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Planet der Gräber

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 246

Planet der Gräber

Flug ins Unbekannte - am Zielortwartet das Unheil

von Clark Darlton

Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren, Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Fein­de ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, be­reits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmuti­gen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orba­naschol III. den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen.

Gegenwärtig ist Atlan allerdings nicht in der Lage, an diesem Kampf mitzuwirken, da er sowie ein paar Dutzend seiner Gefährten von der ISCHTAR im Bann Akon-Akons, des Psycho-Tyrannen, stehen, gegen dessen Befehle es keine Auflehnung gibt.

Akon-Akon, der mit Atlans und Fartuloons Hilfe den »Stab der Macht« in Besitz nehmen konnte, treibt die von ihm beherrschte Gruppe von Männern und Frauen durch immer neue Gefahren zu einem Ziel, an dem der Hypnosuggestor »sein« Volk zu finden hofft.

Zur Zwischenstation der Reise ins Ungewisse wird für Atlan und seine Gefährten der PLANET DER GRÄBER …

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Die Hautpersonen des Romans:Akon-Akon - Der Willenstyrann landet auf dem Planeten der »Gräber«.Atlan, Fartuloon, Ra, Karmina Arthamin und Brontalos - Akon-Akons unfreiwillige Begleiter.Vandra von Laggohn - Kommandantin eines akonischen Transporters.Karlakon - Ein Akone, der sich mit Insekten beschäftigt.

1.

Als Saruhl, der ehemalige Kolonialplanet der Akonen, in den Tiefen des Alls versun­ken war, kam es Vandra von Laggohn erst so recht zu Bewußtsein, was geschehen war.

Sie war eine Gefangene an Bord ihres ei­genen Schiffes, eines 500-Meter-Kugelraumers, der im Dienst der akonidischen Flotte dem 14. Demontagege­schwader zugeteilt war. Ahnungslos war sie auf Saruhl gelandet, und ehe sie die Situati­on hatte sondieren können, wurde ihr Schiff überraschend von Arkoniden gestürmt und in Besitz genommen.

Man zwang sie zum Start mit unbekann­tem Ziel.

*

Mir war ebenfalls nicht klar, was Akon-Akon mit uns vorhatte. Seinen Plan, einen Planeten zur Besiedlung zu suchen, hatte er aufgegeben. Aber wir waren noch immer ge­zwungen, seinen Befehlen zu gehorchen, die er uns mit hypnosuggestiver Kraft erteilte. Seit er den Kerlas-Stab besaß, war seine Macht über uns noch größer geworden.

Sein Einfluß erstreckte sich auch auf die Akonen, was jedoch nur dem geheimnisvol­len Kerlas-Stab zuzuschreiben war. Auf sei­ne hypnosuggestiven Befehle reagierten sie nicht.

Wohl aber wir, und wir konnten nichts da­gegen tun. Was immer Akon-Akon auch sagte, es wurde von uns befolgt. In gewis­sem Sinn jedoch hatte sich sein Verhältnis zu uns gebessert. Fartuloon machte seinem Ärger trotzdem mehr als einmal Luft, und er war nur schwer zu beruhigen.

Auch Vorry, der Magnetier, hätte den

Jungen am liebsten an seine stählerne Brust gedrückt, aber es blieb auch hier nur bei dem Wunsch. Mit von der Partie waren noch die Sonnenträgerin Karmina Arthamin, ehe­mals Kommandantin der Arkon-Flotte, Ra, der Barbar, und einunddreißig Männer und Frauen der ISCHTAR, die – so hoffte ich – längst zu meinem Stützpunkt Kraumon un­terwegs war.

Ich hatte zusammen mit Brontalos, der ei­niges von Astronavigation verstand, die Wa­che in der Kommandozentrale übernommen. Natürlich weil Akon-Akon es so angeordnet hatte. Aber wahrscheinlich hätten wir es in dieser Situation auch freiwillig getan, denn viel Entgegenkommen hatten wir von den Akonen kaum zu erwarten.

Vandra von Loggohn kümmerte sich nicht um uns. Akon-Akon hatte einen Kurs pro­grammieren lassen, der uns vorerst nirgend­wohin führte. Wahrscheinlich legte er Wert darauf, erst einmal eine möglichst große Entfernung zwischen sich und Saruhl zu bringen, um einer eventuellen Verfolgung zu entgehen.

Vandras silberne Haarlocken waren straff nach hinten gelegt, bemerkte ich, während ich sie beobachtete. Die enganliegende blaue Kombination brachte ihre schlanke Figur gut zur Geltung, aber das interessierte mich im Augenblick weniger als der entschlossene Ausdruck ihres Gesichts, der anzudeuten schien, daß sie früher oder später den Ver­such unternehmen würde, ihr Schiff wieder zurückzugewinnen.

Ich konnte es ihr nicht übelnehmen. Brontalos beugte sich zu mir herüber. »Sie könnte gut eine arkonidische Prin­

zessin sein«, flüsterte er bewundernd. »Aber ich traue ihr nicht.«

»Das tut keiner von uns«, gab ich ebenso leise zurück. »Behalten Sie den Navigator

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im Auge.« »Es ist noch zu früh für Tricks, Atlan.« Der Meinung schien Akon-Akon auch zu

sein, denn er hatte sich in eine der unbesetz­ten Kabinen zurückgezogen und verließ sich ganz auf uns. Wenn er auch niemals schlief, so brauchte er doch hin und wieder Ruhe. Doch auch in solchen Augenblicken ließ sein Einfluß auf uns nicht nach.

»Tricks, Brontalos, die gegen Akon-Akon oder gegen uns gerichtet sind?« fragte ich.

Er machte eine Geste der Unsicherheit. »Gegen ihn und uns, nehme ich an.« Ich nickte und schwieg, um mich nicht zu

sehr von dem ablenken zu lassen, was in der Kommandozentrale vor sich ging. Zwar hat­ten wir die Akonen entwaffnet, aber es war ihr Schiff. Sie kannten es besser als wir. Sie konnten uns hereinlegen, wenn sie wollten.

Die Akonen hatten es über die Jahrtausen­de hinweg verstanden, ihr Heimatsystem ge­heimzuhalten. Niemand wußte, wo es sich befand, und wenn man davon sprach, nannte man es nur das »Versteck«.

Orbanaschol III. Imperator von Arkon, hätte sicherlich einen Arm dafür geopfert (nicht seinen natürlich), wenn er die Koordi­naten des Verstecks erfahren könnte. Mich persönlich interessierte es weniger. Ich hatte andere Aufgaben, und zur vordringlichsten gehörte die, den Mörder meines Vaters zu entlarven und unschädlich zu machen – eben diesen Orbanaschol.

Vandra von Laggohn überließ das Schiff den Kontrollen und drehte sich zu mir um.

»Haben Sie eine Ahnung, was dieser Akon-Akon von uns will? Er trägt den Ker­las-Stab, das verpflichtet uns, und wir müs­sen ihm gehorchen, aber was haben Sie da­mit zu tun? Wohin fliegen wir?«

»Ich weiß nicht mehr als Sie«, gab ich zu­rück. »Aber es wird besser für uns alle sein, wenn wir tun, was er anordnet. Er wird uns noch früh genug in seine Pläne einweihen.«

»Und das Demontagekommando, das wir auf Saruhl zurückließen?«

»Man wird früher oder später erfahren, was dort geschehen ist, und die Leute abho-

Clark Darlton

len. Der Transmitter, der dort steht, wurde soweit demontiert, daß er unbrauchbar ge­worden ist, aber ich nehme an, man besitzt noch Funkgeräte. Sie brauchen sich also kei­ne Sorgen zu machen.«

Sie warf mir einen durchdringenden Blick zu und wandte sich dann wieder ab. Die Akonen und wir waren Verbündete auf Zeit, wenn es offiziell auch anders aussah.

Fartuloon kam mit drei der Gefangenen, um Vandra und ihre Leute in der Zentrale abzulösen. Das bedeutete auch für Brontalos und mich eine Ruhepause, denn Fartuloon würde die Wache übernehmen.

»Was Neues?« erkundigte sich Fartuloon und löste die Fesseln der Ablösung, um sie Vandra und ihren Männern anzulegen, damit ich sie in ihre Kabine zurückbringen konnte. »Akon-Akon scheint sich noch immer zu überlegen, was er anfangen soll. Er redet im­mer von ›seinem Volk‹, wen immer er auch damit meint. Die Akonen vielleicht …«

Ich schüttelte den Kopf und wandte mich an die Akonin. »Vandra, kommen Sie bitte mit.«

Fartuloon ließ sich in einem der Sessel nieder und stützte sich auf den Griff seines Schwertes Skarg, von dem er sich nur trenn­te, wenn er badete. Ich glaube, er schlief auch damit. Kein Wunder, denn das Skarg war kein gewöhnliches Schwert, sondern ei­ne hervorragende Waffe mit vielen überra­schenden Eigenschaften.

Ich schloß die Akonen ein und betrat nach einem kleinen Kontrollgang meine Kabine, in der Karmina Arthamin und Ra auf mich warteten. Sie sahen mir erwartungsvoll ent­gegen, stellten aber keine Fragen. Ich wußte auch so, was sie gern erfahren hätten.

»Nichts«, sagte ich deshalb sofort. »Akon-Akon hat noch keinen bestimmten Kurs befohlen. Wir entfernen uns von Sa­ruhl, das ist alles.«

Karmina mochte etwa 27 Arkonjahre alt sein, war von edler Abstammung und Träge­rin des höchsten Ordens, den das Imperium zu vergeben hatte. Für meinen Geschmack war sie ein wenig zu hager und groß, aber

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ich war froh, sie als Verbündete gewonnen zu haben. Trotz ihres zart und fast gebrech­lich wirkenden Gesichtes war sie sachlich und von erstaunlicher Härte, wenn es darum ging, ein Ziel zu erreichen.

Ra, der Barbar von einer unbekannten Welt, erhob sich, als ich die Tür hinter mir schloß.

»Wo ist Akon-Akon?« wollte er wissen. »Er hat sich zurückgezogen, aber du

brauchst dir keine falschen Hoffnungen zu machen. Er hat uns unter Kontrolle, und die setzt in dem Augenblick ein, in dem du auf dumme Gedanken kommst.«

Ich setzte mich Karmina gegenüber. Auch Ra nahm wieder Platz.

»Kommandantin Laggohn ist sehr hüb­sch«, sagte sie ohne jeden Zusammenhang und sah mich dabei an.

Ich nickte. »Häßlich ist sie gerade nicht«, gab ich

dann zu. »Aber das hat leider mit unserer Si­tuation nichts zu tun. Was also soll deine Feststellung?«

»Ich meinte nur so«, erwiderte sie etwas verlegen.

Ich wechselte das Thema: »Akon-Akon wird bald seine Anordnun­

gen treffen, dann erfahren wir endlich, wo­hin die Reise geht.«

Ich stand auf, ging zu meinem Bett und streckte mich darauf aus.

»Du möchtest jetzt schlafen?« fragte Kar­mina. »Dann gehen wir.«

»Bleibt, bitte. Ich will nicht schlafen, nur liegen. In den nächsten Stunden wird einiges geschehen, und ich möchte es nicht verpas­sen.«

»Was soll denn geschehen?« Ra schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß etwas pas­siert.«

»Es wäre aber besser«, sagte ich ruhig, »denn sonst fliegen wir bis zum Ende des Universums, ohne etwas dagegen tun zu können.«

Karmina wollte etwas sagen, blieb aber stumm, als der Interkom des Schiffes eine Verbindung ankündigte. Als der kleine Bild­

schirm hell wurde, erkannten wir das Ge­sicht Akon-Akons.

»Ich habe meine Entscheidung getroffen«, sagte er in fast akzentfreiem Arkonidisch. »Kommt alle in den Versammlungsraum, den sie Messe nennen. Begleitet mich in die Kommandozentrale und bringt die Gefange­nen mit. Ich möchte meine Anweisungen ge­ben.«

Ich schaltete das Gerät wieder ab. »So, er möchte seine Anweisungen be­

kanntgeben«, knurrte Ra wütend über unsere Hilflosigkeit. »Der Herr befehlen, und wir haben zu gehorchen. Möchte wissen, wann meine Geduld zu Ende geht.«

»Im richtigen Moment, hoffe ich.« Wir verließen meine Kabine. Auf dem Weg zur Messe trafen wir die anderen Arkoniden, die gemeinsam mit mir ein Schiff erobert hatten, ohne daß es uns nun gehörte. »Warten wir ab, was Akon-Akon uns zu sagen hat.«

»Uns und den acht Akonen!« erinnerte mich Karmina.

Der Kontrollraum bot uns allen genug Platz. Fartuloon und Brontalos bewachten die acht gefangenen Akonen. Vandra blieb hinter ihren Kontrollen sitzen, als ginge sie das alles nichts an. Sie schwenkte den Sessel erst herum, als Akon-Akon hereinkam und sich so hinsetzte, daß er uns alle im Auge behalten konnte.

Er trug ebenfalls die Standardausrüstung der arkonidischen Flotte und unterschied sich rein äußerlich kaum von uns. Den Ker­las-Stab hielt er in der Hand.

»Vandra von Laggohn«, begann Akon-Akon mit sanfter Stimme, »höre meinen Be­fehl: du wirst uns mit diesem Schiff in das Versteck bringen. Programmiert den Kurs!«

Vandras Gesicht verlor ein wenig an Far­be.

»Du verlangst Unmögliches, Träger des Kerlas-Stabes. Ich darf deinen Befehl nicht ausführen.«

Akon-Akon war von der Weigerung of­fenbar so überrascht, daß er für einige Se­kunden stumm blieb und die gefangene Kommandantin nur anstarrte.

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»Ich fordere es von dir, Kommandantin! Programmiere den Kurs in das Versteck der Akonen! Sofort!«

»Die Koordinaten sind seit Jahrtausenden das streng gehütete Geheimnis meines Vol­kes. Verlangst du von mir, daß ich zum Ver­räter werde? Das kannst du nicht tun …«

»O doch, ich kann es, denn ihr alle seid meine Diener!« Er sah nun auch mich an, und ich verspürte das Unbehagen, das seine Worte bei mir auslösten. »Jeder wird das tun, was ich von ihm verlange. Auch du, Vandra von Laggohn!«

»Ich muß mich an die Anordnungen der Flotte halten!«

»Du wirst dich an die meinen halten!« Akon-Akons Stimme gewann an Schärfe. »Wer außer mir ist Träger des Kerlas-Sta­bes?«

»Ich kenne niemanden«, gab Vandra zu. »Damit ist die Diskussion beendet. Pro­

grammiere den Kurs!« Vandra von Laggohn wirkte für meine

Begriffe jetzt unentschlossen, was ich nicht ganz verstand. Bisher hatte sie sich standhaft geweigert, dem Befehl Akon-Akons Folge zu leisten, darum erschien mir die plötzliche Unentschlossenheit unlogisch.

Es war mir klar, daß sie eine Entschei­dung zu treffen hatte, fragte mich aber, wel­che. Daß sie freiwillig Akon-Akons Befehl nicht ausführen würde, war mir klar. Nie­mals würde sie die Koordinaten des unbe­kannten Sonnensystems verraten, das von den Akonen »Versteck« genannt wurde.

»Nun, wird es bald?« erkundigte sich Akon-Akon mit unheimlicher Ruhe. »Du solltest nicht so lange überlegen, Vandra von Laggohn, sonst wirst du nie mehr Kom­mandantin eines akonidischen Schiffes sein.«

»Und wenn ich mein Volk verrate werde ich es erst recht nie mehr sein!« gab sie ent­schlossen zurück. »Ich achte dich als Träger des heiligen Stabes, Akon-Akon, aber ich verweigere dir in diesem Augenblick den Gehorsam. Gehörtest du zu unserem Volk, würdest du mich sicherlich verstehen. Ver-

Clark Darlton

giß auch nicht, daß sich in diesem Schiff Ar­koniden aufhalten. Sie sind die letzten, die ich ins Versteck bringen würde.«

»Sie werden keine Gelegenheit mehr er­halten, es jemals zu verlassen.«

Das waren ja herrliche Aussichten, die Akon-Akon da von sich gab. Er wollte uns den Akonen ausliefern, die man nicht gerade als Freunde der Arkoniden bezeichnen konnte. Ich hätte gern protestiert, aber es war unmöglich, sich gegen Akon-Akons Einfluß zu wehren.

Aber diesen Einfluß hatte er nicht auf die Akonen.

»Du bist frei, sobald wir das Versteck er­reichen«, sagte Akon-Akon.

Sie lehnte ab: »Ich gebe nichts auf deine Versprechun­

gen, auch wenn du Träger des Kerlas-Stabes bist. Ich darf ihnen keinen Glauben schen­ken. Der Friede meines Volkes ist wichtiger als deine Wünsche.«

Ich bemerkte, daß Akon-Akon die Zor­nesröte ins Gesicht schoß. Nur noch müh­sam beherrschte er sich, aber ich wußte, daß es nicht mehr lange dauern würde, bis er ex­plodierte. Fartuloon, der neben mir stand, stieß mich sachte an. Eine überflüssige Ge­ste, denn wir konnten nicht eingreifen, ob­wohl ich es diesmal gern zugunsten der Akonen getan hätte.

»Du wirst gehorchen, Vandra von Lagg­ohn!« brüllte er sie an.

»Nein!« Mit der rechten Hand hob er den Kerlas-

Stab. »Du kennst die Kräfte des Stabes nicht,

aber ich versichere dir, sie sind furchtbar. Und ich werde sie benutzen, um dich zu zwingen! Niemand kann der Macht des Sta­bes widerstehen. Ich frage dich zum letzten Mal: Bist du bereit, dieses Schiff zum Ver­steck zu bringen?«

Sie erwiderte seinen zwingenden Blick mit plötzlicher Entschlossenheit.

»Lieber werden wir alle sterben!« sagte sie und rief dann in einer mir unbekannten Sprache ein Wort. Es mußte ein Kodewort

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sein, ein akustischer Impuls zum Unterbe­wußtsein der acht Akonen.

In derselben Sekunde, in der sie das Wort aussprach, erstarrten ihre sieben Besatzungs­mitglieder und sie selbst zur völligen Bewe­gungslosigkeit, dann fielen sie um.

Ich konnte noch hinzuspringen und Van­dra auffangen, aber ich spürte, daß ihr Kör­per steif wie Holz geworden war. Das Leben schien aus ihm entflohen zu sein. Während ich sie auf den Boden legte, legte ich meine Hand auf ihre Brust – und spürte den ver­langsamten Herzschlag.

Langsam richtete ich mich wieder auf. Akon-Akon war von dem, was sich vor

seinen Augen abspielte, wie gelähmt. Er ließ die Hand mit dem Stab wieder sinken.

»Was war das?« fragte er ratlos. »Wahrscheinlich ein posthypnotischer

Befehl, dessen Durchführung von dem Ko­dewort abhing«, sagte ich. »Jedenfalls wer­den wir jetzt nicht mehr so schnell die Koor­dinaten des Verstecks der Akonen erfahren.«

»O doch, wir werden sie erfahren!« ent­gegnete Akon-Akon. »Bringt die Akonen in ihre Zelle zurück, man soll sie untersuchen. Vielleicht können wir einen von ihnen auf­wecken. Und wenn nicht, dann werden wir selbst den Navigationsspeicher des Schiffes erforschen. Er muß die Koordinaten enthal­ten! Wir werden sie finden!«

»Die Technik der Akonen unterscheidet sich von der der Arkoniden«, erinnerte ich ihn. »Um sie kennenzulernen, benötigen wir Zeit.«

»Zeit ist das, was wir nicht haben!« fuhr er mich an. »Beginnt mit der Arbeit, oder ihr zieht euch meinen Zorn zu.«

Fartuloon nickte mir zu. Wir brachten die starren Körper der Akonen in die Kabine, legten sie auf die Betten und schlossen die Tür.

»Es existiert eine gewisse Verwandtschaft zwischen akonischer und arkonidischer Technik«, sagte Fartuloon, als wir wieder auf dem Weg zur Kontrollzentrale waren. »Das sollte uns die Arbeit erleichtern.«

»Wir sind erledigt, wenn wir wirklich das

Versteck finden sollten«, gab Karmina zu bedenken. »Habt ihr das vergessen?«

»Natürlich nicht«, beruhigte ich sie. »Sobald wir einigermaßen mit dem Schiff umgehen können, wird uns schon etwas ein­fallen, das wir durchführen können, ohne di­rekt den Anordnungen Akon-Akons zuwi­derhandeln. Ich muß allerdings zugeben, daß mich die Koordinaten schon interessieren würden …«

»Vergiß es lieber wieder!« riet sie mir. Nicht in bester Stimmung erreichten wir

die Zentrale. Einige unserer Techniker er­warteten uns bereits. Brontalos hatte sich am Navigationscomputer zu schaffen gemacht.

»Wo ist Akon-Akon?« fragte ich. »Der Herr hat sich zurückgezogen«, gab

Brontalos Auskunft. »Er muß nachdenken.« »Das kann er dann gleich für uns mitbe­

sorgen«, meinte Ra bissig. »Es kommt so oder so nichts Vernünftiges dabei heraus.«

»Kommen Sie mit dem Computer klar, Brontalos?« fragte ich.

Er hob beide Hände in einer Geste des Bedauerns.

»Noch nicht, Atlan, aber ich kann Paralle­len zu unserer eigenen technischen Entwick­lung entdecken. Es sollte möglich sein, das Ding zur Preisgabe seiner Geheimnisse zu bewegen.«

»Ich lege keinen Wert auf die Koordina­ten des Verstecks«, eröffnete ich ihm. »Wenn wir sie finden, löschen wir sie. Noch besteht kein hypnotischer Zwang, es nicht zu tun.«

»Die einzige Möglichkeit«, gab Fartuloon ein wenig neidisch zu, weil er nicht selbst auf den Gedanken gekommen war.

Akon-Akons Befehle wurden erst dann zwingend, wenn er sie erteilt hatte. Zwar hatte er uns die Anordnung gegeben, die be­treffenden Koordinaten zu finden, aber er war so leichtsinnig gewesen, uns nicht die Übergabe ausdrücklich zu befehlen.

Das war ein kleiner, aber wichtiger Unter­schied.

Ich kümmerte mich nicht mehr um die Koordinaten, sondern setzte mich hinter die

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Hauptkontrollen des Schiffes. Im Nebenses­sel saß bereits Karmina.

Auf dem Panoramaschirm standen die Sterne eines Teils des Universums, das ich nicht kannte. Wenigstens nicht so gut, um mich zurechtzufinden. In diesem Gebiet, das wußte ich inzwischen, hatte es viele Koloni­alplaneten der Akonen gegeben, die inzwi­schen von ihnen aufgegeben worden waren. Deshalb waren die Demontagekommandos unterwegs. Niemand sollte vielleicht noch intakte Transmitter finden.

Sie führten vielleicht mitten ins Versteck. In aller Ruhe studierte ich die Kontrollen.

Obwohl sie in der Anlage und Konstruktion eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit jenen auf unseren Schiffen hatten, waren sie doch fremd. Es würde schwer sein, ihre einzelnen Bedeutungen richtig zu erfassen.

»Gar nicht so unkompliziert, Atlan«, meinte Karmina, und es klang nicht sehr op­timistisch. »Ich fürchte, Akon-Akon mutet uns ein wenig zuviel zu.«

»Du hast recht, Karmina. Im Augenblick fallen wir ohne Antrieb und Steuerung mit Unterlicht durchs All. Es gibt kein Ziel, das programmiert worden wäre. Vandra und ihre Akonen liegen in totenähnlicher Starre in ih­rem Gefängnis. Sie können uns nicht helfen. Selbst wenn sie wollten, könnten sie es nicht.«

»Sie dürfen es nicht!« berichtigte ich sie. Sie deutete auf eine kleinere Schalttafel. »Das wird für die Orter sein, nehme ich

an. Aber wo sind die Kontrollen für Antrieb und Transition?«

»Das können wir uns aussuchen«, erklärte ich ihr und zeigte mit einer großartigen Ge­ste auf die tausend Knöpfe, Schalter und He­bel. »Aber wir dürfen keinen falschen betäti­gen, sonst …«

Das war ihr ebenfalls klar. Brontalos sprach mit Fartuloon, der kurz

darauf zu mir kam. »Ziemlich komplizierter Vorgang, Atlan.

Es gibt gespeicherte Daten, aber wie sollen wir herausfinden, welche zum Versteck ge­hören? Der bisher zurückgelegte Kurs jeden-

Clark Darlton

falls ist im Speicher nicht enthalten. Höchste Geheimhaltung auch hier. Es ist, als ob die Akonen mit der Kaperung ihres Schiffes ge­rechnet hätten.«

»Sie sind vorsichtig«, vermutete ich. »Wie steht es mit den Entfernungen der Ko­ordinationspunkte?«

»Unterschiedlich. Das nächststehende Sy­stem müßte 32 Lichtjahre entfernt sein. Das weiteste in vierhundert Lichtjahren. Kannst du damit etwas anfangen?«

»Vielleicht«, gab ich zurück, während in meinem Gehirn ein Plan zu reifen begann, der nicht im Widerspruch zu den Befehlen Akon-Akons stand. »Brontalos soll mir die genauen Daten der nächsten verzeichneten Sonne geben. Ich nehme an, es handelt sich um jene Systeme, in denen sich einer der ehemaligen Kolonialplaneten befindet.«

Fartuloon staunte: »Wie kommst du denn auf diese Idee?« »Ohne besonderen Grund, mein Lieber.

Ich nehme es nur an, das ist alles. Vielleicht habe ich sogar recht.«

Er schüttelte den Kopf und ging zurück zu Brontalos.

»Es wäre fast logisch«, meinte Karmina. »Vandra, wie du sie zu nennen pflegst, hat ja schließlich die Aufgabe, derartige Welten anzufliegen, um die Kommandos nach Er­füllung ihres Auftrags abzuholen.« Sie sah mich forschend an. »Was hast du eigentlich vor, Atlan?«

Ich lächelte vorsichtig. »Ehrlich gesagt, das weiß ich selbst noch

nicht. Aber wir müssen Zeit gewinnen, das dürfte auch dir klar sein. Wir müssen Akon-Akon in Sicherheit wiegen und dafür sorgen, daß Vandra bald erwacht. Vielleicht verrät sie sich.«

Sie warf mir einen undefinierbaren Blick zu und schwieg.

Ich begriff ihre Eifersucht auf die Akonin nicht, ganz abgesehen davon, das sie völlig grundlos war. Mit beiden Frauen verband mich lediglich der Umstand, daß wir Gefan­gene Akon-Akons waren. Nun ja, ich mußte zugeben, daß ich Karmina länger kannte und

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daß sie sich schon früher auf meine Seite ge­schlagen hatte, aber das gab ihr noch lange nicht das Recht, mich in meiner persönli­chen Bewegungsfreiheit einzuengen.

»Um die Betriebstechnik des Schiffes richtig kennenzulernen, müssen wir landen – falls wir wenigstens das können. Wir müs­sen ja Akon-Akon nicht unbedingt auf die Nase binden, wieviel wir herausfinden oder bereits herausgefunden haben.«

Ich deutete auf die Kontrollanlage, mit der sich Brontalos die ganze Zeit über be­schäftigt hatte. Karmina nickte.

»Ja, ich weiß – die Transitionsprogram­mierung. Da wir genaue Koordinaten haben, dürfte es nicht schwierig sein, den Kurs zu diesen 32 Lichtjahren entfernten Planeten zu berechnen. Ich frage mich nur, ob uns das wirklich weiterhelfen wird.«

»Versuchen müssen wir so ziemlich al­les«, gab ich zurück.

Sie nickte mir zu und machte sich wieder an die Arbeit.

Fartuloon kam aus der Orterzentrale, die mit der Funkzentrale durch eine Tür verbun­den war.

»Es hat wenig Sinn, Funksprüche loszuja­gen«, sagte er und setzte sich zu mir. »Wer weiß, wer sie auffängt …? Bestimmt keiner, den wir zu sehen wünschen. Und was die Orter angeht: nichts! Aber die Fernortung kann das System ausmachen, von dem wir sprachen. Wenn Brontalos mit der Program­mierung nicht zurechtkommt, könnten wir fast eine Transition auf Sicht wagen.«

»Ziemliches Risiko«, machte ich ihn auf­merksam.

Er zuckte die Schultern. »Na, und wenn schon? In der Sonne wer­

den wir nicht gerade landen. Und Korrekturen können wir immer noch

vornehmen.« »Keine Sorge!« mischte sich Brontalos

ein. »Ich glaube, ich komme mit der Pro­grammierung klar. Wie gut, daß ich vorher aufgepaßt habe.«

»Du hast die Akonen beobachtet?« fragte ich ihn.

»Natürlich habe ich das. Wir hätten sie doch nicht ewig hinter den Kontrollen lassen können. Zwar hatte ich mir den Kommando­wechsel auch anders vorgestellt, aber das spielt nun keine Rolle mehr. In einer halben Stunde bin ich soweit. Aber mehr als die 32 Lichtjahre möchte auch ich nicht riskieren.«

»Das wird vorerst auch nicht notwendig sein.« Ich sah Fartuloon an. »Kommst du mit? Ich möchte mir die Akonen ansehen.«

Ich ignorierte Karminas Seitenblick und verließ mit Fartuloon den Kontrollraum.

»Blöde Situation!« knurrte er, als wir im Korridor waren. »Wenn das so weitergeht, verlieren wir unser eigentliches Ziel völlig aus den Augen. Wir kommen keinen Schritt vorwärts.«

»Seien wir froh, wenn es nicht rückwärts geht«, versuchte ich ihn zu trösten, aber es klang nicht sehr überzeugend. »Wir haben doch Mediziner in der Gruppe. Kümmern sie sich um Vandra und ihre Besatzung?«

»Wir werden ja sehen …« In der Tat waren zwei Arkonidinnen bei

den so plötzlich erstarrten Akonen und un­tersuchten sie. Und als wir eintraten, richtete sich eine von ihnen auf.

»Ich bin Karelia, eine Medizinerin. Es tut uns leid, aber wir können die Ursache der … der Erkrankung nicht feststellen. Alle Le­bensfunktionen sind nahezu erloschen, aber sie sind nicht tot. Wir müßten Spezialappa­raturen zur Verfügung haben, dann ließe sich Näheres feststellen.«

»Müßten an Bord sein«, gab ich zurück und bückte mich, um Vandras Hals abzuta­sten. »Die Körpertemperatur ist stark abge­sunken.«

»In diesem Zustand würden sie monate­lang ohne Nahrung auskommen können, At­lan. Eine künstliche Hibernation, würde ich sagen.«

»Man müßte sie aufwecken.« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Das könnte ihren Tod herbeiführen. Ein

posthypnotischer Befehl darf nicht ohne weiteres unterbrochen werden. Außerdem haben wir uns in der Krankenabteilung des

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Schiffes umgesehen. Viel ist da nicht vor­handen, das uns nützen könnte. Wir sind auf unsere eigenen Mittel angewiesen.«

Ich betrachtete Vandras Gesicht. Die Au­gen waren geschlossen, aber es kam mir so vor, als bewegten sich die feinen Nasenflü­gel der Akonin. Ihre Haut fühlte sich aber kalt und leblos an. Sie war steif wie ein Brett.

Fartuloon sagte: »Wir können hier nichts tun, Atlan. Wir

können nur warten, bis sie von selbst wieder erwachen.«

Ich richtete mich wieder auf. »Hoffentlich tun sie das im richtigen Au­

genblick. Vielen Dank, Karelia. Sie bleiben hier?«

»Solange Akon-Akon uns nicht daran hin­dert, ja.«

»Er hat ebenfalls ein Interesse daran, daß sie wieder lebendig werden. Ich glaube da­her nicht, daß er etwas dagegen hat, wenn Sie hierbleiben. Wir werden ab und zu her­einschauen.«

Wieder auf dem Gang hörte ich das Sum­men eines Interkoms. Schnell drückte ich auf den Empfangsknopf. Auf dem Bild­schirm über der Anlage erschien Karminas Gesicht. Sie sah mich forschend an, dann sagte sie:

»Brontalos ist mit der Sichtberechnung fertig, Atlan. Sollen wir die Transition durchführen?«

»Ohne Akon-Akon zu fragen?« »Warum sollen wir ihn fragen? Er hat uns

ja auch die Transition nicht verboten.« Das stimmte allerdings. Er hatte uns freie

Hand gelassen, um nach einer Lösung zu su­chen. Wir hatten eine gefunden.

»Wartet, bis wir in der Zentrale sind.« Wir beeilten uns, denn ich hatte das Ge­

fühl, keine Zeit mehr verlieren zu dürfen. Ra, dem wir begegneten, folgte uns, ohne Fragen zu stellen.

Brontalos blickte uns entgegen. »Sichere Transition mit einem Faktor von

plus oder minus einem Lichtjahr. Wenn man sich Zeit läßt, kommt man schon hinter den

Clark Darlton

technischen Kram hier. Man merkt doch, daß ein gemeinsamer Ursprung vorhanden ist. Das Resultat ist fast identisch.«

»Aber auch nur fast«, erwiderte ich und setzte mich.

»Wie geht es den Akonen?« fragte Karmi­na.

»Sie schlafen tief und fest«, gab ich kurz zurück.

Brontalos erklärte mir die einzelnen Funktionen der Transitionsanlage, und ich mußte ihm recht geben. Die Ähnlichkeit mit den arkonidischen Anlagen war unverkenn­bar.

»Also gut, versuchen wir es«, sagte ich, ohne viel zu überlegen. »Gibt es schon Da­ten des Systems, das wir anfliegen wollen?«

»Ein paar«, warf Karmina ein. »Eine Son­ne mit drei Planeten. Der zweite scheint recht gute Lebensbedingungen zu bieten.«

»Wenn unsere Vermutungen richtig sind, muß er es zumindest vor einigen tausend Jahren getan haben«, schränkte ich ihren Optimismus ein. »Bald wissen wir mehr.«

»Die Bezeichnung im Speicher lautet ›Gonwarth‹ damit ist wohl der zweite Planet gemeint.«

»Wir werden sehen«, sagte ich. »Brontalos … fertig?«

»Schon lange!« Ich schaltete den Interkom ein, um die

Besatzung auf die bevorstehende Transition vorzubereiten. Das war schon bei einer nor­malen Transition üblich, ganz zu schweigen von der bevorstehenden. Niemand konnte vollkommen sicher sein, ob sie gelang oder nicht.

Heimlich befürchtete ich das Eingreifen Akon-Akons, aber er meldete sich nicht. Ich war sicher, daß er den Interkom abhörte und somit unterrichtet war, was wir planten. Daß er keine Reaktion zeigte, schien mir ein Zei­chen für sein Einverständnis zu sein.

Ich nickte Brontalos zu. »Einleiten!« Fartuloon und ich hatten die Gurte ange­

legt. Nun konnten wir nichts anderes tun, als auf den Bildschirm zu starren und abzuwar­

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ten. Die Sterne verschwanden. Gleichzeitig

setzte der Entzerrungsschmerz ein, und zwar mit solcher Intensivität, daß ich fast das Be­wußtsein verlor.

Aber nur eine kaum meßbare Zeit dauerte der materielose Zustand, dann wurde der Panoramaschirm wieder hell. Neue Konstel­lationen erschienen, und genau in ihrer Mitte stand eine helle, flammende Sonne.

Wir fielen genau auf sie zu. Vier oder fünf Lichtstunden, schätzte ich

die Entfernung, also Zeit genug, Vorberei­tungen zu treffen. Das Schiff flog mit halber Lichtgeschwindigkeit.

Ich löste die Gurte, Fartuloon und die an­deren folgten meinem Beispiel.

»Scheint ja gutgegangen zu sein«, sagte Brontalos, und ich konnte seiner Stimme entnehmen, daß er darüber genauso verblüfft war wie ich. »Keine weitere Transition mehr nötig.«

Die Tür öffnete sich. Akon-Akon erschi­en.

»Ist die Transition gelungen?« erkundigte er sich. Er sah die helle Sonne. »Was ist das?«

»Der Stern des Planeten Gonwarth, auf dem wir landen werden, um das Schiff bes­ser kennenzulernen«, klärte ich ihn auf. »In einigen Tagen werden wir mehr wissen, vielleicht sogar die Koordinaten des Ver­stecks, das uns die Akonen nicht verraten wollten.«

Er machte keine weitere Bemerkung und verschwand wieder.

Fartuloon sah ihm skeptisch nach. »Er hat nichts zu meckern?« wunderte er

sich. »Das nenne ich ein Wunder.« »Ich hoffe, wir erleben noch mehr solche

Wunder in Zukunft.« Ich stand auf und ging zu Brontalos. »Gut gemacht, mein Freund. Sie haben gut aufgepaßt und den Akonen ei­ne Menge abgesehen.«

»Die Landung wird ein Kinderspiel sein.« Das war Karmina, die sich anscheinend übergangen fühlte. »In zehn Stunden werden wir landen. Oder soll ich die Geschwindig­

keit erhöhen, Atlan?« »Das ist überflüssig. Versuche lieber, die

Daten für die Umlaufbahn zu errechnen, da­mit wir sicher landen können. Fartuloon und ich kümmern uns um Orter und Massetaster. Vorsichtshalber werden wir auf Funkemp­fang bleiben, damit es keine Überraschun­gen gibt. Es könnte ja gut sein, daß auf Gon­warth ein Demontagekommando der Ako­nen bei der Arbeit ist.«

»Das fehlte uns gerade noch!« entfuhr es Fartuloon.

»Allerdings!« gab ich ihm recht. »Aber soweit wir den Speichern entneh­

men können, war zum Beispiel der Planet Saruhl gelöscht worden. Daraus ist zu fol­gern, daß nur jene Welten mit ihren Koordi­naten gespeichert sind, die noch angeflogen werden müssen. Und dazu gehört auch Gon­warth. Wir dürfen also hoffen, daß uns dort niemand erwartet, daß wohl aber jemand ir­gendwann in der Zukunft eintreffen wird.«

»Genauso unangenehm«, meinte Fartu­loon peinlich berührt.

Die Stunden vergingen mit Messungen. Mit den betreffenden Instrumenten kamen wir einigermaßen klar. Akon-Akon ließ sich nicht sehen. Karelia berichtete, daß keine Veränderung im Befinden der acht Akonen eingetreten sei.

Der Planet Gonwarth besaß eine atembare Sauerstoffatmosphäre, normale Gravitati­onsverhältnisse, eine Rotation und erträgli­ches Klima. Es gab einige kleinere Meere und zwei Hauptkontinente. Die Instrumente verrieten eine gleichmäßig auf der Oberflä­che verteilte Vegetation.

»Hört sich gut an«, meinte Fartuloon. »Da halten wir es ein paar Wochen aus, wenn nichts dazwischenkommt.«

»Wir haben keine Zeit zu verlieren – und doch haben wir Zeit«, erwiderte ich mit zwiespältigen Gefühlen. »Jedenfalls versäu­men wir in unserer augenblicklichen Lage nicht viel, denn solange Akon-Akon bei uns ist, ist jeder Zeitverlust zugleich auch ein Zeitgewinn.«

Fartuloon grinste.

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12

»Sehr weise gesprochen, mein Sohn. Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.«

Sein Spott kränkte mich nicht, denn ich kannte ihn schließlich schon lange genug. Schließlich war er mein Lehrmeister, seit er mich im Alter von vier Jahren zu sich ge­nommen hatte, kurz nachdem mein Vater er­mordet worden war.

Ich gab sein Grinsen zurück und wandte mich an Karmina.

»Wann erreichen wir die Umlaufbahn?« »In dreißig Minuten. Dann kann ich die

Landung programmieren.« »Wir suchen uns einen guten Platz aus«,

schlug ich vor. »Die Massetaster haben be­reits angesprochen. Kann sein, daß wir auf Anhieb die alte Station der Akonen finden, samt Transmitter.«

Ich setzte mich wieder vor den Panorama­schirm, auf dem Gonwarth von Minute zu Minute an Größe und Umfang zunahm. Meere und Kontinente waren deutlich zu un­terscheiden. Die Wolkendecke war nur dünn und meist unterbrochen, so daß der Blick auf die Oberfläche fast ständig frei blieb.

Ein Bild, wie ich es schon hundertmal er­lebt hatte, und doch eine fremde, unbekannte Welt.

Eine Warnung kam von meinem Extra­hirn, doch ich ignorierte sie. Ich wußte aus Erfahrung, daß es manchmal auch gefühls­mäßig reagierte.

»Die Massetaster zeigen eine ziemlich gleichmäßig verteilte Metallansammlung auf dem größeren Kontinent an«, informierte mich Fartuloon. »Es könnte sich sehr gut um eine Station handeln.«

Eine Station …? Ich hatte nichts dagegen einzuwenden, denn mit einer Station war zu­meist auch ein Depot und ein Transmitter verbunden. Ob uns das aus der Klemme half, blieb abzuwarten.

Wir glitten in die Umlaufbahn. Karmina sammelte die hereinkommenden

Daten und ließ sie vom Computer bearbeiten und auswerten. Auf der Oberfläche waren nun Einzelheiten zu erkennen. Mehr als nur einmal glaubte ich in der Vergrößerung Bau-

Clark Darlton

ten oder zumindest Ruinen zu entdecken, war mir aber meiner Sache nicht sicher. Von großer Höhe aus gesehen, wirkten manche natürlichen Formationen wie künstlich ange­legt – und umgekehrt.

»Jetzt ist die Station genau unter uns«, sagte Fartuloon.

Das Gebiet lag in der Mitte des Bild­schirms. Rein optisch konnte ich keine Be­sonderheiten bemerken, die auf eine künstli­che Beeinflussung der Oberfläche hingedeu­tet hätten. Im Gegenteil: ich erblickte nichts als riesige Savannen, Steppen, flache Gebir­ge und Wälder. Manchmal kam es mir so vor, als gäbe es gewaltige Einbrüche auf den sonst ebenen Flächen, dann wieder glaubte ich lange Reihen von kleinen Türmen zu se­hen, die allerdings nicht exakt ausgerichtet waren. Ich hatte sie schon vorher beobach­tet. Wenn die Akonen sie einst errichtet hat­ten, so blieb mir ihr Zweck vorerst noch ein Rätsel.

»Die Berechnung ist fertig«, unterbrach Karminas Stimme meinen fruchtlosen Ge­dankengang. »Soll ich einleiten?«

Ich nickte ihr zu. Die Tatsache, daß Akon-Akon uns ge­

währen ließ, bereitete mir Sorgen, so para­dox das auch klingen mochte. Sonst hatte er uns ständig bewacht.

Das Schiff verlangsamte die Fahrt und sank tiefer. Wir überflogen das Meer und den kleineren Kontinent und erreichten wie­der ein Meer. Als am Horizont abermals Land auftauchte, wußten wir, daß es der große Kontinent mit der Station war – wenn es überhaupt eine war. Aber alle Anzeichen deuteten darauf hin.

Über allen Problemen durfte ich unsere Hauptaufgabe nicht vergessen: wir mußten die Technik des Akonenschiffs studieren und kennenlernen. Notfalls mußten wir in der Lage sein, es ohne Schwierigkeiten zu jedem Platz der Galaxis zu steuern. Mit oder ohne diesen Akon-Akon, der uns allen all­mählich auf die Nerven ging.

Die Küstenlinie lag nur noch wenige Ki­lometer unter uns, als wir den Ozean hinter

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uns ließen. Der programmierte Landeplatz lag im Landesinnern, mehr als tausend Kilo­meter vom Meer entfernt. Wir gingen tiefer und näherten uns ihm. Dann standen wir senkrecht darüber, und nun hatte ich Gele­genheit, das Gelände besser sondieren zu können.

Der Bildschirm zeigte die nähere Umge­bung des Landesplatzes in allen Einzelhei­ten.

In drei Kilometern Entfernung entdeckte ich einen dieser Einbrüche, die mir schon vorher aufgefallen waren. Er besaß einen Durchmesser von etwa zwei Kilometern und war nahezu rund. Er sah aus wie ein Krater, aber er war mit Sicherheit keiner. Der typi­sche Ringwall fehlte völlig. Das Gelände war einfach eingebrochen, so, als habe es darunter einen riesigen Hohlraum gegeben, dessen Decke das Gewicht der darüber la­gernden Massen nicht mehr tragen konnte.

Das Schiff landete sanfter, als ich gehofft hatte.

Karmina desaktivierte ihre Kontrollen und sah mich triumphierend an.

»Wir sind gelandet«, sagte sie. Ich stand auf und ging zu ihr. »Gut gemacht«, lobte ich. »Du bist ein

erstklassiger Pilot.« Diesmal grinste Brontalos, wie ich mit ei­

nem Seitenblick feststellte. »Und was nun?« wollte Fartuloon wissen.

»Sehen wir uns die Gegend an?« »Später! Ich glaube, es ist ratsam, wenn

wir uns um Akon-Akon kümmern. Bis jetzt hat er uns ja freie Hand gelassen, aber wir müssen ihm zeigen, daß wir auf seine An­ordnungen warten, sonst schiebt er unserer Freiheit einen Riegel vor.«

»Das klingt vernünftig«, stimmte mir Far­tuloon sofort zu.

»Ich gehe zu ihm.« Sie sahen mir nach, bis ich auf dem Korridor stand.

Ich ging langsam, um Zeit zu gewinnen. »Was sage ich ihm?« überlegte ich laut.

2.

Wir erhielten von Akon-Akon die Geneh­migung zum Verlassen des Schiffes, aber er machte uns darauf aufmerksam, daß unsere Hauptaufgabe das Studium der Antriebskon­trollen und der übrigen technischen Anlagen sei, nicht das Erforschen einer längst verlas­senen Station der Akonen.

»Es wäre aber möglich«, warf ich ein, »daß in dieser Station Unterlagen über das Versteck zu finden sind.«

»Das ist auch der Grund, warum ich euch den Ausflug erlaube. Ich jedenfalls werde im Schiff zurückbleiben und es bewachen. Sollten die Akonen wieder zu sich kommen, werden sie keine Gelegenheit zur Flucht er­halten.«

»Die Arkoniden kümmern sich um sie.« »Auch Arkoniden verstehen es, mit

Raumschiffen umzugehen«, gab er zurück. »Sie könnten auf dumme Gedanken kom­men, wenn ich von Bord gehe.«

Von seinem Standpunkt aus hatte er na­türlich recht, aber leider war der seine nicht auch der unsere. Solange er sich im Schiff aufhielt, bestand nicht die geringste Chance, es eventuell zu kapern und damit seinem Einfluß zu entfliehen.

Zusammen mit Fartuloon und Ra unter­nahm ich den ersten Ausflug auf die Ober­fläche von Gonwarth. Karmina wollte unter aller Umständen dabei sein, aber ich erklärte ihr, daß die erste Inspektion viel zu gefähr­lich sei, um sie daran teilnehmen zu lassen.

»Außerdem«, fügte ich leise hinzu, »ist uns allen wohler, wenn jemand an Bord zu­rückbleibt, den wir für besonders zuverlässig halten.«

Damit gab sie sich zufrieden. Fartuloon nahm sein Skarg mit, Ra und

ich die Impulsstrahler. Mit dem Telekom konnte ich notfalls Verbindung mit Karmina aufnehmen.

Das Gras war hoch und üppig, aber nicht höher als einen halben Meter. Darüber spannte sich ein blauer Himmel mit feinen Wolkenschleiern, die jedoch die Sonnenein­strahlung kaum abschwächten. Es war ange­nehm warm und die Luft gut.

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Wir waren weit genug von der Einbruch­stelle entfernt gelandet, um das Schiff nicht zu gefährden. Sicher und fest stand es auf seinen Teleskopstützen, unter sich gewach­senen Boden, der bald in Fels überging. Das hatte der Massetaster verraten.

Fartuloon übernahm die Führung, das Skarg in der Hand. Ich bemerkte, daß sein Lederwams dringend einer Reinigung be­durfte. Es war speckig und voller Flecken. Die Hosen sahen auch nicht viel besser aus.

Wir folgten einer Art Pfad, ohne uns Ge­danken über seinen Ursprung zu machen. Vielleicht gab es hier Tiere, Gras zum Wei­den jedenfalls würden sie genügend vorfin­den. Vom Raum aus hatten wir allerdings nichts von einer Fauna registrieren können.

Fartuloon blieb stehen. »Und so wunderbare Welten haben die

Akonen damals aufgegeben, nur um sich in ihr Versteck zurückzuziehen – die müssen verrückt gewesen sein!«

»Sie hatten sicher ihre Gründe«, warf ich ein.

»Diese Welt erinnert mich ein wenig an meine Heimat«, sagte Ra. »Auch sie besitzt weite Steppen, aber auch viel Wälder und Flüsse. Es ist eine wilde, urwüchsige Welt, meine Heimat.«

Immer wieder konnte ich seinen Wunsch spüren, die Heimat wiederzusehen, aber ich konnte ihm nicht helfen. Niemand kannte die Koordinaten des Sonnensystems, aus dem er einst von Sklavenhändlern entführt worden war. Es stand weit außerhalb der Re­gion, die vom Großen Imperium beherrscht wurde.

Wenn ich meine mir selbst gestellte Auf­gabe erfüllt hatte und der Tod meines Vaters gerächt war, blieb mir vielleicht Zeit und Gelegenheit, Ras Herzenswunsch zu erfüllen und zumindest nach seiner Heimat zu su­chen.

»Hier gibt es ebenfalls Wälder, Ra, wie wir feststellen konnten, aber wir haben an­dere Dinge zu tun. Dort vorn muß die Stati­on liegen, vielleicht unter der Oberfläche. Vielleicht hat der Einbruch damit zu tun.«

Clark Darlton

Fartuloon war weitergegangen. Ohne sich umzudrehen, meinte er:

»Ob es wirklich ein Einbruch ist, werden wir noch feststellen müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die hochtechnisierten Akonen ihre Station über einem Hohlraum errichteten, von dem sie annehmen mußten, daß er eines Tages zusammenstürzen könn­te.«

Ich sah ein, daß es wenig Sinn hatte, wei­ter über Ursache und Wirkung nachzuden­ken. Außerdem näherten wir uns unserem Ziel, dem Rand des Einbruchs.

Wir blieben stehen und sahen hinab auf das, was einst die Station der Akonen gewe­sen war.

Das riesige Loch war nicht exakt rund, sondern mußte einst fast quadratisch gewe­sen sein. Nach und nach waren die Ränder abgebröckelt und hatten der Mulde ihre jet­zige Form verliehen. Nahezu senkrecht fie­len die Wände nach unten, allerdings nicht besonders tief. Zwanzig oder dreißig Meter unter uns erhoben sich in dem Loch einzelne Hügel, deren gleichmäßige Formen auf einen künstlichen Ursprung schließen lie­ßen. Sie waren mit Erde und Sand bedeckt und zum Teil mit Gras bewachsen.

Stumm betrachteten wir die Reste des einst sicherlich imposanten Bauwerks und versuchten, eine Erklärung für das zu finden, was hier geschehen war. Die einleuchtendste war die, daß es von Anfang an einen Hohl­raum gegeben hatte, über den man die Stati­on errichtet hatte, aber das widersprach ein­deutig jeder Vernunft. Also mußte der Hohl­raum erst viel später entstanden sein.

Aber wie? Mir kam der Gedanke, daß die Katastro­

phe absichtlich herbeigeführt worden war, alles deutete darauf hin. Auf der anderen Seite hätten die Akonen, wenn sie damals die Absicht gehabt hätten, ihre Station zu vernichten, einfach eine Bombe legen kön­nen.

»Wenn wir uns das nicht näher ansehen, werden wir nie dahinterkommen«, sagte Far­tuloon.

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»Es ist ja auch nicht unsere eigentliche Aufgabe«, erinnerte ich ihn. »Wir sollen das akonische Schiff und seine Anlagen studie­ren.«

»Immerhin sollen wir aber auch versu­chen, die Koordinaten des Verstecks zu fin­den, und du hast selbst die Vermutung geäu­ßert, die könnten in den Speichern der Stati­on enthalten sein.«

»Du weißt genau, warum ich das sagte, Fartuloon.«

Er nickte. Ra fragte: »Soll ich hinabklettern? Die Erde am

Rand des Hanges scheint einigermaßen fest zu sein.«

»Allein kommst du da nicht wieder hoch, Ra.«

Er sah mich an. »Na, dann müßt ihr mir eben dabei hel­

fen.« »Warte noch!« hielt ich ihn zurück, als er

mit dem Abstieg beginnen wollte. »Es wird besser sein, wir holen Verstärkung. Nie­mand weiß, was uns dort unten erwartet.«

»Ich habe keine Angst!« »Das ist es ja eben«, erklärte ich. »Wenn

du Angst hättest, würdest du vorsichtiger sein.«

Wir gingen weiter, immer in der Nähe des Randes, und umrundeten das Loch, wozu wir fast eine Stunde benötigten. Die Sonne sank allmählich dem westlichen Horizont entgegen. Unseren Berechnungen nach muß­te in zwei Stunden die Dämmerung einset­zen. Heute würden wir nicht mehr viel un­ternehmen können.

»Gehen wir zurück zum Schiff«, schlug ich vor. »Morgen ist auch noch ein Tag.«

»Und morgen klettere ich hinab!« sagte Ra bestimmt.

»Wir werden sehen …« Auf dem Rückweg sprachen wir nicht

viel. Vor uns in der Ebene stand der fünf­hundert Meter hohe Kugelraumer, der uns hierher gebracht hatte. Er würde uns auch wieder fortbringen – dachte ich.

Vor dem Schiff sah ich einige Gestalten.

Akon-Akon hatte den Arkoniden also er­laubt, sich ins Freie zu begeben. Vielleicht wollte er uns bei guter Laune halten.

Brontalos war es, der uns entgegenkam. »Nun?« fragte er. »Habt ihr etwas gefun­

den?« »Die Station«, sagte Fartuloon an meiner

Stelle, als ich nicht sofort antwortete. »Sie ist eingebrochen und wahrscheinlich zer­stört. Morgen werden wir sie uns näher an­sehen.«

»Das wird auch gut sein, Fartuloon. Wir haben inzwischen festgestellt, daß hier nicht alles geheuer ist.«

Fartuloon warf mir einen auffordernden Blick zu. Also übernahm ich die Fortfüh­rung des Gesprächs.

»Nicht geheuer? Wie meinen Sie das, Brontalos?«

Und er berichtete, was geschehen war.

*

Karmina Arthamin sah uns nach, als wir zu der verschütteten Station gingen. Sie hat­te keine Lust mehr, in der Kommandozen­trale weiterzuarbeiten. Sie wollte raus aus dem Schiff und sich die Beine vertreten. Die Arkoniden, die sie fragten, stimmten ihr zu.

Akon-Akon hörte sich ihre Bitte an und gab zehn Arkoniden die Erlaubnis, das Schiff zu verlassen, befahl ihnen aber, sich in der Nähe zu halten und uns auf keinen Fall zu folgen.

Brontalos nahm in einer romantischen Anwandlung seine Tagesration an Konzen­tratwürfeln mit, um einmal wieder »im Frei­en das Abendbrot« zu verzehren, wie er sich ausdrückte. Er fand einen geeigneten Platz dicht bei einer der äußeren Teleskopstützen, setzte sich in das dichte Gras und genoß zu­erst die Aussicht. Das Paket mit den Kon­zentratwürfeln legte er neben sich.

Karmina und einige der Wissenschaftle­rinnen entfernten sich fast fünfhundert Me­ter vom Schiff, ehe Akon-Akon sie über Funk zurückrief. Er beobachtete sie also ständig.

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Brontalos saß da und döste vor sich hin. Es war warm, und fast wäre er eingeschla­fen, wenn er nicht ein schleifendes Geräusch gehört hätte. Es war ganz dicht bei ihm, aber er sah nichts. Das Gras war viel zu niedrig, als daß sich jemand an ihn hätte heranschlei­chen können, um ihn vielleicht zu er­schrecken. Raumfahrer, die endlich mal wie­der festen Boden unter den Füßen spürten, kamen manchmal auf derartig kindische Ge­danken.

Brontalos suchte nicht weiter. Arglos griff er nach seinem Lunchpaket – aber seine Hand fand es nicht sofort.

Er blickte fassungslos auf die Stelle, an der es gelegen hatte. Das Gras war noch nie­dergedrückt, und ein schmaler Pfad eben­falls flachliegenden Grases führte von ihr weg.

Brontalos blieb ganz ruhig sitzen und überlegte.

Einer der Männer konnte ihm das kleine Paket nicht gestohlen haben, dazu war die Spur zu schmal. Sie war nicht breiter als ei­ne Hand. Und derjenige, der sie verursacht hatte, konnte auch nicht schwerer als ein paar Pfund gewesen sein, denn das Gras be­gann sich bereits wieder aufzurichten.

Der ersten Verblüffung folgte der Ärger über die Frechheit, er stand auf und sah sich suchend nach allen Seiten um, ohne etwas Verdächtiges entdecken zu können. Dann folgte er der Spur, die jedoch bereits nach einigen Dutzend Metern in einem kleinen Loch endete.

Damit war Brontalos endlich klar, was ge­schehen sein mußte.

Es gab Leben auf Gonwarth, wenn auch in primitiver Form.

*

Ich hatte mir seine Geschichte angehört, ohne ihn zu unterbrechen.

Fartuloon sagte ironisch: »Ich werde dafür sorgen, Brontalos, daß

Sie eine neue Ration erhalten. Schließlich sind Sie der erste von uns, der Leben auf

Clark Darlton

Gonwarth festgestellt hat – eine umwälzen­de Entdeckung.«

Daß es Tiere auf dieser Welt gab, bereite­te mir keine Sorgen – noch nicht. Es handel­te sich wahrscheinlich um dieselbe Gattung, die auch die Pfade in der Steppe verursacht hatte, wenngleich diese auch breiter waren als die Spur, die Brontalos gefunden hatte. Doch das hatte nicht viel zu bedeuten. Wo ein Tier nur einmal ging, entstand eine Spur. Benutzten aber mehrere Tiere immer wieder die gleiche Spur, entstand allmählich ein festgetretener Pfad.

»Spotten Sie nur, Fartuloon«, beschwerte sich Brontalos. »An meiner Stelle hätten Sie auch einen Schreck bekommen, nicht nur wegen der verschwundenen Konzentrate. Aber das Tier hätte ja auch gefährlich sein und mich anfallen können. Zum Glück ist das nicht geschehen. Wir müssen herausfin­den, was es ist und wovon es lebt.«

»Heute jedenfalls von Raumfahrerverpfle­gung«, sagte ich. »Ist sonst noch etwas pas­siert?«

»Nicht daß ich wüßte«, gab Brontalos verdrossen Auskunft.

Karmina kam herbei. »Komische Sache, nicht wahr?« fragte sie

und deutete auf Brontalos. »Wir haben sonst keine Spuren gefunden, obwohl wir alles ab­gesucht haben.«

Fartuloon sagte ungeduldig: »Nun laßt uns endlich mit diesem Getier

in Frieden, wir haben andere Sorgen. Mor­gen nehmen wir Gerätschaften mit und un­tersuchen die Station. Vielleicht finden wir einen Eingang, der sich freigraben läßt. Was machen die Akonen?«

»Da müßt ihr Karelia fragen«, teilte sie uns schnippisch mit und stolzierte davon, um bald darauf im Schiff zu verschwinden.

Fartuloon sah ihr nach und meinte: »Wenn die einen Mann kriegt, so ist der

schon heute zu bedauern. Sie wird sein Kommandant sein.«

Abends saßen wir noch in der Messe zu­sammen und unterhielten uns über die Ereig­nisse des Tages.

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Zum Leidwesen von Brontalos schien sich niemand für sein verschwundenes Päck­chen und den geheimnisvollen Dieb zu inter­essieren.

Die verschüttete Station war es, die jeden faszinierte.

*

Mit einiger Mühe gelang es uns, die im Hangar gelagerten Antigravplatten gefahrlos aus dem Schiff zu manövrieren und voll be­laden zu dem Loch schweben zu lassen, an dessen Rand sie landeten. Bald häuften sich dort die Geräte, die wir vermutlich benöti­gen würden.

Bevor wir sie zu der Station hinabschaff­ten, wollten wir eine genauere Erkundung vornehmen. Ra und ich legten uns auf eine der Platten und hielten uns fest. Fartuloon steuerte sie von dem Fernlenkautomaten aus.

Langsam glitten die zerbröckelnden Wän­de nach oben, während wir nach unten san­ken. Wir landeten auf einem der Hügel. Ich winkte Fartuloon zu, daß alles in Ordnung sei.

Mühsam bahnten wir uns einen Weg durch das Gebüsch und rutschten dann zur eigentlichen Talsohle hinab.

Jetzt wirkten die Bauten keineswegs mehr wie natürliche Hügel, denn die zum Teil noch senkrecht stehenden Metallwände wa­ren nicht mit Erde bedeckt worden. Dumpf und kalt blinkten sie im schräg einfallenden Sonnenlicht.

»Wird ja wohl eine Tür zu finden sein«, knurrte Ra und stand auf. Er zog seinen Strahler, faßte ihn beim Lauf und klopfte mit dem Griff vorsichtig gegen die Metallwand. »Nicht sehr dick. Im Notfall schmelzen wir sie durch.«

Wir wanderten durch die engen »Gassen«, bis wir endlich das größte der Gebäude er­reichten. Das mußte die eigentliche Trans­mitterstation gewesen sein. Vielleicht aber auch nur ein riesiges Depot.

Einen Eingang konnten wir nicht finden, und noch widerstrebte es mir, mit Gewalt

einzudringen. Wahrscheinlich war die Erd­schicht mehrere Meter dick und hatte die Türen und Fenster verschüttet. Was wir sa­hen, waren nur die obersten Etagen.

»Nun, was ist?« fragte Fartuloon über Te­lekom.

Ich berichtete ihm, was wir gefunden hat­ten und bat ihn, entsprechende Gerätschaften und einige Arkoniden herabzuschicken.

Dann begannen wir damit, den unteren Teil des großen Bauwerks freizulegen.

*

Die Sonne stand schon hoch, als wir es endlich geschafft hatten und den Eingang fanden. Er lag sieben Meter unter der eigent­lichen Talsohle und war geöffnet, so, als ha­be gerade jemand das Gebäude verlassen wollen, als der Hohlraum darunter zusam­menbrach.

Vorsichtig stiegen wir über Steine und Geröll und drangen ein. Es war dunkel, und wir mußten die Lampen einschalten. Über Telekom hörte ich Fartuloon sagen:

»Wartet, ich komme mit! Das muß ich mir ansehen!«

Wir standen in einem nicht übermäßig großen Raum ohne jede Einrichtung. Sein ursprünglicher Verwendungszweck war nicht mehr zu erraten. Immerhin gab es drei Türen, die in verschiedene Richtungen führ­ten.

Fartuloon erschien schnaufend, als sei er den Hang herabgeklettert und nicht ge­schwebt. Auch er schaltete seine Lampe ein.

»Weiter, Freunde! Was stehen wir hier nutzlos herum?«

Wir öffneten die mittlere Tür ohne Mühe und kamen in einen breiten Korridor, der vor einer Sicherheitswand endete, die wir nur mit den Strahlern beseitigen konnten, weil wir trotz allen Suchens die Kontrollen nicht fanden.

Wenn wir gehofft hatten, den großen in­terstellaren Materietransmitter hier zu fin­den, so sahen wir uns getäuscht.

Wir standen in einem ausgeräumten De­

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pot, von dem aus die ehemalige Kolonie ver­sorgt worden war. Lange Reihen von leeren Regalen zeugten von der einst reichhaltigen Auswahl der hier aufbewahrten Gegenstän­de, ohne die eine Niederlassung nicht exi­stieren konnte.

Wir ließen uns Zeit mit der Durchsu­chung, aber es war offensichtlich, daß der Auszug vor vielen tausend Jahren in aller Ruhe und mit peinlicher Sorgfalt durchge­führt worden sein mußte. Wir fanden nichts, keinen einzigen lockeren Gegenstand, den man vielleicht vergessen hatte.

Treppen führten nach unten in Räume, in denen noch Maschinenanlagen standen; die jedoch keinen funktionsfähigen Eindruck mehr machten. Die Schalttafeln sahen so aus, als habe jemand sie mit Beilen bearbei­tet.

Akon-Akon rief uns über den Telekom vom Schiff aus.

»Habt ihr die Speicheranlagen gefunden? Was ist mit den Koordinaten, die ich haben will?«

Fartuloon wollte antworten, aber ich kam ihm zuvor:

»Noch nicht, Akon-Akon, aber wir su­chen danach. Wenn die Speicher nicht ge­löscht oder mitgenommen wurden, finden wir sie auch.«

»Ich hoffe es im Interesse aller.« Er schaltete wieder ab. »Da kann er aber lange warten«, murmel­

te Fartuloon kaum hörbar. Wir durchforschten den ganzen Komplex,

aber so etwas Ähnliches wie eine Transmit­teranlage war nicht zu entdecken, allerdings auch keine Speicher mit Koordinaten oder anderen Daten, die uns weitergeholfen hät­ten.

Hier jedenfalls, das war uns allen klar, würde ein akonisches Demontagekommando nicht mehr viel zu tun haben.

Wir durchsuchten noch einige der halb­verschütteten kleineren Gebäude, fanden aber nichts von Bedeutung. Enttäuscht und müde standen wir später wieder auf dem Grund des Loches und kletterten auf die An-

Clark Darlton

tigravplatten, um uns nach oben bringen zu lassen.

Die anderen kehrten zum Schiff zurück, Fartuloon, Ra und ich blieben noch. Wir setzten uns ins Gras und schalteten die Tele­komgeräte ab, damit niemand unser Ge­spräch belauschen konnte.

»Alles verdammt merkwürdig«, faßte Far­tuloon zusammen.

»Ob das Loch von selbst entstanden ist?« fragte Ra.

Ich schüttelte den Kopf. »Es sieht so aus, aber ich glaube es nicht. Jedenfalls steht fest, daß die Katastrophe erst dann eintrat, als die Akonen Gonwarth bereits verlassen hatten. Darauf deutet so ziemlich alles hin. Der Einbruch ist also keineswegs die Ursa­che für die Aufgabe der Station. Den Spuren nach zu urteilen, muß es vor zwei- oder drei­tausend Jahren passiert sein.«

»Aber warum?« bohrte Fartuloon. »Die Akonen waren doch nicht so dumm, eine derartige Anlage über Hohlräumen zu er­richten!«

»Das haben wir bereits schon einmal fest­gestellt«, meinte ich. »Jemand muß also spä­ter hierhergekommen sein und die Station bewußt zerstört haben. Aber wer?«

Darauf wußte natürlich niemand eine Ant­wort.

Wir rätselten noch lange hin und her, ka­men aber zu keinem Ergebnis. Schließlich schalteten wir die Telekome wieder ein, um keinen Verdacht bei Akon-Akon zu erregen.

Jemand rief uns, und ich glaubte, Bronta­los' Stimme zu erkennen.

Fartuloon meldete sich. Es war Brontalos. »Könnt ihr zurückkommen? Wir haben

etwas Interessantes gefunden.« »Was denn?« »Kommt und seht es euch an! Keine fünf­

hundert Meter vom Schiff entfernt.« Fartuloon stand ächzend auf. »Die halten uns ganz schön in Bewe­

gung«, beschwerte er sich. Da die anderen alle Schwebeplatten mit­

genommen hatten, gingen wir zu Fuß. Am

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Schiff vorbei gelangten wir auf die andere Seite der Grassteppe, die sich allmählich ab­senkte. Darum hatten wir auch unsere Leute und Brontalos nicht sehen können, die uns zuwinkten.

Ra beschleunigte seine Schritte. Ich sah, wie Brontalos auf ihn einredete und immer wieder auf die pyramidenähnlichen Gebilde deutete, die wir ebenfalls vorher nicht hatten sehen können.

Sie standen in unregelmäßiger Anordnung in der riesigen Senke, manche bis zu zehn Meter hoch. Es waren mindestens zwanzig Stück, und sie waren – das konnten wir jetzt deutlich erkennen – durch Wege verbunden.

Richtige Wege waren es natürlich nicht, aber das Gras war niedergetreten oder sogar absichtlich beseitigt worden. Jedenfalls wa­ren sie deutlich als benutzte Pfade zu identi­fizieren.

Endlich erreichten wir die Gruppe. »Ich fand sie zufällig, als ich mich ein

wenig vom Schiff in dieser Richtung ent­fernte«, erzählte Brontalos aufgeregt. »Was ist das?«

Mir war klar, daß es keine künstlichen Gebilde waren, schon gar keine, die von den Akonen hier zurückgelassen worden waren. Welchen Sinn sollten sie auch schon gehabt haben? Das Material war Erde, ganz norma­le Erde wie jene, auf der wir standen. Da­zwischen bemerkte ich eingeflochtene Gras­halme, die dem Ganzen Halt zu geben schie­nen.

Ich bröckelte ein wenig ab und zerrieb es auf der Hand. Sehr haltbar war die Zusam­mensetzung nicht gerade, aber die Sonne hatte das ihrige getan, die Pyramidenbauten widerstandsfähig zu machen.

»Insektenbauten«, teilte uns Fartuloon überzeugt mit. »Das haben Insekten getan. Aber sie müssen ziemlich groß sein.«

»So groß wie dein Arm«, bestätigte ich seine Vermutung. »Nur glaube ich nicht, daß es sich bei den Pyramiden um Bauten han­delt. Ich nehme an, es ist überflüssige Erde.«

»Ich teile deine Meinung nicht«, wider­sprach Fartuloon. »Überflüssige Erde wür­

den sie einfach hier oben verstreuen, statt zu Pyramiden aufzuhäufen. Diese Hügel haben also einen ganz bestimmten Zweck. Ich neh­me auch nicht an, daß sie in ihnen hausen, aber vielleicht dienen sie als Aussichtstür­me.«

Ich verzichtete auf eine Fortsetzung der Diskussion. Wenn es hier wirklich größere Insekten gab, so brauchten wir uns deshalb nicht den Kopf zu zerbrechen. Immerhin noch besser, als würden riesige Saurier die Gegend unsicher machen.

Die anderen mochten ähnlich denken, denn in Grüppchen kehrten sie wieder zum Schiff zurück. Fartuloon und ich folgten ih­rem Beispiel. Ra gesellte sich zu uns.

»Auf meinem Heimatplaneten gab es auch Insekten, die ähnliche Bauten errichte­ten«, sagte er und beschrieb sie als manch­mal bis zur Länge eines Fingers werdende Tiere. »Gefährlich waren sie nicht, aber sie konnten lästig und schädlich werden, wenn ein Zug von ihnen unsere Dörfer überfiel. Sie waren nicht aufzuhalten, und selbst Flüs­se konnten sie überqueren. Als mir dann die Goldene Göttin das Feuer brachte, bekämpf­ten wir sie damit und vertrieben sie.«

»Ähnliche Insekten sind mir auch be­kannt«, erklärte Fartuloon. »Es gibt sie über­all, warum nicht auch hier.«

Als wir im Schiff waren, verlangte Akon-Akon von mir einen Bericht. Ich suchte ihn in seiner Kabine auf.

»Ihr habt keine Anzeichen eines Koordi­natenspeichers gefunden«, stellte er fest, ehe ich beginnen konnte. »Es wird also besser sein, ihr vergeßt die verschüttete Station und kümmert euch um die Kontrollen des Schif­fes, das ist wichtiger.«

»Ohne einen Hinweis auf die ungefähre Lage werden wir das Versteck der Akonen niemals finden«, machte ich ihn aufmerk­sam. »Es würde ein sinnloses Suchen wer­den. Vielleicht gibt es noch andere Stationen auf Gonwarth. Wir müssen sie alle durchsu­chen.«

»Wir wollen nicht unser halbes Leben auf dieser Welt zubringen, Atlan! Ich lasse euch

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noch einen Tag, die Station zu erforschen, dann darf niemand mehr aus dem Schiff.«

»Zwei Tage«, versuchte ich zu handeln, und ich hatte Glück.

»Also gut, zwei Tage, aber dann ist Schluß!«

Ich teilte den anderen Akon-Akons Ent­schluß mit. Niemand war sonderlich über­rascht, denn jeder wußte, wie verrückt der Junge danach war, das Versteck der Akonen ausfindig zu machen. Das erinnerte mich an Vandra und ihre sieben Besatzungsmitglie­der.

Karelia meldete keinerlei Veränderung im Zustand der Erstarrten. Keiner von ihnen hatte sich bisher gerührt oder auch nur die Augen geöffnet. Aber sie lebten noch.

»Das kann Wochen, ja Monate dauern«, vermutete die Medizinerin. »Es hat sogar schon Fälle gegeben, die von einem Erwa­chen erst nach Jahren berichten.«

Ich wußte davon. So sehr ich auch bedau­erte, daß Vandra sich gezwungen gesehen hatte, sich und ihre Leute auf diese seltsame Art und Weise jeder Verantwortung zu ent­ziehen, so froh war ich auf der anderen Seite darüber. Niemand von uns hatte wirklich ein Interesse daran, das Versteck der Akonen zu finden, denn wir würden es nie mehr leben­dig verlassen dürfen. Das stand fest.

An diesem Abend begaben wir uns alle ziemlich ratlos zur Ruhe.

*

Wir durchsuchten am nächsten Tag noch einmal alle verschütteten Gebäude und dran­gen auch in jene ein, deren Eingänge wir vorher nicht hatten finden können. Bei dem Einbruch waren sie regelrecht umgekippt und von den nachfolgenden Erdmassen be­graben worden.

Eine zweite Gruppe von uns war unter der Leitung Karminas ein Stück nach Osten in die Steppe hinausgewandert, wo in einigen Kilometern Entfernung ebenfalls ein kleine­rer Einbruch stattgefunden hatte. Wir hoff­ten, dort eine zweite Station zu finden.

Clark Darlton

Gegen Mittag meldete sich Karmina über Telekom.

»Es handelt sich um ein einzelnes Gebäu­de, das etwa zehn Meter tief unter die Ober­fläche sank. Die Umstände erinnern an das Loch, das wir gestern inspizierten. Wir ha­ben keine Erklärung.«

»Könnt ihr eindringen?« »Wir haben eine Öffnung geschmolzen.

Es muß sich um eine Art Labor oder Werk­statt gehandelt haben, aber viel ist davon nicht mehr vorhanden. Einige Maschinen und Metallblöcke. An manchen Stellen sieht es so aus, als habe man Wände oder Boden mit Säure übergossen.«

»Säure?« Ich warf Fartuloon, der neben mir stand, einen bedeutsamen Blick zu. »Wie meinst du das, Karmina?«

»Das Metall wirkt zerfressen oder doch zumindest angegriffen. Ob die Akonen keine Spuren hinterlassen wollten, als sie abzo­gen?«

»Das hätten sie wirkungsvoller haben können. Es muß eine andere Erklärung dafür geben. Sucht weiter.«

Ich kehrte früher als die anderen zum Schiff zurück, weil Brontalos mir wegen der Insektenbauten keine Ruhe ließ.

»Ich wollte es den anderen nicht sagen«, begann er, als ich ihn auf halbem Wege zwi­schen dem Schiff und den Insektenbauten traf. »Eben habe ich so ein Biest gesehen.«

»Ein Insekt?« »Ich bin sicher, daß es ein Insekt war,

denn es verschwand in einem der Löcher, die wir rings um die Pyramiden bemerkten. Die Größe stimmt ungefähr. Nun weiß ich auch, wer mir das Paket mit den Konzentra­ten gestohlen hat.«

»Wie groß war es denn?« Er hielt mir seinen Unterarm vor die Na­

se. »So groß, vielleicht etwas größer. Sie ha­

ben einen dunkelbraun schimmernden Pan­zer – wenigstens nehme ich an, daß es einer ist. Kaum sah es mich, da flitzte es auch schon davon und verschwand.«

»Chitinpanzer«, vermutete ich sofort.

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21 Planet der Gräber

»Wieviel Beine?« »Das konnte ich nicht so schnell sehen,

aber ich glaube acht. Die beiden vorderen Beine jedenfalls sind sehr breit und erinnern an Schwimmflossen. Aber hier in der Nähe gibt es doch gar kein Wasser.«

Ich dachte mir meinen Teil, behielt aber meine Vermutung für mich, eine Tatsache, die ich noch bereuen sollte.

»Wir müssen versuchen, eins dieser Tiere einzufangen, Brontalos. Aber Vorsicht! Das Beste wird sein, wir betäuben es.«

»Mit dem Paralysestrahler?« »Ja. Es muß geschehen, bevor sie Gele­

genheit haben, sich zu organisieren.« Er starrte mich an. »Wie ist das gemeint? Sie halten sie doch

wohl nicht für intelligent?« Ich schüttelte den Kopf. »Die Insekten auf allen uns bekannten

Welten haben eine ähnliche Entwicklung durchgemacht und eine gewisse Kollektivin­telligenz erworben. Das einzelne Insekt denkt nicht für sich allein, sondern für das ganze Volk. Sie sind Kollektivwesen, das unterscheidet sie von uns. Und sie sind in der Lage, sich zu organisieren, und vielleicht sogar anzugreifen, wenn es ihnen einfällt.«

Brontalos wirkte nicht gerade überzeugt durch meine Warnung, aber er versprach, sich um die Sache zu kümmern. Von nun an würde er hier mit dem Strahler auf der Lauer liegen und versuchen, eines der Tiere einzu­fangen.

Ich kehrte ins Schiff zurück und traf un­terwegs Karmina.

Sie berichtete noch einmal ausführlich, was sie entdeckt hatte.

»Es sieht nach einer absichtlichen Zerstö­rung aus«, schloß sie ihre Schilderung ab. »Nicht nur das mit der Säure, sondern über­haupt der ganze Einbruch. Nur noch Metall ist geblieben, alles andere ist verschwun­den.«

»Habt ihr Insektenbauten gesehen?« frag­te ich.

»Nein, dort sind keine. Aber wir haben ein paar von den Tieren gesehen, ziemlich

große. Sie rannten davon, als sie uns be­merkten, so als hätten sie schon schlechte Erfahrungen mit uns gemacht. Ob sie sich noch an die Akonen erinnern können, die schon vor Jahrtausenden Gonwarth verlas­sen haben?«

»Das ist möglich – eine Art Generationen­gedächtnis. Wir werden das untersuchen müssen.«

Sie blieb stehen. »Ich glaube kaum, daß Akon-Akon dafür

sein Einverständnis geben wird. Warum sollte er sich auch für die Insekten interes­sieren?«

»Weil sie vielleicht eine Antwort darauf geben können, was hier passiert ist.«

Ich war weitergegangen. Sie folgte mir und sprach kein Wort mehr. Dafür war sie sehr nachdenklich geworden.

*

Der nächste Tag sollte zugleich der letzte sein, den wir auf Gonwarth selbst verbrin­gen durften. So wenigstens wollte es Akon-Akon.

Im Grunde genommen hatte ich inzwi­schen jedes Interesse an den nutzlos gewor­denen Stationen der Akonen verloren, und schon gar nicht hoffte ich, dort noch Koordi­naten zu finden. Warum ich versuchte, Akon-Akon hinzuhalten, war mir selbst nicht ganz klar. Wollte ich lediglich Zeit ge­winnen?

Zeit – wozu? Heute weiß ich, daß ich unbewußt nur auf

eine Gelegenheit wartete, ihn auszuschalten, gegen seinen Einfluß und Hypnobefehl, ihn niemals anzugreifen. Nur der Zufall konnte uns da noch zu Hilfe kommen, und ich wuß­te auch, daß alle Zufälle Zeit benötigen.

Brontalos teilte mir mittags mit, daß es ihm gelungen sei, ein Insekt zu paralysieren.

Ich war gerade außerhalb des Schiffes. »Wo?« fragte ich über den Telekom zu­

rück. »Vor den Pyramiden Richtung Schiff.

Bringt etwas mit, wo wir es hineinlegen

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können, anfassen tue ich das Biest nicht.« »Wir sind gleich da, Brontalos!« Ich nahm zwei Arkoniden mit, die taten­

los herumstanden. Einer von ihnen hatte einen Beutel aus dem Schiff geholt. Wir sa­hen Brontalos winken. Da ich schneller war als meine Begleiter, war ich als erster bei ihm.

Das Insekt sah genauso aus, wie er es be­schrieben hatte. Der dunkelbraune Panzer schimmerte im Licht der Sonne. Die Vorder­beine erinnerten an kleine Schaufeln. Damit gruben sie ihre Gänge und bauten die Pyra­miden. Zwei starre Augen blickten mich an, als ich mich bückte. Das Tier war bei Be­wußtsein, konnte sich aber nicht mehr bewe­gen. Die zwei feinen Fühler waren in sich zusammengefallen.

»Sehen aus wie Antennen«, meinte einer der beiden Arkoniden, die mich begleitet hatten. »Sollen wir es einpacken?«

»Aber vorsichtig«, bat ich sie und dachte über die Grabfüße und die Fühler nach.

Brontalos erzählte mir, daß er mehrere Stunden gewartet habe, ehe sich eins der Tiere sehen ließ. Es schien ihn nicht bemerkt zu haben und kam ihm ziemlich nahe. Dann habe er es paralysiert.

»Es war allein?« vergewisserte ich mich ungläubig.

»Ganz allein!« Das paßte wieder nicht ganz in das Bild,

das ich mir von einem Kollektivwesen ge­macht hatte. Entwickelten die Insekten etwa Eigenleben?

Akon-Akon hatte natürlich wieder etwas einzuwenden, als ich ihn unterrichtete, aber ich konnte ihn davon überzeugen, daß es wichtig für uns alle sei, mehr über die Insek­ten zu erfahren, die vielleicht für den Rück­zug der Akonen vor Jahrtausenden verant­wortlich waren.

Abends waren wir wieder alle im Schiff versammelt. Die einzelnen Berichte der Un­tersuchungsgruppen ergaben keine Neuig­keiten. Brontalos, der den Biologen beim Studium des gefangenen Insektes geholfen hatte, informierte uns:

Clark Darlton

»Solange es paralysiert war, konnten wir es in aller Ruhe betrachten und untersuchen. Pflanzenfresser, soweit wir feststellen kön­nen, aber sicher sind wir nicht. Sehr emp­findliche Sehorgane, was von einem Leben in Dunkelheit zeugt. Grabfüße, ganz klar. Die Antennen scheinen zum Senden und Empfang von Impulsen eingerichtet zu sein, doch auch das ließ sich nicht endgültig fest­stellen, da unser Objekt plötzlich sehr schnell wieder lebendig wurde. Im letzten Augenblick gelang es uns, den Coumarg in einen der durchsichtigen Plastikbehälter zu werfen und den Deckel zu schließen.«

»Wen?« fragte ich. »Wir haben das Tier ›Coumarg‹ getauft,

weil es ein Gräber ist.« Coumarg war die Bezeichnung für eine

auf Arkon heimische Insektenart, die durch ihre unermüdliche Wühlarbeit unter der Er­de bekannt war. Ich war lange nicht mehr auf Arkon gewesen, und schon damals hatte man mit der Ausrottung dieses Schädlings begonnen. Vielleicht gab es ihn schon lange nicht mehr.

»Wie benahm sich der Coumarg?« fragte ich.

»Wie ein Raubtier, das man in einen Kä­fig gesperrt hat. Er wollte uns wütend an­greifen, wurde aber durch den Plastikstoff daran gehindert. Natürlich konnte er uns se­hen, und ich denke noch jetzt an seine Au­gen, in denen ich so etwas wie tödlichen Haß zu bemerken glaubte. Er begann den transparenten Plastikstoff zu zernagen.«

»Und?« »Wir haben das Tier wieder paralysieren

müssen.« Fartuloon riet: »Wir sollten es freilassen, ehe es Schaden

anrichten kann. Warum sollten wir es tö­ten?«

»Das hat niemand vor«, hielt ich ihm ent­gegen. »Aber du hast recht. Weitere Unter­suchungen sind überflüssig. Vielleicht legt es bei seinen Artgenossen ein gutes Wort für uns ein …«

Das war natürlich ironisch gemeint, denn

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keiner von uns traute den Coumargs mehr als eine allgemeine kollektive Intelligenz zu.

Brontalos ging, um das Tier ins Freie zu bringen.

Wir saßen noch einige Zeit zusammen, dann trennten wir uns, um schlafen zu ge­hen.

Keiner von uns wußte, was der morgige Tag bringen würde.

3. Ein paar Jahrtausende vorher …

Das Depot und die Nebenanlagen waren fertiggestellt worden, und man hatte die für die nächsten Jahre benötigten Vorräte einge­lagert. In regelmäßigen Abständen trafen die Transportschiffe ein. Sie brachten weitere Gebrauchsgüter und Bauteile für einen Großtransmitter.

Das alles interessierte den Biologen Kar­lakon nur am Rande.

Mehr als einmal schon war er beim Kom­mandanten der Station vorstellig geworden, um seine Forderung vorzutragen, aber den Kommandanten wiederum interessierten die Insekten nicht, die Karlakon studieren woll­te.

»Unsere Aufgabe ist es, diese Station zu errichten, und sonst nichts. Ich verstehe Ih­ren Wunsch nicht.«

»Wir leben nun schon sehr lange auf die­ser Welt, und meine Aufgabe ist es, das tieri­sche und pflanzliche Leben hier zu untersu­chen. Sie wissen das, und Sie wissen auch, daß mir die Unterstützung der Station und ihrer Einrichtungen zusteht. Ich habe bis jetzt feststellen können, daß die großen In­sekten, die wir hin und wieder beobachten, eine gewisse Intelligenz besitzen. Wir haben sie ›Coumargons‹ genannt, weil sie den größten Teil ihres Daseins unter der Oberflä­che verbringen und riesige Tunnels graben. Sie scheinen harmlos und verständigungsbe­reit zu sein. Darum bitte ich Sie noch ein­mal, mir den Bau einer Forschungsstation zu genehmigen und entsprechende Schritte zu unternehmen.«

»Was beabsichtigen Sie?« »Mir ist der Gedanke gekommen, daß wir

die Insekten unter Umständen beim Bau un­terirdischer Anlagen einsetzen können.«

Der Kommandant starrte den Biologen verständnislos an.

»Sind Sie verrückt geworden?« erkundig­te er sich. »Selbst dann, wenn Ihnen die Ver­ständigung mit den Coumargons gelänge, ist der Gedanke absurd. Wir haben entspre­chende Maschinen, wozu brauchen wir da die Insekten?«

Karlakon, dem es in erster Linie um das Studium, weniger um einen Arbeitseinsatz der Insekten ging, verteidigte seinen Stand­punkt mit allen möglichen Argumenten, bis er den Kommandanten halbwegs überzeugen konnte. Eine entsprechende Anfrage beim Flottenoberkommando wurde positiv beant­wortet.

Karlakon erhielt die erforderlichen Mittel zum Bau eines Forschungslabors, außerdem wurde ihm ein Assistent zugeteilt, der zu­gleich Spezialist für Funkwesen war.

Tonkan war ebenfalls von der Lebenswei­se der Coumargons fasziniert und froh, eine Spezialaufgabe erhalten zu haben, der er sich nun voll und ganz widmen konnte. Sei­ne Faszination stieg, als er von Karlakon mehr Einzelheiten erfuhr.

»Es gibt Stellen, an denen man in ihre un­terirdische Welt eindringen kann, ohne Zer­störungen anzurichten, Tonkan. Sie wissen, daß die Eingänge meist nur schmal und klein sind, aber Sie werden sich wundern, wie geräumig die Gänge und Kammern un­ter der Erde sind. Das ist es auch, was mich auf den Gedanken brachte, die Tiere zum Bau unserer Anlagen einzusetzen.«

»Ein kühner Gedanke, Karlakon.« »Nicht wahr? Aber Sie werden sehen, er

ist zu verwirklichen. Doch zuerst müssen wir versuchen, Verbindung mit ihnen aufzu­nehmen, besonders mit einer ihrer Königin­nen. Ich halte sie für ziemlich intelligent.«

»Sie denken an Funk?« »Ja, richtig, Tonkan. Daß sie untereinan­

der durch Gedankenimpulse kommunizie­

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ren, habe ich bereits herausgefunden. Ich konnte sogar vereinzelte Impulse auffangen, wenn auch leider noch nicht entziffern.«

»Gedankenimpulse?« wunderte sich Ton­kan. »Glauben Sie nicht, daß es eher Fun­kimpulse sind, die organisch erzeugt wer­den?«

Karlakon winkte ab. »Das spielt keine so große Rolle. Wichtig

ist nur, daß wir ihnen antworten können. Während mit dem Bau des Labors begonnen wird, unternehmen wir die ersten Ausflüge zu den Coumargons. Später werden wir ein­zelne Exemplare einfangen und untersuchen. Wenn wir sie gut behandeln und dann wie­der freilassen, müßten sie unseren guten Willen erkennen und entsprechend kooperie­ren. Wenigstens hoffe ich das.«

Am nächsten Tag flogen sie mit einem der Gleiter ein Stück nach Norden, wo der große Wald begann. Dort hatte Karlakon durch Messungen festgestellt, daß große Teile des unwegsamen Geländes unterhöhlt waren. Manche der Gänge führten bis tief unter den Wald und sogar hinein in das im Westen ansteigende Gebirge. Demnach wa­ren die Coumargons in der Lage, selbst Fels zu bearbeiten.

Hunderte von Pyramiden zeugten von dem unermüdlichen Fleiß der Tiere und er­innerten, von oben gesehen, an eine seit Jahrhunderten verlassene Stadt, in der es kein Leben mehr gab.

Sie landeten und stiegen aus. Tonkan trug ein kleines Funkgerät, das er

in einem schlanken Zylinder untergebracht hatte. Wenn er durch einen der unterirdi­schen Gänge kroch, konnte er es leicht vor sich herschieben, ohne es zu beschädigen.

In der Nähe des Landeplatzes waren eini­ge Coumargons damit beschäftigt, eine neue Pyramide zu errichten. Sie gingen dabei so systematisch und geschickt vor, daß man ih­nen eine gehörige Portion von Intelligenz nicht absprechen konnte. Trotzdem wurden die beiden Forscher den Eindruck nicht los, daß sie nicht selbständig, sondern nach ge­nauen Anweisungen arbeiteten.

Clark Darlton

Einige der Tiere scharrten die aus dem Gang geworfene Erde zusammen und scho­ben sie auf einem Haufen zusammen. Ande­re wiederum krabbelten auf diesem Haufen herum, der sich allmählich zu formen be­gann, bis er zu einer der bekannten Pyrami­den wurde. Kaum damit fertig, begannen die Coumargons mit dem Bau der nächsten.

Um die beiden Akonen kümmerten sie sich nicht.

»Sie haben keine Angst mehr vor mir«, erklärte Karlakon triumphierend. »Sie ken­nen mich bereits, und an Sie werden sie sich auch mit der Zeit gewöhnen.«

»Wie sollen wir einen Eingang finden, der groß genug für uns ist?«

»Drüben am Abhang, der zum Fluß führt. Die Höhleneingänge sind dort größer als in der Ebene und führen meist waagrecht in den Berg hinein. Viele von ihnen sind wohl natürlichen Ursprungs.«

Sie ließen den Gleiter unter dem Schutz des Energieschirms zurück und gingen dicht an den arbeitenden Coumargons vorbei. Ei­nige der Tiere stellten für wenige Sekunden ihre Tätigkeit ein, um die beiden Männer neugierig zu betrachten. Dabei bewegten sich ihre langen Fühler wie spielerisch hin und her. Karlakon war überzeugt, daß sie ih­rer Königin Informationen übermittelten und Anweisungen von ihr erhielten.

Dann nahmen sie ihre Arbeit wieder auf. Als das Gelände zum Fluß abfiel, hielten

sie an. Karlakon hatte nicht zuviel versprochen.

Der Abhang, unterschiedlich steil, war mit Löchern regelrecht übersät. Die meisten wa­ren nicht größer als eine Hand, andere wie­derum hätten zwei Männern zugleich Platz geboten.

Tonkan war stehengeblieben und beob­achtete einige Coumargons, die auf schma­len Verbindungspfaden dahineilten, um von einem Bau in den anderen zu gelangen. Sie nahmen kaum Notiz von den Akonen, ähn­lich wie die Pyramidenbauer.

»Sie haben noch keine schlechte Erfah­rungen mit Akonen gemacht«, konstatierte

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Karlakon befriedigt. »Um so leichter werden wir es mit ihnen haben.«

»Was planen Sie eigentlich wirklich?« fragte Tonkan. »Glauben Sie im Ernst daran, sie in Arbeitstiere für unsere Zwecke ver­wandeln zu können?«

»Der Gedanke ist immerhin frappierend, das müssen Sie doch zugeben.«

»Ich halte nicht viel davon, wenn ich Ih­nen auch am Anfang zustimmte. Mir geht es in erster Linie um den Kontaktversuch. Wenn er gelingt, ergeben sich daraus unge­ahnte Möglichkeiten zur Entwicklung ent­sprechender Funkeinrichtungen. Ich denke da an Kommandoübermittlung per Funk.«

»Wir könnten der Königin Befehle ertei­len, die sie befolgen müßte!« stimmte Karla­kon begeistert zu. »Sie wiederum leitet diese Befehle an ihr Volk weiter. Sehen Sie, das ist ja genau das, was ich plane!«

»Eigentlich ja, trotzdem interessiert mich der Arbeitseinsatz der Coumargons nicht be­sonders, nur das Experiment selbst. Haben Sie sich schon einen Bau ausgesucht?«

Karlakon ging weiter. »Wir nehmen den da vorn. Der Gang da­

hinter scheint groß genug zu sein. Haben Sie Ihr Gerät eingeschaltet?«

»Noch nicht.« »Dann tun Sie es. Versuchen Sie, Impulse

aufzufangen. Haben Sie den Translator da­zwischengeschaltet?«

»Wie besprochen, aber ich glaube nicht, daß es so einfach sein wird. Impulse werden wir empfangen und auch registrieren kön­nen, aber ob uns der Translator helfen wird, sie auch zu verstehen, möchte ich bezwei­feln. Versuchen können wir es ja …«

Karlakon kümmerte sich nicht um die Be­denken seines Assistenten. Zielstrebig ging er auf den Tunneleingang zu und wich den entgegenkommenden Coumargons aus. Ton­kan folgte ihm, so schnell er es vermochte. Sein Funkgerät arbeitete bereits und emp­fing erste Impulse. Wie erwartet, ergaben sie keinen Sinn, aber eine gewisse Systematik der Zeichen war durchaus erkennbar.

Im Eingang saß eines der Insekten. Es sah

ihnen entgegen. Seine Fühler bewegten sich spielerisch auf und ab, hin und her.

Karlakon zögerte ein wenig, als er den Eingang erreichte, dann bückte er sich und sprach auf das Tier ein, was Tonkan völlig sinnlos erschien. Er registrierte stärkere Fun­kimpulse auf den Instrumenten, so als wolle das Insekt antworten.

Sonst gab es keine Reaktion. Vorsichtig stieg Karlakon über den Grä­

ber hinweg und drang in den schräg nach unten führenden Stollen ein. Tonkan folgte ihm mit einem flauen Gefühl im Magen. Er begriff nicht, warum die Coumargons so teilnahmslos zusahen, wie Fremde ihr Reich betraten.

Schon nach wenigen Metern mußten sie die Lampen einschalten und konnten nur noch gebückt weitergehen. Der Boden, die Wände und die Decke des Ganges waren glatt. Für die relativ kleinen Insekten mußte ihre Bearbeitung alles andere als einfach ge­wesen sein, und Tonkan fragte sich, warum sie so große und hohe Tunnels benötigten.

Mehrmals begegneten ihnen Coumargons, die zum Ausgang eilten. Das Licht schien sie zu irritieren, aber sie liefen unbeirrt wei­ter, ohne die Eindringlinge aufzuhalten. Die beiden Forscher hatten selten so friedfertige Lebewesen kennengelernt, was ihre Hoff­nung auf einen Erfolg nur noch steigerte.

»Waren Sie schon einmal in diesem Bau, Karlakon?«

»Nein, aber sie ähneln sich alle in der An­lage. Wenn dieser hier keine Ausnahme dar­stellt, werden wir bald den Verteiler errei­chen und uns entscheiden müssen.«

»Verteiler?« »Eine Art Halle, von der aus weitere Gän­

ge in verschiedene Richtungen führen. Einer davon geht direkt zur Festung der Königin.«

»Woher wissen Sie das?« »Dies ist nicht mein erster Besuch bei den

Coumargons, wie Sie wissen. Die Königin ist größer als ihre Untertanen, vor allen Din­gen besitzt ihr Panzer eine andere Farbe. Er ist fast weiß.«

Tonkan hätte gern noch mehr erfahren,

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aber er mußte sich um sein Gerät kümmern, dessen Zeiger immer heftiger ausschlugen. Aus dem Lautsprecher kamen seltsame Pfeiftöne. Sie klangen fast wie Warnrufe, aber das konnte auch Einbildung sein.

Als sie den Verteilerraum erreichten, hielt Karlakon an.

Eine Weile lauschte er den Geräuschen, die aus dem Funkgerät kamen. Dann meinte er:

»Warum antworten wir eigentlich nicht? Vielleicht werden wir gerufen.«

»Welchen Gang nehmen wir nun?« fragte Tonkan, ohne auf Karlakons Bemerkung einzugehen. »Ich sehe vier Eingänge.«

»Drei führen fast eben weiter, nur einer geht weiter nach unten. Das wird der richti­ge sein. Obwohl ich keinen Grund dafür er­kennen kann, scheinen sich die Königinnen möglichst tief unter der Oberfläche am si­chersten zu fühlen. Vielleicht ist das ein Überbleibsel der uns nicht bekannten Ver­gangenheit der Coumargons. Heute haben sie keine natürlichen Feinde mehr, aber das kann früher anders gewesen sein.«

Tonkan sagte: »Möglich. Ich lasse auf jeden Fall ab jetzt

den Tonspeicher mitlaufen, dann können wir uns die Aufzeichnungen später in aller Ruhe anhören. Jetzt bleibt uns doch zu wenig Zeit zum Studium.« Die Reichweite der Sendun­gen, stellte Tonkan durch seine Beobachtun­gen fest, war nicht sonderlich groß. Er schätzte sie auf ungefähr zwei Kilometer. Die der Königin schien größer zu sein. Das war offensichtlich überflüssig, denn was nützte ihr eine größere Reichweite, wenn sie damit ihre Untertanen nicht erreichte. Aber auch hier wußte Karlakon eine Erklärung. Er war davon überzeugt, daß die Königinnen der verschiedenen Völker untereinander in ständigem Kontakt standen. Das bedeutete, daß sich eine Information sehr schnell aus­breiten konnte, auch wenn die einzelnen Stämme und Siedlungen weiter als zwei Ki­lometer auseinander lagen.

Die Tiefenmesser zeigte einhundert Meter an, und die Luft war stickiger geworden.

Clark Darlton

Der säuerliche Beigeschmack war unver­kennbar.

Immer öfter begegneten ihnen nun die In­sekten, und es schienen keine gewöhnlichen Arbeiter zu sein. Ihr Panzer war etwas hel­ler, die Fühler kürzer. Die meisten waren da­mit beschäftigt, Schäden am Gang auszubes­sern und die Wände mit ihren Grabschaufeln glatt zu polieren. Sie achteten ebenfalls nicht auf die Eindringlinge, und Tonkan vermute­te, daß sie von ihrer Königin entsprechende Anweisungen erhalten hatten.

Der Gang mündete in eine große und ho­he Halle, in der es von Coumargons gerade­zu wimmelte. Die beiden Akonen konnten bemerken, daß sie nicht einfach wahllos durcheinanderliefen, sondern eine gewisse Ordnung in ihren Bewegungen beibehielten.

Karlakon und Tonkan waren unwillkür­lich stehengeblieben. Etwas erhöht auf ei­nem Podest sahen sie den weißen Panzer der Königin schimmern, die ihnen mit starren Augen entgegenblickte. Sie hatte besonders lange Fühler, die sie den Fremden entgegen­streckte. Tonkan mußte die Lautstärke sei­nes Geräts vermindern, denn die Pfeiftöne wurden so schrill, daß sie zu schmerzen be­gannen. Es war offensichtlich, daß die Köni­gin versuchte, Kontakt zu ihnen aufzuneh­men.

Tonkan versuchte es mit der Tongeberta­ste. Er schickte Signale in gleichbleibendem Rhythmus aus, die zwar ohne Bedeutung blieben, dessen Systematik jedoch Verstän­digungsbereitschaft und Intelligenz verriet.

Die schrillen Pfeiftöne kamen im gleichen Rhythmus zurück.

Der Anfang war gemacht.

*

Einige Wochen später konnten die beiden Forscher ihr inzwischen fertiggestelltes La­bor beziehen. Jetzt erst waren sie technisch in der Lage, ihre auf mehreren Ausflügen gesammelten Tonaufnahmen richtig und sy­stematisch auszuwerten. Auf Karlakons Bit­te hatte der Kommandant des Depots ihm

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einen weiteren Spezialisten zugeteilt, so daß sie nun drei Männer waren, die sich mit den Coumargons befaßten.

Per hatte sich sein Leben lang mit dem Bau ferngesteuerter Roboter befaßt, eine Tä­tigkeit, die ihn selbstverständlich auch mit der Funktechnik vertraut gemacht hatte. Tonkan hatte ihm erklärt, worum es ging, nachdem es endlich gelungen war, einige Si­gnale der Coumargons zu entziffern und ihre Bedeutung zu erkennen.

Sie entwickelten gemeinsam einen Kode, der den aufgefangenen und enträtselten Si­gnalen entsprach, darunter auch Befehlssi­gnalen der Königin an ihre Untertanen, Sol­daten wie auch Arbeiter. Die Sendeimpulse wurden derart gespeichert, daß auf Abruf je­derzeit das gewünschte Signal ausgestrahlt werden konnte. Umgekehrt übersetzte eine sinnvolle Einrichtung, von Tonkan ent­wickelt, die eintreffenden Signale der Köni­gin.

Karlakon zeigte sich über die Zusammen­arbeit seiner beiden Gehilfen äußerst befrie­digt. Was er allerdings mit ferngesteuerten Robotern im Sinn hatte, verriet er vorerst noch nicht.

Einige Tage nach dem Umzug wurde die Funkanlage praktisch erprobt. Die »Unterhaltung«, mit der Königin des am Flußufer wohnenden Coumargon-Volkes be­schränkte sich nur auf gut zwei Dutzend Be­griffe, die sich allerdings miteinander kom­binieren ließen und so andere Bedeutungen erhielten. Karlakon versicherte der Königin, ein Freund ihres Volkes zu sein und ihm kei­nen Schaden zufügen zu wollen. Dann stell­te er die Frage, ob man nicht etwas tun kön­ne, um die guten Absichten unter Beweis zu stellen.

Es stellte sich heraus, daß die Coumarg­ons Versorgungsprobleme hatten. Sie lebten – nur der Not gehorchend – von der Vegeta­tion, die auf ihrer Welt wuchs. Einige Tier­sorten, die es früher einmal gegeben hatte, und die als Hauptnahrung galten, waren aus­gestorben. Es gab nur noch selten Fleisch in den Wäldern zu erbeuten, und jedes Volk

schickte im Sommer Jäger aus. Dabei kam es oft zu Zusammenstößen und blutigen Auseinandersetzungen der Coumargons un­tereinander.

Karlakon versprach der Königin Hilfe, so­bald er mit dem Kommandanten gesprochen habe, dann machte er einen Vorschlag. Wenn die Coumargons bereit wären, beim Bau der Station zu helfen, würde er dafür sorgen, daß sie Lebensmittel erhielten. Dazu sei es allerdings notwendig, daß gewisse technische Apparate in den unterirdischen Bauten installiert würden, um eine ständige Kontaktaufnahme zwischen den Insekten und den Akonen zu ermöglichen.

Die Königin erbat sich Bedenkzeit und ließ durchblicken, daß sie sich mit den Köni­ginnen der benachbarten Völker beraten müsse.

Zufrieden mit dem ersten Ergebnis seiner Bemühungen, verließ Karlakon mit seinen Begleitern den Bau der Coumargons und kehrte zum Labor zurück. Hier hörte er sich noch einmal die von Tonkan gemachte Auf­zeichnung an, ehe er sagte:

»Per, Ihnen steht alles Material zur Verfü­gung, das Sie benötigen, um kleine flugfähi­ge Roboter zu bauen. Tonkan wird sich be­mühen, Mikrofunkgeräte zusammenzuba­steln, die unsere Befehlsimpulse auf Verlan­gen abstrahlen können. Damit haben wir die Königinnen unter Kontrolle und können sie so zwingen, unseren Anordnungen Folge zu leisten. Natürlich geschieht das zu Beginn freiwillig, denn wir versorgen sie dafür mit Lebensmitteln. Mit der Zeit jedoch werden diese Impulse zu einem fast hypnotischen Zwang, und es wird keiner Königin mehr möglich sein, sich unseren Anordnungen zu widersetzen.«

Tonkan gab zu bedenken, daß man mit dieser Methode ein kosmisches Gesetz ver­letze, das einwandfrei die Versklavung eines anderen Volkes verbot. Karlakon verspottete ihn und fragte, seit wann Tonkan Insekten mit einer Kollektivintelligenz als »Volk« be­zeichne.

Per enthielt sich jeden Kommentars, denn

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er wußte nur zu gut, daß es dem Biologen le­diglich darum ging, seinen Ehrgeiz zu be­friedigen. Ob die Akonen arbeiten mußten oder nicht, war ihm ziemlich egal.

Er versprach, sofort mit der Konstruktion der Roboter zu beginnen.

Nach etlichen Wochen hatte Per einen Prototyp zusammengebastelt, den er mit Tonkan in einen weiter entfernten Coumar­gonbau brachte, um ihn zu testen. Mehr aus einer Laune heraus hatte er dem Roboter Form und Größe der Königin gegeben, was die Insekten im ersten Augenblick zu irritie­ren schien. Im Innern dieses künstlichen Coumargons befanden sich Sender, Empfän­ger und Speicheranlage mit Abrufautomatik.

Die Königin des Volkes, mit der vorher noch kein Kontakt bestanden hatte, war of­fensichtlich von dem Vorhaben unterrichtet worden, denn sie verhielt sich neutral und abwartend. Das war ein weiterer Beweis da­für, daß die einzelnen Bauten und Völker in ständiger Verbindung waren.

Trotzdem atmeten die beiden Akonen er­leichtert auf, als sie wieder draußen im Frei­en standen. Sie kletterten in ihren Gleiter, der startbereit auf sie wartete. Hier erst be­gannen sie mit dem geplanten Experiment.

Durch die raffinierte Kombination der entschlüsselten Impulse gab Tonkan der Kö­nigin den Befehl, von einem dicht unter der Oberfläche liegenden Seitengang einen Querstollen zur Oberfläche zu treiben und vier Pyramiden zu errichten.

Dann warteten sie, nachdem sie Karlakon vom bisherigen Verlauf des Experiments be­richtet hatten.

Vorerst geschah nichts, das sie hätten be­obachten können. Immerhin würde die Län­ge des Querstollens etwa zehn Meter betra­gen. Aber dann bewegte sich an der errech­neten Stelle die Erde, ein winziger Hügel entstand – und dann kroch ein Coumargon durch ein kleines Loch an die Oberfläche. Er begann sofort damit, Gras und Erde mitein­ander zu vermischen und das Fundament der Pyramide auszulegen.

Immer mehr Coumargons erschienen, der

Clark Darlton

Erdhaufen wurde größer. »Es klappt wahrhaftig!« berichtete Ton­

kan über Funk. »Sie haben einen schmalen Gang, gegraben, den sie nun vergrößern. Zwei Pyramiden stehen bereits …«

Per sagte nicht viel. Er betrachtete voller Faszination die Insekten, die ohne jeden Wi­derspruch den Befehl des Funkroboters aus­führten, so sinnlos der Querstollen zur Ober­fläche für sie auch sein mochte.

»Sehr gut!« hörten sie Karlakons Stimme. »Nun kommt zurück! Ihr dürft mir glauben, daß sie Stollen und Pyramiden noch heute fertigstellen, ohne Pause zu machen. Wir ha­ben es geschafft!«

Nach dem Vorbild des Prototyps wurden mehr als zwei Dutzend Funkroboter gebaut, die in einer jeweiligen Entfernung von zwei Kilometern in den Bauten installiert wurden. So konnte man ein ziemlich großes Gebiet unter Kontrolle bekommen, ohne auf die einzelnen Königinnen angewiesen zu sein.

Der Kommandant der Station zeigte sich hocherfreut über den Erfolg des Wissen­schaftlers, wenn er auch keinen hervorragen­den Nutzen sehen konnte. Die Coumargons wurden zu allen möglichen Arbeiten einge­setzt und erhielten anfangs auch die verspro­chenen Lebensmittel. Dann wurden die Lie­ferungen eingestellt. Die Königinnen prote­stierten, aber es war bereits zu spät.

Sie waren schon längst zu willenlosen Sklaven der Funkroboter geworden, die sie positronisch überwachten, und sie mußten den Befehlsimpulsen gehorchen, ob sie wollten oder nicht.

Ehe weiter entfernte Völker, durch die Vorgänge alarmiert, die Revolte organisie­ren konnten, geschah etwas anderes:

Der Kommandant der Station erhielt vom Oberkommando der akonischen Flotte den Befehl, das Depot und den Planeten zu räu­men.

Es war soweit. Die Akonen zogen sich für immer in ihr Versteck zurück.

Als das letzte Schiff im Himmel ver­schwunden war, gab es für die Königinnen der Coumargons keine Befehlsimpulse

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mehr. Sie waren plötzlich wieder frei, aber sie ließen die nun toten Roboter an ihren Plätzen – vielleicht, um in alle Ewigkeiten an sie und an das Unheil, das sie gebracht hatten, erinnert zu werden. Der Sturm auf die Station der verschwundenen Akonen be­gann.

Die Coumargons trieben von allen Seiten ihre unterirdischen Gänge gegen die Statio­nen vor, in erster Linie gegen das Hauptde­pot. Tief unter der Anlage entstand im Ver­lauf einiger Wochen ein gewaltiger Hohl­raum, der jeden Augenblick einstürzen konnte – was dann auch geschah. Wieviel Untertanen bei dieser absichtlich herbeige­führten Katastrophe den Tod fanden, blieb auch den Königinnen verborgen, aber der Zweck war erreicht worden. Wenn die Zweibeiner zurückkehrten, würden sie nur noch Trümmer vorfinden.

Doch auch für diesen Fall der Rückkehr sorgten die Königinnen gemeinsam vor. Von Generationen zu Generationen wurden die Geschehnisse übermittelt, damit sie niemals in Vergessenheit gerieten. Die Kugelschiffe der Fremden blieben im Gedächtnis der Coumargons haften. Sie wurden das Symbol für Vorsicht – und für blindwütigen Haß.

Wenn jemals wieder ein solches Schiff auf ihrer Welt landen sollte, würde man wis­sen, was zu tun war.

4.

Von all diesen Vorkommnissen hatte ich natürlich nicht die geringste Ahnung, ich er­fuhr die ganze Geschichte erst nach und nach. Eigentlich gingen Fartuloon und ich ähnlich vor wie jener akonische Biologe, nur mit einer anderen Zielsetzung.

Wir brauchten den Kontakt mit den Cou­margons, und das kam so:

*

Akon-Akon befahl, die Luken zu schlie­ßen und erließ noch einmal das Verbot, das Schiff zu verlassen. Die gesamte Mann­

schaft sollte sich intensiv in das Studium der Kontrollen vertiefen, so daß wir in der Lage sein würden, das Schiff an jeden beliebigen Punkt der Galaxis zu bringen.

Von dem Haß der Coumargs und ihren Plänen wußten wir zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Sie hatten sich uns gegenüber abwartend verhalten. Wir hatten keinen Grund zum Mißtrauen.

Brontalos konnte bereits am dritten Tag melden, daß die Navigationsanlage kein Pro­blem mehr für ihn darstellte, während Kar­mina und ich dem Antrieb sämtliche Ge­heimnisse entlockten. Ähnlich erging es den anderen Gruppen, die sich ebenfalls bemüh­ten, die Unterschiede zwischen akonischer und arkonidischer Technik und Bauweise zu erkennen.

Akon-Akon war es, der zu dieser Zeit öf­ter allein Spaziergänge auf Gonwarth unter­nahm, nachdem wir von ihm den zwingen­den Befehl erhalten hatten, nicht ohne ihn zu starten. Es wäre natürlich für uns die ein­fachste Lösung gewesen – aber es war un­möglich. Wir mußten ihm gehorchen, ob wir wollten oder nicht.

Aber wir konnten miteinander reden. »Ich glaube, daß sogar unsere acht Ako­

nen wieder zu sich kämen, wenn wir ohne Akon-Akon im Raum wären.« Fartuloon sagte es mit der ihm eigenen Bitterkeit, die seine ganze Hilflosigkeit ausdrückte. »Wie geht es ihnen übrigens?«

»Ich war bei ihnen. Unverändert.« »Ich würde es ja mit einem Belebungsmit­

tel versuchen, wenn es nicht so gefährlich wäre. Vandra und ihre Leute unterliegen nicht dem hypnotischen Zwang Akon-Akons. Sie könnten trotz seines Verbots das Schiff starten. Und dann …«

»Vergiß es gleich wieder«, unterbrach ich ihn. »Karelia hat alles versucht, aber wir dürfen das Leben der Akonen nicht aufs Spiel setzen. Sie müssen den Zeitpunkt ihrer Rückkehr zum Leben selbst bestimmen – und haben es wahrscheinlich bereits.«

Fartuloon biß sich auf die Unterlippe. Ra, der sich zu uns gesetzt hatte, sagte hitzig:

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»Aber unsere ganze Existenz hängt davon ab, daß wir hier wegkommen, und zwar oh­ne Akon-Akon! Er hat uns den Start verbo­ten, aber nicht das Wiederbeleben der gefan­genen Akonen. Das ist unsere einzige Mög­lichkeit!«

Ich nickte ihm zu. »Das wissen wir auch, Ra, aber das Risi­

ko ist zu groß. Ich will jetzt nichts mehr da­von hören. Die letzten Entscheidungen trifft, wie immer, Akon-Akon. Eines Tages wird er einen verhängnisvollen Irrtum begehen, und darauf wollen wir warten.«

Bevor es dunkelte kam Akon-Akon ins Schiff zurück. Er fragte:

»Wie weit seid ihr? Könnt ihr das Schiff fliegen, ohne daß die Gefahr von Fehltransi­tionen besteht? Kennt ihr nun die Technik der Akonen? Wann starten wir?«

Vorsichtig erwiderte ich: »Es kann nicht mehr lange dauern, Akon-

Akon. Unsere Teams haben hart arbeiten müssen, aber nun beherrschen sie ihre Spe­zialgebiete. Es wäre gut, wenn jeweils ein Ersatzteam bereitstünde, falls das eine oder andere ausfallen sollte. Also: jede Gruppe muß mindestens zwei Gebiete absolut sicher im Griff haben. Das dauert eben noch ein oder zwei Tage.«

Das sah Akon-Akon ein. Wir erhielten eine neue Frist. Die Schulung konnte am Abend des zwei­

ten Tages abgeschlossen werden. Nicht ohne gewisse Beklemmung machte ich Akon-Akon die Vollzugsmeldung.

Er schien befriedigt und ordnete den Start für den kommenden Tag an. Wir sollten uns ausschlafen.

Ich konnte an diesem Abend nicht ein­schlafen, obwohl es spät geworden war. Ru­helos wälzte ich mich auf meinem Bett hin und her. Die Ungewißheit, was morgen alles geschehen würde, lastete schwer auf mir. Welche Koordinaten würde Akon-Akon be­stimmen …?

Jene, die wir suchten, besaßen wir noch immer nicht. Und wenn wir sie in dem De­pot der Akonen gefunden hätten, wäre mir

Clark Darlton

auch nicht wohler zumute gewesen. Ob ein Ziel oder nicht, unsere Zukunft lag in abso­luter Dunkelheit.

Gegen Mitternacht muß ich dann endlich eingeschlafen sein, aber um so erschrecken-der war dann das Erwachen kurz vor Mor­gengrauen des Tages, der unser letzter auf Gonwarth sein sollte.

Zuerst weckte mich ein fernes Grollen, dann gab es eine Erschütterung, die mich aus dem Bett schleuderte. Krampfhaft hielt ich mich an dem verankerten Tisch fest, um nicht davonzurutschen, als meine Kabine sich zu neigen begann. Lose herumstehende Gegenstände folgten dem Gesetz der Schwerkraft und fielen zu Boden.

Dann hatte ich plötzlich das Gefühl, daß wir fielen – wir alle und das Schiff.

Dieser Zustand dauerte etwas mehr als fünf oder sechs Sekunden, dann erfolgte der Aufprall. Ich erwartete ihn und war gewarnt. Trotzdem wurde ich derart zusammenge­staucht, daß ich fast das Bewußtsein verlo­ren hätte.

Die Coumargs! In diesen wenigen Sekunden wurde mir

fast alles klar, wenn mir die Motive auch noch verborgen blieben. Das Depot und das Forschungslabor der Akonen war durch die Insekten vernichtet worden. Sie hatten einen Hohlraum geschaffen und dann zum Ein­sturz gebracht. Damals mit den Stationen und heute mit unserem Schiff.

Ich versuchte aufzustehen und hielt mich an den verankerten Einrichtungsgegenstän­den fest. Die Beine und der Rücken schmerzten. Der Fußboden war schräg, aber er bot noch Halt genug. Langsam arbeitete ich mich zur Tür vor und öffnete sie.

Draußen auf dem Gang waren Schreie und aufgeregtes Rufen. Ich konnte mir gut vorstellen, daß es Verletzte gegeben hatte. Meiner Schätzung nach waren wir mit dem Schiff mindestens zweihundert Meter tief gestürzt, es würde also fast bis zum Antrie­bswulst in Höhe des Äquators in der Erde stecken.

Fartuloon kam aus der Nebenkabine.

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»Was war denn das? Hat jemand ver­sucht, das Schiff zu starten?«

»Eher das Gegenteil«, sagte ich und er­klärte ihm meine Theorie. »Wir sitzen fest, nehme ich an, aber darüber rege ich mich kaum noch auf. Wir haben eine Frist bekom­men.«

»Hoffentlich dauert sie keine Ewigkeit«, knurrte er und rieb sich die Arme. »So blitz­artig bin ich noch nie aus dem Bett gefal­len.«

Ein kurzer Inspektionsgang überzeugte uns davon, daß niemand ernstlich verletzt worden war. Akon-Akon nahm unseren Be­richt mit unbewegtem Gesicht entgegen und verschob jede Entscheidung auf den kom­menden Tag. Dann verschwand er wieder.

Karelia kümmerte sich um die erstarrten Akonen. Sie waren in ihrem Gefängnis durcheinandergekollert, und es war nicht festzustellen, ob sie Knochenbrüche oder Verrenkungen davongetragen hatten. Ihr Zu­stand jedenfalls hatte sich offensichtlich nicht verändert. Sie wurden wieder in ihre Betten gelegt und alleingelassen.

Ich überzeugte mich davon, daß der Pan­oramaschirm noch arbeitete, und erhielt so einen ersten Überblick. Das Schiff war halb unter die Oberfläche von Gonwarth gesun­ken und saß fest. Ohne fremde Hilfe würden wir so schnell nicht wieder freikommen. Das Aktivieren der Triebwerke unter den gege­benen Umständen würde lebensgefährlich sein.

Schlafen konnte ich nicht mehr. Karmina und ich überprüften die Funktionen der ein­zelnen Kontrollanlagen und kamen zu dem erfreulichen Ergebnis, daß kein nennenswer­ter Schaden entstanden war. Sobald wir den Ringwulst am Schiffsäquator freigelegt hat­ten, würden wir starten können. Wie wir das allerdings anstellen sollten, war mir vorerst noch ein Rätsel.

Die Coumargs! Sie hatten uns in diese La­ge gebracht, daran konnte kein Zweifel be­stehen. Daß sie uns gegenüber neutral ge­blieben waren, wenigstens dem Schein nach, bestärkte mich nur noch in meiner Meinung,

daß sie über eine gewisse Intelligenz verfüg­ten. Aber warum wollten sie uns dann am Start hindern? Was überhaupt wollten sie von uns?

Auch die sinnloseste Tat hatte eine Ursa­che.

Ich wollte sie herausfinden.

*

Fartuloon und Brontalos begleiteten mich am Vormittag hinaus ins Freie. Akon-Akon hatte keine Einwände erhoben. Wir sollten das Schiff so schnell wie möglich wieder flottmachen, das war sein Befehl.

Wir konnten keinen einzigen Coumarg entdecken. Sie schienen sich ausnahmslos in ihr unterirdisches Reich zurückgezogen zu haben. Hatten sie Angst vor unserer Rache?

Am Rand der Einbruchstelle entdeckten wir die Eingänge zu den Stollen der Cou­margs. Sie waren von allen Seiten gekom­men und hatten eine riesige Höhle geschaf­fen, die das halbe Schiff aufnahm. Meine Frage, wo sie die überflüssige Erde gelassen hatten, blieb unbeantwortet. Ich konnte kei­ne neuen Pyramiden in der näheren Umge­bung sehen.

Nun kam ich auf die gleiche Idee wie der Akone Karlakon vor Tausenden von Jahren.

»Fartuloon, wir müssen versuchen, Kon­takt mit ihnen aufzunehmen. Sie verständi­gen sich durch Impulse, das haben wir her­ausgefunden. Mit einem empfindlichen Te­lekom müßte es gelingen.«

Ganz so einfach war es allerdings nicht. Brontalos machte einige Verbesserungsvor­schläge, um die Empfangsqualität zu stei­gern und die Leistung des Geräts zu verstär­ken. Während er daran arbeitete, drangen Fartuloon und ich, mit Strahlern bewaffnet, in einen Bau der Insekten ein.

Die Coumargs wußten von unserem Kom­men, das wurde uns sofort klar, da wir kei­nem einzigen begegneten. Sie wurden ge­warnt, wahrscheinlich von ihrer Königin.

Wir erreichten ihre Kammer, und hier wurden wir aufgehalten. Eine ganze Armee

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von Coumargs erwartete uns in drohender Haltung, ohne jedoch anzugreifen.

Die Königin betrachtete uns mit starr blickenden Augen. Ihre Fühler bewegten sich in unsere Richtung. Seitlich auf einem zweiten Podest sah ich plötzlich etwas, das wie ein versteinerter Coumargs aussah, aber es war keiner. Ich näherte mich dem Gegen­stand und stellte durch eine kurze Berührung fest, daß er aus Metall war. Vorn am »Kopf« saßen zwei unbewegliche Antennen – eben­falls aus Metall.

Natürlich konnte ich nicht ahnen, daß ich einen der Funkroboter von Karlakon gefun­den hatte.

Als nichts geschah, nahm ich den Gegen­stand von seinem Podest und trat den Rück­zug an. Fartuloon folgte mir mit gezogenem Strahler. Die Coumargs blieben bei ihrer Königin und ließen uns ziehen.

Wir kehrten zum Schiff zurück. Brontalos geriet sichtlich in Aufregung, als wir ihm den künstlichen Coumargs vor die Füße leg­ten. Er begann sofort mit der Untersuchung und vergaß sein eigenes Funkgerät, an dem er herumbastelte.

Schließlich sagte er: »Wenn es von dem Ding einen Schaltplan

gäbe, so würde er dem meinen sehr ähnlich sehen.« Er deutete auf einige Notizen, die er sich zum Umbau des Telekoms gemacht hat­te. »Da muß schon einmal jemand den glei­chen Gedanken wie wir gehabt haben, wahr­scheinlich damals, als die Akonen noch hier waren.«

Wir waren der Lösung um einen Schritt nähergekommen.

*

Am nächsten Tag schickte Akon-Akon uns alle ohne Ausnahme aus dem Schiff und folgte als letzter. Wir sollten versuchen, die nachgerutschten Erdmassen fortzuräumen, damit der Antriebswulst wieder frei wurde.

Maschinen und Arbeitsroboter hätten wir nicht einsetzen können, auch wenn wir sie besessen hätten. Wir begannen also mit ein-

Clark Darlton

fachstem Gerät, den Willen Akon-Akons zu erfüllen. Er selbst hatte sich ein Stück vom Schiff entfernt und auf einem Hügel nieder­gelassen, von wo aus er uns ständig im Auge behalten konnte.

Fartuloon, Brontalos und ich hatten uns abgesondert und studierten den Funkroboter der Akonen. Sein Zweck wurde uns erst klar, als wir die ersten Impulse auffangen konnten, die von den Coumargs unter der Erde abgestrahlt wurden. Brontalos entdeck­te dann den gespeicherten Kode, und nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir ihn entziffern konnten.

Wir hatten das größte Hindernis genom­men, denn nun konnten wir Kontakt zu den Coumargs aufnehmen.

Noch am gleichen Nachmittag, versuch­ten wir es, nachdem wir Akon-Akon unter­richtet hatten.

Wir drangen nicht in den Bau ein, sondern blieben davor sitzen. Fartuloon setzte aus den vorhandenen Symbolen einen kurzen Spruch zusammen, den wir dann abstrahlten. Brontalos hielt den inzwischen gesäuberten und wie neu blinkenden Robot auf dem Schoß.

Die Botschaft lautete übersetzt: »Wir kamen in friedlicher Absicht und

wollen diese Welt für immer verlassen. Seid ihr bereit, uns dabei zu helfen?«

Eine Zeitlang geschah nichts, außer daß unzählige chaotisch wirkende Impulse zu­rückkamen, die sich nicht entziffern ließen.

Dann, nach einer Pause, empfingen wir ungleich stärkere und viel deutlichere Signa-le, die wir speicherten, um sie später ent­schlüsseln zu können.

Sonst geschah nichts. »Den Sinn habe ich ungefähr begriffen«,

meinte Fartuloon, als wir zum Schiff zu­rückgingen. »Sie wollen, daß wir sie in Ru­he lassen, weil sie uns hassen. Grund: sie wären von uns versklavt worden.«

Sie verwechselten uns mit den Akonen, die vor uns hier waren!

5.

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Als Vandra von Laggohn aus der Hypno­starre erwachte und spürte, daß ihr Bett, auf das man sie gelegt hatte, nicht mehr waag­recht stand, fiel sie nicht wieder sofort in den ursprünglichen Zustand zurück. Nur sie allein war es, die in gewissen Zeitabständen für einige Minuten »lebte«, um die Situation zu überprüfen.

Sie blieb auf dem Bett liegen. Die sieben Männer rührten sich nicht. Erst wenn sie das entsprechende Kodewort aussprach, würden auch sie erwachen.

Das Schiff stand schief auf der Oberfläche eines Planeten, das war ihr klar. Hatte es ei­ne Bruchlandung gegeben, weil die Arkoni­den nicht richtig mit den Kontrollen umge­hen konnten? Jedenfalls mußte etwas ge­schehen sein, das nicht eingeplant war.

War das die Chance, auf die sie gewartet hatte?

Sie blieb so lange liegen, bis das Blut wieder richtig zirkulierte und der Körper wieder ihren Befehlen gehorchte. Dann er­hob sie sich vorsichtig und hielt sich an der Wand fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie fühlte sich schwach und unsi­cher. Wie lange sie »geschlafen« hatte, wuß­te sie nicht, denn die Arkoniden hatten ihnen alle Instrumente abgenommen. Sichtluken besaß die Kabine, in die man sie eingesperrt hatte, nicht.

Vandra untersuchte die Tür und stellte fest, daß sie nicht durch ein positronisches Sperrschloß abgesichert war. Der Mechanis­mus der Normalverriegelung war ihr be­kannt. Die Tür konnte mit einigen Tricks auch von innen geöffnet werden.

Aber noch zögerte sie. Sie wußte nicht, was geschehen war und

ob der richtige Augenblick zum Handeln noch auf sich warten lassen mußte. Sollte sie die Männer aufwecken oder noch damit war­ten?

Sie überlegte, daß ihr Risiko geringer war, wenn sie versuchte, die Lage allein zu er­kunden. Sie konnte sich jederzeit in die Star­re versetzen, wenn sich das als notwendig erweisen sollte. Ihre Mannschaft jedoch

nicht. Behutsam öffnete sie das Schloß der Tür. Draußen auf dem Gang herrschte völlige

Stille. Sie hatte das Gefühl, allein in dem riesigen Schiff zu sein. Ihre Zuversicht stieg. Ohne ein Geräusch zu verursachen, schlich sie weiter, vorbei an geschlossenen Kabi­nentüren und Seitengängen, bis sie den Hauptkorridor erreichte. Niemand begegnete ihr.

Sie kannte sich hier bestens aus, darum wählte sie den kürzesten Weg zu einer der bevorzugten Kabinen, die Sichtluken hatten.

Draußen war Tag, und die Sonne schien. Vandra sah hinaus und stellte mit einem Blick fest, daß etwas nicht stimmte. Sie be­fand sich im oberen Teil des Schiffes, und doch war die Oberfläche des ihr unbekann­ten Planeten nur knapp fünfzig Meter unter ihr.

Dann entdeckte sie die Arkoniden und das Loch, in dem das Schiff festsaß. Die Dumm­köpfe hatten tatsächlich eine Bruchlandung gemacht! Und nun versuchten sie, das riesi­ge Schiff wieder auszugraben.

Vandra überlegte blitzschnell und wog die Chancen gegeneinander ab. Vor allen Din­gen mußte sie jetzt sicher sein, daß sich au­ßer ihr und ihren Leuten niemand mehr im Schiff aufhielt, besonders nicht dieser junge Mann, der ihr mehr als nur unheimlich er­schienen war.

Sie entdeckte ihn bei den Arkoniden, die am Rand des Einbruchs standen.

Das gab den Ausschlag. So schnell sie konnte, eilte sie in ihr bis­

heriges Gefängnis zurück und sprach das Kodewort aus. Es dauerte einige Minuten, bis sich die Akonen zu rühren begannen und einer nach dem anderen erwachte. Auch sie mußten einige Minuten, die Vandra wie Ewigkeiten erschienen, ruhig liegen bleiben, bis sie die Kontrolle über ihre Körper zu­rückerlangten.

Vandra nutzte die unliebsame Wartezeit, um ihren Leuten zu berichten, was gesche­hen war. Es war ihnen klar, daß sie nun kei­ne Zeit mehr verlieren durften, wenn sie die

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einmalige Gelegenheit, das Schiff zurück­erobern zu können, nicht sofort nutzten.

»Wir besorgen uns zuerst Waffen«, schlug Vandra vor. »Falls die Arkoniden vorzeitig ins Schiff kommen sollten, müssen wir sie daran hindern. Außerdem werden wir die Einstiegluke von innen schließen. Aber vielleicht öffnen sie sie mit Gewalt, wenn sie keinen anderen Ausweg sehen. Seid ihr bereit?«

Sie standen auf und massierten sich ge­genseitig, bis sie sich wieder richtig bewe­gen konnten. Vandra ordnete an, daß man zusammenblieb und sich nicht trennte. In der Waffenkammer nahm jeder einen Hand­strahler an sich, dann schlossen sie die Ein­stiegluke, die knapp über dem Rand des Ab­bruchs lag. Kein Arkonide war zu sehen, so daß es eine Weile dauern konnte, bis diese bemerkten, was geschehen war.

Als sie sich der Kommandozentrale nä­herten, vernahmen sie Geräusche.

»Mehr als zwei oder drei Wachen können es nicht sein«, vermutete Vandra. »Wir müs­sen sie überraschen, ehe sie in der Lage sind, die Energiebarriere einzuschalten.

Wenn ihnen das gelingt, war alles um­sonst.«

Sie bewegten sich mit äußerster Vorsicht und hofften, daß die Wachen in der Zentrale so sorglos gewesen waren, den Bild-In­terkom nicht einzuschalten. Aber wenn sie ihre Gefangenen ständig beobachtet hätten, wäre ihnen auch nicht entgangen, daß Van­dra aus ihrer Starre er wacht war.

Die Tür zur Kommandozentrale war nur halb geschlossen.

Vandra gab zwei der Männer einen Wink. Sie selbst blieb mit den anderen zurück, während die beiden mit entsicherten Waffen weiterschlichen und die Tür mit einem Ruck öffneten.

Sie hatten nicht die Absicht, die Arkoni­den zu töten, die ihnen wertvolle Informatio­nen über die augenblickliche Situation im Großen Imperium liefern konnten.

»Aufstehen und herkommen!« befahl ei­ner von ihnen.

Clark Darlton

Die beiden Arkoniden warfen sich einen Blick zu und zögerten. Sie sahen nur zwei Akonen, die anscheinend frühzeitig aus ihrer Starre erwacht waren. Natürlich mußten sie annehmen, es nur mit diesen beiden zu tun zu haben, und das gab den Ausschlag.

Wie auf Kommando sprangen sie in ver­schiedenen Richtungen davon und rissen die Impulsstrahler an sich, die an der Wand hin­gen. Sie kamen aber nicht mehr dazu, sie zu entsichern, denn ihre Gegner waren schnel­ler und nahmen keinerlei Rücksicht.

Die beiden Arkoniden waren tot, ehe sie ein Energiebündel abstrahlen konnten.

Vandra war darüber nicht gerade glück­lich, aber sie machte ihren beiden Männern keinen Vorwurf. Das hatte Zeit bis später. Ruhig und entschlossen gab sie ihre Befehle. Jetzt war sie wieder die umsichtige und klu­ge Kommandantin, die nichts als ihren Auf­trag kannte und sich durch nichts an seiner Durchführung hindern ließ.

Die Energiesperre wurde aktiviert. Sie isolierte die Kommandozentrale mit Funk­und Orteranlagen vom übrigen Teil des Schiffes. Selbst wenn es den Arkoniden ge­lang, jetzt noch an Bord zu kommen, so würde ihnen das nichts nützen. Sämtliche Funktionen konnten von der Zentrale aus ge­steuert werden. Die Arkoniden hatten keine Chance mehr, das Schiff zurückzuerobern.

Vandra wußte, daß sie sich nun Zeit las­sen konnte.

Nur an eins hatte sie in der Eile nicht ge­dacht: an Lebensmittel.

Die lagerten tief unten im Schiff in den Kühlräumen, und um zu ihnen zu gelangen, mußte die Sperre abgeschaltet werden. Nie­mand hätte später zu sagen vermocht, ob dieser Umstand mit jenen Ereignissen zu­sammenhing, die noch folgten.

*

Wir waren alle völlig ahnungslos und mit unseren eigenen Problemen beschäftigt. An Bord hatten wir zwei zuverlässige Männer zurückgelassen, obwohl selbst das überflüs­

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sig schien. Auch Karelia hatte ihre Schütz­linge allein gelassen und war ins Freie ge­kommen.

Die Grabarbeit unserer Männer und Frau-en nahm ihren Fortgang, während Fartuloon, Ra und ich weiterhin versuchten, einen brauchbaren Kontakt zu den Coumargs her­zustellen. Brontalos half uns.

Den Kode hatten wir einigermaßen entzif­fern können, allerdings mit der unfreiwilli­gen Hilfe der Insekten, die zu unserer Ver­blüffung allen Befehlen folgten, die wir über den Funkrobot ausstrahlten.

Das machte uns zuversichtlicher. Mit einiger Mühe versuchte ich der Köni­

gin, aus deren Bau wir den Robot geholt hat­ten, klarzumachen, daß wir nicht jene waren, für die sie uns hielt. Es war sehr kompliziert, aus den wenigen uns bekannten Kodebegrif­fen eine vernünftig klingende Information zu kombinieren. Aber wir hofften, daß wir richtig verstanden wurden.

Auf unsere Aufforderung hin schickte die Königin zehn Coumargs an die Oberfläche, was uns einwandfrei bewies, daß sie ver­stand und gehorchte. Vielleicht sogar gegen ihren Willen.

Der Anfang war gemacht. Brontalos übernahm die weitere Kontakt­

aufnahme mit den zehn Coumargs und nahm sie mit zum Einbruch, um ihnen zu zeigen, was wir von ihnen wollten, während ich Akon-Akon Bericht erstattete. Er zeigte sich zufrieden über den Erfolg unserer Bemühun­gen und ordnete an, daß wir versuchen soll­ten, die Coumargs als Hilfskräfte einzuset­zen. Schließlich hatten uns die Insekten in diese Klemme gebracht, nun sollten, sie auch dafür sorgen, daß wir wieder freika­men.

Als ich zu den anderen zurückkehrte, hielt ich verblüfft inne.

Brontalos hatte bereits gehandelt. Von überall her kamen unübersehbare

Kolonnen von Coumargs herbeigekrochen, ließen sich den Abhang des Einbruchs hina­brutschen und begannen unverzüglich damit, die Erde um den Äquatorwulst abzutragen.

Sie schoben sie einfach in die Gänge hinein, von wo aus andere Arbeiter sie weiterbeför­derten.

Fartuloon und Ra kamen zu mir. »Gratulation!« Fartuloon setzte sich ins

Gras und deutete in das Loch hinab. »Ich kann mir ungefähr vorstellen, was hier vor einigen Jahrtausenden passiert ist. Die Ako­nen haben die Coumargs als Hilfskräfte ein­gesetzt, so wie wir es jetzt auch tun. Irgend­ein kluger Kopf hat ähnlich gedacht und ge­handelt wie wir, allerdings konnte er nicht damit rechnen, daß sich die Insekten rächen und das Depot zerstören würden. Erstaunlich ist nur, daß die Coumargs die Geschehnisse vor so langer Zeit nicht vergaßen. Im Ge­genteil: die Erinnerung daran muß so frisch sein, daß sie sofort zu handeln begannen, kaum daß wir gelandet waren.«

Brontalos kam zu uns, seinen Funkroboter im Arm.

»Sie arbeiten nun ohne Aufsicht weiter«, teilte er uns mit. »In ein oder zwei Tagen ist das Schiff frei, und wir können starten.«

»Von mir aus können sie länger brau­chen«, murmelte Ra.

Karmina Arthamin erschien ebenfalls. Ih­re Bordkombination war verschmutzt. Ver­ärgert meinte sie:

»Ihr bildet euch wohl ein, eine Ausnahme machen zu können, was?«

Ra grinste breit und hielt ihr seine schwie­ligen Hände hin.

Ich machte ihr klar, daß weder sie noch die anderen Arkoniden künftig einen Finger zu rühren brauchten, weil die Coumargs schließlich die Arbeit für alle übernommen hatten. Ihre Miene glättete sich, denn nun begriff sie die Zusammenhänge.

»War auch nicht so gemeint«, gab sie ver­söhnt zu.

Als ein Viertel des Antriebswulstes frei­gelegt worden war, summte die Rufanlage meines Telekoms. Das Signal mußte aus dem Schiff kommen.

Ich drückte den Knopf ein und meldete mich.

Als ich Vandra von Laggohns Stimme

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hörte, hielt ich für Sekunden die Luft an. Ich wußte sofort, daß etwas Entscheiden­

des geschehen war.

*

»Wir haben das Schiff zurückerobert und stellen nun unsere Bedingungen, Atlan«, sagte sie, als sie meine Stimme erkannte. »Leider kamen dabei Ihre beiden Leute in der Zentrale ums Leben. Sie waren unver­nünftig genug, sich zur Wehr zu setzen. Sie haben eine wunderbare Bruchlandung voll­führt, das muß ich schon sagen. Sehen Sie zu, daß unser Schiff wieder freikommt.«

Ich hatte mich inzwischen von meiner Überraschung erholt. Wenn Vandra glaubte, alle Trümpfe in der Hand zu haben, so sollte sie sich geirrt haben. Aber ich beschloß, erst einmal abzuwarten, was sie von uns wollte. Drüben auf dem Hügel sah ich Akon-Akon aufmerksam lauschen. Er hatte den Anruf gehört und sein Gerät ebenfalls eingeschal­tet.

»Sie sind also aus der Starre erwacht«, er­widerte ich vorsichtig. »Was haben Sie nun vor?«

»Wir bleiben drinnen, Sie draußen. Setzen Sie die Arbeiten fort.«

»Warum? Damit Sie starten und uns hier zurücklassen? Damit sind wir nicht einver­standen.«

»Das werden Sie wohl müssen. Wir kön­nen jeden einzelnen von Ihnen von hier aus genau beobachten. Zwingen Sie uns, mit Ge­walt zu drohen?«

»Wenn Sie das Feuer auf uns eröffnen, kommen Sie nie mehr von hier weg, Vandra. Das garantiere ich Ihnen. Bequemen Sie sich zu einem für beide Seiten annehmbaren Kompromiß, dann können wir weiter ver­handeln.«

Ich gab Brontalos einen Wink, den er so­fort verstand. Als sei weiter nichts gesche­hen, erhob er sich und spazierte mit seinem Funkroboter in Richtung des nächsten Cou­margbaus davon. Ra flüsterte ich zu:

»Geh mit ihm! Stoppt die Insekten!«

Clark Darlton

Vandra hatte zwar meine Worte nicht ver­standen, wohl aber gesehen, daß zwei von unserer Gruppe aufstanden und weggingen.

»Was soll das bedeuten? Wohin gehen sie?«

»Aber Vandra, Sie stellen zu indiskrete Fragen. Wollen Sie uns auch noch in rein persönlichen Angelegenheiten nachspionie­ren? Ihre Haltung zeugt von wenig Selbstsi­cherheit.«

Das hatte gesessen, denn sie stellte keine Fragen mehr.

Ich auch nicht. Wir saßen in einer Klemme, und es würde

schwer sein, da wieder herauszukommen. Abgesehen davon, daß das Schiff festgehal­ten wurde, waren wir auf Gnade oder Un­gnade den Akonen ausgeliefert. Sie waren in ihren Methoden nicht gerade zimperlich, denn zwei von unseren Leuten hatten bereits den Tod gefunden. Wenn Vandra sich in der Kommandozentrale verschanzte, bestand für uns so gut wie keine Möglichkeit, wieder in den Besitz des Schiffes zu gelangen. Wahr­scheinlich konnte uns da auch Akon-Akons Zauberstab nicht weiterhelfen.

Oder doch …? Ra schlenderte herbei und flüsterte mir

zu: »Die Coumargs beginnen sich zurückzu­

ziehen. Sie verschwinden in noch freien Gängen, die Akonen können das Einstellen der Arbeit also vorerst nicht feststellen.«

»Du kannst laut reden, ich habe den Tele­kom abgeschaltet. Übrigens hat Akon-Akon mich gerufen. Mal sehen, was er zu sagen hat.«

Den Kerlas-Stab zwischen den Knien, saß er auf dem Hügel im Gras. Sein Gesichts­ausdruck verriet keine Unruhe, und er ver­zichtete auch darauf, mir Vorwürfe zu ma­chen. Schließlich wußte er, daß er zumindest die gleiche Last von Schuld trug wie ich. Wir hätten beide vorsichtiger sein müssen.

»Die Akonen haben uns überlistet, nun gilt es, noch listiger zu sein als sie. Was werden wir tun?«

»Die Arbeiten sind eingestellt worden,

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Akon-Akon. Das Schiff kann sich unmög­lich von selbst befreien. Falls die Akonen das versuchen sollten, geschieht eine Kata­strophe. Mehr als siebzig Prozent des Trieb­werkwulstes steckt im Erdreich. Die Energie würde somit gestaut und flösse zurück. Das halten die Absicherungen nicht aus. Explo­sionen innerhalb des Schiffes sind die Folge. Die Akonen wissen das ohne jeden Zweifel. Sie werden es also nicht allein sein, die Be­dingungen stellen können.«

Akon-Akon nickte. »Sie sind demnach auf uns angewiesen –

und wir auf sie. Ob wir da eine Lösung fin­den werden?«

»Das bleibt abzuwarten, Akon-Akon.« »Sie haben sich gut mit der Kommandan­

tin verstanden, wie ich beobachten konnte. Reden Sie mit ihr. Versprechen Sie ihr alles, was sie haben möchte. Ob wir dann später unser Wort halten werden, bleibt uns über­lassen. Ich bleibe hier und hoffe.«

Nicht sonderlich ermuntert kehrte ich zu den anderen zurück. Es half mir auch nicht viel, daß Karmina auf Vandra zu schimpfen begann und immer wieder betonte, sie hätte von Anfang an gewußt, daß wir noch Ärger mit ihr haben würden. Fartuloon grinste nur müde.

Es wurde später Nachmittag und dann Abend. Zum Glück waren die Nächte auf Gonwarth recht warm, so daß wir im Freien bleiben konnten, ohne frieren zu müssen. Wir zogen uns bis hinter die ersten Hügel zurück, wo man uns vom Schiff aus nicht sehen konnte.

Ich sorgte dafür, daß sämtliche Telekome abgeschaltet waren.

Akon-Akon blieb auf seinem Hügel.

*

In dieser Nacht meldete sich Vandra nicht mehr. Ich hätte das Anrufsignal mit Sicher­heit gehört, da es mich geweckt hätte. Die Akonen schienen noch nicht bemerkt zu ha­ben, daß die Coumargs ihre Ausgrabungsar­beiten eingestellt hatten, wenn sie überhaupt

davon wußten. Als der Morgen graute, ging ich auf den

Hügel und sah hinüber zum Schiff. Dort hat­te sich nichts verändert. Es lag noch immer schief in der Grube, die Luken waren ge­schlossen. Auf dem Hügel rechts daneben saß Akon-Akon, den Stab zwischen den Bei­nen. Vielleicht hatte er die ganze Nacht so zugebracht.

Karmina wickelte sich aus der Decke, die zufällig jemand aus dem Schiff mitgenom­men hatte. Das erste Problem tauchte auf.

»Wo kriegen wir ein Frühstück her?« fragte Brontalos. »Der ganze Kram ist im Schiff.«

Wir hielten einen Kriegsrat ab. Den ret­tenden Gedanken hatte schließlich Fartu­loon:

»Die Vorräte lagern im unteren Teil. Wir müssen nur ins Schiff gelangen, dann kön­nen wir an sie heran. Aber wie? Die Akonen werden die Luke verschlossen haben.« Dann leuchtete es in seinem Gesicht auf. »Aber, wer arbeitet, soll auch essen! Wir machen Vandra darauf aufmerksam, daß wir keinen Handschlag mehr tun können, wenn sie uns keine Lebensmittel gibt.«

Ehe wir darauf reagieren konnten, kam der Signalruf des Interkoms.

Ich gab den anderen einen Wink und mel­dete mich.

»Ihr seid noch nicht bei der Arbeit«, stell­te Vandra sachlich fest. »Beginnt damit, oder wir müssen deutlicher werden.«

»Ohne Essen können wir nicht arbeiten, Vandra, das sollten Sie einsehen. Gestatten Sie, daß zwei von unseren Leuten das Schiff betreten und Konzentrate holen. Sie kom­men unbewaffnet.«

»Wir werden auf keinen Trick mehr her­einfallen«, gab sie kalt zurück. »Niemand wird das Schiff betreten! Wenn Sie heute fleißig arbeiten, werden wir Ihnen am Abend Ihre Rationen zuteilen. Das ist unser letztes Angebot.«

Ich glaubte, ihrer Stimme ein wenig Unsi­cherheit entnehmen zu können, die ich mir allerdings nicht erklären konnte. Fartuloon

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hielt mir einen Zettel hin, auf dem geschrie­ben stand: »Erkläre dich einverstanden!«

»Also gut, Vandra, wir tun, was du ver­langst. Aber es wird Tage dauern, bis das Schiff startklar ist. Wir müssen noch darüber verhandeln, was dann geschieht.«

»Das bestimmen wir!« kam es zurück. Ich schaltete den Telekom ab. Fartuloon

sagte: »So, und nun werden wir etwas unterneh­

men. Die Coumargs hat Vandra noch nicht bemerkt und somit auch nicht ins Kalkül ge­zogen.

Wir werden so tun, als setzten wir die Ar­beit fort, aber von den Sichtluken aus kön­nen die Akonen nicht viel sehen. Der Antrie­bswulst ist dazwischen, und die Luken dar­unter stecken in der Erde. Zwei von uns dringen in das Schiff ein und versuchen, an die Lebensmittel zu gelangen. Und wenn wir die Luke mit Gewalt sprengen müssen.«

»Wozu eigentlich?« fragte ich ihn. »Wir erhalten doch noch heute die Konzentrate.«

»Um die geht es gar nicht!« klärte er mich auf. »Die Akonen sollen wissen, daß wir nicht so ohne weiteres aufgeben und uns ih­rem Diktat beugen. Außerdem nehme ich an, daß sie sich in der Kommandozentrale ver­schanzt haben. Wenn sie feststellen, daß je­mand von uns im Schiff ist, müssen sie blei­ben, wo sie sind. Es sei denn, sie stellen sich offen zum Kampf. Aber das traue ich ihnen nicht zu. Wir haben ihr Schiff schon einmal erobert, warum also sollte es nicht zum zweiten Mal gelingen?«

»Beim ersten Mal haben wir sie über­rascht!«

»Das ist richtig, Atlan, aber diesmal über­raschen wir sie noch viel mehr. Außerdem will ich sie nur bluffen. Sie sollen sich nicht aus der Kommandozentrale herauswagen, und darum müssen sie glauben, im unteren Teil des Schiffes lauerte jemand auf sie. Glaubt ihr, sie wären in der Eile so umsich­tig gewesen, an Lebensmittel und. Wasser zu denken? Die Notvorräte im Kommando­teil sind schnell aufgebraucht. Ich habe Van­dras Stimme gehört und analysiert, als sie

Clark Darlton

davon sprach. Ihre Stimme klang unsicher.« Ich wußte, daß Fartuloon ein sehr guter

Beobachter war. Er irrte sich nur selten. »Wer geht?« fragte ich. »Ich werde Fartuloon begleiten«, rief Ra. Damit war der Fall erledigt. Wir verließen nach einiger Zeit die schüt­

zenden Hügel und kehrten zum Schiff zu­rück, wo wir wieder mit der Arbeit began­nen, nur daß wir den freigelegten Teil des Wulstes wieder zuschütteten. Fartuloon und Ra schlichen sich vor bis zur Einstiegluke und benutzten ihre Strahler, um sie zu öff­nen. Später, wenn sich das Schiff wieder im Weltraum aufhielt, würde man darauf achten müssen, daß die innere Luke geschlossen blieb.

Ungehindert gelangten sie in die Lager­räume und schleppten soviel Kisten mit Konzentraten, wie sie nur tragen konnten, in die Luftschleuse, wo sie von den Arkoniden in Empfang genommen wurden.

Sie gingen dreimal, dann summte die In­terkomanlage des Schiffes.

»Aha, jetzt endlich haben sie es bemerkt«, knurrte Fartuloon und meldete sich. »Ja, Vandra von Laggohn, was gibt es?«

»Sie haben meine Anordnungen nicht be­folgt! Was fällt Ihnen ein?«

»Wir hatten keine Lust, ohne Frühstück zu arbeiten. Möchten Sie, daß wir Ihnen aus der Küche eine kräftige Mahlzeit servieren lassen?«

»Ihnen wird der Spott noch vergehen!« kam es wütend zurück. »Verlassen Sie unser Schiff, und zwar sofort!«

»Sicher werden wir das, aber einer von uns wird bei der Luke bleiben.«

»Dann werden wir weitere Energiesperren dazuschalten.«

»Schön, und wir werden langsamer arbei­ten.«

Zornig schaltete sie ab. Fartuloon grinste, als er mit Ra die letzten

Kisten aus der Luke schob. Sie wurden hin­ter die Hügelkette transportiert. Niemand von uns kam auf den Gedanken, im Schiff zu übernachten, wenn der Tag vorbei war.

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Ich glaube, das war unsere Rettung.

6.

Brontalos, Ra und ich hatten uns hinter die Hügel zurückgezogen. Fartuloon blieb bei den anderen und kommandierte herum wie ein General, um bei den beobachtenden Akonen den Eindruck zu erwecken, es wür­de kräftig gearbeitet.

Brontalos nahm seine Puppe aus Metall und strahlte einige Impulse ab. Es dauerte auch nicht lange, bis etwa ein Dutzend Cou­margs erschienen und damit begannen, den schräg in die Erde führenden Gang zu ver­größern.

Ra sah mit Interesse zu, dann meinte er: »Wenn wir Fartuloon mitgenommen hät­

ten, müßten die armen Tierchen sich noch mehr anstrengen, weil er dicker ist. Die Kö­nigin will uns also empfangen?«

»Jedenfalls vergrößert sie den Gang, wie ich anordnete«, gab Brontalos zurück. »Sie scheint also einverstanden zu sein.«

Ich versprach mir einiges davon, direkten Kontakt mit den Coumargs aufzunehmen. Es mußte ihnen noch einmal gesagt werden, daß es die Akonen waren, die sie vor Jahr­tausenden versklavt hatten, nicht die Arkoni­den. Außerdem sollten sie erfahren, daß sich die Akonen in den Besitz unseres Schiffes gebracht hatten, wobei der Begriff »unser« natürlich rechtlich nicht ganz einwandfrei war, aber das mußten die Coumargs ja nicht unbedingt wissen. Vielleicht würden sie un­ter diesen Umständen bereit sein, uns noch mehr als bisher zu helfen.

»Wie weit sind sie?« fragte ich nach einer halben Stunde.

»Die Königin gibt gerade bekannt, daß wir kommen können«, sagte Brontalos, nachdem er die Impulse entschlüsselt hatte.

Sehr groß hatten sie den Gang nicht ge­macht. Wir mußten uns zuerst bücken, und später kamen wir sogar nur noch auf allen vieren voran. Dann stießen wir auf einen Hauptkorridor, so daß wir uns wieder auf­richten konnten. Wenige Minuten später er­

reichten wir die Kammer der Königin. Es war eine andere als jene, der wir schon

einmal begegnet waren. Ich sah mich um, konnte aber keinen Funkroboter entdecken. Es gab sie also nicht in jedem Bau.

Auch hier lag die Königin auf ihrem Po­dest, um sich ihre Leibwache. Die nun fol­gende Unterhaltung mit ihr war mühsam und zeitraubend, da nicht sehr viele Begriffe zur Verfügung standen. Aber Brontalos hatte be­reits eine solche Übung im Kombinieren, daß Fehlinterpretationen völlig ausblieben.

Die Unterhaltung verlief in etwa folgen­dermaßen:

»Wir sind nicht jene, für die ihr uns haltet, Königin. Wir wissen, daß euer Volk vor lan­ger Zeit von Wesen versklavt wurden, die uns ähnlich sahen. Sie ließen euch diese Me­tallköniginnen zurück, die jederzeit wieder aktiviert und zu euren Diktatoren werden können.«

»Ihr seid nicht Angehörige desselben Vol­kes?«

»Nur acht von uns, aber sie sind unsere Feinde. Sie haben unser Schiff in Besitz ge­nommen, können aber nicht starten, weil ihr es unterhöhlt und halb verschüttet habt, ähn­lich wie die Stationen.«

»Wenn sie eure Feinde sind, ist das gut so.«

»Auf der einen Seite ist es gut, da gebe ich dir recht. Aber irgendwann wird es uns gelingen, das Schiff zurückzuerobern. Bis dahin werden wir euch nicht um Hilfe bitten. Wir könnten befehlen, und ihr müßtet gehor­chen, aber wir möchten eure freiwillige Hil­fe.«

Die Königin versprach, sich mit ihren Kolleginnen der anderen Völker zu beraten. Eigentlich konnte uns das Ergebnis gleich­gültig sein, denn wir besaßen jederzeit die Möglichkeit, sie zu zwingen. Aber es war meine Absicht, die von Natur aus friedlichen Coumargs für immer von der drohenden Ge­fahr einer künftigen neuen Versklavung zu befreien.

Im Augenblick jedoch mußten wir in er­ster Linie an uns selbst denken, denn beson­

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ders rosig war unsere Lage gerade nicht. Ich erklärte der Königin, daß sie und ihr

Volk und auch die benachbarten Völker vor­erst nichts unternehmen sollten, um die Akonen im Schiff nicht noch weiter zu be­unruhigen. Wenn wir neue Aktionen wünschten, würde sie entsprechende Anwei­sungen erhalten.

Dann begann ich in der Vergangenheit zu forschen, und nach und nach erfuhren wir die ganze Geschichte mit den Akonen, dem Biologen Karlakon und seinen beiden Assi­stenten, denen es gelungen war, die Cou­margs unter ihre Kontrolle zu bringen.

Als wir zum Schiff zurückkehrten, dun­kelte es bereits.

»Ist es nicht immer so?« fragte Ra, als wir uns den Hügeln näherten und wir das Lager­feuer schon sehen konnten. »Die Schwäche­ren werden stets unterdrückt und ausgebeu­tet, obwohl beide Seiten mehr Nutzen hät­ten, wenn kooperiert würde.«

»Sicher«, gab ich ihm recht, schränkte aber sofort wieder ein: »Den Stärkeren geht es aber in erster Linie um ihren eigenen Vor­teil, nicht um den der Schwächeren, darum die Versklavung. Die Geschichte hat jedoch bewiesen, daß diese Methode mit der Zeit immer wieder zur Niederlage der herrschen­den Schicht führt – früher oder später.«

»Ich bin nicht ganz Ihrer Ansicht, Atlan«, griff Brontalos das Thema auf, um nach­denklich fortzufahren: »Es gab schon Versu­che der Kooperation zwischen Herrschenden und Unterdrückten. Die Starken räumten den Schwächeren gleiche Rechte und Pflichten ein. Und was war die Folge? Die vorher Versklavten machten den Fehler, nur die Rechte zu sehen, die Pflichten jedoch zu ignorieren. Sie mißachteten das uralte Ge­setz, daß Rechte auch Pflichten mit sich bringen. Unter gleichen Rechten verstanden sie die Rache an jenen, die sie vorher ausge­beutet hatten und die ihnen nun die Freiheit zurückgaben. Das Resultat war das Chaos, der Rückzug der vorherigen Unterdrücker und schließlich die eigene Diktatur der vor­mals Versklavten. Sie hatten nichts gewon-

Clark Darlton

nen.« »Im Gegenteil«, meinte Ra, »nun hatten

sie alles verloren.« Ich antwortete nicht, denn ich wußte, daß

Brontalos recht hatte. Zu oft hatte ich diese Dinge selbst erlebt. Zumindest hatte ich von ihnen gehört. Sie wiederholten sich immer wieder im Großen Imperium. Sie wiederhol­ten sich wahrscheinlich in allen Imperien.

Die Frage nach Ursache und Wirkung und damit nach dem endgültig Schuldigen blieb jedoch offen. Keine der beiden Seiten schien lernen zu wollen.

Karmina stand auf, als sie uns kommen sah.

»Vandra hat sich wieder gemeldet«, be­richtete sie. »Du hast es wahrscheinlich nicht hören können, da du gerade im Bau der Coumargs warst. Sie verlangt, daß kei­ner von uns das Schiff betritt.«

»Und warum?« Sie zuckte die Schultern. »Das hat sie uns nicht verraten. Aber Far­

tuloon meint, er wüßte die Erklärung.« Wir setzten uns ans Feuer. Fartuloon sagte: »Wie ich vermutet habe, Atlan. Sie sitzen

in der Kommandozentrale ohne Lebensmit­tel fest und wagen es nicht, den Energie­schirm abzuschalten. Ich wundere mich, daß sie nicht den Gesamtschirm aktivieren, dann wären sie völlig sicher. Aber dann könnte auch niemand mehr raus aus dem Schiff, und noch sind sie auf unsere Hilfe angewie­sen. Wenn wir sie nicht freischaufeln, stecken sie bis in alle Ewigkeit im Dreck.«

»Vielleicht wollen sie auch nur Energie sparen«, vermutete Ra.

»Die haben mehr Energie, als sie jemals verbrauchen können«, klärte Karmina ihn auf. »Ich glaube, Fartuloons Theorie stimmt.«

»Ist jemand von uns im Schiff?« erkun­digte ich mich.

»Akon-Akon wollte mit ihnen sprechen«, gab Fartuloon Auskunft.

»Er wird kein Glück haben, denn sie las­sen ihn mit seinem Kerlas-Stab bestimmt

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nicht zu sich. Vor ihm haben sie noch mehr Angst als vor uns.«

Ich beugte mich vor. »Karmina, glaubst du, daß es möglich wä­

re, auch gegen den Willen der Akonen einen der Gleiter aus dem Hangar zu holen? Ich habe bemerkt, daß eine der Ladeluken über der Einbruchstelle liegt.«

»Was willst denn mit einem Gleiter?« »Bitte, beantworte meine Frage.« Sie schürzte die Lippen, was ihr recht gut

stand. »Vielleicht ist es möglich, ich weiß es

nicht. Aber was sollten sie dagegen haben? Mit einem Gleiter kann niemand von uns diesen Planeten verlassen. Wir sitzen so oder so fest.«

»Schön, ich wollte nur deine Meinung hö­ren. Morgen besorgen wir uns einen Gleiter. Und dann suchen wir eine vielleicht noch in­takte Station der Akonen.«

»Wenn du Vandra schöne Augen machst, gibt sie dir vielleicht freiwillig einen«, sagte Karmina bissig.

Ich grinste vor mich hin und antwortete nicht.

Fartuloon hingegen hatte begriffen. »Ich weiß schon, Atlan, was du willst. Es

könnte ja sein, daß nicht alle Depots und Stationen so zerstört wurden wie diese hier. Vielleicht finden wir sogar den Transmitter. Allerdings wüßten wir kaum, wohin er uns bringt, falls er überhaupt noch funktioniert.«

»Wir brauchen den Transmitter nicht, denn wir holen uns das Schiff zurück«, er­öffnete ich ihm voller Optimismus. »Allein kommen sie nicht weg von hier, und wenn wir ihnen helfen, dann nur unter gewissen Bedingungen.«

*

Wir holten uns den Gleiter am anderen Tag.

Akon-Akon hatte mich unterrichtet, daß sein Vermittlungsversuch gescheitert war. Vandra hatte sich strikt geweigert, die Ener­giebarriere abzuschalten und ihn zu empfan­

gen. Sie schien sich offensichtlich vor dem Anblick des Kerlas-Stabes zu fürchten.

Und dann teilt er uns mit: »Wenn sie starten, wollen sie nur mich

mitnehmen. Ihr sollt auf Gonwarth zurück­bleiben, und zwar so lange, bis ein Schiff des Demontagegeschwaders eintrifft – falls jemals eines kommen sollte. Das ist alles, was ich in Erfahrung bringen konnte.«

Die Nachricht war alles andere als erfreu­lich. Nun kam es nur noch darauf an, wie Akon-Akon sich entschieden hatte. Ich frag­te ihn.

»Keine Sorge«, erwiderte er, und ich sah ihn ein wenig lächeln, was selten genug ge­schah. »Ich habe das Angebot abgelehnt. Ich bleibe auf Gonwarth und fliege nicht mit ih­nen – falls sie überhaupt hier wegkommen. Es liegt nur an uns, ob sie starten können oder nicht. Jedenfalls ist die Reihe an Van­dra, den nächsten Vorschlag zu machen.«

Fartuloon und ich bestiegen erleichtert den Gleiter, um einen ersten Erkundungsflug zu unternehmen. Wir waren davon über­zeugt, daß es auf Gonwarth noch mehrere Stationen geben mußte, aber wir hatten nicht die geringste Ahnung, was wir Nützliches für uns dort finden konnten. Vielleicht war es auch nur die erzwungene Untätigkeit, die uns dazu bewog, etwas zu unternehmen.

Brontalos versuchte uns zu überreden, ihn mitzunehmen, damit wir über »seinen« Fun­kroboter Kontakt zu fremden Völkern der Coumargs aufnehmen konnten, aber ich konnte ihn davon überzeugen, daß es dazu noch zu früh war. Außerdem wußten wir nicht, wie jene Coumargs reagieren würden, die niemals versklavt worden waren.

Wir flogen in nördliche Richtung, in ein Gebiet also, das wir noch nicht erforscht hat­ten.

Der »Diebstahl« des Gleiters war ohne Komplikationen verlaufen. Ohne bemerkt zu werden, war ich mit drei Arkoniden in das Schiff eingedrungen. Vandra schien in der Tat nicht zu wissen, ob immer jemand von uns im Schiff wachte oder nicht. Nur als wir den Hangar betraten, schaltete sich der auto­

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matische Alarm ein. Vandra meldete sich und fragte nach der Ursache. Ich erklärte ihr, daß wir einen Gleiter benötigten, um in einer weiter entfernten Station vielleicht techni­sche Hilfsmittel auftreiben zu können, die das Ausgraben des Schiffes beschleunigen könnten. Nach einigem Zögern gab sie dann ihre Erlaubnis.

Fartuloon überzeugte sich davon, daß die Funkanlage und unsere Armbandtelekome abgeschaltet waren, ehe er sagte:

»Sie ist ganz schön auf unseren Trick her­eingefallen, deine hübsche Vandra.«

»Fang du nicht auch noch mit diesem Un­sinn an!« riet ich ihm. »Mir genügen Karmi­nas dumme Bemerkungen. Mit Vandra ver­bindet mich überhaupt nichts, und warum sollte ich mir ihren Haß zuziehen? Damit wäre keinem von uns gedient.«

Fartuloon lachte aus vollem Hals. »Junge, Atlan, kannst du dir denn nicht

vorstellen, daß solche Anspielungen einen ungeheuren Spaß bereiten? Nun ja, vielleicht hat Karmina andere Motive, ich jedenfalls habe meine Freude daran, dich wütend zu machen.«

»Merkwürdige Art von Humor«, knurrte ich. »Wir fliegen übrigens auf eine Gebirgs­kette zu. Du mußt höher steigen.«

Die Warnung war überflüssig, denn Fartu­loon war ein ausgezeichneter Pilot. Sehr hoch waren die Berge nicht, aber sie bilde­ten eine fast lückenlose Wand, die sich von Osten nach Westen erstreckte und den Kon­tinent in zwei Teile spaltete.

Wir glitten dicht über die Gipfel dahin, bis wir die andere Seite erreichten. Vor uns erstreckten sich bis zum Horizont endlose Steppen und dichte Wälder. Rechts war in der Ferne der dunkle Streifen des Ozeans zu erkennen.

»Ich möchte wissen, Atlan, ob es einen Kontakt zwischen den Coumargs nördlich und südlich des Gebirges gibt. Glaubst du, daß sie bereits soviel soziales Verhalten ent­wickelt haben?«

Ich wußte es genausowenig wie er. Aber es spielte auch keine Rolle. Allerdings konn-

Clark Darlton

te ich mir nicht vorstellen, daß es den Insek­ten gelungen war, Tunnels durch das Fels­massiv zu graben, und weiter als zwei Kilo­meter reichten ihre Funkimpulse auch nicht.

»Da vorn!« rief Fartuloon plötzlich und deutete nach Nordwesten. »Was ist das?«

Ich sah es sofort. Ein kuppelartiger Bau erhob sich aus der

Grasebene. Sein Durchmesser betrug fast einen Kilometer, und er war mindestens halb so hoch. Die riesige Anzahl der Insektenpy­ramiden, die sich darum herum gruppierte, wirkte dagegen wie ein Haufen winziger Splitter, die jemand in die Oberfläche von Gonwarth gespießt hatte.

»Eine Station, Fartuloon, und zwar eine noch intakte. Wer weiß, wie viele es davon noch auf Gonwarth gibt. Diese jedenfalls ha­ben wir gefunden. Wir landen.«

Nachdem die Akonen abgezogen waren, hatten sich hier die Coumargs nicht um die verlassene Station gekümmert. Der Biologe Karlakon war also niemals bis hierher ge­kommen.

Wir landeten in dem hohen Gras dicht bei den Pyramiden der Insekten, die uns einfach ignorierten und ihrer Tätigkeit nachgingen.

Ohne Brontalos und den Funkroboter fehlte uns natürlich jede Möglichkeit, mit den Coumargs Kontakt aufzunehmen, aber schon an ihrem Verhalten uns gegenüber glaubten wir zu bemerken, daß sie mit den Akonen keine schlechten Erfahrungen ge­macht hatten.

Aber darauf waren wir schon einmal her­eingefallen.

Wir fanden den Eingang zur Kuppel. Er war ordnungsgemäß verschlossen, was je­doch für uns kein unüberwindliches Hinder­nis darstellte, wohl aber für die Insekten. Es gelang Fartuloon sogar, die Sicherheitssper­re ohne jede Beschädigung zu beseitigen.

Dann allerdings erlebten wir eine herbe Enttäuschung.

Die Kuppel war in fünf Stockwerke unter­teilt, die durch Treppen miteinander verbun­den waren. Die Räume hinter den Türen der Rundgänge waren leer. Ich nahm an, daß sie

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als Unterkünfte gedient hatten. Die eigentli­chen Forschungsanlagen fanden wir unter der Oberfläche, aber die Maschinen und Ge­räte waren verstaubt und voller Rost. Die am tiefsten gelegene Anlage war von Grund­wasser überflutet.

»Eine Transmitterstation ist es auf jeden Fall nicht«, faßte Fartuloon das Ergebnis un­serer Durchsuchung zusammen. »Hier fin­den wir nichts, das uns weiterhelfen könn­te.«

Enttäuscht kletterten wir wieder in den Gleiter und starteten.

Ich nahm Verbindung mit Karmina auf und gab ihr einen kurzen Bericht. Sie bestä­tigte ihn und sagte dann:

»Hast du schon jemals in deinem Leben etwas von einem Blauen System gehört?«

»Noch nie!« gab ich zurück. »Was soll das sein?«

»Akon-Akon erwähnte es. Er behauptet, Vandra hätte davon gesprochen, und zwei­fellos müsse es sich dabei um das Versteck der Akonen handeln. Wahrscheinlich nen­nen sie es so nach einem besonders blau strahlenden Stern.«

»So leichtsinnig würde Vandra nicht sein«, meinte ich, denn ich wußte, wie vor­sichtig sie bisher gewesen war. »Die Koor­dinaten des Verstecks sind das größte Ge­heimnis der Akonen, und sie lassen es sich nicht entreißen.«

»Ich kann nur wiederholen, was Akon-Akon gesagt hat. Sie wollen ihn ja mitneh­men und wollen ihm die Geschichte viel­leicht schmackhaft machen. Verstehst du üb­rigens, warum er ablehnt, wenn er vorher doch so scharf darauf war, die Koordinaten zu erfahren?«

»Dafür gibt es vorerst keine logische Er­klärung, Karmina. Vielleicht hält er uns doch für die wertvolleren Verbündeten.«

»Sklaven wäre wohl der treffendere Aus­druck dafür.«

Ich widersprach nicht. »Wir werden noch ein Stück nach Westen

fliegen und dann umkehren, Karmina.« Eine Station fanden wir nicht mehr, dafür

aber immer mehr Bauten der Coumargs und zum ersten Mal auch andere Lebewesen au­ßer den Insekten. Als wir wieder nach Süden flogen, entdeckten wir auf einer grasigen Hochebene riesige Herden kleiner, vierbei­niger Pflanzenfresser.

»Hier oben haben sie sich noch gehalten«, sagte Fartuloon. »Es gibt auch kaum Cou­margs hier, denn ich sehe keine Bauten. Die Vierbeiner sind schneller als sie und wahr­scheinlich keine leichte Beute. Sie haben sich ins Gebirge geflüchtet und leben relativ sicher. Darum konnten sie sich auch so zahl­reich vermehren.«

»Und die Coumargs stellen sich auf vege­tarische Nahrung um«, fügte ich hinzu.

Fartuloon nickte. »So lange, bis das ökonomische Gleichge­

wicht abermals gestört wird, weil es keine Pflanzen mehr gibt.«

»Der Natur wird immer wieder etwas Neues einfallen.«

Wir überflogen das Gebirge nun von Nor­den nach Süden und verringerten die Ge­schwindigkeit, um besser beobachten zu können, aber unsere Vermutung, die Akonen könnten vielleicht in großer Höhe auch eine Station errichtet haben, traf nicht zu. Auch die Massetaster zeigten nichts an.

Wohlbehalten landeten wir schließlich wieder hinter den Hügeln, wo uns Karmina und die Arkoniden mit Erleichterung in Empfang nahmen.

*

Es war für uns alle kein Geheimnis mehr, daß wir an einem toten Punkt angelangt wa­ren.

Vandra und ihre sieben Akonen hatten das Schiff, wenn sie auch da mit nicht starten konnten. Wir dagegen hockten untätig im Freien herum und warteten. Jedenfalls konn­ten wir nichts unternehmen.

Zu meinem Mißvergnügen experimentier­te Brontalos weiter mit den Coumargs. Ich wollte ihn daran hindern, aber Ra meinte, es sei ganz gut, wenn die Insekten in Übung

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blieben. Niemand könne wissen, wozu das noch einmal gut sei.

Selbstverständlich sorgte ich dafür, daß immer einige von uns in dem Loch »arbeiten«, aber ich wußte, daß nicht mehr viel dabei herauskam. Das Schiff saß nun endgültig fest, der Ringwulst war völlig ver­schüttet. Wenn Vandra sich erkundigte, er­hielt sie die Auskunft, daß es noch einige Tage dauern würde, bis der Antrieb einge­schaltet werden konnte.

Ich konnte spüren, daß ihre Geduld all­mählich zu Ende ging.

Nicht mehr lange, dann mußte es zur Ka­tastrophe kommen. Sie brauchte nur einen ihrer Männer aus dem Schiff zu schicken, um nachzusehen, dann wußte sie, was ge­spielt wurde.

Trotzdem war es gerade das, worauf wir warteten.

Fartuloon und ich unternahmen noch wei­tere Flüge mit dem Gleiter, aber wir fanden nichts mehr, was uns weitergeholfen hätte. Es war einfach unmöglich, die gesamte Oberfläche von Gonwarth systematisch ab­zusuchen.

Am vierten Tag nach unserem ersten Er­kundungsflug geschah dann genau das, was wir zugleich befürchteten und erhofften.

Vandra rief mich über Funk an. »Wie lange dauert das denn noch, Atlan?« »Uns fehlt das richtige Werkzeug, das

sagte ich Ihnen doch bereits. Sie müssen Ge­duld haben.«

»Wir nehmen an, Sie verzögern die Ar­beit. Ich werde einen meiner Männer hinaus­schicken. Stellen Sie sich drüben am Rand des Einbruchs auf, damit ich sie zählen kann!«

»Wir verlieren nur Zeit, und …« »Tun Sie, was ich Ihnen sage!« unter­

brach sie mich in scharfem Ton. »Na schön, wie Sie meinen.« Ich wußte, daß sie uns mit einem einzigen

Feuerstoß aus dem Schiff erledigen konnte, und wenn wir in Deckung blieben, würde es für uns künftig unmöglich sein, an den Raumer heranzukommen.

Clark Darlton

Als Vandra festgestellt hatte, daß wir vollzählig waren und niemand in einem Ver­steck lauerte, ordnete sie an:

»Und nun verschwindet hinter den Hü­geln, auch Akon-Akon! Laßt euch nicht se­hen, bis ich es sage. Vergeßt nicht, daß einer meiner Männer am Feuerleitstand sitzt. Er hat Befehl, jeden zu töten, der sich dem Schiff nähert.«

Wir zogen uns zurück. Fartuloon meinte voller Bedenken: »Und wenn sie nun merkt, daß wir sie

hereingelegt haben? Ich fürchte, sie wird ziemlich wütend werden.«

»Das macht nichts, Fartuloon«, erwiderte ich mit zwiespältigen Gefühlen, denn ich war mir meiner Sache durchaus nicht sicher. »Sie wird sich vielleicht eher zu Verhand­lungen bereit erklären, wenn sie sieht, daß wir hart geblieben sind. Sie hat auch keine andere Wahl. Sie braucht uns, wenn sie frei­kommen will.«

»Ich weiß nicht«, entgegnete Fartuloon pessimistisch. »Sie kann einen Mann in der Kommandozentrale am Feuerleitstand zu­rücklassen und selbst versuchen, das Schiff frei zu graben.«

»Dazu würde sie ein halbes Jahr benöti­gen.«

Wir lagen hinter den Hügeln und spähten über den Kamm hinweg. Viel war nicht zu sehen, auch die Ausstiegluke nicht. Aber Vandra hielt Funkkontakt mit dem Mann, den sie zur Erkundung losschickte.

Der Akone öffnete die Luke und berichte­te dann, was er sah. Für Vandra konnte das keine sehr erfreuliche Nachricht sein, denn wir hörten sie fluchen. Sie kündigte uns eine blutige Vergeltung an, wenn wir nicht sofort mit der Arbeit beginnen würden. Und zwar unter der Aufsicht eines Akonen.

Ich stellte meine Bedingung: »Gut, Vandra, ich garantiere Ihnen, daß

wir das Schiff in zwei Tagen freibekommen, aber nur dann, wenn Sie die Zentrale verlas­sen und sich in meine Obhut begeben. Es wird Ihnen nichts geschehen, aber ich muß sicher sein, daß Sie uns keine Falle stellen.

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Wir haben keine Lust, für immer auf Gon­warth zu bleiben.«

»Ich soll mich freiwillig zurück in die Ge­fangenschaft begeben? Niemals, Atlan!«

»Dann bleiben Sie, wo Sie sind!« Es entstand eine lange Pause. Wahr­

scheinlich beriet sie sich mit ihren Leuten. Wir hingegen brauchten nicht zu beraten. Wir warteten.

Endlich sagte Vandra: »Ich werde Ihnen morgen meinen Ent­

schluß mitteilen, Atlan.« »Lassen Sie sich nur Zeit«, gab ich zu­

rück. »Aber erwarten Sie nicht, daß wir in­zwischen eine Hand rühren werden, um das Schiff auszugraben. Unsere Lebensmittel reichen noch für einige Wochen, außerdem haben wir eine gute Fleischquelle entdeckt. Überlegen Sie also gut, wie Sie sich ent­scheiden.«

»Was ist mit Akon-Akon? Will er noch immer bei Ihnen bleiben?«

»Sieht so aus, Vandra. Fragen Sie ihn doch!«

Sie verzichtete darauf und schaltete ab. Wir verbrachten den Rest des Tages mit

außerordentlicher Gelassenheit, denn wir waren fest davon überzeugt, die Akonen in eine für sie aussichtslose Lage manövriert zu haben. Vandra mußte nachgeben, oder es auf eine endlose Belagerung ankommen lassen.

Und im Notfall konnten wir den Cou­margs noch befehlen, einen weiteren Hohl­raum unter dem Schiff zu erzeugen, damit es völlig unter die Oberfläche versank.

Aber eine solche Anordnung wollte ich erst dann geben, wenn kein anderer Ausweg mehr blieb.

Abends saßen wir wieder um unser Lager­feuer, während ein Mann auf den Hügeln Wache hielt. Akon-Akon saß abseits und schien zu träumen. Mit weit geöffneten Au­gen starrte er in den Nachthimmel, als wolle er die Sterne zählen.

*

Der Hügel vermochte nicht, die Druck­

welle völlig abzufangen, die uns gegen Mit­ternacht aus dem Schlaf riß.

Ich wurde einige Meter weit durch die Luft geschleudert und landete in einer Pyra­mide der Coumargs, die den Aufprall mil­derte. Ein greller Feuerblitz blendete mich, und als er erlosch, konnte ich minutenlang nichts sehen. Das Donnern der Explosionen machte mich halb taub.

Größere und kleinere Splitter surrten mit hoher Geschwindigkeit über uns durch die Luft, nur wenige hatten so geringen Schwung, daß sie bei uns landeten und sich in die Erde bohrten.

Sie kamen alle aus der Richtung des Schiffes.

Der Arkonide, der auf dem Hügel ge­wacht hatte, kam herbeigerannt. Er blutete an der Stirn. Seine Waffe hatte er unterwegs verloren.

»Das Schiff!« keuchte er. »Ich glaube, sie wollten starten …«

Fartuloon rollte sich aus einer Mulde, in der er gelegen hatte.

»Vandra muß verrückt geworden sein«, keuchte er.

»Sie hat die Nerven verloren«, sagte ich und ging den Abhang hinauf, bis ich das Schiff sehen konnte.

In der rötlich schimmernden Glut aber konnte ich nur erkennen, daß der Krater nun auch einen Ringwall bekommen hatte …

7.

Vandra hatte die Nerven verloren und den Start befohlen.

Als es hell wurde und wir etappenweise in das fast vollends zerstörte Schiff eindrangen, konnten wir die Ereignisse der vergangenen Nacht rekonstruieren.

Obwohl Vandra wissen mußte, daß der Ringwulst mit den Antriebsstrahlern fast völlig verschüttet war, hatte sie den Befehl zum Start gegeben. Vielleicht hatte sie ge­hofft, doch freizukommen und dabei überse­hen, daß die Wirkung der Antriebsenergie in entgegengesetzter Richtung freiwerden

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konnte. Es erfolgte ein sogenannter Energieum­

schlag, der im Bruchteil einer Sekunde sämtliche Aggregate und Reaktoren überla­stete und zur Detonation brachte.

Mühsam nur konnten wir uns den Weg durch die zusammengeschmolzenen Trüm­mer bahnen. Es war uns allen klar, daß die­ses Wrack nie mehr fliegen würde. Selbst in der bestausgerüsteten Werft wäre es irrepa­rabel gewesen.

Es dauerte zwei Stunden, bis wir die Kommandozentrale erreichten. Wenn die Verwüstungen hier auch nicht so schlimm aussahen, hatte die plötzliche Entladung der zurückfließenden Energie genügt, Vandra und ihre sieben Akonen zu töten. Ihre Lei­chen waren zum Teil verkohlt und nicht mehr zu identifizieren.

Ich teilte Akon-Akon, der draußen geblie­ben war, mit, was geschehen war. Er zeigte sich nicht sonderlich berührt von dem Schicksal der Akonen, und auch die Tatsa­che, daß wir nun endgültig auf Gonwarth festsaßen, schien ihn kaum zu erschüttern.

»Nun könnten uns auch die Coumargs nicht mehr helfen«, stellte Brontalos bedau­ernd fest, und ich mußte ihm zustimmen. »Aber vielleicht finden wir unten in den Hangars noch ein brauchbares Beiboot. Da­mit könnten wir das nächste System ansteu­ern. Wenn alles danebengeht, müssen wir eben einen Notruf abstrahlen.«

»Und die Akonen hierherlocken?« Ich schüttelte den Kopf. »Das würde unser Ende bedeuten, Brontalos, vergessen Sie das nicht.«

Fartuloon gab nicht so schnell auf. »Trotzdem werden wir das Wrack von

oben bis unten systematisch durchsuchen. Wir müssen etwas finden, das uns weiter­hilft!«

»In dem Trümmerhaufen ist nichts mehr heil«, behauptete ich. »Wir haben ein paar Waffen und den Gleiter, mit mehr können wir nicht rechnen.«

»Aber wir leben!« gab Fartuloon störrig zurück. Aus dem ewigen Pessimisten war

Clark Darlton

mal wieder ein Optimist geworden, wie im­mer, wenn die Lage aussichtslos war. »Und wir können uns wieder frei bewegen.«

»Also bewegen wir uns«, meinte ich ohne viel Hoffnung.

Akon-Akon schien sich kaum für unsere Rettungsversuche zu interessieren. Man konnte ihn im Augenblick nicht gerade als unfreundlich bezeichnen, wohl aber als völ­lig teilnahmslos. Ich wurde das Gefühl nicht los, daß er den Ausweg aus unserer schlim­men Situation bereits kannte. Aber ich fragte ihn nicht danach.

Wir versiegelten die Kommandozentrale und ließen die Überreste der Akonen in ihr. Ein besseres Begräbnis konnten sie als Raumfahrer nicht bekommen. Sie blieben in ihrem Schiff – für alle Zeiten.

Zur Funkzentrale gab es einen zweiten Eingang. Während Fartuloon mit den ande­ren die systematische Durchsuchung des Wracks einleitete, machte ich mich mit Vor­ry daran, die Hyperfunkanlage zu untersu­chen. Der Magnetier besaß ein gewisses Ta­lent für technische Dinge, und sein Instinkt in dieser Hinsicht war unübertroffen.

Zum Glück hatten wir unsere Telekome, so daß ich mich mit den anderen jederzeit in Verbindung setzen konnte, wo immer sie auch gerade waren.

Zu meinem Erstaunen war die Anlage nur wenig beschädigt worden. Wenn wir an das Ersatzteillager heran konnten und die ent­sprechenden Dinge dort fanden, würde es nicht schwierig sein – so wenigstens meinte Vorry –, die Geräte in Ordnung zu bringen.

Nach zwei Stunden gab er mir eine Liste. Ich nahm Kontakt zu Fartuloon auf.

»Nun, wie sieht es aus?« fragte ich ihn. »Fürchterlich! Man könnte meinen, im In­

nern des Schiffes hätte ein Kampf getobt. Man kommt von einer Sektion in die ande­re.«

»Wie sieht es mit dem Ersatzteillager aus?«

»Wir arbeiten uns gerade in die unteren Regionen vor. Da wird es noch schlimmer sein, weil dort auch die Energiereaktoren

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sind. Warum?« Ich erklärte ihm, was wir haben wollten.

Er versprach, sich zu melden, sobald er am Ziel angelangt sei. Immerhin mußten wir drei Stunden warten, ehe das geschah. Vorry gab die Nummern und Bezeichnungen der gewünschten Ersatzteile durch.

»Ist ein herrliches Durcheinander hier un­ten«, sagte Fartuloon. »Regale und Schränke sind umgekippt, der ganze Kram liegt ver­streut herum. Aber ich will es versuchen …«

»Soll ich ihm nicht helfen?« erbot sich Vorry.

»Warte damit noch«, riet ich. »Bis du da unten bist, hat Fartuloon vielleicht schon Er­folg.«

Vorry baute inzwischen die beschädigten Teile aus den Geräten aus und legte sie fein säuberlich der Reihe nach auf den Tisch, da­mit es keine Verwechslungen geben konnte. Ich bemerkte, daß die Unterschiede zu den entsprechenden arkonidischen Werkstücken meist nur geringfügig waren.

Brontalos meldete sich am Nachmittag und schlug vor, die Coumargs wieder an die Arbeit zu schicken. Er meinte, es könne nicht schaden, wenn sie den unteren Teil des Wracks frei gruben. Ich lehnte mit der Be­gründung ab, daß die Hitze in der Äquator­gegend und damit in Wulsthöhe die Erde zu Glas geschmolzen hatte. Außerdem erschien es mir sinnlos, ein flugunfähiges Schiff frei­zulegen.

Als es schon dunkelte, teilte uns Fartu­loon mit, daß er alle gewünschten Ersatzteile gefunden habe.

Wir trafen uns bei der Luke. Vorry zeigte sich befriedigt und versprach, noch in der Nacht den Hyperfunk in Ordnung zu brin­gen. Ich legte ihm ans Herz, auf keinen Fall den Sender auszuprobieren, nur den Emp­fänger. Morgen wollten wir den Raum um uns systematisch abhorchen und feststellen, ob Schiffe in der Nähe waren.

Wir verbrachten die Nacht wie gewohnt im Freien. Akon-Akon erkundigte sich, wie es im Innern des Schiffes aussah und gab sich mit der Mitteilung zufrieden, daß es

noch Tage dauern würde, bis wir alle Sektio­nen durchstöbert hätten.

Mir schien, als warte er auf eine ganz be­stimmte Nachricht.

*

Ich war überrascht, wie gut ich in dieser Nacht geschlafen hatte. Vielleicht deshalb, weil zumindest eine Ungewißheit von uns genommen worden war, wenn auch eine größere blieb.

Fartuloon beobachtete mich eine Weile, dann kam er zu mir und setzte sich neben mich auf einen Stein. Ich hatte gerade mein Frühstück beendet.

»Man könnte manchmal meinen, du wür­dest dich auf einen ständigen Aufenthalt hier vorbereiten. Hast du deine ursprünglichen Ziele vergessen, Atlan?«

Ich reagierte mit einem Lächeln auf seine überflüssige Frage.

»Wie könnte ich jemals vergessen, welche Aufgabe vor uns liegt, mein väterlicher Freund? Aber warum soll ich meine Kräfte vergeuden und mich aufregen, wenn es nutz­los ist? Wir werden eine Lösung finden, so oder so. Auch kann ich mir nicht vorstellen, daß Akon-Akon sich so fatalistisch in sein Schicksal ergeben würde – und sieh ihn dir an! Er ist die Ruhe selbst. Warum wohl?«

»Das frage ich mich auch die ganze Zeit.« »Es gibt nur eine Antwort: er ist davon

überzeugt, daß wir einen Ausweg finden werden.«

»Und welchen?« »Ja, wenn ich das wüßte!« Ich stocherte in

der restlichen Glut des Feuers. Die anderen Schiffbrüchigen – so waren wir wohl nun wirklich zu bezeichnen – gingen in Gruppen zum Wrack, um ihre Tätigkeit wieder aufzu­nehmen. »Vielleicht vermutet er etwas im Schiff, das uns weiterhelfen kann, und er überläßt es uns, dieses Etwas zu finden.«

»Ein Beiboot vielleicht? Da hat er Pech. Wir haben gestern den Hangar gefunden. Total zerstört! Alle Beiboote sind unbrauch­bar, berichtete Ra. Brontalos hat es bestä­

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tigt.« »Vielleicht ist es etwas anderes …« Fartuloon erhob sich abrupt. »Dann sucht weiter! Ich kümmere mich

… nun, ich suche auch weiter! Was soll ich sonst tun?«

Ich begleitete ihn zur Luke. Von den Coumargs war nichts zu sehen.

*

Vorry hatte auch den Funkspeicher in Ordnung gebracht, daß er mitlief und alle hereinkommenden Sendungen aufnahm und konservierte. Es war ihm tatsächlich gelun­gen, die Anlage wieder funktionsfähig zu machen. Lediglich für den Sender fehlten ei­nige wichtige Ersatzteile, die nicht mehr aufzutreiben waren.

Auf verschiedenen Frequenzen empfingen wir verschlüsselte Signale, die wir mit Hilfe der gefundenen Kodebücher entziffern konnten. So erfuhren wir, daß die Demonta­geflotten noch immer bei der Arbeit waren. Früher oder später würden sie auch nach Gonwarth gelangen.

Eine Aussicht, die nicht gerade beruhi­gend auf mich wirkte.

Anhand der Sternkarten und Positions­meldungen konnten wir uns ein ungefähres Bild von der Verteilung der akonischen Schiffe machen. Räumlich betrachtet, hatten sie unseren Sektor fast eingekreist, wenn man die unterschiedlichen Entfernungen zu Gonwarth nicht berücksichtigte. Die Koordi­naten gaben jedoch keinen Hinweis auf die Ausgangsbasis der Schiffe. Die Position des Verstecks blieb somit auch weiterhin unbe­kannt. Nicht einmal seine ungefähre Lage war zu vermuten.

Ich nickte Vorry zu. »Du kannst abschalten, mehr wollte ich

nicht wissen.« Vorry wirkte enttäuscht. »Und dafür die ganze Arbeit?« »Sie hat sich gelohnt, glaube mir. Aber

nun wollen wir den anderen helfen. Es kann Wochen dauern, bis wir das ganze Schiff

Clark Darlton

durchsucht haben.« »Was hoffst du eigentlich zu finden?« Ich sah an ihm vorbei, als ich antwortete: »Es wäre besser, du würdest Akon-Akon

danach fragen, denn ich selbst weiß es nicht. Wir suchen einfach, das ist alles.«

Am Abend ging ich zu Akon-Akon, der oben auf dem Hügelkamm saß und nach Westen in die Dämmerung schaute. Im Osten war es bereits dunkel geworden.

»In ein paar Tagen kennen wir jeden Win­kel des Wracks, Akon-Akon. Die Beiboote sind vernichtet. Lebensmittel sind genügend vorhanden. Warum sollen wir weitersu­chen?«

Er betrachtete mich fast eine Minute lang, dann sagte er:

»Ich vernahm, daß nicht alle Sektionen des Schiffes völlig zertrümmert wurden. Wir würden uns eine Menge Arbeit ersparen, wenn wir einen genauen Plan besäßen. Wo stehen in den Schiffen der Arkoniden die Materietransmitter?«

Nun wußte ich, was er zu finden hoffte: Einen Transmitter!

»Niemand weiß, ob die Akonen einen Transmitter an Bord hatten«, dämpfte ich seinen Optimismus. »Und wenn, dann ist er sicherlich beschädigt worden. Es sind sehr empfindliche Geräte.«

»Findet ihn, Atlan!« sagte er ruhig und bestimmt. Ich erhob mich.

»Na schön, ich werde morgen dafür sor­gen, daß nach nichts anderem gesucht wird. Wenn wir ihn gefunden haben, geben wir sofort Bescheid.«

»Gute Nacht«, erwiderte Akon-Akon und versank erneut in Nachdenken.

Ich kehrte zum Lagerfeuer zurück. Fartuloon und Karmina unterhielten sich,

als ich mich zu ihnen setzte. Sie wußten, daß ich bei Akon-Akon gewesen war.

»Was will er von uns?« fragte die Arkoni­din. »Er hat schon lange nicht mehr befoh­len.«

Ich berichtete ihnen von meinem Ge­spräch mit dem Jungen.

Fartuloon schüttelte den Kopf.

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»So ein Unsinn! Wenn das seine ganze Hoffnung ist, können wir uns schon jetzt be­graben lassen. Selbst wenn es einen Trans­mitter in dem Wrack gibt und selbst dann, wenn er nicht total zerstört wurde, kann er uns nichts nützen. Ganz abgesehen davon, daß wir nicht wissen können, wohin er uns bringt.«

»Mitten hinein ins Versteck!« mutmaßte Karmina, ohne es richtig ernst zu meinen.

»Niemals!« sagte ich überzeugt. »Wenn es auf dem Schiff einen Transmitter gab, dann nur einen für kurze Strecken. Nicht einmal interplanetarische Entfernungen wür­de er bewältigen. Aber Akon-Akon wünscht, daß wir ihn suchen, also müssen wir es tun. Morgen fangen wir damit an.«

»Ist ja auch völlig egal, wonach wir su­chen!« Karmina erhob sich. »Ich gehe jetzt schlafen«, verkündete sie und ging.

Fartuloon sah ihr nach. »Sie ist ein ganz passables Weib, aber

wenn ich es mir recht überlege, bin ich ganz froh, daß ich allein geblieben bin.«

*

Vorry arbeitete als Rammbock und räum­te die Trümmer beiseite. So gelangten wir in eine Region, die wir bisher noch nicht durchsucht hatten. Aber der Unterschied war nicht besonders groß. Auch hier fanden wir in erster Linie nur Trümmer.

Zusammen mit Ra drang ich ins Zentrum des unteren Teils vor, der schon zweihundert Meter unter der Oberfläche von Gonwarth lag. Es fiel mir auf, daß hier die Verwüstun­gen nachließen. Die Druckwellen der Deto­nationen waren kaum bis hierher gekom­men. Einige der geschlossenen Schottentü­ren hatten sogar gehalten.

Hinter ihnen allerdings, in den Antriebs­räumen, sah es hoffnungslos aus. Wir ver­zichteten auf eine Inspektion.

Eine grüne Metalltür weckte unsere Neu­gier.

Fartuloon versuchte sie zu öffnen, aber es gelang ihm nicht. Als er seinen Strahler zog,

hielt ich seinen Arm fest. »Halt, nicht mit Gewalt, Fartuloon! Wir

wissen nicht, was dahinter ist. Vielleicht et­was, das keine Wärme verträgt. Die Tür je­denfalls ist auffällig, das mußt du zugeben. Wir sollten Akon-Akon unterrichten.«

Ich rief ihn über Telekom. Er meldete sich sofort.

»Eine grüne Tür …?« fragte er dann lang­sam, wie um sich zu vergewissern. »Und aus Metall? Seht ihr ein Zeichen darauf?«

»Nur ein einziges, aber es scheint ohne Bedeutung.« Ich beschrieb es ihm, so gut ich konnte.

»Das genügt, Atlan. Wartet, ich komme! Versucht nicht, mit Gewalt einzudringen!«

Fartuloon schob den Strahler in den Gür­tel zurück.

»Du scheinst mit deiner Vermutung recht zu haben. Vielleicht ist es der gesuchte Transmitter.«

Ich lehnte mich gegen die Wand des Kor­ridors.

»An soviel Glück glaube ich nicht.« Es dauerte fast zwei Stunden, bis Akon-

Akon eintraf. Karmina hatte ihm den Weg gezeigt.

Er trug seinen Kerlas-Stab, von dem er sich niemals trennte. Ich hätte ein Vermögen dafür gegeben, wenn ich sein Geheimnis er­gründen könnte, aber das war ein aussichts­loser Wunsch. Fartuloons Skarg war gegen den geheimnisvollen Stab ein harmloses Spielzeug.

Akon-Akon starrte lange auf das rätsel­hafte Zeichen im oberen Teil der grünen Tür, dann bat er uns, ein Stück zurückzutre­ten. Er hob den Stab und legte den Ring am oberen Ende genau auf das Zeichen.

Ohne jedes Geräusch öffnete sich die Tür, die vorher fest verschlossen gewesen war. Es war unbegreiflich.

Akon-Akon betrat den Raum und winkte uns zu.

Wir folgten ihm. In der Mitte stand auf einem Podest der

typische Gitterkäfig eines Kleintransmitters. An den Wänden waren die Kontrollen, aber

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die verstellbare Ziel-Koordinaten-Karte fehlte.

Karmina sagte enttäuscht: »Wir hatten einen ähnlichen Transmitter

auf meinem Schiff. Die Reichweite ist nur gering. Sie bringt uns nicht einmal aus die­sem Sonnensystem hinaus.«

Akon-Akon warf ihr einen Blick zu, in dem ich Bestätigung zu lesen glaubte. Er schien sich keiner Illusion hingeben zu wol­len.

»Richtig, ein Kleintransmitter mit gerin­ger Reichweite. Mehr hat wohl auch keiner von uns erwartet.«

»Und was sollen wir damit?« wollte Kar­mina ungeduldig wissen.

Und wieder sah ich Akon-Akon lächeln, wenn auch nur flüchtig.

»Ihn benutzen«, sagte er dann und bat uns, den Raum zu verlassen. Er schloß die Tür wieder. »Ich werde zu euch ans Lager­feuer kommen und euch dort meine Absicht mitteilen. Geht schon vor.«

*

Wir waren alle beim Lagerfeuer versam­melt, als Akon-Akon den Hügel herabge­schritten kam. Er setzte sich auf den freien Stein, den Kerlas-Stab zwischen den Knien.

»Es ist sinnlos, Fragen zu stellen«, begann er, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß wir vollzählig versammelt waren. »Ich könnte euch nicht antworten, selbst wenn ich es wollte. Ich weiß genau so wenig wie ihr, wohin uns der Transmitter bringt, sobald ich ihn aktiviert habe. Aber ich vermute, daß es auf jedem ehemaligen Kolonialplaneten der Akonen Empfangsstationen gibt, viel­leicht tief unter der Oberfläche, auf die die Schiffstransmitter geeicht sind. Das würde bedeuten, daß wir vielleicht eine solche Sta­tion erreichen und dort rematerialisieren.«

»Ein ziemliches Risiko«, warf Fartuloon ein, obwohl er wissen mußte, daß Akon-Akon keine Unterbrechungen liebte.

Aber der Junge verriet keinen Unmut. »Natürlich gehen wir ein Risiko ein, aber

Clark Darlton

wollt ihr hier warten, bis das Demontage­kommando der Akonen eintrifft? Immerhin besteht doch die Möglichkeit, daß wir durch den kleinen Transmitter eine Großstation finden, die uns weiterbefördert, wohin auch immer.«

»Warum geht nicht einer von uns voran?« fragte Karmina. »Er könnte zurückkommen und berichten, was geschieht.«

Akon-Akon stützte sich auf den Ring sei­nes Stabes.

»Es handelt sich um einen Einwegtrans­mitter, der nur von der anderen Seite her wieder auf Empfang geschaltet werden kann – soweit ich das beurteilen kann. Es gibt al­so wahrscheinlich kein Zurück mehr für uns. Wir werden einer nach dem anderen das Transmitterfeld betreten und entmaterialisie­ren, ohne eine Spur zu hinterlassen. Morgen! Hat noch jemand etwas zu sagen?« Er sah sich suchend in der Runde um, begegnete aber nur zweifelnden Blicken und betroffe­nem Schweigen. Er stand auf. »Also gut! Verbringen wir die letzte Nacht auf dem Planeten Gonwarth in Frieden …«

Wir sahen ihm stumm nach, bis er in der Dunkelheit jenseits des flackernden Feuer­scheins untertauchte.

Es war Brontalos, der das Schweigen brach.

»Die Coumargs, Atlan!« sagte er, als gäbe es keine anderen Sorgen. »Wir wollten ih­nen doch helfen …«

Ich beruhigte ihn: »Das habe ich keineswegs vergessen,

Brontalos. Morgen haben wir noch Zeit da­zu. Jetzt ist es zu spät.«

In dieser Nacht machte ich kaum ein Au­ge zu.

*

Als es hell wurde, machten sich Ra, Bron­talos und ich auf den Weg zum Bau der Kö­nigin, der wir den Funkrobot abgenommen hatten. Wie am ersten Tag empfing sie uns mit ihrer Leibwache. Wenig später war die Verbindung hergestellt.

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Geduldig erklärte ich ihr die Funktion der weißen Puppe und die Gefahr, die von ihr für sie und ihr Volk ausging. Ich machte sie darauf aufmerksam, daß sie mit Hilfe des Funkrobots auch in der Lage war, die be­nachbarten Völker zu versklaven, wenn sie von den Akonen die entsprechenden Befehl erhielt.

Sie begriff, was eine Kettenreaktion war. Wenn sie Anordnungen erhielt, mußte sie diese weitergeben an die nächste Königin. Diese wiederum mußte ebenfalls gehorchen – und es nahm kein Ende.

Ich zeigte ihr den winzigen Knopf im Hinterkopf des Funkrobots.

»Ihr seid kräftig genug, ihn einzudrücken, Königin. Aber tut es erst dann, wenn ihr die von uns erhaltene Information weitergege­ben habt – es ist euer letzter Befehl an die anderen Völker und ihre Königinnen. Sie sollen es ebenfalls tun. Wenn das geschehen ist, werdet ihr für alle Zeiten frei und unab­hängig sein. Habt ihr das verstanden?«

Wir erhielten die Bestätigung und Impul­se des Dankes.

Dann gingen wir zurück zum Wrack, wo wir schon von Akon-Akon und den anderen erwartet wurden.

So wie gestern gelangten wir in den Transmitterraum. Akon-Akon schloß hinter uns die Tür, nachdem er sich abermals da­von überzeugt hatte, daß niemand fehlte. Dann trat er vor den Transmitter und hob den Kerlas-Stab.

Drüben an der Wand leuchteten plötzlich die Kontrollampen auf, ohne daß Akon-Akon etwas berührt hatte. Auch am Eingang zum Transmitter war nun ein Licht, das die Betriebsbereitschaft anzeigte.

Der leuchtende Torbogen verriet nichts. Dahinter lag absolute Finsternis – und die quälende Ungewißheit, was der Schritt in die Dunkelheit bringen würde.

Akon-Akon sah uns der Reihe nach mit zwingendem Blick an.

»Folgt mir, einer nach dem anderen«, be­fahl er.

Er brauchte nicht zu befürchten, daß auch nur einer den Befehl verweigern würde. Aber in diesem Augenblick mußte ich doch seinen Mut bewundern, als erster zu gehen.

In Wirklichkeit machte das keinen Unter­schied. Keiner von uns wußte, was mit dem vor ihm Gehenden geschah.

Wir würden alle das gleiche Schicksal er­leiden. So oder so.

Ich wartete, bis alle verschwunden waren, dann betrat ich den Transmitterkäfig und durchschritt den Lichtbogen.

Um mich herum wurde es dunkel, und für den Bruchteil einer Sekunde existierte ich nicht mehr.

ENDE

E N D E