13
Orthopäde 2011 · 40:855–867 DOI 10.1007/s00132-011-1774-x Online publiziert: 8. Oktober 2011 © Springer-Verlag 2011 K. Eder · H. Hoffmann Eden Reha, Donaustauf Physio- und trainingstherapeu- tische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk Leitthema Grundlegende neuroorthopä- dische Aspekte ein- und mehr- gelenkiger Anforderungen an das Patellofemoralgelenk Neurophysiologische Aspekte   der Knie-/Patello  femoral  gelenk  -  stabilität Die funktionelle Stabilität des Kniegelenks basiert auf einem gelenkspezifischen Kon- glomerat mit gelenkspezifischer Konfigu- ration aus F ossären Stabilitätsfaktoren (knöcher- ner Formschluss der knöchernen Ge- lenkpartner), F ligamentären Stabilitätsfaktoren sowie F muskulären Stabilitätsfaktoren. Das Kniegelenk zeigt aufgrund der Struk- tur der passiven Gelenkstrukturen (vgl. Beitrag „Anatomie des Kniegelenks“ in diesem Heft) den Schwerpunkt und die Bedeutung der muskulären Stabilitätsfak- toren zur Gelenkstabilität. Aus neurophysiologischer Sicht sind zusätzlich je nach individueller anato- misch-biomechanischer Präposition eventuell weiterhin Anpassungen und Veränderungen an verschiedenen Struk- turen des Bewegungsapparats je nach All- tagsmotorik und alltagsspezifischen Be- wegungsstereotypen individuell unter- schiedlich stark zu beachten, da diese Auswirkungen in Form von Dysfunkti- onen und/oder Dyskinesien verursachen können. Je nach Primärursache kann man so genannte aufsteigende Ursache-Folge- Ketten von absteigenden Ursache-Folge- Ketten differenzieren. Dies bedeutet, dass Fehlfunktionen in den Fußgelenken im Sinne aufsteigender Ursache-Folge-Ketten in der Folge auch Veränderungen in den darüber liegenden Gelenken der Becken- Bein-Achse und somit auch des Patello- femoralgelenks nach sich ziehen werden. Der Organismus wird versuchen, die Ver- änderungen so zu gestalten, dass die oft benutzten Bewegungsstereotypen ökono- misch durchgeführt werden können und gleichzeitig negative Folgen der Anpas- sungserscheinungen für die einzelnen be- troffenen Gelenke in Grenzen zu halten. Beispielsweise können durch myofasziale Ketten wie z. B. die iliotibiale Verbindung mittels M. rectus femoris und der Trac- tus iliotibialis oder die femorotibiale Ver- knüpfung mittels M. quadericeps und der Tatsache, dass die Patella als Sesambein in der Quadrizepssehne integriert ist, Dys- funktionen (auf- und/oder absteigende) zur Dezentrierung der Patella in ihrem fe- moropatellaren Gleitlager führen. Bei Auf- rechterhaltung dieser Dezentrierung sind Schmerz und/oder Degeneration in die- sem Gelenk vorprogrammiert. Minimale muskuläre Imbalancen reichen dabei aus, um die Dezentrierung (Subluxation) aus- zulösen. Eine Sonderstellung nimmt der M. vastus medialis obliquus ein, der das „Patellaalignement“ initiiert. Biomechanische Aspekte  der Becken-Bein-Achse Neben gelenkspezifischen Aspekten sind zusätzlich aufgrund physikalisch-biome- chanischer Gegebenheiten mit dem auf- rechten Gang gegen die Gravitation mehr- gelenkige Aspekte der Aufrechterhaltung der Becken-Bein-Achse explizit zu be- rücksichtigen. Dabei kommt dem Kom- plex Knie-/Patellofemoralgelenk bei der Betrachtung der gesamten Becken-Bein- Achse eine Sonderrolle zu. Aufgrund der genialen Bauweise und sehr komplexen Funktionsmöglichkeiten werden Verän- derungen sowohl von aufsteigenden als auch von absteigenden Ursache-Folge- Ketten im Kniegelenk zu Veränderun- gen und Kompensationen führen. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Strukturen des Kniegelenks durch die in- tendierten Veränderungen überlastet wer- den und auch ohne Traumatisierung nicht mehr in ihren ursprünglichen „point of balanced tension“ zurückgeführt werden können. Solche Veränderungen können das la- bile Gleichgewicht im Knie-/Patellofemo- ralgelenkkomplex stören und entspre- chende pathologische Veränderungen an Tab. 1Hirnareale und deren Funktion Areal Funktion Hirnstamm Halte- und Stützmotorik Kleinhirn Koordination von Bewegungen Basalganglien und Thalamus Bewegungsprogramm Motorkortex Umsetzung des Bewegungsentwurfs Kortiko- und rubospinale Bahnen Erleichterung exzitatorischer und inhibitorischer  Übertragungen von 1b-Fasern auf γ-Motoneurone 855 Der Orthopäde 10 · 2011|

Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

  • Upload
    k-eder

  • View
    225

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

Orthopäde 2011 · 40:855–867DOI 10.1007/s00132-011-1774-xOnline publiziert: 8. Oktober 2011© Springer-Verlag 2011

K. Eder · H. HoffmannEden Reha, Donaustauf

Physio- und trainingstherapeu-tische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

Leitthema

Grundlegende neuroorthopä-dische Aspekte ein- und mehr-gelenkiger Anforderungen an das Patellofemoralgelenk

Neurophysiologische Aspekte  der Knie-/Patello femoral gelenk - stabilität

Die funktionelle Stabilität des Kniegelenks basiert auf einem gelenkspezifischen Kon-glomerat mit gelenkspezifischer Konfigu-ration ausFossären Stabilitätsfaktoren (knöcher-

ner Formschluss der knöchernen Ge-lenkpartner),

Fligamentären Stabilitätsfaktoren sowieFmuskulären Stabilitätsfaktoren.

Das Kniegelenk zeigt aufgrund der Struk-tur der passiven Gelenkstrukturen (vgl. Beitrag „Anatomie des Kniegelenks“ in diesem Heft) den Schwerpunkt und die Bedeutung der muskulären Stabilitätsfak-toren zur Gelenkstabilität.

Aus neurophysiologischer Sicht sind zusätzlich je nach individueller anato-misch-biomechanischer Präposition eventuell weiterhin Anpassungen und Veränderungen an verschiedenen Struk-turen des Bewegungsapparats je nach All-tagsmotorik und alltagsspezifischen Be-wegungsstereotypen individuell unter-schiedlich stark zu beachten, da diese Auswirkungen in Form von Dysfunkti-onen und/oder Dyskinesien verursachen können.

Je nach Primärursache kann man so genannte aufsteigende Ursache-Folge-Ketten von absteigenden Ursache-Folge-Ketten differenzieren. Dies bedeutet, dass Fehlfunktionen in den Fußgelenken im

Sinne aufsteigender Ursache-Folge-Ketten in der Folge auch Veränderungen in den darüber liegenden Gelenken der Becken-Bein-Achse und somit auch des Patello-femoralgelenks nach sich ziehen werden. Der Organismus wird versuchen, die Ver-änderungen so zu gestalten, dass die oft benutzten Bewegungsstereotypen ökono-misch durchgeführt werden können und gleichzeitig negative Folgen der Anpas-sungserscheinungen für die einzelnen be-troffenen Gelenke in Grenzen zu halten. Beispielsweise können durch myofasziale Ketten wie z. B. die iliotibiale Verbindung mittels M. rectus femoris und der Trac-tus iliotibialis oder die femorotibiale Ver-knüpfung mittels M. quadericeps und der Tatsache, dass die Patella als Sesambein in der Quadrizepssehne integriert ist, Dys-funktionen (auf- und/oder absteigende) zur Dezentrierung der Patella in ihrem fe-moropatellaren Gleitlager führen. Bei Auf-rechterhaltung dieser Dezentrierung sind Schmerz und/oder Degeneration in die-sem Gelenk vorprogrammiert. Minimale muskuläre Imbalancen reichen dabei aus, um die Dezentrierung (Subluxation) aus-zulösen. Eine Sonderstellung nimmt der M. vastus medialis obliquus ein, der das „Patellaalignement“ initiiert.

Biomechanische Aspekte der Becken-Bein-Achse

Neben gelenkspezifischen Aspekten sind zusätzlich aufgrund physikalisch-biome-chanischer Gegebenheiten mit dem auf-rechten Gang gegen die Gravitation mehr-gelenkige Aspekte der Aufrechterhaltung der Becken-Bein-Achse explizit zu be-rücksichtigen. Dabei kommt dem Kom-plex Knie-/Patellofemoralgelenk bei der Betrachtung der gesamten Becken-Bein-Achse eine Sonderrolle zu. Aufgrund der genialen Bauweise und sehr komplexen Funktionsmöglichkeiten werden Verän-derungen sowohl von aufsteigenden als auch von absteigenden Ursache-Folge-Ketten im Kniegelenk zu Veränderun-gen und Kompensationen führen. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Strukturen des Kniegelenks durch die in-tendierten Veränderungen überlastet wer-den und auch ohne Traumatisierung nicht mehr in ihren ursprünglichen „point of balanced tension“ zurückgeführt werden können.

Solche Veränderungen können das la-bile Gleichgewicht im Knie-/Patellofemo-ralgelenkkomplex stören und entspre-chende pathologische Veränderungen an

Tab. 1  Hirnareale und deren Funktion

Areal Funktion

Hirnstamm Halte- und Stützmotorik

Kleinhirn Koordination von Bewegungen

Basalganglien und Thalamus Bewegungsprogramm

Motorkortex Umsetzung des Bewegungsentwurfs

Kortiko- und rubospinale Bahnen Erleichterung exzitatorischer und inhibitorischer Übertragungen von 1b-Fasern auf γ-Motoneurone

855Der Orthopäde 10 · 2011  | 

Page 2: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

den betroffenen biologischen Strukturen begründen.

Die Physiotherapie kennt hierzu be-stimmte Techniken, um beim Patien-ten wieder die alte Funktionsfähigkeit zu erreichen bzw. wieder herzustellen (.Abb. 1).

Offene vs. geschlossene kinetische Bewegungsmuster

Zur adäquaten Beurteilung alltagsmotori-scher Bewegungsabläufe wie Gehen und/oder Laufen sind neben den anatomi-schen und traumatologischen Aspekten bei der Betrachtung des Patellofemoral-gelenks auch grundlegende Steuerungs- und Regelungsaspekte des aktiven und passiven Bewegungsapparats zu berück-sichtigen. Hierzu sind die klinisch-funk-tionellen Betrachtungen durch funktio-nelle Überlegungen zu ergänzen.

In der Physiotherapie wird hier oft mit Begriffen wie offene und geschlossene ki-netische Kette eine Übungs- und Funkti-onsunterteilung bezeichnet, die sich letzt-lich auch in der Fachliteratur terminolo-gisch nicht eindeutig trennen lässt und durchaus eine lange Tradition von Miss-verständnissen und Fehlinterpretationen [2, 8] zurückzuführen sind. Die nachfol-genden Aspekte zur Beschreibung und Charakterisierung der jeweiligen Bewe-gungsformen können hierzu formuliert werden:

Die Stabilisierung der jeweiligen Be-cken-Bein-Achse hängt dabei von der ausreichenden und adäquaten ossären, ligamentären und muskulären Stabili-tät und der jeweiligen neuromuskulären Steuerung in der betreffenden Funktion (geschlossene kinetische Kette bei mehr-gelenkigen Belastungen) ab. Die bereits im Abschn. “Biomechanische Aspekte der Becken-Bein-Achsen“ angesprochenen Ursache-Folge-Ketten innerhalb der Be-cken-Bein-Achse kommen entsprechend auch bei den funktionellen Betrachtungen zur Beachtung.

Abb. 1 9 Becken-Bein-Achse in der Frontal- und Sagittalebene. Von frontal betrachtet die-nen als laterale Orien-tierungspunkte: Die Crista iliaca anterior, das Patellazentrum, die Talusmitte, der 2. Strahl oder Hallux. Die gestrichelten Umrisse zeigen die Größenord-nung des physiologi-schen Seitshifts wäh-rend eines Gangzyk-lus (Belastungsphase). Von der Seite betrach-tet dienen als latera-le Orientierungspunk-te: Der Tragus (Gehör-gang), das Akromiokla-vikulargelenk, der Tro-chanter major, die Mit-te des Condylus latera-lis, die Articulatio cal-caneocuboideus. Die ventrale Linie verläuft vom Kinn zur Sym-physe, die dorsale Li-nie vom Okziput an die Spitze der Brustkypho-se (Th6) zum Sakrum bis zum dorsalen Teil der Ferse. (Rechte Abb. aus [10], mit frdl. Ge-nehmigung des Thie-me-Verlags)

Abb. 2 9 Mobilisation Diaphragma Pelvis

856 |  Der Orthopäde 10 · 2011

Leitthema

Page 3: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk
Page 4: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

Abb. 3 8 Mobilisation Kniediaphragma/Fascia poplitea

Abb. 4 8 „Spontaneous release by positioning“ beim Patienten

Abb. 5 8 Patellamobilisation nach Quadrizepsdetonisierung

Abb. 6 8 Dehnung Hüftbeuger und Quadrizeps

858 |  Der Orthopäde 10 · 2011

Leitthema

Page 5: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

Zusammenfassung · Abstract

Orthopäde 2011 · 40:855–867   DOI 10.1007/s00132-011-1774-x© Springer-Verlag 2011

K. Eder · H. Hoffmann

Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

ZusammenfassungUm eine adäquate und zeitnahe Wieder-herstellung der körperlichen Leistungsfä-higkeit bei instabilem Patellofemoralgelenk im Rahmen komplexer Therapiestrategien zu ermöglichen, sind neben gelenkspezifi-schen Aspekten auch individuelle posttrau-matische Ursache-Folge-Ketten und deren Auswirkungen auf die Becken-Bein-Ach-se des aktiven und passiven Bewegungs-apparats zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde werden zunächst ausgewählte re-levante neurophysiologische Aspekte ein- und mehrgelenkiger Bewegungsstereoty-pen dargestellt. In der Folge werden einige ausgewählte physiotherapeutische Maß-nahmen dargestellt und deren indikations-spezifische Relevanz erläutert. Abgerundet werden trainingstherapeutische Maßnah-men unter besonderer Berücksichtigung spannungs- und steuerungsorientierter As-pekte zusammengefasst. Erstmals werden mögliche einzelne Maßnahmen der physi-kalischen Therapie, der Physio- sowie der Trainingstherapie zeit-/funktionsbasiert zu-sammengefasst.

Patienten mit Kniegelenkproblemen unter Beteiligung des Patellofemoralgelenks weisen meist Verletzungen am Bewegungs-apparat mit orthopädisch-traumatologi-schem Schwerpunkt auf, welche die Funkti-ons- und Leistungsfähigkeit des Bewegungs-apparats der gesamten unteren Extremität beeinträchtigen. In der Regel kommen da-bei keine besonderen Therapietechniken zur Anwendung, vielmehr kann ein qualifizier-ter Therapeut mit seinem Portfolio an thera-peutischen Techniken dem Patienten ausrei-chend helfen und eine Linderung/Besserung seiner Beschwerden nach ärztlicher Therapie (konservativ und/oder operativ) bewirken. Je-doch müssen bei Problemen im Bereich des Patellofemoralgelenks neben den gelenkspe-zifischen auch achsenspezifische Aspekte der Becken-Bein-Achse berücksichtig werden.

SchlüsselwörterKomplexe Therapiestrategien · Ursache- Folge-Ketten · Becken-Bein-Achse ·  Bewegungsstereotypen · Achsenspezifische Aspekte

Physiotherapeutic and training therapeutic options for instable patellofemoral joints

AbstractIn order to allow an adequate and time-ly restoration of physical performance with an instable patellofemoral joint within the framework of complex therapy strategies, individual post-traumatic cause-and-ef-fect chains and their influence on the hip-leg axis of both the active and passive mus-culoskeletal systems must be considered as well as joint-specific aspects. For this rea-son selected relevant neurophysiological aspects of one and multiple joint move-ment stereotypes will be firstly presented. Subsequently some selected physiother-apeutic measures will be presented and their indication-specific relevance will be explained. To round up, training therapeu-tic measures under special consideration of tension and control-oriented aspects will be summarized. For the first time possible individual measures of physical therapy, physiotherapy and training therapy will be combined on a time-function basis.

Patients with knee problems involving the patellofemoral joint have in most cases injuries to the musculoskeletal system with an orthopedic traumatological focus which diminishes the functional ability and effi-ciency of the musculoskeletal system of the complete lower extremities. As a rule no spe-cial therapy techniques are used but pa-tients can be adequately helped by a qual-ified therapist with a portfolio of therapeu-tic techniques to effect an alleviation or im-provement of the complaints following medi-cal treatment (conservative or surgical). How-ever, for problems involving the patellofem-oral joint axis-specific aspects of the hip-leg axis must be considered in addition to joint-specific aspects.

KeywordsComplex therapy strategies · Cause-and- effect chain · Hip-leg axis · Movement  stereotypes · Axis-specific aspects

Physiotherapeutische Konsequenzen und Therapieoptionen

Physio-/manualtherapeu-tische Maßnahmen

Hier soll auf eine Darstellung der Basis-techniken manualtherapeutischer Tech-niken [4, 6, 7, 9] verzichtet und auf die entsprechende Literatur verwiesen wer-den. Den Schwerpunkt der Darstellungen sollen myofasziale und arthroligamentä-re Releasetechniken bilden. Hierzu haben sich in jüngster Vergangenheit verschie-dene osteopathische Techniken etabliert und werden erfolgreich angewendet. Eine subjektive Auswahl an Techniken wird nachfolgend dargestellt.

> In jüngster Zeit haben sich verschiedene osteopathische Techniken etabliert und werden erfolgreich angewendet

Myofasziale ReleasetechnikenStörungen der arteriellen und venösen Zirkulation mit wichtigen Ernährungs- und Versorgungsfunktionen sind bei in-stabilem Patellofemoralgelenk an den Diaphragmen der unteren Extremität lo-kalisiert. Die Diaphragmen stellen auch horizontale Verbindungselemente zwi-schen den unterschiedlichen myofaszia-len Ketten dar. Damit vergrößern sie die Möglichkeiten für Kombinationen, Inter-aktionen und Kompensationen zwischen den einzelnen myofaszialen Ketten, wie sie in der Individualität der Alltagsmoto-rik und Alltagsstereotypie vorherrschen und anzutreffen sind.

Bei bindegewebigen sowie myofaszia-len Restriktionen haben sich Therapie-techniken bewährt, die nach dem Prin-zip der so genannten Unwindingtechnik mit Lageänderungen des Patienten arbei-tet, indem der Physiotherapeut den be-treffenden Muskelabschnitt mit den Hän-den (Daumen oder Finger) führt und da-bei der abnehmenden Spannung folgt und diese sozusagen „entfaltet“. Für die jewei-ligen Diaphragmen können bei potenziel-len Funktionsstörungen/Instabilitäten die nachstehenden Therapietechniken emp-fohlen werden.

859Der Orthopäde 10 · 2011  | 

Page 6: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

Abb. 7 8 Dehnung Quadrizeps unter Kniegelenktraktion

Abb. 8 8 Triggerpointbehandlung Apex patellae

MM

LP

LM

PA

Abb. 9 8 Tenderpoints des Kniegelenks. LM la-teraler Meniskus, LP Ligamentum patelae, MM medialer Meniskus, PA Pes Anserinus

Muskuläre Rehabilitation bei instabilem Pattellofermoralgelenk

Spannungsorientierte Neuromuskulär-koordinativeÜbungen

Übungen Übungen

orientierte Übungen

Eingelenkige Mehrgelenkige Kovexe KonkaveInstabilitäten Instabilitäten

isoliertesKrafttraining Krafttraining

Gelenkmomente Gelenkmomente

synergistischeMuskelphysiologie Muskelphysiologie

koordinatives

keine �xeerhöhtes ROM bewirkt erhöhtes ROM bewirkt

erhöhtes Überlastungs-erhöhtes Rückstellkräftereduziertes Überlastungs-

reduzierte Rückstellkräfte

risiko risiko

Abb. 10 8 Trainingshilfen-/Geräte im Rahmen der medizinischen Trainingstherapie. (Aus [4], mit frdl. Genehmigung des Thieme-Verlags; Abb. „Eingelenkige Übung“ und „Mehrgelenkige Übung“ mit frdl. Genehmigung von gym80 International GmbH)

860 |  Der Orthopäde 10 · 2011

Leitthema

Page 7: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk
Page 8: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

Diaphragma PelvisDer Therapeut vergleicht im Seitenver-gleich aus der Ausgangsstellung (ASTE) eventuelle festere Widerstände und übt in der Folge solange einen tolerablen Druck auf die verspannte Stelle aus, bis der Wi-derstand sich normalisiert und eine Ent-spannung eintritt (da der subdiaphragma-le Druck höher ist als der supradiaphrag-male, ist dies zur „Entstauung“ der unte-ren Extremität von besonderem Vorteil, .Abb. 2).

KniediaphragmaEin direktes myofasziales Release der Fa-scia poplitea (Kniediaphragma) ist nach Muskelverhärtungen bei Schmerzen im Knie oder der Kniekehle (oft auch in Zu-sammenhang mit einer vorhandenen Ba-ker-Zyste wegen des zusätzlichen „Platz-bedarfs“) angezeigt (.Abb. 3).

Arthroligamentäre ReleasetechnikenNeben den pathogenetischen Verände-rungen der gelenkstabilisierenden Mus-kulatur sowie der die Becken-Bein-Ach-sen stabilisierenden Muskulatur können Veränderungen sowohl im zentral-mo-torischen peripheren Nervensystem als auch im peripher-motorischen Nerven-system direkte Ursachen myofaszialer Veränderungen darstellen. Hierzu domi-

niert neben der integrativen Rolle des Rü-ckenmarks beim erwachsenen Menschen die supraspinale Kontrolle bei der Steue-rung der Motorik (.Tab. 1).

Sowohl bei somatoemotionalen als auch vertebragenen und diskogenenDys-funktionen und schließlich bei peripher motorischen Dysfunktionen haben sich in der Praxis die nachfolgend dargestelklten Therapietechniken beim instabilen Patel-lofemoralgelenk bewährt.

Strain – Counterstrain (Zerrrungsumkehr)Bei dieser Behandlungstechnik wird der Patient so positioniert, dass die überpro-grammierten myofaszialen Strukturen an-genähert und somit entspannt sind. Der Patient verhält sich dabei vollkommen passiv und wird alleine durch die richti-ge Positionierung eine spontane Entspan-nung erfahren („spontaneous release by positioning“).

Spray-und-stretch-MethodeZur Detonisation überprogrammierter und hypertoner Muskulatur hat sich die so genannte Spray-und-stretch-Metho-de ebenfalls bewährt. Dabei wird der be-troffene Muskel in leicht gedehnter Aus-gangsposition vom Ursprung zum Ansatz hin über ca. 30 s mit Chloräthyl oder ent-sprechenden anderen technischen Kühl-

varianten (kalte Luft −20 bis –25°C) ab-gekühlt.

ECAVE: Zu lange punktuelle Applikationen von Chloräthyl können zu Erfrierungen führen und sollten absolut vermieden werden!

Durch die Temperaturreduktion wird eine nozizeptive Hemmung über die entspre-chenden Nervenendigungen der Haut er-reicht.

Muskelrelease („contract release“, Muskelenergietechnik II)Diese Dehntechnik bringt die betroffe-ne Muskulatur in Elongation, ohne dass über die intrafusalen Fasern der Muskel-spindel ein Eigenreflex zur Spannungser-höhung ausgelöst wird. Der Muskel wird also langsam und kontrolliert bis an die Schmerzgrenze gedehnt. Bei Erreichen der Schmerzgrenze wird die Länge des Muskels wieder etwas reduziert, um den Schmerz wieder zu reduzieren. In dieser Position wird der Patient aufgefordert, einzuatmen und während einer nachfol-genden Exspiration isometrisch gegen den Therapeutenwiderstand für ca. 6–8 s anzuspannen. Im Anschluss soll der Pa-tient wiederum bewusst locker lassen und normal weiter atmen. Der Thera-peut nutzt diese Phase, um den betreffen-den Muskel an die neue – meist etwas ver-größerte Muskellänge – Schmerzgrenze langsam und kontrolliert zu führen. Die-ser Vorgang kann 4- bis 5-mal wiederholt werden, um eine optimierte schmerzfreie Muskellänge zu erarbeiten (.Abb. 5, 6, 7).

Tab. 2  Übersicht Klassifikation Trainingsübungen in der medizinischen Trainingstherapie

Trainingsübung Ziele Trainingsparameter Geeignet zu Span-nungsorientierten Übungsformen

Geeignet bei steue-rungsorientierten Übungsformen

Stabilisationstraining (steue-rungsorientiert)

Realisieren neuronaler Trainings-ziele wie Rekrutierung, Frequen-zierung und Synchronisation

Trainingsintensität: soweit beherrschbarTrainingsumfang: so viel wie stabilisierbarTrainingsdichte: variabel

X XXX

Krafttrainingsformen (span-nungsorientiert)Mehrgelenkiges Krafttraining im Rahmen der BBAEingelenkiges Krafttraining

Realisieren muskulärer Trainings-ziele wie Muskelmasse, Faserzu-sammensetzung, metabolische Kapazität etc.

Entsprechende Maßgaben eines ziel-orientierten:KraftausdauertrainingsHypertrophietrainingsMaximalkrafttrainings

XXX XXX

BBA Becken-Bein-Achse.

Tab. 3  Trainingsmethodische Prinzipien im Rahmen muskulärer Rehabilitation

Trainingsprinzipien der Auslösung von Ad-aptationen des Bewegungsapparats

Trainingsprinzipien der Sicherung von Adaptatio-nen des Bewegungsapparats

Wirksamer Bewegungsreiz Optimale Gestaltung von Belastung und erholung

Progressive Belastungsgestaltung Wiederholung und Kontinuität

Reizvariabilität Periodisierung und Zyklisierung

  Individualität

  Zunehmende Spezialisierung

862 |  Der Orthopäde 10 · 2011

Leitthema

Page 9: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

Tender- und TriggerpunkteIn beiden Fällen handelt es sich um Span-nungszonen in der Muskulatur, wobei der Tenderpoint sich aus den intraartiku-lären Nerven (Propriorezeptoren) entwi-ckelt. Ein Tenderpoint ist als eine Störung des arthronalen Systems, der sich in ers-ter Linie an gelenknahen Strukturen (Me-nisci, Ligamente, Sehnen, Muskeln) pro-jiziert. Aus diesem Grunde sprechen wir von einer „rezeptorvermittelten Span-nungszone“.

Der Triggerpoint manifestiert sich nach allgemeiner Lehrmeinung am neurovas-kulären Hilus an der Muskulatur. Der neurovaskuläre Hilus ist die Eintrittspfor-te der neurovaskulären Strukturen durch die Faszie in den Muskel. Er wird von Spannungsfühlern (Pressorrezeptoren) umgeben. Verändert sich die Spannung im Muskel, wird dies von diesem Pressor-rezeptor – auch Vater-Pacinische-Körper-chen genannt – registriert und es entsteht um dieses Gebiet eine Spannungszone, die als Triggerpoint bezeichnet wird. Bei den vorbereitenden Therapietechniken wird der Triggerpoint ebenso wie der Tender-point behandelt. Zunächst wird Eis für ca. 30 s (Eiswürfel oder Chloräthyl –18 bis –20°) am Tender/Trigger appliziert. Da-nach schließt sich eine Recalltechnik an, wobei das Gewebe mit 2 Findern oder Händen vorgedehnt und plötzlich wieder losgelassen („recall“) wird. Der Trigger-point wird dann mit intermittierendem Druck bis zur Toleranzgrenze zum Auf-lösen gebracht, während er anschließend gedehnt wird (.Abb. 8).

Da sich der Tenderpoint aus den in-traartikulären Nerven rekrutiert, wird das Gelenk in eine Position gebracht, an der der Tenderpoint nachlässt oder ver-schwindet. Um vom Patienten ein opti-males Feedback zu bekommen, wird auf den Tenderpoint ein Druck von ca. 4 kg (am besten mit Personenwaage trainieren oder Fingernagel wird rot) ausgeübt. Der Patient soll nun den Schmerz auf einer Analogskala von 0–10 (kein bis maxima-ler Schmerz) beurteilen und kategorisie-ren. Unter Beibehaltung des Drucks von 4 kg wird nun das Gelenk in eine Position gebracht, in dem der Schmerz auf ein Mi-nimum reduziert werden kann. Diese La-tenzphase wird ca. 90 s beibehalten. Liegt der Tender in einer kontraktilen Struktur, wird diese nach 90 s für 7 s isometrisch gehalten (Reprogrammierung des Mus-kels, .Abb. 9).

Trainingstherapeutische Konsequenzen und Therapieoptionen

Spannungs- und steuerungs-orientierte Aspekte der medizinischen Trainingstherapie

Die Hauptaufgabe innerhalb der medizi-nischen Trainingstherapie bei Verletzun-gen/Instabilitäten des Patellofemoralge-lenks besteht in der Herstellung der zur Stabilität dieses Gelenks sowie der Stabili-tät der gesamten Becken-Bein-Achse not-wendigen Spannungsfähigkeit der betrof-fenen myofaszialen Strukturen.

EDiese Zielsetzung stellt ein notwendiges Kriterium der Funktions- und Leistungsfähigkeit des aktiven Bewegungsapparats dar.

Um seine funktionellen Aufgaben im Rahmen der Gesamtmotorik adäquat er-füllen zu können, muss die betroffene Muskulatur hierzu auch die notwendige Muskelspannung schnell genug aufbauen können, um einen hinreichenden Beitrag zur Vermeidung unphysiologischer Belas-tungen für die Strukturen des Bewegungs-apparats beizutragen.

Hierzu ist im Rahmen der medizini-schen Trainingstherapie auf der Basis der Trainingsprinzipien und den Erkenntnis-sen der Trainings- und Bewegungslehre das Spannungsvermögen (Maximalkraft-aspekt) der Muskulatur unter den gege-benen Zeitstrukturen und Anforderun-gen (Schnellkraftaspekt) in den einzelnen (Wund)-Heilungsphasen zu entwickeln. Diesen intramuskulären Anforderungen sind zeitnah auch intermuskuläre Koor-dinationsanforderungen wieder zu ent-wickeln und die adäquate Spannungsent-wicklung in komplexe Bewegungspro-gramme zu integrieren. Hierzu bietet es sich an, die Trainingsmittel und einzel-nen Trainingsinhalte (Übungen) in span-nungsorientierte sowie neuromuskulär/ko-ordinativ orientierte Übungen zu klassifi-zieren (.Tab. 2).

Bei der richtigen und adäquaten Aus-wahl aus der Vielzahl potenziell mögli-cher Übungen im Rahmen einer mus-kulären Rehabilitation kann man sich an

Page 10: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

der in .Tab. 3  dargestellten Auswahl trainingsmethodischer Prinzipien orien-tieren.

Innerhalb der medizinischen Trai-ningstherapie stehen dabei verschiede-nen Trainingsgeräte und -hilfsmittel zur Verfügung, die zu verschiedenen Zeiten während der komplexen Rehabilitation zum Einsatz kommen können. Eine prag-matisch orientierte Klassifikation hierzu basiert auf der Differenzierung zwischen eingelenkigen Bewegungen (in der so ge-nannten offenen kinetischen Kette) im Gegensatz zu mehrgelenkigen Bewegun-gen (in der so genannten geschlossenen kinetischen Kette) der betroffenen Be-cken-Bein-Achse.

Eine Auswahl und die Zuordnung von Trainingsgeräten, die aktuell innerhalb der medizinischen Trainingstherapie zur

Anwendung kommen, ist in .Abb. 10 dargestellt.

Die Zielsetzung der medizinischen Trainingstherapie besteht darin, verletzte und nicht verletzte Regionen mit unter-schiedlichen Inhalten und Formen zu be-üben und zu trainieren, um sie im Rah-men der Zeitspanne des Heilungsverlaufs so systematisch zu entwickeln, dass die gelenkstabilisierende Funktion so schnell als möglich wiederhergestellt wird, keine muskulären Dysbalancen und somit Be-lastungs- und Leistungsunterschiede mit entsprechenden Fehlbelastungen und notwendigen Kompensationen entstehen.

Diese Therapiezielsetzung ist absolute Voraussetzung für komplexe Bewegungs-abläufe der Alltagsmotorik.

Im Rahmen der Rehabilitation bei in-stabilem Patellofemoralgelenk steht die

Wiedergewinnung der gelenkspezifischen adäquaten Spannungs- und Funktionsfä-higkeit des myofaszialen Systems im Fo-kus aller therapeutischen Überlegungen. Aus trainingstherapeutischer Sicht orien-tiert sich die Auswahl der entsprechen-den Trainingsmittel (Trainingsübungen) dabei an der jeweiligen Zielsetzung der Übung und der damit verbundenen Mus-kelarbeitsweise. In der Praxis hat sich die nachfolgende methodische Reihen-/Ab-folge der Muskelarbeitsweise aufgrund des notwendigen „neuromuskulären An-spruchsniveaus“ bewährt:FIsometrischen myofaszialen Span-

nungsentwicklungen folgen konzent-rische Spannungen, bevor Trainings-mittel mit exzentrischen muskulären Belastungsschwerpunkten erarbeitet werden können und abschließend die

Tab. 4  Therapieinhalte physikalische Therapie

Maßnahme Akut-/Entzündungsphase Proliferationsphase Remodellierungsphase

Zielsetzung Zeitvorgaben Stunden

Zielsetzung Zeitvorgaben Tage

Zielsetzung Zeitvorgaben Tage

1–3 4–9 10–29 3–5 6–14 14–21 22-    

CryotherapieEis und Kompres-sion

AnalgesierendÖdem-/Hämatom-Reduk-tion

X X X                

Salben- und/oder Tapeverband

Annäherung verletzter StrukturenUnterstützung autorepara-tiver Prozesse

  X X Annäherung verletz-ter StrukturenUnterstützung autor-eparativer Prozesse

X            

Wärmetherapie„Hochfrequenz-kondensatorfeld – Tiefenwärme“

        Reduktion Verkle-bung

  B.B. B.B.        

Mikro-Ampere-StromFrequenzwahl symptomorientiert

AnalgesieEntzündungshemmungSteigerung der ATP-Pro-duktionAnregung des Lymph-flusses

X X X AnalgesieSteigerung der ATP-ProduktionAnregung des LymphflussesStimulation der Akti-vität der FibroblastenTonusregulation

X X X AnalgesieSteigerung der ATP-Pro-duktionAnregung des Lymph-flussesStimulation der Aktivität der FibroblastenRegenerationsförderung

B.B. B.B. B.B.

Ultraschall0,8 MHz gepulst 20–50 Hz für 5 minDynamische Schallkopfführung

Upregulation des Zellmeta-bolismusAktivierun von Mastzellen, Thrombozyten, neutrophi-len Leukozyten und Makro-phagen0,2 W/cm2

X X X Aktivierung von Fib-roblasten und Myo-fibroblasten0,5 W/cm2

X X X Thermische Effekte (hyperämisierende Wir-kung)Aktivierung des Zell-metabolismus1 W/cm2

X X X

ElektrotherapieMittelfrequenz 8000 HzModulation 100–200 Hz

        Tonus-RegulationÖdemreduktionSchmerzreduktionMyofasziale Regu-lation

  X X TonusregulationÖdemreduktionSchmerzreduktionMyofasziale ReguilationTriggerpunktbehandlung

  B.B. B.B.

B.B. Bei Bedarf.

864 |  Der Orthopäde 10 · 2011

Leitthema

Page 11: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

Kopplung exzentrisch-konzentrischer Kontraktionsfolgen realisiert werden.

FEingelenkige Übungsformen aus ge-sicherten Ausgangspositionen limi-tierten und adäquaten Spannungsin-tensitäten folgen mehrgelenkige Be-wegungsabfolgen mit zunehmend komplexem neuromuskulärem An-spruchsniveau.

FBewegungsabfolgen mit moderater Ausführungsgeschwindigkeit zu Be-ginn der Rehabilitation werden zu-nehmend von Bewegungsabfolgen mit schnellerer Bewegungsgeschwindig-keit ergänzt.

Unter diesen Voraussetzungen und Prä-missen können die nachfolgenden syn-optischen Zusammenstellungen der Maß-nahmen der physikalischen Therapie, der Physiotherapie sowie der medizinischen Trainingstherapie am Beispiel einer kom-plexen Rehabilitation nach Patellaluxation zeitbasiert und zielorientiert zusammen-gestellt werden.

Therapieinhalte nach traumatischer Patellaluxation

In .Tab. 4, 5 und 6 sind beispielhaft The-rapieinhalte der physikalischen Therapie,

Physiotherapie und medizinischen Trai-ningstherapie aufgelistet.

Fazit für die Praxis

Aus dem großen möglichen Portfolio an physikalischen, physio- und trainingsthe-rapeutischen Maßnahmen ist bei instabi-lem Patellofemoralgelenk ein Mix an in-terdisziplinären Maßnahmen angezeigt, der den gelenkspezifischen Anforderun-gen sowie den funktionellen Erfordernis-sen der Stabilität der Becken-Bein-Achse gerecht wird. Der Bedeutung der Indika-tion entsprechend sind komplexe Thera-

Tab. 5  Therapieinhalte Physiotherapie

Maßnahme Akut-/Entzündungsphase Proliferationsphase Remodellierungsphase

Zielsetzung Zeitvorgaben Stunden

Zielsetzung Zeitvorgaben Tage

Zielsetzung Zeitvorga-ben Tage

1–3 4–9 10–29 3–5 6–14 14–21 22-    

Manuelle Therapie                        

Arthroligamentärer Release                        

Spray und Stretch                        

Myofasziales Release Dia-phragmen

                       

Mobilisation Diaphragmen         Förderung LiquidpumpeEntstauung

X X X        

Release neuromeningialer StrukturenUnwindingReziproke Hemmung

        TonusregulationVerbesserung der neuro-vaskulären Versorgung

X X X        

Myofasziale Korrektur-technikenIndirekte Unwindingtech-nikenSekundäre direkte Unwind-ingtechniken

        Vorgabe der „Ausrich-tung“ des Ersatz-/Nar-bengewebes

X X X        

Massage         StoffweschselregulationHyperämisierende Tonus-regulation

  X X Stoffweschselregu-lationHyperämisierende Tonusregulation

X X  

Lymphdrainagen Ödem- und Häma-tomabbauUnterstützung autor-aparativer Prozesse

  X X Ödem- und Hämaton-abbauUnterstützung autorapa-rativer Prozesse

X            

MET und/oder direktes Stretching/Dehnungen

        Reintegration ZNS/PNS/ALS/MFS

X X X Reintegration ZNS/PNS/ALS/MFS

X X X

Reflexzonentherapie                        

Kinesiotaping Verbesserung der Flexibilität durch Erhöhung der Liquid-pumpenfunktionVerbesserung der Nu-trizität des GewebesTonusregulation

    X Verbesserung der Flexibi-lität durch Erhöhung der LiquidpumpenfunktionVerbesserung der Nutrizi-tät des GewebesTonusregulation

X X X Verbesserung der Flexibilität durch Erhöhung der Liquid-pumpenfunktionVerbesserung der Nu-trizität des GewebesTonusregulation

B.B.    

MET Muskelenergietechnik, ZNS Zentralnervensystem, PNS peripheres Nervensystem, ALS amyotrophe Lateralsklerose, MFS Marfan-Syndrom, B.B. bei Bedarf.

865Der Orthopäde 10 · 2011  | 

Page 12: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

Tab.

6 

Ther

apie

inha

lte m

ediz

inis

che 

Trai

ning

sthe

rapi

e

Maß

nahm

eAk

ut-/

Entz

ündu

ngsp

hase

Prol

ifera

tions

phas

eRe

mod

ellie

rung

spha

se

Ziel

set-

zung

Zeitv

orga

ben 

Stun

den

Ziel

setz

ung

Zeitv

orga

ben 

Tage

Ziel

setz

ung

Zeitv

orga

ben 

Tage

1–3

4–9

10–2

93–

56–

1414

–21

Bei B

edar

f wie

 Pro

lifer

atio

nsph

ase

22–2

829

–35

36-

Kard

iova

skul

äres

 Trai

ning

 lo

kal

  

  

Förd

erun

g lo

kale

r aut

orep

arat

iver

 Sto

ffwec

hsel

proz

esse

Mob

ilisa

tion 

myo

fasz

iale

r Str

uktu

ren

XX

XFö

rder

ung 

loka

ler a

utor

epar

ativ

er S

toffw

ech-

selp

roze

sse

Mob

ilisa

tion 

myo

fasz

iale

r Str

uktu

ren

XX

B.B.

Kard

iova

skul

äres

 Trai

ning

 al

lgem

ein

  

  

Förd

erun

g au

tore

para

tiver

 Sto

ffwec

hsel

ver-

/-en

tsor

gung

Stim

ulat

ion 

Imm

unsy

stem

XX

XSt

imul

atio

n Im

mun

syst

emX

XB.

B.

Cont

inuo

us P

assiv

e M

ove-

men

tsRe

dukt

ion/

Min

imie

-ru

ng m

yo-

fasz

iale

r Ad

häsio

n

  

XEr

halt 

inte

rzel

lulä

rer F

luid

zirk

ulat

ion

Redu

ktio

n/M

inim

ieru

ng m

yofa

szia

ler A

dhäs

ion

Ausr

icht

ung 

myo

sacc

ilare

r Nar

bens

truk

ture

n

XX

XEr

halt 

inte

rzel

lulä

rer F

luid

zirk

ulat

ion

Redu

ktio

n/M

inim

ieru

ng m

yofa

szia

ler A

d-hä

sion

Ausr

icht

ung 

myo

sacc

ilare

r Nar

bens

truk

ture

n

B.B.

B.B.

B.B.

Kon-

ex-A

ntag

onist

entr

ai-

ning

 (Syn

ergi

sten

inhi

bitio

n) 

  

 Sp

annu

ngsf

reie

 Län

genä

nder

ung 

myo

fasz

iale

r Str

uk-

ture

n„E

ntba

hnun

g“ m

yofa

szia

ler S

trut

uren

 in F

unkt

ions

kett

eSp

annu

ngsr

eduz

iert

e Lä

ngen

ände

rung

 Ago

nist

 (Wir-

kung

 ähn

lich 

CPM

)

XX

B.B.

  

  

Isom

etris

ches

 Kra

fttr

aini

ng 

  

 M

yofa

szia

le S

pann

ungs

entw

ickl

ung 

ohne

 Län

genä

n-de

rung

 X

XM

yofa

szia

le S

pann

ungs

entw

ickl

ung 

ohne

 Lä

ngen

ände

rung

XX

B.B.

Konz

entr

ische

s Kra

fttr

aini

ng 

  

 Ve

rbes

seru

ng k

onze

ntris

ches

 Kra

ftve

rmög

en 

XX

Verb

esse

rung

 kon

zent

risch

es K

raft

verm

ögen

XX

X

Exze

ntris

ches

 Kra

fttr

aini

ng 

  

 Ve

rbes

seru

ng e

xzen

tris

ches

 Kra

ftve

rmög

en 

XX

Verb

esse

rung

 exz

entr

ische

s Kra

ftve

rmög

enX

XX

Kon-

ex-K

raft

trai

ning

  

  

Verb

esse

rung

 Kon

-ex-

Kraf

tver

mög

enVe

rbes

seru

ng K

oppl

ungs

verm

ögen

 bei

 Ric

htun

gsum

-ke

hr

 X

XVe

rbes

seru

ng K

on-e

x-Kr

aftv

erm

ögen

Verb

esse

rung

 Kop

plun

gsve

rmög

en b

ei R

ich-

tung

sum

kehr

XX

X

Trai

ning

 mit 

Deh

nung

sver

-kü

rzun

gszy

klus

  

  

Neu

rom

usku

läre

 Opt

imie

rung

 Kop

plun

gsve

rmög

en b

ei 

schn

elle

n Be

weg

unge

n 

 X

Neu

rom

usku

läre

 Opt

imie

rung

 Kop

plun

gsve

r-m

ögen

 bei

 schn

elle

n Be

weg

unge

nX

XX

Aqua

trai

ning

  

  

Förd

erun

g ly

mph

atis

cher

 Rüc

kflu

ssAn

bahn

ung 

neur

omus

kulä

rer B

eweg

ungs

mus

ter b

ei 

redu

zier

ter G

ravi

tatio

nsw

irkun

gAn

bahn

ung 

funk

tions

orie

ntie

rter

 Sta

bilis

atio

n de

r BBA

 be

i red

uzie

rter

 Gra

vita

tions

wirk

ung

XX

XFö

rder

ung 

lym

phat

ische

r Rüc

kflu

ssAn

bahn

ung 

neur

omus

kulä

rer B

eweg

ungs

-m

uste

r bei

 redu

zier

ter G

ravi

tatio

nsw

irkun

gAn

bahn

ung 

funk

tions

orie

ntie

rter

 Sta

bilis

atio

n de

r BBA

 bei

 redu

zier

ter G

ravi

tatio

nsw

irkun

g

XB.

B.B.

B.

Stab

ilisa

tions

trai

ning

 ge-

lenk

orie

ntie

rt (F

unkt

ions

-tr

aini

ng e

inge

lenk

ig)

  

  

Sele

ktiv

er S

pann

ungs

aufb

au d

er A

ntag

onis

ten

Ziel

orie

ntie

rte 

Opt

imie

rung

/Ent

wic

klun

g in

tram

usku

lä-

rer K

oord

inat

ion

 X

XSe

lekt

iver

 Spa

nnun

gsau

fbau

 der

 Ant

agon

isten

Gez

ielte

s def

izito

rient

iert

es K

raft

trai

ning

Ziel

orie

ntie

rte 

Opt

imie

rung

/Ent

wic

klun

g in

t-ra

mus

kulä

rer K

oord

inat

ion

XX

B.B.

Stab

ilisa

tions

trai

ning

 ket

-te

norie

ntie

rt (F

unkt

ions

trai

-ni

ng m

ehrg

elen

kig)

  

  

Reor

gani

satio

n fu

nktio

nsor

ient

iert

er in

term

usku

läre

r Ko

ordi

natio

nRe

inte

grat

ion 

verle

tzte

r myo

fasz

iale

r Str

uktu

ren 

in F

unk-

tions

kett

e

XX

XRe

orga

nisa

tion 

funk

tions

orie

ntie

rter

 inte

rmus

-ku

läre

r Koo

rdin

atio

nRe

inte

grat

ion 

verle

tzte

r myo

fasz

iale

r Str

uktu

-re

n in

 Fun

ktio

nske

tte

XX

B.B.

B.B.

bei

Bed

arf, C

PM C

ontin

uous

Pas

sive

Mov

emen

ts, BBA

Bec

ken-

Bein

-Ach

se.

866 |  Der Orthopäde 10 · 2011

Leitthema

Page 13: Physio- und trainingstherapeutische Therapieoptionen für das instabile Patellofemoralgelenk

piestrategien unter ärztlichem Therapie-management zur erfolgreichen Umset-zung angezeigt und notwendig.

KorrespondenzadresseK. EderEden RehaLessingstr. 39, 93093 [email protected]

Literatur

  1.  Bizzini M (2000) Sensomotorische Rehabilitation nach Beinverletzungen. Thieme, Stuttgart New York, ISBN 3-13-126671-6

  2.  Di Fabio RP (1999) Making jargon from kinetic and kinematic chains. J Orthop Sports Phys Ther 29(3):142–143

  3.  Eder K, Hoffmann H (2006) Verletzungen im Fuß-ball – vermeiden – behandeln – therapieren. El-sevier, München. ISBN-13: 978-3-437-48310-3; ISBN-10: 3-437-48310-2

  4.  Eder K, Hoffmann H (2010) Physikalische und Phy-siotherapeutische Maßnahmen und Rehabilita-tion. In: Müller-Wohlfahrt HW, Übelacker P, Hän-sel L (Hrsg) Muskelverletzungen im Sport, Kap 14. Thieme, Stuttgart, S 360

  5.  Frisch H (2007) Programmierte Untersuchung des Bewegungsapparates. 9. Aufl. Springer, Berlin Hei-delberg New York. ISBN 10: 3540728546; ISBN 13: 978–3540728542

  6.  Kaltenborn FM, Evjenth O (1999) Manuelle Thera-pie nach Kaltenborn – Untersuchung und Behand-lung, Teil 1: Extremitäten. 10. Aufl. Norlis Bokhan-del, Oslo

  7.  Kaltenborn FM, Evjenth O (1999) Manuelle Thera-pie nach Kaltenborn – Untersuchung und Behand-lung, Teil 2: Wirbelsäule. 10. Aufl. Norlis Bokhandel, Oslo

  8.  Steindler A (1973) Kinesiology of the human body. Thomas, Springfield

  9.  Van den Berg F (Hrsg) (1999) Angewandte Physio-logie, Bd 1: Bindegewebe. Thieme, Stuttgart New York. ISBN 3-13-116031-4

10.  Rauber A, Kopsch F (1987) Anatomie des Men-schen, Bd. 1: Bewegungsapparat. Thieme, Stutt-gart New York

Fachnachrichten

40 Jahre Carol-Nachman-Preis für Rheumatologie der Landeshauptstadt Wiesbaden

Die Spielbank Wiesbaden stiftet 2012 im 40. Jahr einen Preis zur Förderung der klinischen, therapeutischen und experimentellen Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Rheumatologie.

Der Carol-Nachman-Preis für Rheumato-logie wird jährlich von der Landeshaupt-stadt Wiesbaden verliehen für hervor-ragende innovative Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Rheumatologie. 

Der mit 37.500 Euro dotierte Preis ist die zweithöchste medizinische Auszeichnung Deutschlands. Carol-Nachman-Preis und -Medaille tragen den Namen ihres Stifters, des langjährigen Spielbank-Konzessionärs und Wiesbadener Ehrenbürgers, Carol Nachman. Seit 1972 wird der Preis an international renommierte Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler ver-geben.

Eingereicht werden können  publizierte Arbeiten (auch kumulativ) zu einem  wissenschaftlichen Fokus der vergange-nen Jahre im Original und zusammen-fassend dargestellt. 

Arbeiten für 2012 können bis zum15. Dezember 2011 in 10-facher  Ausfertigung eingereicht werden .

Nähere Auskünfte erhalten Sie bei der  Vorsitzenden des Carol-Nachman-Kuratoriums:

Prof. Dr. med. Elisabeth Märker-HermannHSK Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken GmbHLudwig Erhard Str. 10065199 Wiesbaden, DeutschlandTel:  +49 (0)611/43-9777Fax: +49 (0)611/43-9779E-Mail: [email protected]

Kuratorium des Carol-Nachman-Preises:

–  Prof. Dr. Elisabeth Märker-Hermann (Vorsitzende)

–  Prof. Dr. Joachim R. Kalden (Ehrenvorsitzender)

–  Detlev Bendel

–  Dr. med. Wolfgang W. Bolten

–  Prof. Dr. Jürgen Braun

–  Prof. Dr. Steffen Gay

–  Prof. Dr. Joachim Grifka

–  Prof. Dr. Thomas W.J. Huizinga

–  Prof. Dr. Andreas Schwarting

–  Prof. Dr. Joachim Sieper

–  Henning Wossidlo

867Der Orthopäde 10 · 2011  |