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Peter Altmiks: Zu groß, um pleitezugehen – Dauerbaustelle Bankenregulierung Zu groß, um pleitezugehen – Dauerbaustelle Bankenregulierung Peter Altmiks (Hrsg.) Argumente der Freiheit 33 ISBN 978-3-942928-11-3 8QLYHUVXP .RPPXQLNDWLRQ XQG 0HGLHQ $* Argumente der Freiheit Herausgegeben vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Band 29: Steffen Hentrich (Hrsg.): Eine Wende zum Besseren? Herausforderungen der Energiepolitik für die Elektrizitätsversorgung Band 30: Peter Altmiks (Hrsg.): Marktordnung im Finanzsystem - Bankenregulierung, Rating-Agenturen, Risikomanagement Band 31: Detmar Doering (Hrsg.): Kleines Lesebuch über Freiheit und Religion Band 32: Gérard Bökenkamp (Hrsg.): Meinungsfreiheit und Religion Universum Kommunikation und Medien AG Argumente der Freiheit, Band 33

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Peter Altmiks (Hrsg.)

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ISBN 978-3-942928-11-3

Argumente der Freiheit

Herausgegeben vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Band 29: Steffen Hentrich (Hrsg.): Eine Wende zum Besseren? Herausforderungen der Energiepolitik

für die Elektrizitätsversorgung

Band 30: Peter Altmiks (Hrsg.): Marktordnung im Finanzsystem - Bankenregulierung,

Rating-Agenturen, Risikomanagement

Band 31: Detmar Doering (Hrsg.): Kleines Lesebuch über Freiheit und Religion

Band 32: Gérard Bökenkamp (Hrsg.): Meinungsfreiheit und Religion

Universum Kommunikation und Medien AG

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Band

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Peter Altmiks(Herausgeber)

Zu groß, um pleitezugehen – Dauerbaustelle Bankenregulierung

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Zu groß, um pleitezugehen –Dauerbaustelle Bankenregulierung

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Zu groß, um pleitezugehen – Dauerbaustelle Bankenregulierung

Peter Altmiks (Hrsg.)

Universum Kommunikation und Medien AG

Berlin 2013

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Impressum:1. Auflage, Dezember 2013© 2013 Universum Kommunikation & Medien AG

UmschlagGestaltung: altmann-druck GmbH

Satz und Druck: altmann-druck GmbH, BerlinPrinted in Germany - ISBN 978-3-942928-11-3

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Inhalt

Einleitung ............................................................................... 7Peter Altmiks

Der Weg in die Nullzins- und Hochverschuldungsfalle ....... 12Gunther Schnabl1. Einleitung .......................................................................... 122. Expansive Geldpolitik, wandernde Blasen und steigende Staatsverschuldung .............................................................. 143. Die Hysterese der Nullzins- und Hochverschuldungsfalle ........................................................ 224. Auswirkungen der Niedrigzins- und Hochverschuldungsfalle ........................................................ 275. Ausblick: Die schleichende Verstaatlichung als Wachstumsbremse.......................................................... 36Literatur ................................................................................ 38

Geldpolitik und die Finanzkrise ........................................... 40Lawrence H. White1. Ein Überblick ..................................................................... 402. Ursachen des Immobilienbooms und -niedergangs............ 433. Das Finanzsystem verstärkt den monetären Impuls. .......... 554. Das Ende des Immobilienbooms ....................................... 59Literatur ................................................................................ 61

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Ist es überhaupt notwendig, Bankenkapital zu regulieren? Erkenntnisse aus Großbritannien ..................... 63Forrest Capie und Geoffrey WoodZusammenfassung ............................................................... 631. Einführung ......................................................................... 652. Erfahrungen mit Bankkapital im Vereinigten Königreich ..... 673. Bankkapital im 20. Jahrhundert vor der Regulierung ......... 694. Die Baseler Regeln – Version eins .................................... 745. Die Baseler Regeln – Version zwei ................................... 786. Vickers und Volcker .......................................................... 807. Das eigentliche Ziel ........................................................... 838. Was wollen wir also? ........................................................ 85Literatur ................................................................................ 87

Stabiler Bankensektor trotz suboptimaler Politik? Einige Politikempfehlungen ................................................. 89Peter Altmiks1. Krisen und kein Ende ........................................................ 892. Bisherige Bankenregulierung ............................................ 933. Kommende Bankenregulierung ....................................... 1024. Politikempfehlungen .........................................................116Literatur .............................................................................. 126

Autoren .............................................................................. 134

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Einleitung

Peter Altmiks

Nach der weltweiten Finanzkrise ist das Vertrauen in die Markt-wirtschaft erschüttert. Allenthalben wird eine stärkere Regulie-rung vorgeschlagen. Bürger und Unternehmen sind zu Recht erzürnt, dass Kreditinstitute mithilfe von Steuergeldern „geret-tet“ wurden, während sie selber Privatinsolvenz oder Konkurs anmelden müssen. Der Skandal um die Manipulierung von Re-ferenzzinssätzen (Libor und Euribor) und die jüngst ausgespro-chene Rekordstrafe der EU-Kommission von 1,7 Mrd. Euro gegen führende Großbanken hat sogar folgende Schlagzeile produziert: „Banker bedrohen das Wirtschaftssystem.“1

In der EU als auch in der Europäischen Währungsunion sind noch schwerwiegende Probleme zu lösen. Große Teile der Kreditwirt-schaft werden von hohen Schulden geplagt, insbesondere in Südeuropa. Die Schuldenstände der Staaten in Europa sind bis auf wenige Ausnahmen gestiegen. Die steigende Anzahl über-schuldeter privater Haushalte und Unternehmen bedroht die Wirt-

1 Beise, Marc, Banker bedrohen das Wirtschaftssystem, in: Süddeutsche Zei-tung vom 04.12.2013.

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schaft sowohl auf der Investitions- als auch auf der Konsumseite. Die Nehmerstaaten schauen auf Deutschland als bisher finanz- und wirtschaftspolitisch einigermaßen robusten Geberstaat. Nachdem die große Koalition beschlossen ist und die neue Re-gierung im Amt ist, werden wohl Finanzierungswünsche geäußert werden. Viele bis dahin veröffentlichte Zahlen könnten sich als geschönt herausstellen. Der Druck der “Märkte” wird zunehmen, und der deutsche Finanzminister und die Kanzlerin werden be-drängt werden, dass, sobald eine europäische Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank installiert ist, die notleidenden Banken in Südeuropa und Irland aus dem Schuldenschirm ESM mit frischem Kapital ausgestattet werden. Ob die Bankenaufsicht dann tatsächlich bereits funktionsfähig ist, könnte eher großzügig ausgelegt werden, so wie beim Fiskalpakt und den Maastricht-Kriterien auch.

Im Gegensatz zu den Hilfen für die Schuldenstaaten in der Euro-zone wird es bei der Bankenrekapitalisierung nicht einmal mehr formal einen Rückgabeanspruch geben. Denn wenn Eigenkapital in eine Bank eingelegt und durch Wertberichtigungen des Vermö-gens anschließend aufgezehrt wird, dann ist es verloren. Einen Rückgabeanspruch für unternehmerische Risiken gibt es nicht. Es ist zu befürchten, dass der europäische Steuerzahler ab 2014 zum größten Aktionär der Banken in Südeuropa und in Irland wird. Angesichts dieses Szenarios ist ein Ausweg aus der Systemre-levanzfalle und eine Gesundung der Kreditwirtschaft zwingend erforderlich.

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Die Politik darf sich durch den Hinweis auf eine tatsächliche oder vermeintliche Systemrelevanz nicht erpressen lassen. „Too big to fail“-Strukturen im Bankenbereich müssen auf-gebrochen werden. In den letzten Jahren sind zahlreiche Re-gulierungsmaßnahmen beschlossen worden, doch die Fehler bisheriger Regulierungen wurden nicht behoben. Weiterhin existieren Fehlanreize, die einerseits den Verbund von Haftung und Handeln verhindern und andererseits zu Übertreibungen führen können. Gebraucht wird stattdessen ein klarer ord-nungspolitischer Rahmen, der Haftung und Handeln wieder zu-sammenführt.

Im ersten Beitrag verdeutlicht Gunther Schnabl, wie eine zu expansive Geldpolitik zu Boom- und Krisenphasen auf den Finanzmärkten führte, die wiederum neue, sehr expansive Geldpolitiken notwendig erscheinen lassen. Es wird gezeigt, wie asymmetrische Geldpolitiken (stärkere Zinssenkungen in Krisenphasen als Zinserhöhungen im Aufschwung nach dem Boom) zu einem Verfall der Zinsniveaus gegen null geführt haben, was für sich ein Anreiz zu steigender Staatsverschul-dung ist. Der Beitrag führt Gründe für die Hysterese der Nied-rigzins- und Hochverschuldungsfalle an, was zu einer Quasi-Verstaatlichung des Bankensektors und damit zu langfristiger Stagnation führen kann, wie sie in Japan seit zwei Dekaden zu beobachten ist.

Im zweiten Beitrag gibt Lawrence H. White einen Überblick über die U.S.-Geldpolitik in den 2000er Jahren und wie diese zum Im-mobilienboom beigetragen hat. Die US-Zentralbank hatte ihren

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Leitzins extrem niedrig gesetzt. Die US-Zentralbank beließ die Zinssätze niedriger als es die ökonomischen Grunddaten gefor-dert hätten. Diese andauernde expansive (exzessive) Geldpolitik war systematisch mit verschiedenen Maßnahmen des Immobili-enbooms verknüpft. Die US-Zentralbank beeinflusste direkt die Arten von Hypotheken, die während des Immobilienbooms ge-schaffen wurden. Die falschen Anreize im Finanzsystem verstärk-ten die Effekte der gelockerten Geldpolitik.

Im dritten Beitrag fragen Forrest Capie und Geoffrey Wood nach der Notwendigkeit der Eigenkapitalregulierung von Ban-ken. Capie und Wood belegen, dass britische Banken ihre Eigenkapitalquoten an die eingegangenen Risiken angepasst hatten und ausreichend kapitalisiert waren im Vergleich mit den Eigenkapitalerfordernissen, die durch Basel I und II gesetzt wurden. Als die Banken nach dem Zweiten Weltkrieg versuch-ten, ihr zu geringes Eigenkapital zu erhöhen, verhinderte dies ausgerechnet die Bank of England. Während der Periode, in der die Bankvorstände sorgfältig ihre Kreditinstitute führten, gab es auch keine Erwartungen, dass die Regierung insolvente Banken retten würde. Die Geschichte des britischen Banken-systems zeigt, dass Eigenkapitalregulierung nicht erforderlich ist, wenn der Erhalt von Banken nicht von der Regierung ga-rantiert wird.

Abschließend werden Maßnahmen empfohlen, um das Pro-blem der Systemrelevanz zu überwinden. Der Beitrag geht von der Annahme aus, dass Regierungen und Zentralbanken auf absehbare Zeit am immateriellen Zwangsgeld und expansiver

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Geldpolitik festhalten. Da damit eine der Hauptursachen fast aller Finanzkrisen nicht beseitigt wird, kann eine höhere Stabili-tät der Kreditwirtschaft nur durch andere Maßnahmen erreicht werden. Sowohl die bisherigen Regulierungen als auch die Korrekturen derselben werden daraufhin untersucht, ob sie die Stabilität des Finanzsystems erhöhen. In jedem Fall müssen Gesetze angepasst werden, sodass Banken bei Aufrechterhal-tung des Zahlungsverkehrs und Sicherung der Spareinlagen abgewickelt werden können.

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Der Weg in die Nullzins- und Hochverschuldungsfalle2

Gunther Schnabl

1. Einleitung

Die großen Zentralbanken haben sich vom anvisierten Ausstieg aus der außergewöhnlichen geldpolitischen Expansion wieder di-stanziert. Die Bank of Japan, die seit 1999 den Leitzins bei null hält, hat im Zuge der Abenomics ihre geldpolitische Unabhängig-keit endgültig bei der Regierung abgegeben und sich zu weiterer geldpolitischer Expansion verpflichtet. Die Federal Reserve hat ihre vorsichtigen Versuche, das geldpolitische Ventil langsam zu-zudrehen, zunächst eingestellt. Vorsichtige Ankündigungen von Ben Bernanke, dass die quantitative Liquiditätszufuhr der Federal Reserve schrittweise ein Ende finden könnte, hatten Schockwel-len durch die internationalen Finanzmärkte geschickt. In Europa ist Mario Draghis Bazooka-Ansatz der angekündigten unbegrenz-ten Flutung der Finanzmärkte mit billiger Liquidität eine weitere Leitzinssenkung von 0,5 auf 0,25 Prozent gefolgt. Zu instabil

2 Ich bedanke mich bei Raphael Fischer für die ausgezeichnete Unterstützung bei der Forschungsarbeit.

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scheinen die europäischen Krisenländer, deren Club sich trotz europaweiter Reformanstrengungen nicht verkleinert, sondern der mit Zypern und Slowenien Zuwachs bekommen hat.

Die Erwartungen scheinen sich damit zu verstetigen, dass sich die Niedrig- bzw. Nullzinspolitik der großen Zentralbanken weiter fortsetzen wird. Dies schafft einerseits Stabilität, die für nach-haltige Reformen und Konsolidierung der Staatsfinanzen wich-tig scheint. Andererseits ist Japan, das 15 Jahre vor Europa und den USA einen Boom-und-Krisen-Zyklus auf den Aktien- und Immobilienmärkten durchschritten hat, ein mahnendes Beispiel ( Schnabl, 2013). Denn die seit Mitte der 1990er Jahre fortbe-stehende Nullzinspolitik konnte nicht zur nachhaltigen Wiederbe-lebung der einst so dynamischen japanischen Wirtschaft beitra-gen. Stattdessen ist der stetige Anstieg der Staatsverschuldung mit einer impliziten Verstaatlichung von Banken und Unterneh-men, steigender Lohnungleichheit und schleichenden realen Ein-kommensverlusten einhergegangen. Keynesianische finanz- und geldpolitische Stabilisierungsmuster haben in die wirtschaftspo-litische Sackgasse geführt, in der die erneut keynesianisch ge-prägten Abenomics wie ein verzweifeltes Aufbäumen gegen den stetigen wirtschaftlichen Verfall wirken. Um Europa ein ähnliches Schicksal zu ersparen, ist fortan eine finanz- und geldpolitische Konsolidierung gefragt, die die Allokations- und Signalfunktion der Zinsen wiederherstellt und so die Grundlage für nachhaltiges Wachstum schafft.

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2. Expansive Geldpolitik, wandernde Blasen und steigende Staatsverschuldung

Der globale Weg in die Niedrigzins- und Hochverschuldungsfalle setzte Mitte der 1980er Jahre in Japan ein, wo die Geldpolitik nicht als Stabilisierungsinstrument für das Preisniveau, sondern für die Korrektur des Leistungsbilanzungleichgewichtes mit den USA eingesetzt wurde. Seitdem wurden in den großen Industrie-ländern in Krisen die Zinsen beherzt reduziert, um Finanz- und Arbeitsmärkte zu stabilisieren. Im Aufschwung nach der Krise stiegen die Zinsen hingegen nur zögerlich, um die wirtschaftliche Erholung nicht zu gefährden. Diese asymmetrische Geldpolitik (Hoffmann und Schnabl, 2011) hat, wie Abb. 1 zeigt, zum Verfall des Zinsniveaus in Japan, USA und dem Eurogebiet gegen null geführt. Seitdem die Leitzinsen in allen großen Industrieländern den Nullpunkt erreicht haben, agiert die Geldpolitik durch die quantitative Ausweitung der Zentralbankbilanzen. Das drückt die Zinsen auch am langen Ende der Zinsstrukturkurve und hält die realen Zinsen negativ. Der Sparer wird durch finanzielle Repressi-on (Hoffmann und Zemanek, 2012) zur Kasse gebeten.

Abb. 2 zeigt als Ergebnis eines strukturell absinkenden Welt-zinsniveaus eine Welle von wandernden Blasen (Schnabl und Hoffmann, 2008), die mit einschneidenden Verwerfungen in der Weltwirtschaft verbunden ist. Die Welle beginnt 1985 mit dem Plaza-Abkommen. In der ersten Hälfte der 1980er Jahre hatte sich zwischen Japan und den USA ein Leistungsbilanzungleich-gewicht aufgebaut, das auf Drängen der USA durch die Aufwer-

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tung des japanischen Yen reduziert werden sollte. Die offiziell angekündigte Yen-Aufwertung löste spekulative Kapitalzuflüsse nach Japan aus, die durch eine unkontrollierte Yen-Aufwertung das exportabhängige Japan in die Krise stürzten. Die Bank of Ja-pan senkte die Zinsen stark, um den Aufwertungsdruck zu stop-pen. Die Flutung der japanischen Finanzmärkte mit billigem Geld stabilisierte nicht nur die Konjunktur, sondern befeuerte auch ei-nen beispiellosen Boom auf den Aktien- und Immobilienmärkten, die sogenannte Bubble Economy. In Abb. 2 zeigt die schwarze Li-nie den Aktienindex Nikkei 225, der von 15.000 Punkten Anfang 1985 auf 39.000 Punkte im Dezember 1989 stieg. Auf dem Gipfel der Immobilienblase erreichte der japanische Kaiserpalast einen höheren Buchwert als ganz Kalifornien.

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Abbildung 1: Durchschnittlicher Geldmarktzins USA, Japan, Eurogebiet

Quelle: IWF, nationale Statistikbehörden. Vor 1994 Deutschland statt Eurogebiet. Arithmetische Mittelwerte von

USA, Japan und Eurogebiet (vor 1994 Deutschland).

Auf das Platzen der japanischen Blase folgten erst zögerliche, dann entschlossene Zinssenkungen der Bank of Japan. Nach-dem die Nullzinsgrenze erreicht war, entstanden unkonventionel-le geldpolitische Maßnahmen, die das stagnierende Wachstum auch nicht wiederbelebten. Stattdessen wurde in Japan billiges Geld aufgenommen, das – als sogenannte Carry Trades – in eini-gen südostasiatischen Staaten (Indonesien, Malaysia, Philippinen, Südkorea, Thailand) ein Wirtschaftswunder nährte. In Abb. 2 mar-kiert die schwarz gepunktete Linie repräsentativ für den Boom in Südostasien den Aktienmarkt Malaysias. Als im Jahr 1997 die Tiger-Blase platzte und die Region in die Asienkrise rutschte, kam

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das Problem fauler Kredite nach Japan zurück: Im Verlauf der ja-panischen Finanzkrise lösten sich Giganten wie das Wertpapier-haus Yamaichi oder die Hokkaido Takushoku Bank in Luft auf.

Abbildung 2: Wandernde Blasen

Quelle: IWF, via Datastream. * Für die Reihe Ölpreis gilt 1990:01 = 100 und

für die Reihe Nasdaq gilt 1994:01 = 100.

Die Asienkrise markiert einen der ersten Einsätze der Federal Reserve Bank als internationale Finanzmarktfeuerwehr. Die deut-lichen Zinssenkungen des „Magiers“ Alan Greenspan und die Flucht des Kapitals aus den aufstrebenden Volkswirtschaften in die sicheren Häfen der großen Industrieländer begünstigte nun Spekulation auf den Neuen Märkten, wo für virtuelle Phantasien

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die Preise nach oben schossen. In Abb. 2 zeigt die grau gepunk-tete Linie repräsentativ für alle Neuen Märkte in den Industrie-ländern den steilen Anstieg des NASDAQ. Das Platzen der Dot-com-Blase im Jahr 2001 markiert Greenspans Übergang zu einer historisch lockeren Geldpolitik, der auch die Europäische Zent-ralbank (EZB) folgte. Die Konsequenzen sind bekannt: Die US-Hypothekenmarkt-Blase tat sich auf. In Teilen Europas kam es zu Übertreibungen in Finanz- und Immobilienmärkten sowie bei Staatsausgaben und Konsum. Rohstoff- und Lebensmittelpreise stiegen an. In Abb. 2 zeigt die grau gestrichelte Linie den Nareit-Index als Preisindikator für den US-amerikanischen Immobilien-markt, die schwarz gestrichelte Linie zeigt den steil ansteigenden Ölpreis. Ebenso könnten spanische Immobilien oder irische Akti-enmärkte gelistet werden.

Seit 2007 werden die US-Hypothekenmarktkrise und die europäi-sche Schuldenkrise mit aggressiven Zinssenkungen gegen null, un-terschiedlichen Formen unkonventioneller Geldpolitik und der Ver-stetigung der geldpolitischen Rettungsaktionen bekämpft. Sowohl am kurzen (Geldmärkte) als auch am langen Ende der Zinsstruk-turkurve (Staatsanleihen) haben seitdem nicht mehr die Märkte, sondern Bernanke3 und Draghi das Sagen. Zwar sind spekulative Blasen auf den Finanzmärkten per Definition immer erst ex post zu erkennen, doch dürfte sich auf dem Rücken fast unbegrenzter, kostenloser Liquidität ein neuer Tsunami spekulativer Blasen auf-gebaut haben, dessen Volumen bisher beispiellos ist.

3 Ab Januar 2014 übernimmt Janet Jellen den Vorsitz der Federal Reserve Bank.

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Unter anderem scheinen bei Rohstoffen, Gold, Lebensmitteln oder deutschen Immobilien die Preise stark nach oben verzerrt. Der chinesische Exportsektor und die aufstrebenden Volkswirt-schaften im Allgemeinen scheinen überdimensioniert. Als „Mut-ter aller Blasen“ explodiert der Markt für Staatsanleihen, wo die Zentralbanken entschlossen die Renditen drücken. Abb. 2 zeigt repräsentativ für die „Staatsanleihenblase“ einen stetig wach-senden Preisindex für US-amerikanische Staatsanleihen (graue volle Linie), dessen Preisniveau über Renditen approximiert wird. Auch die Rohstoffmärkte, die Aktienpreise in Südostasien und der NASDAQ haben wieder historisch hohe Stände erreicht.

Auf dem Markt von Staatsanleihen zeigt sich die Interdependenz von wandernden Blasen, sinkenden Leitzinsen und dem Anstieg der Verschuldungsniveaus. Von lockerer Geldpolitik begünstig-te übertriebene Boomphasen auf einzelnen Segmenten der Fi-nanzmärkte generieren zunächst unerwartete Steuereinnahmen, die öffentliche Defizite reduzieren und die Regierungen zu zu-sätzlichen Ausgaben verleiten. In wirtschaftlichen Boomphasen wachsen die Begehrlichkeiten, während die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen politisch schwer zu vermitteln ist. Eine Rück-lagenbildung für die Folgekosten von geplatzten Blasen findet deshalb in der Euphorie des Booms in der Regel nicht oder nur teilweise statt. Rücklagen für die konjunkturelle Stabilisierung in der Rezession waren lange Zeit auch nicht nötig, weil in Krisen Finanzmärkte und Konjunktur durch Zinssenkungen statt durch keynesianische Konjunkturpakete stabilisiert wurden. Die Geld-politik konnte schneller als die Finanzpolitik reagieren und war mit keinen zusätzlichen sichtbaren Kosten z. B. in Form von steigen-

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der Konsumentenpreisinflation verbunden. Die Finanzpolitik war damit von der antizyklischen Aufgabe in Boom und Krise befreit, die ihr John Maynard Keynes zugedacht hatte. Sie befand sich in „finanzpolitischen Flitterwochen“ (Schnabl, 2012).

Abbildung 3: Staatsverschuldung in Japan, USA und Europa

Quelle: Ameco. Verschuldung des gesamten öffentlichen Sektors als Anteil am Bruttoinlandsprodukt.

*2013 approximiert.

Ist jedoch der Spielraum für Zinssenkungen bei null ausgereizt, dann steigt die öffentliche Verschuldungslast schneller. Nach dem Platzen von Blasen beobachten wir einen „Vermögenseffekt“, der den Staat in höhere Verschuldung drängt. Da die Haushalte und Unternehmen bei sinkenden Vermögenspreisen Verluste erlei-den, schränken diese Konsum und Investitionen ein. Koo (2003)

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spricht für Japan von einer Bilanzrezession, da Unternehmen und Haushalte bei einem Wertverfall ihres Vermögens auf der Haben-seite der Bilanz die Verbindlichkeiten auf der Sollseite reduzieren. Der Staat sieht sich in der Pflicht, den negativen Konjunktureffekt aus dem Rückgang der privaten Nachfrage durch eine Auswei-tung der Staatsausgaben auszugleichen. Als Finanzierungsquelle drängen sich Kredite auf, da die Rezession durch Steuererhöhun-gen weiter verstärkt würde. In Japan wurde seit dem Platzen der Blase eine lange Reihe von Konjunkturprogrammen mit Schwer-punkt auf die Bauindustrie umgesetzt, die insbesondere in Rezes-sionsjahren wichtige Nachfrageimpulse schufen.

Zudem schafft ein „Preiseffekt“ einen Anreiz zu höherer Staats-verschuldung. Eine höhere Zinslast entsteht für den Staat trotz steigender Verschuldung nicht, da eine expansive, unkonventio-nelle Geldpolitik – z. B. in Form von direkten Ankäufen von kri-senbehafteten Staatsanleihen – den Zins am langen Ende drückt. Abb. 3 zeigt den steilen Anstieg der japanischen Staatsverschul-dung nach dem Platzen der japanischen Blase von ca. 60 Pro-zent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 1990 auf mehr als 235 Prozent 2013, der sowohl von sinkenden Steuereinnahmen als auch von steigenden Ausgaben zur konjunkturellen Stabilisierung getragen wird. Ein stärkerer Anstieg der Staatsverschuldung in den europäischen Krisenländern sowie in den USA ist seit dem Ausbruch der europäischen Finanz- und Schuldenkrise und der US-Hypothekenmarktkrise zu beobachten.

In vielen Fällen sind dennoch die Lasten des Schuldendienstes als Anteil an den gesamten Staatsausgaben nicht signifikant an-

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gestiegen, da die Verzinsung der Staatsanleihen trotz steigenden Risikos gesunken ist. In Deutschland, wo die wirtschaftliche Ent-wicklung noch robust ist und die Bestände der Staatsverschul-dung langsamer wachsen, sinkt aufgrund geringer Verzinsung der Schuldendienst. Doch steigt die implizite Staatsverschuldung auf-grund schnell wachsender Haftungsrisiken der finanz- und geld-politischen Rettungsaktionen für europäische Krisenstaaten.

3. Die Hysterese der Nullzins- und Hochverschuldungsfalle

Je mehr die Staatsverschuldung gewachsen ist, desto stärker ist der Druck auf die Zentralbanken, die Zinsen niedrig zu halten. Es kommt zur „Hysterese der Niedrigzins- und Hochverschuldungs-falle“ (Schnabl, 2012): Wenn einmal ein Zinsniveau von (nahe) null erreicht ist und die Staatsverschuldung Rekordniveau erreicht hat, kann der Leitzins nicht mehr auf ein Niveau angehoben wer-den, das das Risiko spekulativer Übertreibungen reduziert. Denn der restriktive geldpolitische Kurs würde die Lasten des Staa-tes potenzieren. Die Zinslast auf die zu revolvierenden Verschul-dungsbestände würde steigen. Zusätzliche Verschuldungslasten würden aus drei Gründen entstehen: Erstens würde der negative Konjunktureffekt der geldpolitischen Straffung zu Steuerausfällen führen. Zweitens würden neue Konjunkturpakete notwendig, um einem Anstieg der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Drittens würde eine neue Instabilität im Finanzsektor weitere Rekapitali-sierungen oder Verstaatlichungen von Banken erzwingen. Alle

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Effekte zusammen würden nicht nur das Niveau der Staatsver-schuldung, sondern auch die Risikoprämien auf öffentliche Anlei-hen weiter nach oben treiben.

Abb. 4 zeigt eine Simulation der Zinslasten einer geldpolitischen Straffung für den japanischen Staatshaushalt. Seit dem Platzen der japanischen Blase im Jahr 1989 sind sowohl die Staatsver-schuldung als Anteil am BIP (Abb. 3) als auch die Geldbasis als Anteil des Bruttoinlandsprodukts (Abb. 5) – als Maßgröße für un-konventionelle geldpolitische Maßnahmen – auf ein Rekordniveau gestiegen. In Abb. 4 wird von einer derzeitigen durchschnittlichen Verzinsung von zwei Prozent auf japanische Staatsanleihen aus-gegangen. Bei diesem Zinsniveau werden gut 20 Prozent des ja-panischen Staatshaushaltes für den Zinsdienst ausgegeben.

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Abbildung 4: Simulation der Zinslasten Japans

Quelle: IWF, via Datastream und eigene Berechnungen.

Für die Simulation wird angenommen, dass ein Ende der unkon-ventionellen Geldpolitik zu einem deutlichen Anstieg des Zinsni-veaus auf Staatsanleihen führen würde. Würden die Renditen auf Staatsanleihen im Durchschnitt auf vier Prozent ansteigen, dann müssten 40 Prozent des Staatsbudgets für den Schuldendienst aufgewendet werden. Die finanzielle Handlungsfähigkeit des ja-panischen Staates wäre stark eingeschränkt. Bei einem Anstieg über fünf Prozent hinaus, der in den 1980er Jahren nicht unge-wöhnlich war, wäre die japanische Regierung finanziell handlungs-unfähig. Ebenso würden die Zinslasten weiter multipliziert, falls durch die geldpolitische Straffung die Staatsverschuldung weiter steigt. Ein Szenario, in dem die Regierung 80 Prozent ihres Bud-

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gets für Zinslasten aufwenden müsste (Schuldenstand bei 300 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und durchschnittliche Verzin-sung auf Staatsanleihen bei sechs Prozent), ist nicht abwegig. Es ist deshalb nicht überraschend, dass die neue japanische Regie-rung Abe die einst unabhängige Zentralbank unter dem neuen Präsidenten Kuroda an die Leine gelegt hat.

Doch selbst eine noch unabhängige Zentralbank hätte auch ohne Druck von der Regierung wenig Anreiz zur Zinserhöhung. Denn hat die Zentralbank durch unkonventionelle geldpolitische Rettungsmaßnahmen risikoreiche Vermögenswerte in ihrer Bi-lanz angehäuft (z. B. in Form vom Ankauf von Staatsanleihen), dann würden bei Zinserhöhungen auf die in der Bilanz gehaltenen Wertpapiere Wertberichtigungen notwendig, die das Eigenkapital aufzehren würden. Die Zentralbank wäre auf die Rekapitalisie-rung durch den Staat angewiesen, was ihre Unabhängigkeit un-tergraben würde. Dies ist derzeit in Japan, wo die Blase früher geplatzt ist, am deutlichsten.

Damit dürften auch in Europa und den USA, wo seit dem Aus-bruch der US-Hypothekenmarktkrise und der europäischen Fi-nanz- und Schuldenkrise ein ähnliches Zinsniveau und ähnliche Volumen von unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen er-reicht wurden und wo die öffentlichen Schuldenstände schnell steigen, die Leitzinsen lange Zeit nahe null verharren. Abb. 5 zeigt das „kompetitive Aufblasen“ der Zentralbankbilanzen zwischen den großen Zentralbanken: Der Anteil der Geldbasis (Bargeld-umlauf plus Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank) als Anteil am Bruttoinlandsprodukt steigt bei allen großen Zent-

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ralbanken weiter steil an. Da die Rückführung der außergewöhn-lichen geldpolitischen Maßnahmen als Voraussetzung für eine Zinserhöhung gesehen werden kann, ist die industrialisierte Welt von einem Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik weiter denn je ent-fernt.

Abbildung 5: Geldbasis als Anteil am BIP großer Zentralbanken

Quelle: IWF, via Datastream.

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4. Auswirkungen der Niedrigzins- und Hochverschuldungsfalle

Eine lang anhaltende Null- bzw. Niedrigzinspolitik untergräbt die finanzielle Intermediationsfunktion der Geld- und Kapitalmärkte. Auf dem Geldmarkt wird unter normalen Bedingungen unter Ge-schäftsbanken kurzfristig Liquidität gehandelt, was die Fristen-transformation durch die Geschäftsbanken erleichtert. Diese räu-men Unternehmen und Haushalten längerfristige Kreditlinien ein, die jederzeit beansprucht werden können. Reichen zu gewissen Zeitpunkten die liquiden Mittel einer Geschäftsbank nicht aus, um die Kreditvergabeverpflichtungen zu erfüllen, kann sie sich kurzfristig auf dem Geldmarkt refinanzieren. Dies ermöglicht ein reibungsloses Kreditgeschäft. Bei funktionierenden Geldmärkten werden die Geldmarkttransaktionen nahe dem Leitzins der Zen-tralbank (in Europa der Hauptrefinanzierungssatz der EZB) ver-zinst.

In der Krise sind die Geldmärkte aus zwei Gründen ausgetrock-net (McKinnon, 2013, Schnabl, 2013). Erstens misstrauen Ban-ken sich, da die Risiken der Geschäftspartnerbanken unbekannt sind. Zweitens sind Geschäftsbanken mit Überschussreserven bei sehr kleinen Renditen nicht mehr bereit, auf dem Geldmarkt als Anbieter aufzutreten. Sie legen ihre Reserven lieber sicher bei der Zentralbank an. Dort werden sie zwar nicht oder kaum verzinst, der Unterschied zu der Rendite, die auf dem Geldmarkt erzielt werden könnte, ist jedoch sehr gering. Auf der Nachfra-geseite könnten zwar Geschäftsbanken mit Liquiditätsbedarf ei-

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nen höheren Zins bieten, um ein größeres Liquiditätsangebot zu generieren. Doch das würde ein höheres Risiko signalisieren und damit ihre Kreditwürdigkeit unterminieren. Der Geldmarkt ist da-mit de facto in den großen Industrieländern zusammengebrochen und wurde durch eine fast unbegrenzte Liquiditätszufuhr der Zen-tralbanken ersetzt.

Das Zusammenbrechen der Geldmärkte strahlt auf die Kredit-märkte aus. Die Geschäftsbanken müssen aufgrund der ver-schlechterten Refinanzierungsmöglichkeiten auf den Geld-märkten das Kreditvolumen einschränken. Diese sogenannte Kreditklemme (siehe z. B. Ishikawa und Tsutsui, 2005, für Japan) trifft auf der Angebotsseite vor allem Klein- und Mittelunterneh-men, da deren Kreditausfallrisiko höher ist als das von Großun-ternehmen oder dem Staat. Die Zinsen, die von Klein- und Mit-telunternehmen für Kredite zu entrichten sind, sind deshalb trotz sehr expansiver Geldpolitik in der Krise vergleichsweise hoch. Hingegen können Großunternehmen den Kapitalmarkt als Fi-nanzierungskanal nutzen und sich direkt über die Ausgabe von Wertpapieren finanzieren. Durch die Niedrigzinspolitik sinken die Finanzierungskosten der Großunternehmen, was diese „in Liqui-dität schwimmen lässt“ und deren Nachfrage nach Bankkrediten von der Nachfrageseite reduziert. In Japan wurde beispielsweise durch die Niedrigzinspolitik der Unternehmenssektor vom Net-tokreditnehmer in einen Nettokreditgeber auf dem Kapitalmarkt transformiert (Schnabl, 2013).

Die stagnierende oder zurückgehende Kreditvergabe der Banken an Groß-, Mittel- und Kleinunternehmen, die weithin als Kredit-

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klemme verstanden wird, wird durch eine steigende Kreditnach-frage des Staates kompensiert, der aufgrund seiner Verpflichtung zur konjunkturellen Stabilisierung steigenden Finanzierungsbedarf hat (siehe Kapitel 2). Die Substitution der Kreditvergabe an Un-ternehmen durch die Kreditvergabe an den Staat wird durch die Basel-Bestimmungen verstärkt, da für Kredite an den Staat weni-ger oder gar kein Eigenkapital vorgehalten werden muss. Gibt es in der derzeitigen Krise einen Staat, der wie z. B. Deutschland die öf-fentliche Neuverschuldung unter Kontrolle hält, gibt es ausreichend zusätzliche öffentliche Kreditnachfrage von anderen Staaten.

Die Lähmung der Kreditmärkte durch die Niedrigzinspolitik nach dem Platzen von Blasen ist in unterschiedlichen Ländern unter-schiedlich weit fortgeschritten. In Japan hängt die Kreditverga-be der Geschäftsbanken an Klein- und Mittelunternehmen inzwi-schen weitgehend von staatlichen Garantien ab (Schnabl, 2013). Auch in den USA ist eine Kreditklemme für Klein- und Mittelunter-nehmen zu beobachten (McKinnon, 2013). In Europa ist die Kre-ditklemme für Klein- und Mittelunternehmen in den Krisenländern deutlich stärker ausgeprägt als in Deutschland, wo viele Banken (insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken) (noch) über große Einlagen verfügen.

Eine wichtige Rolle für das Funktionieren des Kapitalmarktes spielt die Rekapitalisierung des Geschäftsbankensektors. Für Ja-pan wird argumentiert, dass die bis 1999 verschleppte Rekapita-lisierung des Bankensektors ein wesentlicher Grund für die lan-ge wirtschaftliche Stagnation sei. Polleit (2011) macht hingegen deutlich, dass eine Rekapitalisierung bei fortbestehender Null-

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zinspolitik nicht zum Anstieg der Kreditvergabe an den Unterneh-menssektor führen wird. Denn die zusätzliche Kreditvergabe, die durch die Rekapitalisierung ermöglicht wird, bewirkt eine zusätz-liche Kreditvergabe des Geschäftsbankensektors an den Staat, der durch die impliziten Garantien der Zentralbank kreditwürdiger als ein Unternehmen erscheint und der für die Rekapitalisierung einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf hat.

Im Allgemeinen ist bei Nullzinsen die Signalfunktion des Zinses außer Kraft gesetzt. Der Zins zeigt nicht mehr das Risiko des Zahlungsausfalls von Staaten und Banken an, da die Zentralbank implizit die hohe Verschuldung garantiert. Die Zentralbank kauft entweder direkt Staatsanleihen im großen Umfang an, um die Ri-sikoprämien zu komprimieren, wie dies für die EZB z. B. im Zuge des OMT-Programms (Outright Monetary Transactions) zu beob-achten war. Und/oder sie gibt den Geschäftsbanken durch Zins-senkung und billige Liquidität Anreize, Staatsanleihen zu kaufen. Auch die Ankündigung von Zentralbankpräsident Draghi vom Juli 2012, alles Notwendige zu tun, um den Erhalt des Euro zu ge-währleisten, kann als implizite Garantie für den Kauf von Staats-anleihen gesehen werden.

Bei einem Nominalzins bei nahe null und negativen Realzinsen erfüllt der Zins seine Allokationsfunktion nicht mehr, die zwischen Investitionsprojekten mit hoher erwarteter Rendite und mit nied-riger erwarteter Rendite trennt. Die Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen sinkt. In Japan wurden im Verlauf von zwei verlo-renen Dekaden nach dem Platzen der Blase zahlreiche Banken verstaatlicht und der Bankensektor mit hohen Summen rekapitali-

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siert. Die Zentralbank hält Banken mit zweifelhaften Kreditportfo-lios – sogenannte Zombiebanken (Caballero, Hoshi und Kashyab, 2008) – durch die Zufuhr von (fast) kostenloser Liquidität am Le-ben. Die Eigenkapitalquoten der Banken sind durch die Nullzins-politik geschönt. Würde das Zinsniveau angehoben, dann wären die meisten Banken bankrott und müssten wie viele andere Ban-ken seit Ende der 1990er Jahre verstaatlicht werden.

Mit der direkten und indirekten Verstaatlichung des japanischen Bankensektors wird aber auch der Unternehmenssektor subven-tioniert. Die Zombiebanken vergeben Kredite zu „nachsichtigen Konditionen” (Sekine, Kobayashi und Saita, 2003), um schmerz-hafte Bankrotte zu umgehen, die zu weiteren faulen Krediten füh-ren würden. Zum Beispiel zwingt ein „Gesetz zur Verbesserung der Finanzierung des Mittelstandes“ die japanischen Banken, kleinen und mittelständischen Unternehmen weiterhin Kredite zu günstigen Konditionen zu gewähren. Die großen Exportunterneh-men profitieren, weil die Niedrigzinspolitik den Aufwertungsdruck auf den Yen dämpft. Die Kreditvergabe des Bankensektors ist nicht mehr von der Wirtschaftlichkeit von Unternehmen abhän-gig, sondern pfadabhängig. Potenzielle faule Kredite an „Zombie-unternehmen“ werden kontinuierlich revolviert. In Europa hängen neben Zombiebanken „Zombiestaaten“ am Tropf von supranatio-nalen Rettungspaketen und EZB.

Kornai (1986) sprach einst mit Blick auf die mittel- und osteuro-päischen Planwirtschaften von „Soft Budget Constraints”. Ne-gative Renditen bei Banken und Unternehmen führen nicht mehr zu Restrukturierungen, sondern werden vom Staat ausgeglichen.

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Die Grenzen zwischen Staat, Zentralbank, Finanzsektor und Un-ternehmen sind verschwommen. Marktwirtschaftliche Prinzipi-en wie Gewinnorientierung und Haftung sind aufgehoben. Über Nullzinspolitik, keynesianische Konjunkturprogramme sowie die Rekapitalisierung und Verstaatlichung von Banken wird die ja-panische Volkswirtschaft schrittweise quasiverstaatlicht. Abb. 6 zeigt, dass der Anteil der privaten Investitionen am japanischen Bruttoinlandsprodukt im Jahr 1990 bei 32 Prozent lag und seit-dem auf 21 Prozent im Jahr 2012 abgesunken ist. Der Anteil der Staatsausgaben ist im gleichen Zeitraum von 13 auf 21 Prozent angestiegen.

Trotz wesentlicher Unterschiede hinsichtlich des Verlaufs von Boom und Krise haben die Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion in der europäischen Schuldenkrise mit dem Ab-senken der Leitzinsen gegen null, der Anhäufung von Risiken in der Bilanz der EZB und steigender Staatsverschuldung einen ähnlichen wirtschaftspolitischen Entscheidungspfad wie Japan beschritten (Schnabl, 2013). Der kürzlich beschlossene europä-ische Fiskalpakt kann zwar ein ähnliches Ansteigen der Staats-verschuldung wie in Japan vermeiden helfen, doch werden de facto die Finanzierungslasten des Krisenmanagements nur von den nationalen Regierungen zur EZB verschoben, was neue, von den Finanzmärkten ausgehende Verwerfungen begünstigt.

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Abb. 6: Japanisches Bruttoinlandsprodukt nach Verwendungsrechnung

Quelle: IWF, via Datastream.

Obwohl die daraus resultierende schleichende Verstaatlichung von Finanz- und Unternehmenssektor den großen Krach ver-meiden hilft, gefährdet die sich abzeichnende Verstetigung der Niedrigzins- und Hochverschuldungsfalle die politische Stabilität. Zum einen tragen die geldpolitischen Rettungsaktionen – trotz geringer Inflation – zu Umverteilung bei. Die Akteure in den Fi-nanzmärkten, die über mehr Informationen bezüglich der Finanz-markttrends verfügen, dürften mehr als der durchschnittliche Anleger von Boom und Krisenphasen auf den Finanzmärkten profitieren. Im Boom erlauben stattliche Kursgewinne stattliche Gehalts- und Bonizahlungen. In der Krise, wenn die Exzesse auf einzelnen Finanzmarktsegmenten bereinigt werden, werden Ver-luste der Finanzinstitute durch die Flutung der Finanzmärkte mit

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billiger Liquidität minimiert. Starke Einschnitte in das Lohnniveau im Finanzsektor können vermieden werden. Die Kosten der Kri-se werden anderen Bevölkerungsschichten in Form von Lohn-zurückhaltung, höheren Steuerlasten, Inflation, Nullzinsen und Reallohndepression aufgebürdet. Beispielsweise sind seit der Jahrtausendwende die Löhne im deutschen Bankensektor deut-lich stärker als in der Industrie gestiegen.

Abbildung 7: Umverteilungswirkungen im deutschen Bankensektor

Quelle: Destatis, via Datastream.

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Zu beobachten ist auch eine Umverteilung von den Aktionären der Banken (Prinzipalen) zum Management (Agenten). Dies zeigt sich in Abb. 7. Während seit der Jahrtausendwende die Gehälter der Angestellten in Banken angewachsen sind, ist der Aktienwert der Banken bei hoher Volatilität drastisch verfallen. Auf suprana-tionaler Ebene wird durch die Sozialisierung der Kosten der Krise in der Bilanz der EZB sowie durch supranationale Rettungsme-chanismen wie EFSF oder ESM wohl auf Dauer von Deutschland zugunsten der Krisenstaaten umverteilt. Die Welt bewegt sich in die finanzielle Depression (Hoffmann und Zemanek, 2012), in der die Kosten der Krise in Form von Nullzinsen und negativen realen Zinsen auf die Sparer überwälzt werden.

Abbildung 8: Reale Lohn- und Zinseinkommen in Japan

Quelle: Cabinet Office Japan, via Datastream.

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Auf die lange Frist gesellt sich zu den Umverteilungswirkungen von Finanzmarktblasen der stetige Verfall des gesamtwirtschaft-lichen Wohlstands wie er in Japan bereits zu beobachten ist. Die sinkende Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen und lahmen-des Wachstum setzen realen Lohnerhöhungen enge Grenzen. Die Einkommen aus Ersparnissen und Dividenden sinken auf-grund der Nullzinspolitik und fallender Vermögenspreise. In Ja-pan ist das durchschnittliche reale Lohneinkommen seit der japa-nischen Finanzmarktkrise Ende der 90er Jahre um ca. ein Prozent pro Jahr gefallen. Die Einkommen aus Zinsen, Dividenden und Immobilienbesitz liegen heute knapp 80 Prozent unter dem Ni-veau bei Platzen der Blase und 40 Prozent unter dem Niveau vor dem Entstehen der Blase (siehe Abb. 8). Der Nikkei 225 liegt heute bei knapp 14.000 Punkten im Vergleich zu knapp 40.000 Punkten kurz vor dem Platzen der Blase (1989) und 15.000 Punk-ten zu Beginn des Spekulationsbooms im Jahr 1985 (Abb. 2).

5. Ausblick: Die schleichende Verstaatlichung als Wachstumsbremse

Insbesondere beim deutschen Sparer und Steuerzahler mehrt sich die Sorge um die Währungsstabilität. Auch eine wachsen-de Anzahl der Bezieher geringer Einkommen ist unzufrieden. Der Staat ist nur scheinbar Retter in der Not. Er gibt Anreize zur Spe-kulation, verdichtet die Regulierung, erhöht Steuern, verstaatlicht schleichend Banken und Unternehmen und will internationale Kapitalflüsse kontrollieren. Der Bürger zahlt den Tribut in Form

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von steigenden Steuerlasten, erzwungener Lohnzurückhaltung, realer Entwertung von Ersparnissen, steigender Verteilungsunge-rechtigkeit und sinkenden Realeinkommen.

Die auf geld- und fiskalpolitische Expansion beruhenden Krisen-lösungsstrategien mögen als alternativlos erscheinen. Doch zei-gen die Überinvestitionstheorie von Friedrich August von Hayek (1929) und die Erfahrungen Japans, dass übermäßige geldpoliti-sche Expansion in Reaktion auf Krisen neue Spekulationsblasen und neue Krisen bewirkt. Langfristig werden strukturelle Verzer-rungen zementiert, das Wachstum gelähmt, der Wohlstand ero-diert und die politische Stabilität gefährdet (Hayek, 1944).

Diese Erkenntnis sollte Anlass genug zu einer entschlossenen Umkehr sein, die Grundprinzipien der Marktwirtschaft wie po-sitive Leistungsanreize, Haftung, Währungsstabilität und wirt-schaftspolitische Konstanz wiederherstellt. Andernfalls drohen der graduelle Verfall des Wohlstands, steigender Druck auf die europäischen Sozialsysteme und wachsende Verteilungskonflik-te in Europa. Im Gegensatz zu Japan, das gesellschaftlich und regional homogener ist, dürften diese Konflikte in Europa stärker ausgetragen werden.

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Literatur

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Hayek, Friedrich August von (1929), Geldtheorie und Konjunktur-theorie, Salzburg, Philosophia Verlag.

Hayek, Friedrich August von (1944), The Road to Serfdom, Rout-ledge, London.

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Koo, Richard (2003), Balance Sheet Recession: Japan‘s Strugg-le with Uncharted Economics and its Global Implications, Wiley and Sons.

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Kornai, János (1986), The Soft Budget Constraint, in: Kyklos 39, 1, S. 3–30.

McKinnon, Ronald (2013), Fed’s Stimulus Chokes Indirect Finance to SME’s, in: Central Banking.com, zugegriffen am 28.03.2013.

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Geldpolitik und die Finanzkrise4

Lawrence H. White

1. Ein Überblick

Weder Laisser-faire-Politik noch die Deregulierung des Geld- und Finanzsystems sind für den Immobilienboom in den USA von 2001 bis 2006 und die anschließende Krise verantwortlich.5 Die Ursachen für Aufschwung und Niedergang sind vielmehr in der Wechselwir-kung zwischen einem nicht verankerten staatlichen immateriellen Zwangsgeldsystem und einem pervers regulierten Finanzsystem zu suchen. Eine übertrieben expansive Geldpolitik schürte unvorsich-tige Kreditgeschäfte, die durch Anreize wie „Too big to fail“ und andere regulatorische Verzerrungen verstärkt wurden.

4 Deutsche Übersetzung von "Monetary Policy and the Financial Crisis", in: Beck worth, David (Hg.), Boom and Bust Banking – the Causes and Cures of the Great Recession, Oakland 2012. Mit freundlicher Genehmigung des Independent Institute.

5 Joseph Stiglitz zum Beispiel macht die Deregulierung für die Krise verant-wortlich. (Siehe Joseph Stiglitz, Freefall: America, Free Markets, and the Sinking of the World Economy (New York: Norton, 2010).) Aber die ein-zige (teilweise) Deregulierungsmaßnahme der jüngeren Geschichte war das Gramm-Leach-Bliley Gesetz von 1999 (GLB), während zwischen 1999 und 2007 bedeutende neue Regulierungen in Kraft traten (z. B. HUD-Aufträge be-züglich erschwinglicher Eigenheime an Fannie Mae und Freddie Mac). Stiglitz erklärt nicht, wie das GLB-Gesetz die Krise verursacht haben könnte.

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Präsident George W. Bush erklärte den Konjunkturzyklus bekann-terweise anhand eines Vergleichs (zwar inoffiziell, aber im Raum gab es jemanden, der den Satz auf dem Handy mitschnitt): „Die Wall Street hat sich einen angetrunken! Sie war besoffen und jetzt hat sie einen Kater.“6 Um die Metapher zu erweitern, könnte man sagen, dass es die Politik der billigen Kredite war, mit der die Fede-ral Reserve die Bowle mit Alkohol versetzte. Der Konjunkturzyk-lus im Immobiliensektor zwischen 2001 und 2007 wurde maßgeb-lich von der Kreditausweitung der Federal Reserve angetrieben.

Kurzum: Von 2001 bis 2006 hielt die Federal Reserve die Zinsen „zu lange zu niedrig“, indem sie zu viel Kredit bereitstellte. Zwischen 2002 und 2005 betrug der Zinssatz für Interbankenkredite (die Over-night Federal Funds Rate) unter zwei Prozent. 2004 lag der Zinssatz sogar bei einem Prozent. In einem Umfeld mit zunehmenden staatli-chen Subventionen und dem Auftrag, Wohneigentum durch niedrige-re Standards bei den Bonitätsprüfungen zu fördern, flossen die Kre-dite überproportional in Immobilien. Immobilienkredite nahmen über mehrere Jahre hinweg um zehn bis 15 Prozent pro Jahr zu, eine nicht tragfähige Entwicklung. Niedrige Zinsen und günstige Bedingungen bedeuteten, dass Hauskäufer sich höhere Hypotheken und dadurch teurere Häuser leisten konnten, was die Hauspreise dramatisch in die Höhe schießen ließ. Die Notenbankchefs – 2004 Alan Greenspan, ab 2005 sein Nachfolger Ben Bernanke – sicherten Marktbeobachtern zu, es gebe bei den Immobilienpreisen keine nationale Blase.

6 Leonard Doyle, „Bush: ‘Wall Street got drunk and now it's got a hangover’”, The Independent, 24. Juli 2008, http://www.independent.co.uk/news/world/americas/bushwallstreet-got-drunk-and-now-its-got-a-hangover-875780.html.

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Steigende Preise und langfristig niedrige Zinsen erweckten den Eindruck, „kreative“ Kredite würden sich lohnen: Eine Zeit lang waren die Kreditausfallraten niedrig, selbst bei den als „Nonpri-me“ bezeichneten Hypotheken zweiter Güte. Diese zeichneten sich im Gegensatz zu den traditionellen Standards durch nied-rige Anzahlungen, hohe Darlehenssummen im Verhältnis zum Einkommen, unzulänglich dokumentierte Einkommen und monat-liche Raten aus, die ansteigen mussten, sobald die Marktzinsen stiegen. Die vorübergehenden Erfolge der kreativen Hypotheken regten eine weitere Ausdehnung der Immobilienkredite an nicht-kreditwürdige Kreditnehmer an. Kreditgeber boten Nonprime-Hy-potheken an, die nicht mit einer Anzahlung von 20 Prozent abge-sichert wurden, sondern stattdessen mit der Hoffnung, dass der Preistrend dem Kreditnehmer bald 20 Prozent Eigenkapital in die „Tasche spülen“ würde. Als jedoch ab 2005 die Zinsen zu steigen begannen und sich ab 2006 der Trend bei den Immobilienpreisen umkehrte, platzte die Blase. Kreditausfälle nahmen zu, zuerst bei den Nonprime-Hypotheken und anschließend sogar bei den nor-malen Hypotheken.

Das Platzen der Immobilienblase brachte eine überraschend gro-ße Gruppe von Finanzinstitutionen zu Fall. Fannie Mae und Freddie Mac, die beiden größten Hypothekenanbieter, wurden insolvent. Sie verbleiben unter der staatlichen Aufsicht der Bundesregie-rung, während die Verluste um Hunderte von Milliarden anstei-gen. Die Investmentbank Bear Stearns ging bankrott und wurde an JPMorgan Chase verkauft, jedoch erst, nachdem die Federal Reserve Bank of New York Kapital zugeführt hatte, indem sie für die schlimmsten Vermögenswerte überbezahlte. Lehman Bro-

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thers ging bankrott und wurde aufgelöst. Der Versicherungsriese AIG ging bankrott und wurde an den staatlichen Tropf gehängt, um ihn am Leben zu halten. Die Wachovia Bank, Washington Mu-tual und Merrill Lynch mussten von anderen Institutionen absor-biert werden. Goldman Sachs, Morgan Stanley, Bank of Ameri-ca, Citibank und andere große Einrichtungen reihten sich auf, um im Rahmen des Troubled Asset Relief-Programms Kapitalzuführungen von der Bundesregierung zu erhalten. Sie erhielten zudem, wie man später erfuhr, von der Federal Reserve stillschweigende Ka-pitalzuführungen in Form von Darlehen, deren Zinsen unter dem Marktniveau lagen.

2. Ursachen des Immobilienbooms und -nieder-gangs7

Während der Rezession von 2001 begann das Federal Reserve System unter dem Vorsitzenden Alan Greenspan, aggressiv die U.S.-amerikanische Geldmarktpolitik zu lockern. Es gibt mehr als eine Methode, um festzustellen, ob Geldpolitik zu restriktiv oder zu locker ist, aber alle Indikatoren deuten ab 2001 auf eine über-zogene Lockerung hin. Das jährliche Wachstum der Geldmenge M2 überstieg für kurze Zeit zehn Prozent und verharrte zu Beginn der zweiten Hälfte des Jahres 2003 bei über acht Prozent. Die

7 Dieser Abschnitt beruht auf Lawrence H. White, „How Did We Get Into This Financial Mess?” (Cato Institute Briefing Paper No. 110, November 18, 2008), http://www.cato.org/pub_display.php?pub_id=9788.

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Federal Reserve senkte ihr Ziel für den Leitzins (Federal Funds Rate), bis dieser ein Rekordtief erreichte. Der Zinssatz begann 2001 bei 6,25 und lag Ende des Jahres bei 1,75 Prozent. Er wur-de 2002 und 2003 weiter gesenkt. Mitte 2003 erreichte er einen damaligen Rekordwert von einem Prozent, wo er ein Jahr lang verblieb. Der reale Leitzins war mehr als drei Jahre lang negativ – d. h. der Nominalsatz lag unter der Inflationsrate. Aus der Kauf-kraftperspektive heißt das, dass Kreditnehmer während dieser Zeit bei ihren Darlehen Geld hinzugewannen und nicht verloren.

Die sogenannte Taylor-Regel – eine von dem Wirtschaftswis-senschaftler John Taylor an der Stanford University entwickelte Formel – beschreibt eine heute als Standardansatz betrachtete Methode. Diese ermittelt, welche nominale Federal Funds Rate (der Tagesgeldsatz am Interbankenmarkt, den die Federal Reser-ve als Geldmarktinstrument einsetzt) folgerichtig wäre, abhängig von der aktuellen Inflationsrate und der „Outputlücke“ zwischen der um die Inflation bereinigten, geschätzten potenziellen Wirt-schaftsleistung und der tatsächlichen Wirtschaftsleistung, wäh-rend die Inflationsrate konstant gehalten wird. Abb. 1 vergleicht den Zielpfad für die Federal Funds Rate gemäß Taylor-Regel mit dem tatsächlichen Pfad, wobei ein Inflationsziel von zwei Prozent angenommen wurde. Das Schaubild zeigt, dass die Federal Re-serve den Leitzins ab Ende der 1990er Jahre unter die nach der Taylor-Regel geschätzte Zielrate drückte. Die Lücke wurde zwi-schen Mitte 2003 und Mitte 2005 besonders groß und betrug in dieser Zeit 200 Basispunkte oder mehr.8

8 Abbildung: David Beckworth.

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Der reale, um die Inflationsrate der Zeit bereinigte Leitzins zeigt einen ähnlichen Verlauf. Abb. 2 zeigt, dass der ex post reale Leit-zins (gemessen als Federal Funds Rate minus VPI-Inflationsrate) für über drei Jahre zwischen 2002 und 2005 anhaltend negativ war und Werte von bis zu -1,77 Prozent erreichte. Dieses Dia-gramm zeigt auch, dass der reale Leitzins während dieser Zeit über 300 Basispunkte unter der „neutralen“, von Thomas Lau-bach und John C. Williams geschätzten realen Federal Funds Rate lag.9 Beide Analysen deuten auf eine übermäßig lockere Geldpolitik hin.

Abbildung 1: Die Federal Funds Rate und die Taylor-Regel

Quelle: FRED-Datenbank, Berechnungen des Verfassers.

9 Thomas Laubach and John C. Williams, “Measuring the Natural Rate of In-terest,” Review of Economics and Statistics 85 (2003): 1063–70. Abbildung: David Beckworth.

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Abbildung 2: Die reale Federal Funds Rate

Quelle: FRED-Datenbank, Laubach und Williams (2003).

Abbildung 3: Nominale Ausgaben

Quelle: FRED-Datenbank, Berechnungen des Verfassers.

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Indem die Federal Reserve eine Geldpolitik verfolgte, die so ex-pansiv war, dass sie die reale Federal Funds Rate zu niedrig hielt, trieb sie die nominalen Ausgaben über ihren bewährten Pfad. Abb. 3 zeigt, dass die Inlandsnachfrage zwischen 1987 und 1998 ziemlich konstant wuchs.10 Mitte 1998 wich die Federal Reserve jedoch hiervon ab und senkte den Leitzins, obwohl die Wirtschaft solide wuchs. Der hierdurch verursachte Nachfrageüberhang schuf die Voraussetzung für die Rezession von 2001. Von Mitte 2002 bis Mitte 2004 handelte die Federal Reserve ähnlich, in-dem sie den Leitzins wiederum senkte, selbst nachdem der Auf-schwung begonnen hatte. Die zweite Periode lockerer Geldpo-litik schuf die Grundlage für die Rezession von 2007–2009. Die Politik der Federal Reserve löste in den Worten von Steve Han-ke „die Mutter aller Liquiditätszyklen und eine weitere massive Nachfrageblase“ aus.11

Die neue Nachfrageblase schlug sich hauptsächlich im Immobi-liensektor nieder. Zwischen Mitte 2003 und Mitte 2007 nahmen Immobiliendarlehen bei kommerziellen Banken um zehn bis 17 Prozent pro Jahr zu, während der Umsatz an Gütern und Dienst-leistungen in Dollar um fünf bis 7,5 Prozent jährlich wuchs. Abb. 4 zeigt, wie Hypothekendarlehen von 541 Mrd. Dollar im Januar 2001 auf einen Höchstwert von 1.657 Mrd. Dollar im April 2006 anstiegen.12 Das schnell wachsende Volumen der Hypotheken-darlehen trieb die um die Inflation bereinigten Verkaufspreise

10 Abbildung: David Beckworth.11 Steve Hanke, “Greenspan's Bubbles”, Finance Asia (Juni 2008), http://www.

cato.org/pub_display.php?pub_id=9448.12 Abbildung: David Beckworth.

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bestehender Immobilien in die Höhe und regte den Häuserbau auf unbebauten Grundstücken an. Beides half, das gestiegene Dollarvolumen der Hypotheken zu absorbieren. Da es sich bei Immobilien um eine besonders langlebige Anlage handelt, wird ihr Marktwert durch niedrige Zinsen besonders gesteigert. Der Hauspreisindex der Federal Housing Finance Agency (FHFA) stieg zwischen 2001 und 2006 jährlich nominal um sieben bis zwölf Prozent und real um fünf bis sieben Prozent.

Abbildung 4: Immobilienboom und Kreditwachstum

Quelle: FRED-Datenbank, Geldflussdaten.

Reichen die konjunkturellen Rahmenbedingungen, die normaler-weise zu Preissteigerungen führen, als Erklärung für die schnelle Steigerung der Häuserpreise aus? Nein. Abb. 5 zeigt, dass der FHFA-Hauspreisindex zwischen 2001 und 2006 um 73 Prozent

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mehr zunahm als das persönliche Pro-Kopf-Einkommen.13 Die Abbildung zeigt auch, dass Häuserpreise im selben Zeitraum um etwa 30 Prozent mehr stiegen als die entsprechende Miete der Eigentümer. Die Häuserpreise stiegen demzufolge schneller als die Fundamentaldaten. Die Analyse der Geldpolitik trägt zum Ver-ständnis der Immobilienblase bei.

Abbildung 5: Immobilienboom und wirtschaftliche Fundamentaldaten

Quelle: FRED-Datenbank, BLS.

13 Abbildung: David Beckworth.

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Abb. 6 bietet weitere Beweise dafür, dass die Niedrigzinspolitik der Federal Reserve einen wichtigen Beitrag zum Immobilien-boom leistete.14 Die Abbildung zeigt, dass während Alan Green-spans Amtszeit als Notenbankchef (1987–2006) ein Großteil der nicht von Fundamentaldaten verursachten Änderung der Immobi-lienpreise, gemessen entweder als Verhältnis der Häuserpreise zu den Mieten oder als Verhältnis der Häuserpreise zum persön-lichen Pro-Kopf-Einkommen, durch vorherige Abweichungen des Leitzinses von der Zielrate laut Tayor-Regel erklärt werden kann. Die zu niedrig angesetzten Leitzinsen der Jahre 2002–2005 tru-gen daher maßgeblich zu der außerordentlichen Steigerung der Immobilienpreise während des Booms bei. Andere Hinweise er-lauben ebenfalls die Beschreibung einer Verbindung zwischen dem Immobilienboom und den zu niedrigen Federal Funds-Zielra-ten der Federal Reserve.15

14 Abbildung: David Beckworth.15 Marek Jarocinski and Frank R. Smets, „House Prices and the Stance of Mo-

netary Policy”, Federal Reserve Bank of St. Louis Review (July/August 2008): 339–65; John B. Taylor, Getting Off Track: How Government Actions and In-tervention Caused, Prolonged, and Worsened the Financial Crisis (Stanford: Hoover Institution Press, 2009); Rudiger Ahrend, „Monetary Ease: A Factor Behind the Financial Crisis? Some Evidence from OECD Countries”, Econo-mics: The Open Access, Open Assessment Journal 4 (2010): 12; George A. Kahn, „Taylor Rule Deviations and Financial Imbalances”, Federal Reserve Bank of Kansas City Review (2nd quarter 2010): 63–99.

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Abbildung 6: Abweichungen von der Taylor-Regel gegenüber Indikatoren des Immobilienbooms

Quelle: FRED-Datenbank, Berechnungen des Verfassers.

Abbildung 7: Die Federal Reserve und der 1-jährige ARM-Zinssatz

Quelle: FRED-Datenbank.

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Die Politik der Federal Reserve, die kurzfristigen Zinssätze zu senken, trieb nicht nur die Dollarumsätze mit Hypothekenkrediten in die Höhe, sondern hatte auch unbeabsichtigte Auswirkungen auf die Art der Hypotheken. Indem die Federal Reserve den Leit-zins zwischen 2001 und 2004 so dramatisch senkte, verringerte sie alle kurzfristigen Zinssätze im Verhältnis zu den längerfris-tigen Sätzen. Hypotheken mit variablem Zinssatz (Adjustable-Rate Mortgages, ARMs), die üblicherweise auf einem einjährigen Zins-satz fußten, wurden im Vergleich zu dreißigjährigen Hypotheken mit festem Zinssatz zunehmend preisgünstig. Abb. 7 zeigt den Einfluss der Federal Reserve auf ARM-Zinssätze, indem die Fe-deral Funds-Zielrate zusammen mit dem durchschnittlichen ein-jährigen ARM-Zinssatz abgebildet wird.16 2001 lag der einjährige ARM-Zinssatz durchschnittlich um etwa 0,90 Prozent unter dem durchschnittlichen Zinssatz für dreißigjährige Hypotheken mit fes-tem Zinssatz (7,05 verglichen mit 7,97 Prozent). 2004 hatte sich die durchschnittliche Differenz infolge des niedrigen Leitzinses mehr als verdoppelt (3,72 gegenüber 5,80 Prozent). Die Federal Reserve verursachte nicht nur diese Lücke selbst, sondern auch die Erwartung, dass sie von Dauer sein würde: 2003 erkärte sie explizit, den Leitzins „auf längere Sicht“ niedrig zu halten.

Es verwundert deshalb nicht, dass sich immer mehr neue Kredit-nehmer von Hypotheken mit dreißigjährigen Zinssätzen abwand-ten und sich stattdessen ARMs zuwandten. Studien haben ge-zeigt, dass Haushalte, die sich entweder für eine ARM-Hypothek oder eine Hypothek mit festem Zinssatz entscheiden konnten,

16 Abbildung: David Beckworth.

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dabei den erwarteten Pfad der Zinssätze berücksichtigen.17 Als die Federal Reserve zur Erwartung Anlass gab, dass die Differenz zwischen ARM-Zinssätzen und Zinssätzen für dreißigjährige Hy-potheken mit festem Zinssatz „auf längere Sicht“ Bestand haben würde, machte sie ARMs für Kreditnehmer attraktiver. Abb. 8 zeigt, welcher prozentuale Anteil aller Hypotheken ARMs waren, zusammen mit einer Darstellung der Lücke zwischen den Zins-sätzen für Hypotheken. Die Lücke beschreibt die Differenz zwi-schen aktuellen Sätzen für dreißigjährige Hypotheken mit festem Zinssatz und dem erwarteten einjährigen ARM-Satz, gemessen als durchschnittlicher einjähriger ARM-Satz der vorangehenden drei Jahre.18 Je größer die Lücke, desto attraktiver waren ARMs. Abb. 8 deutet an, dass Änderungen der Lücke maßgeblich die Änderungen des ARM-Anteils neuer Hypotheken beeinflussten.19

17 Emanuel Moench, James Vickery, and Diego Aragon, „Why is the Market Share of Adjustable Rate Mortgages So Low?”, Current Issues in Economics and Finance 16, Nr. 8 (December 2010): 1–11.

18 Abbildung: David Beckworth. Ermittlung der erwarteten Lücke zwischen den Hypothekenzinssätzen in Anlehnung an Moench et. al. (2010). Die Begrün-dung für die Benutzung eines nachlaufenden Dreijahresdurchschnitts für die einjährige ARM ist die Annahme, dass Haushalte zukünftige ARM-Zinssätze auf dieser Grundlage prognostizieren.

19 Das R2 der beiden Serien liegt für 1990:1-2005:12 bei 56,39 Prozent.

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Abbildung 8: Die Federal Reserve und der ARM-Marktanteil

Quelle: FRED-Datenbank, FHFA Monatliche Zinssatzerhebung.

Abb. 8 zeigt, dass der Marktanteil der ARM während des Im-mobilienbooms von ungefähr elf Prozent (in der ersten Jahres-hälfte 2001) auf einen Höchstwert von 40 Prozent (Mitte 2004) stieg. Wie erwartet fiel der steile Anstieg der ARM mit der von der Federal Reserve verursachten Lücke zwischen den Hypothe-kenzinssätzen zusammen. Damit war die Geldpolitik der Federal Reserve der Hauptgrund für den starken Anstieg der ARM. Der Anstieg der ARM leistet einen wichtigen Erklärungsbeitrag zur Problematik der Kreditausfälle. Darlehen mit variablem Zinssatz verschieben das Risiko, zu höheren Sätzen refinanzieren zu müs-sen, vom Kreditgeber auf den Kreditnehmer. Viele Kreditnehmer, die ARM-Verträge abschlossen, verließen sich implizit (und un-

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vorsichtigerweise) darauf, dass die Federal Reserve die kurzfris-tigen Sätze auf absehbare Zeit niedrig lassen würde. Diese Kre-ditnehmer bekamen große Schwierigkeiten, als ihre monatlichen Ratenzahlungen steil anstiegen. Die Ausfallraten waren bei ARM viel höher als bei Hypotheken mit festem Zinssatz. Die Verschie-bung hin zu ARM verstärkte die Probleme mit der Hypotheken-qualität, die sich aus Regulierungen und Vorschriften sowie Sub-ventionen ergeben hatten.

Der Aufwärtstrend bei den Immobilienpreisen verschleierte für mehrere Jahre die Risiken der Kredite an nicht-kreditwürdige Kreditnehmer. Als die Blase platzte, konnten Kreditnehmer ihre Ratenzahlungen nicht länger durch Umschuldung oder Kredite auf die eigenen Immobilien leisten.

3. Das Finanzsystem verstärkt den monetären Impuls

Die geldpolitische Lockerung der Federal Reserve löste einen Immobilienboom aus, und das in einem Finanzsystem, das von gesetzlichen Vorgaben zur Schaffung günstiger Eigenheime und Moral Hazard-Problemen verzerrt war. Die Gläubiger von Fannie Mae und Freddie Mac, Citibank, Bank of America sowie der an-deren großen Investmentbanken glaubten, sie seien durch staat-liche Garantien geschützt, unabhängig davon, ob diese Zusagen explizit gemacht worden waren oder nicht.

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Das U.S.-amerikanische Bankensystem hat in seiner gesamten Geschichte stets zunehmenden Schutz erhalten, was die Proble-me schwacher Banken und unseriöser Kreditvergabe verschärf-te, anstatt sie zu verringern. Jeder Versuch, das System zu flicken und es besser gegen Krisen abzusichern, bereitete ungewollt den Nährboden für das Entstehen einer späteren Krise. In der jun-gen Republik führten Beschränkungen des Filialgeschäfts, deren Ziel es war, örtliche Monopolprivilegien zu sichern, zur Unterdi-versifizierung und Unterkapitalisierung von Banken. Die während des amerikanischen Bürgerkrieges verabschiedeten Währungs-gesetze verpflichteten Banken dazu, Staatsanleihen als Sicher-heit für Noten vorzuhalten (was sie auch dazu zwang, staatliche Kriegsanleihen zu kaufen). Die unbeabsichtigte Folge war eine derart „unelastische“ Währung, dass saisonale Währungsnach-fragen Finanzpaniken wie diejenige von 1907 auslösten. Um das Problem der Paniken zu beheben, schuf der U.S.-Kongress 1913 das Federal Reserve-System, anstatt rechtliche Beschränkungen aufzuheben und ein System zu etablieren, das dem von Paniken verschonten kanadischen Bankensystem geglichen hätte.20

Das Federal Reserve-System sollte Paniken verhindern, indem es eine elastische Währung zur Verfügung stellte und als Kredit-geber letzter Instanz auftrat. In den 1920er Jahren experimentier-te die Federal Reserve mit ihren neuen Befugnissen, indem sie eine expansive Geldpolitik verfolgte, wodurch sie unbeabsichtigt

20 George A. Selgin and Lawrence H. White, „Monetary Reform and the Re-demption of National Bank Notes, 1863–1913”, Business History Review 68 (Summer 1994): 205–43; Vera Smith, The Rationale of Central Banking (In-dianapolis: Liberty Funds, 1990).

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einen Boom der Vermögenspreise verstärkte, der 1929 platzte. Die Federal Reserve schaffte es nicht, die Bankenpaniken zwi-schen 1930 und 1933 abzuschwächen und versagte auch dabei, die daraus folgende heftige Kontraktion des Geldbestandes aus-zugleichen. 1933 wurde ein weiteres Instrument eingeführt, als die von der FDIC verwalteten staatlichen Einlagengarantien ge-schaffen wurden. Wie inzwischen überwiegend anerkannt wird, verstärken Einlagengarantien ungewollt das Moral Hazard-Prob-lem. Indem sie sich an die Einlagenversicherung anpassten, senk-ten U.S.-amerikanische Banken ihre Kapitalquoten und lernten, größere Portfoliorisiken einzugehen.

Um das Problem des Anreizes zu beheben, zu wenig Kapital vor-zuhalten, legten die Basler Vereinbarungen der Zentralbanken den Banken Eigenkapitalquoten auf, die willkürlich risikogewichtet sind. Die ungewollte Folge war, dass Banken besonders riskante Anlagen außerhalb der Bilanz in sogenannten „Structured Invest-ment Vehicles“ versteckten und ihre Risiken auch durch andere Maßnahmen verschleierten. Die in den Bilanzen veröffentlichten Eigenkapitalquoten verloren fast ihre gesamte Aussagekraft und erfüllten selbst bei Banken, deren marktbewertetes Kapital (Ak-tienpreis mal Anzahl Aktien) gegen null tendierte, die Mindestka-pitalanforderungen.

In der jüngsten Krise wurde es offensichtlich, dass es Moral Ha-zard-Probleme extrem verstärkt, wenn allen Gläubigern und Kon-trahenten sogar von Nicht-Banken und anderen Unternehmen, die als zu systemrelevant eingestuft wurden, um ausfallen zu dür-fen („Too big to fail“ – TBTF), implizite Garantien gewährt werden.

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Im Rahmen von TBTF steigt das Moral Hazard-Risiko, weil selbst Gläubiger und Kontrahenten, die nicht offiziell unter den Schirm der FDIC fallen, ihre Ansprüche als gesichert betrachten. Es gibt für sie deshalb wenig Grund, für risikofreudiges Verhalten einen Aufschlag zu berechnen, indem sie z. B. riskanteren Banken hö-here Zinssätze berechnen, bevor sie ihnen Geld leihen. Banken an den großen Finanzplätzen haben sich an die Größenerforder-nis angepasst, um den impliziten Schutz zu erhalten. Sie wurden nicht aus Effizienzgründen so groß, sondern um die Kreditsubven-tion maximal abzuschöpfen.

Die Lockerung der Geldpolitik durch die Federal Reserve ergab in Verbindung mit dem ausgeprägten Moral Hazard-Problem ein explosives Gemisch. Da die kurzfristigen Zinssätze niedrig wa-ren, konnten TBTF-Finanzinstitutionen zu sehr günstigen Preisen Wetten auf Anlagen mit höherer Rendite, wie z. B. Subprime-Hypotheken und Kreditverbriefungen (Collateralised Debt Obli-gations), abschließen. Fannie Mae, Freddie Mac und die TBTF-Banken befriedigten die zunehmende Nachfrage nach Anlagen mit einer höheren Rendite, indem sie mehr Hypotheken verbrief-ten, darunter auch Subprime-Hypotheken. Der Prozess lief immer weiter, solange die Häuserpreise weiter anstiegen und die Zinsen niedrig blieben.

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4. Das Ende des Immobilienbooms

Die Federal Reserve begann ab Juni 2004, den Leitzins lang-sam in 0,25-Prozent-Schritten anzuheben. Der nationale Häuser-preistrend kehrte sich im Frühling 2006 um und die Kreditausfäl-le begannen folglich zu steigen. Die Ausfallraten bei verbrieften einjährigen Subprime-Hypotheken, die 2003 und 2004 abge-schlossen worden waren, lagen jeweils bei ungefähr drei und vier Prozent. Bei ähnlichen Hypotheken, die 2006 und 2007 abge-schlossen wurden, waren die Ausfallraten um das Vierfache höher (2006 waren es zwölf, 2007 bereits 16 Prozent). Die Portfolios von Fannie Mae, Freddie Mac und den Investmentbanken waren stark fremdfinanziert. Durch Hypotheken gesicherte Wertpapiere bzw. exotische Derivate, die auf solchen Wertpapieren basierten, waren übergewichtet. AIG war betroffen, weil der Versicherungs-konzern zu viele Credit Default Swaps im Portfolio hatte, die über Collateralised Debt Obligations verkauft worden waren, die ihrer-seits durch Subprimekredite gesichert waren. „Stark fremdfinan-ziert“ heißt, dass AIG über zu wenig Eigenkapital verfügte, um die Verluste in seinen Portfolios auszugleichen.

Der von der Federal Reserve herbeigeführte Immobilienboom war zu Ende. Was wir über Regulierungspolitik gelernt haben und bereits zuvor gewusst haben sollten, ist, dass das Moral Hazard-Problem von „Too big to fail“ die finanzielle Sorgfalt effektiv un-terhöhlt, insbesondere in Verbindung mit Richtlinien, die Kreditge-ber dazu ermutigen, bei der Gewährung von Hypothekendarlehen traditionelle Standards der Kreditwürdigkeit zu verletzen. Was wir

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über Geldpolitik gelernt haben und bereits zuvor gewusst haben sollten, ist, dass die Federal Reserve nicht auf Vermögensprei-sen basierte Spekulationsblasen begünstigen sollte, indem sie über Gebühr Kredite bereitstellt. Wir sollten jetzt über alternati-ve geldpolitische Institutionen nachdenken, bei denen die Federal Reserve nicht länger über die willkürliche Macht verfügt, Kredite auszuweiten, oder in denen die Federal Reserve sogar überhaupt nicht mehr existiert. Das Versagen der Federal Reserve sollte die Forschung über alternative geldpolitische Institutionen neu bele-ben.

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Ist es überhaupt notwendig, Bankenkapital zu regulieren? Erkenntnisse aus Großbritannien21

Forrest Capie und Geoffrey Wood

Zusammenfassung

• Banken müssen in Erwartung unvorhergesehener Ereignis-se Kapital und Liquidität vorhalten.

• Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts gab es eine Reihe von Bankenkrisen. Die Banken reagierten darauf, indem sie mehr Kapital hielten.

• Eine Analyse des Bankkapitals zeigt, dass Banken ihre Ei-genkapitalquoten risikogerecht anpassten und dass sie im Vergleich mit den von den Regulierungsbehörden im Rah-men von Basel I und Basel II festgelegten Standards gut ausgestattet waren.

21 Deutsche Übersetzung von „Do we need regulation of bank capital? Some evidence from the UK”, London 2013. Mit freundlicher Genehmigung des In-stitute of Economic Affairs.

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• Tatsächlich wurden die Banken trotz ihrer Appelle an die Bank of England von dieser daran gehindert, mehr Kapi-tal aufzunehmen, nachdem die Kapitalausstattung im An-schluss an den 2. Weltkrieg sehr dünn geworden war.

• Während dieser langen Periode des umsichtigen Manage-ments im Bankensektor bestand offensichtlich keine Er-wartung, dass der Staat eingreifen würde, um eine briti-sche Bank vor der Insolvenz zu retten.

• Die Eigenkapitalregulierung ist ein relativ neues Phänomen und hat dazu geführt, dass Banken versuchten, die Regeln zu beeinflussen, was zu steigender Komplexität im Banken-system beitrug.

• Ein historischer Rückblick zeigt, dass die Eigenkapitalregu-lierung nicht notwendig ist, wenn der Staat nicht für Ban-ken bürgt.

• Das Prinzip einer geordneten Abwicklung, das vielen der derzeit besprochenen und eingeführten Reformen im Be-reich der Bankengesetzgebung und -regulierung zugrunde liegt, ist korrekt. Das Kernstück der Regulierungsreformen sollte die ordentliche Abwicklung einer Bank sein, falls sie bankrott geht.

• Der gesamte Apparat der Eigenkapitalregulierung im Ban-kensektor, der so viel dazu beigetragen hat, das System undurchsichtig zu machen, sollte abgeschafft werden. Die

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Versuche der britischen Regierung, große Banken dazu zu verpflichten, sehr hohe Eigenkapitalausstattungen vorzu-halten, führen in die Irre.

1. Einführung

Banken haben sich seit ihren Ursprüngen als mittelalterliche Goldschmieden im Kern nur wenig verändert. Sie mögen zwar an anderen Aktivitäten beteiligt sein, aber das Kerngeschäft ist und bleibt das Leihen und Verleihen; dies ist das Geschäft, das sie für die Wirtschaft unentbehrlich macht. Bei ihrer Geschäftstätigkeit erfüllen Banken zwei wichtige Funktionen: Sie stellen einen Teil – in modernen Volkswirtschaften sogar den bei Weitem größten Teil – des Geldbestandes zur Verfügung. Und sie übertragen Mit-tel von Kreditgebern an Kreditnehmer. So handeln sie als Finanz-intermediäre. Während sie Geld leihen und verleihen, müssen sie sowohl Kapital als auch Liquidität vorhalten.

Als Eigenkapital werden die Mittel bezeichnet, die der Bank gehö-ren. Es kann von den Aktionären der Bank zur Verfügung gestellt werden, oder – je nach Gesellschaftsform – von den Gesellschaf-tern oder sogar von einem einzigen Eigentümer. Diese Mittel sind notwendig, weil Banken – unabhängig davon, wie gut sie verwal-tet sind, wie gut sie ihre Kunden behandeln und wie sehr sie ih-rer Verantwortung gegenüber den Kunden gerecht werden – von Zeit zu Zeit bei den Krediten einen Verlust erleiden. Ein Teil des verliehenen Geldes – oder sogar alles – wird nicht zurückbezahlt.

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Dies ist jedoch kein Grund (weder moralisch noch rechtlich), den-jenigen Menschen nicht ihr Geld zurückzuerstatten, die es der Bank geliehen haben; deshalb braucht die Bank Eigenmittel, aus denen sie Einleger falls erforderlich zurückbezahlen kann.

Bei der Liquidität handelt es sich um ein in mancher Hinsicht kom-plizierteres Konzept. Man stellt sich die Liquidität am besten als die Barmittel vor, die die Bank in ihren eigenen Tresoren aufbe-wahrt. Etwas Bargeld muss vorgehalten werden, weil nicht immer so viel eingezahlt wie ausgezahlt wird. Wiederum ist die Bank dazu verpflichtet, Kunden die gewünschten Beträge auszubezah-len. Um nicht in Verzug zu geraten oder schließen zu müssen, muss die Bank stets etwas Barmittel zur Verfügung haben.

Dabei muss betont werden, dass der benötigte Betrag von der Einstellung der jeweiligen Zentralbank gegenüber der Bereitstel-lung von Barmitteln abhängt. Die Zentralbank ist möglicherweise dazu bereit, kurzfristig zu günstigen Bedingungen und gegen eine Vielzahl von Wertpapieren als Sicherheit Mittel zu leihen. Unter solchen Umständen muss eine Bank nicht viel Liquidität vorhal-ten. Deshalb ist der seit Kurzem weitverbreitete Gedanke, dass die Liquidität, die Banken vorhalten, international reguliert werden muss, möglicherweise nicht gut durchdacht oder sogar unsinnig. Aber diese Diskussion heben wir uns für einen zukünftigen Auf-satz auf.

Wie viel Kapital sollten Banken vorhalten, um mit den oben an-gesprochenen Problemen umzugehen, und wer sollte über die Antwort auf diese Frage entscheiden?

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2. Erfahrungen mit Bankkapital im Vereinigten Königreich

Für britische Banken war Kapital schon immer wichtig. Es galt sogar als so entscheidend, dass die Regierung und die Bank of England bis 1970 die Verschleierung von tatsächlichen Gewinnen und tatsächlichem Kapital im öffentlichen Interesse akzeptier-ten. Banken befanden sich schon immer im Spannungsfeld zwi-schen zu viel und zu wenig Kapital. Hohe Kapitalausstattungen sollen Einlegern Vertrauen einflößen – tatsächlich wurden sie im 19. Jahrhundert bisweilen als Wettbewerbsvorteil eingesetzt, um Einlagen anzulocken. Aber je höher das Kapital, desto geringer die Kapitalrendite. Es gilt also das Einlegervertrauen gegen die Zufriedenheit der Aktionäre abzuwägen. Bei den Berechnungen ist die Qualität der Bilanzaktiva, d. h. die Qualität dessen, was die Bank gekauft oder wogegen sie Geld verliehen hat, entschei-dend.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in England meh-rere hundert Banken. Vor 1826 handelte es sich bei allen um Partnerschaften mit unbeschränkter Haftung und nicht mehr als sechs Gesellschaftern. Nach 1826 wurden Aktienbanken zuge-lassen und allmählich nahmen Banken diese Form an.

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In den periodischen Finanzkrisen des 19. Jahrhunderts gingen viele Banken bankrott, setzten Zahlungen eine Zeit lang aus,22 fusionierten oder wurden übernommen.

Es gab keine Vorschriften darüber, welchen Anteil der Bilanz das Eigenkapital oder andere Aktiva oder Passiva ausmachen soll-ten. Und im Verlauf der beiden mittleren Viertel des Jahrhunderts wurden die bestehenden Regulierungen allmählich abgeschafft – wie etwa die Gesetze gegen Wucher und die obligatorische un-beschränkte Haftung. Die erstgenannten wurden in den 1830ern und 1840ern außer Kraft gesetzt, die letztgenannte in den späten 1850ern und frühen 1860ern.

Die Banken mussten deshalb eigene Wege finden, eine für sich jeweils angemessene Vermögens- und Kapitalstruktur zu bestim-men. Infolge der Finanzkrisen von 1825, 1836, 1847, 1857 und 1866 begannen die Banken vorsichtig, mit sehr hohen Eigenka-pital- und Vermögensquoten sowie einem hohen Anteil liquider Mittel. Aber diese Werte schrumpften langsam in dem Maße, in dem Vertrauen und Wissen stiegen. Nach den 1870er Jahren, als klar wurde, dass die Bank of England als Kreditgeber letzter Ins-tanz einspringen würde, gab es einen weiteren Grund für „wohl-erzogene” Banken, ihre Liquiditätsquoten noch etwas weiter zu verringern.

22 Ein modernes Pendant dazu ist das weiter beibehaltene Recht der Bauspar-kassen, Kontoabhebungen nur mit Vorankündigung zu erlauben. Dieses Recht wurde selten durchgesetzt, und viele Kunden wussten wahrscheinlich nicht einmal, dass es existierte.

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Die Vorhaltung von „inneren” oder „verborgenen” Reserven er-laubte es den Banken, ihre veröffentlichten Gewinne zu glätten. Damit konnten Einleger und Aktionäre beruhigt werden, indem ihnen ein Eindruck finanzieller Solidität und umsichtigen Verhal-tens vermittelt wurde, der zur finanziellen Stabilität beiträgt. Der Brauch, verborgene Reserven zu halten, war ab Mitte des neun-zehnten Jahrhunderts weitverbreitet – die Midland Bank zum Bei-spiel richtete erstmals 1866 eine verborgene Reserve ein.

Zu Beginn des letzten Viertels des 19. Jahrhunderts hatten sich die veröffentlichten Eigenkapitalquoten bei etwa 15 Prozent ein-gependelt. Die Zahl unterschied sich kaum von Bank zu Bank. Zum Ende des Jahrhunderts war sie auf zehn bis zwölf Prozent gesunken. Wechselbanken, spezialisierte Intermediäre im Be-reich Handelsfinanz, die auch Geld an Banken verliehen, arbei-teten mit viel geringeren Prozentsätzen. Aus gutem Grund: Sie kannten ihre Kunden sehr genau.

3. Bankkapital im 20. Jahrhundert vor der Regulierung

Im inflationären Umfeld des Ersten Weltkrieges fielen die Eigen-kapitalquoten noch weiter, da ein Großteil der Bankkredite, die zur Ausweitung der Bilanzen geführt hatten, durch Staatsschul-den gesichert war, von denen man zu der Zeit glaubte, sie seien völlig sicher. Banken passten das Kapital, das sie vorhielten, an die Risiken an, die sie eingingen. In den Jahren zwischen den

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beiden Weltkriegen war der Bankensektor weiterhin bemerkens-wert stabil. In der Folge sanken die Kapitalquoten weiter. In den 1920er und 1930er Jahren lagen sie bei etwa sieben Prozent. Da-bei sollte betont werden, dass englische Banken in diesen Jahren bemerkenswert stabil blieben und damit zweifelsohne zur Stabi-lität der Wirtschaft und der Vermeidung einer großen Depressi-on mit denselben Merkmalen – inklusive Bankkonkursen – wie in den USA beitrugen.

Im Zweiten Weltkrieg fielen die Eigenkapitalquoten der Banken dramatisch. Sie lagen bei etwa drei Prozent. Die Bilanzen wur-den mit Staatsschulden ausgeweitet, während das private Kre-ditgeschäft entfiel. Aber während die Quoten fielen, wurden auch die Risiken geringer, weil der Großteil der Bilanz auf Staatsobli-gationen beruhte. Dies blieb in der langen Anpassungsperiode im Anschluss an den Krieg weiterhin der Fall. Die Kapitalquoten erreichten in den 1950er Jahren ihr niedrigstes Niveau aller Zei-ten, als sie bis auf zwei bis drei Prozent fielen. Im Anschluss an den Krieg gestaltete sich die Kapitalaufnahme aufgrund von re-striktiven Auflagen schwierig, die das Capital Issues Committee eingerichtet hatte – ein Ausschuss, der den Zugang zu den Ka-pitalmärkten für privatwirtschaftliche Akteure einschränkte, um sicherzustellen, dass der Staat stets Zugang zu Kapital hatte.

Diese Einschränkung begann sich jedoch störend auf die Banken auszuwirken. Die Bankenchefs verbrachten in den 1950er Jahren folglich viel Zeit damit, bei der Bank of England um Unterstüt-zung dafür zu werben, dass ihnen die Aufnahme neuen Kapitals erlaubt wird. Eine Mitteilung für die Bank of England stellte das

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Problem klar dar: „... es wird deutlich, dass die Kapitalstruktur der Verrechnungsbanken bei Weitem nicht ideal ist ... Aktuell ist klar, dass sie in schwierigen Zeiten entweder Fußnoten in ihre Bilanzen einfügen müssen – was wir missbilligen – oder uns um Finanzhilfen bitten müssen, was desaströs wäre ... Die Banken sollten [wenn sie von Restriktionen befreit würden] energisch die Umsetzung eines Programms verfolgen, welches aus gutem Grund längst überfällig ist” (zitiert nach Billings and Capie, 2007, S. 145).

Insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Diskus-sionen kann gar nicht genug betont werden, dass die Banken selbst mehr Kapital vorhalten wollten und dass kein Wunsch be-stand, ihnen staatliche Beihilfen zu geben oder über die Zentral-bank Unterstützung zu gewähren. Im Gegenteil, es waren staatli-che Regulierungen, die die weitere Kapitalaufnahme behinderten.

Als wieder Normalität einkehrte und privatwirtschaftliche Kredite den Stellenwert einnahmen, den sie zuvor gehabt hatten, wobei Staatsobligationen entsprechend reduziert wurden, stiegen die Eigenkapitalquoten in den 1960er Jahren langsam wieder auf vier bis fünf Prozent. Wohlgemerkt gab es noch immer keinerlei Re-gulierungen hinsichtlich des Kapitals; der Anstieg der Kapitalquo-ten beruhte allein auf den Entscheidungen der Banken selbst.

Es sei der Hinweis erlaubt, dass die oben genannten Zahlen die-jenigen waren, die der Öffentlichkeit in den Bilanzen der Banken präsentiert wurden. Man wusste, dass die Banken über weitere Reserven verfügten, die sich aus der Nutzung umsichtiger Buch-

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haltungsstandards ergaben. Diese verborgenen Reserven er-möglichten nicht nur, wie oben dargestellt, einen geglätteten Über-blick über das Geschäft. Sie bedeuteten auch, dass die Banken tatsächlich viel stärker aufgestellt waren, als sie sich darstellten.

Wenn man die tatsächlichen Werte berechnet, lassen sich alle die oben genannten Zahlen um mindestens einen Prozentpunkt steigern, sodass die Eigenkapitalquoten an ihrem niedrigsten Punkt in den 1950er Jahren eher bei etwa vier Prozent lagen. Wenn die Risikogewichtungen nach Basel (weiter unten bespro-chen) auf die Zahlen angewandt werden, steigen sie dramatisch an, was die Qualität der Vermögenswerte der Banken in diesem Zeitraum widerspiegelt. Die Werte für die 1920er Jahre steigen, nach dem Baseler Ansatz risikogewichtet, auf etwa 14 Prozent an. Im Zweiten Weltkrieg erreichten die Kennzahlen sogar histo-rische Höchstwerte von über 14 Prozent. In den 1960er Jahren lagen sie bei ungefähr 13 Prozent.

Wie der Vorsitzende von Lloyds’ in den 1950er Jahren kommen-tierte: „Es gibt keine Daumenregel, mit der sich entscheiden lie-ße, wie viel Eigenkapital eine Bank benötigt, um ihre Geschäfte zu führen. Das Leitprinzip lautet, dass die Ressourcen insgesamt ausreichend sein müssen, um den Einlegern absolute Sicherheit zu garantieren und dass die Reserven ausreichen müssen, um Fluktuationen im Handel von Jahr zu Jahr zu begegnen ... Es müs-sen Vorkehrungen getroffen werden ..., um mit den Schwierig-keiten fertig zu werden, die sich aus den Fluktuationen im Markt-

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preis von Regierungsanleihen ergeben.”23

Nur ein offizieller Bericht der Zeit berücksichtigte Eigenkapital explizit: der „Prices and Incomes Report” von 1967. Er kam zu folgendem Schluss: „Es gibt offenbar unter den Banken keine einhellige Meinung hinsichtlich eines angemessenen Niveaus für Reserven. Die Banken berücksichtigen in aller Regel jedoch ihre Reserveanforderungen ... im Verhältnis zu den Gesamteinlage-verpflichtungen.” Die Banken waren sogar der Ansicht, dass sie zur Zeit des Berichts ihre angestrebte Eigenkapitalposition er-reicht hatten.

Als jedoch dann die Inflation einsetzte, wollten die Banken ihre Kapitalbasis weiter steigern, weil das Wachstum der Geldmenge, auf dem die Inflation beruhte, sich vor allem aus Bankeinlagen zusammensetzte, sodass die Bankbilanzen entsprechend ange-wachsen waren. Unglücklicherweise fiel dies in den Jahren 1972 bis 1974 mit dem größten Börsencrash aller Zeiten in Großbritan-nien zusammen. Der seinerzeit benutzte Aktienindex fiel von 533 Punkten im Mai 1972 auf 160 im Januar 1974. Bankaktien erlitten größere Verluste als die meisten anderen, und manche fielen um bis zu 70 Prozent. Infolgedessen wurde es natürlich sehr schwer, neues Kapital aufzunehmen.

Für das Privatkundengeschäft der Banken gab es in der Zeit kei-

23 Lloyd’s Chairman’s Report (1954 – Sir Oliver Franks war der Vorsitzende). Zitiert nach Billings and Capie, 2007.

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ne besondere Bedrohung,24 aber im sekundären Bankensektor gab es Mitte der 1970er Jahre eine Krise, die 1979 zu einer neu-en Gesetzgebung führte. Das in dem Jahr verabschiedete Ban-kengesetz schränkte individuelle Risiken ein, um eine angemes-sene Diversifizierung sicherzustellen. Risiken, die 25 Prozent des Kapitals überstiegen, erforderten die vorherige Zustimmung der Bank of England. Damit begann die Einmischung in den Betrieb der Banken. Wenig später, in den 1980er Jahren, kamen die Ba-seler Regeln ins Spiel.

4. Die Baseler Regeln – Version eins

Zusätzlich zum üblichen Gesellschaftsrecht wurden in verschie-denen Ländern und zu verschiedenen Zeiten Sondergesetze für Banken eingeführt. Die ersten Anzeichen einer koordinierten in-ternationalen Regulierung wurden infolge von zwei Bankpleiten im Jahr 1974 ersichtlich – nämlich des Bankhauses Herstatt und der Franklin National Bank. Obwohl diese beiden Banken nicht besonders groß waren, führte ihr Konkurs zu erheblichen Proble-men für andere Banken, und dies vor allem aufgrund der Vorge-hensweise der Regulierungsbehörden bei den beiden Pleiten. Es wurde ein ständiger Ausschuss der Bankaufsichtsbehörden der G10-Länder gebildet. Er verfügt über ein permanentes Sekretari-at bei der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Basel und

24 Selbst in jenen sehr schwierigen Jahren brauchten die Großbanken ihr freiwil-lig gewähltes Eigenkapital nicht auf.

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ist deshalb auch unter dem Namen Baseler Ausschuss bekannt.

Der Ausschuss begann 1988, sich mit der Regulierung von Kapi-tal zu beschäftigen. Das Baseler Abkommen von 1988 definierte für international tätige Banken Standards für die Eigenkapitalaus-stattung. Dieses Abkommen, auch als Basel I bekannt, forderte von Banken, Eigenkapital entsprechend den Baseler Regeln für Risikoklassen vorzuhalten. Die Quote lautete:

Baseler Risikoanlagenquote = Eigenkapital/gewichtete Risikoan-lagen.

Das Kapital wurde in zwei Klassen (auf Englisch „tier”) eingeteilt: Die Klasse 1 umfasste vor allem Eigenkapital (das man als ers-te Verteidigungslinie betrachten kann), die Klasse 2 entsprach dem Ergänzungskapital. Klasse 2 setzte sich aus Instrumenten wie Schuldverschreibungen und nachrangigen Verbindlichkeiten zusammen.

Man erkannte, dass Risikoanlagen nicht homogen sind, aber dennoch beachtete man ausschließlich das Kreditrisiko, also das Ausfallrisiko. Jede von einer Bank gehaltene Anlage wurde einer von fünf Risikoklassen zugewiesen bzw. in der uneleganten Spra-che des Ausschusses in einen der fünf „Risikoeimer” gelegt. Je-der dieser Eimer hatte eine andere Risikogewichtung: je höher das Risiko, desto höher die Gewichtung und desto höher das erforderliche Kapital. Die Gewichtung beruhte auf der allgemei-nen Einordnung des Kreditnehmers, und individuelle Risiken wur-den nicht beachtet. So erhielt zum Beispiel Rolls Royce dieselbe

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Gewichtung wie ein neu gegründeter Zeitungskiosk und der ar-gentinische Staat dieselbe Risikogewichtung wie Großbritannien, nämlich null. Das mag überraschen. Erwähnenswert ist auch die Auswirkung der alleinigen Konzentration auf das Kreditrisiko. Sie bedeutete, dass z. B. keine Mittel zur Seite gelegt werden muss-ten, um die Auswirkungen von Zinsschwankungen auf den Markt-wert von langfristigen Verbindlichkeiten abzudecken.

Es ist darauf hingewiesen worden (z. B. von Heffernan, 2005), dass diese und andere Anomalien, wie etwa die Tatsache, dass ein Außerbilanzgeschäft mit einem Unternehmen eine niedrigere Risikogewichtung erhielt als ein direktes Darlehen an dasselbe Unternehmen, die Regulierungsarbitrage förderten – d. h. den Einsatz von finanziellen Instrumenten, um eine Reduzierung des Eigenkapitals ohne eine entsprechende Verringerung des Risi-kos zu ermöglichen. Alle diese Beobachtungen weisen natürlich auf Schwächen bei Basel I hin, und diese und andere Probleme führten zu Basel II. Es ist jedoch angebracht, an dieser Stelle zu bemerken – und hierzu folgen weitere Ausführungen –, dass Banken keine solche Anreize zum Umgehen der Regeln hatten, wenn sie, wie zuvor beschrieben, selbst die für sie angemessene Eigenkapitalquote wählten.

Außerdem: Selbst wenn Unternehmen ihre Eigenkapitalquoten umsichtig festgesetzt hätten, hätten sie zu der Zeit noch immer so viel Eigenkapital gehabt, wie es die Baseler Regeln vorschrei-ben. Dieses „Mindesteigenkapital” mag für manche Arten von Krediten geringer ausfallen als das von der Bank gewünschte Kapital (manchmal als „ökonomisches Kapital” bezeichnet), zum

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Beispiel bei Staatsanleihen – während es in anderen Fällen, z. B. Hypotheken mit sehr niedrigen Beleihungsquoten, zu hoch wäre. Bei den Banken gab es deshalb eine Tendenz, eine Eigenkapital-ausstattung zu wählen, die von Überlegungen wie der eigenen Bilanz, der Anpassung der Art der Kreditvergabe, den eigenen Anlagen und dem Ausmaß der Außerbilanzgeschäfte bestimmt wurde, um sicherzustellen, dass die Bank über das richtige Maß an ökonomischem Kapital verfügte, und zugleich sicher zustellen, dass dieser Wert die Vorgabe für das Mindesteigenkapital über-stieg. Dies steigerte die Komplexität und förderte die Entstehung vieler der neuen finanziellen Instrumente, die für die Finanzkrise mitverantwortlich gemacht werden.

Einige der Schwächen von Basel I wurden erkannt und teilweise korrigiert. Eine Ergänzung zu Basel I, 1996 angekündigt und 1998 eingeführt, behandelte das Marktrisiko – das Risiko eines Verlus-tes infolge von Änderungen bei den Marktpreisen der Anlagen. Banken durften, die Zustimmung ihrer Regulierungsbehörde vor-ausgesetzt, ihre eigenen Modelle benutzen, um das Marktrisiko zu berechnen. Bei diesen Modellen handelte es sich um Value-at-Risk-Modelle (VaR-Modelle). Diese ermitteln eine Schätzung für die Empfindlichkeit von Portfoliowerten auf Marktpreisände-rungen, um zu zeigen, wie viel ein Unternehmen aufgrund einer Preisänderung verlieren würde. Insbesondere sollten sie anzei-gen, mit welcher Wahrscheinlichkeit Banken eine bestimmte Menge Eigenkapital aufbrauchen würden.

Banken ohne ein genehmigtes internes VaR-Modell mussten den „standardisierten Ansatz” nach Basel benutzen. Hierbei handelte

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es sich um einen „Baukasten”. Es wurden vier Marktrisiken identi-fiziert: Zinsraten, Wechselkurse, Aktienpreise und Rohstoffpreise. Für jedes Risiko wurde eine Eigenkapitalanforderung bestimmt. An-schließend wurden alle Anforderungen zusammengerechnet. Be-merkenswerterweise wurden keine Wechselwirkungen zwischen den Risiken berücksichtigt, sodass Risikodiversifizierung – ein klassisches Prinzip vorsichtiger Bankgeschäfte (und auch vorsich-tigen Investierens) – ignoriert wurde und bei der Bestimmung des vorgeschriebenen Mindesteigenkapitals nicht gewürdigt wurde.

Es überrascht nicht, dass die Schwächen von Basel I zu weiteren Änderungen führten. Die sich daraus ergebenden Änderungen waren in Basel II enthalten.

5. Die Baseler Regeln – Version zwei

2001 wurde ein Entwurf zur Reform der Eigenkapitalregulierung präsentiert. Dieser ursprüngliche „Basel II”-Entwurf wurde scharf kritisiert und schlussendlich wurde ein „Dreisäulenansatz” einge-führt. Bei diesem Ansatz wurde das Kreditrisiko berücksichtigt, sodass zuvor unbeachtete „Feinheiten” in die Betrachtung ein-bezogen werden konnten – wie etwa die Tatsache, dass manche Unternehmen ein geringeres Ausfallrisiko darstellen als manche Länder. Auch operationelle Risiken wurden anerkannt, d. h. Ri-siken, die sich aus Störungen im Bankbetrieb ergeben – z. B. ein Computerausfall, der Menschen daran hindert, ihr Geld ab-zuheben. Zusätzlich zu der komplexen „Risikosäule” gab es eine

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Aufsichtssäule und eine Marktdisziplinsäule. Diese drei Säulen sollten die Struktur des Bankwesens stützen.

Die Risikosäule wurde bereits beschrieben. Was zeichnete die beiden anderen Säulen aus? Die Aufsichtssäule beschrieb die Verantwortung der nationalen Aufsichtsbehörden. Sie waren dafür zuständig sicherzustellen, dass Banken ihre Risiken rich-tig einschätzten; dass die Art, wie Risiken gemessen wurden, geprüft und aktualisiert wurde; dass Banken die Mindesteigen-kapitalvorgaben einhielten; und dass Banken ihr Eigenkapital im Fall eines Verlusts so schnell wie möglich wieder auf das erfor-derliche Maß zurückbrachten. Was an dieser Liste überrascht, ist nicht allein, dass dies alles sehr offensichtlich erscheint, sondern dass es Funktionen beschreibt, die Kernaufgaben des Bankma-nagements sind. Die Säule „Marktdisziplin” hält Banken dazu an, Informationen über Risiken, Kapitaldeckung und Methoden zur Berechnung der Kapitalanforderungen viertel- oder halbjährlich zu veröffentlichen. Alle diese Angaben können Märkte in die Irre führen, wenn sie verschleiert oder falsch dargestellt werden.

Es ist wohlbekannt, dass diese drei Säulen die Struktur des Bank-wesens nicht trugen. Es gab in einem erheblichen Teil der Welt eine große Bankenkrise. Die Ursachen ausführlich zu erörtern, würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, aber jeder, der sich damit beschäftigt, identifiziert dieselben Grundprobleme:25

25 Eine gründliche Studie findet sich bei Lastra und Wood, 2010, und eine Stu-die zu einer einzelnen Episode ist in „The Run on the Rock“ enthalten, dem Bericht der Untersuchungskommission des Finanzministeriums des House of Commons zur Pleite von Northern Rock.

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perverse Anreize, selbstgefällige Manager und Aktionäre, unzu-reichende Risikoeinschätzungen und ein so großes Versagen der Regulierung, dass man es in manchen Fällen mit Fug und Recht als Inkompetenz bezeichnen kann. Wie wurde auf dieses Versa-gen reagiert?

Gute Beispiele hierfür sind die Vickers-Kommission in Großbri-tannien und die Vorschläge eines Teams unter der Leitung von Paul Volcker in den USA. Diese Vorschläge hatten viel gemein-sam, obwohl sie einander oft gegenübergestellt werden.

6. Vickers und Volcker

Es war zu erwarten, dass sie viel gemeinsam haben würden, denn beide sahen sich mit ähnlich verwirrenden Fragen – oder etwas großzügiger formuliert – einer zweiteiligen Frage konfrontiert. Im Kern ging es um diese zwei Teile:

• Wie kann man Bankenpleiten verhindern und, noch viel wich-tiger und nachstehend weiter erörtert,

• wie können Banken, die bankrott gehen, ordentlich abgewi-ckelt werden?

Interessanterweise führten beide Teile der Frage zum gleichen Ergebnis – der Trennung des Investmentbanking (im Kern der Be-reich, der auf den Märkten handelt) vom traditionellen Geschäft

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des Leihens und Verleihens. Sie erreichten diese Antwort natür-lich auf verschiedenen Wegen. Es existierte die weitverbreitete Meinung, Investment Banking – von naiven Menschen als „Kasi-no-Banking” bezeichnet – sei riskanter als das normale Bankge-schäft. Das ist natürlich das genaue Gegenteil von dem, was in Großbritannien der Fall war, wo die beachtenswerten Misserfolge normale kommerzielle Banken betrafen (Royal Bank of Scotland und Halifax Bank of Scotland) und die Stabilität des Investment-banking-Betriebs gefährdeten.26

In ihrer reinsten Form verbietet die Volcker-Regel Banken mit Ein-lagengeschäft das Eigenhandelsgeschäft sowie Investitionen in privates Beteiligungskapital oder Hedgefonds. Das Dodd-Frank-Gesetz (in dem die Volcker-Regel verkörpert wurde) schwäch-te die Regel leicht ab. Es erlaubte begrenzte Investitionen in pri-vates Beteiligungskapital oder Hedgefonds (bis zu drei Prozent des Klasse 1-Kapitals) und erlaubte Eigenhandel zum Zweck der Absicherung mit Deckungsgeschäften, der Marktpflege und des Liquiditätsmanagements.

Der Hauptunterschied zwischen der Volcker-Regel und der Emp-fehlung der Vickers-Kommission besteht in der Platzierung und der Höhe des Zauns, der die unterschiedlichen Bankgeschäfte voneinander trennt. Die Volcker-Regel strebt ein komplettes Ver-bot der als am riskantesten betrachteten Handelsaktivitäten in Banken mit Einlagengeschäft an, erlaubt aber den Fortbestand

26 Die weitverbreitete Meinung widersprach auch den Ergebnissen gründlicher Studien in den USA. Siehe Benston (1990).

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der meisten Investmentbanking-Aktivitäten. Der Vickers-Ansatz möchte die Kernaktivitäten von Banken mit Einlagengeschäft von einer breiteren Auswahl riskanter oder nicht zum Kerngeschäft gehörender Aktivitäten isolieren, dies jedoch eher mittels einer Trennung als durch ein Verbot.

Der Bericht der unabhängigen Bankenkommission unter Vickers argumentierte, dass der Vorteil einer Isolierung im Vergleich zu der Volcker-Regel darin besteht, dass ein Verbot des Eigenhan-dels in Großbritannien nur eine geringe Auswirkung hätte, weil dieser dort eine relativ begrenzte Aktivität darstellt. Im Gegen-satz dazu sollte die Isolierung die Abwicklung sowohl isolierter als auch nicht isolierter Einheiten erleichtern.

Volcker hat manche Aspekte des britischen Isolierungsansat-zes kritisch hinterfragt, unter anderem die Durchlässigkeit der Abgrenzung und die Fähigkeit, in einer Krise die Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten27 – in dem Fall würde die Abgrenzung Komple-xität und Kosten steigern, ohne jedoch das Risiko des Eigenhan-dels zu eliminieren. Die Volcker-Regel hat gegenüber Vickers au-ßerdem den Vorteil, Aktivitäten zusammenzuhalten, die manche

27 Volcker hat darauf hingewiesen, dass eine Bank wahrscheinlich nicht ihren guten Namen aufs Spiel setzen würde, indem sie einen Teil des Unterneh-mens bankrott gehen ließe, es sei denn, sie verfügte wirklich nicht über aus-reichend Mittel, um eine andere Lösung zu finden. Aus diesem und anderen Gründen hat die UK Commission on Banking Standards vorgeschlagen, dass der Zaun „unter Strom gesetzt” werden sollte. Konkret würde dies bedeu-ten, dass das Gesetz um eine Klausel ergänzt würde, wonach Regulierungs-behörden eine Bank zur Volcker-Trennung zwingen können, falls diese fort-laufend die Stärke der Abgrenzung testet.

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Banken (insbesondere in Europa) als komplementäre Dienste für sowohl kleine als auch große Kunden betrachten.

7. Das eigentliche Ziel

An den Empfehlungen von Volcker und Vickers ist bemerkens-wert, lobenswert und wurde zu wenig beachtet, dass es sich um einen Rückschritt handelt. Die Empfehlungen schieben uns lang-sam zurück in das Zeitalter vor der Regulierung.

Dies mag auf den ersten Blick eigenartig erscheinen, denn in bei-den Fällen wird Banken vorgeschrieben, was sie zu unterlassen ha-ben. Als Erstes ist anzumerken, dass sich Vickers und Volcker von genehmigter Regulierung nach Art des römischen Gesetzes ent-fernen – wonach man alles darf, was ausdrücklich erlaubt ist – und hin zu einem befreienden Ansatz, der mehr dem angelsächsischen Common-Law-Vorgehen entspricht – wonach man alles darf, was nicht ausdrücklich untersagt ist. Dies regt Innovation an, da Un-ternehmen nicht auf Erlaubnis warten müssen, um Dinge tun zu dürfen. Und Innovation ist für Wirtschaftswachstum unerlässlich.

An dieser Stelle mag man einwenden, dass es Innovationen wa-ren, die die Bankenkrise auslösten. Sollte man sie wirklich för-dern? Das führt uns zum zweiten wirklich bemerkenswerten Aspekt der Vickers-Volcker-Empfehlungen: der Trennung der Banken. Man sollte diese Trennung nicht als Versuch interpretie-ren, Banken gegen Konkurse abzusichern, sondern vielmehr als

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eine Maßnahme, die es ihnen erlaubt, einen Konkurs so ordent-lich abzuwickeln wie jedes andere Unternehmen. Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass der Vorschlag der Vickers-Kommission, wonach britische Banken eine viel höhere Eigenka-pitaldeckung haben sollten, im besten Fall nebensächlich ist. Die Unterstützung der britischen Regierung, der EU und der Bank für internationalen Zahlungsausgleich für höhere Eigenkapitalanfor-derungen, um Ausfälle zu verhindern, ist ähnlich fehl am Platz.

Was wir brauchen, lässt sich am ehesten als „ein besseres Ban-kengeschäft” bezeichnen. Wir brauchen ein System, das Kunden als mögliche langfristige Klienten behandelt und das so funkti-oniert, dass die Unternehmen im System Stabilität anstreben. Gleichzeitig ist es sehr wichtig, dass das System individuellen Institutionen den Konkurs erlaubt. Wenn es dies nicht tut, gibt es keinen Anreiz für Sorgfalt, abgesehen von Tugendhaftigkeit. Ebenso bedeutend: Ein System, das etablierte Unternehmen vor dem Scheitern schützt, führt dazu, dass keine neuen Markt-teilnehmer entstehen. Zusammenfassend wollen wir also einen „verantwortungsbewussten” Umgang mit Kunden, sorgfältige Banken in der Mitte des Finanzsystems und die Möglichkeit des Konkurses, um diese Entwicklungen zu fördern und neue Markt-teilnehmer und Innovation zu unterstützen.

Gab es jemals ein solches System? Können wir es finden, indem wir uns an die Vergangenheit wenden? Es scheint in Großbritan-nien im 19. Jahrhundert existiert zu haben, aber Banken waren in der Regel kleiner, die Kunden waren viel wohlhabender als heute, und Konkurse waren erlaubt. In der jüngeren Vergangenheit war

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das System stabil, aber der Preis für die Stabilität war ein sehr restriktives Kartell. Keine dieser beiden Situationen aus der Ver-gangenheit erscheint uns heute als eine plausible Alternative. Ein Kartell wäre nicht wünschenswert und außerdem wahrscheinlich illegal. Und Banken von einer durchschnittlichen Größe wie im 19. Jahrhundert wären ziemlich klein und wären nicht in der Lage, Unternehmen eine Vielzahl von Dienstleistungen anzubieten.

8. Was wollen wir also?

Das Entscheidende ist, dass es möglich sein muss, Banken ordent-lich abzuwickeln. Die häufig gestellte Frage nach der richtigen Art der Trennung, um Konkurse weniger wahrscheinlich zu machen, ist deshalb die falsche Frage. Die richtige Frage lautet: Welche Art der Trennung erleichtert die Insolvenz, falls ein Scheitern stattfindet? Es herrscht die weitverbreitete Ansicht, dass eine Volcker-Trennung das Konkursrisiko verringert. Diese Meinung wird von den Daten nicht gestützt und entspricht auch nicht Volckers Absicht. Er hat darauf hingewiesen, dass eine solche getrennte Bank leichter zu li-quidieren wäre – allein schon deshalb, weil es keine offensichtlichen Impulse für die ordentliche Schließung einer Investmentbank gibt.

Insolvenzen müssen möglich sein. Es muss möglich sein, eine Bank zu schließen, wobei die Aktionäre falls nötig alles verlieren und andere Verluste in der Reihenfolge der Seniorität getragen werden, wobei das Management sein Glück auf dem Arbeits-markt versuchen muss. Das System muss ersichtlich so gestal-

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tet werden, dass dies ermöglicht wird. Der Vorschlag, dass Ban-ken ein „Lebenstestament” formulieren sollen, eine Anleitung für Konkursverwalter im Fall einer Insolvenz, soll ebenfalls darauf hin-wirken, dass eine ordentliche Abwicklung möglich wird.

Die Diskussion um die Trennung von unterschiedlichen Banken-arten erkennt die Bedeutung des Scheiterns an. Wenn dies aner-kannt und umgesetzt wird, ist der nächste offensichtliche Schritt die Einsicht, dass Banken, wenn die Möglichkeit des Scheiterns sie erst einmal dazu zwingt, Verantwortung für ihre Handlungen zu übernehmen, besser als jeder andere ihre eigenen Kapitalan-forderungen einschätzen können. Im Rahmen dieses neuen Sys-tems würden Banken, die dies nicht sorgfältig tun, nicht lange überleben. Der gesamte Apparat der Bankenregulierung könnte dann abgeschafft werden. Wir würden zu einer Zeit zurückkehren, als Banken ihre Eigenkapitalquoten selbst wählten, und zu einem System, das im britischen Bankenwesen mehr als hundert Jahre lang für Stabilität sorgte. Es wäre ein System, in dem es Stabilität gäbe, aber keinen Stillstand. Es ist seit Beginn dieses Aufsatzes offensichtlich, dass Banken ihre eigenen Eigenkapitalanforderun-gen rational wählen, wenn sie dies dürfen und wenn die Märkte sie dazu zwingen. Tatsächlich traten die Verzerrung ihrer Aktivi-täten und der Einsatz von Instrumenten, um das Eigenkapital zu reduzieren, erst auf, nachdem Mindesteigenkapitalanforderungen festgesetzt wurde. Die Verzerrung wurde also zumindest teilwei-se von der Festsetzung solcher Anforderungen verursacht.

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Stabiler Bankensektor trotz suboptimaler Politik? Einige Politikempfehlungen

Peter Altmiks

1. Krisen und kein Ende

Die Rettungsmaßnahmen für den Finanzsektor haben dem eu-ropäischen Steuerzahler bisher viel Geld gekostet: Im Zeitraum von Oktober 2008 bis Ende 2012 haben die EU-Mitgliedsstaaten über Liquiditätshilfen und Garantien 591,9 Mrd. Euro als direkte Kapitalspritzen in Banken und Abbaubanken gepumpt. Das sind 4,6 Prozent des BIP der EU des Jahres 2012 (EU-Kommission, 2013). Allein für deutsche Banken hatte der deutsche Steuerzah-ler insgesamt ungefähr 70 Mrd. Euro zu zahlen. Davon entfielen 36 Mrd. auf die staatlichen Landesbanken, 19 Mrd. auf die private Hypo Real Estate und drei bis sechs Mrd. Euro auf die Stützung der privaten Commerzbank (Hellwig/Admati, 2013). Das Anse-hen der Bankmanager ist durch einige Skandale, wie z. B. falsche Angaben beim Verkauf und Verbriefen von Hypotheken, Beihil-fe zur Steuerhinterziehung sowie Zins- und Wechselkursmanipu-lationen, mittlerweile auf einem Tiefpunkt angekommen. Selbst

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in seriösen Medien wird gefragt: „Wer stoppt die Gier der Ban-ker?“ (Siedenbiedel, 2013).

Im Zuge der Finanzkrise ist es zu strukturellen Veränderungen in der europäischen Kreditwirtschaft gekommen. Ein allmählicher Schrumpfungsprozess im Euroraum ist zu beobachten. Die Zahl der Banken und das Kreditvolumen sind gesunken, die steigen-den Aufwendungen für notleidende Kredite belasten die Ertrags-lage europäischer Banken. Gab es 2008 noch 6.570 Kreditinstitu-te, sind es 2013 noch 5.914 (EZB, 2013, S. 32). Zwar sank auch die Anzahl der Banken in den USA, aber die führenden U.S.-ame-rikanischen Banken konnten ihre Erträge und Gewinne in jüngster Zeit steigern. Allerdings hat sich das Verhältnis von Krediten zu Einlagen im Euroraum durch einen spürbaren Anstieg der Kun-deneinlagen von 142 auf 120 Prozent gebessert, welches die Sta-bilität erhöht (Braunberger, 2013).

Die ungewöhnlichen Rettungs- und Stützungsmaßnahmen inner-halb der europäischen Währungsunion (EWU) haben die Kapital-flucht aus den südeuropäischen Krisenländern vorerst gestoppt. Dabei spielte die Ankündigung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, aus dem Sommer 2012, die EZB werde alles Nötige tun, um ein Auseinanderbrechen der EWU zu verhindern, eine wichtige Rolle (Fels, 2013). Mit einer expansiven Geldpolitik wurde nicht nur den kriselnden Südstaa-ten Zeit für Reformen gegeben, sondern auch Zeit für die Neu-strukturierung des Bankensektors „erkauft“. Gunther Schnabl hat im ersten Beitrag dieser Publikation nachgewiesen, dass sich die Null- und Niedrigzinspolitik fast aller bedeutenden staatlichen

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Zentralbanken dieser Welt verfestigt und weiterhin eine expansi-ve Geldpolitik zu erwarten ist. Damit wird eine zentrale Ursache der weltweiten Finanzkrise nicht beseitigt. Somit bleibt nichts an-deres übrig, als die anderen Ursachen der Finanzkrise und deren tatsächliche oder vorgebliche Beseitigung zu betrachten. Insbe-sondere die Bekämpfung des Problems der Systemrelevanz von Kreditinstituten muss endlich überzeugend angegangen werden. Fast alle seriösen Grundsatzpapiere, die sich einer Vorbeugung einer erneuten Finanzkrise widmen, identifizieren die Systemrele-vanz von Banken als das wichtigste zu lösende Problem (so z. B. Wissing et al., 2013, S. 12).

Dabei muss zwischen drei Krisen unterschieden werden: Der Dot-com-Krise zwischen 2001 und 2003, der systemischen Finanzkri-se von 2007 bis 2009 und der Staatsschuldenkrise ab dem Jahr 2010 (Schröder, 2012, S. 13 und 14). Letztere wird fälschlicher-weise auch als Eurokrise bezeichnet, obwohl der Wechselkurs des Euro gegenüber den Leitwährungen US-Dollar und Schwei-zer Franken ab 2001 relativ stabil blieb (Blankart, 2011, S. 14). Zusammengefasst können die Ursachen der Finanzkrise wie folgt dargestellt werden:

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Abbildung 1: Ursachen und Brandbeschleuniger der Finanzkrise

Gründe Typ WirkungNull- und Niedrigzins-politik

Ursache hoch

BaseI I und II Ursache hochStaatsverschuldung Brandbeschleuniger mittelUS-Wohnungsförde-rungspolitik

Ursache hoch

Fair Value-Prinzip Brandbeschleuniger mittelLasche Prüfung der Kreditwürdigkeit in den USA

Ursache mittel

Mangelhafte Aufsicht Ursache hochOligopol bei Rating-Agenturen

Ursache hoch

Boni und Orientierung am aktuellen Unter-nehmenswert

Brandbeschleuniger hoch

Fehlerhaftes Risiko-management der Banken

Ursache hoch

Quelle: Altmiks, 2013, S. 158. Dort findet sich auch eine ausführliche Herleitung und Beschreibung der Ursachen und Brandbeschleuniger.

Da die staatliche Null- und Niedrigzinspolitik sich nicht ändern wird, steht der Umgang mit den „restlichen“ Ursachen und Brandbeschleunigern im Mittelpunkt der Frage, wie sich die Sys-temrelevanz von Banken reduzieren lässt.

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2. Bisherige Bankenregulierung

Angesichts der vielen negativen Folgen der Finanzkrise für die betroffenen Volkswirtschaften fällt das Urteil über den Erfolg der bisherigen Regulierung bescheiden aus. Weder sind die Kredit-institute stabiler geworden, noch sind die bisherigen Regulierun-gen überall in der Welt einheitlich umgesetzt worden. Z. B. hat-ten die USA Basel II bis April 2011 immer noch nicht vollständig umgesetzt (Hartmann-Wendels, 2011, S. 68) und haben auch für eine Verzögerung von Basel III gesorgt. Südeuropas Banken sind auch weiterhin von Liquiditätszuführungen der EZB abhängig. Im August 2013 hatten z. B. die spanischen Banken erst 75 Mrd. von insgesamt 300 Mrd. Euro an Dreijahreskrediten der EZB getilgt, 225 Mrd. Euro sind noch zurückzuzahlen. Italienische Kreditinsti-tute hatten im August 2013 nur 22 Mrd. von insgesamt 255 Mrd. Euro an Dreijahreskrediten der EZB getilgt, 233 Mrd. Euro sind noch zurückzuzahlen. Bei den deutschen Banken waren immer-hin schon 59 von 69 Mrd. Euro der erhaltenen Dreijahreskredite getilgt (FAZ, 2013 b). Es gab Überlegungen innerhalb der Euro-päischen Bankenaufsicht (EBA), diejenigen Banken schlechter zu bewerten, die zu stark von den Liquiditätshilfen der EZB abhän-gig sind (Jenkins/Thompson, 2013). Diese ungewöhnlich langen Liquiditätshilfen wurden von Mario Draghi in Anlehnung an eine großkalibrige Kanone im Ersten Weltkrieg „Dicke Berta“ genannt (FAZ, 2013 b). Schon hier sieht man einen Interessenkonflikt, der im Kapitel 3.1 näher beschrieben wird: Die EZB stellt unbegrenzt Liquidität zur Verfügung, um die Existenz kriselnder Banken zu sichern. Dabei ersetzt sie entweder die eigentlich notwendige

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Rekapitalisierung durch die betroffenen Staaten oder verzögert eine marktbereinigende Abwicklung. Das Verhältnis von Markt- zu Buchwert im Durchschnitt der europäischen Banken liegt nur bei 0,7. Der reale Wert der Banken am Aktienmarkt wird auf nur etwas mehr als zwei Drittel des Wertes geschätzt, der als Ver-mögen in den Bilanzen steht. Außerhalb der EWU beträgt das Verhältnis ca. eins, welches ein gesunder Wert ist (Plickert/Muß-ler, 2013, S. 14). Gunther Schnabl hat im ersten Beitrag auf die sogenannten Zombiebanken in Japan hingewiesen, die auch die eigentlich wirtschaftlich gesunden Unternehmen um sie herum mit notleidenden Krediten infizieren. “Kranke Banken können kaum neue Kredite vergeben und lähmen insgesamt die Volks-wirtschaft.“ (Plickert/Mußler, 2013, S. 14).

Basel I und II

Der Hauptgrund für die Konzentration von Risiken in den Bilanzen der Geschäftsbanken war Basel I. Nachdem viel über die Ursa-chen der Blase im U.S.-Subprime-Sektor geschrieben und auch daraus gelernt wurde, ist die Wirkung von Problemen dieses Kapi-talmarktbereiches auf das gesamte Finanzsystem wichtig. Schon oft haben Kreditinstitute schlechte Kredite vergeben bzw. sich in der Bonität ihrer Kreditnehmer geirrt.28 Das allein verursacht nicht eine global um sich greifende Finanzkrise. Vielmehr war schon im September 2007, ein halbes Jahr vor dem Zusammenbruch von Bear Stearns und ein Jahr vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, ein Ansteigen des LIBOR (London Interbank Offered

28 Siehe dazu die Beispiele bei Bauer (Bauer, 2013).

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Rate) zu beobachten, der auf ein sinkendes Vertrauen zwischen den Banken hinwies (Friedman, 2009, S. 142). Es scheint auf den ersten Blick verwunderlich, dass nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers auch der Interbankenverkehr zwischen den Geschäftsbanken vollständig zum Erliegen kam, da die Ge-schäftsbanken ihre Einkünfte größtenteils von Einlegern erhalten, nicht wie die Investmentbanken von Investoren. Der Grund dafür war, dass viele Geschäftsbanken nicht nur Immobilienkredite an schlechte Schuldner ausgereicht hatten, sondern sie auch ver-brieft und damit in ihrer Bilanz hatten. Das noch größere Problem war, dass die Geschäftsbanken in die mit schlechten Hypotheken besicherten Wertpapiere investiert hatten, die sie zusammen mit den Investmentbanken (und den beiden regierungsunterstützten „Unternehmen“ Fannie Mae und Freddie Mac) verbrieften. 2006 besaßen Banken verschiedener Art 51 Prozent aller mit schlech-ten Hypotheken besicherten Wertpapiere im Wert von 264 Mrd. US-Dollar (International Monetary Fund, 2008, S. 78). Zu viele dieser Wertpapiere befanden sich in den Bilanzen der Geschäfts-banken oder in deren ihrer ausgelagerten Zweckgesellschaften.

Gemäß den Regeln der ersten Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel I) müssen Staatsanleihen von Staaten mit einem Rating von AAA bis AA- überhaupt nicht, gewerbliche Kredite hingegen mit acht Prozent Eigenkapital hinterlegt werden, da letztere mit 100 Prozent Risiko gewichtet werden. Hypotheken werden mit 50 Prozent Risiko gewichtet, sodass vier Prozent Eigenkapital von den Banken hinterlegt werden müssen. Basel I misst Wert-papieren, die durch staatlich geförderte „Unternehmen“ emittiert wurden, aber nur 20 Prozent Risiko zu. Ergo sind nur 1,6 Pro-

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zent Eigenkapital als Hinterlegung erforderlich. In den USA fielen hypothekenbesicherte Wertpapiere von Fannie Mae und Freddie Mac darunter. Die Banken konnten also ihre Eigenkapitalerfor-dernis durch Umwandlung von Hypotheken in durch Hypotheken besicherte Wertpapiere senken und damit ihre Ertragskraft um 60 Prozent erhöhen. Als Basel I in den USA zu Anfang der 90er Jahre umgesetzt wurde, wurden nicht nur hypothekenbesicherte Wertpapiere von Fannie Mae und Freddie Mac mit einem Risiko von 20 Prozent bewertet, sondern auch hypothekenbesicherte Wertpapiere, die von den drei großen Rating-Agenturen mit AA oder AAA bewertet wurden. Ab 2006 verbreitete Basel II diese verhängnisvolle Bankenregulierung in der gesamten entwickel-ten Welt (Friedman, 2009, S. 145). Im Januar 2009 empfahl der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium der Bundesregierung dringend,„… nach Möglichkeiten zu suchen, die zu erwartenden destruktiven Wirkungen dieser Neuerungen [d. h. Basel II] zu vermeiden.“ (Wissenschaftlicher Beirat, 2009, S. 2).

Zusätzlich konnten sich Kreditinstitute unter Basel I Eigenkapi-talanforderungen entziehen, indem sie Conduits (Structured In-vestment Vehicles) etablierten. Bei diesen Conduits handelt es sich um eine ausgelagerte Refinanzierungsstruktur, bei der mit-tels Zweckgesellschaften Wertpapiere wie z. B. forderungsbesi-cherte Wertpapiere oder CDOs29 oder andere Forderungen wie

29 Collateralized Debt Obligations (CDOs) sind Fonds, in welchen Kredite von unterschiedlicher Qualität gebündelt werden. Diese CDOs werden dann als Paket weiterverkauft.

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z. B. Kredite oder Forderungen aus Lieferungen und Leistungen von extern bewerteten Unternehmen einmalig oder revolvierend angekauft und über die Ausgabe von Geldmarktpapieren in inter-national gängigen Währungen refinanziert werden. Anfang Okto-ber 2006 betrug das Volumen der mittels Conduits begebenen Wertpapiere kurzer Laufzeit 993 Mrd. US-Dollar (Daniels, 2006).

Aufsichtsdefizite

Leider haben es auch die nationalen Aufsichtsbehörden oftmals versäumt, die Verbriefung von minderwertigen Hypotheken zu verbieten. Der BaFin waren die Engagements deutscher Banken in derartige Wertpapiere bekannt. Während die Aufsichtsbehör-den in einigen südeuropäischen Staaten und vor allem in Süd-ostasien den Kauf solcher Papiere nicht erlaubten, ließ die BaFin die Kreditinstitute gewähren (Starbatty, 2010, S. 32). Die natio-nalen Aufsichtsbehörden unternahmen auch zu wenig gegen das Übermaß an Fristentransformation30 und Verschuldung bei Ban-ken und Zweckgesellschaften von Banken (Hellwig, 2010 a, S. 2).

Die nationalen Aufsichtsbehörden fast aller Staaten hatten schon vor der Finanzkrise Befugnisse, eine professionelle Führung von Kreditinstituten zu überwachen. Sie hätten eine übermäßige Fris-tentransformation bei den Zweckgesellschaften und die zu um-fangreichen Garantien der Mutterbanken als „unprofessionelle

30 Die Fristentransformation ist eine der Hauptaufgaben der Kreditwirtschaft. Banken verwenden ihre kurzfristigen Einlagen zur Ausleihe von langfristigen Krediten.

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Geschäftspraktiken” frühzeitiger untersagen können (Hellwig, 2010 a, S. 30). Das Kreditwesengesetz (KWG) enthält mit den § 10 Absatz 1 und dem § 11 Absatz 1 zwei Vorschriften, die ent-weder von den Kreditinstituten missachtet oder durch Detailrege-lungen umgangen wurden: Erstere fordert angemessene Eigen-mittel, die zweite die Sicherstellung von ausreichender Liquidität. Es war unredlich von den Aufsichtsbehörden, sich auf eine „ent-schuldigende“ Regulierungslücke zu berufen, da außerbilanzielle Kreditzusagen mit einer unterjährigen Laufzeit nicht mit Eigenka-pital zu hinterlegen seien. Tatsächlich wurden die Transaktionen nur auf dem Papier außerbilanziell getätigt, da der künstlich er-zeugte Dritte ferngesteuert im Interesse der jeweiligen Bank han-delte (Schröder, 2012, S. 41).

Das Ausmaß der Tätigkeiten der Zweckgesellschaften war enorm und offensichtlich von den Aufsichtsbehörden fast aller Staaten unterschätzt worden. Im Juli und August 2007 brach für hypothe-kengesicherte Wertpapiere von ungefähr einer Billion US-Dollar, die von Zweckgesellschaften gehalten wurden, die Refinanzie-rung weg (Wissenschaftlicher Beirat, 2009, S. 4). Auch öffentli-che Banken aus Deutschland hatten diese Zweckgesellschaften gegründet. Die Zweckgesellschaften hatten sich risikoreich kurz-fristig über Geldmarktpapiere finanziert. Diese Geldmarktpapie-re wurden schlagartig um mehrere Stufen abgewertet. Hellwig hält die Engagements der IKB und der Sächsischen Landesbank bei ihren Zweckgesellschaften in der Art und Größenordnung „…nicht mehr mit professionellem Bankmanagement vereinbar.“ (Hellwig, 2010 a, S. 30).

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Offensichtlich scheuten sich die Aufsichtsbehörden, den ihnen unterstehenden Kreditinstituten Grenzen aufzuzeigen und damit Wettbewerbsbeschränkungen aufzuerlegen. Es wird vermutet, dass die übergeordneten politischen Instanzen, insbesondere bei den Landesbanken31 („Ministerpräsidentenfinanzierungsinstitu-te“), einen gewissen Druck auf die Aufsichtsbehörden ausgeübt haben (Hellwig, 2010 a, S. 30).

Nicht-Banken

Eine mangelnde Transparenz gab und gibt es jedoch nicht nur bei den Zweckgesellschaften von Banken, sondern auch bei den Nicht-Banken32, wozu auch Hedgefonds, Geldmarktfonds und der Derivatehandel gehören. Derivate sind von anderen Marktwerten abgeleitete Wertpapiere, die außerbörslich gehandelt werden. 2011 wurden weltweit Derivate im Wert von geschätzten 700 Bio. US-Dollar gehandelt (Handelsblatt, 2012). Den Aufsichtsbehörden sind besonders die Kreditausfallversicherungen ein Dorn im Auge, da diese Absicherungen gegen die Insolvenz von Schuldnern um-

31 Die hohen Verbindlichkeiten der Westdeutschen Landesbank in Höhe von 50 Mrd. Euro erhöhen den Schuldenstand des Bundes auf ca. 2,2 Bio. Euro. Siehe WestLB-Abwicklung verhagelt Deutschlands Defizitabbau, in: Handels-blatt vom 27.11.2012.

32 Der Begriff „Schattenbanken“ führt in diesem Zusammenhang in die Irre, da diese Finanzmarktakteure in gewissen Grenzen publizitätspflichtig sind und Geschäftsberichte veröffentlichen. Kreditaktivitäten außerhalb von Banken sind nicht a priori ehrenrührig. Unter Nicht-Banken versteht man Finanzunter-nehmen, die bankähnliche Transaktionen wie Kreditvergabe und Fristentrans-formation vornehmen, ohne Zugang zu Notenbankgeldern zu haben, keine staatlichen Garantien erhalten und die keiner Bankenregulierung unterliegen.

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fangreich gehandelt werden und zu Verkettungen der Kreditinsti-tute untereinander führen. Diese Verkettungen sorgen dafür, dass die Aufsichtsbehörden nicht ausreichend über die Risikopositionen der Banken informiert sind. Die Folgen einer Staatsinsolvenz im Euroraum sind somit nicht genau vorherzusehen.

Der Umfang der Nicht-Banken ist auch nach der Finanzkrise be-trächtlich. Nach Angaben des Finanzstabilitätsrates verwalten Nicht-Banken ein Vermögen von 51 Bio. Euro im Jahr 2013 (FAZ, 2013 a). Sie verwalten fast doppelt so viel Geld als noch vor zehn Jahren. Es ist zu befürchten, dass weiterhin viele Risiken in Hedgefonds und Geldmarktfonds konzentriert sind. Die meisten Nicht-Banken haben ihre Sitze in Staaten mit sehr günstiger Be-steuerung und werden weder von den einzelnen Aufsichtsbehör-den noch in den internationalen Statistiken erfasst. Die Regierun-gen versuchen schon seit Jahren erfolglos, neue Regeln für das Nicht-Bankensystem aufzustellen, insbesondere für Hedgefonds. Der Finanzstabilitätsrat hat erst Ende November 2012 Vorschlä-ge zur Regulierung von Geldmarktfonds und auch Hedgefonds unterbreitet. Im September 2013 hat auch die EU-Kommission einen Zeitplan für eine schärfere Regulierung vorgelegt, die die Transparenz im Nicht-Bankenbereich erhöhen und strengere Re-geln für die Geschäfte zwischen Banken und Nicht-Banken eta-blieren soll.

Bei der Regulierung der Geldmarktfonds möchte die EU-Kommis-sion, dass bestimmte Geldmarktfonds Eigenkapitalpuffer vorhal-ten und über genügend Liquidität bei kurzfristigen durch Anleger bedingten Mittelabflüssen verfügen müssen. Solche Geldmarkt-

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fonds, die ihren Anlegern stabile Rückkaufpreise garantieren, sol-len nach Ansicht des Finanzstabilitätsrates (FSB) verboten wer-den. Die EU-Kommission unterstützt ein Verbot bisher nicht. In Frankreich sind sie schon verboten, in Irland und Luxemburg noch erlaubt. Sollte ein solches Verbot realisiert werden, dürften diese Geldmarktfonds in außereuropäische Staaten abwandern.

Mittlerweile haben sich viele Hedgefonds unter regulierte Auf-sicht begeben. Seit 1985 gibt es die UCITS-Richtlinie33, die In-vestmentfonds reguliert und zuletzt 2009 überarbeitet wurde. UCITS-Fonds unterliegen der Zulassungspflicht und werden von der Finanzaufsicht des jeweiligen Staates überwacht. Die Anle-ger müssen einige Pflichtinformationen erhalten. Das sind der ausführliche und der vereinfachte Verkaufsprospekt sowie die Jahres- und Halbjahresberichte. Fonds, die den UCITS-Anforde-rungen genügen und eine Zulassung in ihrem Heimatstaat haben, erhalten einen „Europa-Pass“, der ihnen gestattet, in Europa öf-fentlich angeboten zu werden.

Es ist zwar noch offen, wie und wann die Nicht-Banken einer Auf-sicht unterstellt werden. Aber viele Nicht-Banken unterliegen zu-nehmend einer Aufsicht und einer gewissen Regulierung. Gleich-wohl können z. B. Hedgefonds, die vornehmlich in Rohstoffe und somit umfangreich in Derivate investieren, nicht im Geltungsbe-reich der UCITS-Richtlinie operieren.

33 UCITS (Unternehmen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) definiert die speziellen Anforderungen an Fonds und ihre Verwaltungsgesellschaften und regelt die Vermögensgegenstände, in die ein UCITS-Fonds investieren darf.

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3. Kommende Bankenregulierung

Wenn die kommende Bankenregulierung so erfolgreich wird, wie die bisherige war, kommt die nächste Finanzkrise bestimmt. Bis-her haben Politiker und Regierungsorgane nach jeder Krise mehr und/oder bessere Regulierung versprochen und teilweise auch umgesetzt. Der stetige Ruf nach mehr Regulierung auf internati-onaler Ebene übersieht, dass das Recht der Finanzmärkte schon seit über zwei Jahrzehnten federführend von der EU reguliert wird. Das Versagen der EU-Politik bei der bisherigen Regulierung ist offensichtlich. Kanada, welches seine Banken abseits interna-tionaler Vorgaben und Gleichmacherei regulierte, meisterte die Dotcom-Krise und die Finanzkrise im Gegensatz zu den meisten europäischen Staaten sehr gut (Schröder, 2012, S. 15).

Europäische Bankenaufsicht und Bankenunion

Die Europäische Bankenunion ist das bedeutendste Regulie-rungsvorhaben in der Europäischen Union und besteht aus drei Säulen: einer gemeinsamen Bankenaufsicht, den Regeln für die Bankenabwicklung und einem Rechtsrahmen für die nationalen Einlagensicherungssysteme. Im Jahr 2016 soll der sogenannte einheitliche Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Me-chanism, SRM) wirksam werden. Überschuldete Banken der Eu-ro-Zone sollen künftig abgewickelt werden können, ohne dass deutsche Steuerzahler an den Kosten der Abwicklung beteiligt werden. Zuerst soll die EZB die Nicht-Überlebensfähigkeit eines Kreditinstitutes feststellen. Danach entscheidet ein neues Ab-

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wicklungsgremium, welches in der Mehrheit mit nationalen Auf-sichtsbehörden besetzt ist, über die Details der Abwicklung und reicht seine Entscheidung an die Europäische Kommission weiter. Diese kann dem Vorschlag zwar widersprechen, kann aber von den nationalen Finanzministern überstimmt werden. Die Gefahr, dass die Europäische Kommission die oberste Abwicklungsbe-hörde wird, ist vorerst gebannt. Zur Festlegung der Details muss allerdings noch bis Anfang 2014 ein komplizierter zwischenstaatli-cher Vertrag als Rechtsgrundlage ausgehandelt werden, welcher möglichen Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht standhal-ten sollte (Schmitz, 2013).

Die staatliche Garantie der jeweiligen nationalen Regierungen für alle Bankeinlagen bis maximal 100.000 Euro bleibt erhalten. Nach Schätzungen der EU-Kommission decken diese nationalen Ga-rantien 95 Prozent aller Einlagen in der EU ab (FAZ, 2013 b, S. 9). Darüber hinaus haften künftig Aktionäre, Gläubiger und diejeni-gen Sparer mit ihren Einlagen, die einen Betrag von 100.000 Euro übersteigen (Bail-in). Steuergelder dürfen erst dann herangezo-gen werden, nachdem Aktionäre und unbesicherte Großgläubi-ger auf Forderungen in Höhe von acht Prozent der Bilanzsumme verzichtet oder in Eigenkapital verwandelt haben. Ob sich die-se Haftungskaskade in der Praxis bewährt, wird sich angesichts unterschiedlicher Auffassungen Frankreichs und Deutschlands noch zeigen (Mussler, 2013, S. 11).

Die europäischen Banken müssen zudem binnen zehn Jahren rund 55 Mrd. Euro in nationale Notfallfonds einzahlen, für die deutschen Banken rechnet man mit einer Summe von zehn bis

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zwölf Mrd. Euro. Bis die allerdings gefüllt sind, soll neben den na-tionalen Absicherungen notfalls auch der europäische Rettungs-fonds ESM Gelder bereitstellen. Hilfen aus dem ESM kann nur der Heimatstaat der jeweiligen Bank beantragen und muss zudem dafür bürgen. Frühestens 2026 ist mit einer Änderung zu rechnen (Schmitz, 2013). Ob damit einer leichtfertigen Nutzung des ESM als Rekapitalisierungsquelle für kriselnde Banken vorgebeugt wurde, wird ebenfalls die Praxis zeigen. Der Einstieg in eine Ver-gemeinschaftung von Schulden verbirgt sich harmlos hinter der Überführung der nationalen Notfallfonds in einen europäischen Abwicklungsfonds nach zehn Jahren. Die anvisierten 55 Mrd. Euro sind zu wenig für den Bankensektor der EWU und reichen längst nicht für die Abwicklung bedeutender Kreditinstitute aus. Es ist zu befürchten, dass der Abwicklungsfonds schon in naher Zukunft als zu klein gesehen wird und entweder aus Steuermit-teln aufgestockt oder ihm eine Kreditlinie beim ESM oder bei der EZB eingeräumt wird. Zudem werden Aktionäre und Großgläubi-ger versuchen, ihren Bail-in-Verpflichtungen zu entkommen.

Die europäischen Staaten, die noch nicht über einen eigenen Einlagensicherungsfonds verfügen, müssen diesen einführen. Der Einlagensicherungsfonds soll von den jeweiligen Kreditins-tituten durch Erhebung einer Bankenabgabe innerhalb von zehn Jahren gefüllt werden. Als durchschnittliche Zielgröße sind 0,8 Prozent der gesicherten Einlagen für diesen nationalen Einlagen-sicherungsfonds vereinbart. Für Länder mit „hoch konzentrier-ten“ Bankenmärkten soll eine Zielgröße von nur 0,5 Prozent gel-ten. Hier scheint es sich um eine Sonderregelung für Frankreich zu handeln (FAZ, 2013 c, S. 9). In Deutschland existieren schon

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separate belastungsfähige Einlagensicherungssysteme für die jeweiligen Bankensektoren (Sparkassen, Genossenschaftsban-ken, Bausparkassen, öffentliche Banken und Privatbanken), die auch weiter bestehen bleiben können. Möglicherweise muss der gesetzliche Sicherungs-Pflichtfonds leicht aufgestockt werden.

Der Kardinalfehler ist offensichtlich: Geldpolitik und Aufsicht wer-den unter dem Dach der EZB zusammengeführt. Interessens-konflikte zwischen der Wahrung der Geldwertstabilität und der Beaufsichtigung der Kreditinstitute sind zu befürchten (Wohlge-muth/Hesse, 2012). „Damit wird die EZB zum Bankenaufseher und kann als Superbehörde Geldinstitute finanzieren oder schlie-ßen und darüber hinaus entscheiden, welcher Staat sich am Markt zu welchem Zins finanzieren kann.“ (Steltzner, 2012). Ban-ken, die von der EZB seit Jahren mit Milliardensummen gestützt werden, sollen nun von ihr beaufsichtigt oder im Extremfall abge-wickelt werden? Hier sind berechtigte Zweifel angebracht. Beson-ders gefährlich ist aus deutscher Sicht, dass im Aufsichtsgremium über die Verteilung von Milliardenrisiken nicht nach Kapitalanteilen abgestimmt wird. Ein kleines Land wie Zypern hat dasselbe Ge-wicht wie Deutschland, obwohl Deutschland 27 Prozent des EZB-Kapitals hält. Die resultierende Belastung für den deutschen Steu-erzahler kann sehr hoch sein. „Die Mehrheit im EZB-Rat wünscht sich lockere Hebel im Bankensektor für ihren geldpolitischen Sti-mulus und die Rettung fragwürdiger Sicherheiten, die die EZB in ihren Büchern stehen hat.“ (Wohlgemuth/Hesse, 2012, S. 3.)

Mit der EBA gibt es schon eine gemeinsame europäische Auf-sichtsbehörde, deren Aufgabenbereich nach zwei Jahren schon

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wieder verändert wird. Wäre es primär nur um eine gemeinsa-me europäische Aufsicht gegangen, hätte man es auch bei der bisherigen EBA belassen können. Es geht den südeuropäischen Krisenstaaten aber um die Rekapitalisierung oder im schlimmsten Fall die Abwicklung ihrer maroden Banken. Am Beispiel Spani-ens lässt sich das verdeutlichen: Während sich die Schulden des spanischen Staates auf 69 Prozent des spanischen BIP belaufen, betragen die Schulden der spanischen Banken 305 Prozent des BIP oder etwa 3,3 Bio. Euro (Sinn, 2012).

Eine europäische Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB führt aber noch zu einem weiteren Problem: Die EBA hätte auch die bri-tische Kreditwirtschaft beaufsichtigen können, die EZB kann das bei einem Nicht-Euro-Land nur indirekt. Zwar ist die EBA in die-nender Funktion für die EZB auch weiterhin für die Ausarbeitung technischer Standards und die Durchführung der Stresstests zu-ständig, die letztendliche Ausübung der Aufsicht über britische In-stitute verbleibt aber bei den nationalen Aufsichtsbehörden Groß-britanniens. Die britische Regierung hat schon deutlich verlauten lassen, dass sie die Option für Nicht-Euro-Staaten, sich von der EZB beaufsichtigen zu lassen, nicht nutzen will. London ist aber der wichtigste Finanzplatz innerhalb Europas und würde nun nicht einer gemeinsamen Aufsicht unterliegen.

Basel III

Schwerpunkt der jüngsten Regulierung ist die Einführung von Ba-sel III. Basel III soll die Ausstattung mit Eigenkapital und die Liqui-dität der Kreditinstitute verbessern. Neu ist die Einführung einer

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Verschuldungsquote (Leverage Ratio) und diverser Kapitalpuffer, insbesondere für systemrelevante Banken. Es wird ein antizykli-scher Kapitalpuffer eingeführt, der damit den neuen makropru-denziellen Regulierungsansatz umsetzt. Die gewünschte erhöhte Stabilität der Kreditwirtschaft könnte aber ohne Nebenwirkungen nicht zu haben sein: Banken werden auf die neuen Anforderun-gen reagieren und könnten bei höheren Kapitalkosten versuchen, höhere Kreditzinsen durchzusetzen. Möglicherweise reduzieren Banken ihre Bilanzsumme über ein vermindertes Kreditangebot. Die Realwirtschaft könnte entweder höhere Zinskosten oder er-schwerten Zugang zu Krediten bekommen. Vrede befürchtet des-wegen Wachstums- und Wohlfahrtsverluste (Vrede, 2013, S. 37).

Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht möchte, dass die in-ternen Risikomodelle der Banken risikoadäquat, einfach und ver-gleichbar sein sollen. Die Zentralbanken und Aufseher streben eine Standardisierung der Risikomodelle an. Die unterschiedli-che Verlässlichkeit der Modelle wurde auch durch die Resultate der Stresstests der EBA deutlich. Obwohl die spanische Bankia als auch die belgische Dexia den Stresstest bestanden hatten, mussten sie kurz danach vom Steuerzahler gestützt werden. Eine verschiedene Bankbilanzen vergleichende Studie des Baseler Ausschusses zeigte, dass bei einem identischen Kreditbuch Un-terschiede bei der gemeldeten Eigenkapitalquote von bis zu zwei Prozentpunkten resultierten (Frühauf, 2013).

Basel III wird ab 2014 eingeführt. Die Umsetzung von Basel III geschieht in Europa durch die Richtlinie über Eigenkapitalanforde-

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rungen (CRD IV)34. In Deutschland müssen die Kreditinstitute ab dem 1. Januar 2014 ihr hartes Kernkapital von derzeit zwei auf 4,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva in den kommenden Jahren erhöhen (Deutsche Bundesbank, 2013 a, S. 61). Die Kreditinsti-tute müssen zukünftig sowohl mehr als auch qualitativ besseres Mindesteigenkapital vorhalten. Kapitalaufnahmen über Zweckge-sellschaften werden zukünftig nicht mehr als hartes Kernkapital, sondern nur noch als zusätzliches oder Ergänzungskapital aner-kannt.

Die Einführung schärferer Eigenkapitalanforderungen ergibt nur Sinn, wenn gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Kreditinsti-tute weltweit gegeben sind. Eine verzögerte Einführung von Ba-sel III in einigen Staaten kann Benachteiligungen für die schon umsetzenden Banken bedeuten. Der ursprüngliche Starttermin zum 1. Januar 2013 konnte nicht gehalten werden. Verzögerun-gen in einigen Staaten lohnen sich aber mittelfristig nicht für die dort ansässigen Kreditinstitute, da der Übergangszeitraum für alle zum 1. Januar 2019 endet und die betreffenden Banken weni-ger Zeit zur Umsetzung haben.

Ein weiteres Problem bei der Erfüllung der Eigenkapitalanforde-rungen stellen die unterschiedlichen Rechnungslegungsstan-dards dar. Bilanziert z. B. die Deutsche Bank nach US-GAAP, beläuft sich ihre Bilanzsumme auf 1,2 Bio. Euro, während es nach der europäischen IFRS ungefähr zwei Bio. Euro sind. Um die

34 Das CRD IV-Paket umfasst die Eigenkapitalrichtlinie CRD IV und die Eigenka-pitalregulierung CRR.

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neue Schuldengrenze einzuhalten, müsste die Deutsche Bank im Vergleich mit ihren amerikanischen Wettbewerbern mehr Eigen-kapital vorhalten. Es könnte somit eine gewisse „Lockerung“ der Eigenkapitalerfordernisse für die Deutsche Bank resultieren.

Schon 2001 äußerte eine Ökonomengruppe um Charles Good-hart, dass bereits Basel II prozyklisch und tendenziell krisenver-stärkend wirkt: „Wenn es der Zweck der Finanzregulierung ist, Systemkrisen zu vermeiden, ist dieses Konzept kontraproduktiv.“ (Handelsblatt, 2009). Allerdings hat Basel III auf diese Kritik re-agiert und führt antizyklische Kapitalpuffer und Frühwarnindika-toren ein. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht reagiert ergo mit höherer Komplexität auf Unzulänglichkeiten der schon 2004 sehr komplexen Regeln. Andrew Haldane, Exekutivdirektor für Finanzstabilität bei der Bank of England, kritisiert genau diese Vorgehensweise: Die zusätzliche Komplexität von Basel II wäre dann gerechtfertigt gewesen, wenn sie Kreditinstitute weniger krisenanfällig gemacht hätte. Dann hätten Banken mit hohen re-gulatorischen Eigenmittelquoten (Tier-1-Ratio, siehe Vrede, 2013, S. 19) besser die Finanzkrise überstehen müssen als Banken mit einer niedrigen Quote. Das war aber nicht der Fall. Von den 100 größten Banken wurden 37 aufgelöst oder vom Steuerzahler auf-gefangen. Ende 2006 unterschied sich aber die Tier-1-Ratio der 37 gescheiterten Banken statistisch nicht von den überlebenden Banken. Eine hohe Tier-1-Ratio erbrachte keine höhere Stabilität (Haldane/Madouros, 2012).

Die derzeit gültige Eigenkapitalregulierung (CRR) enthält fast 70 Regeln, die für den Kern der neuen Regeln, die genaue Definition

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und die Erhöhung des vorzuhaltenden Eigenkapitals nationale Er-messensspielräume vorsehen. Eine Renationalisierung der Ban-kenaufsicht ist vor diesem Hintergrund zu befürchten (Paul/Stein, 2013). Global (G-SIBs)35 und national systemrelevante Kreditin-stitute müssen noch mehr Eigenkapital vorhalten. Die Liste der G-SIBs umfasst derzeit 29 Kreditinstitute und wird jeweils im No-vember eines Jahres aktualisiert. Ab Januar 2016 müssen die 29 G-SIBs zusätzliches Eigenkapital gemäß einer Eingruppierung in fünf Körbe vorhalten. Zwei Banken (HSBC und JP Morgan Chase) sind im vierten Korb eingruppiert und müssen zusätzlich 2,5 Prozent Eigenkapital vorhalten. Vier Banken, darunter auch die Deutsche Bank, befinden sich im dritten Korb und müssen zwei Prozent Eigenkapital vorhalten. Die acht Banken des zweiten Korbs müssen 1,5 und die 15 Banken des ersten Korbs ein Pro-zent zusätzliches Eigenkapital vorhalten. Der fünfte Korb erfordert sogar 3,5 Prozent zusätzliches Eigenkapital. Derzeit befindet sich aber keine Bank in diesem Korb (Finanzstabilitätsrat, 2013).

Die nationalen Aufsichtsbehörden können nicht nur den anti-zyklischen Kapitalpuffer sowie die Zuschläge für weltweit und na-tional systemrelevante Banken festlegen, sondern auch zusätzli-che davon unabhängige systemische Risikopuffer von bis zu fünf Prozentpunkten verlangen (Paul/Stein, 2013). Diese Zusatzanfor-derungen können flächendeckend oder für bestimmte Risikoposi-tionen festgelegt werden. Im Extremfall kann es auch zu einer Ad-dition der eigentlich miteinander zu verrechnenden systemischen Puffer kommen: Eine internationale Bank unterliegt in einem EU-

35 Globally systemic important banks (weltweit systemrelevante Banken).

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Staat einer spezifischen Risikoposition und wird zusätzlich im Hei-matland als systemrelevant betrachtet.

Es gibt erste Anzeichen für nationale Alleingänge in der Banken-regulierung. Im November 2012 drohten die USA mit Verweis auf die vermeintlich zu niedrigen Eigenkapitalanforderungen, den Start von Basel III auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Die Euro-päer reagierten entsprechend. So wurde die Vizepräsidentin der Bundesbank mit „müssen wir prüfen, was wir mit den amerikani-schen Instituten in der Eurozone machen“ zitiert, wenn die USA nicht Basel III umsetzen würden (Paul/Stein, 2013). Die Federal Re-serve kündigte daraufhin separate Kapitalvorgaben für Auslands-banken mit bedeutenden Aktivitäten in den USA an. Ausländische Banken müssten dann eine Dachgesellschaft für ihre Töchter in den USA gründen, die wie eine einheimische Bank behandelt werden soll. Diese Holding müsste dann abhängig von ihrer Bilanzsumme ein Mindestmaß an Eigenkapital in den USA vorhalten, welches im Krisenfall zur Rettung oder Abwicklung herangezogen werden soll (Baulig, 2013). Bankinterne Kapital- und Liquiditätstransfers über Ländergrenzen hinweg werden dadurch behindert. Paul und Stein fürchten eine regulatorische Zersplitterung und behaupten, es kom-me zu einer „Balkanisierung der Regulierung“ (Paul/Stein, 2013).

Abwicklung und Restrukturierung von Banken

Sowohl die Finanzkrise als auch zahlreiche Bankenskandale vor-her haben gezeigt, dass die Insolvenz einer großen Bank wegen der befürchteten Ausfälle bei weiteren Banken und Versicherun-gen nicht so einfach möglich ist. Bei großen systemrelevanten

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Banken gilt für die Regierungen weltweit bisher „too big to fail“, d. h. die Gemeinschaft der Steuerzahler haftet für Fehlentschei-dungen von großen Kreditinstituten. Damit ist ein Grundsatz der Sozialen Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt: Die großen Finanz-konzerne kamen in den Genuss einer impliziten Staatsgarantie und müssen nicht vollständig für ihr unternehmerisches Risiko aufkommen. Regierungen können im schlimmsten Fall erpresst werden. Banken können sich umso günstiger Kapital besorgen, je größer sie sind, weil die Eigentümer wissen, dass ihre Anteile im Zweifelsfall durch den Staat gestützt oder gesichert werden.

In Deutschland wurde Ende 2010 das Restrukturierungsgesetz36 beschlossen, welches die Möglichkeit einer Sanierung oder Re-organisation von Kreditinstituten schon im Vorfeld von Überschul-dung oder Zahlungsunfähigkeit schaffen soll. Allerdings hatte der Gesetzgeber mit der vorhandenen Insolvenzordnung schon ein Ge-setz zur Verfügung, welche er hätte anpassen können, bevor er ein eigenes Restrukturierungsgesetz für die Kreditwirtschaft erlässt. Da sowohl die Einleitung eines Sanierungsverfahrens als auch ei-nes Restrukturierungsverfahrens in der Hand der Bank liegt, ist auch weiterhin von der Gefahr einer Verschleppung auszugehen. Nach dem neuen Restrukturierungsgesetz kann zwar auch die Ba-Fin ein Reorganisationsverfahren beantragen, ein Eingriff der BaFin dürfte wegen der ihr im Vorfeld nicht zur Verfügung stehenden In-formation unwahrscheinlich sein (Hellwig, 2010 b, S. 6).

36 Mit vollem Titel: Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kre-ditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung.

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Das Sanierungsverfahren dürfte in der Praxis höchstwahrschein-lich nicht angewendet werden, da die Bank sowohl ihre Schiefla-ge offenbaren als auch sich den Eingriffsmöglichkeiten der BaFin, des Sanierungsberaters und des Gerichts unterwerfen müsste (Hellwig, 2010 b, S. 7). Von den schon bestehenden Eingriffs-möglichkeiten der §§ 45 und 46 des Kreditwesengesetzes haben die Aufsichtsbehörden in der Vergangenheit ungern Gebrauch gemacht, da der Geschäftsbetrieb einer Bank – und damit der Zahlungsverkehr – in der Regel dadurch eingefroren wird (Hell-wig, 2010 b, S. 3).

Die europäische Bankenabwicklungsrichtlinie versucht eine Haf-tungskaskade zu etablieren, um den Steuerzahler gar nicht oder zumindest sehr spät zu beanspruchen (siehe auch unter 3.) Aller-dings treten die Bail-in-Regeln erst 2016 in Kraft und enthalten zu viele Ausnahmen. So können die EU-Mitgliedsstaaten z. B. ihre Institute präventiv retten, wenn Stresstests oder Bilanzprüfungen anstehen und eine Kapitalunterdeckung droht. Diese Regelung ist hinreichend unscharf formuliert, sodass sie auf nationaler Ebe-ne einigermaßen „flexibel“ gehandhabt werden kann.

Einschränkung des Eigenhandels und Trennbanken-Vorschläge

Die 2012 im Auftrag der EU unterbreiteten Vorschläge einer Ex-pertengruppe sollten den Eigenhandel der Kreditinstitute mit Wert-papieren sowie Derivaten und die damit verbundenen sonstigen wichtigen Handelstätigkeiten rechtlich von den anderen Bankak-tivitäten absondern, wenn diese Aktivitäten einen bestimmten

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Anteil an der Geschäftstätigkeit37 übersteigen (Liikanen-Bericht). D. h. die betreffende Bank soll für ihr Kapitalmarktgeschäft ein ei-genes Institut gründen, welches aber unter dem Dach einer Bank-holding verbleiben darf. Das Universalbankprinzip soll so erhalten werden (High-Level Expert Group, 2012).

Drei der vier weltweit sehr systemrelevanten Banken hatten wäh-rend der Finanzkrise keine staatlichen Hilfen nötig. Diese drei Banken (JP Morgan Chase, HSBC und Deutsche Bank) sind Uni-versalbanken und betreiben das Kapitalmarktgeschäft und das traditionelle Kredit- und Einlagengeschäft. Die Kernempfehlung des Liikanen-Berichts, das Kapitalmarktgeschäft rechtlich auszu-gliedern bzw. abzuspalten, ist vor diesem Hintergrund nicht un-bedingt nachzuvollziehen. Auch die Deutsche Bundesbank steht einer Einführung eines Trennbankensystems skeptisch gegen-über, da sie die Verflechtung innerhalb des Finanzsystems nur in begrenztem Maße auflöse (Deutsche Bundesbank, 2012, S. 81). Zudem scheint auch die EU-Kommission eine Ausgliederung des Kapitalmarktgeschäftes abzulehnen.

Kürzlich wurde die Volcker-Regel in den USA erlassen. Diese be-schränkt die Eigenhandelstätigkeit derjenigen U.S.-amerikanischen Kreditinstitute, die der staatlichen Einlagensicherung unterliegen und Zugang zu Notkrediten der Federal Reserve haben. Diesen U.S.-Banken ist es zukünftig untersagt, sich an Hedgefonds und priva-

37 Ab einem Mindestanteil von 20 Prozent der Gesamtbilanzsumme oder einem Umsatz von 100 Mrd. Euro greift die rechtliche Ausgliederung. Die Deutsche Bank hat schon angekündigt, ihren Eigenhandel aufzugeben.

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ten Beteiligungsgesellschaften zu beteiligen, sie zu besitzen oder zu finanzieren. Eigenhandelsgeschäfte dürfen sie nur noch in Aus-nahmefällen auf eigene Rechnung tätigen. Da diese Begriffe alle Fonds umfassen, die keine Publikumsfonds nach US-Recht sind, ist auch das Geschäft der europäischen Investmentgesellschaften betroffen. Diese werden auch von der Volcker-Regel erfasst, wenn sie Teil eines in den USA tätigen Finanzkonzerns sind (Bundesver-band Investment und Asset Management, 2012). Banken, die auf eigene Rechnung Wertpapiergeschäfte tätigen, sollen zukünftig nicht geschützt bzw. vom Steuerzahler unterstützt werden.

Die Anwendung der Volcker-Regel in der Praxis ist kompliziert und lässt den Aufsichtsbehörden viel Interpretationsspielraum. Nicht jeder Eigenhandel von Banken ist verwerflich. So sichern sich Ban-ken mit Wertpapieren auch gegen Risiken ab. „Das neugeschaffe-ne Regulierungsmonster mahnt so dazu, dass komplizierte Finanz-systeme nicht komplizierte, sondern möglichst einfache Regeln brauchen …“ (Welter, 2013). Auch muss der Sinn der Volcker-Regel angezweifelt werden: Weder der Bankrott von Lehman Brothers noch der Fast-Bankrott des Versicherers AIG fußten auf einem ex-zessiven Eigenhandel mit Wertpapieren. Zudem entstanden große Risiken, die während der Finanzkrise offenbar wurden, mehrheit-lich im Nicht-Bankenbereich. Die Volcker-Regel wird höchstwahr-scheinlich dafür sorgen, dass der Eigenhandel auf den Finanzmärk-ten verstärkt in den Nicht-Bankenbereich verlagert wird.

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4. Politikempfehlungen

Die verfehlte Politik innerhalb der EU, insbesondere in der EWU, hat sowohl zur Finanzkrise als auch zur Staatsschuldenkrise bei-getragen. Damit ist nicht eine anonyme Instanz in Brüssel gemeint, sondern das Zusammenspiel der europäischen Regierungen. Denn EU-Recht entsteht durch das Handeln der nationalen Regierungen (Schröder, 2012, S. 15). Weltweit sind Regulierungsmaßnahmen oftmals unkoordiniert, teilweise sich auch widersprechend oder verzögert durchgeführt worden. Einige Aufsichtsbehörden haben zudem die ihnen schon zur Verfügung stehenden Befugnisse we-der konsequent noch rechtzeitig genutzt.

Speziell in mehreren Ländern agierende Banken müssen nati-onal unterschiedliche Vorgaben und Auflagen erfüllen. Der Ab-stimmungsaufwand und damit die Kosten steigen dadurch an. Die strengeren Regeln in Folge der Finanzkrise verursachten bei 20 ausgewählten deutschen Banken jährliche Kosten von ins-gesamt neun Mrd. Euro, davon allein sieben Mrd. Euro für die höhere Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung (KPMG, 2013, S. 7). Folglich verfügen Banken heute über mehr Kapital- und Liquiditätsreserven zur Krisenprävention als vor der Finanzkrise. Banken scheinen sich wieder stärker auf ihre Dienstleisterrolle zu konzentrieren und weniger riskante Geschäfte einzugehen.

Kreditinstitute gehen aber immer noch zu hohe Risiken ein, weil sie sich weiterhin berechtigte Hoffnung auf eine Hilfe durch Zen-tralbanken und Regierungen machen können. Regierungen und

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Zentralbanken konnten sich während der Finanzkrise und können sich auch jetzt noch nicht der Rolle als Gläubiger der letzten Ins-tanz entziehen (Paqué, 2012, S. 186). Es kommt zu einem Moral Hazard-Verhalten, da nachteilige Folgen des Fehlverhaltens von Kreditgebern womöglich von Regierungen und Zentralbanken aufgefangen oder reduziert werden. Das eigene Risikobewusst-sein der Kreditgeber wird gemindert. Auch eine unangemesse-ne Wirtschafts- und Finanzpolitik hochverschuldeter Staaten ist durch Moral Hazard zu erklären. Letztlich haftet der Steuerzah-ler für riskante Investitionsentscheidungen von Banken bzw. Ret-tungspakete oder Schuldenerlasse an andere Staaten, die eine verantwortungslosere Politik verfolgen.

Die anhaltenden Niedrigzinsen der EZB bescheren den deut-schen Privathaushalten Verluste von 5,8 Mrd. Euro jährlich, das sind 71 Euro pro Einwohner (Mohr, 2013). Die niedrigen Zinsen haben einen gefährlichen Umverteilungseffekt, der den Schuld-ner bevorteilt und den Sparer benachteiligt. Mittelfristig wird der volkswirtschaftliche Kapitalstock entwertet, die Staaten können sich weiter signifikant verschulden, und die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft verstärken sich. Die resultierende, sich durch niedrige Zinsen am Leben erhaltende Defizitwirtschaft setzt sich fort. Der Abschreibungsbedarf der europäischen Banken wird auf ungefähr eine Bio. Euro geschätzt (Doll, 2013). Sowohl die be-stehenden als auch im Zuge der Bankenunion zu etablierenden Rettungsschirme sind dafür zu klein. Ferner ist ein Zusammen-bruch des japanischen Yens zunehmend wahrscheinlich, sodass die japanische Zentralbank die Hoheit über ihre Währung verlie-ren könnte und eine Kapitalflucht resultiert (Doll, 2013). Vor die-

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sem Hintergrund sind die folgenden Politikempfehlungen extrem wichtig.

Erhöhung des Eigenkapitals

Capie und Wood haben zwar im vorangegangenen Aufsatz (S. 65) belegt, dass britische Banken ihre Eigenkapitalquoten risiko-gerecht anpassten und dass sie im Vergleich mit den von den Regulierungsbehörden im Rahmen von Basel I und II festgeleg-ten Standards gut ausgestattet waren, aber kurz- bis mittelfristig ist mehr Stabilität der Kreditwirtschaft ohne die Erhöhung des Bankeigenkapitals unter der derzeit geltenden Regulierung nicht zu erreichen. Das Eigenkapitalpolster der deutschen Banken ist im internationalen Vergleich zu niedrig. Der aufsichtsrechtliche Mindestwert von sieben Prozent (4,5 Prozent hartes Kernkapital plus 2,5 Prozent Kapitalpuffer) wird zwar erreicht, aber die füh-renden europäischen Banken haben durchschnittlich 8,4 Prozent und global liegt der Durchschnitt bei 9,2 Prozent. (Deutsche Bun-desbank, 2013 b, S. 3).

Die Einwände gegen die Erhöhung des Eigenkapitals können nicht überzeugen. Hellwig und Admati weisen zu Recht auf die falsche Verwendung des englischen Begriffs „Capital“ hin: „In der Sprache der Bankenregulierung bezieht sich dieses Wort auf die Mittel, die eine Bank von ihren Aktionären oder Eigentümern erhält. Diese müssen von den Mitteln unterschieden werden, die sich die Bank geliehen hat. Banken verwenden sowohl eigenes als auch geliehenes Geld, um Kredite zu vergeben und Wertpa-piere zu kaufen. Eigenes Geld ist Geld, das eine Bank von ihren

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Eigentümern erhalten hat, falls es sich um eine Privatbank han-delt, oder um Geld, das es von seinen Aktionären erhalten hat, falls es sich um eine Aktiengesellschaft handelt. In anderen Sek-toren der Wirtschaft wird dieses Eigenkapital im Englischen als »equity« bezeichnet, im Bankwesen heißt es einfach »capital«.“ (Hellwig/Admati, 2013, S. 28).

Tatsächlich schreiben Eigenkapitalanforderungen den Kreditins-tituten nicht ihre Mittelverwendung vor oder in welche Vermö-genswerte sie investieren dürfen. Die Basel-Vorschriften schrei-ben den Banken nur vor, welcher Anteil der verwendeten Mittel aus eigenen Mitteln stammen muss. Die schärferen Eigenkapi-talvorschriften zwingen die Kreditinstitute nicht, hohe zusätzliche Milliardenbeträge an Kapital bereitzuhalten. Folglich wird auch die Kreditvergabe an Unternehmen und Privathaushalte durch zu-sätzliches Eigenkapital nicht automatisch gesenkt. Eigenkapital ist kein Notgroschen für Krisenzeiten (Hellwig/Admati, 2013).

Allerdings schützt die bisher erreichte höhere Eigenkapitalausstat-tung nicht gegen große Krisen. Um Banken auch bei schweren re-alwirtschaftlichen Schocks krisenfest zu machen, wären nach einer Studie der Bank of England 17 Prozent der Bilanzsumme für das harte Kernkapital erforderlich (Miles et al., 2011). Das ist derzeit ab-solut unrealistisch und weit von den Vorgaben von Basel III entfernt.

In einem weiteren Schritt müssen die steuerrechtlichen Privilegi-en des Fremdkapitals reduziert werden. Auch die asymmetrische Beteiligung von Bankmanagern an den Gewinnen einerseits und den Verlusten andererseits bedarf der Korrektur.

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Weniger Staatsschulden in den Bankbilanzen

Bisher konnten nur geringe Fortschritte bei der Bewältigung der Systemrelevanz von Banken erzielt werden. Zwar hat sich die Eigenkapitalausstattung fast aller Banken erhöht, umfassende-re Abwicklungsregeln wurden eingeführt und die nationalen Auf-sichtsbehörden haben ihren Informationsaustausch verbessert (FSB, 2013), aber das Kernproblem der Verquickung von Bankbi-lanzen und Staatsverschuldung blieb. Da sich das FSB aus Ver-tretern der Finanzministerien, Zentralbanken sowie Aufsichtsbe-hörden zusammensetzt und somit eine staatliche Veranstaltung ist, vermeidet man eine Erschwernis der Staatsverschuldung und lässt das Kernproblem unangetastet. In den vergangenen zwei Jahren haben die Banken ihre Bestände an Staatsanleihen wieder erhöht. 2011 hatten die europäischen Großbanken ihre Staatsan-leihen von 1,65 auf 1,49 Mrd. Euro verringert, im Juni 2013 waren es wieder 1,65 Mrd. Euro (EBA, 2013).

Die Reduzierung der Staatsschuldenbestände in den Bankbi-lanzen ist aber eine zwingende Voraussetzung, um die System-relevanz von Banken zu beschränken. Entweder wird Basel III überarbeitet oder die Änderung geschieht über Basel IV: Für alle Staatsanleihen muss eine Eigenkapitalhinterlegung vorgeschrie-ben werden. Bisher müssen Staatsanleihen mit einem Rating von AAA bis AA- leider nicht mit Eigenkapital unterlegt werden. Ver-ständigt sich der Baseler Ausschuss nicht schnellstmöglich auf diese Änderung, werden Banken in der Konsequenz auch weiter-hin Staatsanleihen besitzen, dafür keine Risikovorsorge betreiben

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und bei drohenden Staatsinsolvenzen große Probleme bekom-men. Wenn die Politik nicht gewillt ist, den Banken für Staatsan-leihen eine Risikovorsorge zu verordnen und damit die eigenen Verschuldungskosten zu erhöhen, wird der Teufelskreis zwischen Banken und Staaten nicht durchbrochen.

Einzig die von der Politik gern gescholtenen Rating-Agenturen könnten diese unheilvolle Verbindung bei fortgesetzter Taten-losigkeit der Politik durch konsequente Herabstufung fast aller Staaten durchbrechen. Meistens reagieren Regierungen auf Herab stufungen ihrer Bonität mit Forderungen nach staatlichen Rating-Agenturen oder schärferer Regulierung der privaten Ra-ting-Agenturen. Der 2012 geäußerte Vorschlag, Rating-Agenturen dürften nur drei- oder viermal jährlich Bewertungen von Staaten veröffentlichen, ist infam und ein Bärendienst für die Interessen des Steuerzahlers (Krahnen, 2012).

Auch die deutliche Rückführung der Schuldenstände aller Staa-ten, mindestens der wichtigen Industrienationen, auf das in den Maastricht-Kriterien vorgegebene Niveau von 60 Prozent und die dauerhafte Einhaltung der Schuldenbremse bzw. eine Einführung derselben reduzieren die Systemrelevanz von Kreditinstituten.

Auf europäischer Ebene muss die finanzpolitische Eigenständig-keit aller Euro-Staaten wiederhergestellt werden. Dazu gehört auch, zu den verbindlichen Regeln des Maastricht-Vertrages zu-rückzukehren. Ein „Europäischer Länderfinanzausgleich“ muss vermieden werden. Der ESM darf zudem nicht dazu missbraucht werden, für Fehlspekulationen von Banken zu haften.

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Reduzierung der Verbriefung

Im Vorfeld der Finanzkrise wurde von dem Instrument der Kre-ditverbriefung umfangreicher Gebrauch gemacht. Damit werden Forderungen auch im Zweitmarkt verwertet. Vielfältige Formen der Verbriefung erlaubten es, Buchkredite in handelbare Akti-va zu transformieren und somit die Finanzierungsbeziehungen zwischen Sparern und Kreditnehmern unabhängig von Banken zu gestalten (Sachverständigenrat, 2007, S. 107). Grundsätz-lich tragen Kreditverbriefungen zur Risikoabsicherung und damit Stabilisierung bei, da sich der Risikogeber (eine Bank), welcher einen Kredit an einen Kreditnehmer vergeben hat, bei einem Risiko nehmer (Erwerber der verbrieften Titel) gegen den Zah-lungsausfall des Kreditnehmers (Schuldner) versichert. Proble-me entstehen aber dann, wenn mit Hilfe der Strukturierung aus Kreditportfolios mit minderwertiger Qualität ein hoher Prozent-satz erstklassig bewerteter Finanztitel erzeugt wird und dem Er-werber solcher Wertpapiere die tatsächlich verbundenen Risiken nicht bekannt sind (Brüderle, 2008, S. 9). Im Gegensatz zu einem traditionellen Bankkredit werden Kreditrisiken auf andere Markt-teilnehmer übertragen. Die Komplexität der neuen Instrumente erschwert es den Investoren, der Bankenaufsicht und den Ra-ting-Agenturen, die Risiken angemessen einzuschätzen. Durch die Handelbarkeit können Banken Kreditrisiken aus ihrer Bilanz auf Fonds übertragen, für die sie jedoch weitreichende Kredit-zusagen übernehmen. Die Verbriefung kann somit missbraucht werden, um bankaufsichtsrechtliche Bestimmungen zu umgehen (Sachverständigenrat, 2007, S. 118).

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„Die große Herausforderung für die Wirtschaftspolitik besteht nun darin, die Rahmenbedingungen derart zu justieren, dass die Exzesse der Vergangenheit in der Zukunft vermieden werden und die Transparenz der Risikoverteilung für alle Teilnehmer steigt, ohne dabei die Vorteile, die durch die Verbriefung geschaffen wurden, infrage zu stellen.“ (Sachverständigenrat, 2007, S. 139) Die Erhöhung der Transparenz bei Verbriefungen ist also zwin-gend geboten. Eine gute Maßnahme wäre die teilweise Rück-nahme der Ende 2003/Anfang 2004 erfolgten Anpassungen im Gewerbe- und Umsatzsteuerrecht, die den Kreditinstituten die Verbriefung von Forderungen erleichtert hatte. In einem 2006 erschienenen Aufsatz pries Jörg Asmussen noch die Innovatio-nen des deutschen Verbriefungsmarktes und die Bedeutung von ABS38 im Koalitionsvertrag (Asmussen, 2006, S. 11). In diesem Fall darf man wohl von verhängnisvoller (De-)Regulierung spre-chen, die mit zur Finanzkrise beigetragen hat. Hier sind Korrek-turen erforderlich. Heute äußert sich Asmussen gegenteilig: „Es darf und es wird keine Regulierungspause geben.“ (FASZ, 2013).

Fazit

Unabhängig von den drei oben genannten Hauptmaßnahmen müssen die Kreditinstitute ihr Risikomanagement verbessern und die Annahmen ihrer internen Modelle ergänzen. Vor allem müs-sen die Risiken, die außerhalb der regulären Bilanz in sogenann-ten Zweckgesellschaften untergebracht wurden, wieder in die re-gulären Bankbilanzen zurückgeführt werden.

38 Asset-backed securities = forderungsbesicherte Wertpapiere.

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Die Politik könnte bei der Lösung des „too big to fail“-Problems aber auch auf eine vorbeugende Zerschlagung zurückgreifen. In einem gemeinsamen Papier skizzieren die U.S.-amerikanische Einlagensicherungsbehörde FDIC und die Bank of England, wie systemrelevante Banken zerschlagen werden sollen. Gesunde Teile einer internationalen Großbank sollen weitergeführt, nicht überlebensfähige Teile zerschlagen, verkauft oder abgewickelt werden. Im Notfall soll nur eine der Aufsichtsbehörden die Fe-derführung bei der Abwicklung haben. Vor allem sollen system-relevante Banken zukünftig wesentlich mehr Eigenkapital und in Eigenkapital unwandelbare Anleihen haben, dass im Krisenfall die Eigentümer und ein Teil der Gläubiger die Verluste auffangen kön-nen. (Federal Deposit Insurance Corporation/Bank of England, 2012). Das gemeinsame Papier nennt zwar keine exakte Quote als Eigenkapitalerfordernis, sie dürfte aber im Vergleich zu Basel III weitaus höher sein. Das deutsche Gesetz zur Abwicklung und Restrukturierung von Banken, welches 2010 beschlossen wurde, hat seine Feuerprobe noch nicht bestanden. Ob die BaFin jemals von sich aus ein Restrukturierungsverfahren einleitet, erscheint zweifelhaft (siehe Kapitel 3). Mittlerweile wird eine präventive Zerschlagung auch unter deutschen Ökonomen diskutiert (So z. B. Homburg, 2013, S. 7).

Das Risiko des Scheiterns ist ein unverzichtbarer Bestandteil ei-nes funktionierenden Marktes. Marktkräfte wie Preise oder die Bankrottgefahr sind die besten Kontrolleure. Die Politik muss wieder die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Marktkräfte ihre Kontrollfunktion ausüben können (Krahnen, 2012). Entschei-dung und Haftung müssen in der Kreditwirtschaft wieder zusam-

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mengeführt werden. Offensichtlich sind Privatbanken mit persön-lich haftenden Gesellschaftern weniger unkalkulierbare Risiken eingegangen. Folglich wäre eine Erweiterung der persönlichen Haftung von Bankvorständen bei börsennotierten Kreditinstituten sinnvoll. Auch wenn das exzessive Gewähren von Boni abgenom-men hat, wäre ein stärkerer Einfluss der Hauptversammlung auf die Vergütung des Vorstands wünschenswert.

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Autoren

Dr. Peter Altmiks ist Referent für Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Sozi-ales und Bildung im Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stif-tung für die Freiheit. Davor war er in der privaten Kreditwirtschaft für Bargeldlogistik, die Standardisierung im Zahlungsverkehr und die Organisation der bundeseinheitlichen Wertpapierkursermitt-lung verantwortlich. In den letzten Jahren gab er folgende Bü-cher heraus: Im Schatten der Finanzkrise – Muss das staatliche Zentralbankwesen abgeschafft werden? (2010), Die optimale Währung für Europa? Segen und Fluch des Euro (2011), Noch eine Chance für die Soziale Marktwirtschaft? Rückbesinnung auf Ordnungspolitik und Haftung (2012) sowie Marktordnung im Finanzsystem – Bankenregulierung, Rating-Agenturen, Risiko-management (2013). Die derzeitigen Arbeitsschwerpunkte sind Grundsicherungsmodelle, Soziale Marktwirtschaft, Finanzkrise, Geld und Währung.

Prof. Dr. Forrest Capie hatte einen Lehrstuhl für Volkswirt-schaftslehre an der Cass Business School in London inne. Nach der Promotion und einem Lehrstipendium an der London School of Economics (LSE) unterrichtete er an den Universitäten War-wick und Leeds. Er war Mitglied der British Academy (Britische Akademie der Wissenschaften für die Geisteswissenschaften) in der Niederlassung New York und Gastdozent an der Universität Aix-Marseille und an der LSE sowie Gastwissenschaftler beim Internationalen Währungsfonds. Er war Dekan des Fachbereichs

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Banken und Finanzen der City University London von 1989 bis 1992, Herausgeber des Economic History Review von 1993 bis 1999, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Institute of Economic Affairs in London sowie Berater des Schatten-Finanz-ministers (Der Schatten-Finanzminister ist der führende Opposi-tionspolitiker in Wirtschaftsfragen). Er veröffentlichte zahlreiche Schriften über Geld, Kreditwirtschaft, Handel sowie Handelspo-litik. 2010 erschien seine offizielle Geschichte der Bank of Eng-land. 2012 erschien „Geld über zwei Jahrhunderte“. Im Zuge der Finanzkrise beriet er die parlamentarische Bankenkommission Großbritanniens.

Prof. Dr. Gunther Schnabl hat einen Lehrstuhl für Wirtschaftspo-litik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig, wo er das Institut für Wirtschaftspolitik leitet. Er hat an der Universität Tübingen mit Themen zu Leistungsbilanzungleichge-wichten und Währungsintegration promoviert und habilitiert. Er war Gastwissenschaftler an der Stanford University, der Katholischen Universität Leuven, der Deutschen Bundesbank, der Bank of Japan, der Federal Reserve Bank of New York sowie der Europäischen Zentralbank. Vor seiner Berufung an die Universität Leipzig war er als Berater bei der EZB tätig. Schnabl hat in zahlreichen internati-onalen referierten Zeitschriften zu Themen der Währungsintegra-tion, Währungsstabilität, Leistungsbilanzungleichgewichten sowie Boom-und-Krisen-Zyklen auf Finanzmärkten publiziert. Im Ranking der internationalen wissenschaftlichen Datenbank IDEAS gehört er zu den wichtigsten fünf Prozent der Volkswirte in Deutschland und Europa. Seine wissenschaftlichen Arbeiten basieren auf dem Werk von Friedrich August von Hayek.

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Prof. Dr. Lawrence H. White hat einen Lehrstuhl für Volkswirt-schaftslehre an der George Mason University in Virginia, USA. Seine Forschungsgebiete sind Theorie und Geschichte von Wäh-rungssystemen und Bankwesen. Er schrieb u. a.: Die Theorie der Währungsinstitutionen sowie Wettbewerb und Währung. 2008 erhielt er den Wissenschaftspreis der Association for Private Enterprise Education. Seine Forschungsaufenthalte führten in an das American Institute for Economic Research, die Schweizeri-sche Nationalbank und die Landeszentralbank von Atlanta. Er ist Mitherausgeber von Econ Journal Watch und Mitglied des Her-ausgeberrates der Review of Austrian Economics. Er ist Mither-ausgeber der Zeitschrift The Freeman der Stiftung für ökonomi-sche Bildung. Er ist zudem Adjunct Scholar des Cato Institute.

Prof. Dr. Geoffrey Wood hatte einen Lehrstuhl für Volkswirt-schaftslehre an der Cass Business School in London inne und ist emeritierter Professor für monetäre Ökonomie an der Universität Buckingham. Er arbeitete im Federal Reserve System und in der Bank of England. Er beriet zahlreiche Zentralbanken und nationale Finanzministerien im Ausland. Derzeit ist er Geschäftsführer einer Fondsgesellschaft, Berater von verschiedenen Finanzinstitutionen, zweier Rentenfonds und des Finanzsonderausschusses des Unter-hauses. Wood hat die parlamentarische Bankenkommission Groß-britanniens beraten, bis diese mit Abgabe des Abschlussberichtes ihre Arbeit beendete. Er hat über 30 Bücher geschrieben, mitver-fasst oder herausgegeben und publizierte über 100 wissenschaftli-che Aufsätze. Seine Forschungsgebiete sind monetäre Ökonomie, die Geschichte des Geldes und finanzielle Regulierung.