Panik Made in Pullach (Der Spiegel, 10.04.1995)

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    Sichergestellter Plutonium-Koffer von Mnchen*, Presse-Echo: Alarmstufe rot von Washington bis TokioDPA

    T I T E L

    36 DER SPIEGEL 15/1995

    PANIK MADE IN PULLACHMit einer spektakulren Operation schockten die deutschen Sicherheitsbehrden im letzten August die Welt:

    Sie verhafteten in Mnchen drei Gauner, die russisches Plutonium verkaufen wollten den Stoff, aus dem die

    Atombombe ist. Doch die Aktion Hades war in Wahrheit ein groangelegter Schwindel, Moskau unter Druck zu

    setzen inszeniert vom Bundesnachrichtendienst in Pullach.

    ufthansa-Flug 3369 aus Moskauwird von Staats wegen erwartet.L Polizisten in Uniform, bayerische

    Kriminalbeamte und Geheime vomBundesnachrichtendienst (BND) beob-achten auf dem Mnchner Flughafen dieLandung der Maschine.

    Neben der Ausstiegsluke der Boeing737, die im Modul B, Finger 109, desFranz-Josef-Strau-Airports andockt,halten sich zwei Kriminalbeamte ver-steckt und mustern die Passagiere. InGepckhalle C bereiten sich Kollegenauf den Zugriff vor.

    Zielstrebig picken die Beamten einenkleinen dunkelhaarigen Fluggast undseinen schwarzen Delsey-Hartschalen-koffer heraus. Ein zweiter Mann, der

    den Kolumbianer Justiniano TorresBen tez, 38, abgeholt hat, wird gleichmit verhaftet.

    Der Kofferinhalt, beschlagnahmt am10. August 1994, wurde weltberhmt.Nach drei Tagen war die Nachrichten-sperre von Journalisten geknackt wor-

    den, die Staatsanwlte und Kriminal-polizei ber den Fall verhngt hatten.Plutonium zum Verkauf titelte die

    New Yo rk Tim es . Bild am Sonntagrechnete aus, da das geschmuggeltePlutonium reicht, um das Trinkwasserin ganz Deutschland zu vergiften. DieNeu e Z rcher Zei tun g schrieb von ei-

    * Am 15. August 1994; links: Metallkoffer derFahnder mit Strahlenmegert.

    nem apokalyptischen Alptraum. DasMenetekel Nuklear-Terrorismus warThema auf Symposien und Kongressenrund um den Globus. Dem SPIEGEL(34/1994) waren die neuen Waffen derErpresser ein e Titelgeschichte wert.

    Torre s u nd sein K um pa n, d er

    49jhrige Spanier Julio Oroz Eguia,hatten an Urngste gerhrt. Plutoni-um, der gift igste aller Stoffe, diemenschlicher Erfindungsgeist je ge-schaffen hat, war auf einmal in derAlltagswelt nicht lnger abgeschottethinter hohen Zunen irgendwo in La-boratorien oder Reaktoren. Die spa-nisch sprechenden Gauner hatten denBomben-Stoff aus dem zerfallenen So-wjetreich herbeigeschafft und wollten

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    Plutonium-Schmuggler TorresDas Zeug hat seinen Preis

    BND-Zentrale in Pullach:Showdown vor der HaustrF.

    HELLER/ARGUM

    37DER SPIEGEL 15/1995

    nun im Westen das groe Geld verdie-nen.

    Genau dieses Szenario ngstigte dieMenschen besonders in Deutschland,seitdem zuvor im Mai in einer badischenGarage Plutonium in einer allerdingswinzigen Menge gefunden worden war.

    Jetzthatte ein Gangster-Trio der drit-te Mann war in einem Mnchner Hotel

    verhaftet worden versucht, 363,4Gramm waffenfhiges Plutonium und201 Gram m des Metalls Lithium 6 zu ver-

    schachern ein wichtigesElement fr die verhee-rendste aller Waffen, dieWasserstoffbombe.

    Niemals zuvor hatte eseinen solch gefhrlichenNuklear-Schmuggel gege-ben. Die Verhaftung inMnchen lste weltweit

    Alarmstufe rot aus. Regie-rungen von Washingt on bisTokio lieen sich ber dieEntwicklung des Falles re-gelmig berichten. Fllewie diese signalisierten,was die grte langfristigeBedrohung fr die Sicher-heit der Vereinigten Staa-ten sei,stellte der FBI-Di-rektor Louis Freeh fest.

    Unter lebhaftem Beifall des Publi-kums schrieb der deutsche Bundeskanz-ler Helmut Kohl an seinen russischenFreund Boris Jelzin einen Brief, doch

    bitte dafr zu sorgen, da kein spaltba-res Material in der Welt herumvagabun-diert. Um die Tatkraft der Regierungwenige Wochen vor der Bundestags-wahl ins rechte Licht zu setzen, sandteKohl dann seinen Staatsminister BerndSchmidbauer nach Moskau. DeutscherOrdnungssinn, das war die Botschaft,mute den Russen, die in ihrem chaoti-schen Land nichts mehr unter Kontrollehatten, den Weg weisen.

    In einem Zeitungsinter-view platzte Paul Mnster-mann, einer der hchstendeutschen Geheimdienst-

    Mnner, schier vor Stolz:Die Verhaftung in Mn-chen, lie der damaligeVizeprsident des Bundes-nachrichtendienstes wis-s en, sei das Ergebnissystematischer Planungund nachrichtendienstli-cher Methodik.

    Wohl wahr.Die Geschichte um den

    bislang weltgrten Pluto-nium-Schmuggel ist eineraffinierte Inszenierungdes Bundesnachrichten-

    dienstes, die Bomben-Ge-schichte e in B omben-Schwindel, eine der aben-teuerlichsten Aktionen,die der deutsche Geheim-dienst in seinen fast 40Dienstjahren angezettelthat. Vergleichbar ist sienicht mal mit dem Buben-stck, das Verfassungs-schutz und die Antiterror-gruppe GSG 9 im Juli 1978inszenierten: Mit einemSprengstoffanschlag aufden Hochsicherheitstrakt

    der Justizvollzugsanstalt

    Celle I wollten die Behrden damals ei-nen V-Mann in die Terrorszene ein-schleusen.

    Tarnbezeichnung fr die Plutonium-

    Aktion des Bundesnachrichtendiensteswar Operati on Hade s in der griechi-schen Mythologie der Gott der Unter-welt. Ziel von Hades war zu bewei-sen, da die neue unheimliche Gefahraus dem Osten tatschlich besteht.

    Um aller Welt zu zeigen, wie porsdie Atom-Arsenale des ehemaligen So-wjetreichs sind, inszenierte der BND ei-nen gewaltigen Bluff, mit allen Zutateneines Thrillers mit windig en, geldgieri-

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    Staatsminister Schmidbauer (l.) in Moskau*:Details kenne ich nichtDPA

    Besttigung der Hypo-Bank (Ausri): Kriegen wir es in bar?

    T I T E L

    40 DER SPIEGEL 15/1995

    gen Agenten, von Ehrgeiz zerfressenenGeheimdienst-Bossen, mit groen undkleinen Gangstern und Gaunern. DieHandlung spielt zwischen Madrid undMoskau, der Showdown vor der Pulla-cher Haustr in Mnchen. Geschachert

    wurde um 276 Millionen Dollar, zumin-dest auf dem Papier.Vor der ffentlichkeit luft das

    Gangsterstck bis heute als schlichterKriminalfall: Vom 10. Mai an mu sichdas Trio der Plutonium-Schmuggler vorder 9. Groen Strafkammer des Land-gerichts Mnchen wegen diverser Ver-ste gegen das Kriegswaffenkontroll-gesetz verantworten. Torres und seinenKomplizen drohen bis zu zehn JahreHaft.

    Der BND kommt in der Anklage-schrift nicht vor, nicht mal in der Zeu-genliste. Doch die Erfinder d er tolldrei-

    sten Geschichte haben ihren Coup exaktdokumentiert angefangen von der Pla-zierung eines BND-Lockvogels in derSchieber-Szene zu Madrid bis hin zu denVerkaufsgesprchen zwischen den V-L euten des Diens tesRafa und Robertou nd d en Pl ut oni um -Hndlern.

    D ie A kt en mi t d enAusschriften abgehr-ter Telefongesprche,mit Observationsberich-ten und Wortprotokol-len von Treffen zwi-

    schen BND-Spitzeln undAtom-Dealern, bei de-nen Geheime stets einMikro dabeihatten, la-gern beim BND und sei-nen Helfern.

    W er alles vo n d enVerantwortlichen derRepublik von dem ge-fhrlichen Unternehmenhart am Rande der Le-galitt gewut, wer es

    * Am 22. August 1994 mitdem russischen Geheim-dienst-Chef Sergej Stepa-schin.

    genehmigt und gedeckt hat, blieb un-klar. Kaum zu glauben, da nicht zu-mindest die rechte Geheimdienst-Handvon Helmut Kohl, Staatsminister BerndSchmidbauer, in die Aktion eingeweihtwar und sie gebilligt hat. D er Minister

    zum SPIEGEL: Die operativen Detailskenne ich nicht.Der inszenierte Plutonium-Schmug-

    gel ist im nachhinein einigen BND-Ob e-ren nicht mehr geheuer. Zu Recht be-frchten sie einen Skandal, wenn dieganze Geschichte an die ffentlichkeitkommt. Die Medien, heit es in ei-nem vertraulichen Bericht aus Pullach,knnten den Vorwurf der Anstiftungkonstruieren, was dem Prozeaus-gang und allen beteiligten Behrdenbzw. Personen nachhaltig schaden wer-de.

    Nur an dem branchenfremden Prsi-

    denten des Dienstes, Konrad Porzner,einem frheren Finanzexperten derSPD, lief das Stck offenbar vorbei. Ir-ritiert lie er, nachdem alles gelaufenwar, in seinem Hause nachfragen, ob

    BND-Leute als Agents provocateursaufgetreten seien.

    Wissen wollte er auch, ob die Pluto-nium-Lieferungen gepuscht und dieAnbieter nach Mnchen gelockt wor-den seien. Die Seinen beruhigten ihn:Ein klares Nein, Herr Prsident.

    In der Plutonium-Affre haben sichbeim BND die Trennlinien zwischen

    Halunken und Ehrenmnnern ins Un-kenntliche verwischt. Als ein BND-Mann sich sorgte, ob der Transport desPlutoniums auf dem Luftweg nicht zugefhrlich sei, was denn passiere, wenndie Maschine abstrze, blaffte ihn BND-Spitzel Rafa voller Verachtung an: Dasgeht mir doch am Arsch vorbei.

    Operation Hades war das Werk-stck eines nach der Wende gegrnde-ten Referats im BND, das sich um post-kommunistische Agenten-Sujets wieGeldwsche und Drogenhandel km-mern soll. De r in Haus 109 residieren-den Truppe mit dem Krzel 11A traut

    selbst in Pullach mancher nicht ber denWeg.Seit dem Bundesnachrichtendienst

    mit dem Ostblock auch seine Feindbil-der weitgehend abhanden gekommensind, sucht der Pullacher Dienst mit sei-nen insgesamt 6300 Auswertern, Spio-nen und Spitzeln nach Gr nden fr dieweitere Daseinsberechtigung. Abteilun-gen rivalisieren miteinander, jeder mi-traut jede m. Da der groangelegte Plu-tonium-Bluff jetzt herauskommt, hatmit diesen internen berlebensquerelenzu tun.

    In den letzten Monaten meldete sich

    immer mal wieder ein Unbekann ter beidem Mnchner Strafverteidiger WernerLeitner, der den Hftling Torres ver-tritt. Brutal, sagte der Anonymus, seider Fall von Kollegen angeschoben

    worden. Die Kamera-den wollten Lorbeerenernten. Die haben ihr ei-genes Sppchen ge-kocht.

    Der Maulwurf aus Pul-lach gab den Rat, in Spa-nien zu ermitteln. Dortkommen Sie weiter.

    In der deutschen Bot-

    schaft der spanischenHauptstadt hat tatsch-lich jene Geschichte an-gefangen, die spter dieMenschen quer ber denGlobus in Schrecken ver-setzte.

    Leiter der BND-Resi-dentur in Madrid ist Dr.Peter Fischer-Hollweg,Deckname Eckerlin,ein Klotz von Mann mitgeschliffenen Manieren.In der Botscha ft leitet Fi-scher-Hollweg offiziell

    das Politikreferat 2. Pe-

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    Plutonium-Brter Kernreaktor: Rede mit dem IwanG.

    GIANSANTI/SYGMA

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    44 DER SPIEGEL 15/1995

    dro, el Gordo, Pete r, den Dicken, nen-nen ihn die Spanier.

    El Gor do ist keiner dieser in Geheim-diensten hufig anzutreffenden Wichtig-tuer, die nur den Zeitungen des Landeshinterherschreiben. Fischer-Hollweg istvon anderem Kaliber: Er organisiertGeheimdienst-Aktionen und dirigiert inSpanien ein Agentennetz. Der BND-

    Resident heuert V-Leute an, und erzahlt nicht schlecht. 5000 Mark im Mo-nat plus Erfolgsprmie sind fr die frei-en Mitarbeiter leicht drin.

    El Gordos Stars waren Rafa undRoberto. Roberto heit eigentlich Pe-

    ter. Der ehemalige deutsche V-Mann istschon vor Jahrzehnten nach Spanien ge-kommen, weil dort das Leben nicht soschwer ist. Er betreibt eine kleine Plan-tage, wohnt in einer malerischen Finca.Hauptberuflich jobbte er fr das deut-sche Bundeskriminalamt (BKA) undauslndische Dienste, im alten Milieu,der Drogenszene. Irgendwann hat ihn

    der BND auch angeworben, nicht diefeine Art unter Sicherheitsleuten, aberPullach sticht mit fetten Prmien dieKonkurrenz aus, selbst die deutsche.

    Robertos Kumpan Rafa, 41, hat im-mer ein wildes Leben gelebt. Schon mit

    18 war er bei der Guardia Civil, spterbeim militrischen Nachrichtendienst,dann Ermittler im Drogenhandel. Dasknapp 167 Zentimeter groe Kraftpakettrgt auch den Tarnnamen Lolita.

    Eigentlich ist Rafa fr den BND tabu.Er gehrt zur sogenannten aktiven Re-serve der spanischen Polizei auch daseher fragwrdig, denn der BN D darf in

    befreundeten Lndern keine Sicher-heitskrfte abwerben. Wenn Rafas Ar-beit fr den BND publik werde, so stehtes in Rafas Pullacher Akte, knne daszum Skandalfall fr die deutsch-spani-schen Beziehungen werden.

    Uns fehlt nichtsWoher stammt das in Mnchen sichergestellte Plutonium?

    m 7. August 1994, 17.02 Uhr,whlt Justiniano Torres BentezAdie Nummer 007 095 3214241

    Moskau. Dort meldet sich Gena, einBekannter des Kolumbianers. DenDialog haben die Experten vom Baye-

    rischen Landeskriminalamt (LKA ) aufBand:

    Torres: Ich bin in Deutschland.Gena: Ist alles normal?Torres: Schwierig . . . Wenn du es be-

    kommst, mut du es Cesar geben. Erfliegt morgen um vier Uhr.Gena: Es ist alles nicht in Moskau. Brau-

    chen sie genau vier Kilogramm?Torres: Ja, wenn es morgen nicht geht,

    dann sptestens bermorgen.Gena: Ich kann es ja versuchen.Torres: Rede mit dem Iwan.

    Gena: Ich rufe gleich in Kasan an, ich

    mu wissen, ob ich hinfliegen soll.Torres: Das, was in Kasan ist, wird ver-

    schoben.

    Die beiden benutzen einen Code,

    aber die Lauscher in Mnchen wissengenau, worum es geht um den Bom-benstoff Plutonium. Auch die NamenCesar und Kasan sind ihnen gelufig:Cesar ist der Sekretr von Torres inMoskau, Kasan die Hauptstadt derrussischen autonomen Republik Tata r-stan, einst eine der Waffenschmiedendes zerborstenen Sowjetreichs. Seit 40Jahren werden hier Militrhubschrau-ber montiert.

    Torres hat beste Verbindungen nachKasan. Er war jahrelang Partner einesgroen Helikopterwerkes und betrieb

    gemeinsam mit den Managern sogar inMoskau eine nicht sonderlich erfolg-reiche Verkaufsfirma.

    Punkt 19.48 Uhr ruft Torres wiederan: We nn von Iwan eine positive Ant-

    wort kommt, gut, wenn nicht, dann ru-fe in Kasan an und mache was aus. Ichkomme morgen, und dann fliegen wirzusammen nach Kasan.

    Dann: Ich nehme ein Kilogrammmit und fliege zurck.

    Namen von Torres-Helfern, ihre Te-lefonnummern, ihre Verbindungen,von einigen sogar die Adressen, findensich in den Abhr-Unterlagen desLKA. Suberlich hat man die Bnderaus dem Russischen und Spanischenbersetzen lassen.

    Dutzende Hinweise ergeben sichdarauf auf die Hintermnner des Ko-

    lumbianers. Aber sie helfen dem LKAnicht weiter. Denn bis heute blockendie Russen ab.

    Am 2. November, drei Monate nachder Verhaftung von Torres und seinemPartner Julio Oroz Eguia auf demMnchner Flughafen, schickte dasLKA ber Interpol einen langen Fra-genkatalog an die Sicherheitsbehrdenin Moskau: welche Personen zu den 18aufgefhrten Telefonanschlssen ge-hrten, welche Firmen Torres betrie-ben habe, wer seine Angestellten sei-en?

    Die Antwort kam vier Wochen sp-

    ter ber das B undeskriminalamt(BKA) in Wiesbaden: Ein paar Adres-sen, einige Firmennamen, Erkennt-nisse zu den Anschluinhabern lgenleider noch nicht vor.

    Die unergiebige Antwort liegt aufder Linie, an die sich die MoskauerPolizisten strikt halten: WaffenfhigesNuklearmaterial ist in Ruland vorDiebstahl sicher. Anderslautende Be-richte sind bswillige auslndische Pro-paganda. Die Standardantwort kannder eigens fr diese Dinge nach Mos-kau abgeordnete BKA-Mann Rainer

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    Plutonium-Pressekonferenz von Mnchen*: Nebelwerfer in Stellung gebrachtACTIONPRESS

    45DER SPIEGEL 15/1995

    Die beiden V-Leute arbeiten gern frden BND . D er Dienst zahlt gut. Beson-ders viel Geld gibt es, wenn der Scoopnicht im Ausland, sondern in Deutsch-land luft.

    Rafa und sein Kumpel Roberto trafenim Madrider Milieu auf Leute, die Kon-

    takte in die zerbrochene Sowjetunionhatten: In deren Deals spielten, sobehaupteten sie jedenfalls, russi-sche Kriegswaffen en gros eine Haupt-rolle.

    In der Gauner-Run-de fhrte bei einer Zu-sammenkunft im Mailetzten Jahres ein ge-heimnisvoller Deut-scher das groe Wort.An einem SortimentKampfhubschraubern

    oder einer Prise Osmi-um hatte er kein Inter-

    esse. Er fragte nachPlutonium und immerwieder Plutonium das sei ein sehrstarkes Produkt. Mancher der Zuhreraber konnte mit dem Begriff gar nichtsanfangen. Doch allen fiel auf, da Rafaden Deutschen immer wieder auf denStoff brac hte.

    Etwa zehn Tage spter, Anfang Juni1994, fand im Foyer des MadriderNovotel ein weiteres Treffen mit demdeutschen Dunkelmann statt. Die Zu-

    * Mit dem bayerischen Innenminister GntherBeckstein (2. v. r.), am 15. August 1994.

    sammenkunft dauerte nur ein paar Mi-nuten. Eine Pro be Plutonium 239 wollteder Deutsche haben, unbedingt, und derStoff sollte nach Mnchen geliefert wer-den nur Mnchen komme in Frage.Warum? fragte einer. Dort habe ichein Labor.

    Der Ablauf der Madrider Farce ist ty-pisch fr derartige Geheimdienst-Ope-

    rationen: Einer, in diesem Fall der Spit-zel Rafa, macht den Aufreier, seinKomplize mimt den Mann von Geld. Ir-gend jemand sucht Plutonium und willdafr jeden Preis zahlen. Das macht dieRunde in der Szene. Geschickt wies V-Mann Rafa die Richtung, wo der Bom-ben-Stoff zu bekommen sei: Wenn ihrunfhig seid, werde ich selbst nach Ru-land fahren, um die Dinge zu regeln.

    Der Dreh klappte. Zwischen Madridund Moskau hatte sich herumgespro-chen, da sich ein Deutscher ernsthaftfr Plutonium interessierte. D er Stoffsollte unbedingt nach Mnchen ge-

    schafft werden. Di e Lieferanten in Mos-kau bissen an.Am 11. Juli des vergangenen Jahres

    tauchten Oroz und Torres in der bayeri-schen Hauptstadt auf. Die beiden hatten

    sich in der nic araguani-schenBotschaftinMos-kau kennengelernt. Sielebten von Gelegen-heitsgeschften: Dn-ger, Zemen t, gesalzeneKuhhute, auch malHubschrauber.

    Oroz hatte dem Ko-lumbianer erzhlt, da

    jemand in Spa nien wiewild Plutonium suche.Torres war interessiert. Er kannte inMoskau viele wichtige Leute. Die wa-ren jetzt hilfreich (siehe Kasten). Einermit dem Allerweltsnamen Konstan-t in b ra ch te ih m e in e P ro be . D re iGramm Plutonium 239 nur, aber im-merhin.

    Oroz und Torres fuhren mit demZug von Moskau ber Berlin nachMnchen. Ein Anrufer aus Spanienhatte sie in die bayerische Hauptstadtbestell t. Hier und nur hier knnedas Geschft ablaufen. Den Stoff ver-

    Schmidt schon singen: Uns fehltnichts.

    Nach dem Mnchner Verhaftungs-spektakel prsentierte der russischeGeheimdienst den deutschen Kollegen

    ein paar Festnahmen in einer Garage.Hintermnner seien ins Netz gegan-gen, teilte der Dienst dem Kanzleramtmit, sogar Nuklearmaterial habe manbeschlagnahmt. Doch dabei handeltees sich nur um vergleichsweise harmlo-se Uran-Pellets, schwach angereichert Nukleartrdel.

    Nach auen demonstrieren die Rus-sen Zusammenarbeit, aber in der Sa-che mauern sie besonders der immernoch allmchtige Geheimdienst. Frden ehemaligen KGB-Chef LeonidSchebarschin ist die Sache klar: Un-ser nukleares Potential soll unter west-

    liche Aufsicht gestellt werden. Umdas zu erreichen, wrden westlicheDienste auf sogenannte aktive Ma-nahmen zurckgreifen. Schebarschin:Die Plutoniumaffre ist ein Parade-beispiel dafr.

    Abwechselnd verweisen russischeOffizielle auf England, Japan oder so-gar die Bundesrepublik als Herkunfts-land fr die in Mnchen sichergestell-ten 363,4 Gram m Plutonium. Doc h zu-mindest das steht nachweisbar fest:Torres hat den tdlichen Stoff in derehemaligen Sowjetunion beschafft.

    Wahrscheinlich stammt das Material

    aus einer russischen Forschungsanlage.Fachleute der europischen Atomkon-trollbehrde Euratom vermuten, daes fr einen experimentellen Brutreak-tor bestimmt war.

    Das auf 87,2 Prozent angereichertePlutonium lag knapp zehn Prozent un-ter der von Kaufmann Boeden ge-forderten besten Bombenqualitt. Ummit dem Material eine Atombombe zubauen, seien, so die Klner Gesell-schaft fr Anlagen- und Reaktorsi-cherheit in einem Gutachten, etwaneun Kilogramm erforderlich.

    Der Spitzel macht

    den Aufreier, sein

    Komplize mimt

    den Mann von Geld

    Nuklearschmuggel weltweit

    1992 1993 19940

    50

    100

    150 Vom Bundesnachrichtendienst (BND)registrierte Flle

    53 56

    124

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    Celler Loch (1978)*: Bubenstck vom VerfassungsschutzDPA

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    steckten sie in einem Loch im Waggon.Im Hotel Altano in der Arnulfstrae 12,Zimmer 705, warteten sie auf den Ku-fer. In Madrid ist Rafa von ihrer An-kunft informiert und alarmiert den rtli-chen BND-Chef.

    Whrend die beid en mit ihrer Plutoni-um-Probe im Hotel warten, zgern inMnchen der verantwortliche BND-Ab-

    teilungsleiter Rudolf Werner und seinReferatsleiter, Duzfreund Jrgen Mer-ker. In den oberen Rngen des Geheim-dienstes gibt es Skrupel. Soll man dieriskante Operation durchfhren?

    Der Leiter derBND-Residentur inMadrid schickt eilig ei-nen Warnbrief nachPullach. Falls sein V-Mann Rafa kein Okayfr den E insatz be-komme, wrden diebeiden Hndler dasTerritorium der Bun-

    desrepublik am 20. Ju-li verlassen. Auer-dem mahnt Fischer-Hollweg ein anstn-diges Honorar fr den V-Mann an. Sp-testens jetzt drfte StaatsministerSchmidbauer mit dem Fall beschftigtworden sein. Vorsorglich fragte derBND bei ihm an, wieviel Geld solcheHinweise auf Nuklear-Schmuggel wertseien.

    Schlielich entscheidet sich der BND,das Stck zu wagen. Rafa reist am 22. Julian. Seine Frau ist mit von der Partie, einEhepaar fllt weniger auf. Der Spaniersoll als Mittelsman n zwischen den Liefe-

    ranten und de m BND fungieren. Pullachhat inzwischen das bayerische Landeskri-minalamt eingeschaltet, die MnchnerStaatsanwaltschaft auch, denn der BND

    * Polizeibeamter bei der Spurensicherung.

    hat schlielich keinerlei polizeiliche Be-fugnisse. Verhaften mu die Polizei.

    Die Staatsanwlte sind unsicher. DieMadrider Vorgeschichte kennen sienicht. Oberstaatsanwalt Helmut Meier-Staude ahnt, da der Fall kompliziertwerden knnte. Wen n ein Geheimdienstden Takt vorgibt, gelten andere Regeln.

    22. Juli, 20 Uhr, ein Freitag. Im Hotel

    Excelsiorbeschnuppern sichzunchstdieaus Moskau angereisten Anbieter undRafa. Beilufig lt Rafa fallen, da er400 000 Dollar schon mal mitgebrachthabe.

    Ob e r denn vier Kilo-gramm besorgen kn-ne, fragt er Torres. Derantwortet grospurig:Kein Problem. DasMaterial sei allerdingsnoch in Moskau, viel-leicht in Sibirien. Ei neProbe habe er ab er mit-gebracht.

    Sie ziehen sich in Ra-fas Hotelzimmer zu-rck. Torres zeigt eine etwa fnf Zenti-meter lange Metallhlse vor. Sie ist miteinem Stopfen verschlossen. Ich ver-stehe nichts davon, sagt Rafa und willdas Pulver mal berhren. Oroz mimtden Kenn er: Wenn etwas davon an dei-nen Fingerngeln hngenbleibt, kann esmit dir vorbei sein.

    Was wollt ihr mit dem Zeug ma-chen? fragt Torres. Wir wollen in ei-nem Land den Regierenden erschrek-ken , erklrt Rafa. Di e richtigen Kuferkmen noch. Sie brchten einen Chemi-

    ker mit, hinter dem die Polizei her sei.Ein As.Drei Tage spter taucht der ersehnte

    Kufer auf. Walter Boeden, eine tadel-lose Erscheinung, spielt den reichenKaufmann aus Mnchen. In Wahrheit

    Vor dem Finale

    schaltet der

    BND die bayerische

    Polizei ein

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    Torres, Ehefrau, Zentrale der Bayerischen Hypo-Bank in Mnchen: Geheime Aktion des inner circleW.

    M.

    WEBER

    T I T E L

    52 DER SPIEGEL 15/1995

    ist Boed en ein noeP , ein nicht offen er-mittelnder Polizeibeamter.

    Boeden hat den Auftrag vom LKA amMorgen bekommen. Am Abend ist erschon gut prpariert, kennt sich aus mitPlutonium-Isotopen und gefhrlichenStrahlungen.

    Techniker des LKA haben ihn mit ei-nemkleinenMikroausgestattet.AlleGe-

    sprche werden heimlich aufgenommen.

    Eine Idee der Staatsanwaltschaft . Sie willdie Verhandlungsgesprche im Wortlautmitbekomme n. Die Dialoge werden sp-ter dokumentiert. Minute fr Minute Lauschangriff steht auf d en Pap ieren.

    25. Juli, 19.20 Uhr . Torres erzhlt, daes mindestens vier verschiedene Qualit-ten Plutonium gebe 38, 39, 41,45 , Boeden sagt: Mich interessiertnur 39. Er bevorzuge Plutonium 239 miteiner Anreicherung von 95 oder 96 Pro-zent.

    Das ist der beste Bomben-Stoff.Der BND, der die Operation eingef-

    delt hat, sitzt mit am Tisch. Der Dolmet-scher Adrian, der das deutsch-spanischeFachgesprch zwischen Boeden u nd de naus Moskau angereisten Plutonium-Lie-feranten bersetztund mitverhandelt, ar-beitet fr den Pullacher Geheimdienst,Abteilung 11A.

    Torres erklrt, da er ber MoskauStoff besorgen knne. Wir haben zweiKiloin einer Fabrik,zweiKiloineineran-deren. Fr dieBombe braucht esminde-stens drei Kilo, bei guter Qualitt.

    Boeden holt aus seinem Auto einStrahlenmegert, bittet um die Probeund nimmt sie mit ins Labor. ber Ge ld

    reden wir spter.

    Anderntags, Punkt 15.19 Uhr, treffensie sich in der Lobby des Kempinski-Ho-tels. Boeden nippt an seinem Cappucci-no und sagt zu Adrian: Ich war vorhinim Labor. Das sieht aber schon sehr,sehr gut aus.

    Der Mann vom Landeskriminalamthat die Moskauer Probe im Institut frRadiochemie in Garching bei Mnchen

    untersuchen lassen. Ergebnis: Plutoni-

    um 239, zu 87,7 Prozent angereichert,waffenfhig.

    Torres will Geld fr die Probe, aberBoeden stellt sich stur: Die Probenzahle ich grundstzlich nicht. Das ist indiesem Geschft nicht blich. Ich habeschon so viele Proben bekommen, unddann ist auer dieser Probe nie mehr et-was gekommen. Die Leute sind mit die-s em Geld abgefah-ren. Torres erwidert:Das Zeug sei in ei-ner Fabrik. Er mssees holen. Es hat sei-

    nen Preis , den muman eben zahlen.Wenn Sie wollen,

    sagt e r zu B oe de n,dann fahren wir nachMoskau, und ich ber-ge be es I hn en d or t. . . Es liegt alles bereit. Dort sind elf

    Kilo.Oroz mischt sich ein. Er habe in der

    Fabrik angerufen und die Nachfrageerklrt. Da sagen die: ja. Aber der Si-cherheitsdienst Rulands wolle auchkassieren. Die Lsung liegt in Ru-land, besttigt Rafa, der Vertrauens-

    mann des BND.

    Am Aben d bringt Boeden zwei lngli-che Umschlge mit. 5000 Mark und 2000Mark. Spesen. Die Geschichte soll jaweitergehen.

    Weder den BND noch die Leitung desLandeskriminalamtes kmmert es, dadie Aktion Hades gegen ein paarGrundstze verstt, die der Arbeits-kreis Innere Sicherheit der Landesin-

    nenminister fr die Bekmpfung der

    Nuklear-Kriminalitt formuliert hat undauf die sich alle deutschen Polizeibehr-den verstndigt haben.

    Der Einsatz von verdeckten Ermitt-lern, s teht da, is t auch unter demAspekt der knstlichen Marktbeschaf-fung zu beurteilen und abzuwgen.Und: Probekufe drfen nicht dazufhren, da im Aus land befindl i-

    ches Mater ial nachDeutschland gebrachtwird.

    Die Operation vonMnchen ist derar t

    derb, da darber einStreit zwischen BKAund BND ausgebro-c he n i st. A uc h da sBKA wute vondem Plutonium-Ange-bot aus Moskau. Der

    zustndige Kriminaldirektor in Wiesba-den aber untersagte seinem MadriderV-Mann Roberto, den Stoff ins Land zuholen. Der BND war weniger skrupu-ls.

    Es ging gegen den alten Feind: TatortMoskau lieferte gleichsam gebndelt al-le Lieblingsverschwrungen der Nostal-

    giker beim Dienst. Ein finsterer Super-

    276 Millionen

    Dollar in Scheinen,

    das ist doch wohl

    etwas zuviel Zeug

  • 7/27/2019 Panik Made in Pullach (Der Spiegel, 10.04.1995)

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    53DER SPIEGEL 15/1995

    komplott von neuer Mafia und altemKGB.

    Der Blick hinter die Kulissen der Ge-heimen enthllt, fast nebenbei, ein in-teressantes Detail: Bei Geschften die-ser Art sind Banken unverzichtbar.

    Kaufmann Boeden bedient sich beiseinen vielfltigen Jobs fr das Landes-kriminalamt einer Mnchner Adresse:

    Die Bayerische Hypotheken- undWechsel-Bank mit der Hauptniederlas-sung an der Mnchner Theatinerstrae11 ist Deutschlands sechstgrte Ba nk.

    Das Geldhaus stattete den KaufmannBoeden mit angeblichem Firmensitzim Fritz-Meyer-Weg 55, Mnchen mitKreditzusagen aus, als sei er ein beraussolventer Kunde. Fr Rauschgift-Ge-schfte, die Boeden ebenfalls im Auf-trag des LKA auszufhren pflegte, stan-den ihm 2,5 Millionen Dollar zur Verf -gung. Auf einem echten Geschftsbo-gen der Hypo-Bank stand, das Geld lie-ge zur Auszahlung bereit.

    In den Verhandlungen mit den Pluto-nium-Lieferanten mute mehr Geldher. Zunchst gab die Hypo-Bank eineBankbesttigung ber 122 MillionenDollar. Das reichte nicht. In einer klei-nen Mnchn er K neipe vis-a-vis des Ho -tels Excelsior einigten sich Boeden unddie Plutonium-Beschaffer schlielich frvier Kilogramm Plutonium 239 auf 276Millionen Dollar nach damaligem Dol-larkurs immerhin 435 Millionen Mark.

    berliefert ist noch ein bizarrer Dia-log. Kriegen wir es in bar? fragteOroz. bersetzer Adrian, der Mannvom BND, klrte auf: 276 Millionen

    Dollar in Scheinen, das ist doch wohl et-was zuviel Zeug. Fr Boeden und seine Banker von der

    Hypo bedeutete der Irrsinns-Betragkein Problem: Lieber Herr Boeden,schrieb das Geldinstitut, unte r Berck-sichtigung Ihres Vermgensstandes undIhres hervorragenden Rufes sind wir be-reit, in der Lage und willens, fr IhreGeschftstransaktionen Zahlungen biszu einem Betrag von 276 Millionen Dol-lar zu garantieren.

    Wer bei der Hypo nachfragt, ob derKaufmann Walter Boeden dort bekanntsei, stt auf Schweigen. Der Mann,

    dem das Kreditinstitut 276 MillionenDollar geben wrde, ist den Bankernangeblich kein Begriff. Diese Briefeknnen gar nicht echt sein, erklrtevorletzte Woche ein Sprecher. Fl-schung, Fiktion, Machwerk.

    Erst bei der dritten Nachfrage knik-ken die Hypo-Leute ein: Der 276-Mil-lionen-Dollar-Freibrief sei eine gehei-me Aktion gewesen, nur einem innercircle bekan nt.

    Als die Hypo-Bank dem KaufmannBoeden den Freibrief ausstellte, warTorres bereits wieder in Moskau, umdas Plutonium zu besorgen. Oroz faxtedie Bankbesttigung sofort nach Mos-

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    Torres-Anwalt Leitner: Tips vom MaulwurfF.

    HELLER/ARGUM

    T I T E L

    56 DER SPIEGEL 15/1995

    kau und r ief seinenKumpel T orres an:Die 276 sind da . . .Ich war gestern auf derBank. Torres trium-phierend: Jetzt wer-den sich die Tore ff-nen.

    Jedes Manver der

    De al er wurde vonden Sicherheitskrftenberwacht . B oedenhatte immer ein Mikroin der Tasche, Abhr-spezialisten protokol-lierten jedes Telefonatzwischen Oroz undTorres und den Ver-bi nd ung sl eu te n inMo sk au . A uc h d erZeitpunkt der Rck-kehr des Kolumbia-ners mit dem tdlichen Stoff war keinGeheimnis: Torres hatte bei der Luft-

    hansa gebucht. Am 10. August, Punkt13.18 U hr meldete er sich aus Moskaubei Oroz ab: Ich steige jetzt ins Flug-zeug. In einem schwarzen Schalenkof-fer fhrt er als erste Lieferung 363,4Gram m Plutonium 239 mit sich.

    Der Rest war Routine: Die Verhaf-tung der Plutonium-Dealer auf demMnchner Flughafen enthllte vor allerWelt: Die neue Atomgefahr aus demOsten ist keine Fiktion. In das Vakuum,das die Internationale hinterlassen hat,kann schon bald die Internationale derNuklear-Terroristen treten. Die Russenstanden am Pranger.

    In Bonn und Mnchen wurden dieNebelwerfer in Stellung gebracht. Esgalt, die Geschichtem it ei ne m d ic ht enSchleier der Geheim-haltung zu berziehen.Zunchst muten sichalle Beteiligten ge-gen die Frage wapp-nen, wieso sie es zu-gelassen hatten, dahochgiftiges Plutoniump er Flugzeug na chDeutschland geschafftwurde. Der Mnchner Leitende Ober-

    staatsanwalt Dieter Emrich erklrte:Es war nicht klar, ob das Materialschon in der Bundesrepublik herumva-gabundierte.

    Kanzlergehilfe Schmidbauer behaup-tete sogar in einer Sondersitzung desAuswrtigen Bundestagsausschusses,man habe nicht gewut, da Plutoniuman Bord einer Lufthansa-Maschine ein-geflogen werden sollte.

    Alles Qualm: Das bayerische LKAhatte zum Torres-Empfang zwei Strah-lenmestationen am Flughafen aufge-baut. Vorsorglich wurden Flughafenper-sonal und Polizei spter auf nukleare

    Kontaminationen untersucht. Mit der

    Einfuhr von Strahlengut solcher Quali-tt hatten die Behrden schlielich kei-

    ne Erfahrung.Als der parlamentarische Geschfts-fhrer der SPD-Fraktion, Peter Struck,damals den vagen Verdacht uerte, d erBND habe die Akti on gefingert und seinParteivorsitzender Rudolf Scharpingvon Inszenierung sprach, erregte sichStaatsminister Schmidbauer medien-wirksam: Absur d, ungeheuerlich, reinePolemik. In keinem Fall, beteuerte er,seien V-Leute als Aufkufer von Pluto-nium aufgetreten.

    War eine beraus heikle Grooperati-on des Geheimdienstes an dessen ober-stem Aufseher vorbeigelaufen? Gegen-

    ber dem SPIEGEL erklrte Schmid-bauer im vergangenen August: Ich legemeine Hand dafr insFeuer, da der BNDnicht als Nachfragervon illegal angebote-nem Nuklear-Materialaufgetreten ist. Das ha-be ich dem Dienst un-tersagt.

    Derze it sind Schmid-bauer und sein BNDdamit beschftigt, dieAffre endgltig zu

    entsorgen. Die Pullacher hatten monate-

    lang rger mit ihrem V-Mann Rafa. De rSpanier verlangte 300 000 Mark die sei-en ihm versprochen worden, sagt er.

    Aus Madrid bekam er Untersttzungvon El Gordo: Da die Landtagswahlenin Bayern inzwischen stattgefunden ht-ten, knne es doch kein Problem mehrsein, die Operation Hades auch finan-ziell abzuwickeln.

    Rafa war imVertrauen auf dieverspro-chene fette Prmie finanzielle Verpflich-tungen eingegangen. Nach langem Feil-schen zahlte ihm der Dienst knapp100 000 Mar k.

    Auch das Land Bayern soll noch fr

    den Einsatz zahlen. Eine weitere sechs-

    Die Prmie

    wird rckwirkend

    ab dem Tag der

    Festnahme verzinst

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    Deutsche Botschaft in Madrid: Prmie fr LolitaWHITESTAR

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    stell ige Summe steht in Rede. DasMnchner LKA lie den BND wissen,eine Auszahlung knne erst nach Ab-schlu des Prozesses gegen Torres unddie anderen erfolgen. Rafa solle keinenVerlust haben. Die Prmie knne, ge-wissermaen als Ausgleich, rckwir-kend ab dem Tag der Festnahme ver-zinst werden .

    Das Gezerre um R afa i rr it iertedie Mnchner Staatsanwaltschaft. DieStrafverfolger drohten , den V-Mann zurFahndung auszuschreiben, wenn ernicht zu einer Vernehmung im Fall Tor-res und Oroz erscheine. Er kam, in Be-gleitung eines Geheimdienstlers.

    Nachbeben der Affre sind auch an-derswo noch zu spren. Vor dem Be-such des spanischen Militrgeheim-

    dienstchefs Generalleutnant EmilioAlonso Manglano beim BND erging ei-ne dringliche Warnung aus dem eige-nen Haus, Ausfhrungen zur Operati-on Ha des sollten aus einer fr Mangla-no vorbereiteten Ak te entfernt werden.

    Der BND-Warner: Es gibt nicht dengeringsten Anhaltspunkt dafr, dader Generalleutnant Einzelheiten die-ser Operation kennt. Man sollte

    schlafende Hunde nicht wecken.Doch die Spanier sind lngst hell-wach. Was da im Fall Oroz und sonsti-ge abgelaufen sei, emprte sich im Fe-bruar ein spanischer Geheimdienstoffi-zier in Madrid gegenber dem SPIE-GEL , war ein unfreundlicher Akt .

    Aber Madrid hat sich gercht. BND-Resident Dr. Eckerlin teilte unlngstder Zentrale mit, da sowohl smtlicheTelefonanschlsse der Residentur in derdeutschen Botschaft als auch die Privat-anschlsse der BNDler in Madrid vonder spanischen Nationalpolizei abgeh rtwrden. Der Bonner Geheimdienst-

    koordinator Schmidbauer hat dennoch

    Manglano um Untersttzung beim welt-w eit en Ka mp f ge gen d en A to m-Schmuggel gebete n.

    Ansonsten hat Schmidbauer an derPlutonium-Sache nichts auszusetzen, imGegenteil: Das war ein politischer Er-folg. Das hat uns die Kooperation mitden Russen gebracht, erklrte er jetztdem SPIEGEL.

    Worber der Minister nicht redet:Operation Hades hat politischen Flur-schaden angerichtet. Whrend Bonnund Mnchen die Sicherheitskrfte lob-ten, fhlten sich die Russen vorgefhrt.Es wird versucht, schimpfte de r russi-sche Sicherheitsspezialist Wladimir Kli-menko, die Berliner Mauer wiederzu-errichten. Die Sache stinkt, be-schwerte sich ein Ex-KGB-General

    schon im vergangenen Herbst beimSPIEGEL.

    Wieso, fragte Moskau, tauche Nukle-ar-Material eigentlich vor allem inDeutschland auf? Der ehemalige BND-Chef Klaus Kinkel beeilte sich mitzutei-len, da es hnliche Probleme inFrankreich, in de r Schweiz und in ande-ren europischen Lndern gebe.

    Bislang haben aber nur die Deutsc hen

    mit dem Kder fast einer halben Mil-liarde Mark versucht, den atomarenSchwarzmarkt zu puschen.

    Die Operation Hades beweist, dadie Geheimdienste immer noch, an par-lamentarischen Kontrollen vorbei, Poli-tik betreiben, die nicht davor zurck-schreckt, notfalls Furcht und Panik zuschren.

    Die an der Operation beteiligtenBND-Mitarbeiter wurden belobigt:Frmliche Anerkennung steht auf derUrkunde; sie trgt das Wappen desBundesnachrichtendienstes den heili-gen Georg, wie er den Drachen be-

    zwingt.