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L857. ANNALEN Jro. 4. DER PHYSIK UND CHEMIE. BAND C. I. Photochernische Untersuchungen; mn R. Bunsen und H. Roscoe. D ri t t e A b hand 111 ng. 2. Erscheinuogen der photochemischen Induction. D i e Verwandtschaft oder die Kraft, welche die Theile substantiell verschiedener Korper zu einer chemischeu Ver- bindung zusammenfiihrt, ist etwas dem Wesen und der Grafse nach uiiab~uderlich Gegebenes, das wie alle Krafte und wie die Materie selbst weder zerstort noch erzeiigt werden kann. Es ist daher nur eiii iibelgewaihlter Sprach- gebrauch, wenn man YOU Verwandtschaftskraften redet, die ein Karper unter Umstanden erlangt und die er unter an- dern Umstanden wieder verliert. Unter dieser Ausdrucksweise kanu verniinftiger Weise nichts anderes verstandeu werden, als dafs die Theilchen eines Korpers bald dem Zuge ihrer chetnischen Krafte fol- gen konuen, bald durch Gegenwirkungen daran gehindert werden. Diese Gegenwirkungen, welche zu beseitigen sind, wenn die chemische Vereinigung erfolgen SOU, konnen wir uus unter dem Bilde eines Widerstandes vorstdlen, ahn- lich demjenigen, welcher bei der Reibung, oder bei der Fortpflanzung der Elektricitat in Leitern, oder bei der Ver- theilung des Magnetismus im Stahl, oder bei der Fortpflan- zung der Warme durch Leituug auftritt. Ein ahnlicher Widerstand ist es, den wir iiberwinden, wenn wir die Bil- dung eines Niederschlags durch Schiitteln befordern, oder wenn wir durch Temperatur-Erhohung, oder durch kata- lytische Einflhe, oder durch Insolation eine chemische Reaction hervorrufen. Poggendorff’s Annal. Bd. C. 31

Photochemische Untersuchungen

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L857. A N N A L E N Jro. 4. DER PHYSIK UND CHEMIE.

B A N D C.

I. Photochernische Untersuchungen; m n R . B u n s e n und H. R o s c o e .

D ri t t e A b hand 111 ng.

2. Erscheinuogen der photochemischen Induction.

D i e Verwandtschaft oder die Kraft, welche die Theile substantiell verschiedener Korper zu einer chemischeu Ver- bindung zusammenfiihrt, ist etwas dem Wesen und der Grafse nach uiiab~uderlich Gegebenes, das wie alle Krafte und wie die Materie selbst weder zerstort noch erzeiigt werden kann. Es ist daher nur eiii iibelgewaihlter Sprach- gebrauch, wenn man YOU Verwandtschaftskraften redet, die ein Karper unter Umstanden erlangt und die er unter an- dern Umstanden wieder verliert.

Unter dieser Ausdrucksweise kanu verniinftiger Weise nichts anderes verstandeu werden, als dafs die Theilchen eines Korpers bald dem Zuge ihrer chetnischen Krafte fol- gen konuen, bald durch Gegenwirkungen daran gehindert werden. Diese Gegenwirkungen, welche zu beseitigen sind, wenn die chemische Vereinigung erfolgen SOU, konnen wir uus unter dem Bilde eines Widerstandes vorstdlen, ahn- lich demjenigen, welcher bei der Reibung, oder bei der Fortpflanzung der Elektricitat in Leitern, oder bei der Ver- theilung des Magnetismus im Stahl, oder bei der Fortpflan- zung der Warme durch Leituug auftritt. Ein ahnlicher Widerstand ist es, den wir iiberwinden, wenn wir die Bil- dung eines Niederschlags durch Schiitteln befordern, oder wenn wir durch Temperatur-Erhohung, oder durch kata- lytische E i n f l h e , oder durch Insolation eine chemische Reaction hervorrufen.

Poggendorff’s Annal. Bd. C. 31

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Einem solchen Verbindungswiderstande entspricht cine Verbindungsfahigkeit, deren Grafse durch diejenige Masse eines Kiirpers gemessen wird, welche sich unter dein Ein- flusse der Einheit der Kraft i n der Einheit der Zeit che- misch verbindet.

Den Act, durch welchen der Verbindungswiderstand ver- ringert und inithin der Zustand einer grafseren Verbiiidunfrs- f2higkeit herbeigefuhrt wird, wollen wir chemische Induction nennen, und dieselbe bezeichnen als photochemische, ther- mochemische , elektrochemische , idiochemische, je nachdcm Licht, Warme, Elektricitat oder chemische Einflusse allcin es waren, welche bei der Beseitigung dieses Widerstaiides sich th;itig zeigten.

Die Wirkungsweise der von dem Einflusse des Ver- bindungswiderstandes befreiten Verwandtschaft, d. ti. das Gesetz, dem diese allen stiirenden Einfliissen entzogcne Kraft gehorcht, ist uns vollkommen unbekannt. Mit dcr Kenntnifs desselben wtirde die wichtigste Aiifgabe der Chemie gelast seyn.

Scheint auch dieses Ziel nach dem heutigen Stande un- seres Wissens noch in der weitesten Ferne zu liegen, so dUrfte es doch schon jetzt an der Zeit seyn, sich nach Er- fahrungen umzusehen, welche als Ausgangspunkte auf die- sem noch vbllig unangebauten Felde der Forschung dienen kanneu. Die interessanten Beziehungen, in denen die pho- tochemischen Erscheinungen zu die'ser Frage stehen, haben daher unsere Aufmerksamkeit ganz besonders in Anspruch genomuren.

Schon D r a p e r ist es nicht entgangen, dafs die Wir- kungen des Lichtes auf ein Gemisch von Chlor und Was- serstoff nicht momentan eintreten, sondern dafs dazu eine llngere Dauer der Bestrahlung erforderlich ist. Diese That- sache hat Hrn. D r a p e r zu der Annahme verleitet, dafs das Chlor durch Insolation in einen bleibenden, erst nach Wochen wieder verschwindenden allotropischen Zustand Iibergehe, in welchem es sich von dem gew6hnlicheu Chlor durch eine grdfsere Verhindungsfshigkeit unterscheide.

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W i r werden i n der Folge zeigen, dafs der Grund der schwZcheren Wirkung in den ersten Phasen der Bestrah- lung keiueswegs in einein solchen allotropischen Zustand des Chlors gesucht werden kann, sondern dafs es sich da- bei um einen jener eigenthiimlichen Vorgange handelt, die wir eben unter dem Namen der chelnischen Induction er- wabnt haben.

Wir wollen zunachst die Erscheinung selbst betrachten, imd d a m zu den Einfliissen iibergehen, von denen sie ab- hlngig ist.

Lakt man die von einer constanten Lichtquelle ausge- henden chemischen Strahlen durch ein Wasserstoffchlorge- misch fallen, das frisch bereitet ist oder nach schon statt- gehabter Bestrahluug Iangere Zeit im Dunkeln sich selbst fiberlassen blieb, so findet in dem ersten Augenblicke der Insolation keine hemerkbare Salzsaurebildung statt. Erst llach Verlauf einiger Zeit tritt eine schwache Wirkung ein, die sich wahrend eiuer ziemlich langen Dauer stetig bis zu einem constant bleibenden Maximum steigert.

Die folgenden Versuclie geben ein Beispiel dieses all- m~blichen Anwachsens der Wirkungen bei constant erhal- tener Bestrahlung.

Die erste Verticalspalte enthalt die Dauer der Bestrah- lung in Minuten, die iibrigeii geben das Salzsaurevolumeu, welches wahrend einer Minute in den einzelnen durch dic Zeiteu der ersten Columne gemessenen Perioden der Be- stralilung gebildet wurde.

Zu den Versuchen 1 und 2 dienten vom Zenith eines wolkeulosen Himmels ausgehende Strahlen. Zu den Ver- suchen 3, 4, 5 und 6 wurde Lampenlicht benutzt.

31 *

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Versuchsreihe I.

Zeit in

Minutcn.

-

1 2 3 4 5 6 i 8 9

10 11 12 13 14 15 16 17 18

)iffuses Sonnenlicht

No. des Yersuchs

2.

0,o 030 090 0,21 0,60 1,Ol 0,41 1,61 1,iO 2,73 543 6,34 7,67*

- No. des Versuchs

3.

090 1,58 0,50 0,oo 0,50 2,09

l4,58 29.18 31,11* 30,36 32,38

-

Lampenlicht.

No. der Versuchs

4.

0 8 0,o 0,o 40 0,o 1,04 3,13

19,B 29,19 32,68* 33,40

- No. des Versuchr

5.

6,25 4,71 6,26 5,20 5,21

10,43 11,46 1042 13,33 16,20 203 1 25,30 32,98 38,O d7,0* 47,O 46,O 47,O

- No. des Ycrsuchs

6.

4,13 10,42 14-12 13,53 1 I ,07 10,83 15,63 14,37 20;24 25,30 28,44 45,74 53,OO 53,oo 55,06* 55,OO 55,OO

Die ersten Wirkungen zeigten sich, wie man sieht, bei Versuch 4 nach 6 Min., bei Versuch 2 nach 4 Min., bei Versuch 1 nach 3 Mia., bei Versuch 3 nach 2 Min. und bei Versuch 5 und 6 mar schon nach Verlauf von einer Minute eine bedeutende Wirkung eingetreten.

Das Maximum der Wirkung') trat ein bei Versuch 5 und 6 nach 15 Min., bei Versuch 1 nach 11 Min., und bei Versuch 3 und 4 nach 9 Min.

W i r kiSnnen aus diesen Versuchen zunachst den Schlufs ziehen :

dafs die Zeitdauer, bis zu welcher die ersten Spuren der photochemischen Induction bemerkbar werden und bis zu welcher das Maximum derselben eintritt, je nach den Um- standen sehr verscbieden ist.

Unter den Einfliissen, von denen diese Verschiedenhei-

1 ) Bei diesen Versuchen, wie auch in der Folge, habcn wir die Zahlen, von welcher ab die Wirkungen bei gleichcr Bestrahtung con~tant blei- be% mit einem Sternchen bezeichnet.

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455

ten bedingt werden, spielt zunachst die Masse des iusolir- ten Gases eine wichtige Rolle. Dieser Einflufs der Masse lafst sich leicht nachweisen, wenn man verschieden lange Sauleii des Gasgemisches in Gefafseu von gleichein Quer- schiiitt gleichzeitig unter denselben Umstanden eiii und der- selben Bestrahlung aussetzt. W i r haben uns d a m der schon in Abhandlung 11, S . 46 beschriebeneu glasernen Cylinder von verschiedener Tiefe bedient. Die Tiefen des Cylinders No. I , I1 und I11 verhielten sich der Reihe nach iiahezu wie 2,6:1,5:1,0. Die Versuche wurdeu auf folgende Weise angestell t :

Nachdem wir uns durch wiederholte Priifungen, die wir iibergeben zii diirfen glauben, uberzeugt hatten, dafs Chlor- knallgas, 24 Stunden lang in dieseii Cylindern im Dunkeln aufbewahrt, keine iiachweisbare Veranderung erleidet, wur- den dieselben zu dein communicirendem System Fig. 1 Taf. I Abliandluiig I1 mittelst der Iuftdichten Kautschuk- verbindungen b b vereinigt ') und nocli das Glasrohr F, des- sen Rauininhalt genau bestimmt war, init deni Sjstein ver- bunden. Als darauf eiu durch die Rohre c eingeleiteter Strom getrockneten elektrolpischen Chlorknallgases diese Gefafse im Dunkeln bei constanter Temperatur langere Zeit durchstromt hatte, wurden unter sorgfiltiger Vermei- dung jeder Temperaturerhohung sammtliche Kautschuckver- bindungen durch geeiguete Kleinlnschrauben geschlosseu uud gleichzeitig die herrschende Temperatur T und der Barometerstand P beobachtet. Urn iiber die Reinheit des Gases Gewifsheit zu haben, titrirten wir das in der Rahre T aufgefangene Gas. Stimmte das aus dieser Titrirnng mit- telst der Forinel

573 1) c=- .? a(lat - t , ) ' )

I ) Man darf siclr bei solchen Versuchen niernals vulkanisirter Kautrdruck- rijhren bedienen, weil der Sehwefelgehalt derselben zur Bildung von Chlorschwefel. Veranlassung giebt, welelier die Glasplatten besclrlHgt und triibt.

2 ) Annalen S . 47 dieses Bandes.

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a n t t'

Chlorgemisch bei 0' U. 476

Dasselbe nach der Inso-

Auf 100 Vol. Gas gebildete

vor der Insolation

lation

Salzdure

0,00'2487 0,002487 0,002487 0.002487 1 6 4 1

78,6 70,O 70,o 70,O 3,9 6 8 41,O 28,O

180,l

180,4

0,o

Hltte das zu den Versucben benutzte Gas genaii aus gleichen Raumtheilen Chlor und Wasserstoff bestanden, so wlirde das in der R6bre r enthaltene auf 0' und 0,76 re-

1 ) Ann. S. 48 dieses Bandes.

107,O 69,5

104,4 18,3

2,4 73,7

486

gefirndene Chlorvolumen mit dem nach Formel CP '1

*) =(1+0,00366 T)X0,76

aus den] haumiiihalt der Rtihre berecbneten iiberein, so liefs sich die Reillheit des Gases als erwiesen betracliten.

M t deli so gefiillten Gehfsen wurden folgende Ver- suche angestellt:

Versuch 1. Cyliuder I und 11 wurden dicht neben ein- ander geuau in derselben Lage einer zweistiindigeii vom Zenith eines wolkenlosen Hiininels ausgehenden Bestrablung ansgesetzt. Bei dern Verschliefseu der Gefsfse war die Temperatur T= 12",9 C. und der Barometerstand P=0,7533. Der Kaulniiilialt C betrug bei deln Glasrolir T Fig. 1 Taf. I Abhaudlung I1 34,111 Cubikcentimeter, bei dem Cyliuder I 190,24 Cubikcentim., bci dcm Cylinder I1 113,03 Cuhik- centim. und bei dem Cylinder 111 53,42 Cubikcentim. Die Titrirung gab :

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487

Jucirte aus deni Rauniiuhalt C dem Drucke P uiid der Temperatur T berechnete Clilorvolulneu 16,d haben betra- gen mussen. Die Titrirung ergab fur diefs Voluinen ill der That 16,3, woraus sich schliefseii Infst, dafs das zu den Persuchen benutztc Gas die norinale Zusammensetzung besak. Der grofse Verlust vou 73,7 im dritteii Cylinder kotirite nicht von eincrn undichten Verschlufs herruhren, da ein 12 Sturideii lang in demselben Cylinder iiii Dunkeln a uf b e w a hr t es Clllo rg em isc h k ei n e V er an d er un g e rl i t t .

Eine zweite mit dem Rohr P und den Cylindern I ni)d I[ bei T=12'),9C. iind P=0",7521 aosgefuhrte Beobachtung, bei der die vom wolkeulosen Zenith ausgchende Bestrah- lung drei Stuuden dauerte, lieferte folgeude W e r t h e :

Versuchsreihe I1 B.

1 Rolir r 1 Cylinder 1. 1 Cylinder 11. I

Clrlorgemiseh bei 0' u. 0,76

Dosselbe nach der Inso-

Auf 100 Theile Gas gebil-

vor der Insolation 179,8

latinn 160,3

dele Scrlzssure 10,s

1

106,s

13,2

87,6

Da die Titrirung des Gases in der RBhre T 16,3 Chlor auf 16,5 Wasserstoff gab, so 1aLt sich annehmen, daCs auch liier die Zusammensetzung des Chlorgelnisches eine nor- inale war.

W i r haben noch zwei Versuche mit Lampenlicht aoge- stellt, bei detlei~ die Lichtstarkc gleich blieb, aber zwei ver- schieden lange Saulcu der Chlormischuiig iusolirt wurden.

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488 Bei dem ersten dieser Versuche war die durchstrahlte Gas- saule 154"" tief, bei dem zweiten betrug ihre Tiefe 81"".

In der folgenden Zusammenstellung dieser Versuche enthalt die erste Verticalspalte die Beobachtungszeiten von dem Begiun der Bestrahlung an gerechnet; die zweite und dritte giebt die diesen Zeiten entsprechendeu chemischeii Wirkungen der Reihe nach fur die 154"" und 81"" lange Gassgule gemessen durch die in 15" gebildete Salzslure

Versuchsreihe 111. Zeit in See.

0 30 GO 90

120 150 180 210 240 2iO 300 330 360 390 420 430

Mittlere coostante W

1. Vero. 154mm 2. Vers. 81mm I

In der grofseii Gasmasse betrug daher die Wirkung iiach vollendeter Induction iin Mittel 10,7, in der kleine- reii 8,2. In der grofsen war die Induction nach 44 Minu- ten, in der aiideren, fast doppelt so kleinen, nach 2 Minu- ten beendet. In der kleiuen nahm dieselbe rascher zu als in der grofseu.

dafs die photochemische Iiiductiou um so inehr verzfi- gert mird, je langer uiiter sonst ganz gleicben Umstlu- den die durchstrahlte Gassiiule ist.

Aus den Curven No. 1 und 2, Fig. 1 Taf. V, die beide einen Weiidepunkt baben, ist diefs Verhaltuifs ersichtlich. Die Abscissenlinie entspricht den Beobachtungszeiteu, die Ordinaten geben die diesen Zeiten zukommenden Wirkuii-

Es 1aLt sich daraus der Schlufs zieheri:

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48 9

gen, gemessen durch die in 15" gebildete Salzszure. No. 1 bezieht sich auf die 154"" lange Gassaule, NO. 2 auf die kiirzere 81"" Iange.

Die Abiiahme der Inductionszeit mit der Masse erscheint auf deli ersten Blick sehr rathselhaft. Bei den ziierst an- gefuhrten Versuchen geschah die Insolation unter ganz gleicheii Umstanden in verschieden laiigen Gassaulen von sonst vijllig gleichen Dimensionen. In den grilfseren Cg- litidern wurde daher ganz dieselbe Gasschicht galiz unter denselben Umstanden durchstrahlt, wie in dein kleinsten, iiur dafs aucserdem noch cine weitere Schicht derselben \\'irkung in den gr6Cseren Cylindern unterlag, uud doch war die Wirkung in den kiirzeren Gassaulen stets grilfuer als in den langeren. Bei der 83 Millimeter langen Saule der Versuchsreihe IIA Vers. 1 war die Wirkung gar nicht niehr nachweisbar. Bei der nur 32"" langen des Vers. 3 betrug sie iiber 73 Proc.

Die vollstiindige Erklaruag dieser sonderbaren Erschei- nung ergiebt sich aus Versuchen, die wir erst spIter in diesem uud dem folgenden Abschnitte mittheilen kijnuen. W i r werden dort zeigen, daCs die Lichtwirkung in eiuem Chlorgeinisch nach den tiefercn vom Lichte durchstrahlten Schichten hin ziemlicli rasch aboimmt, und daCs die Ver- biudungsfahigkeit des Chlorknallgases im Dunkeln oder in geschwachtem Lichte verringert wird. Gelangen daher Mo- lecule des bereits inducirten Gases durch Diffusion in solche tiefere Schichten, so verlieren sie unter dem Eiuflusse der schwacheren Bestrahluug einen Theil ihrer Verbindungs- fahigkeit wieder. Es ergiebt sich daraus die Nothwendig- keit, bei photochemischen Inductionsversuche~~ eine 1nijg- lichst diiune Schicht von Chlorknallgas im Bestrahlungsge- fa& anzuwenden. W i r haben daher zu den folgenden Ver- suclien stets das bereits oben beschriebene vor der Lampe geb1asen.e kleiue holationsgefiifs i Fig. 2 Taf. I1 Abhaud- lting I1 angewaudt, welches wir auf die V e i s e angefertigt haben, dafs wir eine vor der Lampe geblaseue Glaskugel so weit zwischen zwei nassen Brettern wghrend des Aus-

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blasens abplatteteu, dafs der zur Aufnahme des Gases die- nende scheibenfiirmige Hohlraum nur eiue Dicke von kaurn 2 Millimetern besafs, und inithin die Uiiterschiede der Be- strahluug in den verschiedenen Tiefen der iusolirten Schicht als verschwindend klein betrachtet werden konnteo.

Nachst der Masse ist es die Lichtstgrke, welche zu der photochemischen Induction in der eogsten Beziehung steht. Bei den Versuchen, die wir zur Erforschung dieses Ein- flusses augestellt babeii, diente die Flamlne eines S c o t t’ - schen Gasbrenoers als Lichtquelle. Die durch eine grofse Convexlinse conceiitrirten Strahlen hatten, bevor sie das lnsolationsgef~fs erreichteii, eine uugefiihr 63 Millimeter lange, zwischen dicken gescliliffenen l’iauglasern befind- liclie Wasserschicht zu durchlaufen, wodurch, wie eiu Pra- liminarversuch zeigte, jede thermische Wirkung, welche die Beobachtung hatte stiiren kiinnen, beseitigt war. Die Lime war mit einer Schirmvorrichtung versehen, vermittelst deren inan verschieden grofse, die Lichtstarke bestimmende Kreis- sectoren der Linsenoberfliiche wirken lassen kounte.

Die folgenden Versuche, welche init einem Chlorge- inisch ausgefuhrt wurden, dessen Wirksamlieit constaot geworden war uud ein Maximum erreicht hatte, zeigeu deli EinfluCs der Lichtstarke bei der photochernischen Induction.

Versuchsreihe IV. Vers. 4. I Vers. 3. I Vers. 2. I Vers. 1.

Lichtstirke 1,OO Licbtstarke l ,i8 Lichtstirke 2,45 Lichst. 4,li. L i t . a

0’ 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

- 0’

0,o 0,o 0,o 1 0,o 0,o 0,o 2 0,o 0,o 0,o 3 0,o 0,o 0,o 4 0,o 0,o 0,o 5 2,1 2,2 2,2 14,6 3,l 8,9 29,2 21,8 25.5 31,4 29,2 30,s 30,l 32,i 31,1

Wirkuag. lZeit Wirk.

b - 65,6 122,l l2s,o

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Fur die in den Ueberschrifteu angegebeneu Verhaltnisse der Lichtstarken giebt Columne a die Zeit der Bestralilung in Minuten, Colunine b wid c die dieser Zeit entsprechende Wirkung, in zwei Beobachtungsreihen geuiessen drirch die Gasvolume, welche in eiuer Minute zu Salzsaure verbun- den wurden, und Coluinne d das Mittel ails b und c. Bei der Lichtstarke 1,OO zeigten sich daher erst nach 5 Minu- ten langer Bestralilung die ersten melsbaren Wirkungen. Bei der Lichtstiirke 1,75 traten die Wirkungen schon in der ersteu Miuute eiu. Bei der Lichtstarke 2,45 zeigte sicli iiach der ersten Minute eine noch erheblichere Wir- kung, und bei der Lichtstarke 4,17 betrug dieselbe nach eiuer Minute schon mehr als die Halfte der Maximum- wirkuug.

Die Induction steigerte sich bis zum Maximum bei der Lichtstarke Z in 9 Minuten, bei der Lichtstiirke 1,78 in 5 RiIinuteii, bei der Lichtstarke 2,475 in 3 bis 4 Minuten und bei der Lichtstarke 4,17 i n 3 Minuten. Die Differenzen der beobachteten Wirkungen zeigen, dafs die Zunalime der photochemischen Induction sich allmahlich zu einem Maximum steigert und d a m wieder langsamer erfolgt. Bei der Licht- starke 1 betragt diese Differenz in der ersten Minute 2,1, in der zweiten 12,5, i n der dritten 14,6, in der vierten 23. Bei der Lichtstarke 1,78 ist die Zunahme in der ersten Mi- nute 2,1, in der zweiten 8,7, in der dritten 22,3, in der vierten 20,6, in der fuuften 2,5, und ebenso in ahnlicber Weise bei den ubrigen Versuchen.

Fafst man diese Resultate zusammen, so ergieht sich: 1) dafs die Zeit der Bestrahlung, welche erforderlich ist,

die ersten Wirkungen der photochemischeii In- duction hervorzubringen, mit wachsender Lichtstarke abnimint, und zwar in einem griifseren Verhaltnifs a b der Zunahlne der Lichtstarke entspricht;

2) d a h die Zeit, welche vom Beginn der Induction bis zur Maxiniumwirkung verflie€st, mit wachsender Licht- starke ebenfalls abnimmt, und zwar in eiuem vie1 ge- ringeren Verhaltnifs als der Zunahme der Lichtstarke entspricht ;

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3) d a t die Zunahme der Induction in einem allmlblich wachsenden Verhaltnib fortschreitet, ein Maximum er- reicht uud d a m wieder allmahlich langsamer wird.

Die Curveu Fig. 2 Taf. V, in denen die Abscisseu die Zeitdauer der Bestrahlung uud die Ordinaten die zugehil- rigen in der Zeiteinheit beobachteten chemischen Wirkun- geu bezeichnen, sind aus dem Mittel d der Beobachtungs- reihen b und c construirt; sie zeigen das Gesetz, uach wel- chem der Verbindungswiderstand des Chlorknallgases mit der Lichtstarke bei der Bestrahluiig abnimmt.

Es bot sich nun in Beziehung auf das ErgebniL dieser Versuche die Frage dar, ob der Zustand erhahter Verbin- dungsfahigkeit, in welclien das Chlorknallgas durcli Insola- tion versetzt wird, ein bleibender oder ein iiur auf die Dauer der Lichtwirkung beschrankter ist. Zur Entscheidung die- ser Frage haben wir folgenden W e g eingeschlagen:

W i r fiillten den Apparat mit noch nicht insolirtem Gase au und beobachteten von 30 zu 30 Sekunden die Zunahine der Wirkung bis das Maximum eingetreten war. Das In- solationsgefafs wurde nun eine Miuute lang verdunkelt, nach Beseitigung der Verdunkelung die Beobachtuiig wieder fort- gesetzt, bis das Maximum abermals erreicht war, und diese Verdunkelungen nach jedesinal wieder erreichtem Maximum auf immer langere Zeitraume ausgedehnt.

Die erste Verticalcoluume der folgenden Tabellen ent- halt die vom jedesmaligen Zeitpuukt der aufgehobenen Ver- dunkeluug an gerechnete Zeit der Beobachtungen, die fol- genden Verticalcolumnen enthalten die diesen Zeiten ent- sprechenden Lichtwirkungen , ausgedriickt durch die in 30 Sekunden erzeugte Salzsiiure. Die zweite der Verti- calcolumnen giebt diese Wirkung flir noch gar nicht in- ducirtes Gas, die folgenden fiir ein Gas, das nacb jedes- ma1 vollstzndig eingetretener Induction 30, 2, 8 ulid 16 Mi-. riuten verdunkelt war. Die letzte Verticalcolumne enthalt das Mittel aus den Wirkungeu des urspriinglichen, noch gar uiclit insolirten und des durch die Verdunkelung wie- der in den iirsprunglichen Zustand vallig zurtickgekehrten Gases.

Page 13: Photochemische Untersuchungen

493

nducir- es Gas 2' ver- lunkelt.

Versuchsreihe V. Beobachtungeo A.

Iuducir- tea Gas 4' ver-

dunkelt. Zeit in

Minuten.

Inducir- tes Gas 8' ver-

dunkelt. - I

0,5 ij5

590 596 596 58 570 6 4

No. 7. nducir es Gas $0' ver- lunhelt -

090 070 0,s 092 0.8 271 4,3 473 532 6 5 5,o

No. 1. nducir- es Gas 2' ver- lunkelt.

5,l 6,6 6,3

No. 1. I No. 2. 1 No. 3.

No. 2. Inducir- tes Gas 4' ver-

dunkelt.

3,l 6,1 6,l 671

192 425

5,3 5,7 475 695 595 5,0 570

5,o

No. 4. nducir- tes Gas 16' ver- Iunkelt. -

070 0,o 190 370 :4,4 578 692 591 599 690

Beoachtnngen B. (Gegen achtmd kleineres InsolationsgefXs van anderer Form,)

Zeit i n Minuten.

No. 7. nducir- tes Gas 30' ver- lunkelt. -

0,o 090 0,o L O

335 595 6,O

3,o

No, 4. nducir- tes Gas 16' ver- Iunkelt. -

? 292

570 673 6,')

2 3

No. 5.

Mitlcl aus lo. 6 U. 7.

diesen Versuchen lassen sich folgende Schlusse

1) Der unter dem Einflusse der Lichtbestrahlung aufge- hobeue Verbindungswiderstand stellt sich sehr bald vou selbst im Dunkeln wieder her.

2) Mag die Induction durch Verdunkelung v6llig oder theilweise aufgehoben seyn, immer stellt sie sich nach

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deinselben Gesetz wieder her. Das Anwachscn der- selbeu erfolgt uach aufgehobener Verdunkeluug mit wachsender Beschleunigung, bis eiu Maximum er- reicht ist, von dem aus die Zunahnie wieder verzii- gert wird.

4 ) Die Zunahme der Induction bei der angewandten Lichtstarke geht vie1 schneller vor sich als die Ab- nahme bei der Verdunkeluug.

Die aus den Beobachtungen A construirten nach eiu- ander folgendeu Curven No. 1, 2, 3, 4, 5 Fig. 3 Taf. V1 zeigen das Gesetz, nach welchem die Wiederherstelluilg clcr Induction erfolgt, wenn dieselbe zuvor durch succes- siv Isnger wabrende Verdunkelungen iinmer mehr und mehr abgenommen hat. Die Abscissen e ~ ~ t s p r c c h c ~ ~ der Zcit dcr Bestrahlung in Minuten, die Ordinaten bezeichnen die die- sen Zciten zugeh6rigen Lichtwirkungen, gemessen durch die in $ Minute gebildete Salzsauremeuge. Bei No. I war das bis zum Maximum iuducirte Gas zwei Minuten und bei den folgenden Curven, No. 2, 3, 4 und 5 der Reihe nacli 4, 8, 16 und 30 Minuten lang vor der Bestrahlung ver- dankelt worden.

Die Beobachtungen B derselben Versucbsreihe geben zu kurze Inductiousdaucru, urn das Gesctz durch eine ahn- liche graphische Darstellung daran deutlich machen zu konnen.

Das Maximum der Wirkungszunahme stellt sich bei die- sen Curven wieder durch einen Wendepunkt dar. Die Curveil Fig. 4 Taf. V1 A und B gebeu in aufsteigender Linie die einer Minute entsprechenden cbeinischen Wir- kiiugen fur die i n Minuten ausgedriickten Bestrahlungszei- ten der ersten Abscisseoliuie, und in absteigendcr Linie die cbemiscben Wirkungen nach Verlauf der in der zweiteii Abscissenlinie angegebenen Verdunkeluogszeiten. Die Ho- rizontale, iu welche die Curven endigen, driickt bier, wie bei den Curven Fig. 1, 2 Taf. V, und 3 Taf. VI, das Maxi- mum der Induction aus, bei welchem, wie wir spater sehen werden, die chemische Wirkung der Zeit proportional ge- wordcn ist.

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495

W i r habe11 die Ursache, welche verhiiidert, dafs sich die Theilchen eines Gemisches von Chlor und Wasserstoff im Duukeln zur Salzsaure verbinden, einern Widerstande zugeschrieben , der eine Schwachung erleidet, wenn das Chlorgemisch der Bestrahluiig ausgesetzt wird. Umgekehrt giebt es Umstande, durch welche dieser Widerstnnd eine erhebliche Verstarkung erfahren kann. Dieser Fall tritt ein , wenn dem normal zusarnmengesetzten Clilorgemische kleine Mengen anderer Gase beigemengt merden. Bei Vcr- suchen uber den EinfluCs solcher Beimengungen stiifst man auf eine grolse Schwierigkeit. Um namlicli vor dein stii- renden Einflusse der Diffusion und Absorption gesichert zu seyn, darf man keinesmegs dem im Bestrahluagsgef3l'ssc vorhandenen norrnalen Chlorgemisch das fremde Gas nur einfach hinzufugen, sondern inan sieht sich genothigt, beide gemeiuschaftlich so lange durch alle Fliissigkeiten des Ap- parates streichen zu lassen, bis ein absorptioinetrisches Gleichgewicht eingetreten ist. Das elektrolytisclie Chlor- knallgas aufzufangen , mit dein freinden Gase zu niischen, iind dann erst durch den Apparat streichen zu lassen, ist vbllig unausfiihrbar, da es kein Mittel giebt, grofse Meu- gen Chlor ohne Verrunreiniguog aufzubewahren und fort- zuleiten. Wir haben diese Schwierigkeit dadurch iiber- wunden, dafs wir das beizumischende Gas durch denselben Strom, der uns das elektrolytische Knallgas lieferte, ab- schieden und gemeinschaftlich init diesem letztereii in den Apparat striiinen liefseu. Durch hbzweigung eines Neben- stromes, den man durch zwei getrennte niit Salzs3iire oder Wasser gefullte Zellen leitet, lafst sich eine beliebige Menge Chlor, Sauerstoff oder Wasserstoff abscheiden, welche gaiiz unabhangig von den Stromschwankunqen wahrend der gan.. zen Dauer des Versuchs in eiuem constanten Verhaltnifs zu den durch den Hauptstrom abgeschiedenen Elektrolyten steht. Auf diese Weise haben wir uns die coiistant zu- sainmeiigesetzten Gasmengen verschafft, welche zu den nach- folgenden Versucheu benutzt sind.

Die Beobachtungen, welche eine selir lange Zeit in An-

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496

spruch nahmen, wurden immer nur dann erst als brauch- bar angesehen , wenn das Maximum der Induction nacli wiederholtem Durchleiten des Gasgemisches nahezu das- selbe blieb.

Das im Nachfolgenden zu dem ersten Versuche ver- wandte wasserstoffhaltige Gasgemisch wurde auf die Art analgsirt, daCs eine gemessene Portion desselben von Chlor- knallgas durch Bestrahlung befreit und das riickstindige Wasserstoffgas gemessen wurde. Es enthielt nur I-61gv Was- serstoffgas mehr als das normale Chlorknallgas.

Die erste Verticalspalte der folgenden Tabelle entbalt die Beobachtungszeiten, die iibrigen geben die photoche- mische Wirkuug . in diesen Zeiten sbei einer Temperatur von 16O,3C. und bei 0,755 Baronleterstand gemessen durcli das in einer Minute gebildete Salzsaurevolumen.

Beobach- tungszeitea.

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14

Normales Gas f i r sich.

Versuchsreihe VI.

15,6 24,O 27.1 29,9 38’5 38.5 44,i” 43,3

Normales ;as mit =&% WasserstofK

€43 12,5 14,6 14,6 15,8 15.4

15,2 16,2 1 7 3 16,2 17.7

18,2”

Normales Gar nach weiterem Durchleilcn.

i,3 13,s 13,6 16,6 12,s 13,6 12,5 12,2 14,2 14,2 15,2 16,2 16,2 15,7

Normales Gas fiir sich.

17.7 2H,1 30.2 3i,9 43,5*

? 43,O 42,O 44,o 43,O

Das Inductionsma,.mum des normalen Gases war zu Anfang der Versuchsreihe im Mittel 43,85, nach Beendi- gung dereelben 43,lO. Das neben dem Wasserstoffzusatz vorhandene normale Gas hatte dabcr wghrend der Ver- suchsdauer seine photochemische Bescbaffenheit nicht ge-

Page 17: Photochemische Untersuchungen

49 7

andert. Dieses Inductionsmaximum der nornialen Gasmi- schung 43,47 sauk durch die Gegenwart von Wasser- stoff bei dern erstcn Versuch auf 16,7S und bei dem zwei- ten auf 16,03, also im Mittel auf 16,M herab.

Das Gas war durch den Wasserstoffuberschufs von 1 auf 1,003 ausgedehnt ; dieselbe Ausdehnung wiirde es erlitten haben, weiin die Temperatur 16O,3, bei der die Reobachtun- geri ausgelulirt wurden, auf t = 17",1 gestiegen wire, wie

(1 + 0,00366 X 16,3) - 1 sich eiiifach aus der Gleichung _ _ _ - ~ - - (1 + 0,00366t) 1,003 ergiebt. Da nun unseren friiheren Beobachtungen zufolge Ausdehnungen durch Temperaturunterschiede vou so gerin- gew Belaug noch keiuen bemerkbaren Einflufs auf die Ver- bindungsfahigkeit des Chlorkuallgases aasiiben, so mufs die Kraft, welche diese Verbindungsfahigkeit von 433 auf 16,d erniedrigte, eine chemische gewesen seyn und zwar eine von den Theilchen der Wasserstoffbeimischung ausgehende.

Es handelt sich daher bei diesen Vorg:ingen um ein Contactsph~nomeu , das sich son allen fremden Einflussen befreit in seiner reinsten Form darstellt. Diefs fuhrt uiis auf das specielle Gebiet der katalytischen Erscheinungen, die in ihren Beziehungen zu den chemisclien Wirkungen des Lichts ein ganz besonderes Interesse darbieten. Um diese Beziehungen zu verstehen, miissen wir uns zuvthderst von dem Wesen der Katalyse selbst eine klare Vorstellung zu machen suchen. Alle Chemiker stimmen darin iiberein, dafs die Phanomene der Verwandtschaft auf specifischen An- ziehungen beruhen , welche zwischen den Theilchen sub- stantiell verschiedener Kiirper vor sich gehen. Diese An- ziehungen miissen nothwendiger Weise auch dann noch fortbestehen, wenu die Theilchen verhindert werden , dem Zuge derselben Folge zu leisten, d. h. sicb cheniisch zu verbinden. Denken wir uns die Theilchen a und b einan- der so weit genahert, dafs sie eiue chemische Anziehung auf einander ausiiben k8nuen, uud denken wir uus in die Wirkungssphiire beider das Theilchen c eines dritten Ksr- pers gebracht , so wird dasselbe ebenfalls eine Anziehung

Poggendorrh Annal. Bd. C. 32

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498

a u f Q und b austiben mlissen. Der Zug, mit dem sich jetzt a und b zu verbinden streben, wird nicht mehr derselbe bleiben kbnnen, soiidern e r wird die Resultireude aller Krafte werden, welche vuu a, b und c ausgehen. Es ist daher leicht begreiflich, dafs die Anziehungen, welche zwei Theilcheu chemisch zu verbinden streben oder schon che- iniscb verbuuden halteu, in der Wirkungssphlre eines drit- ten Kbrpers ganz andere werden miissen, und dafs mitliin der Contact eines solchen dritten Kijrpers die Verbindung der ihm zunlchst liegenden Moleciile nach Umstanden auf- heben oder herbeifiihren kann.

Von dieser Seite bietet die Erkllrung der Contactsphjl- noniene keiiie Schwierigkeiten dar. W a s man darin beson- ders Rathselhaftes und Unerkljlrliches gefunden haben will, ist dcr Umstaud, dafs eine beliebig kleine Masse eiiier Substanz eine beliebig grofse Masse einer anderii i n Ver- binduug fiihren oder zersetzen kann, obne dadurch von ihrer zersetzeuden oder verbindenden Kraft etwas einzu- biifsen, gleich als ob eine Arbeit geleistet werden kbnnte, fur welche kein Aequivalent an Arbeit, Wlrrne oder le- beudiger Kraft verloren ginge. Allein wir durfen nur die Ulnstaude etwas naher ins Auge fassen, unter denen die Contactserscheinuugeu auftreten, um uns sogleich zu tiber- zeugen, dafs in diesen Erscheinungen durchaus kein sol- cher Widerspruch mit den Grundpriucipien der Mechanik liegt, wie man ihn darin zu finden geglaubt hat, sonderri dafs sie nur ganz gewijhnliche und eiufache Aeufseruugen der chemiscben Verwandtschaft sind. Deun denken wir uus eiue Anzahl chemisch verbundener Theilchen um eioc Contactssubstanz gelagert, so wird zu der Anziehung, welche die verbuodenen Theilchen chemisch zusammeuhalt, noch die Anziehung der Contactssubstanz zu jedem der verban- deuen Theilchen hinzukommen und die Resultirende aller dieser Anziehuogen eine solche werden kbunen, dafs die verbundeneu Theilchen sich treunen. 1st die Trennuog er- folgt und die Contactssubstanz von den nunmehr getreun- ten Theilcben umlagert, so mufs jede fernere Wirkung aufhijrcn. Eutfernt man aber die getrennten Tlieilcheu

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499

und ersetzt man sie durch andere noch nicht getrennte, so niufs sich der erste Vorgang wiederholen, und zwar ins Unendliche so oft wiederholen, als man neue Theilchen an die Stelle der alten bringt. Aber gerade der init dieser Hinwegfuhrung und Ersetzung der zu katalgsirendeo Theile nothwendig verbundene Kraftaufwand ist es, welcher das Arbeitsaeqoivalent fiir die bei der Katalyse selbst geleistete Arbeit hildet. Eben dadurch, dafs der aus der Katalyse hervorgehende Kiirper vermbge seiner specifischen Schwere zu Boden fallt, oder durch Warmeverbrauch in Gas ver- wandelt unter Efferrescenz entweicht oder durch capillare Krafte in der Fliissigkeit diffundirt wird, nm neuen noch nicht katalysirten Moleculen Platz zu machen, ebeii dadurch wird so vie1 Kraft aufgewendet, a h der bei dem Acte der Katalyse geleisteten Arbeit entspricht.

Sach dieser Auffassung handelt es sich nicht uin Er- scheinungen ganz besonderer und eigenthumlicher Art, sou- dern uin eineu Vorgang, der iinmer als eine nothweiidige Aeufseruiig der Verwaiidtschaft ins Spiel treten inds , wo eine in cheinischer Action begriffene Masse substantielle Veranderungen ihrer Theile erleidet.

Es hat bisher an genauen Mitteln gefehlt, die Abhbo- gigkeit dieser Contactswirkungen von der Masse und Sub- stanz, von der Zeit und allen andern Eiuflussen, welche da- bei in Betracht kommen, der GroLe nach zu bestimmen. Unsere photochemischen MaaEsbestimmungen eriiffnen dazu einen Weg, welcher nicht uninteressante Aufschlusse iiher diese merkwiirdigen Phtinomene verspricht. Indem wir uns vorhehalten, spater noch einlnal auf dieseii Gegenstand aus- fuhrlicher zuriickzukommen , konnen wir an dieser Stelle nur in SO weit darauf eingehen, als es zum Versttindnifs der Inductionsgesetze nothig ist. In dieser Beziehung las- sen sich zunachst aus den oben mitgetheilten mit Wasser- stoff ausgefuhrten Beobachtungen folgende Schlusse ziehen :

1 ) Das Maximum der photochemischen Induction des normalen Chlorgemisches siiikt durch die Gegenwart voii T6quD- Wasserstoff von 100 auf 37,s herab.

32 *

Page 20: Photochemische Untersuchungen

500

2 ) Diese Schwachung der Verbiiidungsfahigkeit beruht nicht auf der durch den Wasserstoffzusatz bedingten Verdiinni~ng~ sondern auf einer von dem Wasserstoff ausgehendeo katalytischen Wirkung.

Noch auffallender a h bei Wasserstoff zeigt sich der Eiiiflufs, welcben kleine Meogen frewden Gases auf die VerbindungsfZihigkeit des normaleu Chlorgemisches ausuben bei Zusatz von Sauerstoff, wie man aus den folgenden mit verschiedenen Saiierstoffmengen angestellten Versiichen ent- nehmen kann:

1.

Beobach- tuogszeit in

Minuten.

0 1 2 3 4 6 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16

Versuchsreihe V 11. Temperntur 15,4; Barorneterstand Om,755.

11. Normales

;as f ir sic11

5,2 7,3 994

11,5 13,5 I5,6 203 24,3 30,4 36,9 40,O 48,O 53,O 53,O

111. Normales Gas mit

.;vTSaucr- stoff.

1v. Normales Gas nach IHogerem

)urehleiten,

V. Normales Gas mit

&&Sauer. stoff.

VI. Xiormales

;asfiir sicl i .

l5,6 24,o 27,l 29,9 38,5 38,5 44,7

? 47,O * 45,O 47,O

Die erste Columiie euthalt die Zeiteti der Beobachtun- gen in Minuten, die ubrigen die in eiuer Minute durcli Bestrahlung gebildete Salzslure. Die constant gewordeue Wirkung des normalen Gases betrug im Mittel vor den Versiichen uiid nach denselben 48,8. Durch T&r Sauer- stoffzusatz sank sie auf 4,7, uiid durch Zusatz von 7.;1;o a d 1,3 herab.

Page 21: Photochemische Untersuchungen

50 1

Die Versuche zeigen dalier , 1 ) dafs die Verbindungsfahiglieit des Chlorkuallgases

eine noch vie1 gr6fsere Schwachung durch Sauerstoff als durcb Wasserstoff erleidet, und zwar in einern solcheii i\laafse, dafs das Inductionsuiaximuin durch einen T$nv betragenden Sauerstoffzusatz von 100 auf 9,7 uiid durch eiaen Sauerstoffzusatz von Th:n von 100 auf 2,7 herabsiukt. Es folgt ferner aus diesen Versrichen,

2) dafs das uuter dein katalytisclien Einflusse des Sauer- stoffs verringerte Inductionsmaximum durch Bestrah- h u g in kiirzerer Zeit erreicht wird als das @sere Inductionsmaximum des normalen Gases.

I m Folgenden geben wir die katalytische Wirkung eines dem normalen Gase beigemeugten Chloriiberschusses. Die etwas grofsen Ungleichheiten, welche sich iu den eiozelnen Bcobachtungen zeigen, riihren vou einem zufalligeu capil- laren Wiclerstande im Beobachtungsrohr her, und verschwin- den, weiin mail die Mittel aus mehreren Ablesungeu nimmt.

Versuchsreihe VIII.

Beobach- tungszeit.

0 1 2 3 4 6 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Normales kernisch VOI

len Versu- cheo.

893 20,8 26,l 353 43,5 5O,2 60,O * 6 1,0

60;O 7

Normales Gemisch nach den

Versuchen.

321 14,6 55,9 56,O 57,3 *

Normales Gas mit -& Chlor.

291 6Y7 14,8 26,O 34,O 32,9 37,4 * 36,O 39,5 35,O 35,u 35,O

Normales Gas rnit -& Chlor.

2,1 2,6 10,9 21,9 25,9 30,2 26,O 27,6 29.1 * 31,5 30,5 30,5 '26.5 29,s

Norm a I es Gas mit

'&Or Chlor.

0,o O,O 090 15,6 13,5 18,8 19,8 23,5' 25,3

? 25,9 24,O 23,O 24 ,O

Page 22: Photochemische Untersuchungen

502

Aus diesen Zahlen ergiebt sich, dal's vom Chlor ein vie1 geringerer katalytischer Einflul's auf die photochemische Induction ausgeiibt wird als von Wasserstoff oder Sauerstoff, kind dafs das Inductiousma- ximuiu durcb && Chlor VOU 100 auf 60,2 durch von 100 auf 50,3 und durch :&,!'n vou 100 auf 41,2 hera bsiu kt. Es schien uns von besonderem Interesse die katalysi-

reiide Wirkung zu bestimmeu, welche Salzsiiure auf das normale Chlorgemisch ausiibt. Wsre die Einwirkung die- ser Saure so erheblich wie die der eben betrachteten Gase, so wiirden die Angaben unseres Instruments bei Anwen- dung verschieden gestalteter und verschieden grofser Inso- lationsgel'iil'se, wie sie zur Erforschuug der photochemischen Gesetze unentbehrlich sind, von sehr zweifelhaftem Werthe seyn. D e w so schnell auch die Salzsaureabsorption erfolgen mag, immer wiirde doch die in dem normalen Gasgemisch wlhrend der Bestrahlung noch nicht absorbirte Meuge der Saure mit den Dimensionen des Bestrahlungsgefafses mehr oder weniger wechselu miissen. Gliicklicher Weise zeigen die folgenden Versuche fiir die katalytische Wirkung der Salzsaure einen so verschwindend kleirien Werth, dafs sich ihr Einflufs gar nicht mehr nachweisen Mst. Uiese Ver- suche wurden bei einer Temperatur von 16O,4 iu der Weise angestellt , dafs das Bestrahlungsgefafs zuerst mit reinem Wasser und daiin mit Salzsiiure von 1,148 specifischem Ge- wiclit gefiillt wurde, wobei die Beobachtungen jedesmal iiicht eher benutzt wurden, als bis durch wiederholtes Hin- durchlciten von Gas eine Maximumwirkung eingetreten war.

Urn in dem Gase des Inductionsgefafses den Gehalt an Salzsaure zu bestimmen, wurde ein Litre Luft bei 16",4C. durch Salzssure, vom specifischen Gewichte der im Insola- tionsgefafs benutzteu, vermittelst einer Aspiratorvorrichtung geleitet, und nachdem sie auf diese Weise mit Salzsaure geschwangert war, durch einen mit chlorfreier AlkalilBsung gefiillten Kugelapparat hindurchgesogen. Die Alkalilbsung gab mit Salpeterssure ubersattigt und mit Silberoxydlasung

Page 23: Photochemische Untersuchungen

Beobacbtnngsreh Gas rnit reineni nach Miouten Wasser.

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Gas neu durcli- Gab niit T::, geleilet. Salz&aie.

10,4 * 12,o J 2,O 12,5 11,5 8,3

10,3 10,l

10,4 * 999

l l ,o 10,4 11,5 11,s

12,s * 13,5 934 8,s 9.4 994

12,3 12,l 12,l 10,l 1I,l

Das Mittel aus der ersteu Beobaehtungsreihe ist 1O,Y, aus der zweiten 10,s und aus der dritteu 10,9. Uiese Uebereinstimmung, die wir noch durch andere Versuche belegen kijnnten, zeigt:

dafs ein Gehalt vou 0,13 Proc. Chlorwasserstoffsaure im norlnaleii Chlorgemisch keinen bemerkbaren Einflufs auf die Induction ausiibt. Die bisher betrachteten Bedinguugen, unter welcheii

das Chlorknallgas bei der Bestrahlung in den inducirteii Zustand iibergeht, liefsen es als mijglich erscheinen , dafs sich nichtinducirtes Gas gegen inducirtes wie ein substan- tiell verschiedeuer Kijrper verhalte. Die folgenden Ver- stlclie haben diese Verinuthung vollkommen bestatigt. Die- selben wurden in der einfachen Weise ausgefiihrt, dafs zu dem im Bestrahlungsgefafs befindliehen, auf das Maximum der Iuduction gebrachten Chlorgemiscb eiiie an der Scale gelnesseue Menge nichtinducirten Gases hinzugefiigt und

503

gefiillt 0,0086 Grm. Chlursilber, was 1,3 Cubikccrititneter SalzsYuregas in 1 Litre Luft voii 16",4 C. und 0",7516 Druck entspricht.

Der Chlormiscliung des Insolationsgefafses wareti dnher 0,13 Proc. Salzssure beigemischt. Die pliotochelnisclie Mes- suiig mit diesem Gasgemisch gab :

Versuchsreihe IX.

Page 24: Photochemische Untersuchungen

Beobaulllele Zeit in .! Min lriclucirtes Gas.

- - 4,s * 6.5 i , O 8,O 7 $J

inducirtes Gas mit Inducirtes Gas mit i$& nicllt inducirt. nicht inducirt.

Gase. Gale.

Uiese Versuclie zeigen daher, 1 ) dnfs iiichtinducirtcs Gas gcgen inducirtes wie eine

Contactssubstanz wirkt; 2) dafs schoii ein Zusatz von ,-,"or des ersterii bewirkeii

kann, dafs die Induction von 100 auf 5 5 3 ') herab- siukt.

Die Curveti Fig. 5 l'af. V stellen die Abhsngigkeit dar, in welcher die photochemische Induction des Chlorknall- gases von der Masse und Substanz beigemengter Gase steht. Die Abscissenlinie giebt die Voluniina der zugesetzten Gase auf I000 Voluiuiiia der normalen Chlomischuog, und die Ordinateu der Wirkung, welche bei gleichbleibender Licht- starke unter dem Eiuflusse dieser zugesetzten fremden Gase ausgeiihr werden.

Eliininirt man aus den Werthen, der Beobachtung deli Einflufs, welcheli die durch das hiuzugefugte Gas bewirkte Ausdehnung ausiibt, und reducirt man die chemisehe Wir- kung auf die Einheit der Lichtstdrke, so lassen aich aus deli so berechueten Grafsen Curven construiren , welche die Abhkingigkeit der kataIysirenden Wirkuog vou der 1 Wttlere Wirkung der ersten Beobschtungsreihe gleiets 100 geretzt.

504

die Zeit beobachtet wurde, bis zu welcher das anC;ingliche Indrictionsuiaxiinuin wieder hergestellt war.

Versuchsreihe X.

Page 25: Photochemische Untersuchungen

503

Sirbstanz und Mnsse der Contactssubstaiiz ausdriicken. Un- sere Versuche sind indessen n&h nicht zahlreicb und um- fassend genug, um schon hier auf diese Betrachtungen na- her eingehen zu kiinnen.

W i r siud noch auf eitie andere sehr iuerkwurdige Be- ziehung der photochemischen Induction gefiihrt worden, welche fur diese ganze Klasse von Erscheinungen beson- ders wiclitig ist, und die in Folgendem hesteht:

Im Ilunkeln erzeugtes, von jeder Spur fremder Beimi- schungeii befreites, iiormales Gas gcbraucllt, wie wir ge- zcigt haben, eine gewisse Zeit, urn durch Bestrahlung auf dns Iuductio~~smaximum gebracht zu werden. Diese Zeit andert sich nicht, wenn ein solches Gas iru Dunkeln 1Bn- gere Zeit vor der Bestrahlung sich selbst uberlassen wird, Enthalt es dagegen nu r Spuren fremder Beimischungen, die so verschwindend klein seyn konnen, dafs sie auf die Gr6Cse des Inductionsmaximums gar keinen bemerkbaren EinfluCs iriehr ausiiben, so verkiirzt sich die zur HerstelIung des In- d u c t i o n s in ax i in u in s e r fo r d c r 1 ich e B es t r a h I u n g s da u e r , wen n man die Gasinischung vorher im Uunkelu einige Zcit sich selbst iiberlasseti hat. Diese Erscheinung tritt am augen- falligsten hervor, wenn man schou so lange Gas durch den Apparat geleitet hat, dafs die letzten nur noch nach Bil- lionteln zu schstzenden Luftbeimengungen so gering ge- worden sind, dafs ihre weitere Beseitigung scbon keinen verringernden Einflufs mehr auf das Inductionsmaximuin ausiibt. Wir geben von mehreren zur Constatirung dieser Thatsache angestellten Versuchsreilien nur die folgende, welche uiit eirrem flachen, nur 2 bis 3 Cubikcentimet. Gas fassenden Insolatiansgefafs ausgefiihrt wurde, durch welches schon zwei Tage lang viele Litres Cblorknallgas geleitet wnren. Die oberste Horizontalspalte der Tabelle -enthalt die Nurnmer der Beobachtungsreihen in der Ordnung, wie sie aiigestellt wurden; die zweitc entbalt die Verdunke- lungszeiten des jedesmal it11 Duukeln lien eutwickelten Gases; die dritte gi+t die Zeit an, wahrend welcher zwi- schen j e zwei Beobachtungsreihen ueues Gas durch den

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506

Apparat geleitct wurde. Die den Argumenten der Hori- zontalspalten entsprechenden Verticalcolumnen geheu die Grbfse der photochemischen Wirkungen zu den in der er- sten Verticalcolumne euthaltenen Beohachtungszeiten.

Versuchsreihe XI.

3,l 8,3

10,4 11,5 15,6 17,7 19,8 22,3 26,3* 26,3 26,9

- (Y 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

5,2 15,6 22,9 23.3 25,3 27,3* 26,9 27,O

No. 1. 0'

2 6,3 7 3 10,4 12,6 14,6

? 19,2 23,s 243 24,3 28,O .n

28,O 28,O 28,O

28,O

No. 2 30' - - 1 1

9,4 20,8 21,9 24,O 26,3+ 27,3 26,3 27,9

40. 5 0'

2

4,3 lG,7 19,8 21,9 23,9 26,3* a5,3 27,3 29,s

- CO. 6 30' - 1,o 21,9 28,V 27,8 18,3 19,4

No. 7 0' -

10,o 19.3 2f,9 25,5 21,l' 26,8 28,8 28,O

No. € 30' - 2,1 248 27,O ' 27,3 27,3 29,s 26,8

No. I 0' - 6,3 248 21,9 25,o 28,5' 28,3 28,s

Yo. 10. 40' - 29% 12,2 21,9 243 26,7 * 23,8 26,3

Ein Blick auf diese Tabelle zeigt: 1) dafs der ?erbindungswiderstand des noch nicht 4-

lig von Luft befreiten Gases, wenn dasselbe im Dun- keln sich selbst iiberlassen wird, abnimmt ;

2) dafs diese freiwillig im Dunkeln eintretende Abnahme in dem Maafse geringer wird, als die Reinheit des Gases bei fortgesetztem Gasdurchleiten zunimmt;

3) dars diese Abnahme des Verbindungswiderstandes noch statt hat, wenn das Gas so rein geworden ist, dab bei dessep fortgcsetztem Durchleiten durch das Be- strahlungsgefiifs schon keine Vermehrung des Iuduc- tionsmaximums lnehr bemerkbar ist.

Den Versuchen entsprechen in der Ordnung, wie sie aiigestellt siud, folgeude-wie man sieht immer gleicb blei- bende Mittelwerthe der Inductionsmaxima, die von den mit Sternchen bezeichneten Beobachtungeu an gerechnet sind :

1 ) Eotwickeluogsgefiit gewechselt und huge Zeit hindurchgeleitet.

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No. 1. 28,O + 0,6 J) 2. 27,O - 0,4 JJ 3. 26,s - 0,9 1) 4. 27,l - 0,3 J) 5. 27,2 - 0,2 )J 6. 28,4 + 1,O J) 8. 27,5 + 0,l J* 9. 28,l + 0,7 JJ 10. 26,3 + 1,l

7. 27,4 @,O

Mittel 21,6- Die Curven Fig. 6 Taf. VI geben ein anschauliches Bild

von der Abnahme des Verbinduugswiderstandes hei der Verdunkelung. Die Abscisseniinien driicken die Dauer der Bestrahlung, die Ordinaten die dieser Bestrahlungsdauer entsprechenden chemischen Wirkungen aus, gemessen durch die in einer Minute gebildete Salzsaure. Alle mit ungra- den Nummern versehenen Cnrven stellell in der Ordoung V O I ~ unten nach oben den Gang der Induction des in im- mer grafserer Reinheit frisch dargestellten Gases dar ; die mit geraden Nuininern versehenen dagegen zeigen den Gang der Induction, iiactidern dasselbe Gas eine langere Zeit sich selhst im Dunkeln iiberlassen blieb. Man sieht, dafs die flacheren Curven des frisch bereiteten Gases NO. 1, 3, 5, 7 und 9 sich mit wachsender Reinheit des Gasgemisches immer mehr emporrichten, und den Curven, welche ver- dunkeltem Gase entsprechen, immer mehr nahero, bis beide in NO. 9 und 10 nahe innerhalb der Beobachtungsfehler zusammenfallen.

Vollkommeii chemisch reines Chlorknallgas verhalt sich daher sehr verschieden von solchem, welches eine, wenn auch nur verschwindend kleine Verunreinigung enthalt. Das erstere verandert seiilen Verbindungswiderstand, im Dunkeln sich selbst iiberlasseii, nicht. Bei dem anderii verringert sich dieser Widerstand unter denselben Umstan- den von selbst, ahnlich wie eine aus ihrer Lage gebrachte Feder in Folge der elastischen Nachwirkung nach und

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nach iu die urspriingliche Lage zurtickkehrt. Es giebt inithin einen norinalen Verhindungswiderstand w , welcher der vollkommen reinen Chlorinischung zukommt , der sich nicht von selbst, sondern nur bei der Bestraldung andert, und einen erhilhten Verbindungswiderstand w + 12, der iiaclr uud nach von selbst auf den normalen Widerstand w zu- riicksinkt. Es schien uns nicht unmoglich, dafs dieser er- liiihte Verbindungswiderstand w+n init der Substanz der Pole iu Beziebung stehen kiinne, a n dem das Gas sich abschied. Weitere Versiiche haben uns aber gezeigt, dafs ganz dieselben Erscheinungen eintreten, mag das Gas an Polen von Platin oder Kohle ausgeschiedeu werden.

Wenu svir die aus unseren Versuclien bisher abgelei- teten Gesetze der photochemischen Induction iiberblicken, so liegt es sebr nahe, eine Erkliiruog derselben in der eiu- fachcn Annahme zu suchen, dafs das Chlor oder der Was- serstoff oder beide Gase durch Insolation in einen allotro- pischen Znstand leichterer Verbindungsfahigkeit iibergehen, oder mit anderen Worten, dafs diese Gase (oder eines der- selben) ahnlich dem gew6lhnlichen und ozonisirten Sauer- stoff bald passiv bald activ seyn konuen. W e n n diese Er- klarung die richtige ware, so miitsten sich jene Gase auch dann uoch in den Zustand der Induction versetzen lassen, menn sie, jedes einzeln, der Bestrahlung ausgesetzt wiirden. Dafs diefs aber keineswegs der Fall ist, haben uus directe Versuche gezeigt, die auf fofgende Weise ausgefiihrt wurden.

W i r liefsen die in zwei gesonderten Thonzellen bei Lichtausschlufs auf gewohnliche Art elektrolytisch entwickel- ten Gase jedes fur sich durch zwei enge bundelf6rrnig ZU-

sammengebogene 2 bis 3 Furs lange Glasriihreu streichen, welche durch die Fensterlade uuseres verdunkelten Zim- iners ins Helle gefiihrt und von da wieder in das dunkele Zimmer zuriickgeleitet wurden, wo sie sich zu einer mit dem Beobachtungsinstrumente communicirenden Rsbre ver- einigten. Mit Hiilfe dieser dem Lichte ausgesetzten Glas- rohren liefs sich jedes einzelne der gemischt in das Iustru-

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meiit eintretenden Gase getrennt insoliren und auf die dn- bei eiugetretenen Veranderuugen der Verbindungsfahigkeit priifen. W i r entwickelten das in getrennteu Zellen abge- schiedene Gas, wahrend die zur Insolation der getrennten Gase bestiminten Riihren sorgfiltig mit schwarzen Pappe- kapseln verdunkelt waren, so lange, bis dasselbe die zu Beobachtungen erforderliclie Empfindlichkeit erreicht batte, und bestimmten deli Gang der Induction durch zwei auf eiuander folgeude Beobachtungsreihen , bei deren erslerer die Gase insolirt, bei dereu letzterer dagegen jedes fur sich der Bestrahlung zuvor ausgesetzt war. Bei der ersten der folgeuden Versuchsreiheu wurde helles vom gesalnmten Him- me1 ausgehendes Tageslicht, bei der zweiten directes Son- nenlicht zur Insolation benutzt. Die Verticalspalte I eut- halt die Zeit der Beobachtung, die Spalte I1 giebt die die- sen Zeiten zugehBrigen Wirkungen fiir die Dauer einer Minute, und zwar a fur das nicht insolirte und b fur das unmittelbar vorher insolirte Gas.

Versuchsreihe XII. Erste Versuchsreihe

rnit Tageslicht.

I 11. ' * I a 1 b I

0 1 2 3 4 5 6 7

j ctc. I

Zweite Versuchsreihe mit directern Sonnenlicht.

I 11. ' ' 1 a I b

075 13,5 18,O l t i , O 29,O 38,O 65,O etc.

075 0,s 19,O 35,O 54,O 50,O etc.

Obgleich die zur Iiisolatioii der getrennten Gase die- neiide Helligkeit bei diesen Versuchen so grofs war, dafs die Verbindungsfahigkeit der Gase, wenn sic gemischt ge- wesen waren, sich momentan his zur explosiven Entzun- dung gesteigert liaben rnur.de, so zeigte sich bei den ganz

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unter denselben Verhlltnissen getrennt insolirten Gasen innerhalb der GrPnzen unoermeidlicher Beobachtungsfehler dieselbe Verdindungsftihigkeit wie bei dem gar nicht inso- lirten Gase. Diese Versuche zeigen daher, d a t das Licht weder im Wasserstoff noch im Chlor allein eine Vertinde- rung hervorbringt und dafs die in einem Gemische beider vom Lichte hervorgebrachten Wirkungen auf photochemi- schen Einfllissen beruhen mtissen, welche sich lediglich nur auf die in Thafigkeit begriffene Ansiehung chemisch wirken- der Moleciile erstrecken.

W i r haben im Verlaufe dieser Untersuchung vielfach Gelegenheit gehabt, zu zeigen, dafs die Curven, welche fur eine gleichbleibende Lichtstlrke die Zunahme der che- mischen Wirkungen nach der Zeit ausdriicken, ein Maxi- inum in der Wirkungszunahme zeigen, das sich durch eiiieu Wendepunkt an der Curve zu erkennen giebt. Es schien uns nicht ohne Interesse, noch weiter zu untersuchen, ob diese Eigenschaft der Inductionscurven in der Wirkungs- weise der chemischen Krgfte iiberhaupt ihren Grund hat, oder ob der Einflufs des Lichts dabei eine besondere Rolle spielt. Wir haben daher noch einige Versucbe liber idio- chemische Induction d. h. iiber die Zunahme der Verbin- dungsfahigkeit bei Reactionen angestellt, die obne aufsere Mitwirkung der Wlrme, des Lichtes oder anderer fremder Krafte allein und ausschliefslich unter dem Einflusse che- mischer Krafte selbst vor sich geheu.

Es diente zu diesen Versuchen eine sehr verdiinnte wiisserige, mit Weinslure versetzte Bromldsung, die bei ein und derselben Temperatur im Dunkeln sich selbst liber- lassen eine sehr langsame Zersetzung erleidet, bei der das freie Brom allnitihlich in Bromwasserstoffsaure iibergeht.

Von dieser Lasung wurde nach den Zeiten To TI . . T. ein gleiches Volrimen auf seinen Bromgehalt durch iodo- metrische Titrirung untersucht und durch Subtraction des so gefundenen Bromgehalts B , von dem zu Anfang des Versuchs vorhandenen Bromgehalt B, die Menee des vom Anfang des Versuchs his zum Zeitpunkt der Titrirung in

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Verbindung getretenen Broms B, - B, bestimmt. Bezeich- net man durch a die in einem Burettengrade enthaltene Jodmenge, durch n die zur Zerstbrung des Jods im Ueber- scliufs angewandte Masse schwefIicher Saure, durch d die zur Zerstorung von ein Mads schweflicher Saure nbthigen Burettengrade, durch t , die zur Zerstbrung der iiberschus- sig zugesetzten schweflichen Saure erforderlichen Biiretten- grade, und durch Br und J die Atomgewichte des Jods und Broms, so erhalt man die in dem untersuchten Flus- sigkeitsvolumen enthaltene Brommenge B mit Hiilfe der Gleichung :

a (n t - t , ) Br J * B =

Hat man aui diese Weise fur die Zeiten T o T, . . . die in ein und demselben Maafs Bromflussigkeit vorhandeuen Brommengen B, B, . . . bestimmt, so ergeben sich daraus die von ein Theil des in der Lbsung urspriinglich vorhan- denen Rroms zu den Zeiten T, T, . . . in Verbindung ge-

R - B B , - B = B, Bo

tretene Brommengen gleich --L-L ~ .. . Die Fliissigkeiten der Versuchsreihe XI11 enthielten bei

Versuch 1 auf 1 Grm. Brom 1,139 krystallisirte Weinsaure und 648,9 Grm. Wasser; bei Versuch 2 auf 1 Grm. Brom 1,654 Weinsaure und 705,5 Wasser; bei Versuch 3 auf 1 Grm. Brom 6,6166 Weinsaure und 1410,2 Wasser. Bei sammtlichen Titrirungen war a = 0,0032593. Als Werthe fur J uud Br wurden die Zahlen 79437 und 500,OO bei der Berechnung angenommen.

Die folgende Zusatnmenstellung der Versiiche giebt in der ersten Verticalspalte die Zeitdauer der freiwilligen Zer- setzung in Stunden T, T, . . ., die zweite, dritte und vierte die Elemente der Titriruug, die fiiufte die Werthe B, B, , . . iind die letzte den Bromverlust 1 Theil Brom fur

die successiven Zeiten T, T, . . . BO

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Versuchsreihe XIII. Verauch 1.

0 2

18 20 26

2 1 2 2 2

423 65,.5 88,5

136,s 16S,O

0,10424 0,10381 0,09415 0,05091 0,04493 O,U3612 0,02653

2 2

0,00000 0,00413 0,09680 0,51164 0,56901 0,63354 0,54362

1

1 1 I 1

I 1 1 1

1 1

5,o 22,5 18,3 18,4 63,4 58,s 60,l

tl

0,05347 0,05190 0,04508 0,02474 0,00811 0,00361 0,00000

30,2 17,2 29,7 I9J 15,O 40,9 39,7 16,4 35.5 50,5

0.00000 0,02935 0,15695 0,53538 0,84841 0,93616 1,00000

t

53,4 92,6 52,3 46,7 44,O 56,5 45,6 59,9 68,6 79,5

Versach 2.

0 17 27

102,5 125 150 I98

10,9 45,O 30,2 33,3 29,l 35,s 52,4

42,l 59,O 50,O 69,l 60,7 61,2 71,2

B

0,10864 0,10722 0,10651 0,10566 0, I048 1 0,10253 0,07323 0,06185 0,04707 0,04124

0,00000 0,013)i 0,01961 0,02743 0,04546 0,05624 0,3257-1 0,43068 0,56673 0,62039

Versuch 3.

0 17 27 76

102,s 125 I50

42,6 59,O 50,O 35,5 69,l 60,7 60,l

Die den Versucben 1, 2 und 3 entsprecbenden Curveii No, 1, 2 und 3 Fig. 7 Taf. V zeigeu die Zuuahme der ge- bildeten Bromwasserstoffssure nach den auf der Abscissen- h i e aufgetrageuen Zeiten.

Es kann mithin, dn aiich diese Curven einen Wende- pullkt hnben, bei der idioclicinischen Induction, wie bei dcr

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photorhemischen eine Phase im Verlaufe der Zersetzuiig geben , wo die Wirkuiigsaunahme eiu Maximum erreicht. Der Eintritt eines solchen Maximums scheiut daher nicht in einer besouderen Eigenthiimlichkeit der Lichtwirkuogen, sondern in der Wirkungsweise der Verwandtschaftskrafte selbst zu liegen.

Die Gesetze der photochemischen Induction, welche wir in diesem Abschuitte festgestellt haben, geben den Schliis- sel zur Erklarung fur viele der rathselhaften Erscheinun- gen , welche den photographischen Processen zum Gruiide liegen. Ohne hier auf die Beziehungen dieser Gesetze zu den Vorgangen bei der Photographie im Allgeineinen aus- fiihrlicher einzugehen , wollen wir our einer Erscheinung Erwahnung thun, die so rathselhaft gewesen ist, dafs man geglaubt hat, sie nur durch die Annahme einer ganz ueiien Eigeuschaft gewisser Lichtbestandtheile, sogenannter J) ra- yons continuateurs ce erklaren zu kdnnen. Diese Erschei- nung beruht auf folgenden zuerst von E. B e c q u e r e l an- gestellten Beobachtungen. Setzt man eiiie iodirte D a- g u e r r e’sche Platte oder ein empfindliches photographi- sches Papier, welches zur Halfte verdunkelt ist, einer gleich- formigeu Bestrahlung aus, die nicht hinreicbt eiiien unmit- telbar sichtbaren oder durch photographische Praparation darstellbaren Lichteindruck zu erzeugen, so hat das Papier oder die Platte die Eigenschaft erlangt, wenn alle Puiikte ihrer Oberflache nun einer schwachen gleichformigen Beleuch- tung ausgesetzt werden, an der vorher insolirteu Stelle sich zu scbwarzen, wahrend die vorher nicht insolirte )loch un- verandert bleibt. Geschah die erste kurze Insolation nicht an allen Stellen mit gleicher Lichtstarke, so erfolgt spater die Schwarzung mit einer diesen Lichtstarken entsprechen- den Intensitat, uud zwar so vollkommeti, dafs ein ange- fangenes Daguerre’sches Bild fast eben so vollkommen ausgearbeitet wird, als ob die urspriinglichen Abstufungen des Lichts, nicht aber ein an allen Stellen gleich starkes Licht darauf fortgewirkt hatte. Urn diese auffallende Er- scheinung zu erklaren, bedarf es der Amahme nicht, dafs

Poggendorff’s A n n d Bd. C. 33

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es eitie besondere Klasse von Licbtstrahlen giebt, welche die photochemischen Wirkungen nur fortzusetzen, aber nicht einzuleiten vermtbgen. Die Erscheinung ist vielinehr eine einfache Folge der photocheinischen Induction, und zeigt, dafs sich die von uns nur fiir das Chlorknallgas nachge- gewiesenen Phlnomene auch bei andereu photochemischeu Processeu, nur in etwas verlnderter Form, wiederkindeu. W l r e das Chlorknallgas ein fester KBrper, der sich unbe- scbadet seiner Licbtempfindlichkeit wie Jodsilber auf Papier fixiren liefse, so miifste ein solches mit diesem Ueberzuge bedecktes Papier jeues auffallende Verhalten geuau so zei- gen, wie man es auf Daguer re ’ schen Platten oder pho- tographisch wirksamen Schichten in der Wirklichkeit beob- achtet. Um diese Behauptung zu rechtfertigen, wollen wir UDS vorstellen, dafs eine solche Chlorknallgasscbicht die Empfindlichkeit des Gases in Versuchsreihe I V Versuch d dieser Abhandlung besitze. W i r wolleu uns ferner vor- stellen, dafs die Schicht zur Hiilfte verduukelt, zur Halfte frei 5 Minuten lang wie in Versuch 1 bestrahlt wordeii sey, so ist die Wirkung auf dem verdunkelten wie auf dem beleuchteten Theile der Schicht immer noch 0, wie die Zahlen des Versuchs 1 zeigen. Die Platte wird daher we- der auf dem verdunkelten noch auf dem beleuchteten Theile eine VerInderung .zeigen und eben so weiiig durch irgeiid cin Reagens eine solche erkenuen lassen. Setzt man aber jetzt die gauze Schicht einer gleichf6rmigeu Bestrahlung aus, so wird sich der eben verdunkelte Tbeil derselbeii ganz anders verhalten als der bereits iusolirtc. Dieser letztere wird nun in den ersten 5 Miuuten eiue Veriinde- rung erleiden , welche durch die gehildete Salzsluremenge 2,l+ 14,6+29,2+31,4+30,1=107,4 ausgedruckt wird, wlhrend auf dem letzteren noch nicht insolirten Theile der Scbicht in derselben Zeit und durch dieselbe Licbtlneuge dem Versuche 1 d zufolge noch gar keiue Salzslurebildung stattfinden kann. Gabe sich die Salzsiiurehildung, wie bei dein Chlorsilber, durch eine dunkle Ftirbung zu erkennen, SO wiirde der bei der ersten Bestrahlung verduukelt ge-

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haltene Theil der Wasserstoffchlorschicht auch jetzt noch we&, der andere dagegen schwarz erscheiiien , sich also genau so verhalten wie unter denselben Verhaltnissen, aie empfindliche Schicht einer Silberplatte oder eines photo- graphischen Papiere.

Betrachten wir nun den zweiten Fall, wo ein durch verschiedene Lichtahstufungen begonnenes Bild bei einer darauf folgenden gleichfiirmigen Bestrahlung doch noch den fruheren Lichtabstufungen entsprechend weiter ausge- arbeitet und fortgebildet wird. W i r denken uns wieder eine fixirte Wasserstoffchlorschicht von der Empfiudlich- keit der zur Versuchsreihe IV benutzten Chlormischung, und nehmen an, dafs auf die Stellen p , p 2 p a p , die auch bei jenen Versuchen benutzten Lichtstarken 1 , 1,78, 2,45, 4,17 einwirken, so ist den Versuchen 1 c, 2 c, 3 c zufolge nach Verlauf der ersten Minute die chemische Wirkung, gemessen durch die in der Minute gebildete Salzsaure, bei p , 0, bei p , 2,1, bei p , 5,2 und bei p , 65,6. Dividirt man diese Zahlen durch die zugehiirigen Lichtstarken, so erhalt man fur die Salzsauremengen, welche an den Stel- len p , p ? . . . in gleichen Zeiten bei der'Bestrahlung 1 also bei einer gleichfiirmigen Beleuchtung gebildet werden, der Reihe nach die Werthe 0, l ,lS, 2,12, 15,7. Diese Zahleii drucken mithin die Verhindungsfiihigkeit oder, was dasselbe ist, die Empfindlichkeit der sensiblen Schicht an den Stel- len p , p z p, p , aus. Nach Verlauf der zweiten Minute wiirde die Empfindlichkeit an denselhen Stellen 0, 6,07, 26,8, 29,3, und nach 3 Minuten wiirde sie 18,6, 32,7 und 547 geworden seyn. Man sieht daher, dafs die Enipfind- lichkeit der Schicht durch die ersten Lichteindrucke ver- andert wird, und zwar so verandert wird, dafs der griifse- ren Helligkeit auch eiue griifsere Empfindlichkeit entspricht. Kannte man die Empfindlichkeit, welche die Schicht bei den ersten Lichteindrucken eines Bildes erlangt, durch Schatti- rungen auf dieselbe auftragen, so wfirden diese Schattirun- gen das Bild selhst darstellen. Bei gleichf~irmiger Bestrah- lung inufs daher auch die chemische Wirkoiig diesem ideel-

33 *

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leu Bilde conform erfolgen, und wenn die chemische Wir- kuiig durch eine Fiirbung sichtbar wtire, ein wirkliches Bild entstehen.

Nachdem wir in diesem Abschnitte die wichtigsten Er- scheinungen der photochemischen Induction betrachtet ha- ben., wollen wir uns in dem ngcbeten mit den Gesetzen beschaftigen, von welchen die chemischen Wirkungen des Lichtes nach vollendeter Induction beberrscht werdeu.

11. Ueler die Axenoerh&Ztri&se des Hema’orthot+s; oon Leander Di t scheiner .

J e mehr Bestimmungsstlicke eine Grundgestalt bedarf, je complicirter also das Axensyatem eines Krystallsystemes ist, desto weniger kommt der Krystallograph in die Loge aus der Grundgestilt allein die ntithigen Bestimmuogsstiicke herleiten zu mlissen, denn es steben ihm d a m andere Ge- stalten zu Gebote, aus deneu er diese Bestiinlnungsstiicke bequemer herzuleiten im Stande ist; und da bei solchen FsI- len es sich nicht allein um die Grundgestalt, sondern auch urn die anderen Gestalten handelt, so ist diese Bestimrnung auch zugleich eine Combi~iationsentwickelung. Oft ist es jedoch wiinschenswerth, niir die Abmessungen der Grund- gestalt zu kennen und da kommt man offenbar schueller und genauer zum Resultate, wenn man diese allein aus den Kautenwinkeln der Gestalt zu berechnen im Stande ist. Und diefs betrifft besonders das Hemiorthotip. Die Bestimmung der Axenverfilltnisse dieser Gestalt geschieht bisher immer aus anderen Gestalten, trotzdem dab sich dic- selbe fast immer mit ihrer vollen Fl&henanzabl, also nicht hlofs durch eine ihrer Halften vertreten, an den in der Na- tnr vorkommenden Combinationen fiudet.

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