diesem Vorhaben steht, sagt Widukind nicht.Aber er läßt einen kaiserbezogenen Kontext anklingen, indem er unmittelbardavor die Taufe eines Dänenfürsten meldet und dem König somit die Erfüllungder kaiserlichen Aufgabe der Verbreitung des Christentums attestiert. Gleichzei-tig kann der Plan Heinrichs, nach Rom zu ziehen, auch die fromme Krönungeines Lebenswerkes bedeuten",

    Als politische Andeutung läuft Widukinds Bemerkung auf seltsame Weise insLeere. Denn der nächste Plan des ostfränkisch-deutschen Herrschers, nach Romzu ziehen, von dem er zu berichten weiß, ist eine Finte und dient derTäuschung.Otto der Große habe einen Zug nach Rom vorgetäuscht, als er 951 seinen Feld-zug gegen Berengar 11. vorbereitet habe", Dieses Täuschungsmanöver konntejedoch nur gelingen, wenn mit dem Romzug eine Pilgerfahrt fernab von jederpolitischen Zielsetzung gemeint war. Ortos des Großen Romzug von 961/962,der dem König die Kaiserkrönung brachte, schildert Widukind dann mit ähnli-chen Worten wie den Plan Heinrichs. Hier erwähnt er seit den Ereignissen von 951Rom erstmals wieder, über die Kaiserkrönung Ottos schweigt er sich jedoch aus!",

    Befragen wir die einschlägigen Regestenwerke nach dem ersten Kontakt Or-tos des Großen zu den Päpsten seiner Zeit, dann soll es 947/948 dazu gekom-men sein 11 - Hinweise, Otto der Große habe bereits 941 versucht, sich das Reg-num Italiae zu unterwerfen, sind zu vage und beruhen wohl eher auf einer (auseiner Vorlage des frühen 11. Jahrhunderts übernommenen?) Verwechslung mitden Ereignissen von 9511952; Kontakte zu den Päpsten werden hierbei in den

    8 Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae I. 40 (Die Sachsengeschichte des Widukind von Korvei,in Verbindung mit H.-E. LOHMANNneu bearbeitet von PAULHIRSCH [MGH SS rer. Germ. 60). Han-nover 1935. S. 59). Vg!. zuletzt GUNTHERWOLF. König Heinrichs I. Romzugplan 935/936. in: Zeit-schrift für Kirchengeschichte 103. 1992. S. 33-45. der einen Zusammenhang mit der anstehendenGründung Quedlinburgs sieht; zum Taufmotiv Anxoi» ANGENENDT,Kaiserherrschafi und Königsraufe.Kaiser. Könige und Päpste als geistliche Patrone in der abendländischen Religionsgeschichre (Arbei-ten zur Frühmittelalterforschung 15). 1984. S. 276. S. 314.

    9 Widukind III. 9 (wie Anm. 8). S. 109.10 Widukind III. 63 (wie Anm. 8). S. 137.11 JOHANNFRIEDRICHBÖHMER,Regesra Imperii. 11.Sächsische Zeit. 5. Abr.: Papstregesten. bearbeitet von

    HARALDZIMMERMANN,2. verbesserte und ergänzte Aufl .•Wien 1998. Nr. 208 (die Numerierung derRegesten der Erstauflage von 1969 ist beibehalten).

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    zeitgenössischen Quellen nicht erwähnt, müßten aber erschlossen werden 12. DerStreit um die Reimser Erzbischofswürde zwischen den Erzbischöfen Artold undHugo habe Otto veranlaßt, sich an den Papst zu wenden. Dieser Konflikt gehörtzur Auseinandersetzung der westfränkischen Karolinger mit den Großen ihresReiches, vor allem mit den Robertinern und dem Hause Vermandois. Hier hatteOtto schließlich für den karolingischen König Ludwig IV., der mit seiner Schwe-ster Gerberga vermählt war, Partei ergriffen und 946 Erzbischof Artold mitWaffengewalt auf den Reimser Erzbischofsstuhl zurückgeführt.

    Eine Reihe von Synoden sollte in der Folgezeit den Streit auch durch einkirchenrechtliches Urteil zum Abschluß bringen und über die RechtmäßigkeitdesAnspruches der beiden Kontrahenten befinden+'. In diesem Stadium des Kon-

    12 Vgl. FRITHJOF SIELAFF,Erben der Karolinger. Studien zur Geschichte des früheren Hochmittelalters,phil. Hab.-Schrift (maschinenschriftlich), Greifswald 1954, S. 85 ff. Sielaff geht von Widukind Il, 35(wie Anm. 8), S. 94 f. aus. Er erwägt die Identifizierung des dort genannten Hugo mit Kg. Hugo vonItalien, der damals nicht nur auf die Unterwerfung Hochburgunds hingearbeitet, sondern auch nachder Kaiserkrone gestrebt habe. In seinen Annales ecclesiastici erwähne der Kardinal Baronius (Bd. 10,ad a. 940) einen "vetus liber de Romanis pontificibus", aus dem hervorgehe, daß sich Papst Stephan IX.damals "opera Ottonis regis" den Zorn A1berichs, des Stadtherrn von Rorn, zugezogen habe. Eine mi-litärische Auseinandersetzung zwischen Otto und Hugo von Italien sei chronologisch in die Zeit zwi-schen dem 6. August und dem 25. November 941 zu setzen, für die der Aufenthalt Ottos unbekanntsei (vgl. S. 105). Einen Beleg fur Ottos Eingreifen in Italien könnte sich in den Armales Farfenses fin-den. Sie vermerken zu 942: Otto rex venit Italiam (MGH Scriptores 11, Hannover 1854, S. 588), wassich - wie die falsch zu 940 statt 939 gesetzte Sonnenfinsternis zeigt - auf 941 bezieht. Doch ist dieNachricht der Annales Farfenses problematisch. Denn zu 951 verwenden sie die gleiche Formulie-rung: Otto rex venit Italiam (ebd.), deshalb kann die entsprechende Nachricht zu 942 ein Irrtum sein,der unbemerkt wie die richtige Nachricht aus einer Vorlage übernommen wurde. Sielaff selbst betrachtetseine Interpretation als Hypothese: "Wir haben eine Wahrscheinlichkeit. nicht nur eine Möglichkeit.aber keine Sicherheit" (S. 112). Der Kern seinerThese ist, Otto habe 941 König Hugo von Italien be-siegt - aber vielleicht doch in Burgund, und nicht in Italien; vgl, S. 102 zu 940, wo aber eine Ausein-andersetzung in diesem Jahr fur unwahrscheinlich gehalten wird; S. 110. Anm. 3 zu 941 mit der Mög-lichkeit, daß Orto gar nicht persönlich nach Italien gekommen ist; zur Erwägung eines Kampfes inBurgund durch Sielaff vgl. ECKHARDMÜLLER-MERTENS,Das Zeitalter der Ottonen. Kurzer Abriß derpolitischen Geschichte Deutschlands im 10. Jahrhundert, Berlin 1955. S. 87. Anm. 2. Dann habeOrto selbst nach der Kaiserkrönung in Rom gestrebt, sei aber von Alberich an der Verwirklichung sei-ner Pläne gehindert worden. Der Zusammenhang zwischen diesen Elementen wird durch die Nach-richten des Baronius hergestellt, dort wird aber Papst Srephan als "natione Germanus" vorgestellt. undAlberich veranlaßt seine Verstümmelung. Beides geht aber auf spätmittelalterliche Erzählungen zurück,vgl. BÖHMERlZIMMERMANN(wie Anm. 11), Nr. 154 und +163. Damit entfällt ein zentrales Elementin Sielaffs Rekonstruktion der Ereignisse. doch auch in seinen Überlegungen ist Ottos Kaiserplan anRom und am Papst ausgerichtet. -Ablehnend CARLRICHARDBRÜHL,Deutschland -Frankreich. Die Ge-burt zweier Völker, Köln 1990 (l1995), S. 529 f. (dort auch eine Photographie des Eintrags der An-nales Farfenses, Cod. Vat. lat. 8487 fol. 91r); ebd. Anm. 533 zur möglichen Vorlage. Vgl. auch WILHELMSMIDT,Deutsches Königtum und deutscher Staat während und unter dem Einfluß der italienischen Heer-fahrten: Ein 200jähriger Gelehrtenstreit im Lichte der historischen Methode zur Erneuerung derabendländischen Kaiserwürde durch Otto J., Wiesbaden 1964, S. 91, Anm. 70.

    13 Vgl. HEINZ WOLTER,Die Synoden im Reichsgebiet und in Reichsitalien von 916 bis 1056, Paderborn1988. S. 42 ff.

  • KAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER OTTOS 1. 217

    flikres hatte sich Artold mit einer Klageschrift an den Papst gewandt und ihn zurEntscheidung aufgefordert. SeineKlageschrifthatte er Boten Ottos des Großen mit-gegeben, die unterwegs zum Papsr warerr'". Der Synode von Ingelheim, die denStreit in Gegenwart Ottos und des westfränkischen Königs Ludwig IV. zugun-sten Artolds entschied, präsidierte 948 mit dem Bischof Marinus von Bomarzodann ein päpstlicher Legat.

    Ein kirchlicher Konflikt im westfränkischen Reich, in den Otto der Große unddie Kirche seines Reiches involviert wurden, hätte demnach zu dem ersten wich-tigen Kontakt zwischen Otto und den Päpsten geführt. Zwar gab es seit denAnfängen der Königsherrschaft Ottos Beziehungen einzelner Bischofskirchenund Abteien nach Rom, auch von Klöstern und Stiften, die eng mit dem sächsi-schen Herrscherhaus verbunden waren. Das Magdeburger Mauritiusstift hattebereits zwei päpstliche Privilegien erhalten, und auch Quedlinburg erfreute sichder Privilegierung durch den Papst. Auch wenn Otto diesen geistlichen Ge-meinschaften den Weg nach Rom gewiesen haben sollte, so käme dem kaumgroße Bedeutung zu. Gandersheim erhielt Anfang 948 ein Papstprivileg, Abt Ha-damar von Fulda, der sich damals im Auftrag des Herrschers in Rom befand, wirdin ihm als Intervenient genannt. Mit dieser Urkunde und damit in zeitlichemZusammenhang mit dem Reimser Streit beginnt eine Phase, in der verstärkt umdie Privilegierung der geistlichen Institutionen des ReichesOttos durch den Papstnachgesucht wurdel'',

    Hellhöriger macht es, daß wir von einigen Palliumsverleihungen aus den er-sten Regierungsjahren Ottos erfahren. ErzbischofHerold von Salzburg dürfte dasseine 939/940 erhalten haben, Erzbischof Adaldag von Hamburg-Bremen937/93916• In dieseReihe gehört scheinbar auch das Palliumsprivilegfür Erzbischof

    14 ULRlCH HUSSONG, Studien zur Geschichte der Reichsabtei Fulda bis zur Jahrtausendwende, in: Ar-chiv für Diplomatik 31,1985, S. 1-225 und 32, 1986, S. 129-304, hier 32, S. 254 £

    IS BÖHMER/ZIMMERMANN(wie Anm. 11), Nr. 155, 167, 189 zu den nicht erhaltenen Privilegien fürMagdeburg, die aus dem Protest ErzbischofWilhe1ms von Mainz aus dem Jahre 955 gegen die Mag-deburger Pläne des Königs (dazu unten bei Anm. 43 und 67) zu erschließen sind, Nr. 206 für Qued-linburg (zu 947 gestellt), Nr. 216 für Gandersheim vom 2.Januar 948. Nur der Text der Urkunde fürGandersheim ist erhalten: HARALDZIMMERMANN,Papsturkunden 896-1046, 3 Bde. (Ösrerreichi-sehe Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse, Denkschriften 174, 177, 198),Wien 1988-89 (Bd. 1 und 2 in 2. Aufl.), hier Bd. I, Nr. 115, S. 201 f Zu Papstprivilegien für Reichs-klöster vgl. JOHANNESFRIED, Laienadel und Papst in der Frühzeit der französischen und deutschenGeschichte, in: Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, hg. von HELMUT BEUMANN/WERNERSCHRÖDER(Nationes I), Sigmaringen 1978, S. 367-406, hier S. 388 f Fried konstatiert eine Inten-sivierung der Beziehungen zum Papsttum im Zusammenhang mit dem Reimser Streit; ebenso zuvorHAGEN KELLER, Das Kaisertum Ottos des Großen im Verständnis seiner Zeit, in: DA 20, 1964,S. 325-388, hier S. 379 ff., dort sind auch die im folgenden genannten Palliumsprivilegien mit-berücksichtigt.

    16 BÖHMERlZIMMERMANN(wieAnm. 11), Nr. 155 a und 133.

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    Friedrich von Mainz, das Papst Leo VII. Ende 937 aussrellte!". Aber FriedrichsPrivileg ist mit Bestimmungen angereichert, die mit der Verleihung des päpstlichenVikariatsl'' eine Sonderrolle des Mainzer Erzbischofs in der Kirche des ottoni-schen Reiches begründen sollten.

    Friedrich hatte selbst um diese Privilegierung gebeten und sich auf entspre-chende Privilegien für seine Vorgänger und für Bonifatius berufen. Am päpstli-chen Hofhatte man die kirchenorganisatorische Bedeutung der Bitten Friedrichserkannt, nach den von Friedrich ins Spiel gebrachten Urkunden gesucht, nureinen Beleg gefunden und trotzdem das erbetene Privileg ausgestellt.

    Aber steht hinter der dringenden Bitte des Erzbischofs, von der das Papst-privilegberichtet, nicht noch eine andere Autorität, nämlich die Otros des Großen?Die Umstände und speziell die Person Friedrichs sprechen dafür. Denn mit Fried-rich bestiegvermutlich erstmals ein Sachse'? den erzbischöflichen Stuhl von Mainz.Seine Vorgänger waren wohl fränkischer Herkunft gewesen und entstammtenhäufig dem Kloster Fulda-", Friedrich hingegen kam aus dem Domkapitel vonHildesheirrr", wo er in einer Liste mit den nomina fratrum nostrorum arcbiepis-coporumlepiscoporum verzeichnet ist22• Er entstammte somit einer Bischofskir-

    17 BÖHMERlZIMMERMANN(wie Anm. 11). Nr. 137 = ZIMMERMANN.Papsturkunden (wie Anm. 15) 1.Nr. 79. S. 133 f.

    18 Zur Bestimmung der Mainzer kirchlichen Position als Vikariat vg!. GEORGMAy. Der Erzbischof vonMainz als Primas. in: Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler. Funktionen. Aktivitäten. Ansprücheund Bedeutung des Zweiten Mannes im Alten Reich. hg. von PETERCLAUSHARTMANN(Geschicht-liche Landeskunde 45). Stuttgart 1997. S. 35-76. bes. S. 46 ff.

    19 GERD ALTHOFF. Zur Frage nach der Organisation sächsischer coniurationes in der Otronenzeit, in:Frühmittelalterliche Studien 16. 1982. S. 129-142. erwägt S. 132 sogar Verwandtschaft mit den Wet-tiner Grafen.

    20 Vg!. zusammenfassend JOHANNESSIMON. Stand und Herkunft der Bischöfe der Mainzer Kirchen-provinz im Mittelalter. Weimar 1908. S. 7 ff.

    21 HANs-WALTERKLEWITZ.Königtum. Hofkapelle und Domkapitel im 10. und 11. Jahrhundert. in: Ar-chiv für Urkundenforschung 16.1939. S. 102-156. hier S. 108 ff. mit Anm. 3; JOSEFFLECKENSTEIN.Die Hofkapelle der deutschen Könige 2: Die Hofkapelle im Rahmen der ottonisch-salischen Reichs-kirche (Schriften der MGH 16/2). Stuttgart 1966. S. 22.

    22 MGH Scriptores 7. Hannover 1846. S. 847 (aus einer Hildesheimer Handschrift des 12. Jahrhun-derts. heute Wolfenbüttel2864 Aug. 83.30). Zu dieser Liste vg!. KLEWITZ(wie Anm. 21). S. 108 ff.;HERBERTZIELINSKI.Der Reichsepiskopat in spätottonischer und salischer Zeit (1002-1125) 1. Stutt-gart 1984. S. 135 fr.; RUDOLFMEIER. Die Domkapitel zu Goslar und Halberstadt in ihrer persönli-chen Zusammensetzung im Mirtelalter (mit Beiträgen über die Standesverhältnisse der bis zum Jahre1200 nachweisbaren Hildesheimer Domherren) (Studien zur Germania Sacra I). Göttingen 1967.S. 54 fr. Meier rechnet mit der Möglichkeit. daß einige der dort genannten Bischöfe nur der Gebets-brüderschaft der Hildesheimer Kanoniker angehören. Herkunft aus dem Hildesheimer Kapitel sieht erdeshalb nur dann nachgewiesen. wenn neben der Liste und dem damit zu verknüpfenden Hildeshei-mer Nekrolog andere Quellen dies bezeugen. Für die Mainzer Erzbischöfe Friedrich 937-954. Wil-helm 954-968. Rupert 970-975 und Willigis 975-10 11 glaubt er deshalb. die Herkunft aus Hildes-heim (vgl. die Übersicht S. 168) nur vermuten zu können. Das hat zur Konsequenz, daß für keinender Mainzer Erzbischöfe die frühere Mitgliedschaft im Hildesheimer Kapitel gesichert ist. Noch kritischer

  • KAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER OTTOS I. 219

    che, die aufs engste mit dem liudolfingischen Haus verbunden war. Er war, kaumein anderer Schluß ist möglich, Ottos des Großen Kandidat für das wichtigsteBistum in dessen Reich. Otto der Große hatte sich zudem in den letzten Lebens-tagen von Friedrichs Vorgänger Hildibert, der am 31. Mai 937 starb, in Mainzund der Ingelheimer Königspfalz aufgehalten; er dürfte deshalb auf den Wechselauf dem Mainzer Erzbischofsstuhl vorbereitet gewesen sein und ihn auch vor-bereitet haberr". Gerade damals, im Frühjahr 937, erhob Otto der Große seinenKanzler Adaldag zum Erzbischof von Hamburg-Bremen, die BischofsweiheerhieltAdaldag vom Mainzer Erzbischof, vermutlich noch von Hildibert. Er selbst näm-lich verfügte über keine Suffraganbischöfe, die diese Weihe hätten vornehmenkönnen. Ottos Aufenthalt in Mainz hängt vielleicht mit der Weihe Adaldagszusammen. Adaldag war aber Kanoniker in Hildesheim; erstmals wurde währendOttos des Großen Regierungszeir mit ihm ein Mitglied dieses Domstifts zurbischöflichen Würde erhoberr'".

    steht dem Namensverzeichnis gegenüber DIETER Lücx, Erzbischof Anno n. von Köln. Standesver-hälrnisse, verwandtschaftliche Beziehungen und Werdegang bis zur Bischofsweihe, in: Annalen desHistorischen Vereins für den Niederrhein 172, 1970, S. 7-112, hier S. 93 ff. Lück rechnet mit Eh-renkanonikaten, als Beleg dafür nennt er ErzbischofWilligis von Mainz, der bei Beendigung desGandersheimer Streits honorifice die ftatl!mitas des Hildesheimer Domkapitels erhalten habe (S. 95).Das berichtet die Vita Bernwardi c. 43 (MGH Scriptores 4), Hannover 1841, S. 777, doch gehört dasnicht im eigentlichen Sinne zur Beendigung des Streites. Es muß zudem nicht ausschließen, daß Wil-ligis als Hildesheimer Kanoniker seine erzbischöfliche Würde erreicht hat. Vg!. auch ZIELINSKI,S. 137,Anm. 380, zu vergleichbaren Listen, die auf die Herkunft eines Bischofs aus der jeweiligen Gemeinschaftabheben. Die Hildesheimer Liste nennt auch einige Bischöfe, die vor 937 ihr Amt antraten: Regin-ward von Hamburg-Bremen (916/917-918), Dudo von Osnabrück (921-949), Bernhard von Hal-berstadt (931-968), Evergis von Minden (931-950). Von den Mainzer Erzbischöfen, die im 10.Jahr-hundert seit Regierungsbeginn Heinrichs I. ihr Amt antraten, fehlen: Hildibert (927-937) und Harro n.(968-970), beide waren zuvor Abt von Fulda gewesen, und aus Fulda könnte auch Hildiberts Vor-gänger Heriger stammen, der in der Liste ebenfalls nicht genannt wird. Vor allem Hildibert, aber auchder nur kurz amtierende Harto n. hätten keinen Kontakt zu Hildesheim gehabt, wenn in der Listediejenigen genannt würden, die dem Domstift durch Gebetsverbrüderung verbunden gewesen waren.Auch das spricht dafür, daß die Liste in Bezug auf ihre Mainzer Einträge die Herkunft aus dem Kapi-tel spiegelt und nicht eine als amtierender Erzbischof eingegangene Gebetsverbrüderung.

    23 Zum Todestag Hildiberrs vg!. Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe von Bonifatius bisHeinrich n. 7421-1288. Mit Benutzung des Nachlasses von JOHANNFRIEDRICHBÖHMERbearbeitetund herausgegeben von CORNELlUSWILL, Bd. 1:Von Bonifarius bis Arnold von Selenhofen 7421 _1160, Innsbruck 1877, S. 100 f., Nr. 7. Am 23. Mai 937 ist Ono in Mainz, am 30. Mai in Ingelheimnachzuweisen, vgl. BÖHMER/OTTENTHAL (wie Anm. 1), Nr. 64 ff. Vgl. FRANZSTAAB,Mainz vom5. Jahrhundert bis zum Tod des Erzbischofs Willigis (407-10 11), in: Mainz. Die Geschichte der Stadt,hg. von FRANZDUMONT/FERDINANDSCHERF/FRlEDRlCHSCHÜTZ,Mainz 1998, S. 71-107, hier S. 94.

    24 GÜNTER GLAESKE,Die Erzbischöfe von Hamburg-Bremen als Reichsfürsten (937-1258) (Quellenund Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 60), Hildesheim 1962, S. 5 ff. Für Adaldag bezeugtdie Herkunft aus dem Hildesheimer Domkapitel und seine Weihe durch den Mainzer ErzbischofAdam von Bremen, Gesra Hammaburgensis ecclesiae pontificum 11, 1, ed, BERNHARDSCHMEIDLER(MGH SS rer. Germ. 2), Hannover 1917, S. 61. Adaldag ist zwischen dem 5. Februar und 29. Juni937 Erzbischof geworden, sein Vorgänger Unni war am 17. September 936 verstorben. Vg!. KARL

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    Ende Juni 937 dürfte Friedrich zum Erzbischofbestimmt, und in der erstenJulihälfte wird er geweiht worden seirr". Das erste, was wir von ihm hören, ist,daß er an der Gründung des Mauritiusklosters im September 937 teilgenommenhat. Ottos Gründungsurkunde beruft sich auf die Zustimmung der zahlreich nachMagdeburg gekommenen Bischöfe, unter ihnen Friedrich und Adaldag von Ham-burg-Brernerr'", Der hohe Rang Friedrichs am Hofe, die Vertrauensposition, dieer aufgrund seiner geistlichen Herkunft aus Sachsen und als Inhaber des höch-sten kirchlichen Amtes in Franken besaß, wird auch darin sichtbar, daß er schonbald darauf bei dem Aufstand Eberhards von Franken, Ottos Bruder Heinrichund schließlich Herzog Giselberts von Lothringen als Vermittler fungierte. Erst alsder König die Ergebnisse von Friedrichs Vermittlung ablehnte, schloß sich derErzbischof den Empörern an27•

    Deshalb ist es kaum anzunehmen, daß Friedrich sich gegen den Willen des Kö-nigs um die Einweisung in die Position eines päpstlichen Vikars bemüht habe.Die Bindung des Mainzer Erzbischofs, dessen Kirchenprovinz den fränkischen,sächsischen und schwäbischen Raum erfaßte, an die römische Kirche ist vielmehrals eine bewußte kirchenpolitische Entscheidung des neuen Königs zu werten. Beiden Auseinandersetzungen unter den rheinischen Erzbischöfen, wer die Königs-salbung und -krönung zu vollziehen habe, hatte Otto der Große am eigenen Leibeerlebt, wie notwendig eine Regelung des Verhältnisses unter diesen wa~8. Ein an

    REINECKE,Archiepiscopatus Hammaburgensis sive Bremensis, in: Series episcoporum ecclesiae occi-dental is ab initio usque ad annum 1198. Series V. Germania 2: Archiepiscoparus Hammaburgensissive Bremensis, hg. von STEFANWEINFURTERlODILOENGELS,Stuttgart 1984, S. 1-52, hier S. 21 ff.

    25 BÖHMERIWILL (wie Anm. 23), S. 101, Nr. 1. Präzisierung der Datierung bei HEINRICH BÜTTNER,Die Mainzer Erzbischöfe Friedrich und Wilhe1m und das Papsttum des 10. Jahrhunderts, in: Fest-schrift Johannes Bärmann 1 (Geschichtliche Landeskunde 3/1), Stuttgart 1%6, S. 1-26, hier S. 2,Anm.7.

    26 Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 1: Die Urkunden Konrad I., Heinrich I. und Ono I.(MGH Diplomara regum et imperatorum Germaniae 1), Hannover 1879-1884, DOL 14. Zur Grün-dung des Mauritiusklosters grundlegend CLAUDE,Magdeburg (wie Anm. 3), S. 17 ff.

    27 Vg!. WALTERNORDEN, ErzbischofFriedrich von Mainz und Otto der Große. Zur Entwicklung desStaatsgedankens in der Ottonenzeit (Historische Studien 103), Berlin 1912, S. 29 ff.; vgl, auch AL-BERTHAucK, Kirchengeschichte Deutschlands 3, 3. und 4. Doppelauflage Leipzig 1906, S. 34 ff. ZurAuswahl und Rolle von Vermittlern vg!. generell die in Anm. 42 genannten Arbeiten von Gerd Alt-hoff.

    28 Vgl. die Schilderung bei Widukind II, 1 (wie Anm. 8), S. 63 ff. So umstritten Widukinds Schilderunginzwischen ist (vgl. zuletzt mit eher positivem Urteil HAGEN KELLER,Widukinds Bericht über dieAachener Wahl und Krönung Ottos I., in: Frühmittelalterliche Studien 29,1995, S. 390-453), so istdoch kaum anzunehmen, daß der Mainzer Erzbischof unwidersprochen und ohne Auseinanderset-zung in Aachen, das zur Kölner Kirchenprovinz gehörte, agieren konnte. Die Auseinandersetzung aufdie Königskrönung Ottos II. im Jahre 961 zu beziehen (so für Widukinds Bericht insgesamt explizitBRÜHL, Deutschland - Frankreich. [wie Anm. 12], S. 468 ff.; allgemein auf die Adaption der Be-richterstattung an politische Vorstellungen und Konstellationen der Zeit um 970 hebt ab JOHANNESFRIED, Der Weg in die Geschichte. Die Ursprünge Deutschlands bis 1024 [Propyläen Geschichte

  • KAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER OTTOS I. 221

    Rom und an die Päpste gebundener Vorrang eines von ihnen sollte in der Zukunftden Spannungen entgegenwirken. Die Bonifatiustradition seiner Kirche/" undseine stammesübergreifende Kirchenprovinz ließen den Mainzer Erzbischof alsidealen Kandidaten fur diese Position erscheinen. Da das Vikariat zudem an die Per-son seines Inhabers gebunden war und nicht an den Bischofssitz, wie es bei denvon Trier vertretenen Primatsansprüchen der Fall war, blieben bei der "MainzerLösung" künftige Modifikationen möglich. Diese erfolgten noch unter Friedrich,indem sein Vikariat wohl im Zusammenhang mit dem Reimser Bistumsstreit aus-drücklich auch auf die Gallia bezogen wurde, während das Privileg von 937 nurvon der Germania gesprochen hatte. Friedrichs Nachfolger Wilhelm war eben-falls päpstlicher Vikar für die Germania und Gallia. Wilhe1ms Nachfolger hinge-gen, die Erzbischöfe Hatto 11. (968-970) und Rupert (970-975), erhielten nichtmehr die Stellung eines päpstlichen Vikars'", Das hängt, wie ich meine, nicht zu-letzt damit zusammen, daß Orto inzwischen Kaiser geworden war und als solchergleichsam direkte Beziehungen zum Papst hatte; Papst- und Rombezug mußtennicht mehr über einen der Erzbischöfe des Reiches hergestellt werden. Die zurPraeeminenz gesteigerte Vikariatsposition des Willigis brachte 975 eine erneuteModifikation in der Organisation der Kirche des nordalpinen Reiches über einpäpstliches Vikariat, das dann durch das spezifische Zusammenwirken Kaiser Ot-tos Ill. mit den Päpsten in eine Krise geriet, von der es sich nicht mehr erholte".

    Entscheidend für diese Überlegungen ist, daß die besondere kirchliche Struk-tur seines Reiches Otro dem Großen schon in den Anfangen seiner Regierung

    Deutschlands I], Berlin 1994, S. 481 ff.), scheint mir wenig plausibel, denn den Ablauf der Krönungseines Sohnes konnte Otto der Große wohl im einzelnen bestimmen, zumal sie - wie KELLER.S. 428zeigt - im Zusammenhang mit seiner bevorstehenden Kaiserkrönung erfolgte. Widukind weiß es nichtanders, als daß der Mainzer Erzbischof den ostfränkisch-deutschen König krönt, warum er das in Aa-ehen tun darf und die kirchliche Zuständigkeit seines Kölner Amtsbruders beiseite schieben kann, willer mit seiner Erzählung begründen. - Zur Rivalität zwischen den rheinischen Erzbischöfen zusam-menfassend EGON BOSHOF,Köln, Mainz, Trier - Die Auseinandersetzungen um die Spirzenstellung imdeutschen Episkopat in ottonisch-salischer Zeit, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 49.1978, S. 19-48; vg!. jetzt auch ODILO ENGELS,Metropolir oder Erzbischof? Zur Rivalität der Erz-stühle von Köln, Mainz und Trier bis zur Mitte des 1I. jahrhunderts, in: Dombau und Theologie immittelalterlichen Köln, hg. von LUDGERHONNEFELDERlNoRBERTTRIPPEN/ARNOLDWOLFF (Studienzum Kölner Dom 6). Köln 1998, S. 267-294.

    29 FRANZSTAAB,Die Mainzer Kirche. Konzeption und Verwirklichung der Bonifatius- und Theonesr-tradition, in: Die Salier und das Reich 2: Die Reichskirche in der Salierzeir, hg. von STEFANWEIN-FURTERunter Mitarbeit von fRANKMARTINSIEFARTH.Sigmaringen 1991, S. 31-77, hier S. 47 ff.

    30 Vg!. die Übersicht über die Privilegierung der Mainzer Erzbischöfe durch die Päpste in Regesra Ponri-ficum Romanorum. Germania Pontificia 4: Provincia Maguntinensis pars IV: S. Bonifarius, Archi-diocesis Maguntinensis, Abbatia Fuldensis, congessit HERMANNJAKOBS.Göttingen 1978, S. 73 If.

    31 ERNST-DIETER HEHL, Herrscher. Kirche und Kirchenrecht in spätottonischer Zeit, in: Ono Ill. _Heinrich n. Eine Wende? hg. von BERNDSCHNEIDMÜLLERlSTEFANWEINFlJRTER.Sigmaringen 1997,S.169-203.

  • 222 ERNST-DIETER HEHL

    den Weg nach Rom wies. Konkreter Träger dieser Rombindung war der Main-zer Erzbischof als päpstlicher Vikar. Friedrichs Teilnahme an Ottos Italienzug von951/952 gewinnt daraus seine besondere Bedeutung und erst recht, daß Ottoden Mainzer Erzbischofzusammen mit BischofHartbert von Chur im Herbst951 als seinen Gesandten nach Rom schickte32• Pro susceptione sui habe Otto denKontakt mit Rom gesucht, heißt es bei Flodoard, der am genauesten über dieGesandtschaft berichret=', Es ging um die Erneuerung der Kaiserwürde. Für diedazu notwendigen Verhandlungen hatte der König den Erzbischof ausgewählt,der für die Bindung an Rom und das Papsttum gleichsam zuständig war. Dierömisch-päpstliche Komponente des Kaiserplanes von 951 ist meines Erachtensoffenkundig34.

    Das hat seine Bedeutung für einen Quellenbeleg, der für die Diskussion umein imperiales Königtum35 und eine nichtrömische Kaiseridee'" Ottos des Großeneine zentrale Rolle spielen könnte: die Akten der Augsburger Synode vom Au-gust 952. Otto selbst, so die Praefatio der Synodalakren-", hatte die Einberufung

    32 BÖHMERiOlTENTHAL (wie Anm. 1),Nr. 201 a. Zur Rolle Hartberts vg!. HAGENKELLER,Kloster Ein-siedeln im ottonischen Schwaben (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 13), Freiburgi. B. 1964, S. 98 fT., bes. S. 102, Anm. 37.

    33 Flodoard, Annales ad a. 952, ed. PH. LAUER,Paris 1905, S. 133.34 Zum Eingreifen Ottos des Großen 951 in Italien vg!. jetzt HAGENKELLER,Entscheidungssituationen

    und Lernprozesse in den Anfängen der deutschen Geschichte. Die Italien- und Kaiserpolitik Ottosdes Großen, in: Frühmittelalterliche Studien 33, 1999, S. 20-48, hier S. 32 ff.; aufOttos Eheschließungmit Adelheid und ihre politischen Folgen konzentriert sich STEFANWEINFURTER,Kaiserin Adelheidund das ottonische Kaisertum, in: ebd., S. 1-19, hier S. 7 fT.

    3S Zum Begriff vor allem HELMUTBEUMANN,Das imperiale Königtum im 10. Jahrhundert, in: Welt alsGeschichte 10, 1950, S. 117-130.

    36 URL ERDMANN,Die nichtrömische Kaiseridee. in: DERS., Forschungen zur politischen Ideenwelt desFrühmittelalters. aus dem Nachlaß des Verfassers hg. von FRIEDRICHBAETHGEN,Berlin 1951, S. 1-51,besonders S. 43 fT.

    37 Die Konzilien Deutschlands und Reichsitaliens 916-1001, (Teil I: 916-960), ed. ERNST-DIETERHEHL unter Mitarbeit von HORST FUHRMANN(MGH Concilia 6/1), Hannover 1987, S. 189-194,dort auch der Nachweis der von den Synodalen benutzten Vorlagen. Ich wiederhole die für die fol-gende Argumentation entscheidenden Passagen der Praefario, die Übernahmen und (abweichend vonder Edition) sinngemäßen Entlehnungen aus der nachstehend besprochenen Sonderüberlieferung derSynodalakten von Tribur 895 in der Collectio Diessensis (siehe dazu Anm. 40) sind recte wiedergege-ben: Cum excellentissimus piissimusque Otto rex superna attactus clemencia non minus de negotiospiritali quam de statu cbristiani imperii tractare .disponeret. inprimis pontificum aliorumque primatumsuo rum communi consilio fretus ... placitum conventumque synodalem Augustae fien decrevit, quari-nus concordi di/igentia, tarn sancti cleri quam populi, aeclesiae stabilitatis profectus et totius cbristiani-tatis utilitates tractarenrur, Cuius divinae rei dispositionem per reuerentissimi atque prudentissimi Frithu-rici Mogontinae sedis archiepiscopi industriam maxime gubernari deliberauit ... [Es folgt die Aufzäh-lung der Teilnehmer] Cum eorum unanimis diligentia huic aecclesiastico negotio oigilanter instaret [ge-meint ist Friedrich], omnibus ratum putabatur principem regni, beatae matris aecclesiae deuotum filiumpostulare, quatinus ibidem divina discucientibus interesse dignaretur .... lOtto erscheint vor der Synode.ihm werden die Laudes dargebracht, Friedrich trägt die Beschlüsse der Synode vor und bittet den Kö-nig um Unterstützung] Quibus rex superni amoris igne succensus et zelo divini amoris animatus, men-

  • KAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER OTTOS I. 223

    der Synode veranlaßt. Sie tagte parallel zu einem Hoftag des Königs. ErzbischofFriedrich von Mainz übernahm den Vorsitz, außer seinen Suffraganen waren nochErzbischofHerold von Salzburg mit drei Bischöfen seiner Provinz erschienen und- angeführt von ihren Metropoliten - Bischöfe aus den Kirchenprovinzen Mailandund Ravenna, aus der Kirchenprovinz Aquileia waren zudem die Bischöfe vonMantua und Corno zur Synode gekommen. Auf dem zeitgleich zur Synode ta-genden Hoftag hatte Orto der Große zwar für das soeben erworbene Italien "inschwer zu widerrufender Form öffentlich auf die Königsherrschaft verzichtet, al-lerdings ebenso klar seine Lehnshoheit über das Königreich herausgestellt'v".Ebenso öffentlich wurde jedoch demonstriert, daß auch kirchliche Verbindun-gen zu Italien erhalten bleiben sollten.

    Otto wollte, wie die Praefatio zu den Augsburger Synodalakten berichtet, nichtallein den geistlichenAngelegenheiten, sondern ebenso dem status christiani imperiiSorge tragen. Dazu hatte er einen Hoftag (placitum) und eine Synode iconoentussynodalis) nach Augsburg einberufen, er folgte hier dem Rat vor allem der Bischöfe,aber auch dem der Großen. Beide Versammlungen sollten sich mit der Sicherungder kirchlichen Zustände und mit den totius cbristianitatis utilitates befassen.Amletzten Tag der Beratungen kam Octo selbst zur Synode, und erstmals seit derSynode von Tribur 895 wurden einem ostfränkisch-deutschen Herrscher die Herr-scherlaudes dargebracht, nachdem Orro erklärt hatte, für die Durchsetzung derSynodalbeschlüsse zu sorgen, die die Bischöfe aus seinem nordalpinen Reich undaus Italien gemeinsam gefaßt hatten.

    Die Formulierungen der Praefatio von Augsburg sind weitgehend von der Prae-fatio der Synode von Tribur bestimmt. Auch die historische Situation, in der dieSynode stattfand, ähnelt der von Tribur. Beide Synoden folgten einem Italienzugeines Herrschers - Arnulf von Kärnten bzw. Otto der Große -, bei dem dieserzwar die Herrschaft in Oberitalien errungen, aber nicht die Kaiserkrone erlangthatte. Doch in einer Wendung unterscheidet sich die Praefatio von Augsburg ent-scheidend von den Akten von Tribur. In Tribur hatte man vom status regni ge-sprochen, und zwar im Zusammenhang mit dem dort ebenfalls parallel stattfin-denden Hoftag39• Die Augsburger Synodalen sprechen stattdessen vom status cbri-

    lis corporisque nisu aecclesiasticarum rerum auxiliarorem, defensorem promprissirnurn sr me promit-tendo certificaoit. Hac videlim promissione audita regaliprelibatus arcbiepiscopu: residens communi ceterorumasSI!nSUcapitula subsequemia ritulari precepit (S. 189, Z. 12-20; S. 191, Z. 2-4 und Z. 12-16).

    38 KELLER, Entscheidungssiruarionen (wie Anm. 34), S. 38. Zur Synode ebd. S. 39.39 Capirularia regum Franeorum 2, edd. ALFRED BORETIUS/VICTOR KRAUSE (MGH Capirularia 2), Han-

    nover 1890-1897, S. 211, Z. 27 - S. 212, Z. 5 (Versio A): Quo pmcto pergem (= Arnulf) adpalatiumregale sedit solium indutus ueste splendissima, quam texit sapientia, repletus m prudentia, erectus est po-tentia, pro sua magnitudine stipulatus multitudine, tractans praktike (in griechischen Majuskeln) rk staturegni et theoretike (in griechischen Majuskeln) de ordine et stabilitate ecclesiarum Christi, (t qualiter boniquiete uiuerent, et mali inulte non peccarent. Interim episcoporum sacer conuentus in basilica praedictae

  • 224 ERNST-DIETER HEHL

    stiani imperii. Aber die Sorge dafür war nicht allein dem Hoftag zugewiesen, son-dern ebenso der Synode. Das imperium christianum ist in gleichem Maße einepolitische und eine religiöse Größe, so fragwürdig die Unterscheidung "politisch"- "religiös" für das hohe Mittelalter auch ist.

    Die direkten Augsburger Zitate aus den Akten von Tribur entstammen einerspezifischen Überlieferung der Triburer Synodalbeschlüsse, die eng mit Mainz zuverbinden ist. Mit ihr wird die Einberufung der Synode aufBetreiben des Herr-schers und ihre Leitung durch den Mainzer Erzbischofbeschrieben. Neu ist dieHervorhebung des bischöflichen Rates, Hoftag und Synode zu veranstalten.Gleichfalls neu ist die Aufforderung, die Synodalen sollten sich um die totiuscbristianitatis utilitates kümmern; in den Triburer Akten fehlt eine vergleichbareWendung. Doch die Formulierungen, mit denen Friedrich beauftragt wird, fürden ordnungsgemäßen Ablauf der Beratungen zu sorgen, entstammen wiederumden Akten von Tribur. Auch das Versprechen Ortes, sich in den kirchlichen An-gelegenheiten als Helfer (auxiliator) und Verteidiger (defensor) zu erweisen, greiftaufWendungen von Tribur zurück. Auf diese Weise wird der herrscherlieheAnspruch Ottos mit den Traditionen der Mainzer Kirche vereinigt, deren Erzbi-schof als uicarius des Papstes fungierte und nicht zuletzt dieser Bindung an Romauch seinen Vorrang auf den Synoden verdankte'", Die universalen und impe-rialen Konnotationen der Augsburger Synode sind somit gleichfalls an Rom ge-bunden, sie sind kaum ein Zeugnis für ein romfreies - und das heißt gleichzei-tig: papstfernes - Kaiserrum'".

    uilla« post communes orationes et precesfinitas honorificentissime infulati, pontificalibus sedibus sujfulti,mentibus serenati, prudentia praediti sacrosanctum ingressi sunt synodale colloquium. Diese Version derTriburer Akten ist in Augsburg jedoch nicht benutzt worden; siehe das Folgende mit Anm. 40. - Zu Syn-ode und Hoftag vgl. WILFRIEDHARTMANN,Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und inItalien, Paderborn 1989, S. 367 fT. Vgl. auch JÖRG LEHN, Die Synoden zu Mainz (888) und Tribur(895). Ihre Bedeutung für das Verhältnis Arnulfs von Kärnten zum ostfränkischen Episkopat im aus-gehenden 9. Jahrhundert, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 13, 1987, S. 43-62, hierS. 56 fT.

    40 Vgl. ERNST-DIETER HEHL, Iuxra canones et insrituta sanctorum patrum. Zum Mainzer Einfluß aufSynoden des 10. Jahrhunderts, in: Papsttum, Kirche und Recht im Mittelalter. Festschrift für HorstFuhrmann zum 65. Geburtstag, hg. von HUBERTMORDEK,Tübingen 1991, S. 117-133, speziell zuAugsburg und der Benutzung der Triburer Akten hier S. 123, Anm. 19 und S. 131 fT. Zur CollectioDiessensis, in der die in Augsburg benutzte Praefatio von Tribur überliefert ist, vgl. jetzt RUDOLFPOKORNY,Die drei Versionen der Triburer Synodalakten von 895, in: DA 48, 1992, S. 429-512, hierS. 442 ff. mit Anm. 52: die Handschrift ist .zwischen 1020 und 1050 im Raum Mainz/Triergeschrieben" und die Sammlung sei .am wahrscheinlichsten" in Mainz entstanden. Das Problem, obdie spezielle Praefatio der Versio Diessensis ursprünglich ist (ablehnend POKORNY,S. 507 f., Anm. 36),muß hier nicht erörtert werden, sie wird bereits auf der Synode von Erfurt zitiert (vgl. HEHL, S. 126;MGH Concilia 6/1, S. 106), und den Augsburger Synodalen lag sie jedenfalls vor.

    ~1 VgI. KELLER,Kaisertum (wie Anm. 15), S. 338 f.; ERNSTKARPF,Herrscherlegitimation und Reichsbe-griff in der ottonischen Geschichtsschreibung des 10. Jahrhunderts (Historische Forschungen 10),Stuttgart 1985, S. 112 fT.; KELLER,Entscheidungssituationen (wie Anm. 34), S. 39 f.

  • KAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER OTTOS I. 225

    ErzbischofFriedrichs Konflikte mit Otto dem Großen haben den Blick dafürverstellt, welche Bedeutung er für den Rombezug der Herrschaft Ottos des Großenhatte und welche Schlüsselstellung für die kirchliche Organisation des Reichesihm zukam. Seine Konflikte mit Otto sind, so scheint esmir gemäß der Konflikt-modelle, wie sie etwa Gerd Althoff entwickelt hat42, aus seiner besonderen Vertrau-ensstellung zu erklären, die er am Hofe Ottos innehaben sollte; daß er zur Wah-rung der Rechte seiner Bischofskirche verpflichtet war, versteht sich von selbst.

    Otto der Große hat sich bis in die 50er Jahre der besonderen Rombindung derMainzer Erzbischöfe bedient. Erst nach seinem Sieg über die Ungarn auf demLechfeld und den unmittelbar danach einsetzenden Bemühungen, in Magdeburgein Erzbistum mit Merseburg als Suffraganbistum zu gründen, hat sich das geän-dert. Sein Sohn Wilhe1m, inzwischen Nachfolger Friedrichs auf dem MainzerErzbischofssruhl, hat das in einem wütenden Protest an den Papst als Mißach-tung seiner Vikariatsrechte gebrandmarkt und sich entschieden dagegen verwahrt,daß allein durch eine Absprache zwischen König und Papst und ohne seine Zu-stimmung in die Organisation seiner Kirchenprovinz eingegriffen oder gar derenBesitzstand geschmälert werde='.

    Der Protest Wilhe1ms und der des Halberstädter Bischofs Bernhard haben dieGründung der Kirchenprovinz Magdeburg bis 968 verzögert. Ignorieren konnteOrro der Große dasVeto der beiden Bischöfe nicht. Er konnte nur hoffen, es aus-zuhebeln, indem er selbst in direkte, gleichsam institutionelle Beziehung zumPapst trat und zusammen mit diesem Druck auf die widerspenstigen Bischöfeausübte, deren rechtliche Position unangreifbar war. Ottos Kaiserwürde hat diesedirekte Bindung an den Papst hergestellt, und dieses Kaisertum mußte aufRombezogen sein, wenn es zur Ordnung der innerkirchlichen Angelegenheiten desnordalpinen Reiches geeignet sein sollte. Ein romfreies und papstfernes Kaiser-tum hätte keine Steigerung der herrscherliehen Autorität gegenüber der Kirchedes Reiches gebracht. Daß Ono der Große unmittelbar nach seiner Kaiserkrö-nung einen erneuten Anlauf zur Gründung Magdeburgs unternahm, nachdemdie Angelegenheit seit 955 geruht hatte, bestätigt diese Zusammenhänge.

    42 Vgl. ALTHOFF, Coniurationes (wie Anm. 19), S. 137 f. (Desavouierung Friedrichs durch Otto denGroßen 952); grundsätzlicher DERS.,Königsherrschaft und Konfliktbewältigung im 10. und 11. Jahr-hundert, in: Frühmittelalterliche Studien 23, 1989, S. 265-290, hier S. 273 ff. (Verhalten der Ver-mittler, wenn ihr Verhandlungsergebnis nicht akzeptiert wurde; wiederum mit Hinweis auf Friedrich):DERS.,Genugtuung (satisfacrio). Zur Eigenart gütlicher Konfliktbeilegung im Mittelalter, in: Moder-nes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche, hg. von JOACHIMHElNZLE, Frankfurt a. M. 1994,S. 247-265, bes. S. 250 zu den Vermittlern, "die gewachsene Beziehungen zu beiden Konfliktparteienbesaßen". Vg!. jetzt auch die Aufsatzsammlung: GERD ALTHOFF,Spielregeln der Politik im Mittelalter.Kommunikation in Frieden und Fehde, Darmstadt 1997.

    43 BÖHMERlZIMMERMANN(wie Anm. 11), Nr. 249; zu den Formulierungen des Protestes siehe untenbeiAnm.67.

  • 226 ERNST-DIETER HEHL

    Rombezogenes Kaisertum, wie es von Orto dem Großen angestrebt und mitseiner Krönung durch den Papst verwirklicht wurde, besagt aber nicht, daß die-ses Kaisertum nicht gleichzeitig Ausdruck eines "unmittelbaren Gottesgnaden-tums" war'". Die Gründungsurkunde Papst Johannes' XII. für Magdeburg vom12. Februar 962 deutet das an, indem sie auf die Siege Ottos über die Ungarnverweisr'".

    Die Liturgie der Kaiserkrönung macht diese Zusammenhänge evident. Am2. Februar 962 krönte Papst Johannes XII. den bisherigen König. Er dürfte sichdabei eines Ordos bedient haben, wie er vom Typus her in dem Pontificale Ro-mano-Germanicum für die römische Kaiserkrönung überliefert ist. Das ist derälteste für eine römische Kaiserkrönung erhaltene Ordo'". In seinen herrschafts-theologischen Aussagen ist er eine Adaption der Ordines für die Königssalbungauf die Kaiserkrönung'l", Das scheint mir wichtig. Denn dem Kaisertum fehltedie biblischeWurzel, die das christliche Königtum des lateinischen Mittelalters imAlten Testament vorfand und die das unmittelbare Gottesgnadentum erst kon-stituierte. Der König war nicht Gesalbter des Bischofs von Reims, Sens, Mainz,Köln, Trier oder Rom, um die Palette der Möglichkeiten - das Kaisertum einge-schlossen - zu benennen. Der König war der "Gesalbte des Herren", er war cbri-stus domini.

    Gerade das ursprünglich auf den König bezogene Motiv des christus dominibestimmte jedoch die Liturgie der Kaiserkrönung Ottos und ordnete seinen Krö-nungstag in die Heilsgeschichte ein. Der 2. Februar ist das FestMariä Lichtmeß,das Fest von Mariä Reinigung. Aber es ist im eigentlichen Sinne kein Marienfest,das an diesem Tag begangen wird, sondern ein Herrenfest. Das Evangelium desTages schildert die Darstellung Jesu im Tempel (Lucas 2, 22-32). Sie bringt dieErfüllung einer Prophezeiung, die dem alten Simeon gegeben worden war. Er

    « Zum BegriffHELMUT BEUMANN,Widukind von Korvei. Untersuchungen zur Geschichtsschreibungund Ideengeschichte des 10.Jahrhunderts (Veröffentlichungen der Historischen Kommission des Pro-vinzialinstituts für westfälischeLandes- und Volkskunde 10/3), Weimar 1950, S. 242 fT.; HAGENKEL-LER,Macbabaeorum pugna«. Zum Stellenwert eines biblischen Vorbilds in Widukinds Deutung derottonischen Königsherrschaft, in: Iconolgia sacra. Mythos, Bildkunst und Dichtung in der Religions-und Sozialgeschichte Alteuropas. Festschrift für Karl Hauck zum 75. Geburtstag, hg. von HAGENKEL-LERlNIKOLAUSSTAUBACH(Arbeiten zur Frühmittelalterforschung 23), Berlin 1994, S. 417-437; DERS.,Aachener Wahl (wie Anm. 28), S. 445 fT., bes. S. 449.

    1S BÖHMER/ZIMMERMANN (wie Anm. 11), Nr. 304 = ZIMMERMANN, Papsturkunden (wie Anm. 15)1, Nr. 154, S. 281-284.

    46 CVRILLEVOGELlREINHARDELZE (Hgg.), Le pontifical romano-germanique du dixierne siede, 3 Bde.(Srudi e resri226, 227, 269), Cirtä del Vaticano 1963-72, hier Bd. 1, S. 263 fT., Ordo 75 = REINHARDELZE (Hg.), Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers und der Kaiserin (MGH Fonres iuris9), Hannover 1960, S. 1n; Ordo 2.

    47 Bei der zweiten Oration Deus inerrabilis auctor mundi verweist der Text ausdrücklich auf die vollstän-dige Wiedergabe dieses Gebets bei der Königskrönung (= PRG Ordo 72, 12;VOGELlELZE1, S. 251 f.).

  • KAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER OTTOS I. 227

    werde nicht sterben, bevor er den christus domini (2, 26) gesehen habe. Simeonerkennt in dem Jesusknaben den verheißenen Christus und preist sich und Gott:"Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor dem Angesicht allerVöl-ker bereitet hast, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zur Herrlichkeit fürdein Volk Israel" (2, 30 ff.)48.

    Das Konzept des Königs als christus domini wird in der Krönungsliturgie Ottosauf den Kaiser übertragen. Auch der Kaiser ist christus domini, auch als Kaiserbesitzt Otto ein "unmittelbares Gottesgnadentum". Und vielleicht noch wich-tiger: Das Evangelium des Tagesverkündet den Epochenwechsel von der Zeit desAlten Testamentes zu der Erfüllung der Zeit, von der das Neue Testament berich-tet. Hagen Keller hat kürzlich den Wandel des herrscherliehen Siegelbilds unterOtto dem Großen analysiert. Seit seiner Kaiserkrönung ist Otto "en face" darge-stellt. Das ist zunächst eine Angleichung an byzantinische Münzbilder, aber esleitet eine "Sakralisierung des Herrscherbildes im Siegel" ein, die ihre Vollendungunter Otto Ill. findet. Dessen Siegelbild greift mit der Darstellung des thronen-den Kaisers ein Kennzeichen der Darstellung Christi auf49. Am Anfang dieserEntwicklung steht die Botschaft von Ottos Krönungstag: Der Kaiser ist christusdomini. Die Tagesliturgie ist jedenfalls eine wichtige unmittelbare Quelle, die wirfür das Verständnis der Krönung besitzen.

    Hat ein Teil der Forschung sich bisher intensiv mit der Vorstellung eines "im-perialen Königtums" unter Otto dem Großen befaßt, das auch die Möglichkeit zurErrichtung eines romfreien und papstfernen Kaisertums geboten hätte, so habenmeine Überlegungen, die den Papst- und damit Rombezug von Ottos Herrschaftvon den Anfängen seiner Regierung an betonen, wenig Anhaltspunkte dafür ge-boten. Die eben geschilderte Übertragung des königlichen christus domini-Kon-zepts auf den Kaiser beschreibt vielmehr eine exakt gegenläufige Entwicklung:

    48 ERNST-DIETER HEHL, Maria und das ottonisch-salische Königtum. Urkunden, Liturgie, Bilder, in:Historisches Jahrbuch 117, 1997, S. 271-310, hier S. 301 E, Anm. 106; grundsätzlich HANS MAR-TIN SCHALLER,Der heilige Tag als Termin mittelalterlicher Staatsakte, in: DA 30, 1974, S. 1-24, hierS. 7. Für die Leseordnung der fränkischen Kirche seit dem 9. Jahrhundert, die auf der römischen Le-seordnung beruht, vg!. A. WILMART,Le Comes de Murbach, in: Revue benedicrine 30, 1913, S. 25...{i9,hier S. 37, Nr. XVlI; für die römische Ordnung die Übersichten bei THEODOR KLAUSER,Das römi-sche Capitulare evangeliorum. Texte und Untersuchungen zu seiner ältesten Geschichtel: Typen (Li-turgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen), Münster 21972, hier S. 189 das Perikopenregister:WALTERHOWARDFRERE, Studies in Early Roman Liturgy 2: The Roman Gospel-Lectionary, Ox-ford/London 1934, S. 33, Nr. 42.

    49 HAGENKELLER,Ottonische Herrschersiege!. Beobachtungen und Fragen zu Gestalt und Aussage undzur Funktion im historischen Kontext, in: Bild und Geschichte. Studien zur politischen Ikonographie.Festschrift für Hansmartin Schwarzmeier zum 65. Geburtstag, hg. von KONRADKRIMM/HERWIGJOHN, Sigmaringen 1997, S. 3-51; DERS.,ZU den Siegeln der Karolinger und Ottonen. Urkunden als'Hoheitszeichen' in der Kommunikation des Königs mit seinen Getreuen, in: Frühmittelalterliche Stu-dien 32, 1998, S. 400-441, bes. S. 417 fr.; vg!. auch Kellers Beitrag in dem vorliegenden Band.

  • 228 ERNST-DIETER HEHL

    nicht die Angleichung des Königtums an das Kaisertum, die machtpolitisch sicherzu beobachten ist, sondern die herrschaftstheologische Angleichung des im Ur-sprung paganen Kaisertums an das biblisch fundierte, durch Salbung verliehene- das ist der hauptsächliche Unterschied zu Byzanz - und trotzdem gottunmit-telbare christliche Königtum'P, Aufgrund dieses Angleichungsprozesses konntedas Kaisertum Ottos des Großen als Erfüllung und Überhöhung des Königtumsverstanden werden, wie es die Liturgie seines Krönungstages verkündete. DasHeil, das nach dem Evangelium mit dem christus domini in die Welt gekommenwar und das Gott ante fadem omnium populorum bereitet hatte, sollte lumen adrevelationem gentium et gloriam plebis tuae Israhel sein. Auch der Bereich der Mis-sion unter den Heiden - nicht aber deren politische Unterwerfung - war in denliturgischen Feiern zur Krönung Ottos des Großen angesprochen. Für den neuenKaiser verband sich das mit seiner Absicht, im Osten seines nordalpinen Reichesin Magdeburg ein Erzbistum zu errichten, die Politik seines Enkels gegenüberden Polen läßt sich ebenfalls in die Formel vom Kaisertum als lumen ad revela-tionem gentium einordnen>'.

    Die Spannungen, die bald nach der Kaiserkränung zwischen Otto dem Großenund Papst Johannes XII. auftraten und zur Entfernung des Papstes aus seinemAmt führten, bedeuten hier nur eine Unterbrechung und sind nicht zu schildern.

    50 Am Beispiel des sogenannten .westlichen" Ordos (Ordines [wie Anm. 46] Ordo 2, S. 3 ff. = PRG [wieAnm.46] Ordo 76, 1 S. 265 f.), der als Hauptbeleg für die Idee eines romfreien Kaisertums gilt, erör-tert dies CARL ERDMANN, Königs- und Kaiserkrönung im ottonischen Pontificale, in: DERS., For-schungen (wie Anm. 36), S. 52-91, hier S. 77: .der westliche Kaiserordo im Grunde nur ein wenigabgeänderter Königsordo". Aufgrund der Forschungen Erdmanns hat dieser Ordo eine große Rollebei der Diskussion über den Charakter des ottonischen Kaisertums gespielt, sein Urteil über die nicht-römische Kaiserkrönung entspricht den hier vorgetragenen Thesen: .Gerade in Deutschland ist dieseForm der Kaiseridee in den politischen Realitäten des 10. Jahrhunderts nicht mehr durchgedrungen"(S. 82). Erdmann sieht den Ordo in Mainz entstanden; der Mainzer Erzbischof. schon bei der Königs-salbung in führender Position, hätte bei seiner Anwendung den Hauptnutzen daraus gezogen unddamit derjenige, der sich damals Otto dem Großen in der Magdeburger Frage widersetzte. Der west-liche Ordo scheint mir deshalb als ein liturgisches Gedankenexperiment zum höheren Ruhm der Main-zer Kirche nicht in politischen Überlegungen am Hof Orros verwurzelt zu sein.

    51 Den Zusammenhängen zwischen der Magdeburger Frage und Ottos Kaiserkrönung ist - von OttosSieg über die Ungarn ausgehend - Helmut Beumann in zahlreichen Arbeiten nachgegangen. Vgl. alsAusgangspunkt HELMUTBEUMANN,Das Kaisertum Ottos des Großen. Ein Rückblick nach 1000 Jah-ren, in: HZ 195, 1962, S. 529-573, zitiert nach dem Abdruck (mit Exkurs: Kaisersigna unter Papst-urkunden im 10. Jahrhundert), in: DERS./HEINRICH BÜTTNER, Das Kaisertum Ortos des Großen(Vorträge und Forschungen. Sonderband I), Sigmaringen 1963, S. 7-51 (der Exkurs S. 52-54), bes.S. 30 f., S. 38 £, S. 43 ff.; zusammenfassend DERS.,Die Ottonen (Urban Taschenbücher 384), Stutt-gart 31994, S. 80 ff., S. 92 f., S. 102 ff.; aus dem Nachlaß des 1995 versrorbenen Gelehrten ist soebenerschienen (nicht mehr berücksichtigt): DERS., Theutonum Nova Metropolis. Studien zur Geschichtedes Erzbistums Magdeburg in ottonischer Zeit, hg. von JUTTAKRIMM-BEUMANN(Quellen und For-schungen zur Geschichte Sachsen-Anhalts 1), Köln 2000. - Zu den geistigen Hintergründen von Or-tos Ill. Gnesenfahrt vgl. JOHANNESFRIED, Der hl. Adalbert und Gnesen, in: Archiv für mirtelrheini-sche Kirchengeschichte 50,1998, S. 41-70.

  • KAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER OTTOS I. 229

    Die kaiserliche Polemik, welche die Entfernung des Papstes aus seinem Amt recht-fertigen sollte, hat die Quellengrundlage für eine negative Einschätzung auch derintellektuellen Fähigkeiten der päpstlichen Verwaltung gelegt. Das ist insgesamtein Fehlurteil, wie sich anhand der Reaktionen Johannes' XII. auf seine Abset-zung zeigen ließ52. Die römische Kirche war sich vielmehr auch in der Mitte des10. Jahrhunderts ihrer Traditionen und Rechte voll bewußt und wußte damitumzugehen.

    Das gilt es zu bedenken, wenn man die Zusammenarbeit zwischen Kaiser undPapst vor allem auf dem letzten Italienzug und in der noch immer ungelöstenMagdeburgfrage untersucht. Hier glaubte man einen Gegensatz zwischen denkirchenpolitischen Konzeptionen Ottos des Großen und Papst Johannes' XIII.ausmachen zu können. Johannes habe die ursprüngliche Konzeption Ottosgeradezu sabotiert, indem er den Papst als im eigentlichen Sinne für die Grün-dung der neuen Kirchenprovinz zuständig hingestellt habe und indem er dieser festeGrenzen im Osten gesetzt habe. Eine umfassende kaiserliche Missionspolitik imOsten habe er dadurch verhindert. Johannes XIII. wird geradezu zu einem VorläuferGregors VII.53 Dietrich Claude hat seine Geschichte des Erzbistums Magdeburgnoch im wesentlichen an diesem Modell ausgerichret'".

    51 ERNST-DIETER HEHL, Der wohlberatene Papst. Die römische Synode Johannes' XII. vom Februar964, in: Ex ipsis rerum documenris. Beiträge zur Mediävistik. Festschrift für Harald Zimmermannzum 65. Geburtstag, hg. von Kixus HERBERS/HANS HENNING KORTüM/CARLO SERVATlUS,Sigma-ringen 1991, S. 257-275.

    53 ALBERTBRACKMANN,Die Ostpolitik Ottos des Großen, in: HZ 134, 1926, S. 242-256, zitiert nachdem Neudruck in: DERS., Gesammelte Aufsätze, Weimar 1941, erweiterter Neudruck Darmstadt1967, S. 140-153, hier S. 148.

    54 CLAUDE,Magdeburg (wie Anm. 3), S. 90, erklärt die Eigenständigkeit Johannes' XIII. aus dessen Her-kunft »aus dem Geschlecht der Creszentier, das dem Reich traditionell ablehnend gegenüberstand"und daraus, daß der Papst »anders als Johannes XII. in den kurialen Traditionen aufgewachsen (war),die der geistlichen Gewalt die alleinige Führung der kirchlichen Angelegenheiten zuschrieben." Ähn-lich formuliert WALTERSCHLESINGER,Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter 1 (MitteldeutscheForschungen 27/1), Köln 1962, S. 29. Daß johannes XIII. zu den Crescenriern gehörte, ist nicht zu-treffend (vgl, BÖHMER/ZIMMERMANN [wie Anm. 11], Nr. 386); daß Johannes XII. den kurialenTraditionen fern gestanden habe, bloße Vermutung. Er konnte sich ihrer auf jeden Fall bedienen, alser im Frühjahr 964 die römische Synode des Vorjahres verurteilen ließ. die ihn abgesetzt hatte. vg!.HEHL, Römische Synode (wie Anm. 52). Zu den Teilnehmern seiner Synode zählte auch der spätereJohannes XIII.. damals noch Bischof von Narni (vgl, das Synodalprotokoll in: MGH Consrirurioneset acta publica imperatorum et regum 1.ed. LUDWIGWEILAND. Hannover 1893. S. 533. Z. 6). vondem Schlesinger (wohl mit Bezug darauf) feststellt, er habe »schon als Kardinal zur anrikaiserlichenPartei in Rom gehört" (S. 28 f.). Doch hatte Johannes von Narni auch an der Synode Ortos des Großenteilgenommen. die Johannes XII. aus dem Amt entfernt und Leo VIII. zum Papst erhoben hatte. vg!.Liudprand, Historia Ottonis c. 9 (Die Werke Liudprands von Crernona, hg. von. ]OSEPH BECKER[MGH SS rer. Germ 41], Hannover 1915. S. 165. Z. 15). Die Argumenre von Claude und Schlesin-ger erscheinen deshalb als in sich widersprüchlich. Zu Johannes von Narni vg!. auch HARALDZIM-MERMANN.Parteiungen und Papsrwahlen in Rom zur Zeit Kaiser Ottos des Großen. in: Römische Hi-storische Mitteilungen 8-9 (I964/65-1965/66). S. 29-88. hier S. 66 ff.. S. 79 f. KEllER. Kaisertum {wie

  • 23° ERNST-DIETER HEHL

    Dessen Grundgedanken aber sind unmittelbar mit den deutsch-polnischenAuseinandersetzungen nach dem Ersten Weltkrieg verknüpft'". Die aktuelle Frage,wie die deutschen Rechte in Westpreußen zu bewerten seien, das nun an das wie-dererstandene Polen verloren gegangen war, hat offenkundig Aufmerksamkeit aufBehauptungen des ottonischen Erzbistums Magdeburg gelenkt, das Bistum Posengehöre zu seinen Suffraganen. Zwar hatte Paul Fridolin Kehr die entsprechendeMagdeburger Urkunde als Fälschung erwiesen'", und an seiner Autorität kamman damals und kommt man heute nicht vorbei'", aber, so glaubte vor allemAlbert Brackrnann'" den Dokumenten zur Gründung Magdeburgs entnehmen

    Anm. 15), S. 370 ff., konstatiert zu Recht ein intensives Zusammenwirken von Ono dem Großen undJohannes XIII. gerade in den Jahren 967/968 und 972. Diese Beobachtung gilt für die wichtigen Fra-gen der Reichspolirik, doch läßt sich auch in der eher peripheren Frage der Auflösung des BistumsAlba und seiner Vereinigung mit Asci 969 beobachten, wie Kaiser und Papst gemeinsam agierten undwie genau beide hierbei den Regeln des Kirchenrechtes folgten, vg!. ERNST-DIETER HEHL, Der wi-derspenstige Bischof. Bischöfliche Zustimmung und bischöflicher Protest in der ottonischen Reichs-kirche, in: Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. von GERD ALTHOFFlERNSTSCHU-BERT(Vorträge und Forschungen 46), Sigmaringen 1998, S. 295-344, hier S. 30 I ff.; siehe dazu auchunten Anm. 65. Die hierbei zu beobachtende Respektierung der bischöflichen Rechtsstellung durch denKaiser scheint mir ein Schlüssel dafür zu sein, seine .Geduld" in der Magdeburger Frage zu verstehen.Begriffe wie .antikaiserliche" politische Haltung und .kuriale" Rechtsposition treffen m. E. nicht dieGegebenheiten dieser Jahrzehnte.

    55 Vgl. GERD ALTHOFF, Die Beurteilung der mittelalterlichen Ostpolitik als Paradigma für zeitgebun-dene Geschichtsbewertung, in: DERS. (Hg.), Die Deutschen und ihr Mittelalter. Themen und Funk-tionen moderner Geschichtsbilder vom Mittelalter, Darmstadt 1992, S. 147-164 (AnmerkungenS. 210-217), hier S. 149 ff.

    56 PAULKEHR, Das Erzbistum Magdeburg und die erste Organisation der christlichen Kirche in Polen(Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse1920 Nr. 1), Berlin 1929, dort S. 53 ff. die Analyse von BÖHMER/ZIMMERMANN (wie Anm. 11),Nr. 738 mit Nr. 981a (Ende 1003, Zuweisung an Johannes XVIII.) = ZIMMERMANN,Papsturkunden(wie Anm. 15) 2, Nr. 412, S. 781 ff., siehe auch die folgende Anm.

    57 Inzwischen gilt das Stück als ein in Magdeburg hergestellter Entwurf für eine Papsrurkunde, die aberniemals ausgestellt wurde; vgl. neben der Vorbemerkung Zimmermanns in seiner Edition besonders HEL-MUT BEUMANNIWALTERSCHLESINGER,Urkundensrudien zur deutschen Ostpolitik unter Otto IlL,in: Archiv für Diplomatik 1, 1955, S. 132-256, hier S. 163 ff. die von Beumann stammende Analysedes Entwurfs; HELMUT BEUMANN,Magdeburg und die Ostpolitik der Ottonen, in: Die historischeWirkung der östlichen Regionen des Reiches, hg. von HANS ROTHE (Studien zum Deutschtum imOsten 24), Köln 1992, S. 9-29, hier S. 22 f., S. 29, Anm. 98 Datierung auf die Zeit um 1004.

    58 Zur Zeitbedingtheit der Diskussion und Brackmanns Position in der deutschen "Ostforschung" vg!.ALTHOFF,Ostpolitik (wie Anm. 55), S. 154 ff. - Zum im Verlag des "Ahnenerbe" unmittelbar nachKriegsausbruch erschienenen Büchlein ALBERTBRACKMANN,Krisis und Aufbau in Osteuropa. Einweltgeschichtliches Bild, Berlin-Dahlem 1939, vgl, MICHAEL BURLEIGH,Germany turns eastwards.A study of Ostforschung in the Third Reich, Cambridge 1988, S. I SO ff. Während der Drucklegungist vom Ahnenerbe in den Text eingegriffen worden. Das Buch kann deshalb nicht als Beleg für Brack-manns genuine Auffassungen herangezogen werden. Die Politisierung ist sichtbar durch die Einpas-sung des Urteils in die politischen Konstellationen auf dem Stand vor dem deutsch-russischen Vertragvom 23. August 1939. Die Verselbständigung Polens durch die Gründung des Erzbistums Gnesen be-deutet nicht allein die Abkehr von Magdeburg, sondern der "durch ein enges Freundschaftsbündnis

    ....

  • KAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER OTTOS I. 231

    zu können, ein gleichsam natürlicher Anspruch des deutschen Königs und Kaisersauf Ausdehnung nach Osten sei vom Papst hintertrieben worden.

    Abgesehen von den nationalen Sichtweisen, die nicht die Zustände des 10.Jahrhunderts treffen, werden in diesen Gedankengängen die falschen Konfron-tationslinien aufgebaut. Nicht ein kirchenpolitischer Zuständigkeitskonflikt zwi-schen Papst und Kaiser hat nämlich die Szene beherrscht, sondern der bis aufWilhelms Protestbrief von 955 zurückzuverfolgende Konflikt zwischen Ono demGroßen und den beiden von Magdeburgs Gründung betroffenen Bischöfen: demErzbischof von Mainz und dem Bischof von Halberstadt.

    Derenunbedingt erforderliche Zustimmung zur Gründung einzuholen, dasgelang erst im Oktober 968. Die Papsturkunden, die bis dahin zur GründungMagdeburgs ergangen waren, sie sollten nicht den nach Osten strebenden Kai-ser an die Kette legen, sondern sollten die beiden halsstarrigen Bischöfeendlich zumEinlenken bewegen'". Schon die Chronologie zeigt, daß dies das eigentliche Pro-blem war, daß die Urkunden Appell an die beiden Bischöfe, vor allem an den vonHalberstadt, waren. Johannes XIII. hatte auf der Ravennater Synode im April967 nochmals eine Urkunde zur Gründung des Erzbistums ausgestellt. Und trotz-dem ist das Erzbistum auch damals nicht errichtet worden, denn die Synodalenbestanden darauf, daß die noch ausstehenden Zustimmungen von Mainz undHalberstadt eingeholt werden müßten. Erst eineinhalb Jahre später ist dies imOktober 968 auf einer weiteren Ravennater Bischofsversammlung gelungen. DerPapst war nicht zugegen, sondern nur Orto I. So wurde Johannes XIII. von demErgebnis in der sog. Narratio de erectione ecclesiae Magdeburgensis unrerrichret'".

    In seiner Urkunde vom April 967 hatte Johannes XIII. die SuffraganbistümerMagdeburgs einzeln aufgezählt, die der künftige Erzbischof errichten dürfe, dar-unter das besonders umstrittene Merseburg'", Die Grenzen der Kirchenprovinz

    mit dem deutschen Reich verbundenle)" Boleslaw wird .in den Stand gesetzt, sich in den weiterenOsten zu wenden und mit deutscher Hilfe das russische Kiew zu erobern" (S. 20); die (aktuellere) Ein-leitung vollzieht den Frontwechsel vom August nach und beschuldigt Polen einer. versreckretn) Geg-nerschaft" (S. 7) auch nach dem Nichtangriffspakt von 1934.

    59 Vg!. dagegen die ,,Abwertung" der Papsturkunden von 967/968, die Posen nicht erwähnen, als kuria-ler Produkte bei ALBERTBRACKMANN,Magdeburg als Hauptstadt des deutschen Ostens, Leipzig 1937,S. 19 und ebd. S. 21 sein Urteil über die deutschen Bischöfe: sie hätten .in Wirklichkeit nur die Befehleihres kaiserlichen Herren ausgeführt".

    60 Text in: Urkundenbuch des Erzstifts Magdeburg I: 937-1192, bearbeitet von FRlEDRICHISRAllLun-ter Mitwirkung von WALTERMÖLLENBERG(Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des FreistaatesAnhalt, Neue Reihe 18), Magdeburg 1937, S. 83 fT., Nr. 61. Vgl, ODILO ENGELS,Die Gründung derKirchenprovinz Magdeburg und die Ravennater .Synode" von 968, in: Annuarium Historiae Con-ciliorum 7, 1975, S. 136-158; WOLTER,Synoden (wie Anm. 13), S. 91 fT.; HEHL, Bischöfliche Zu-stimmung (wie Anm. 54), S. 297 fT.

    61 BÖHMERlZIMMERMANN(wie Anm. 11), Nr. 418 = ZIMMERMANN,Papsturkunden (wie Anm. 15) I,Nr. 177, S. 347£

  • 232 ERNST-DIETER HEHL

    waren damit abgesteckt. Als Johannes jedoch im Oktober 968 dem Magdebur-ger Erzbischof Adalbert das Pallium verlieh, erteilte er ihm in einer weiterenUrkunde das Recht, seine künftigen Suffraganbischöfe zu weihen. Ihre Bischofs-sitze werden nicht genannt, dem Erzbischof wird die Einteilung seiner Kirchen-provinz freigestellt, doch solle er sich dabei auf cura, diligentia und iudicium Ottosstützen62• So mag es scheinen, als habe johannes XIII. schließlich kaum nochRücksicht auf die Stellung des Kaisersgenommen. Doch der Grund für dieseVer-änderung ist nicht in einem sich steigernden Gegensatz zwischen Papst und Kaiserzu suchen, sondern darin, daß es Otto dem Großen kurz zuvor auf der Raven-nater Versammlung nicht gelungen war, die formelle Zustimmung des Halber-städter Bischofs für die Gründung Merseburgs zu gewinnen, das wie Magdeburgmit Halberstädter Besitz auszustatten war63• Merseburgs Nennung in den päpst-lichen Privilegien vom Oktober 968 hätte die immer noch fehlende Zustimmungdes Bischofsvon Halberstadt offenkundig gemacht. Man half sich mit dem Kunst-griff, alles dem Magdeburger Erzbischof zu übertragen, und wenn dieser danneinen Teil seiner ehemaligen Halberstädter Besitztümer für die Ausstattung desvon ihm formal ins Leben gerufenen Merseburg verwandte, dann brauchte dasniemanden zu stören'". Für Otto den Großen standen Zahl und Sitze der künf-tigen Suffragane Magdeburgs jedenfalls fest. Er wies die sächsischen Großen an,den neuen Erzbischof nach Kräften zu unterstützen. Merseburg wird als Bi-schofssitz hier selbstverständlich genannt''".

    Die Urkunden, die Johannes XIII. im Oktober 968 in der Magdeburger An-gelegenheit ausstellte, spiegeln so nochmals die Grundstruktur der Konflikte umdie Gründung Magdeburgs wieder. Es ist ein Gegensatz zwischen dem König

    62 BÖHMERiZIMMERMANN(wie Anm. 11), Nr. 450 und 452 = ZIMMERMANN,Papsturkunden (wie Anm.15) 1,Nr. 190, S. 374 ff. und Nr. 192, S. 378 f (dort S. 379 cura, diligentia und iudicium Ottos),

    63 ENGELS,Gründung (wie Anm. 60), S. 143 ff.; HELMUTBEUMANN,Entschädigungen von Halberstadtund Mainz bei Gründung des Erzbistums Magdeburg, in: Festschrift Zimmermann (wie Anm. 52),S. 383-398, hier S. 384 ff.

    64 HEHL, Bischöfliche Zustimmung (wie Anm. 54), S. 304 ff.65 MGH DOI. (wie Anm. 26) 366. CLAUDE,Magdeburg (wie Anm. 3), S. 94 £ sieht in der Urkunde ei-

    nen .Protest gegen die kurialen Anschauungen über die Vollmacht zur Heidenrnission", denn Otrohabe deshalb zur Unterstützung der neuen Bischöfe aufgefordert, ne ... pauperes et uillanis similes esti-mentur. Der Kaiser habe damit betont, "daß nur er, nicht aber der Papst in der Lage sei, die materiel-len Voraussetzungen für das Gedeihen der neuen Bistümer zu schaffen." Doch auch dies belegt kei-nen Gegensatz zwischen Kaiser und Papst. Denn mit dieser Argumentation haben Octo der Großeund Johannes XIII. im Mai 969, knapp ein halbes Jahr nach der Errichtung des Magdeburger Erz-bistums, auf einer römischen Synode die Vereinigung des verarmten Bistums Alba mit Asri eingeleitet,die dann auf einer Synode des für beide Bistümer zuständigen Mailänder Erzbischofs beschlossenwurde, wobei als Argument wiederum erscheint, "an armseligen Orten dürfen aufgrund des berühm-ten bischöflichen Namens keine Bischöfe eingesetzt werden" (non oportet in locis vilioribus propter eel-lebr« episcoporum nomen episcopos constitui). Vgl. HEHL, Bischöfliche Zustimmung (wie Anm. 54),S. 301 ff.; DERS.,Merseburg (wie Anm. 5), S. 106 ff.

  • KAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER OTTOS I. 233

    bzw. Kaiser und den beiden Bischöfen seines nordalpinen Reiches, gegen derenWiderstand und ohne deren ausdrückliche Zustimmung die Gründung nicht zuverwirklichen war. Johannes spricht den Widerstand des Episkopats in seinemPalliumsprivileg für Adalbert nochmals an. Adalbert sei einst als Missionar aus-geschickt worden und solle nun, nachdem ErzbischofHatto von Mainz undBischof Hildeward von Halberstadt sowie ihre Mitbischöfe der Gründung desErzbistums zugestimmt hätten, als Erzbischof in Magdeburg inthronisiert wer-den, "wie man ja auch wisse, daß sein, des Papstes Vorgänger, Zacharias, den hI.Bonifatius, der zu den Heiden ausgeschickt worden war, in der Mainzer Kircheinthronisiert habe"66. Gerne stimmt Johannes XIII. dem zu und verleiht demneuen Erzbischof auf Bitten Ottos des Großen, qui eiusdem ecclesiaefundator etauctor est, das Pallium. Adalbert soll es so führen dürfen, wie es seinen Amtsbrü-dern in Mainz und Trier gestattet war.

    Die Rolle des Kaisers bei der Gründung Magdeburgs anzuerkennen, ist Jo-hannes XIII. ohne weiteres bereit. Aber den Mainzer Erzbischof erinnert er daran,daß Bonifatius seine Stellung dem Papsttum verdankt habe. Nicht zuletzt unterBerufung auf die Bonifatius-Tradition der Mainzer Kirche hatte ErzbischofFried-rich von Mainz 937 die Verleihung des Vikariats erbeten und aus der darauserwachsenen Stellung hatte sich 955 Wilhelm von Mainz gegen die MagdeburgerPläne seines Vaters gewandt. Wenn die Päpste, so hatte Wilhelm seinen Protest-brief an Papst Agapit 11.beendet, sein Vikariat nicht achten und über seinen Kopfhinweg die kirchliche Struktur der Gallia und Germania verändern wollten undso die pia constitutio seines Vorgängers, des hI. Bonifatius, aber auch die eigenenVerfügungen und die ihrer Vorgänger außer Kraft setzenwollten, dann wolle er seinerzbischöfliches Amt aufgeben und als Missionar den Völkern außerhalb desReichs das Evangelium predigen'F. Wilhelms Protest hatte das lange Ringen umdie Errichtung Magdeburgs eingeleitet. An dessen Ende weist Johannes XIII.nachdrücklich darauf hin, daß Bonifatius sein Amt dem Papst verdankt und esdurch seine Missionstätigkeit verdient habe und daß er selbst als Nachfolger desZacharias auch anderenorts ähnlich handeln könne. Nicht ein kaiserlicher Mis-sionsanspruch wird in seine Schranken gewiesen-", sondern vor allem der Main-

    66 ZIMMERMANN,Papsturkunden (wie Anm. 15) 1,Nr. 190, S. 375: sicut bonae memoriae predecessoremnostrum, Zacbariam papam, beatum Bonijacium ad gentes destinatum ecclesiaeMogonciensi intbronizassesciunt.

    67 PHILIPP JAFFE (Hg.): Bibliotheca rerum Germanicarum 3: Menumenta Moguntina, Berlin 1866,S. 347-350, hier S. 349f. Vgl. dazu zuletzt und mit negativem Urteil über ein Zusammenwirken vonKaiser und Papst STAAB, Mainzer Kirche (wie Anm. 29), S. 47 ff.

    68 Eine Wendung gegen Otto den Großen betont BRACKMANN,Ostpolitik (wie Anm. 53), S. 148. BEU-MANN,Kaisertum (wie Anm. 51), S. 44 ff., hatte sich den Wertungen Brackmanns von einem Gegen-satz zwischen Johannes XIII. und Orro I.angeschlossen. In seiner zusammenfassenden Darstellunghat er sich dann von dieser Interpreration distanziert, vg!. DERS.,Ottonen (wie Anm. 51), S. 104. Das

  • 234 ERNST-DIETER HEHL

    zer Erzbischof wird daran erinnert, wem er seine Stellung verdanke und daß esnicht angemessen sei, gegen den Papst und dessen Organisation der Missi-onstätigkeit so starrsinnig auf dem Recht der eigenen Kirche zu beharren.

    Wilhelm von Mainz wollte seine Kirche nicht von der Mission im Osten des Rei-ches abschneiden lassen, und als er sich schließlich nicht länger der Zustimmungzur Gründung der neuen Metropole verweigern konnte, da hat er anscheinendin einem letzten "Protest" dem Vorhaben Ottos des Großen widersprochen, Richar,den Abt des Magdeburger Mauritiusklosters, alsErzbischof einzusetzen.An RicharsStelle wurde Adalbert zum ersten Magdeburger Erzbischof erhoben, der einst aufBetreiben Wilhelms als Missionsbischof in die Rus geschickt worden war undsich nach dem Scheitern der Mission - mit der AbteiWeißenburg versorgt- in Wil-helms Umgebung aufhielt''". Wenigstens ein Vertrauter des Mainzer Erzbischofssollte als erster den neu errichteten Magdeburger Erzbischofsstuhl besteigen. Erstmit der Gründung des Bistums Prag und seiner Zuordnung zur Mainzer Kirchen-provinz erlangten die Mainzer Erzbischöfe erneut Zugang zu einem Missionsge-biet. So hat man immer wieder vermutet, daß auch das zu den Entschädigungengehörte, die Mainz für seine Zustimmung zur Gründung Magdeburgs erhielt?".Ono der Große jedoch hat sich bemüht, im Zusammenwirken mit dem Papst

    die Oberhirten von Mainz und Halberstadt zur Aufgabe ihrer Opposition gegenseine Magdeburger Pläne zu gewinnen. Da der Mainzer Erzbischof und päpstli-che Vikar lange Zeit, fast bis zu Ottos drittem und letzten Aufbruch nach Italien,zu den widerspenstigen Bischöfen gehörte?', war Otto sogar besonders auf diedirekte Zusammenarbeit mit dem Papst selbst angewiesen. Seine neue Kaiser-würde bot dazu neue Chancen und Möglichkeiten, ein rorn- und papstfernes Kai-sertum hätte Ottos Position hier nicht im geringsten verbessert.

    ist nicht zuletzt eine Konsequenz daraus, daß Otto der Große auf der Ravennater Synode 967 dasGründungsprivileg Johannes' XIII. mit unterzeichnet hatte; vg!. DERS., Kaisersigna (wie Anm. 51),S.53.

    69 Vgl. CLAUDE,Magdeburg (wie Anm. 3), S. 114 E; BEUMANN,Entschädigungen (wie Anm. 63), S. 384,mit Anm. 11. Beide vermuten eine briefliche Intervention Wilhe1ms zugunsten Adalberrs, die nachder Ravennater Synode vom April 967 erfolgt sei, also nachdem Johannes XIII. die Errichtung desErzbistums gebilligt hatte. Diese Überlegungen stützen sich auf die engen Verbindungen zwischenWilhe1m und Adalbert.

    70 HEINRICH BÜ'ITNER, ErzbischofWilligis von Mainz und das Papsttum bei der Bistumserrichtung inBöhmen und Mähren im 10. Jahrhundert, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 30,1965, S. 1-22, hierS. 10; BEUMANN,Entschädigungen (wie Anm. 63), S. 397 E; EGON BOSHOF,Mainz, Böhmen und dasReich im Früh- und Hochmittelalter, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 50, 1998,S. 11-40, hier S. 22 fT.

    71 Vg!. MICHAEL F. LA PLANTE,A Deperditurn for Mainz in 9621, in: Archiv für Diplomatik 25, 1979,S. 21-36, hier S. 26 fT.; BEUMANN,Entschädigungen (wie Anm. 63), S. 383 E Beumann vermutet,Wilhe1m habe auf dem Magdeburger Hoftag vom Juli 965 (BÖHMER/OTTENTHAL [wie Anm. 1],Nr. 394 a) eingelenkt; die ältere Forschung nahm das schon für 961 an, vg!. etwa CLAUDE,Magde-burg (wie Anm. 3), S. 76 f.

  • KAISERTUM, ROM UND PAPSTBEZUG IM ZEITALTER OTTOS I. 235

    Ottos Kaisertum war von Anfang an aufRom bezogen und am Papsttum aus-gerichtet, das wäre in etwa das Fazit meiner überlegungen. Wie sehr Rom unddas Papsttum im Mittelpunkt seines Verständnisses seiner Kaiserwürde standen,zeigt die vielleicht wichtigste Aktion, die ein mittelalterlicher Herrscher über-haupt vorzunehmen hatte: die Sicherung der Weiterexistenz der Familie alsVor-aussetzung für die Sicherung der dynastischen Nachfolge. Otto der Große hatdas in Rom und durch den Papst vornehmen lassen. Ich meine nicht die Krö-nung seines Sohnes Ottos 11.zum Mitkaiser an Weihnachten 967, sondern dessenVermählung mit Theophanu am 14.April 972, dem Sonntag nach Ostern ". DieHochzeit des Thronfolgers in Rom, die Schließung dieser Ehe durch den Papst:Römischer und papstbezogener konnte Otro der Große sein Kaisertum nichtdarstellen. Die Renouatio imperii Romanorum, die die Politik seines Enkels prä-gen sollte, begann am 2. Februar 96273• So spannend und berechtigt es ist, beijedem Herrscher nach einem Neuanfang zu suchen, es gibt größere und kleinereNeuanfänge. Ottos des Großen römische Kaiserkrönung gehört zu den größe-ren.

    72 Zu den liturgischen Hintergründen vg!. NIKOLAUSGUSSONE,Trauung und Krönung. Zur Hochzeit derbyzantinischen Prinzessin Theophanu mit Kaiser Orto Il., in: Kaiserin Theophanu. Begegnung desOstens und des Westens um die Wende des ersten Jahrtausends, hg. von ANTON VONEuw/PETERSCHREINER,Köln 1991, Bd. 2, S. 161-173.

    73 Vg!. auch das Urteil von BEUMANN,Magdeburg (wieAnm. 57), S. 18.