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MANAGEMENT 76 E-3 JUNI 2010 SAP all over the world Pikon: Einmal ganz andere Projekterfahrungen kennenlernen Arabischer Roll-Out SAP-Business in Dubai bedeutet nicht nur eine gewis- se Gelassenheit gegenüber der Hitze, sondern auch einen anderen Umgang beim Zugeben von Missver- ständnissen und Fehlern. Daraus lernt man aber eine erfrischende Offenheit für persönliche Kontakte. Von Koen Meuwis, Senior Consultant, Pikon A uf dem Weg nach Dubai falle ich im Flieger in einen leichten Schlaf. Im Traum wechseln leb- hafte Szenen eines Basars mit Bildern von Dromedaren unter Palmen. Ich spüre die Hitze auf der Haut meiner Unterarme und höre deutlich die Stim- men der Menschen um mich herum. Auch wenn ich nicht verstehe, was sie sa- gen, scheint mir der Klang ihrer Sprache doch seltsam vertraut. Die Stimme der Flugbegleiterin, die mich auf den Anflug vorbereitet, dringt nun als bekanntere Sprache an mein Ohr. Wieder einmal bin ich im Auftrag eines großen Kunden in Saudi-Arabien unterwegs, um die Einfüh- rung von SAP in einer seiner Tochterge- sellschaften zu begleiten. Und wieder bin ich überrascht von der Hartnäckigkeit, mit der mich meine innere Stimme von der Realität abzulenken versucht. Dabei weiß ich es besser. Business in Dubai ist kein Urlaub unter Palmen. Business in Dubai heißt sich einzustellen auf andere Bedingungen, als bei Projekten in Euro- pa. Business in Dubai und den anderen Scheichtümern der Vereinigten Arabi- schen Emirate bedeutet immer auch Abenteuer. Aber vor allem viel Arbeit. Denn bringt schon ein Roll-Out in Ita- lien viele fremde Sitten und Gebräuche mit sich, so gilt dies erst recht im ara- bischen Teil der Welt. Am Flughafen werde ich von einem Fahrer meines Auftraggebers abgeholt und mit warmherziger Freundlichkeit empfangen. Sein indischer Akzent ist für mich am Anfang eines solchen Projektes immer schwer zu verstehen, was sich aber erfahrungsgemäß bes- sert. Heute geht es noch nicht zur Arbeit. Es ist zwar für mein Ver- ständnis Ende der Woche, näm- lich Freitag. Aber hier befinden wir uns im Wochenende und so führt mich mein Weg erst mal ins Ho- tel. Das liegt im benachbarten Scheich- tum Sharjah. Morgen früh geht es dann zur Arbeit nach Umm al Qaiwain. Auch hier wird mich wieder ein Fahrer abho- len. Welch wunderbarer Service, an den ich mich sofort gewöhnen könnte. Ein Projekt in einem der Scheichtümer ist in der Regel auch ein Projekt in anderen Scheichtümern der VAE. Der Wechsel von einem Scheichtum in ein anderes ist nicht leicht zu bemerken. Nur wer aufmerksam das vorbeigleitende Stra- ßenbild beobachtet, dem fallen die sich unterscheidenden Abbilder der jeweili- gen Herrscher auf. Auf jeden Fall bin ich wieder erstaunt über die Fülle des Stra- ßenverkehrs. Aber einen öffentlichen Nahverkehr, wie wir ihn gewohnt sind, gibt es hier nicht. Statt der eigentlich landestypischen Wüstenhitze begleiten mich auch auf dem Weg ins Hotel die unvermeidlichen Klimaanlagen. Wer die Wärme nicht verträgt, der braucht hier nicht zu leiden, denn es lassen sich alle Wege komfortabel temperiert erledigen. Sogar den Geldautomaten kann man be- quem aus dem Auto heraus bedienen. In jedem muslimisch geprägten Land liegen die Wochenenden an anderen Tagen. In aller Regel unterscheiden sie sich von unserer, christlich geprägten Tradition. Der Freitag übernimmt dabei die Rolle unseres Sonntags. Während in Tunesien noch Samstag und Sonntag frei sind, liegt der Fall in Ägypten, Saudi Arabien und Algerien schon anders. Hier gelten Freitag und Samstag als Wochen- ende. Dabei sind die Wochen lang. Denn gerade die vielen Gastarbeiter arbeiten hier oft an sechs von sieben Tagen. Wenn dann die Anreise auf den freien Tag fällt, kommen schon mal zwölf Tage Arbeit am Stück zusammen. Interkulturell vorbereiten Als ich am folgenden Tag vom Hotel in die Firma gefahren werde, bin ich schon ganz in das SAP-Pro- jekt eingetaucht. Natürlich funk- tioniert SAP in Dubai genauso wie überall auf der Welt. Und ganz be- stimmt gelten die gleichen Grund- sätze der Projektarbeit bei allen Roll-Outs, rund um die Welt. Aber das hier, das ist anders. Neben den offensichtlichen Unterschieden bei Wetter, Architektur und dem Verkehr gibt es eine Vielzahl von Dingen, die erst beim näheren Hinsehen und Er- leben deutlich werden. Dabei reicht es meistens nicht, im Laufe des Projektes diese Besonderheiten kennenzulernen. Für ein erfolgreiches Projekt bedarf es einer intensiven interkulturellen Vorbe- reitung. Während Arabischkenntnisse vorteilhaft, aber nicht nötig sind, ist sehr gutes Englisch unabdingbar. Allerdings habe ich auch in diesem Projekt viel mit Indern und Vertretern anderer Nationen zu tun. Einheimische und Vertreter der führenden Familien sind nur auf höhe- Bekannt für seine spektakulären Bauprojekte: Dubai ist Stadt und Emirat zugleich. Diese Erzählreihe über rein soziokulturelle Impressionen wird in den nächsten Ausga- ben fortgesetzt. E-3 Juli/August-Ausgabe: Kopenhagen. 06_management.indd 76 04.06.2010 9:25:56 Uhr

PIKON article -Arabischer Roll-Out- @ E3-Magazin

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In the June edition of the reputable German SAP magazine, E3-Magazin, PIKON published an article about its SAP Roll Out at Henkel Polybit in Dubai.

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MANAGEMENT

76 E-3 JUNI 2010

SAP all over the world

Pikon: Einmal ganz andere Projekterfahrungen kennenlernen

Arabischer Roll-OutSAP-Business in Dubai bedeutet nicht nur eine gewis-se Gelassenheit gegenüber der Hitze, sondern auch einen anderen Umgang beim Zugeben von Missver-ständnissen und Fehlern. Daraus lernt man aber eine erfrischende Offenheit für persönliche Kontakte. Von Koen Meuwis, Senior Consultant, Pikon

Auf dem Weg nach Dubai falle ich im Flieger in einen leichten Schlaf. Im Traum wechseln leb-hafte Szenen eines Basars mit

Bildern von Dromedaren unter Palmen. Ich spüre die Hitze auf der Haut meiner Unterarme und höre deutlich die Stim-men der Menschen um mich herum. Auch wenn ich nicht verstehe, was sie sa-gen, scheint mir der Klang ihrer Sprache doch seltsam vertraut. Die Stimme der Flugbegleiterin, die mich auf den Anflug vorbereitet, dringt nun als bekanntere Sprache an mein Ohr. Wieder einmal bin ich im Auftrag eines großen Kunden in Saudi-Arabien unterwegs, um die Einfüh-rung von SAP in einer seiner Tochterge-sellschaften zu begleiten. Und wieder bin ich überrascht von der Hartnäckigkeit, mit der mich meine innere Stimme von der Realität abzulenken versucht. Dabei weiß ich es besser. Business in Dubai ist kein Urlaub unter Palmen. Business in Dubai heißt sich einzustellen auf andere Bedingungen, als bei Projekten in Euro-pa. Business in Dubai und den anderen Scheichtümern der Vereinigten Arabi-schen Emirate bedeutet immer auch Abenteuer. Aber vor allem viel Arbeit. Denn bringt schon ein Roll-Out in Ita-lien viele fremde Sitten und Gebräuche mit sich, so gilt dies erst recht im ara-bischen Teil der Welt.

Am Flughafen werde ich von einem Fahrer meines Auftraggebers abgeholt und mit warmherziger Freundlichkeit empfangen. Sein indischer Akzent ist für mich am Anfang eines solchen Projektes immer schwer zu verstehen, was sich aber erfahrungsgemäß bes-sert. Heute geht es noch nicht zur Arbeit. Es ist zwar für mein Ver-ständnis Ende der Woche, näm-lich Freitag. Aber hier befinden wir uns im Wochenende und so führt mich mein Weg erst mal ins Ho-tel. Das liegt im benachbarten Scheich-

tum Sharjah. Morgen früh geht es dann zur Arbeit nach Umm al Qaiwain. Auch hier wird mich wieder ein Fahrer abho-len. Welch wunderbarer Service, an den ich mich sofort gewöhnen könnte. Ein Projekt in einem der Scheichtümer ist in der Regel auch ein Projekt in anderen Scheichtümern der VAE. Der Wechsel von einem Scheichtum in ein anderes ist nicht leicht zu bemerken. Nur wer aufmerksam das vorbeigleitende Stra-ßenbild beobachtet, dem fallen die sich unterscheidenden Abbilder der jeweili-gen Herrscher auf. Auf jeden Fall bin ich wieder erstaunt über die Fülle des Stra-ßenverkehrs. Aber einen öffentlichen Nahverkehr, wie wir ihn gewohnt sind, gibt es hier nicht. Statt der eigentlich landestypischen Wüstenhitze begleiten mich auch auf dem Weg ins Hotel die unvermeidlichen Klimaanlagen. Wer die

Wärme nicht verträgt, der braucht hier

nicht zu leiden, denn es lassen sich alle Wege komfortabel temperiert erledigen. Sogar den Geldautomaten kann man be-quem aus dem Auto heraus bedienen. In jedem muslimisch geprägten Land liegen die Wochenenden an anderen Tagen. In aller Regel unterscheiden sie sich von unserer, christlich geprägten Tradition. Der Freitag übernimmt dabei die Rolle unseres Sonntags. Während in Tunesien noch Samstag und Sonntag frei sind, liegt der Fall in Ägypten, Saudi Arabien und Algerien schon anders. Hier gelten Freitag und Samstag als Wochen-ende. Dabei sind die Wochen lang. Denn gerade die vielen Gastarbeiter arbeiten hier oft an sechs von sieben Tagen. Wenn dann die Anreise auf den freien Tag fällt, kommen schon mal zwölf Tage Arbeit am Stück zusammen.

Interkulturell vorbereiten

Als ich am folgenden Tag vom Hotel in die Firma gefahren werde, bin ich schon ganz in das SAP-Pro-jekt eingetaucht. Natürlich funk-tioniert SAP in Dubai genauso wie überall auf der Welt. Und ganz be-stimmt gelten die gleichen Grund-sätze der Projektarbeit bei allen Roll-Outs, rund um die Welt. Aber das hier, das ist anders. Neben den offensichtlichen Unterschieden bei Wetter, Architektur und dem Verkehr gibt es eine Vielzahl von Dingen, die erst beim näheren Hinsehen und Er-leben deutlich werden. Dabei reicht es meistens nicht, im Laufe des Projektes diese Besonderheiten kennenzulernen. Für ein erfolgreiches Projekt bedarf es einer intensiven interkulturellen Vorbe-reitung. Während Arabischkenntnisse vorteilhaft, aber nicht nötig sind, ist sehr gutes Englisch unabdingbar. Allerdings habe ich auch in diesem Projekt viel mit Indern und Vertretern anderer Nationen zu tun. Einheimische und Vertreter der führenden Familien sind nur auf höhe-

Bekannt für seine spektakulären Bauprojekte:

Dubai ist Stadt und Emirat zugleich.

Diese Erzählreihe über rein soziokulturelle Impressionen wird in den nächsten Ausga-ben fortgesetzt. E-3 Juli/August-Ausgabe: Kopenhagen.

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rer Leitungsebene anzutreffen. Über meine Sprachkennt-

nisse mache ich mir keine Sorgen. Da liegen die Schwierigkeiten schon wo-anders, denn ich muss auch verstehen, was mir meine Gesprächspartner sagen wollen. Und selbst wenn dies gelingt, so unterscheidet sich oft kulturell be-dingt die bei uns gewohnte Klarheit der Kommunikation. Für sie gilt das Gesicht zu wahren, Fehler nicht vor der Gruppe zugeben zu wollen und fehlendes Wis-sen nicht einfach zu offenbaren. Wir sind gewohnt, fachliche Probleme direkt und klar anzusprechen, damit wir sie als Ausgangspunkt für einen passenden Lö-sungsvorschlag verstehen können. Hier ist es anders. Im Umgang mit den vor allem indischen Fachkräften im SAP-Projekt bedarf es eines vorsichtigeren Vorgehens. Neue Inhalte werde ich mit anderen Formulierungen wiederholen, um so Verständnis und Lernfortschritt vorsichtig abzufragen. Statt direkt auf Probleme zuzugehen, werde ich über

Lösungen sprechen und so die Probleme indirekt abfragen. Denn während wir bei uns in europäischen Projekten schon einmal auf ein klares Nein stoßen oder der Projektpart-ner seine Abneigung deutlich macht, wird bei unseren Ge-sprächspartnern ein mög-licher Widerstand gegen vorgeschlagene Lösungen oder den eingeschlagenen Weg nicht so deutlich ge-zeigt. Schmerzhaft muss-te ich in meinen ersten Projekten lernen, dass ein Ja nicht zwingend eine positive Bestätigung des

Gehörten darstellte, sondern oft einfach ein Zeichen dafür war, dass die Frage gehört wurde. Neben diesen Punkten muss bei der Projektplanung berücksichtigt werden, dass oft die SAP-Vorkenntnisse und das betriebswirt-schaftliche Fachwissen nicht ausgeprägt sind. Das dann nötige SAP-Basistraining muss direkt mit eingeplant werden. Da-für sind Arbeitsmoral und Wissbegehren erfreulich hoch und die Zusammenarbeit mit den Menschen macht auch auf zwi-schenmenschlicher Ebene große Freude.

Small Talk & No Go

Als sich mein erster Arbeitstag zu Ende neigt, freue ich mich schon auf den Abend. Der Empfang ist sehr herz-lich und der Grundstein für die weitere Zusammenarbeit wird gelegt. Heute Abend werden wir uns bei einem ge-meinsamen Event im Rahmen einer Bootsfahrt noch näher kennenlernen. Wieder hat sich bestätigt, wie wichtig hier der zwanglose Dialog ist. Seit ich im arabischen Raum arbeite, weiß ich die Bedeutung von Small Talk zu schätzen. Denn Erfolg hat hier nur, wer offen ist

Koen Meuwis (stehend) verfügt über eine lang-

jährige Projekterfahrung im In- und Ausland. Er

ist auch Referent an der Uni Hasselt in Belgien,

hier bei einer klimatisierten SAP-Projektbespre-

chung vor indischen und arabischen Kollegen.

Bitte beachten Sie auch denCommunity-Info-Eintrag ab Seite 98

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für Kontakt zu anderen. Es wird viel Wert gelegt auf persönliche Kontakte. Diese erstrecken sich auch auf eine gemein-same Freizeitgestaltung. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Ernährung. Mittags wird gerne ein arabisches Buffet ins Büro geliefert. Dabei ergeben sich gute Gele-genheiten, auch einmal mit dem General Manager zu sprechen und so zwanglos einen Kontakt aufzubauen oder zu ver-tiefen. Bei aller Freude über die kulinari-schen Vorzüge dieses Projektes trage ich mich doch mit Sorge über eine mögliche Gewichtszunahme. Denn einfach Jog-gen zu gehen ist hier schon wegen der Hitze nicht zu empfehlen. Wer etwa das Bild eines entspannten Laufs am Strand in der Abendsonne vor Augen hat, der stelle sich besser auf den Fitnessraum im Hotel ein. Nicht nur dass die Wüste direkt ins Meer übergeht und es keinen klassischen Badestrand gibt. Auch aus kulturellen Gründen sollte man auf Sport im Freien verzichten. Die bei uns übli-che, knappe Sportbekleidung wäre hier völlig fehl am Platze. Ebenso wie Alkohol zu verlangen, Erinnerungsfotos von Ein-heimischen zu machen oder gar im tra-ditionellen Gewand der Araber, der Dish- dasha, herumzulaufen. Dass man als Frau knappe Kleidung vermeidet, ist schon in Südeuropa empfehlenswert. Hier gilt dies umso mehr. Noch mehr gilt hier, Bezeugungen der Zuneigung zwi-schen Frau und Mann zu unterlassen. Von daher bin ich froh, dass meine Frau daheim geblieben ist. In Spanien. Denn da wohne ich als echter Europäer, der ich bin.

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