Peter Pörtner EVIDENZEXEMPEL Wie der Portale Stein und Bogen Wie der Wolken schwerer Rand Wie metallner Worte Wogen Wie die Eises Blütenbrand Wie das ganz zerstäubte Eine Wie die Luft: zu Fels geballt Wie des Wassers Wüstenreine Wie kristallne Staubgestalt Immer ist das Denken aus Auf funkelnde Orchideen. Es sucht danach im Welttreibhaus. Und kann sie nirgends sehen. Wo kommt er an, der schlimme Zwang, Zu suchen, was nicht ist. Und zwar ein ganzes Leben lang, Bis du am Ende bist Am Ende, wo sie endlich stehen, Die funkelnden Orchideen. Sie lachen dich dort funkelnd aus Und sagen: Sieh mal! Eiderdaus! Hast du denn nicht gewusst, du Narr, Dass keiner, den das Leben hat, Uns sehen darf? Gefahr, Gefahr Sind wir! - - Schach matt!

Ihr tausend kleinen Gesten, immer wieder wiederholt, ja, ihr werdets sein gewesen, wenn die Welt der Teufel holt. Und wir werdens nicht mehr wissen, wie nie gewusst wird es gewesen sein, sinkt die Welt ins kalte Kissen, stürzt der Himmel endlich ein. Dann werden wir die Hände heben, wie Kinder, die nach Hilfe schrein, Mit kalter Schulter wird das Leben sich endlich doch von uns befrein.

Ins Alltägliche gewendet: Till tilgte die Welt mit einer Tilde. Und Thildchen tilgte Till. Es waren zwei Kannen, die konnten gut gießen. Doch waren sie auch verschämt: Es dauerte lange, bis sie die Tüllen fallen ließen. Nachdem die Welt ins All gewerkt, wurd noch der Mensch hineingezwergt. Das Denken wär ein schönes Ding, wenn’s nicht in seinen Seilen hing.

Nach der Zerstörung seiner Schöpfung erklärte Gott, zugegeben müd und matt Folgendes: Die Natur, meine Natur hatte es satt. Als die Menschen über Grenzwerte stritten, hatten sie selbst ihren Grenzwert schon überschritten. Bin ich angekommen, wohin ich gehör? Ist das die Heimat? Dann wär ich lieber ein geschlachteter Stör und endete bei Spar als Gläschen „Deutscher Kaviar“. Endlich hatte er sich entschieden. Nachdem er wohl zwanzig Mal hin und her und an dem Café immer wieder vorbeigegangen war, trat er ein, betrat er es, enterte er es, wie es ihm wohl vorkam, bestellte, noch am Tresen stehend, einen Kuchen und „nichts Weiteres“ – und setzte sich dann auf die Bank, in der Ecke, am Fenster und schaltete seinen kleinen Computer ein, schnäuzte sich und schob mit seinen Beinen einen Stuhl, fast krachend, von sich, soweit es ging, verschränkte die Arme und starrte auf den leeren Monitor, solange er auf den Kuchen wartete, als der kam, ankam, vom schwarzen Kellner getragen, griff unser Gast nach der Gabel und begann den Kuchen zu essen, den Blick gerichtet, gerichtet auf seinen leeren Monitor. Das Wetter draußen, vor dem Fenster, war ungewöhnlich schön.

Nach dem Bau des Turms zu Babel wäre die Menschheit genötigt gewesen, sich zu wiederholen. Das hat Gott geahnt. Der Spiegel sieht den Spiegel. Wer ist Hase? Wer ist Igel? Der eine sagt zum andern: „Siehst du´s, ja? Bin schon da!“ Seither macht Satan seine Sache gar nicht so schlecht. Man muss die Rolleneffizienz auch von Teufeln an ihrem Auftrag messen. Leider riecht er noch stark nach Schweiß und Ziegenbock. Weißt du, dass er einmal gesagt haben soll: Gott richtet selbst das Unheil an – und beklagt sich noch darüber. Er braucht eine Psychotherapie; aber auf mich hört er ja nicht. Die Zubehörteile des jeweiligen Menschentypus nehmen überhand. Lagerraum ist zu einem echten, weil finanziellen Problem geworden. Was ihn in Wirklichkeit und unentwegt beschäftigte, treffender: Was ohne Rast und Ruh in ihm umging, war der Traum von einer navigierten, kontrollierten, ja manipulierten Kontingenz. Er stellte sie sich vor wie eine ferngesteuerte Marionette, die trotz ihrer unsichtbaren Stranguliertheit sich etwas Ätherisches bewahrt hätte, wie die kleinen, Glitzersternchen versprühenden Feen in frühen Disney-Filmen. Immer, wenn er diesen Punkt erreicht hatte, wurde ihm schlecht. Und er las in einer online-Version des Wilhelm Meister, bis er sich wieder besser fühlte.

Wenn man sehr aufmerksam war, hörte man die Einsamkeit um ihn rauschen. Let me freeze. Über alles entscheidet aber die Genauigkeit des Atemeinsatzes. Er wollte das Trinken eines Schluck Wassers in Worte übersetzen. Erinnerung ist Heiligung. Oder sie ist nichts. Es ist aber noch nicht gelungen, den Beweis zu erbringen, dass es Erinnerung gibt. Meist ist das, was übermütig oder hinterlistig oder einfach nur mit betrügerischer Absicht Erinnerung genannt wird, ein Kuhhandel mir dem Vergessen, in den das Vergessen nur deshalb einwilligt, weil ihm die Erinnerung gleichgültig ist; uninteressant. Was erinnert werden muss, sollte besser nicht gewesen sein. Und ist es nicht bedeutsam, dass die Aufforderung: Erinnere dich! Eine Tribunalatmosphäre heraufbeschwört, in der der, welcher zur Erinnerung gezwungen werden soll, in der Vision eines Zustands der Erinnerungslosigkeit das Glück erinnert. Sagte nicht einer: Lasst mich das Wenige sein, das ich bin. Mit jeder Erinnerung, die ihr mir aufzwingt, werde ich weniger; wen, glaubt ihr, werdet ihr haben; wenn ich mich erinnert haben werde? Ein von Erinnerung Zerfressener. Ein von der Erinnerung Mitgerissener. Ein von der Erinnerung Ausgeleerter. Ich werde nicht mehr sein als der Rest, den ich nicht erinnert haben werde. Die Erinnerung ist ein gefräßiges Maul, das immer größer und gieriger wird, je mehr man es stopft. Zu sagen: Ja, ich erinnere mich, bedeutet den Adler einzuladen, meine Gedärme zu verzehren und mich mit ihnen.

Ende eines Theaterstücks: „So bleibt die Sonne hinter uns.“ (Schluss, Lachen, unruhiger Applaus)