66
Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung Der Landtag von Baden-Württemberg 4-2004 E 4542 Politik & Unterricht

POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

  • Upload
    others

  • View
    4

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung

Der Landtag von Baden-Württemberg

4-2004

E 4542

Politik & Unterricht

Page 2: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

Politik & Unterricht wird von der Landeszentrale für po litische Bildung Baden-Württemberg herausgegeben.

Herausgeber und ChefredakteurLothar Frick, Direktor der LpB Baden-Württemberg

Geschäftsführender RedakteurDr. Reinhold Weber, LpB Baden-Wü[email protected]

RedaktionErnst-Reinhard Beck, MdB, Oberstudiendirektor a. D., PfullingenJudith Ernst-Schmidt, Studienrätin, Werner-Siemens-Schule(Gewerbliche Schule für Elektrotechnik), Stuttgart Ulrich Manz, Rektor der Schillerschule, Esslingen(Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule)Horst Neumann, Ministerialrat, Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg, StuttgartAngelika Schober-Penz, Erich-Bracher-Schule, Kornwestheim (Kaufmännische Schule)Karin Schröer, Reallehrerin i. R., Reutlingen

Anschrift der RedaktionStaffl enbergstraße 38, 70184 StuttgartTelefon: 0711/164099-45; Fax: 0711/164099-77Redaktionsassistenz: [email protected]

GestaltungMedienstudio Christoph Lang, Rottenburg a. N., www.8421medien.de

Politik & Unterricht erscheint vierteljährlichPreis dieser Nummer: Euro 2,80Jahresbezugspreis: Euro 11,20Unregelmäßige Sonderhefte werden zusätzlich mit je Euro 2,80 in Rechnung gestellt.

VerlagNeckar-Verlag GmbH, Klosterring 1, 78050 Villingen-Schwenningen

DruckPFITZER DRUCK GMBH, Benzstraße 39, 71272 Renningen

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers und der Redaktion wieder.Nachdruck oder Vervielfältigung auf elektronischen Datenträgern sowie Einspeisung in Datennetze nur mit Genehmigung der Redaktion.

Titelfoto: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (LMZ)

Aufl age dieses Heftes: 36.000 ExemplareRedaktionsschluss: 10. November 2004ISSN 0344-3531

Grußwort des Landtagspräsidenten 1Editorial 1Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport 2Die Autoren dieses Heftes 2

Unterrichtsvorschläge 3–18Einleitung(Ulrich Manz) 3Baustein A: Rechte und Funktionen des Landtags (Reinhold Weber) 6Baustein B: Die Abgeordneten (Ulrich Manz) 10Baustein C: Wie entsteht ein Gesetz? Beispiel: Das Gesetz zum Kopftuchverbot an baden-württembergischen Schulen (Ulrich Manz) 12Literaturhinweise 13Zu Besuch im Landtag – Das Landesparlament als Lernort(Elisabeth Krause / Kurt Schneider-Helling) 14

Texte und Materialien 19–63Baustein A: Rechte und Funktionen des Landtags

(Krause / Schneider-Helling / Weber) 20Baustein B: Die Abgeordneten

(Manz / Krause / Schneider-Helling) 38Baustein C: Wie entsteht ein Gesetz? Beispiel: Das Gesetz zum Kopftuchverbot an baden-württembergischen Schulen

(Manz) 56

Inhalt

www.lpb.bwue.de/PuU/

Heft 4–20044. Quartal30. Jahrgang

Politik & UnterrichtZeitschrift für die Praxis der politischen Bildung

Page 3: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

1

Grußwort des Landtagspräsidenten

»Demokratie ist nicht einfach eine Pille, die einem morgens verabreicht wird, und abends ist man kuriert. Sie kann keinem Volk aufgezwungen werden. Demokratie ist eine Kultur, die in einer Gesellschaft von unten wachsen muss und von oben gefördert werden soll.« (Tahar Ben Jelloun)

Dieses Zitat spiegelt wider, mit welcher Intention sich der Landtag von Baden-Württemberg im Bereich der politischen Bildung engagiert. Er will nämlich einen Beitrag dazu leis-ten, dass Demokratie von unten wachsen kann. Etwa 20.000 Schülerinnen und Schüler kommen in jedem Schuljahr in den Landtag. Trotz schwieriger werdender Haushaltslage fördert das Parlament diese Besuche, indem es die Fahrt nach Stutt-gart bezuschusst.

Ich bin überzeugt: Besuche im Landtag stellen ein den Poli-tikunterricht aller Schularten sinnvoll ergänzendes Angebot dar. Die Aufklärung über Aufgaben und Arbeitsweisen des Parlaments in Theorie und Praxis trägt mit dazu bei, dass Jugendliche ein differenziertes Bild vom Arbeitsalltag der Volksvertretung entwickeln. Missverständnisse zu verhin-dern und Vorurteile abzubauen muss das Ziel einer Erziehung hin zu einem politisch interessierten Menschen in unserer Gesellschaft sein und bleiben.

Grundlage für einen gelungenen Landtagsbesuch ist in je-dem Fall eine fundierte Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler durch die sie betreuenden Lehrkräfte, denen hierbei große Verantwortung zukommt. Das vorliegende Heft möchte Lehrerinnen und Lehrer bei dieser Aufgabe unterstützen und einen Beitrag zum besseren Verständnis des Parlamentaris-mus leisten. Auch wenn die Schülerinnen und Schüler den Landtag nicht besuchen, sich mit dem Parlament also aus-schließlich im Unterricht befassen, bietet diese Broschüre die Möglichkeit zu einer interessanten Annäherung an die Institution und deren Arbeitsweise.

Ich bin der Auffassung, die Landeszentrale für politische Bildung hat in Zusammenarbeit mit dem Landtag von Baden-Württemberg ein abwechslungsreiches, sachlich profundes und zugleich ein an Jugendlichen orientiertes Werk für den Politikunterricht geschaffen.

Editorial

Der Landtag von Baden-Württemberg ist nicht nur die Herz-kammer der Landespolitik, sondern auch ein zentraler au-ßerschulischer Lernort. Für die zahlreichen Schülerinnen und Schüler, die jedes Jahr das Landesparlament besuchen, werden hier Demokratie und Politik greifbar. Zu einer gefes-tigten Demokratie gehört ein starkes Fundament politischer

Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Dazu ist die Iden-tifi kation mit ihrer politischen Vertretung notwendig. Mit dem vorliegenden Themenheft unterstützen wir gerne das Bestreben des Landtags, diese Identifi kation zu schaffen. Dies setzt zum einen Transparenz und zum anderen die Ver-mittlung von Sachkenntnis voraus. Dazu gehört unabding-bar, insbesondere junge Menschen über die Aufgaben des Landtags und der Abgeordneten zu informieren und sie mit der Arbeitsweise des Parlaments vertraut zu machen.

Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen festen Platz ein. Die Zeitschrift tritt nunmehr auch in einem neuen »Kleid« auf, wird farbiger, moderner und damit den visuellen Ansprüchen unserer Zeit besser gerecht.

Nach dem Eintritt von Siegfried Schiele in den Ruhestand und dem damit verbundenen Wechsel in der Direktion der Landeszentrale für politische Bildung bleibt es selbstver-ständlich bei der Zusammenarbeit mit der bewährten Re-daktion.

LMZ

Peter Straub, Präsident des Landtags von Baden-Württemberg

Lothar Frick Direktor der Landes-zentrale für politische Bildung

Dr. Reinhold WeberGeschäftsführender Redak-teur

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 4: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

2

Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport»Der Landtag – was macht der eigentlich? Wer macht da was? Ist der wirklich nötig? Kostet doch nur! Und dieses ewige Palaver! Reicht uns nicht der Bundestag?«, so hört man immer wieder Jugendliche fragen. »Brauchen wir tatsächlich sechzehn Länderparlamente?«

Ja, wir brauchen! Der Föderalismus ist ein Charakteristikum Deutschlands, so typisch, dass die englische Sprache sogar die deutsche Bezeichnung für die Bundesländer übernom-men hat: »the Länder« heißt es in Berichten über die Bun-desrepublik häufi g. So tief verwurzelt ist der Föderalismus, dass die Identität vieler stark durch die Zugehörigkeit zu einem Bundesland geprägt ist. Identifi kation mit dem eige-nen Land – das heißt in Deutschland oft zweierlei: Identi-fi kation mit dem Bundesstaat, mit Deutschland, aber eben auch Identifi kation mit dem jeweiligen Bundesland, mit Baden-Württemberg oder Bayern, Sachsen oder Thüringen. Und das liegt nicht nur an der Geschichte, an der Kultur und an der Landschaft des jeweiligen Bundeslandes. Es liegt auch daran, dass jedes Bundesland eine eigene Politik gestaltet – in viel höherem Maße als in anderen europäischen Län-dern, deren Regionen keine eigenständigen Staaten sind.

Wir brauchen den Föderalismus. Das zeigt sich auch daran, dass gerade eine Kommission zur Reform des Föderalismus daran arbeitet, die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen, damit Zuständigkeiten eindeutiger und Entscheidungen transparenter werden.

Die Landeszentrale für politische Bildung legt nun ein Heft vor, das anhand aktueller und anschaulicher Materialien Auf-gaben und Funktionen des Landtags von Baden-Württemberg beleuchtet. Jugendliche können anhand konkreter Beispiele erkennen, wie der Landtag arbeitet. Sie erkennen, dass viele landespolitische Entscheidungen sie und ihren Erfahrungs-bereich unmittelbar betreffen. Mit dem vorliegenden Heft sind sie bestens für einen Besuch im Landtag vorbereitet, wo sie einen Einblick in die Landespolitik erhalten und dadurch vielleicht eine erste Antwort auf die schwierige Frage fi nden: »Politik – was ist das?« Wenn dies auch noch ein bisschen Politikverdrossenheit abbauen würde, wäre viel erreicht.

Johanna SeebacherMinisterium für Kultur, Jugend und Sport

DIE AUTOREN DIESES HEFTESv.l.n.r.: Ulrich Manz (federführend; Rektor der Schillerschule Esslingen und langjähriges Redaktionsmitglied von Politik & Unterricht), Elisabeth Krause, Kurt Schneider-Helling(beide Besucherdienst des Landtags) und Dr. Reinhold Weber (LpB, geschäftsführender Redakteur von Politik & Unterricht).

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 5: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

3

Der Landtag von Baden-Württemberg

LMZ

●●● EINLEITUNG

Mehr als 40.000 Menschen besuchen jährlich den Land-tag von Baden-Württemberg. Etwa die Hälfte davon sind Schülerinnen und Schüler. Die Zahlen belegen eindrucksvoll, welche Bedeutung das Landesparlament als außerschuli-scher Lernort hat.

Die Bedeutung des Landtags»Die Staatsgewalt geht vom Volke aus«, so sagt es die Verfassung des Landes Baden-Württemberg. Aber warum eigentlich Parlamente? Damit ist eine der Grundfragen ange-sprochen, die es mit Schülerinnen und Schülern im Vorfeld eines Landtagsbesuchs zu diskutieren gilt. Die Bedeutung des Parlaments in der repräsentativen Demokratie ist dabei besonders herauszuarbeiten. Die Staatsgewalt wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch die besonderen Organe der Gesetzgebung (Legislative), der vollziehenden Gewalt (Exekutive) und der Rechtsprechung (Judikative) ausgeübt. Das Parlament hat dabei eine zentrale Funktion: Es ist die demokratisch gewählte Vertretung des Volkes. Die Abgeordneten sind demokratisch legitimierte Repräsentan-

ten des Volkes. Sie vertreten in der repräsentativen Demo-kratie das Volk als den Souverän.

In einer modernen Gesellschaft stellt der Staat eine ganze Fülle unterschiedlicher Leistungen zur Verfügung. Für jeden Einzelnen regelt er zahlreiche Lebensbereiche. Darüber muss im Sinne und zum Wohle der Allgemeinheit verhandelt und entschieden werden. Aber auch Konfl ikte, die in der Ge-sellschaft bestehen, müssen geregelt werden. Wo soll eine Straße gebaut werden? Darf eine muslimische Lehrerin an einer baden-württembergischen Schule ein Kopftuch tragen? Solche und viele andere Fragen werden im Parlament behan-delt und entschieden. Die Volksvertretung ist ein Ort des nach demokratischen »Spielregeln« festgelegten Konfl ikt-austrags, der Diskussion, Debatte und Entscheidung.

Im Parlament werden Mehrheiten gebildet und Gesetze ge-macht. Das geschieht nach den demokratischen Regeln von Mehrheit und Minderheit, von Überzeugen und Kompromiss. Die Gesetze erhalten ihre Legitimität, weil sie von gewähl-ten Volksvertretern verabschiedet werden. Demokratisches Handeln setzt Mehrheiten voraus. Nur demokratisch zu-stande gekommene Mehrheiten legitimieren die staatliche Machtausübung. Demokratie beruht also auf einem Grund-konsens: Die Minderheit akzeptiert die Entscheidungen der Mehrheit, die Mehrheit gewährt der Minderheit Schutz.

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 6: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

4

Kompetenzverlust der LänderparlamenteDer zentralen demokratischen und verfassungsrechtlichen Bedeutung des Landtags steht die Tendenz zum Bedeu-tungsverlust der Länderparlamente gegenüber – auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Bei einer von Schülerinnen und Schülern der Schillerschule Esslingen durchgeführten Passantenbefragung nach den Landtagsabgeordneten ihres Wahlkreises ergab sich ein eher ernüchterndes Bild. Nur wenige der Interviewten kannten die Namen ihrer parla-mentarischen Vertreter. Auch wenn es sich hier nur um eine spontan initiierte Zufallsumfrage handelte, dürfte das Ergeb-nis einer landesweiten repräsentativen Umfrage vermutlich kaum besser ausfallen.

Betrachtet man die Wahlbeteiligung bei den baden-württem-bergischen Landtagswahlen seit 1952, so ist zunächst bis 1972 ein Anstieg, nach 1972 jedoch ein kontinuierlich nach-lassendes Interesse an den Wahlen festzustellen. Trotz des deutlichen Rückgangs der Wahlbeteiligung stehen die Land-tagswahlen bei den Wählerinnen und Wählern jedoch höher im Kurs als die Wahlen zu den kommunalen Parlamenten oder zum Europäischen Parlament. Nur die Wahlen zum Bundestag lockten bisher mehr Wahlberechtigte an die Urnen.

Selbst wenn man feststellt, dass die Landtagswahlen in der Gunst der Wählerinnen und Wähler an zweiter Stelle stehen, kann man den Rückgang der Wahlbeteiligung nicht kommen-tarlos hinnehmen. Die Frage nach den Ursachen und Gründen drängt sich auf. Liegt es an einem allgemein nachlassen-den Interesse an politischen Vorgängen? Gibt es zu wenige landespolitische Themen und Entscheidungen, die für die

Bevölkerung von mobilisierender Bedeutung sind? Gelingt es dem Landesparlament in zu bescheidenem Ausmaß, seine politischen Entscheidungen, die in viele Bereiche unseres Lebens eingreifen und unseren Alltag mitbestimmen, so transparent zu machen, dass sich eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger angesprochen fühlt? Wird die Lan-despolitik zunehmend von bundes- und europapolitischen Themen überlagert, so dass baden-württembergische Aspek-te immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden? Und welche Rolle spielen in diesem Prozess die Medien?

Unbestritten ist jedoch die Tatsache, dass es seit einigen Jahren einen Kompetenzverlust der Länderparlamente gibt. Nicht nur dem baden-württembergischen Landtag macht dieser Umstand zu schaffen. Nahezu alle Landesparlamente diskutieren dieses Problem und suchen nach Lösungen. Dabei stellen sie fest, dass die wohl wesentlichste Ursache die Kompetenzverlagerung weg von den Ländern hin zum Bund und der Europäischen Union ist. Die Landtage haben Freiräume für die eigene Politikgestaltung verloren und zahl-reiche originäre Länderzuständigkeiten an den Bund und die EU abtreten müssen. Durch die Verfl echtung der politischen Ebenen wird es für die Bevölkerung im Land immer schwie-riger zu erkennen, welche Institutionen und Parteien für bestimmte Aufgaben und Entscheidungen die Verantwortung tragen. Wenn klare Alternativen nicht erkennbar sind, kann auch dies ein Grund dafür sein, dass die Wahlberechtigten den Wahlurnen fernbleiben.

LMZ

Einleitung

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 7: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

5

1 In: Das Parlament vom 29. Dezember 2003. 2 Vgl. hierzu das Heft 2/2005 der LpB-Zeitschrift »Bürger im Staat«, das

im Juni 2005 erscheint (»Föderalismus auf dem Prüfstand«).

Wie will man nun aus diesem Dilemma herauskommen? Sowohl auf Landes- und Bundesebene wie auch im verein-ten Europa gibt es die Einsicht, dass eine Entfl echtung der Aufgaben von Europäischer Union, Bund und den Ländern unabdingbar ist. Der baden-württembergische Ministerprä-sident Erwin Teufel äußerte sich dazu folgendermaßen: »Die Gestaltungsrechte der Länder müssen gestärkt werden, um mehr Bürgernähe und Effi zienz zu erreichen. Wir brauchen in Deutschland mehr Gestaltungsföderalismus. Wir müssen Ent-scheidungsstrukturen schaffen, die am Prinzip der Subsidia-rität ausgerichtet sind. Die Menschen müssen wieder besser

durchschauen können, wer für welche Politik verantwortlich ist.«1 Diese Fragen sind die zentralen Diskussionspunkte der vom Bundestag und Bundesrat im Winter 2003 einberufenen Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ord-nung (so genannte Föderalismuskommission).2

Die wichtigsten Steuer-einnahmen und Aufgaben-felder der Gemeinden, der Länder und des Bundes im Überblick.

Einleitung

VON DER SCHLAGFERTIGKEIT DER ABGEORDNETEN

Abg. Boris Palmer (GRÜNE): »Sie haben Mut, wenn es um den Straßenbau geht. Dann sind Sie ein baden-württembergischer Löwe. … Wenn es um die Schiene geht, haben Sie den Mut eines hohenlohischen Zwerg-kaninchens.«

Reaktionen auf die Rede des Abg. Dieter Kleinmann (FDP/DVP), Pfarrer und Dipl.-Volkswirt:Abg. Max Nagel (SPD): »Wenn Mäuse auf den Tischen tanzen, dann sprach der Pfarrer von Finanzen!«Abg. Heike Dederer (GRÜNE): »Beim Kollegen Klein-mann hat man zumindest phasenweise den Eindruck gehabt, er als Pfarrer hätte den Teufel als Vorbild.«

Abg. Dieter Kleinmann (FDP/DVP): »Ich mache es wie Martin Luther: Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf. Danke schön.«

Abg. Jürgen Walter (GRÜNE): »Sie haben vielleicht einmal etwas von Glasnost in der Sowjetunion gehört, aber Transparenz in der Agrarpolitik war für Sie ein Fremdwort.« (Zwischenruf des Abg. Richard Drautz, FDP/DVP, Weinbaumeister). Abg. Dr. Dieter Salomon (GRÜNE): »Der Drautz versteht mehr vom Glas Most als von Glasnost!«

Abg. Dr. Eugen Klunzinger (CDU), Universitätsprofes-sor: »An die Verelendung der Studenten glaube ich nur unter zwei Voraussetzungen: Erstens wenn ich im Umkreis von fünf Kilometer um die Universität einen Parkplatz und wenn ich abends in der Kneipe einen Sitzplatz fi nde.«

Die Zitate stammen aus der 13. Legislaturperiode des Landtags von Baden-Württemberg.

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 8: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

6

Zur Konzeption dieses HeftesDie zahlreichen Gäste des Landtags aus nah und fern, da-runter jährlich annähernd 20.000 Schülerinnen und Schüler, bekunden durch ihren Besuch ihr Interesse an der Arbeit des Landesparlaments. Diese Besuche von Schulklassen bieten ein den Gemeinschaftskunde- und Politikunterricht aller Schularten ergänzendes Angebot. Der Landtag als wichtiger außerschulischer Lernort ergänzt durch Besuchsprogramme, durch die Teilnahme an Plenarsitzungen und durch Gespräche mit Abgeordneten in hervorragender Weise die unterricht-liche Arbeit. Das vorliegende Heft von Politik & Unterricht will diese Aufgabe unterstützen. Es wendet sich vor allem an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I und soll sowohl der Auseinandersetzung mit dem Landtag dienen, wenn für die Schulklasse kein Parlamentsbesuch geplant ist, als auch der konkreten und intensiven Vor- bzw. Nachberei-tung eines Besuchs im Landtag.

Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann das Heft nicht erfüllen. Vielmehr wurde es mit der Absicht erarbeitet, den

●●● BAUSTEIN A

RECHTE UND FUNKTIONEN DES LANDTAGS

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hat mit Artikel 20 die bundesstaatliche Ordnung zwingend vorge-schrieben. Die Gliederung des Staates in Bund und Länder als verfassungsrechtliches Organisationsprinzip ist mit einer Bestands- und Unantastbarkeitsgarantie festgeschrieben wienur wenige andere Verfassungsnormen (Art. 79, 3 GG). Selbst

Schülerinnen und Schülern die entscheidenden Institutio-nen, Arbeitsinstrumente und Arbeitsabläufe des Parlaments nahe zu bringen. Baustein A setzt sich mit den Rechten und Funktionen des Landtags auseinander, ohne die die Bedeutung des Landtags und seine Arbeitsabläufe kaum zu verstehen sind. Im Zentrum des Bausteins B stehen die Abgeordneten, ihr Zusammenschluss zu Fraktionen sowie der »Arbeitsalltag« der Abgeordneten in Ausschüssen und Arbeitskreisen. Baustein C liefert anhand des Gesetzes über das Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen an baden-württembergischen Schulen ein detailliertes und Schülerin-nen und Schüler ansprechendes Beispiel, warum und wie der Landtag ein Gesetz macht. Dabei gilt zu betonen, dass die engere Zielsetzung dieses Bausteins darin liegt, anhand eines konkreten Beispiels nachzuvollziehen, wie ein Gesetz entsteht. Darüber hinaus kann der Baustein natürlich auch zur Diskussion über das Kopftuchverbot selbst dienen.

mit einer verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit darf die Bundesstaatlichkeit nicht beseitigt werden. Auch die wich-tigsten Kompetenzen der Länder müssen erhalten bleiben. Dies gilt sowohl für die Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes als auch für das Recht einer eigenständigen Landesgesetzgebung.

Baustein A

Die Gesetzgebung zum so genannten »Kopftuch-verbot« in den deutschen Ländern (Stand: Ende Juni 2004).

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 9: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

7

Der Landtag ist ein demokratischer Ort politischen Interes-senausgleichs und legislativen Entscheidens. Dabei ist das Landesparlament kein »Bundestag im Kleinen«, sondern ein Parlament eigener Art, mit eigenen Rechten, Funktionen und mit einem eigenen Profi l. Die wichtigsten Funktionen des Landtags sind:2

GesetzgebungsfunktionDie Gesetzgebung ist die wichtigste Aufgabe der demokra-tisch gewählten Volksvertretung. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Recht des Landtags, über den Landeshaushalt und damit über die Verwendung der öffentlichen Gelder zu beschließen. Dieses Etatrecht wird deshalb auch das »Kö-nigsrecht« des Parlaments genannt. Das Gesetzesinitiativ-recht steht generell den Abgeordneten, der Landesregierung und – durch Volksbegehren – dem Volk zu. In der Praxis macht jedoch die Regierung von ihrem Initiativrecht in weit größerem Umfang Gebrauch als das Parlament.

KontrollfunktionVertrauen und Kontrolle sind in der parlamentarischen De-mokratie eng miteinander verknüpft. Die Regierung braucht das Vertrauen der Mehrheitspartei(en) im Parlament. Ande-rerseits ist sie hinsichtlich der Recht- und Zweckmäßigkeit ihres Handelns der Kontrolle des gesamten Parlaments unter-worfen. Die Notwendigkeit einer wirksamen Parlamentskon-trolle hat sich mit dem Bedeutungszuwachs der Regierung und der Verwaltung noch verstärkt. Dies hat dazu geführt, dass sich auch das Schwergewicht der Parlamentsarbeit – und hier vor allem der der Opposition – auf die Kontrolle der Regierung verlagert hat.

WahlfunktionIn der Wahlfunktion des Landtags kristallisiert sich ein zen-trales Merkmal der parlamentarischen Demokratie, denn die Regierung geht aus dem vom Volk gewählten Parlament hervor. Der Landtag wählt andere Verfassungsorgane des Landes. Dabei ist in Baden-Württemberg – anders als im Bund – die Rolle des Parlaments bei der Regierungsbildung nicht auf die Wahl des Regierungschefs begrenzt, auch wenn

diese sicherlich im Mittelpunkt steht. Der Landtag bestätigt mit seiner Mehrheit auch das Kabinett als Ganzes sowie einzelne Minister, die im Laufe einer Wahlperiode vom Re-gierungschef neu berufen werden.

Die Wahl- und Auslesefunktion des Landtags wird noch in weiteren Punkten deutlich. Das Parlament wählt die Mitglie-der und den Präsidenten des Staatsgerichtshofs. Auch bei der Ernennung des Präsidenten des Landesrechnungshofs sowie des Landesbeauftragten für den Datenschutz ist die Zustimmung des Landtags erforderlich.

Repräsentations- und ArtikulationsfunktionDas Parlament repräsentiert die Meinungs- und Interes-senvielfalt im Land. Die Parteien nehmen den Willen der Wählerinnen und Wähler auf, den die Abgeordneten als Parteienvertreter repräsentieren. Das Parlament hat damit Repräsentations- und Artikulationsfunktion, indem es den Willen der Bevölkerung zum Ausdruck bringt sowie Interes-sengegensätze und Konfl ikte ausgleicht und regelt.

Öffentlichkeits- und DebattenfunktionDer Landtag hat die Aufgabe, in Rede und Gegenrede politi-sche Themen zu debattieren. Das Plenum ist Forum politischer und öffentlicher Debatte. Neben den nichtöffentlichen Ar-beitsbereichen der parlamentarischen »Werkstatt« steht das Plenum mit »Schaufenster-« oder »Bühnencharakter«. Der Kern der Funktionen der Plenarsitzungen ist die »öffentliche Darstellung der zur politischen Entscheidung anstehenden Angelegenheiten des Gemeinwesens«.3 Diese Funktion von Plenarsitzungen gilt es zu unterstreichen, denn hier geht es nicht darum, den politischen Kontrahenten argumentativ zu überzeugen.

2 Die funktionale Kategorisierung erfolgt weit gehend nach Wichard Woyke: Landtage, in: Uwe Andersen/Wichard Woyke (Hrsg.): Hand-wörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl ., Bonn (Leske + Budrich) 2000, S. 364–366.

3 Joachim Detjen: Parlamentsdidaktik – Grundsätzliche Bemerkungen über Exkursionen zum Bundestag, in: Politik unterrichten Heft I-II/2002, S. 20.

Baustein A

Die Abgeordneten bei der Abstimmung vor der voll besetzten Tribüne mit Be-suchern und Medienvertretern.

LMZ

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 10: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

8

Da aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Parlament die Entscheidung in aller Regel feststeht, hat die Plenardebatte meist symbolischen Charakter. Sie dient nicht »der Suche nach, sondern der Legitimierung von Entscheidungen« (Joa-chim Detjen). Hier werden Mehrheitsentscheidungen vor der Öffentlichkeit gerechtfertigt oder in Frage gestellt, nicht aber eine ergebnisoffene Diskussion geführt. Dieser Diskurs fi ndet in der Regel hinter verschlossenen Türen in den Frak-tions-, Arbeitskreis- und Ausschusssitzungen statt.

Der Landtag im Dialog mit der ÖffentlichkeitPolitik und Medien brauchen sich wechselseitig. Sie stehen sich weniger im Sinne einer Gewaltenteilung gegenüber, in der die Medien als »vierte Gewalt« agieren, sondern vielmehr in einem symbiotischen Tauschverhältnis. Politik braucht Kommunikationsmittel und nutzt die Massenmedien als öf-fentliche Bühne. Die Medien ihrerseits sind auf politische Informationen angewiesen.

Das Landtagsplenum tagt öffentlich und steht somit der medialen Berichterstattung offen. Spätestens hier wird das Plenum mehr als nur die Plattform unterschiedlicher Meinungen und Interessen, sondern wichtiger Faktor der öffentlichen Meinungsbildung. Dem Parlament kommt hier – neben der Entscheidungsfi ndung – auch die Funktion der Informationsvermittlung und damit der Willensbildung nach außen zu.

In der Mediengesellschaft entscheidet sich politischer Erfolg auch in der medialen Vermittlung. Demokratie und Kommunikation gehören eng zusammen, denn Politik ist »zustimmungsabhängig und begründungspfl ichtig«.4 Wer politischen Einfl uss ausüben und diesen legitimieren will, braucht dazu die Öffentlichkeit. Jedes demokratisch ge-wählte Parlament hat eine einheits- und identitätsstiftende Funktion, weil es Konfl ikte kanalisiert und in einem Legi-timation schaffenden Verfahren regelt. Der Landtag kämpft dabei um das knapper werdende Gut Aufmerksamkeit, indem das parlamentarische Geschehen medialen Darstellungsre-geln und -zwängen folgt.

Als praktisches Beispiel: Ein Tagesordnungspunkt, über den am selben Tag noch in der »Prime Time« oder am nächsten Tag in der Presse berichtet werden soll, muss am Morgen behandelt werden, um rechtzeitig medial verarbeitet werden zu können. Dass dabei aus einer zweistündigen Debatte ein sechzig Sekunden dauernder Schlagabtausch zwischen dem Regierungschef oder den Fraktionsvorsitzenden bzw. den Op-positionsführern wird, ist den Akteuren am Rednerpult wohl bekannt. Sie wissen: Nur eine zentrale Aussage mit nicht mehr als zwanzig Wörtern oder ein einziger gut gesetzter »verbaler Treffer«, am besten noch mit entsprechender Mimik und Gestik vorgetragen, fi ndet – wenn überhaupt – den Weg in die Abendnachrichten. Was Nachrichten- und Unterhal-tungswert hat, wird also von beiden Seiten bestimmt.

UNTERRICHTSPRAKTISCHE HINWEISE

Baustein A beginnt mit der Vermittlung der bundesstaatli-chen Ordnung Deutschlands und der Eigenstaatlichkeit seiner Länder (A 1 – A 3). Es folgt die Auseinandersetzung mit den Gesetzgebungszuständigkeiten im Bundesstaat und mit der Frage, welche Zuständigkeiten der Landtag hat (A 4 – A 8).In welchen Bereichen beschließt der Landtag Gesetze, die ganz konkret auch den Lebensbereich Jugendlicher betreffen (A 6 und A 7)?

A 8 liefert ein Quiz zu den Zuständigkeiten der drei politi-schen Ebenen: Kommune, Land und Bund. A 9 stellt in einer Karikatur den Kompetenzverlust der Landespolitik gegen-über dem Bund und der EU dar.

Die Materialien A 10 und A 11 führen über den Aspekt der Gewaltenteilung und über die Frage »Warum eigentlich Parlamente?«, zur Auseinandersetzung mit der Gesetzge-bungsfunktion des Landesparlaments. Wer hat das Recht, Gesetzesvorschläge in das Parlament einzubringen (A 12)?Warum wird das Etatrecht des Landtags das »Königsrecht« des Parlaments genannt (A 13)?

Der Landtag kontrolliert Regierung und Verwaltung. Welche Kontrollinstrumente stehen den Abgeordneten dabei zur Ver-fügung? Die Materialien A 14 – A 16 schaffen den Zugang zu dieser Frage, während A 17 Beispiele von Anträgen aus den Landtagsfraktionen bringt. Über die Homepage des Landtags kann dieses Material aktuell ergänzt werden. Unter dem Menü-punkt »Dokumente« stehen hier – auch mit einer Volltextsu-che versehen – aktuelle Anträge und Initiativen der Abgeord-neten zur Verfügung. Die Materialien A 18 und A 19 stellen die parlamentarischen Kontrollinstrumente der »dringlichen Anträge« und der Untersuchungsausschüsse vor.

Mit den Materialien A 20 – A 22 wird die Wahlfunktion des Parlaments erschlossen. Ein Quiz zur Frage »Wer wählt wen?« (A 23), schließt sich an. Anhand der Materialien A 24 – A 27 lässt sich die Repräsentationsfunktion des Landtags diskutieren. Welche Berufsgruppen sind im Landtag stärker vertreten als andere? Muss das Parlament die Sozialstruktur der Gesellschaft getreu abbilden? Die Karikatur A 27 dient als Einstieg in eine Diskussion.

Das Parlament steht im Dialog mit der Öffentlichkeit. Vor allem die Debatten- und Artikulationsfunktion des Landtags wird im letzten Teil von Baustein A thematisiert (A 28 –A 31). Hier wird auch der enge Zusammenhang zwischen Parlament und Medien beleuchtet. Unter welchen Rahmen-bedingungen arbeiten Medien und worüber berichten sie bzw. berichten sie nicht? Nach welchen Regeln und Mecha-nismen wählen sie aus? Die Materialien eignen sich sowohl als Unterrichtseinstieg als auch als Grundlage für eine Dis-kussion. Die Erziehung zum verantwortungsvollen Umgang mit Medien können sie aber nicht ersetzen (vgl. Politik & Unterricht Heft 1/2001, »Medien«).4 Vgl. Ulrich Sarcinelli: Demokratie unter Kommunikationsstress? Das

parlamentarische Regierungssystem in der Mediengesellschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 43/2003, S. 39–46.

Baustein A

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 11: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

9

Im Folgenden werden drei Projekt- und Suchvorschläge für Schülerinnen und Schüler vorgestellt, die sich sowohl für Klassen eignen, die keinen Landtagsbesuch machen, als auch für Klassen, die den Landtag besuchen. Es handelt sich dabei um Aufträge, die auch im Rahmen eines Fächer verbindenden Unterrichts eingesetzt werden können. Der dritte Vorschlag ist für die Vorbereitung und Aufarbeitung eines Landtagsbesuchs gedacht, wobei sich die Suchauf-träge auch miteinander kombinieren lassen.

A: Berichterstattung über landespolitische ThemenAnalysiere – am besten mehrmals und vergleichend über eine ganze Woche hinweg – den landespolitischen Teil der Tageszeitung(en) bei dir vor Ort, das Fernsehpro-gramm (SWR – Südwestfernsehen, 19.15–20.00 Uhr oder die »Ländersache«, donnerstags, 20.15–21.00 Uhr) und beantworte dabei folgende Fragen:

1. Über welche landespolitischen Themen berichten diese Medien? Finde für die jeweilige Nachricht eine treffende Kurzüberschrift mit nicht mehr als drei Wörtern.

2. Teile die Nachrichten danach ein, über welche der folgenden Akteure berichtet wird:◗ Landtag – Landesparlament◗ einzelne Abgeordnete◗ Fraktionen im Landtag (CDU, SPD, FDP/DVP, GRÜNE)◗ Parteien im Land (CDU, SPD, FDP/DVP, GRÜNE und

andere)◗ Ministerpräsident◗ Ministerinnen und Minister – Landesregierung

3. Halte fest, wie viele Minuten/Sekunden der Fernseh-beitrag bzw. wie viele Seiten/Zeilen der jeweilige Zei-tungsartikel hat.

4. Zeichne eine Tabelle mit sechs Zeilen und sechs Spal-ten. Waagrecht trägst du die Wochentage Mo.–Sa. auf, senkrecht die sechs Akteure aus Aufgabe 2. Trage nun die in Aufgabe 1. gefundenen Kurzüberschriften und die dazu gehörenden Min./Sek. bzw. Seiten/Zeilen in die Tabel-le ein.

5. Welche Auffälligkeiten stellst du fest? Wie ist dein erster Eindruck? Welche Gründe gibt es deiner Meinung nach für dein Ergebnis?

B: Plenumssitzung (ohne Besuch im Landtag)1. Besorge dir eine Woche vor einer Plenarsitzung – denn erst dann steht sie fest – die jeweilige Tagesord-nung (www2.landtag-bw.de/aktuelles/tagesordnungen/plenum.asp). Wenn du kannst, dann schaue dir auch die Plenumssitzung im Livestreaming an (www2.landtag-bw.de/aktuelles/landtag_live/index.asp).

2. Halte mit Stichworten fest, welche Themen behandelt werden. Welche parlamentarischen Instrumente – Debatte, Antrag, Große Anfrage – kommen dabei zum Einsatz?

3. Kommen die Debatten, Anträge usw. von einer der Regierungs- oder von einer der Oppositionsfraktionen? Was bezweckt deiner Meinung nach die Antrag stellende Fraktion damit?

4. Welche Themen werden von deiner Tageszeitung und vom Fernsehen (Sendezeiten siehe oben) aufgegriffen? Was läuft als Vorausmeldung, worüber wird in der Abend-sendung oder am nächsten Tag berichtet?

5. Über wie viele Themen wird bzw. wird nicht berichtet? Findest du Parallelen oder Auffälligkeiten beim Vergleich zweier Plenartage?

6. Nach welchen Kriterien fällt deiner Meinung nach die Entscheidung, über welche Themen im Fernsehen und in der Zeitung berichtet bzw. nicht berichtet wird?

C: Beobachtungsauftrag: Plenarsitzung und Vergleich mit Medienberichterstattung1. Halte die Eindrücke, die du auf der Tribüne sammeln konntest, kurz schriftlich fest (eventuell mit Beobach-tungsbogen). Beantworte dabei folgende Fragen:

◗ Wie lange wurde während deines Tribünenbesuchs über ein Thema gesprochen?

◗ Worüber wurde debattiert? ◗ Welche Redner waren am Pult? ◗ Wie war das Verhalten im Saal, auf der Besucher- und

auf der Pressetribüne?

2. Vergleiche deine Aufzeichnungen mit der Abendsen-dung im Fernsehen und der Berichterstattung am nächs-ten Tag in der Tageszeitung. Nenne die Unterschiede, die dir dabei auffallen!

3. Nach welchen Kriterien fällt deiner Meinung nach die Entscheidung, über welche Themen berichtet bzw. nicht berichtet wurde?

4. Wenn du Journalist wärst: Hättest du die gleichen Themen ausgewählt? Begründe deine Meinung.

5. Setzt euch als Klasse mit der Tageszeitung vor Ort in Verbindung. Teilt eure Eindrücke und Schlussfolgerungen mit und bittet um eine Stellungnahme aus Sicht der Tageszeitung.

PROJEKTVORSCHLÄGE FÜR SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER

Baustein A

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 12: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

10

●●● BAUSTEIN B

DIE ABGEORDNETEN

Wenn sich die Fraktionen im Landtag auf eine Erhöhung der Diäten der Abgeordneten einigen, wird regelmäßig Kritik in der Presse und aus der Bevölkerung laut. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang das Wort von der »Selbstbedie-nungsmentalität« der Abgeordneten verwendet. Auch sonst ist das Bild von den Volksvertretern in der Öffentlichkeit nicht immer das Beste. Optische und medial vermittelte Eindrücke von Parlamentsdebatten spielen dabei eine große Rolle. Von der Selbstdarstellung oder einem Debattierklub ist hier oft die Rede. Abgeordnete glänzen nicht selten während den Plenarsitzungen durch Abwesenheit, oder sie blättern scheinbar gelangweilt in Zeitungen und Zeitschriften.

Diese Vorwürfe lassen sich in vielen Fällen schnell ent-kräften, wenn man einen Blick in den Terminkalender der Abgeordneten wirft. Sie haben eine ganze Fülle an Terminen zu bewältigen und nur selten einen normalen Feierabend. Eine wissenschaftliche Untersuchung von Michael Edinger, Politologe an der Universität Jena, hat verdeutlicht, dass »offenbar ein erhebliches Spannungsfeld zwischen der Aus-übung des Mandats und der Gestaltung des Privatlebens (gesehen wird)«. Außerdem empfi nden es die Abgeordneten als belastend, dass sie nur wenig Zeit zur Verfügung haben, um sich in Probleme tiefer einarbeiten zu können. Die Fülle der Themen, mit denen sie allein im Laufe einer Woche kon-frontiert werden, geht leicht ins Unüberschaubare. Darüber hinaus müssen Abgeordnete meist von einem Termin zum nächsten eilen, und dann bleiben eben nur wenige Mög-lichkeiten, inhaltliche Fragen tiefer gehend zu refl ektieren. Ein kleinerer Teil der Abgeordneten gibt auch an, dass sie die unzureichende Akzeptanz in der Öffentlichkeit als ein Problem empfi nden (vgl. Das Parlament vom 16. Februar 2004).

Fast automatisch wird die Arbeitszeit der Abgeordneten in den Zusammenhang mit ihrem Verdienst gebracht. »Für das, was die leisten, verdienen sie viel zu viel«, wird gerne behauptet. In der Öffentlichkeit kursieren in diesem Zu-sammenhang bisweilen Summen, die weit von der Realität entfernt sind. Mehr Transparenz wird oft gefordert. Der glä-serne Abgeordnete ist zwar noch nicht Wirklichkeit, aber die allermeisten der Parlamentarier sind bereit, diese Richtung zu gehen. Vieles, unter anderem auch die Abgeordneten-diäten, werden offengelegt. Dies dürfte der richtige Weg sein, damit die Abgeordneten wieder mehr Akzeptanz und Anerkennung erfahren.

In Baustein B geht es um die Darstellung der Tätigkeiten der Landtagsabgeordneten. Als Einstieg werden die Par-lamentarier als demokratisch gewählte Volksvertreter the-matisiert. Vorgestellt werden dann Abgeordnete, die im Parlament eine besondere Funktion erfüllen, wie z. B. der Landtagspräsident und seine Stellvertreter(innen) sowie die Fraktionsvorsitzenden. Darüber hinaus werden die meist im nichtöffentlichen Raum liegenden Arbeitsstätten der Abge-ordneten behandelt: die Fraktionen, ihre Arbeitskreise sowie die Landtagsausschüsse. Die Auseinandersetzung mit dem Arbeitsalltag der Abgeordneten und mit ihrer fi nanziellen Entschädigung soll auch dazu dienen, eventuell kritiklos übernommene Statements zum Verdienst der Abgeordneten in Relation zu ihren Aufgaben zu setzen. Ziel des Bausteins ist daher, zu einem differenzierteren Urteil zu gelangen und so zu einer Korrektur des Bildes der Parlamentarier beizutra-gen, sofern dies notwendig ist.

LMZ

Baustein B

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 13: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

11

UNTERRICHTSPRAKTISCHE HINWEISE

Als Einstieg in diesen Baustein werden folgende Themen-bereiche behandelt: Wie kommen die Abgeordneten in den Landtag, und wie sieht nach der Wahl die Zusammensetzung im Parlament aus (B 1 – B 4)? Wahlmodalitäten und Einzel-heiten zur Landtagswahl werden hier nicht näher behandelt (vgl. Politik & Unterricht aktuell 11/2001 und 14/2006).

In einem zweiten Abschnitt (B 5 – B 7) geht es um die be-sonderen Funktionen einzelner Abgeordneter. Damit die Ab-läufe im Landtag möglichst reibungslos funktionieren, üben einige Parlamentarier besondere Funktionen mit speziellen Aufgaben aus. Hier werden vor allem der Landtagspräsident, seine drei Stellvertreter(innen) sowie das Präsidium als par-lamentarisches Steuerungsgremium vorgestellt.

Eine dritte Sequenz befasst sich mit den Fraktionen, ihren Vorsitzenden sowie den Arbeitskreisen der Fraktionen und den Ausschüssen des Landtags als den wichtigsten Arbeits-orten der Parlamentarier (B 8 – B 14). Auch das Thema »Fraktionsdisziplin«, das in der Öffentlichkeit meist ähnlich undifferenziert dargestellt wird wie die Diätenfrage, wird hier diskutiert. Bei Abstimmungen geraten Abgeordnete gelegentlich in einen Gewissenskonfl ikt zwischen ihrer ei-genen Meinung und der Mehrheitsmeinung ihrer Fraktion. Weshalb ein Abstimmungsverhalten nach Parteidisziplin oft notwendig und legitim ist, ja letztlich der pragmati-schen Handlungsräson des komplexen Parlamentsbetriebs entspricht, versucht B 10 zu erklären. Am Ende dieses Ab-schnitts wird mit den Materialien B 15 und B 16 der Petiti-onsausschuss behandelt. Etwa 1.500 Eingaben, die jährlich an diese »Notrufsäule für Bürgerinnen und Bürger« gerichtet werden, unterstreichen den Stellenwert dieses Ausschusses und das Vertrauen, das die Bevölkerung in diesen direkten Weg zum Parlament setzt.

In einem letzten Teil geht es um die Abgeordneten und ihre konkrete Arbeit. B 17 präsentiert vier von Schülerinnen und Schülern einer Hauptschule erarbeitete Interviews mit Ab-

geordneten aller Fraktionen im Landtag. Weitere persönliche Details von anderen Parlamentariern, etwa der Wahlkreisab-geordneten der Schulklassen, lassen sich über das Internet, das Volkshandbuch des Landtags von Baden-Württemberg und vor allem über die CD-ROM des Landtags recherchie-ren, wo nach bestimmten Kriterien (z. B. Alter, Kinderzahl usw.) gezielt gesucht werden kann. Mit einem Auszug aus dem Terminkalender eines Abgeordneten (B 18) kann darü-ber hinaus die tägliche Arbeitsbelastung der Parlamentarier näher ins Visier genommen werden.

Die Materialien B 19 – B 21 geben die Möglichkeit, die Dis-kussion um die Abgeordnetendiäten auf einer sachlichen Ebene zu führen. Hierzu werden genaues Zahlenmaterial (B 19), eine Einschätzung des Verdienstes der Parlamentarier (B 20) und nicht zuletzt der Vergleich mit Dienstbezügen und Gehältern anderer Berufsgruppen (B 21) angeboten. Anhand der Zusammenstellung in B 22 lässt sich über die Größe und die Kosten des Landesparlaments auch im Ver-gleich mit anderen deutschen Parlamenten diskutieren.

Insgesamt ist aber auch für diesen Baustein zu betonen: Handlungsorientierung, visuelle Eindrücke und persönliche Kontakte sind über die Behandlung des Themas mit diesem Heft hinaus ausgesprochen wichtig. Deshalb wird vorge-schlagen, ergänzende Arbeitsaufträge zu erteilen, Landtags-besuche durchzuführen, Abgeordnete in die Schule einzu-laden und als besonderes »Highlight« eine Abgeordnete bzw. einen Abgeordneten einmal bei der Arbeit einen Tag oder gar eine Woche lang zu begleiten. Im Zusammenspiel zwischen Theorie und praktischer Anschauung kann so ein realistisches Bild von der Arbeit der Landtagsabgeordneten entstehen.

Die Mitglieder des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport tagen wie alle (Fach-)Ausschüsse in der Regel nichtöffentlich.

LMZ

Baustein B

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 14: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

12

●●● BAUSTEIN C

WIE ENTSTEHT EIN GESETZ?BEISPIEL: DAS GESETZ ZUM KOPFTUCHVERBOT AN BADEN-WÜRTTEMBERGISCHEN SCHULEN

Politik wird von Menschen für Menschen gemacht. Parla-mente sind Orte, an denen über Ziele und Wege politischen Handelns gestritten wird. Abgeordnete debattieren darüber und treffen Entscheidungen, die uns alle angehen und die oft tief in unser Leben eingreifen. Um Entscheidungen und deren Hintergründe besser verstehen zu können, sollte man die Parlamentsarbeit aus eigener Anschauung kennen. Um-gekehrt reicht aber auch eine Stippvisite im Landtag nicht aus, um die komplexen und nicht einfach zu durchschauen-den Vorgänge verstehen zu können.

Parlamentsdebatten sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der Arbeit der Landtagsabgeordneten. Parlamentarische Abläufe fordern und binden das Engagement der Parlamentarier zu-sätzlich in den Fraktionen, Arbeitskreisen und Ausschüssen. In den »Werkstätten des Parlaments« fi ndet die eigentliche Arbeit statt. Hier diskutieren Expertinnen und Experten, hier werden Kompromisse geschlossen und die Entscheidungen des Plenums vorbereitet.

Baustein C befasst sich mit der Entstehung eines Gesetzes. Er rückt ab von einer reinen Institutionenkunde, indem er den Streit, ob eine muslimische Lehrerin an einer baden-württembergischen Schule ein Kopftuch tragen darf, zum Inhalt wählt. Viele der zuvor vorgestellten Instanzen und Institutionen, die in diesen Prozess involviert sind, erschei-nen hier erneut anhand eines konkreten Beispiels.

Bei der Behandlung des Themas ist von der Seite der Lehren-den darauf zu achten, dass nicht der Kopftuchstreit, sondern die parlamentarischen Vorgänge im Vordergrund stehen. Um Lehrende und Lernende auf eine gemeinsame Ausgangsbasis zu stellen, ist es notwendig, die Vorgeschichte des Kopftuch-streits in knappen Zügen zu streifen. Weshalb sich der Land-tag mit diesem in ganz Deutschland Wellen schlagenden Thema beschäftigen muss, wie er es in den Arbeitskreisen, Fraktionen und Ausschüssen behandelt, und wie es letz-ten Endes zum Gesetz kommt, das sollen die Schwerpunkte dieses Bausteins sein.

Der Kopftuchstreit ist ein aktuelles Thema mit viel Brisanz. Er hat in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregt und auch viele Schülerinnen und Schüler, insbesondere die islamischen Glaubens, berührt. Zur Behandlung im Unterricht eignet er sich deswegen besonders gut, weil an diesem Beispiel die Zuständigkeit des Landes verdeutlicht werden kann und sich der Ablauf von der Entstehung bis zur Verabschiedung eines Gesetzes sehr gut verfolgen lässt.

Fereshta Ludin, muslimische Lehrerin und Beschwerdeführerin im Kopftuch-streit, wird am 24. September 2003 vor der Urteilsverkündung im Bundesver-fassungsgericht in Karlsruhe von Jour-nalisten umlagert. Das Land Baden-Württemberg habe mit seiner Ablehnung, Frau Ludin in den Schuldienst zu übernehmen, ihre Religionsfreiheit verletzt, so die Verfassungsrichter. Die Bundesländer dürfen muslimischen Lehrerinnen das Kopftuchtragen im Unterricht aller-dings verbieten, wenn sie hierzu eine »hinreichend bestimmte« gesetzliche Grundlage schaffen. Der Landtag von Baden-Württemberg hat diese Vorgabe des höchsten deut-schen Gerichts am 1. April 2004 mit der Verabschiedung eines entsprechen-den Gesetzes umgesetzt.

pict

ure-

allia

nce/

dpa

Baustein C

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 15: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

13

UNTERRICHTSPRAKTISCHE HINWEISE

Der Fall Ludin hat bundes- und landesweit viel Aufsehen erregt. Was war passiert? Das soll in aller Kürze mit C 1 dar-gestellt werden. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (C 2) setzt einen vorläufi gen Schlusspunkt unter die recht-liche Auseinandersetzung um das Tragen eines Kopftuches in der Schule. Aus C 3 lässt sich entnehmen, weshalb der Kopftuchstreit nun zum Thema im Landtag wird.

Die Materialien C 4 – C 6 thematisieren die Einigung inner-halb der Regierungskoalition auf einen Gesetzentwurf. Zur Ersten Lesung des Gesetzes liegen dann, zusammen mit dem Gesetzentwurf der Oppositionsfraktion GRÜNE, dem Landtag zwei Gesetzentwürfe vor.

Gesetzgebungsverfahren gehen einen mehrstufi gen Weg durch den Landtag. Sie werden vom Plenum an die zu-ständigen Fachausschüsse verwiesen und dort detailliert beraten. Beim Kopftuchstreit holte man sich hier auch den Rat von Experten ein. Diese wurden im Ausschuss für Schule, Jugend und Sport sowie im Ständigen Ausschuss angehört und um ihre Meinung gefragt (C 7). Die Anhö-rung der Experten deckte einen Schwachpunkt der Ge-setzesvorlage auf. Der Ständige Ausschuss machte daher Vorschläge zu einer Korrektur der Vorlage, der auch der Ausschuss für Schule, Jugend und Sport zustimmte (C 8 – C 9).

Am 1. April 2004 befasste sich der Landtag im Plenum in Zweiter Lesung mit dem Gesetzentwurf und verabschiedete die Novelle endgültig (C 10 – C 11). Damit hatte der Land-tag von Baden-Württemberg die Aufl agen des Bundesver-fassungsgerichts umgesetzt und eine gesetzliche Regelung getroffen. Mit der Ausfertigung des Gesetzes durch den Ministerpräsidenten und seiner Verkündung (C 12) ist der Gesetzesvorgang abgeschlossen.

Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über den Fall Ludin gilt die Auseinandersetzung um das Tragen eines Kopftuchs von Lehrerinnen in der Schule in Deutschland für abgeschlossen. Die Unterrichtseinheit sollte aber nicht enden ohne die Überlegung: Was ist, wenn der Europäische Gerichtshof in Brüssel die Kopftuch-Geschichte neu aufrollt (C 14)?

C 15 gibt die Möglichkeit, den gesamten Gesetzgebungspro-zess nochmals nachzuvollziehen bzw. auf andere Gesetzes-vorhaben zu übertragen.

Eilfort, Michael (Hrsg.): Parteien in Baden-Württemberg. Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württem-bergs Bd. 31, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart 2004.

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württem-berg (Hrsg.): Taschenbuch Baden-Württemberg. Gesetze – Daten – Analysen, Redaktion: Siegfried Frech, Stuttgart 2004.

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.): Schülerwettbewerb des Landtags. Komm heraus – mach mit. Informationen für Einsteiger, CD-ROM, Stutt-gart 2004.

Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Landtag von Baden-Württemberg. 13. Wahlperiode 2001–2006, CD-ROM, Edition 2002.

Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Volkshandbuch, 13. Wahlperiode, 3. Aufl ., Rheinbreitbach (Neue Darm-städter Verlagsanstalt) 2003.

Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Grundgesetz/Lan-desverfassung, Stuttgart 2003.

Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Landtagsspiegel Baden-Württemberg, Stuttgart 2004.

Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Willkommen im Landtag [mehrsprachig verfügbare Broschüre].

LITERATUR

Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Unser Petitions-recht [Faltprospekt].

Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Unser Parlament im Internet [Faltprospekt].

Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): So fi nden Sie uns [Faltprospekt].

Weber, Reinhold: Baden-Württemberg. Eine kleine politische Landeskunde, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 5. aktualisierte Neuaufl age 2003.

Als gute Informationsquelle berichtet die bwWoche jeweils nach den Plenarsitzungen zusammenfassend über die Be-schlüsse des Landtags.

Diese Publikationen sind beim Landtag von Baden-Württem-berg (www2.landtag-bw.de/kontakte/informationsmaterial/index.asp) und bzw. oder bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (www.lpb-bw.de/Shop) zu be-ziehen.

Baustein C

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 16: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

14

Der Landtag muss als Ort außerschulischen politischen Ler-nens erst erschlossen werden. Ohne Vorkenntnisse und ohne Beurteilungskriterien ist das Geschehen im Plenarsaal kaum zu verstehen. Der Besuch des Landesparlaments sollte immer Teil einer Unterrichtseinheit sein, keinesfalls aber ein iso-liertes Vorhaben.

»Der Besuch des Landtags durch Schülerinnen und Schü-ler, Studierende, Auszubildende, Anwärter und sonstige Ju-gendgruppen ist im Rahmen der gemeinschaftskundlichen Bildung nützlich und wünschenswert. Die Besuche werden daher vom Landtag gefördert und fi nanziell unterstützt. Der Landtag führt Besuchsprogramme an Plenarsitzungstagen, an anderen Sitzungstagen sowie in der sitzungsfreien Zeit durch.«1

Für die Anmeldung von Schulklassen wenden Sie sich bitte direkt an den Besucherdienst (vgl. Übersicht S. 15). Bei der Entscheidung, ob Sie Ihre Schülerinnen und Schüler für das Plenartags- oder für das so genannte »Schulklassenpro-gramm« anmelden, beachten Sie – neben den pädagogi-schen Aspekten – bitte Folgendes:

Von den jährlich etwa 40.000 Gästen des Landtags sind in der Regel etwa die Hälfte Schülerinnen und Schüler aller

●●● ZU BESUCH IM LANDTAG – DAS LANDESPARLAMENT ALS LERNORT

HINWEISE FÜR LEHRERINNEN UND LEHRER

Schularten. Beim Blick in den Sitzungsplan des Jahres 20052

mit 21 Plenarsitzungs- und etwa 75 Ausschuss- bzw. Frak-tionssitzungstagen ist bereits an den Zahlen erkennbar, dass für die Planung von Besuchen mehr Spielraum bei den Ausschusstagen besteht. Stellt man zudem den Wunsch mehrerer hundert Erwachsenengruppen in Rechnung, den Landtag »in Aktion« zu erleben, so lässt sich die Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot für Plenartagsbesuche er-ahnen. Immerhin erhalten aber rund sechzig Prozent der angemeldeten Schulklassen einen Termin. Wichtig ist: Die Anmeldung zu einem Schulklassenbesuch muss innerhalb der ersten vier Wochen nach Schuljahresbeginn erfolgen (vgl. Übersicht S. 15).

1 Richtlinien des Präsidenten des Landtags über die Einführung von Schülerinnen und Schülern sowie sonstigen Jugendgruppen in die Par-lamentsarbeit in der Fassung vom 1. Dezember 2003, S. 1.

2 Sitzungsplan 2005 im Internet unter www2.landtag-bw.de/aktuelles/termine/sitzungsplan-2005.pdf

LMZ

Zu Besuch im Landtag

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 17: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

15

Vor- und NachbereitungUnabdingbare Voraussetzung für einen – im Sinne der politi-schen Bildung – erfolgreichen Landtagsbesuch ist die gründ-liche Vor- und Nachbereitung des Besuchs im Unterricht. Das vorliegende Heft enthält hierzu alle wesentlichen Aspekte.Unabhängig von der Frage, ob der Besuch nun an einem Plenartag oder an einem sonstigen Sitzungstag außerhalb des Plenums stattfi ndet, sollte der Besuch des Landespar-laments am Ende der Unterrichtseinheit stehen. Als Un-terrichtseinstieg ist insbesondere der Plenumsbesuch nicht geeignet, weil die Jugendlichen ohne Vorkenntnisse die Vorgänge im Plenum kaum einordnen können.

Besuch an PlenartagenDie Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg kommen in der Regel einmal im Monat an zwei aufeinander folgenden Tagen (Mittwoch und Donnerstag) zur Plenar-sitzung zusammen. Der in der Übersicht genannte Ablauf kann aus organisatorischen Gründen kaum variiert werden. Der Wunsch, zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt auf der Tribüne zu sein, kann nicht berücksichtigt werden, da die Einladung zum Besuch sechs Wochen vor der Sitzung erfolgt, die Tagesordnung jedoch frühestens eine Woche vor der Sitzung bekannt ist.

Die Einführung (ca. 30 Minuten), an der die Schüler gemein-sam mit anderen Besuchergruppen teilnehmen, beschränkt sich auf die Grundstrukturen der parlamentarischen Arbeit, eine kurze inhaltliche Einführung in die Tagesordnung und auf Hinweise zum Verhalten auf der Besuchertribüne. Auf-grund der Rahmenbedingungen ist eine intensive inhaltliche Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler nicht möglich. Dies führt häufi g dazu, dass die Komplexität der behandelten Sachverhalte kaum erfasst und nur schwer nachvollzogen werden kann.

HINWEISE FÜR DEN BESUCH IM LANDTAG

◗ Bezuschussung der Fahrkosten: www2.landtag-bw.de/Kontakte/Besucherdienst/Richtlinien_2004.asp

◗ Verhaltensregeln im Landtagsgebäude: www2.landtag-bw.de/Kontakte/Besucherdienst/hinweise_zum_Auf-enthalt_im_Landtagsgebaeude.asp

◗ Anfahrtsskizze: www2.landtag-bw.de/kontakte/lage-plan/index.asp

◗ Busparkplätze: www2.landtag-bw.de/Kontakte/Lage-plan/Busparkplaetze.asp

Zu Besuch im Landtag

* Für Besuchsprogramme mit Austauschschülerinnen und -schülern gelten besondere Bedingungen.

FÜR SCHULKLASSEN AUS

Hauptschule ab Klasse 8 (2. Halbjahr)

Realschule ab Klasse 9

Gymnasium ab Klasse 10 (bzw. Klasse 9 bei acht-jährigem Gymnasium)

Sonder- und Förder-schule ab Klasse 8 (2. Halbjahr)

Berufsschule

ANMELDUNG

Anmeldezeitraum:In den ersten vier Wochen nach den Som-merferienAnmeldestelle:Landtag von Baden-WürttembergBesucherdienst (BSD)Konrad-Adenauer-Str. 370173 StuttgartFax: 0711/2063-299Tel.: 0711/2063-228www.landtag-bw.de/kontakte

ANMELDEBESTÄTIGUNG

Alle angemeldeten Schulen erhalten eine Anmeldebestätigung.

Hier können Lehrerinnen und Lehrer die elektro-nisch erfassten Daten nochmals überprüfen und ggf. telefonisch ändern oder ergänzen.

TERMIN

Der Besuchstermin wird vom Landtag festgelegt (unter Berücksichtigung von Schulart, Klassen-stufe, Wahlkreis, Grup-pengröße u.v.m.).

EINLADUNG

Sie erfolgt schriftlich etwa sechs Wochen vor Termin.

a) bei Plenarsitzungen(max. 70 Pers./Gruppe)

Gesamtdauer 2 Stunden30 Min. Einführung (BSD)60 Min. Besuch der Plenartribüne30 Min. Gespräch mit Wahlkreis-abgeordneten oder deren Vertreter

b) an Sitzungstagen der Ausschüsse/Fraktionen(Di, Mi, Do)

Gesamtdauer 2 Stunden(Sonder-/Förderschulen ca. 1,5 Stunden)45 Min. Einführung (Rollenspiel) im Plenarsaal15 Min. Film60 Min. Gespräch mit Wahlkreis-abgeordneten oder Vertretern; so genanntes »Schulklassenpro-gramm«

c) in sitzungsfreien Wochen sowie Montag und Freitag(max. 125 Personen/Gruppe)

Teilweise Schulklassenprogramme, aber in der Regel Besuchstage für sonstige Gruppen.

ABLAUF

BESUCHSPROGRAMME FÜR SCHULKLASSEN IM LANDTAG VON BADEN-WÜRTTEMBERG (STAND: 03.05.2004)*

PROGRAMME

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 18: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

16

Das SchulklassenprogrammAußerhalb von Plenumstagen bietet das zweistündige »Schulklassenprogramm« aus didaktischer, methodischer und entwicklungspsychologischer Sicht gegenüber einem Tribünenbesuch eine echte Alternative. Es ist handlungs-orientiert, methodisch abwechslungsreich, interaktiv, didak-tisch auf das Abstraktionsniveau der Jugendlichen bis ein-schließlich zur 10. Klasse zugeschnitten. Daher empfi ehlt der Besucherdienst den Landtagsbesuch in dieser Form. Für Klassen der Oberstufe ist erfahrungsgemäß der Besuch einer Plenumssitzung sinnvoll.

A) Das RollenspielNach den organisatorischen Präliminarien gehen die Schüle-rinnen und Schüler in Begleitung ihrer Lehrer und des Besu-cherdienstes in den Plenarsaal und nehmen dort direkt auf den Sitzen der Abgeordneten Platz. Nach der Bestimmung eines »Landtagspräsidenten« und zweier »Schriftführer« wählen die Schülerinnen und Schüler in der neuen Rolle als Abgeordnete »ihren« Ministerpräsidenten. Dieser stellt nach der Ernennung seine »Regierungsmannschaft« zusammen. In den einzelnen Abschnitten des Rollenspiels erleben die Jugendlichen Aufgaben und Bedeutung verschiedener Funk-

Das Rollenspiel im Plenarsaal. Die Jugendlichen wählen »ihren« Ministerpräsidenten.

LMZ

Zu Besuch im Landtag

Übertragung der Landtagsdebatte per Livestreaming

Tagesordnung der Plenarsitzungen

Die neuesten Initiativen

Publikationsliste des Landtags

Pressemitteilungen des Landtags

Homepages der vier Landtagsfraktionen

Pressemitteilungen der Landtagsfraktionen

Parlamentsdokumentation

CD-ROM des Landtags: Edition 2002 mit virtuellem Rundgang

www2.landtag-bw.de/aktuelles/landtag_live/index.asp

www2.landtag-bw.de/aktuelles/tagesordnungen/plenum.asp

www2.landtag-bw.de/dokumente/initiativen/index.asp

www2.landtag-bw.de/kontakte/informationsmaterial/index.asp (mit Bestellfunktion)

www2.landtag-bw.de/aktuelles/pressemitteilungen/index.asp

www2.landtag-bw.de/fraktionen/index.asp

www2.landtag-bw.de/fraktionen/index.asp

www2.landtag-bw.de/dokumente/index.asp(mit der Möglichkeit der Volltextrecherche)

www2.landtag-bw.de/kontakte/informationsmaterial/index.asp (mit Bestellfunktion)

Die folgende Zusammenstellung ermöglicht auch jenen den virtuellen Besuch im Landtag, für die es aus schulorgani-satorischen oder anderen Gründen nicht möglich ist, den Landtag vor Ort zu besuchen.

Anhand der Zusammenstellung können Antworten auf fol-gende Fragen erarbeitet werden:1. Auf welchen Wegen tritt der Landtag an die Öffentlich-

keit?2. Wie kann die Öffentlichkeit erfahren, was aktuell im

Landesparlament geschieht?

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 19: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

17

SCHÜLERWETTBEWERB DES LANDTAGS

Der Landtag von Baden-Württemberg hat bereits im Jahr 1957 den »Schülerwettbewerb des Landtags zur Förde-rung der politischen Bildung« ins Leben gerufen. Mit der Durchführung des Wettbewerbs ist die Landeszentrale für politische Bildung beauftragt. Der Wettbewerb richtet sich alljährlich an alle Schülerinnen und Schüler Baden-Württembergs ab der 9. Klasse (Altershöchstgrenze 25 Jahre). Die jungen Menschen werden aufgefordert, sich mit den unterschiedlichsten politischen Fragestellungen zu beschäftigen.

Zu gewinnen gibt es Reisen ins europäische Ausland, aber auch Geld- sowie Buch- und Sachpreise. Teilnehmende Lehrerinnen und Lehrer und ihre Schulen erhalten Aner-kennungen.

Die aktuellen Themen, Ausschreibungsbedingungen sowie weitere Informationen zum Wettbewerb bei: Frau Monika Greiner (Tel.: 0711/164099-25 oder [email protected])www.schuelerwettbewerb-bw.de

tionsträger: Landtagspräsident, Ministerpräsident, Frak-tionsvorsitzender, Minister, Schriftführer, Stenograf. Be-griffl ichkeiten wie das Mehrheitsprinzip als demokratische Grundregel, die absolute Mehrheit, Fraktionsdisziplin, das Begriffstrio Legislative, Exekutive und Judikative u. v. m. werden direkt erfahrbar. Eine spezielle Vorbereitung auf das Spiel im vorbereitenden Unterricht ist in den meisten Fällen nicht notwendig.

B) Der FilmIn der aktuellen Form etwa 12 Minuten lang, zeigt der Film neben dem Wahlabend im Landtag und den Ergebnissen der Landtagswahlen vom 25. März 2001 die konstituierende Sitzung des Parlaments, die Wahl des Ministerpräsidenten sowie eine etwa fünfminütige Sequenz mit dem Titel »Etat-recht – das Königsrecht des Parlaments«.

C) Das AbgeordnetengesprächElementarer Bestandteil in der Konzeption beider Be-suchsprogramme (Schulklassen-/Plenarprogramm) ist die Begegnung mit (Wahlkreis-)Abgeordneten. Dem fast aus-schließlich medial erworbenen Wissen über »die Politiker« wird eine reale Erfahrung, nämlich die direkte Begegnung in einem 30- bzw. 60-minütigen Gespräch mit einem oder mehreren Landtagsabgeordneten entgegengesetzt. Die lang-jährige Erfahrung zeigt: Vorurteile und Werteinstellungen ändern sich, wenn Schülerinnen und Schüler die Abgeord-neten ihres Wahlkreises näher kennen lernen.

Da die Gesprächszeit knapp bemessen ist, sollte sie gut genutzt werden. Deshalb sollte sie Inhalte zum Gegenstand haben, die im persönlichen Gespräch mit den Abgeordneten besser als im Politikunterricht erfahrbar sind. Am Beispiel der Diäten betrachtet, gehört die Frage des Verdienstes der Abgeordneten (sowie die Einordnung der Summe) aufgrund der verfügbaren Publikationen zu diesem Thema wohl in die Unterrichtsvorbereitung. Mit solchem Vorwissen ausgestat-tet, startet die Diskussion auf ganz anderem Niveau: Nicht »Was verdienen die Abgeordneten denn?«, lautet die Frage, sondern vielleicht »Verdienen die Abgeordneten denn das, was sie bekommen?«

Zwei Grundformen des Abgeordnetengesprächs3

1. Die »Querbeet-Diskussion« ist abgeleitet aus Fragen, die unmittelbar »vor Ort« entstehen und interessieren. Hier besteht die Gefahr, dass die Schülerinnen und Schüler sich nicht trauen, Fragen zu stellen (große Gruppe, ungewohnte Umgebung). Daher empfi ehlt der Besucherdienst, auf jeden Fall einige Einstiegsfragen vorzubereiten.2. Die im Unterricht vorbereitete gezielte »Befragung und Diskussion«: Je nach Interesse der Schülerinnen und Schüler stehen dabei eher die Abgeordneten mit ihrem persönlichen und/oder politischen Werdegang, ihren Motivationen und Lebensumständen im Mittelpunkt. Oft werden sie um die Darlegung der eigenen (Fraktions-)Position zu allgemein politischen bzw. regionalen Fragestellungen gebeten. Von Vorteil ist es, wenn die Schülerinnen und Schüler bereits wissen, für welche Aufgaben der Landtag zuständig ist und welche Entscheidungsbefugnisse er hat. Mit Blick auf die unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkte kann es zudem hilf-reich sein, den Abgeordneten die Themen vorab zu benennen (vgl. die Interviews mit Abgeordneten in B 17).

3 Aufgrund der vielfältigen Aufgaben der Abgeordneten kommt es manch-mal vor, dass sich ein Parlamentarier vertreten lassen muss. Dies sollte bei der Vorbereitung auf den Landtagsbesuch beachtet werden.

LEHRERSEMINAR: DER LANDTAG ALS LERNORT

Der Landtag bietet jedes Frühjahr in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg ein Lehrerseminar »Der Landtag als Lern-ort« an.

Anmeldung per Mail oder auf dem Postweg über die Landeszentrale für politische Bildung, Referat Zukunft und Bildung, Herr Robert Feil (Tel.: 07125/152-139 oder [email protected])

Zu Besuch im Landtag

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 20: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

18

LMZ

Erster Jugendlandtag in Baden-Württemberg 2002

Im Landesjubiläumsjahr 2002 fand der erste baden-würt-tembergische Jugendlandtag statt. 120 engagierte Ju-gendliche, darunter auch Jugendgemeinderäte, trafen sich auf Einladung des Landtagspräsidenten Peter Straub, um über landespolitische Zukunftsthemen zu diskutieren – auch und so oft wie möglich mit den »echten« Abge-ordneten.

Wo sonst Erwachsene über die Geschicke des Landes beraten und entscheiden, hatten nun drei Tage lang die 16- bis 21-Jährigen Gelegenheit, ihre eigene Meinung vorzustellen, zu debattieren und in thematischen Ar-

beitsgruppen zu beraten. Schließlich einigten sich die »Abgeordneten« auf eine Resolution, die zum Abschluss des Jugendparlaments mit Delegierten aller Fraktionen diskutiert wurde.

Der erste Jugendlandtag, initiiert und durchgeführt vom Landtag Baden-Württemberg und der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, war eine Veran-staltung von Jugendlichen für Jugendliche. Ein Experten-team von Jugendlichen, zusammengestellt und betreut von der Landeszentrale für politische Bildung, hatte das Programm entwickelt und somit gewährleistet, dass es den Anliegen der jugendlichen Teilnehmenden entgegen-kam. Mit einer eigens entwickelten Internetseite (www.jugendlandtag.de) wurde das einzigartige Projekt unter-stützt und beworben.

Zu Besuch im Landtag

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 21: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

19

A • Rechte und Funktionen des Landtags

Der Landtag von Baden-Württemberg

Baustein A Rechte und Funktionen des Landtags

A 1 – A 9 Baden-Württemberg: Das Land im Bund 20A 10 – A 11 »Die Staatsgewalt geht vom Volke aus« 25A 12 – A 13 Der Landtag macht Gesetze 27A 14 – A 19 Das Parlament kontrolliert Regierung und Verwaltung 29A 20 – A 23 Der Landtag wählt 32A 24 – A 27 Die Abgeordneten sind Volksvertreter 34A 28 – A 31 Das Parlament im Dialog mit der Öffentlichkeit 36

Baustein B Die Abgeordneten

B 1 – B 4 Die Abgeordneten werden gewählt 38B 5 – B 7 Der Landtagspräsident, seine Stellvertreter(innen), das Präsidium 41B 8 – B 16 Die Fraktionen, ihre Arbeitskreise, die Ausschüsse des Landtags 43B 17 Schülerinnen und Schüler befragen Abgeordnete 49B 18 – B 22 Die Arbeit und Bezahlung der Abgeordneten 53

Baustein C Wie entsteht ein Gesetz ? Beispiel: Das Gesetz zum Kopftuchverbot an baden-württembergischen Schulen

C 1 – C 3 Der Fall Ludin vor dem Bundesverfassungsgericht 56C 4 – C 11 Der Landtag verabschiedet ein Gesetz 57C 12 – C 14 Das Gesetz tritt in Kraft 61C 15 Gesetzgebung im Landtag 63

Texte und Materialien für Schülerinnen und Schüler

4-2004

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 22: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

20

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A • Rechte und Funktionen des LandtagsMaterialien A 1 – A 31

A 1 Die bundesstaatliche Ordnung

A 2 Die deutschen Länder haben Staatsqualität

Die Bundesrepublik Deutschland ist föderal aufgebaut. Der Begriff Föderalismus steht für »Vertrag« oder »Bündnis« (vom lateinischen »foedus«) – von der politischen Idee her für einen Bundesstaat. Entstanden ist die Bundesrepublik Deutschland aus den Ländern der westlichen Besatzungs-zonen der unmittelbaren Nachkriegszeit, die sich 1949 zur Bundesrepublik zusammenschlossen. Nach dem Ende der Deutschen Demokratischen Republik traten am 3. Oktober 1990 fünf weitere Länder der Bundesrepublik bei.

Im Bundesstaat werden die staatlichen Aufgaben und die Staatsgewalt zwischen dem Bund und den Gliedstaaten ver-teilt. Wer wofür zuständig ist, wird durch das Grundgesetz, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, geregelt.

Jedes Land im Bundesstaat hat Staatsqualität: Es hat eine eigene Verfassung, ein eigenes Parlament (Legislative), eine eigene Regierung (Exekutive) und einen eigenen Staats- bzw. Verfassungsgerichtshof (Judikative). Baden-Württemberg hat also eine eigene staatliche Hoheitsmacht und bestimmte eigene Herrschaftsbereiche. Das Land kann z. B. Gesetze verabschieden, die nur für Baden-Württemberg gelten.

Gleichzeitig ist Baden-Württemberg Teil des Bundesstaats und deshalb in seiner Hoheitsmacht durch die Gesetzge-bungskompetenz des Bundes beschränkt. In der Bundesre-publik Deutschland hat also keine der beiden Ebenen – weder der Bund noch die Länder – die alleinige Macht.

Die Gliederung des Staates in Bund und Länder ist als verfas-sungsrechtliches Organisations-prinzip im Grundgesetz festge-schrieben.

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 23: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

21

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 3 Das Landeswappen von Baden-Württemberg

Das baden-württembergische Landeswappen ist ein Symbol der Einheit. Es will die Traditionen der früheren Länder und Landesteile bewahren. Im goldenen Schild zeigt es drei schwarze Löwen mit roten Zungen. Dies ist das Wappen der Hohenstaufer, die im Mittelalter Kaiser des Heiligen Römi-schen Reiches Deutscher Nation und Herzöge von Schwaben waren.

Im Großen Landeswappen ruht auf dem Schild eine Krone mit Plaketten der historischen Wappen von Franken (weiß-roter »fränkischer Rechen«), Hohenzollern (schwarz-weiß gevierter Schild), Baden (roter Schrägbalken im goldenen Feld), Württemberg (drei Hirschstangen), Kurpfalz (staufi -scher Löwe in Schwarz) und Vorderösterreich (rot-weiß-roter Bindenschild).

Das Große Landeswappen von Baden-Württemberg

ARBEITSAUFTRÄGE A 1 – A 3

◗ Was bedeutet Föderalismus? Beschreibe den Begriff in eigenen Worten.◗ Welches der Wappen im Großen Landeswappen steht für die historische Region Baden-Württembergs, in der du lebst?

Das Kleine Landeswappen von Baden-Württemberg

Das Schild wird von dem goldenen Hirsch, dem württember-gischen Schildhalter zur Linken, und von dem Greif, dem ba-dischen Schildhalter und Wappentier zur Rechten, gehalten. Beide Tiere sind rot bewehrt, d. h. sie sind mit roten Hufen bzw. roten Krallen versehen.

Das Große Landeswappen ist ein Symbol staatlicher Hoheit. Der Landtag, die Landesregierung, der Ministerpräsident, die Ministerien, die Vertretung des Landes beim Bund, der Staatsgerichtshof und die obersten Gerichte des Landes, der Rechnungshof sowie die Regierungspräsidien führen das Große Landeswappen.

Das Kleine Landeswappen, bei dem auf dem Schild eine Blattkrone, die so genannte Volkskrone ruht, dürfen die übrigen Landesbehörden und die Notare führen.

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 24: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

22

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 4 Gesetzgebung im Bundesstaat

A 5 Ausschließliche Zuständigkeiten

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 25: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

23

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 6 In welchen Bereichen macht der Landtag Gesetze?

A 7 Jugendradios gehen auf Sendung

Lange hat die Politik darum gestritten, nun geht es in die Praxis: An diesem Wochenende starten im Südwesten sowohl das private Jugendradio »bigFM« als auch der öffentlich-rechtliche Ableger »DASDING« des SWR. Der Hörer hat die Qual der Wahl.

Beispiel SWR. Intendant Voß und seine Crew stellen das Programm für die zehn- bis 19-Jährigen ... in Stuttgart vor. »Mit herkömmlichen Rezepten kann man in dieser Zielgruppe nicht mehr landen«, heißt es. Radio, Fernsehen und Inter-net werden deshalb verknüpft. »Hörer werden zu Machern«, lautet die Botschaft für die interaktive Generation. Manche Regionen – wie Südbaden – bleiben aber ein weißer Fleck. Der privaten Konkurrenz geht es nicht besser. Seit November sendet die Jugendwelle bereits, nun folgt der zweite Start

unter dem neuen Namen »bigFM«. … Aber auch hier gibt’s erst mal nur vier UKW-Frequenzen, später sollen es neun sein.

Klar ist auch: Es gibt künftig zwei solche Wellen im Süd-westen, die dennoch nicht für alle Kids zu hören sind. Stellt sich also die alte Frage: Wäre ein Jugendradio nicht bessergewesen? Aber das wollten bekanntlich weder die Sender noch die Parteien im Landtag. …

Stuttgarter Nachrichten vom 31. März 2000 (Frank Krause)

◗ Nenne Beispiele, für die der Bund Gesetze macht, oder aber das Land Baden-Württemberg zuständig ist (A 4 und A 5).Erkläre den Begriff der konkurrierenden Gesetzgebung aus den Sachgebieten in A 4.◗ Die Schlagzeilen stammen aus baden-württembergischen Tageszeitungen der vergangenen zwei Jahre (A 6). Sie ge-hören zu Artikeln, die über die Arbeit des Landtags von

Baden-Württemberg berichten. Womit beschäftigt sich der Landtag und wie lassen sich seine Arbeitsbereiche gliedern?◗ Der Landtag macht Gesetze, die auch dich betreffen. Wofür war im Fall der Jugendradios in Baden-Württemberg (A 7)der Landtag zuständig? Nenne weitere Beispiele von Geset-zen und Zuständigkeitsbereichen des Landtags, die Jugend-liche betreffen.

Radio und TV teure

r: La

ndtag is

t bere

it

Beschluss zur Landesmesse

Muslimin darf nicht mit Kopftuch in Schule

Verwaltungsreform verabschiedetLand stellt mehr Lehrer ein

Anh

örun

g zu

r Kul

turf

örde

rung

Land spart beim NahverkehrLandtag uneins über Agrargentechnik

Der Lan

dtag k

ürzt im

Sport

. Eins

chnitte

in de

r Nach

wuchsar

beit?

Landtag diskutiert Ganztagsschulen

Streit um Schuldenabbau prägt Etatdebatte

817 Polizisten weniger – Stellenabbau im nächsten Jahr

Landtag streitet vehement über Ausbau der Windkraft

Länder kündigen Kampfhund-Gesetze an

Hilfszusage an die Kommunen

ARBEITSAUFTRÄGE A 4 – A 7

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 26: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

24

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 8 Wer entscheidet?

Stell dir vor, die folgenden Maßnahmen und Gesetzesände-rungen stünden zur Entscheidung an.

Überlege, wer darüber abstimmen müsste – Bundestag, Landtag oder Gemeinderat.

A 9 Kompetenzverlust?

Mes

ter

Die Dauer des Wehr- bzw. des Zivildienstes soll verkürzt werden.

Bei den Wahlen zum Bundestag haben die Wähler zwei Stimmen. Bei den Wahlen zum Landtag von Baden-Württemberg soll dies auch eingeführt werden.

In deiner Stadt ist der Bau eines neuen Schwimmbades dringend nötig.

Die Schulzeit in der Realschule soll in Baden-Württemberg von zehn auf neun Jahre verkürzt werden.

Die Mehrwertsteuer soll von 16 auf 18 Prozent erhöht werden.

Die Polizei in Baden-Württemberg soll 1.000 neue Autos bekommen.

In Zukunft soll man schon mit 17 Jahren den Führerschein machen können.

Die Müllabfuhr in deiner Stadt soll statt zweimal pro Woche nur noch einmal kommen.

Eine neue private Fernsehstation will auf Sendung gehen.

Bundestag Landtag Gemeinderat

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 27: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

25

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 10 Die Gewaltenteilung

Artikel 20 des Grundgesetzes (GG) gibt vor, wie die Bundes-republik Deutschland organisiert sein muss. Die staatliche Ordnung der sechzehn deutschen Länder muss nach Artikel 28 GG diesen Grundsätzen entsprechen. Welche Überlegun-gen stecken hinter dieser Verfassungsordnung?

Zum einen die Annahme, dass das Zusammenleben von Men-schen sicherer wird, wenn es Regeln gibt, an die sich alle halten, z. B. also Gesetze. Doch wer soll und darf diese Regeln aufstellen? Wie kann sichergestellt werden, dass die dazu Berechtigten ihre Macht nicht missbrauchen? Und was macht die Gemeinschaft, wenn sich Einzelne nicht an die Regeln halten?

Diese Überlegungen gibt es seit vielen Jahrhunderten – und es gab und gibt unterschiedliche Antworten (Entwürfe für den Staatsaufbau) darauf. In Deutschland hat man festge-legt, dass es folgende Dreiteilung geben soll:

◗ Eine von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte Gruppe, die für begrenzte Zeit – in Baden-Württemberg für fünf Jahre – ermächtigt ist, Regeln zu beschließen (= gesetz-gebende Gewalt oder Legislative).

◗ Eine Gruppe, die darauf achtet, dass Regeln beachtet und im Alltag umgesetzt werden (= vollziehende Gewalt oder

Exekutive) und die zur Durchsetzung der Regeln – im rechtsstaatlichen Rahmen – auch Zwangsmaßnahmen an-wenden darf.

◗ Eine Gruppe, die von den beiden anderen unabhängig ist und die beurteilen muss, ob sich ein Bürger tatsächlich nicht an die Regeln gehalten hat, und ob die gesetzge-bende und die vollziehende Gewalt sich ebenfalls an die festgelegten Regeln halten (= rechtsprechende Gewalt oder Judikative).

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 28: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

26

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 11 »Die Staatsgewalt geht vom Volke aus« – aber warum eigentlich Parlamente?

Warum eigentlich Parlamente? Im Grunde ist das ganz ein-fach: In einer modernen Gesellschaft stellt der Staat den Bürgerinnen und Bürgern vielfache Leistungen zur Verfü-gung. Wo bekomme ich beispielsweise meinen Führerschein? Wo wird ein Landesmuseum gebaut? Wer bezahlt die Lehre-rinnen und Lehrer? Darüber muss im Sinne und zum Wohle der Allgemeinheit verhandelt und entschieden werden.

Wenn in der Gesellschaft Konfl ikte herrschen, müssen diese geregelt werden. Aus welchen Quellen soll das Land seine Energie gewinnen? Darf eine muslimische Lehrerin an einer baden-württembergischen Schule ein Kopftuch tragen? Diese Auseinandersetzungen werden im Parlament behandelt und entschieden. Das Parlament ist also ein Ort des Konfl iktaus-trags, des Diskutierens, des Debattierens und des geregelten Entscheidens.

Im Parlament werden Mehrheiten gebildet und Gesetze ge-macht. Das passiert nach den demokratischen »Spielregeln« von Mehrheit und Minderheit, von Überzeugen und Kom-promiss.

Die Gesetze erhalten ihre Legitimität (= werden anerkannt), weil sie von vom Volk gewählten Volksvertretern verab-schiedet werden. Demokratisches Handeln setzt Mehrheiten voraus. Nur demokratisch zustande gekommene Mehrhei-ten legitimieren die staatliche Machtausübung. Demokratie beruht also auf einem Grundkonsens: Die Minderheit akzep-tiert die Entscheidungen der Mehrheit, die Mehrheit gewährt der Minderheit Schutz.

◗ Wer beschließt Gesetze? Wer hat die Pfl icht, die Einhal-tung der Gesetze durchzusetzen? Wer entscheidet, ob eine Bürgerin oder ein Bürger eine Straftat begangen hat? Ver-suche an einem Beispiel zu erklären, wie die drei Gewalten zusammenarbeiten.◗ Erkläre den Begriff der repräsentativen Demokratie! Ver-suche den Begriff der direkten Demokratie mit Volksab-

stimmungen zu erklären. Wo liegen die wesentlichen Unter-schiede zwischen diesen Demokratieformen?◗ Was unterscheidet die Demokratie von der Diktatur?◗ Überlege Beispiele aus deinem eigenen Umfeld, wo das Modell der repräsentativen Demokratie ebenfalls angewen-det wird!

Die Abgeordneten im Plenum stimmen ab.

LMZ

ARBEITSAUFTRÄGE A 10 – A 11

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 29: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

27

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 12 Der Landtag macht Gesetze

Der Landtag macht Gesetze. Das ist die vornehmste und wichtigste Aufgabe der Volksvertretung. Ohne einen Be-schluss des Landtags kann ein Landesgesetz nicht zustande kommen, es sei denn, ein Gesetz wird durch Volksabstim-mung beschlossen. Es gibt drei Möglichkeiten, einen Ge-setzesvorschlag in das Parlament einzubringen. Das so ge-nannte Gesetzesinitiativrecht haben:

1. die Abgeordneten, 2. die Landesregierung und3. das Volk.

1. Gesetzentwürfe aus der Mitte des Landtags müssen von mindestens acht Abgeordneten oder einer Fraktion unter-zeichnet sein. Die Entwürfe werden dann im Plenum in zwei oder drei Beratungen, so genannten Lesungen, behandelt. Das Gesetz wird dann mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen im Landtag beschlossen. Ausnahme: Gesetze, die eine Änderung der Verfassung betreffen, brauchen eine Zweidrittelmehrheit.

2. In der Praxis geht die Gesetzesinitiative immer mehr auf die Landesregierung über. Der überwiegende Teil der

Gesetzentwürfe wird in den Fachministerien von Fachbeam-ten erarbeitet. Diese Gesetzentwürfe werden dann von der Landesregierung in den Landtag eingebracht.

3. Gesetzgebung kann in Baden-Württemberg aber auch direkt durch das Volk ausgeübt werden. Das Volksgesetz-gebungsverfahren ist in der Landesverfassung (Art. 59 und 60) geregelt. Wenn mindestens ein Sechstel der Wahlbe-völkerung – das sind derzeit rund 1,2 Millionen Menschen – einen ausgearbeiteten und begründeten Gesetzentwurf unterstützt, muss dieser Gesetzentwurf von der Regierung dem Landtag vorgelegt werden. Stimmt der Landtag diesem Volksbegehren zu, so ist das Gesetz zustande gekommen.

Stimmt der Landtag nicht zu und fordert eine Veränderung des Gesetzes, so muss das Gesetz und eine Alternative dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Das Gesetz ist durch Volksabstimmung dann zustande gekommen, wenn die Mehr-heit der Abstimmenden, mindestens aber ein Drittel der Stimmberechtigten, zustimmt. Bei verfassungsändernden Gesetzen muss die Mehrheit der Stimmberechtigten zustim-men.

Das Plenum, gesehen vom Tribünenplatz der Journalisten.

LMZ

Quelle: Plenarprotokoll 12/105 des Landtags von Baden-Württemberg vom 21. Februar 2001, S. 8322 (Anlage)

1. Gesetzentwürfe davon Gesetzentwürfe der Fraktionen davon Gesetzentwürfe der Regierung2. Verabschiedete Gesetze

12.Wahlperiode1996–2001

11.Wahlperiode1992–1996

10.Wahlperiode1988–1992

15851

107120

1687791

105

157768192

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 30: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

28

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 13 Das »Königsrecht« des Parlaments: der Landeshaushalt (2004)

Das Recht des Parlaments, über den Landeshaushalt und damit über die Verwendung der öffentlichen Gelder zu be-stimmen, wird auch das »Königsrecht« des Parlaments ge-nannt. Warum? Ganz einfach: Ohne Geld kann ein Großteil der politischen Vorhaben nicht umgesetzt werden. Wie viele neue Lehrerinnen und Lehrer sollen eingestellt werden? Wie stark sollen die Landkreise und Gemeinden fi nanziell unter-stützt werden, etwa mit Zuschüssen für die Schülerbeför-derung? Über diese und viele weitere Fragen entscheidet letztlich der Landtag mit seinem Recht, über den Haushalt des Landes abzustimmen.

Auf den Umfang und die Gestaltung eines Landeshaushalts hat das Parlament allerdings nur beschränkten Einfl uss. Denn das Land hat vielfältige fi nanzielle Verpfl ichtungen, denen es nachkommen muss. Allein rund vierzig Prozent eines Haushalts werden etwa für Personalausgaben benötigt – z. B. für Lehrer, Richter, Professoren oder Polizeibeamte. Rechnet man alle feststehenden Ausgaben zusammen, so ist ein Großteil des zur Verfügung stehenden Geldes schon verplant, bevor die Abgeordneten einen Haushaltsplan zu Gesicht bekommen.

Die meisten Gesetze, die der Landtag macht, werden in zwei Lesungen im Plenum behandelt. Verfassungsändernde Ge-setze und der Haushaltsplan als besonders wichtiger Punkt müssen dagegen immer in drei Lesungen behandelt werden. Zusätzlich berät der Finanzausschuss mehrmals über den Haushaltsplan. Erst nach der Dritten Lesung wird dann im Plenum über den Haushalt des Landes abgestimmt.

Das so genannte Etatrecht ist vor allem auch eine Kontroll-möglichkeit des Parlaments gegenüber der Regierung. Die Regierung muss bis ins Detail offen legen, welche Ausgaben sie vorgesehen hat. Ein solcher Haushaltsplan hat etwa 18.000 Einnahme- und Ausgabepositionen, die vom Landtag als dem parlamentarischen Kontrollorgan geprüft werden.

Zum Etatrecht des Landtags gehört auch die Kontrolle über die Umsetzung des Haushalts. Geprüft wird dabei, ob die staatlichen Einrichtungen ihre fi nanziellen Mittel, die ja letztlich Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger sind, an-gemessen verwendet haben. Bei dieser Frage helfen den Ab-geordneten vor allem die Berichte des Landesrechnungshofs, einer unabhängigen Kontrollbehörde.

◗ Erkläre die drei Möglichkeiten, wie in Baden-Württemberg ein Gesetzesvorschlag in den Landtag eingebracht werden kann. ◗ Wer bringt die meisten Gesetzesvorschläge in den Landtag ein?◗ Sollten mehr Gesetze durch das Volk eingebracht werden? Könnte so der Unzufriedenheit mancher Menschen mit der Politik begegnet werden?

ARBEITSAUFTRÄGE A 12 – A 13

◗ Warum ist die Verabschiedung des Landeshaushalts so wichtig? ◗ Auf der CD-ROM des Landtags kannst du unter »Der Land-tag – Etatrecht – Vorgehensweise« genau nachvollziehen, wie der Landeshaushalt entsteht. Beschreibe die einzelnen Schritte!

Quelle: Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Landtagsspiegel, Stuttgart 2004, S. 48.

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 31: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

29

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 14 Der Landtag kontrolliert Regierung und Verwaltung

Der Landtag übt politische Kontrolle aus. Die Landesre-gierung ist dem Parlament gegenüber verantwortlich. Das ist die verfassungsrechtliche Basis der Kontrollfunktion des Landtags. Aber wie sieht das in der Praxis aus?

Der klassische Parlamentarismus geht von der Gewaltentei-lung zwischen Exekutive (Regierung) und Legislative (Parla-ment) aus. In der Realität aber sitzen zahlreiche Mitglieder der Landesregierung selbst als Abgeordnete im Parlament. Hier ist also eher von einer Gewaltenverschränkung statt von einer Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legisla-tive zu sprechen. Man könnte auch sagen, es handelt sich um eine parlamentarische Mitregierung.

Dennoch kontrollieren natürlich auch die Mehrheits- und Regierungsfraktionen im Landtag die Regierung. Vertrauen und Kontrolle sind also in der parlamentarischen Demokratie eng miteinander verknüpft. Einerseits braucht die Regierung das Vertrauen der Mehrheitsparteien im Parlament, ande-rerseits aber ist die Regierung der Kontrolle des gesamten Parlaments unterworfen.

A 15 Kontrollinstrumente des Parlaments

A 16 Anfragen und Anträge

Quelle: Plenarprotokoll 12/105 des Landtags von Baden-Württemberg vom 21. Februar 2001, S. 8322 (Anlage)

1. Aktuelle Debatte2. Fragestunden

dabei wurden mündliche Anfragen gestellt3. Große Anfragen4. Kleine Anfragen5. Anträge (selbstständige, nichtselbstständige und dringliche Anträge)

12.Wahlperiode1996–2001

11.Wahlperiode1992–1996

10.Wahlperiode1988–1992

13344

20682

1.2452.649

10231

199120

2.1372.999

8034

28462

1.4873.329

Anfragen und Anträge

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 32: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

30

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 17 Wie sieht ein parlamentarischer Antrag aus?

Wenn die Regierung eine bestimmte Maßnahme ergreifen soll, dann muss ein Antrag gestellt werden. So können die Abgeordneten auf die Gesetzgebung oder andere par-lamentarische Entscheidungen einwirken. Die schriftlich eingereichten Anträge beginnen stets mit den Worten: »Der Landtag wolle beschließen ...«

Selbstständige Anträge brauchen die Unterschriften von mindestens fünf Abgeordneten oder einer Fraktion. Sie sind in der Regel schriftlich zu begründen. Enthält ein Antrag

einen Gesetzesentwurf, so muss er von mindestens acht Par-lamentariern oder einer Fraktion gestellt werden. Mit diesen Voraussetzungen soll verhindert werden, dass einzelne Ab-geordnete mit einer Vielzahl von Anträgen die Arbeit des Parlaments erschweren oder gar blockieren.

Anträge zu Angelegenheiten, für die die Regierung unmit-telbar oder mittelbar verantwortlich ist, leitet der Landtags-präsident der Regierung zu. Diese muss innerhalb von drei Wochen zu diesem Antrag Stellung nehmen.

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 33: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

31

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 18 Wenn es »brennt«

Wenn eine außergewöhnliche oder besonders dringende Frage schnell entschieden werden muss, steht den Abgeordneten ein besonderes Mittel zur Verfügung: der dringliche Antrag. In der Geschäftsordnung des Landtags, einem von den Ab-geordneten selbst beschlossenen Handbuch mit Regeln über den Ablauf der parlamentarischen Arbeit, ist festgelegt, unter welchen Umständen ein Thema schneller als üblich auf die Tagesordnung der Plenarsitzung gesetzt wird.

Dringliche Anträge sind Anträge, die Immunität eines Ab-geordneten aufzuheben (d. h. den besonderen Schutz vor Strafverfolgung), dem Ministerpräsidenten das Vertrauen zu

entziehen, einen Minister zu entlassen oder einen Untersu-chungsausschuss einzusetzen.

Auch bei anderen Themen ist es möglich, »Dringlichkeit« für einen Antrag zu fordern. Damit ein solcher Antrag einmütig vom Präsidium (einem parlamentarischen Steuerungsgremi-um) oder vom Landtag für dringlich erklärt werden kann, müssen jedoch zusätzliche Kriterien erfüllt sein (am dritten Tag vor der Plenarsitzung eingereicht, im üblichen Verfahren nicht rechtzeitig entscheidbar, usw.).

A 19 Die »schärfste Waffe« des Parlaments

Bei einem Untersuchungsausschuss geht es um mögliche Missstände oder Affären in Politik oder Verwaltung. Das Recht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, gilt als die »schärfste Waffe« parlamentarischer Kontrolle. Das Par-lament kann damit die Vorgänge im Verantwortungsbereich der Regierung genau beleuchten.

Wenn also Abgeordnete den Verdacht haben, dass z. B. ein Minister seine Kontrollaufgabe in seinem Verantwortungsbe-

reich nicht genügend wahrgenommen hat, können sie dazu einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Hierfür bedarf es der Unterstützung eines Viertels der Abgeordneten oder zweier Fraktionen. Die Regierungsfraktionen können dies also auch trotz ihrer Mehrheit nicht verhindern. Die Min-derheit bestimmt auch das Untersuchungsthema und ent-scheidet mit über den Ablauf der Arbeit. In der derzeitigen Legislaturperiode (2001 – 2006) gab es zwei Untersuchungs-ausschüsse.

Ein Untersuchungsausschuss besitzt besondere – man kann sagen gerichtsähnliche – Aufklärungsbefugnisse. Er kann bei Behörden Akten anfordern und Auskünfte einholen. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses haben Zugang zu allen Einrichtungen des Landes. Sie können beim Gericht sogar Beschlagnahme- und Durchsuchungsanordnungen er-wirken. Zeugen und Sachverständige sind gesetzlich zum Erscheinen verpfl ichtet. Eine falsche Aussage ist ebenso strafbar wie vor Gericht. Aber auch die Betroffenen haben besondere Schutzrechte und können unter bestimmten Be-dingungen ihre Aussage verweigern.

◗ Welche Möglichkeiten der Kontrolle gegenüber der Re-gierung hat das Parlament? Im Internet kannst du genauer recherchieren unter www.landtag-bw.de/dokumente/initia-tiven/index.asp. Bildet Gruppen und berichtet euch gegen-seitig, wie die einzelnen Kontrollmöglichkeiten funktionie-ren. ◗ Wie kommt z. B. ein Antrag im Parlament zustande, und wie muss die Regierung auf solche Initiativen reagieren?◗ Den beiden Regierungsfraktionen stehen im Landtag zwei Oppositionsfraktionen gegenüber. Wer benutzt wohl welche Kontrollinstrumente? Was soll damit bezweckt werden?

◗ Arbeite heraus, zu welchen besonderen Anlässen die dring-lichen Anträge im Parlament eingesetzt werden. ◗ Welche Funktionen und Rechte hat ein Untersuchungsaus-schuss? Auf der CD-ROM des Landtags fi ndest du unter »Der Landtag – Ausschüsse – Untersuchungsausschuss« weitere detaillierte Informationen.◗ Inwiefern spiegelt sich in den Kontrollrechten des Land-tags die Idee des Minderheitenschutzes wider?

LMZ

ARBEITSAUFTRÄGE A 14 – A 19

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 34: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

32

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 20 Die Abgeordneten wählen

A 21 Der Landtag wählt den Ministerpräsidenten

Der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg wird vom Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder in geheimer Abstimmung gewählt. Ist der Regierungschef gewählt, so legt er vor dem Parlament einen Eid ab. Dieser lautet:

»Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden,

Verfassung und Recht wahren und verteidigen, meine Pfl ich-ten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.«

Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.

Am 13. Juni 2001 wählt der baden-württembergische Landtag Erwin Teufel erneut zum Ministerpräsidenten. Der Regierungschef legt vor dem Landtag seinen Amtseid ab, den ihm Landtags-präsident Peter Straub abnimmt. Erwin Teufel ist seit Januar 1991 Minister-präsident von Baden-Württemberg.

LMZ

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 35: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

33

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 22 Der Landtag bestätigt die Regierung

A 23 Wer wählt wen?

◗ Wie viele Stimmen brauchte der Ministerpräsident in der aktuellen Legislaturperiode, um gewählt zu werden? Infor-mationen hierzu fi ndest du z. B. in B 4.

ARBEITSAUFTRÄGE A 20 – A 23

Das Volk wählt den Ministerpräsidenten.

Die Abgeordneten im Landtag wählen den Bundeskanzler.

Alle Bürgermeister im Land wählen den Ministerpräsidenten.

Das Volk wählt den Präsidenten des Staatsgerichtshofs.

Die Abgeordneten im Landtag wählen den Ministerpräsidenten.

Jeder einzelne Minister wird vom Volk gewählt.

Das Volk wählt den Landesbeauftragten für den Datenschutz.

Der Ministerpräsident wählt die Abgeordneten.

Das Volk wählt die Abgeordneten.

Das Volk wählt den Präsidenten des Rechnungshofes.

stimmt stimmt nicht weiß ich nicht

Der Ministerpräsident beruft und ent-lässt die Mitglieder seiner Regierung. Die gesamte Regierung braucht aber zur Amtsübernahme die Zustimmung des Landtags. Dieser Beschluss muss mit mehr als der Hälfte der abgege-benen Stimmen im Parlament gefasst werden.

LMZ

◗ Der Landtag trifft eine ganze Reihe von wichtigen Perso-nalentscheidungen. Stelle anhand der Grafi k A 20 zusam-men, wen die Abgeordneten wählen bzw. bestätigen.

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 36: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

34

A • Rechte und Funktionen des Landtags

*Mehrfachnennungen

Landtag[128]

CDU[63]

8

4

4

26

18*8

15

2*

10

5

Arbeitnehmer davon • Arbeitnehmertätigkeit in der Privatwirtschaft • Arbeitnehmertätigkeit im gesellschaftlichen Bereich (Kirchen, soziale Einrichtungen, Gewerk- schaften, Verbände, Vereine, Fraktionen)

Öffentlicher Dienst davon • Beamte und Angestellte (der Gemeinden, des Landes, des Bundes u. a.) • Lehrer und Hochschullehrer

Regierungsmitglieder, Politische Staatssekretäre

Ehemalige Regierungsmitglieder

Selbstständige (Rechtsanwälte, Ärzte, Unternehmer, Gewerbetreibende u. a.)

Hausfrauen, Pensionäre, Rentner, andere Berufstätigkeiten

SPD[45]

9

2

7*

19

613

1*

13

5

FDP/DVP[10]

1

1

2

11

1

5*

2*

GRÜNE[10]

3

1

2

3

–3

1

3

21

7

14

50

2525

16

3

29

15

A 24 Das Parlament repräsentiert und artikuliert

In einer Gesellschaft, in der fast 11 Millionen Menschen zusammenleben, müssen Lösungen für die verschiedensten Fragen und Probleme gefunden werden. Dass alle Bürgerin-nen und Bürger das Für und Wider miteinander diskutieren, ist nur schwer vorstellbar.

Die Idee der Repräsentation (= Vertretung) vereinfacht die-sen Prozess. Die Bevölkerung bestimmt über Wahlen eine kleinere Anzahl von Abgeordneten (= Repräsentanten). Diese vertreten im Landtag die Meinungen der Bevölkerung und artikulieren diese, bringen sie also zum Ausdruck.

So steht es auch in der Landesverfassung: »Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes« (Art. 27, 1).

Mit der Landtagswahl wird entschieden, welche Kandida-tinnen und Kandidaten in das Parlament einziehen und welche politischen Grundpositionen (Parteien) vertreten

sein werden. Dass die Kandidaten in den meisten Fällen Mitglieder einer Partei sind, erleichtert dem Wähler oft die Entscheidung, denn was die verschiedenen Parteien wollen, kann man über Fernsehen, Zeitung und andere Medien leicht erfahren.

Art. 27 enthält noch einen weiteren wichtigen Hinweis zum Thema Repräsentation: »Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes.« Das bedeutet, ein Abgeordneter vertritt alle Bürgerinnen und Bürger – nicht nur jene, die ihn gewählt haben. So wird durch die Landesverfassung sichergestellt, dass auch die Interessen jener, die nicht wählen dürfen (z. B. Kinder), im Parlament repräsentiert werden.

A 25 Die Berufe der Abgeordneten

Stand: September 2001Quelle: Landtagsverwaltung

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 37: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

35

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 26 Alter, Schulbildung und Geschlecht der Abgeordneten

A 27 Politik für die Zukunft?

Mes

ter

◗ Welche Berufsgruppen sind im Landtag besonders stark vertreten, welche nur schwach? Wie sieht es mit den anderen Merkmalen der Abgeordneten aus, etwa Alter, Ausbildung und Geschlecht?

◗ »Das Parlament soll ein Spiegelbild der Bevölkerung sein.« Finde Argumente, die für und gegen diese These sprechen!◗ Welches Problem wird in der Karikatur A 27 themati-siert?

ARBEITSAUFTRÄGE A 24 – A 27

Schulbildung der Abgeordneten

VolksschuleRealschuleAbiturBerufsschuleFachschulreifeStudium (FH oder Universität)

74521

109

Quelle: Volkshandbuch des Landtags von Baden-Württemberg. Stand: November 2003

CDU[63]

9116168751–

1015,9 %

53

Jahrgang

1935–19391940–19441945–19491950–19541955–19591960–19641965–19691970–19741975–1979

Männer

Frauenin Prozent

SPD[45]

19111064211

1226,7 %

33

FDP[10]

–2431––––

110,0 %

9

Grüne[10]

––311221–

550,0 %

5

Landtag[128]

102224301613931

2821,9 %

100

Zum Vergleich die Zahlen zur Bevölkerungsstruktur in Baden-Württemberg: www.statistik-bw.de

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 38: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

36

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 28 Die Rolle der Medien

A 29 Das Parlament und die Medien

Die Medien berichten über das Gesche-hen im Landtag. Sie geben die Mei-nungsvielfalt im Parlament und in der Bevölkerung wieder.

LMZ

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 39: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

37

A • Rechte und Funktionen des Landtags

A 30 »Bad news are good news«

Es gilt die alte Handwerksregel: Bad news are good news. Deshalb zeiht das Publikum die Journalisten gern der Mies-macherei … Wo, tatsächlich, bleibt das Positive? Die Leute haben Recht, trotzdem offenbart sich in dieser Kritik ein fundamentales Missverständnis. Die Medien halten der Welt zwar den Spiegel vor, aber sie bilden die Realität nur im Aus-schnitt ab. Wer seine Weltsicht nur aus den Medien bezieht, muss tatsächlich der Depression verfallen. …

Man könnte in den Medien allemal ein schöneres Bild der Welt zeichnen. Man könnte über heile Familien berichten statt über Mord und Totschlag im privaten Kreis. Man könnte erzählen, wie es in einer Bank aussieht, denn normalerweise fi ndet dort nicht ein Überfall statt; man könnte minutiös darstellen, wie es beim Daimler Tag für Tag zugeht, wie fl ei-ßige Menschen in der Verwaltung ihren Job erledigen …

Doch wie langweilig wäre das! Nein, das, was klappt, möge klappen. Interessant ist halt nicht das Gewöhnliche, sondern das Ungewöhnliche. Und wenn das Ungewöhnliche eine gute Nachricht ist – umso besser. Zumeist aber sind es Probleme, Krisen, Katastrophen, die berechtigte Neugier wecken.

Stuttgarter Zeitung vom 27. Dezember 1997 (Joachim Worth-mann)

A 31 Landespolitik und die Medien

… Ich habe in den ... Jahren meiner Zugehörigkeit zum Landtag von Baden-Württemberg den Eindruck gewonnen, dass nicht nur das Landesparlament, sondern auch der landespolitische Journalismus an Auszehrung leidet. Nach meiner Beobachtung sind dafür drei voneinander unabhän-gige, aber kumulativ wirkende Entwicklungen verantwort-lich. Eine landespolitische, eine journalistische und eine gesellschaftliche:

Zum Ersten ist der landespolitische Journalismus abhängig vom Objekt seiner Berichterstattung. Der Bedeutungsverlust der Landespolitik, besonders aber der Länderparlamente, ist mittlerweile so unübersehbar, dass eine Kommission zur Reform des Föderalismus einberufen wurde. Das ist die lan-despolitische Komponente.

Zum Zweiten sind die Medien, besonders die Tageszeitungen, vor drei Jahren unvermittelt in eine tiefe ökonomische Krise gestürzt. Der daraus resultierende Rationalisierungsdruck er-fasst alle Ressorts und ganz besonders jene, die ohnehin einem Rechtfertigungszwang ausgesetzt sind. Landespolitik wird mehr und mehr auf Agenturmeldungen reduziert, und diese Agenturen sparen selbst am Personal. Das ist die jour-nalistische Komponente.

Zum Dritten sind Politik und Journalismus einem gesell-schaftlichen Trend zu Trivialisierung, Personalisierung und Unterhaltung ausgeliefert. Wo schon bundespolitische Themen kaum mehr in gebotener Sachlichkeit zu vermit-teln sind, bleiben landespolitische Argumente und Infor-mationen vollends auf der Strecke. Selbst der Sprechblasen-Journalismus der BILD-Zeitung hat ein Problem, denn wer interessiert sich wirklich für die Affären von Ministern, die niemand kennt? …

Boris Palmer MdL, in: 50 Jahre Landespressekonferenz Baden-Württemberg, hrsg. vom Vorstand der LPK Baden-Württemberg e. V., Stuttgart 2004, S. 15.

◗ Beschreibe die Grafi k A 28 mit eigenen Worten. Mit wel-chen Medien informierst du dich? Diskutiert Vor- und Nach-teile der einzelnen Medien!◗ Was wirft man den Medien aus der Sicht des Autors von A 30 vor? Wie entgegnet er diesen Vorwürfen?◗ Welche zentrale Aussage enthält der Text A 31? Welche Begründung für seine These liefert der Autor?

ARBEITSAUFTRÄGE A 28 – A 31

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 40: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

38

B • Die Abgeordneten

B • Die AbgeordnetenMaterialien B 1 – B 22

B 2 Die Abgeordneten sind gewählte Volksvertreter

LMZ

B 1 Die Verfassung zum Wahlrecht

Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg sagt zu den Landtagswahlen:

Art. 26, 1: Wahl- und stimmberechtigt ist jeder Deutsche, der im Lande wohnt oder sich sonst gewöhnlich aufhält und am Tage der Wahl oder Abstimmung das 18. Lebensjahr vollendet hat. …

Art. 26, 3: Die Ausübung des Wahl- und Stimmrechts ist Bürgerpfl icht.

Art. 26, 4: Alle nach der Verfassung durch das Volk vorzu-nehmenden Wahlen und Abstimmungen sind allgemein, frei, gleich, unmittelbar und geheim. …

Art. 26, 6: Der Wahl- oder Abstimmungstag muss ein Sonn-tag sein.

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 41: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

39

B • Die Abgeordneten

B 3 Die Abgeordneten und ihre 70 Wahlkreise

Quelle: Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Willkommen im Landtag, Stuttgart 2004, S. 8f. (Stand Oktober 2004)

◗ Finde anhand der Wahlkreiskarte (B 3) heraus, wer die Bevölkerung deines Wahlkreises vertritt. Suche im Internet oder in den Broschüren des Landtags nach Fotos dieser Abgeordneten. Hier kannst du auch weitere Eigenschaften dieser Abgeordneten fi nden, z. B. Alter, Beruf, usw.

◗ Informiert euch über das genaue Ergebnis der letzten Landtagswahl vom 25. März 2001, z. B. auf der Homepage des Statistischen Landesamts oder auf der CD-ROM des Land-tags. Wie spiegelt sich das Ergebnis in der Sitzordnung des Landtags wider?

ARBEITSAUFTRÄGE B 2 – B 4

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 42: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

40

B • Die Abgeordneten

B 4 Die Sitzordnung

Quelle: Landtagsverwaltung, Stand: November 2004

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 43: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

41

B • Die Abgeordneten

B 5 Der Landtagspräsident und seine Stellvertreter(innen)

B 6 Der Landtagspräsident im Plenum

Präsident Straub: Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 75. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Hauk und Kübler erteilt. Krank gemeldet ist Herr Abg. Dr. Repnik. ... Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf. … Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oettinger. …

Präsident Straub: Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher zur Verabschiedung der Anträge. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/3449, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit großer Mehrheit angenommen. …

Präsident Straub: … bei dieser Wahl ist es möglich, offen abzustimmen, wenn niemand widerspricht. – Es erfolgt kein Widerspruch. Dann kann ich offen abstimmen lassen. Wer für

die Wahl von Herrn Jörg Döpper ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Ich darf feststellen, dass Herr Döpper einstimmig zum Mitglied des Rundfunkrats gewählt ist. … Damit ist Punkt 3 der Tages-ordnung erledigt. …

Präsident Straub: Das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgesetzt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten. …

(Glocke des Präsidenten)

Präsident Straub: Herr Abg. Wacker, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Rastätter?Abg. Wacker CDU: Ja, sehr gern. ...

Quelle: Protokoll der 75. Plenarsitzung des Landtags von Baden-Württemberg vom 29. Juli 2004

Peter Straub, CDUPräsident des Landtags

Frieder Birzele, SPDStellv. Landtagspräsident

Christa Vossschulte, CDUStellv. Landtagspräsidentin

Beate Fauser, FDP/DVPStellv. Landtagspräsidentin

LMZ

Landtagspräsident Peter Straub. Zu seiner Rechten die Glocke als Symbol für die Ordnungsgewalt des Präsidenten im Plenum, der gemeinsamen Sitzung aller Abgeordneten im Parlament.

LMZ

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 44: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

42

B • Die Abgeordneten

B 7 Das Landtagspräsidium

◗ Listet auf, worin die Aufgaben des Präsidenten bzw. seiner Stellvertreter im Plenum bestehen.◗ Arbeitet die Unterschiede heraus zwischen den Aufgaben des Landtagspräsidenten im Plenum und den Aufgaben des Landtagspräsidiums.

◗ Führt eine Diskussion in der Klasse mit einem gewählten »Präsidenten« an der Spitze, der die gleichen Befugnisse hat wie der Landtagspräsident.

Das Präsidium des Landtags von Baden-Württemberg.

LMZ

ARBEITSAUFTRÄGE B 5 – B 7

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 45: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

43

B • Die Abgeordneten

B 8 Die Fraktionen im Landtag

Der Begriff Fraktion kommt aus dem Lateinischen und be-deutet übersetzt Bruch oder Teil. Eine Fraktion ist also ein Teil vom Ganzen – in diesem Fall des Parlaments. Die Abge-ordneten schließen sich zu Fraktionen zusammen. Nach der Geschäftsordnung des Landtags muss dabei eine Fraktion mindestens sechs Abgeordnete umfassen. In aller Regel ge-hören die Mitglieder der Fraktion derselben Partei an. Im Landtag von Baden-Württemberg gibt es derzeit vier Frakti-onen (CDU, SPD, FDP/DVP, GRÜNE).

Ziel des Zusammenschlusses: Auch im Parlament erreicht man als Gruppe mehr. Eingebunden in die Fraktion ist jeder der Abgeordneten gewissermaßen Mitglied einer Mannschaft. Dieses Team liegt in ständigem Wettstreit mit den Teams der politischen Gegner. Außerdem erleichtert der Zusammen-schluss die Arbeit. So müssen sich die Abgeordneten nicht alleine um alle politischen Themen (Schule, Landwirtschaft, Umwelt usw.) kümmern, was sie angesichts der Fülle und der Kompliziertheit der Themen ja auch gar nicht eingehend könnten. In einer Fraktion können sie sich die Aufgaben mit den anderen Fraktionsmitgliedern teilen und sich auf ihre jeweiligen Spezialgebiete konzentrieren.

Der Zusammenschluss wird sogar »belohnt«. So kann z. B. nur eine Fraktion eine Aktuelle Debatte beantragen oder die Änderung der Redezeit an Plenartagen verlangen. Außerdem haben die Fraktionen das Vorschlagsrecht bei einer Vielzahl von Personalentscheidungen, z. B. bei der Frage: Wer soll Landtagspräsident werden?

B 9 Die Arbeitskreise der Fraktionen

Innerhalb einer Fraktion teilen sich die Abgeordneten die Arbeit auf. Es werden Arbeitskreise gebildet, die sich mit einem bestimmten Politikfeld beschäftigen (z. B. Wirtschaft, Schule, Landwirtschaft oder Finanzen). In diesen Arbeits-kreisen wird die Detailarbeit erledigt.

Da kein Abgeordneter Fachmann in allen Themen sein kann, leisten die Arbeitskreise wichtige Vorarbeit für die Fraktion. Die sachverständigen Abgeordneten machen ihren Kollegin-

nen und Kollegen Vorschläge, wie ein Problem am besten angegangen werden kann. In der Regel verlassen sich die anderen Abgeordneten auf die Kenntnisse der Arbeitskreis-mitglieder und unterstützen deren Vorschläge.

Der Arbeitskreis Petitionen der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg.

LMZ

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 46: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

44

B • Die Abgeordneten

B 10 Fraktionszwang oder Fraktionsdisziplin?

Die Fraktionen versuchen im Plenarsaal politische Geschlos-senheit zu demonstrieren. Damit sich eine Fraktion im Parla-ment durchsetzen kann, braucht sie den Zusammenhalt ihrer Abgeordneten. Außerdem ist die Regierung, die von den Mehrheitsfraktionen gewählt wird, auf die Unterstützung dieser Fraktionen angewiesen. Deshalb wird ein Abgeord-neter stets genau überlegen, ob eventuelle Meinungsunter-

schiede zu seiner Fraktion wirklich so groß sind, dass er eine Niederlage seines »Teams« bei einer Abstimmung in Kauf nimmt.

Es handelt sich also um eine freiwillige Verpfl ichtung zur Dis-ziplin. Die Landesverfassung garantiert dem Abgeordneten auf jeden Fall das Recht auf abweichende Meinung (»freies

Rein

hold

Löf

fl er

B 11 Regierungsfraktionen – Oppositionsfraktionen

Mandat«): »Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen« (Art. 27,3 der Landes-verfassung).

Die so genannte Fraktionsdisziplin ist auch ein Mittel der ganz alltäg-lichen und pragmatischen Arbeit im Parlament. Wenn sich alle Abgeord-neten in jede Verästelung der oft sehr speziellen und detailreichen Sachverhalte einarbeiten müssten, bliebe für ihre sonstigen Aufga-ben keine Zeit. Daher müssen sie auf die Arbeit der Expertinnen und Experten ihrer Fraktion in den Ar-beitskreisen und Ausschüssen ver-trauen. Sich der Fraktionsmeinung anzuschließen kann deswegen auch eine ganz zweckmäßige Entschei-dung und Folge der Arbeitsauftei-lung im Parlament sein.

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 47: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

45

B • Die Abgeordneten

B 12 Die Vorsitzenden der Fraktionen

Die Mitglieder einer Fraktion wählen ihren Fraktionsvor-sitzenden. Obwohl dieser, wie alle anderen Parlamentarier auch, ein ganz »normaler« Abgeordneter ist, hat er größeren Einfl uss: Er ist eine Art »Chef«, der z. B. die Diskussion bei den Sitzungen der Fraktion leitet. Ein Fraktionsvorsitzender ist außerdem eine Art »Klassensprecher«. Er vertritt die Interessen seiner Fraktion gegenüber dem Landtagspräsi-denten, den anderen Fraktionen und der Regierung.

Innerhalb seiner Fraktion muss er mit »sanftem Zügel« dafür sorgen, dass sich die Fraktionsmitglieder auf eine Mehr-heitsmeinung einigen. Bei Abstimmungen im Plenarsaal soll er sicherstellen, dass die Fraktion zusammenhält. Daher werden die Fraktionsvorsitzenden oft als die eigentlichen »Regisseure« des Landtags bezeichnet.

◗ Beschreibe die Aufgaben und Funktionen einer Fraktion sowie die der Arbeitskreise der Fraktionen.◗ Welche Aufgaben hat ein Fraktionsvorsitzender? Überlege ähnliche Modelle aus deinem Umfeld, wo es ebenfalls eine Art »Fraktionsvorsitzenden« gibt.◗ Was ist der Unterschied zwischen einer Regierungsfraktion und einer Oppositionsfraktion? Ordne die vier Fraktionen – CDU, SPD, FDP/DVP und GRÜNE – den beiden Begriffen zu. Zeichne in der Sitzordnung (B 4) ein, wo die Grenze zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen verläuft.

◗ Diskutiert in der Klasse die Vor- und Nachteile des Zusam-menschlusses der Abgeordneten zu Fraktionen. Wie sieht der Karikaturist die Begriffe »Fraktionsdisziplin« und »Frakti-onszwang« (B 10). Welche Meinung hast du dazu?◗ Auch in Fraktionen kann es zu Meinungsunterschieden in Sachfragen kommen. Spielt in eurer Klasse das Problem »Ge-wissensentscheidung contra Fraktionsdisziplin« an einem schulischen Beispiel nach (z. B. Abschaffung der Raucher-ecke). Bildet dazu Fraktionen nach dem Zufallsprinzip, stimmt in der »Fraktion« und dann im »Plenum« ab.

Der Chef der größten Gruppe im Landtag, CDU-Fraktionsvor-sitzender Günther H. Oettinger.

LMZ

Der Fraktionsvor-sitzende der FDP/DVP, Dr. Ulrich Noll. Er ist Chef der kleineren Regierungs-fraktion im Land-tag von Baden-Württemberg.

LMZ

Wolfgang Drexler ist Vorsitzender der größten Oppositionsfrak-tion, der Fraktion der SPD.

LMZ

ARBEITSAUFTRÄGE B 8 – B 12

Winfried Kretsch-mann ist der Vorsitzende der zweiten Oppositi-onsfraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

LMZ

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 48: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

46

B • Die Abgeordneten

Um die verschiedenen landespolitischen Themen intensiv diskutieren zu können, ist in der Vollversammlung des Par-laments, im Plenum, keine Zeit. Daher werden so genannte (Fach-)Ausschüsse gebildet. Ein Ausschuss ist im Prinzip ein verkleinerter Landtag. Jede Fraktion entsendet entspre-chend ihrer Stärke eine bestimmte Anzahl an Abgeordneten in jeden Ausschuss.

An den Namen der Ausschüsse kann man schnell erkennen, für welche Themen sie zuständig sind. Die Fachausschüsse sind so gegliedert, dass sie den einzelnen Ministerien der Landesregierung entsprechen. Derzeit gibt es neun Fachaus-schüsse im Landtag, die – bis auf den Finanzauschuss mit 21 Mitgliedern – 18 Mitglieder haben. Darüber hinaus gibt es Ausschüsse und Gremien mit besonderen Aufgaben, wie z. B. den Petitionsausschuss oder das so genannte »Notpar-lament«.

Die Ausschüsse lassen sich mit den Arbeitskreisen der Frak-tionen vergleichen. Beide tagen nichtöffentlich, d. h. hinter verschlossenen Türen. Hier treffen sich Sachverständige in einem kleineren Kreis – jetzt allerdings fraktionsübergrei-fend –, um sich zu beraten. So wie die Ausschüsse Emp-fehlungen an das Plenum aussprechen, so geben auch die Arbeitskreise Empfehlungen an die jeweilige Fraktion.

Die Ausschüsse beschließen nur über Angelegenheiten, die ihnen vom Plenum überwiesen wurden. Sie dürfen von sich aus keine weiteren Themen aufgreifen, an deren Beratungs-ende eine Beschlussfassung steht. Der Fachausdruck hier-für lautet: Die Ausschüsse haben kein »Selbstbefassungs-recht«.

B 13 Die Ausschüsse im Landtag

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 49: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

47

B • Die Abgeordneten

B 15 Die »Notrufsäule« für Bürgerinnen und Bürger

Quelle: Landtagsverwaltung

Eine junge Frau wendet sich an den Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg:

* Name von der Redaktion geändert.

B 14 Ausschüsse – »Werkstätten« im Parlament

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 50: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

48

B • Die Abgeordneten

B 16 Vom Weg einer Petition

◗ Was sind die Unterschiede zwischen einem Arbeitskreis und einem Ausschuss? Warum tagen beide Gremien hinter verschlossenen Türen? Überlege die Vorteile und benenne die Unterschiede zum Plenum, das ja grundsätzlich öffent-lich tagt.◗ Warum wird der Petitionsausschuss als »Notrufsäule« für die Bürgerinnen und Bürger des Landes bezeichnet? Findet ihr es sinnvoll, dass grundsätzlich jeder – Junge und Alte, Deutsche und Nichtdeutsche, Strafgefangene und Menschen,

die zwangsweise in Anstalten untergebracht sind – sich an den Petitionsausschuss wenden kann?◗ Über die Fachausschüsse hinaus hat der Landtag noch Gremien mit besonderen Aufgaben, etwa das »Notparla-ment« oder das Gremium nach Art. 10 des Grundgesetzes. Auf der Homepage bzw. der CD-ROM des Landtags kannst du dich über diese Gremien genauer informieren. Bildet Gruppen und stellt euch gegenseitig diese Gremien und ihre Aufgaben vor.

ARBEITSAUFTRÄGE B 13 – B 16

Quelle: Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Unser Petitionsrecht (Faltprospekt).

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 51: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

49

B • Die Abgeordneten

B 17 Schülerinnen und Schüler befragen Abgeordnete

Die Fragen zu den folgenden Interviews hat eine Schulklasse der Schillerschule Esslingen erarbeitet und Abgeordneten aus allen vier Fraktionen des Landtags gestellt:

Herr Herrmann, weshalb sind Sie Mitglied bei der CDU gewor-den?

Schon als junger Mensch wollte ich mich politisch betätigen. Dies ist nur in einer Partei sinnvoll möglich. Die CDU war und ist mir dabei näher als alle anderen Parteien. In der CDU wird nur so viel Staat gefordert wie unbedingt nötig ist, und im Gegenzug so viel Eigeninitiative und Handlungs-spielraum wie möglich gefördert. Das hat mir imponiert, und das halte ich auch heute noch für die richtige politische Grundeinstellung.

Wie sieht denn ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus?

Im Regelfall arbeite ich morgens von acht bis zehn Uhr von zu Hause aus. Dies umfasst vor allem Telefonate, da am Vor-mittag unter anderem Behörden am einfachsten zu erreichen sind. Anschließend bin ich in meinem Wahlkreis unterwegs, besuche zum Beispiel Institutionen und führe Gespräche. Abends besuche ich Veranstaltungen in meinem Wahlkreis oder stehe bei Zusammenkünften mit der CDU Rede und Ant-wort. An Sitzungstagen bin ich bereits ab 9 Uhr im Landtag. Dort fi nden Arbeitskreis-, Ausschuss- oder Plenarsitzungen statt. Neben meinem Mandat leite ich noch als stundenweise Beschäftigung ein Stadtarchiv und bin Dozent für Kommu-nalrecht an der Fachhochschule für Verwaltung. Diese Arbeit mache ich an den sitzungsfreien Tagen.

Was fi nden Sie denn an Ihrer Arbeit spannend und interessant?

Spannend und interessant fi nde ich, dass ich vielen Menschen schon bei kleinen Anliegen helfen kann und ihnen Wege auf-

zeigen kann, wie ihre Probleme gelöst werden können. Und dass ich meine eigenen politischen Vorstellungen und Ideen mit in die politische Diskussion einbringen kann.

Und was fi nden Sie eher eintönig und langweilig?

Stundenlange Sitzungen und monotone Reden, die oft schwerlich ergebnisorientiert verlaufen. Sehr zu schaffen machen mir auch die ausgesprochen langwierigen und komplizierten politischen Entscheidungsprozesse. Man hat manchmal den Eindruck, von lauter Bedenkenträgern umge-ben zu sein, die überhaupt nichts verbessern wollen.

Welche Kontakte zur jüngeren Generation haben Sie?

Ich habe regelmäßig Kontakt zu den Jugendräten in meinem Wahlkreis. In den Sommerferien habe ich eine Jugendsom-merfreizeit besucht. Außerdem habe ich ein sehr gutes Ver-hältnis zu der politischen Jugendorganisation meiner Partei, der Jungen Union. In regelmäßigen Abständen treffen wir uns und tauschen unsere Meinungen aus. Regelmäßig besu-chen mich im Landtag auch Jugend- und Schülergruppen, mit denen ich nach dem Besucherprogramm immer in eine Diskussion eintrete.

Klaus Herrmann ist seit April 1996 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg. Der CDU-Politiker ist Vorsitzender im Ständigen Ausschuss und Mitglied im Finanz- sowie im Wahl-prüfungsausschuss. Er ist Vorsitzender des Kuratoriums der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Der 45-jährige Klaus Herrmann war bis zu seiner Wahl in den Landtag Regie-rungsamtmann. Er hat darüber hinaus einen Lehrauftrag an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finan-zen und ist Leiter des Stadtarchivs Ger-lingen. Klaus Herrmann ist ledig und lebt in seinem Wahlkreis Ludwigsburg. Hier ist er auch Stadt- und Kreisrat.

LMZ

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 52: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

50

B • Die Abgeordneten

Frau Bregenzer, würden Sie sich als »Berufspolitikerin« oder als »Freizeitpolitikerin« (Beruf neben Abgeordnetenmandat) bezeichnen?

Ich fühle mich weder als Berufspolitikerin noch als Freizeit-abgeordnete. Der baden-württembergische Landtag besteht aus Teilzeitabgeordneten, die zum großen Teil noch ihrem erlernten Beruf nachgehen. Das können vor allem Beamte und Lehrer, Rechtsanwälte, Bürgermeister und Landräte. Ich selbst bin noch mit sieben Stunden als Sprachheillehrerin tätig und berate Eltern, deren Kinder Sprachentwicklungs-probleme haben, und mache Sprachtherapie. Als Abgeord-nete arbeite ich fünfzig Stunden in der Woche – und manch-mal mehr – entweder im Landtag in Stuttgart, oder ich bin in den 21 Gemeinden in meinem Wahlkreis Kirchheim/Teck unterwegs.

Verraten Sie uns, wie viel Sie als Abgeordnete verdienen?

Mein Verdienst als Landtagsabgeordnete setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Zum einen erhalte ich Diäten: zwölf Mal im Jahr – ohne Urlaubs- und Weihnachtsgeld – derzeit 4.666 Euro, ab Februar 2005 jeweils 4.750 Euro, die ich, wie jede Bürgerin und jeder Bürger auch, versteuern muss. Die Diäten entsprechen dem Verdienst, den ich als Vollzeitsprachheil-lehrerin mit deutlich weniger Zeitaufwand hätte. Zum Zwei-ten erhalte ich für meine Ausgaben eine monatliche Pau-schale von 1.692 Euro, die sich aus einer Unkosten-, einer Tagegeld- und einer Reisekostenpauschale zusammensetzt.

Was müssen Sie von diesem »Gehalt« für Ihre Arbeit als Ab-geordnete alles bezahlen?

Von meinen Diäten zahle ich Abgaben an die SPD im Kreis, aus dem ich komme, denn die unterstützt mich auch im Wahlkampf, und ich zahle eine regelmäßige Rücklage für den nächsten Landtagswahlkampf. An die Landes-SPD leiste ich eine Abgabe, da von dort aus die Landtagswahlkampfkon-

zeption – z. B. Werbematerial, Broschüren, Plakate – zen-tral organisiert wird. Die Fraktion erhält eine Abgabe für die Fraktionsarbeit. Natürlich zahle ich auch einen höheren Mitgliedsbeitrag an die Partei und viele, viele Beiträge und Spenden an Vereine und Organisationen im Wahlkreis und darüber hinaus. Das sind rund 7.500 Euro im Jahr.

Die Pauschalen sind für meine Ausgaben durch Fahrten im Wahlkreis, im ganzen Land zu Veranstaltungen und nach Stuttgart, für mein Wahlkreisbüro mit Miete, Ausstattung, Gerätekosten, Telefon und Porto. Die Pauschalen reichen für meine Arbeit nicht aus. Aber das liegt daran, dass ich für meine Aufgabe im Landtag viel unterwegs bin und viele Briefe schreibe.

Was könnte man Ihrer Meinung nach tun, um junge Menschen mehr für die Politik zu interessieren?

Im Elternhaus und in der Schule werden meist die Grund-lagen für politisches Interesse gelegt. Vor allem die Schule kann durch einen guten Gemeinschaftskundeunterricht In-teresse wecken. Wenn junge Menschen neugierig werden auf Politik, dann verstehen sie, dass unsere Demokratie und die gewählten Politikerinnen und Politiker die Grundlagen legen und den Rahmen schaffen auch für ihre Zukunft.

Ist das Interesse geweckt, sind die Jugendorganisationen der Parteien gute Betätigungsfelder. Auch die überpartei-lichen Seminare der Landeszentrale für politische Bildung sind interessant. Ist die Neugier geweckt, ist ein Praktikum bei einer Politikerin oder einem Politiker spannend und man/frau liest Zeitung, mehr als »Bravo« oder »Bild«. Ich lade jeden und jede herzlich ein, mich einmal einen Tag, eine Woche oder auch länger bei meiner Arbeit zu begleiten.

Carla Bregenzer ist seit 1992 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg. Sie ist hochschul- und sektenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion sowie Mitglied im Wissenschaftsausschuss und im Präsidium des Landtags. Die SPD-Abgeordnete ist stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Lan-deszentrale für politische Bildung. Die 1946 in Kaiserslautern geborene Sonderpädagogin ist verheiratet und hat eine Tochter. Carla Bregenzer lebt in Frickenhausen in ihrem Wahlkreis Kirchheim/Teck.

LMZ

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 53: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

51

B • Die Abgeordneten

Frau Berroth, was war Ausschlag gebend für Sie, in die Politik zu gehen?

Schon während der Schulzeit war ich Klassensprecherin, ein Jahr als stellvertretende Schulsprecherin sogar Mitglied des damaligen Stuttgarter Schülerparlaments, später dann regelmäßig Elternbeirätin. Mitglied in der FDP bin ich seit 1988, aktiv Politik mache ich allerdings erst seit 1994. Weil wir uns darüber geärgert haben, dass der damals stark männlich dominierte Gemeinderat die Belange von Frauen, Kindern und Jugendlichen zu wenig berücksichtigt, haben wir in Renningen wenige Monate vor der Kommunalwahl eine überparteiliche Frauenliste gegründet, für die ich dann einen Sitz im Gemeinderat erhielt.

Die Kandidatur für den Landtag war vor allem dadurch ange-stoßen, dass es auch in diesem Gremium zu wenige Frauen gibt und zu wenige Menschen, die konkretes Wissen und Erfahrungen mit der mittelständischen Wirtschaft haben. Dort liegt mein eigener berufl icher Schwerpunkt.

Wie lassen sich denn für Sie Beruf, Familie und Politik ver-einbaren?

So gut und so schlecht wie für jede andere aktive Frau in unserem Land. Glücklicherweise kann ich sowohl in der Politik wie in meinem Beruf die Lage meiner Termine zum Teil selbst gestalten. Aber natürlich braucht es große Ak-zeptanz und Mitwirkungsbereitschaft der ganzen Familie, um ein vernünftiges Miteinander zu leben. Aus dieser per-sönlichen Erfahrung heraus ist mein steter Einsatz für eine Verbesserung der Situation der Kinderbetreuung motiviert – vermutlich werden wir aber auch hier erst eine nachhaltige Verbesserung erreichen, wenn es im Landtag und vor allem in politischen Führungspositionen noch mehr Frauen mit eigener Familienerfahrung gibt.

Welche Vorteile hat denn eine Landtagsabgeordnete gegen-über einem »Normalbürger«?

Zum Beispiel, dass wir in der Regel bei Veranstaltungen einen Platz reserviert bekommen. Allerdings ist es nicht immer nur erfreulich, in der ersten Reihe zu sitzen. Als weiteren Vorteil sehe ich es an, dass eine Abgeordnete viele interessante Menschen kennen lernt und über ihr Amt mit Themen konfrontiert wird, die sie aus eigenem Antrieb kaum angehen würde, die aber oft eine wichtige Erweiterung im Erfahrungsschatz bringen. Das im Abgeordnetenausweis ge-nannte Recht, »bei Absperrung ungehinderten Durchlass zu gewähren«, habe ich erfreulicherweise noch nie gebraucht – es ist ja wohl vor allem für problematische Situationen gedacht.

Frau Berroth, was würden Sie denn machen, sollten Sie nach den nächsten Landtagswahlen nicht mehr gewählt werden?

Ich würde es als Erstes sehr genießen, abends und am Wo-chenende wieder mehr Zeit für Familie, Garten und Hobbys zu haben. Und dann wieder aktiver in meinem Beruf tätig sein: Immerhin kann ich in diesem Jahr mein 25-jähriges Bürojubiläum feiern, weil ich im Dezember 1979 meinen ersten Auftrag als selbstständige Unternehmensberaterin für kleine und mittlere Familienbetriebe im Kraftfahrzeug-gewerbe erhielt. Im Moment fahre ich diese Tätigkeit al-lerdings auf absoluter Schonfl amme. Die Arbeit in einer kleinen Landtagsfraktion ist nun einmal sehr zeitaufwändig und intensiv, da wir ja nicht nur den eigenen Wahlkreis zu bearbeiten haben, sondern im ganzen Land gelegentlich Präsenz zeigen wollen. Auch sind die Sachaufgabengebiete viel größer zugeschnitten, wenn sie auf nur zehn Kollegin-nen und Kollegen in der Fraktion verteilt werden können.

Heiderose Berroth ist seit 1996 Mit-glied des Landtags. Zunächst war sie bildungspolitische Sprecherin der FDP/DVP-Fraktion, seit 2001 ist sie zustän-dig für Umwelt- und Verkehrspolitik. Außerdem gehören noch die Frauen- sowie die Kunst- und Kulturpolitik zu ihren Aufgabengebieten. Mitte 2004 wurde Frau Berroth zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt. Frau Berroth ist seit 1996 im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung und seit 2003 im Beirat für den Schü-lerwettbewerb des Landtags. Sie ist 57 Jahre alt, seit 34 Jahren verheiratet und Mutter zweier Söhne, also aktive Fami-lienfrau. Sie lebt in Renningen in ihrem Wahlkreis Leonberg, wo sie auch als Un-ternehmensberaterin tätig ist.

LMZ

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 54: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

52

B • Die Abgeordneten

Frau Rastätter, haben Sie sich vor Ihrer Tätigkeit als Abge-ordnete in der Schule, in Vereinen und Organisationen aktiv engagiert?

Ich habe mich schon immer in meinem Leben gerne enga-giert. Als Schülerin war ich in der kirchlichen Jugend aktiv, später als Studentin in einer politischen Hochschulgruppe. Während meiner Berufstätigkeit als Lehrerin war ich viele Jahre Verbindungslehrerin und GEW-Vertrauensfrau (Lehrer-gewerkschaft). Als in den 1970er-Jahren die Umwelt- und Friedensbewegung entstand, habe ich mich in Naturschutz- und Friedensgruppen engagiert. Auch heute bin ich noch in Umwelt- und Tierschutzverbänden aktives Mitglied.

War dieses Engagement wichtig für Ihren Werdegang?

Natürlich hat mein lebenslanges Engagement meinen Werde-gang sehr beeinfl usst. Ich muss mich einfach einmischen, wenn ich mit Entwicklungen oder Zuständen in der »Welt« nicht einverstanden bin. Ich habe die Einstellung gewon-nen, dass dieses Einmischen einen Sinn macht, dass ich tatsächlich Einfl uss nehmen und Veränderungen bewirken kann. Dadurch habe ich mir auch eine positive Lebens- und Zukunftseinstellung sowie Lebenszufriedenheit bewahrt.

Welche Kontakte zur jungen Generation haben Sie?

Leider habe ich nicht mehr so viel Kontakt zur jungen Gene-ration wie früher, als ich noch als Lehrerin gearbeitet habe. Als bildungspolitische Sprecherin meiner Fraktion habe ich keine Zeit, »nebenher« meinen Beruf auszuüben. Gerne dis-kutiere ich mit Jugendlichen, die den Landtag besuchen und mit der »Grünen Jugend«, der Jugendorganisation meiner Partei. Ganz besonders freue ich mich, wenn ich von Schul-klassen in den Unterricht eingeladen werde. Gelegentlich bekomme ich Mails von Jugendlichen mit Fragen oder For-derungen an die Politik, die ich sehr gerne beantworte.

Davon wünsche ich mir mehr, denn meistens sind es doch die Erwachsenen, die schreiben oder mich als Referentin einladen.

Als Landtagsabgeordnete sollte man über viele Bereiche, Themen und Probleme der Menschen Bescheid wissen. Wo sehen Sie Ihre Stärken, und auf welchen Gebieten haben Sie vielleicht ein wenig »Nachhilfe« nötig?

Klar ist natürlich, dass ich im Bereich Bildungspolitik topfi t bin und auch sein muss, denn Bildung ist die Kernauf-gabe des Landes. Bei den Umwelt- und Naturschutz- und Tierschutzthemen bin ich immer noch sehr gut informiert. Früher war ich nämlich Umweltsprecherin der Grünen im Karlsruher Gemeinderat. Die wichtigen Themen Wirtschaft und Arbeitsmarkt muss ich mir immer wieder erarbeiten. Denn es ist mir ein großes Anliegen, dazu beizutragen, dass jeder Jugendliche nach der Schulzeit eine berufl iche Pers-pektive erhält. Meine Stärke ist mein Durchhaltevermögen, bei wichtigen Zielen am Ball zu bleiben und nicht aufzuge-ben. Meine Schwäche ist, dass ich mir oft zu viel auf einmal vornehme. Aber man lernt ja nie aus!

◗ Verschafft euch mit den Interviews einen Eindruck von den vier Abgeordneten. Notiert euch wichtig erscheinende Aussagen. Welche Themen und Arbeitsbereiche der Abge-ordneten werden angesprochen?◗ Ihr könnt den Landtagsabgeordneten aus eurem Wahlkreis denselben Interviewbogen zusenden und die Antworten vergleichen. Überlegt aber auch andere Fragen, die euch interessieren, und ergänzt damit euer Bild von den Abgeord-neten. Ladet den oder die Abgeordnete(n) eures Wahlkreises in eure Schule ein!

Renate Rastätter ist seit 1996 Mit-glied des Landtags für Bündnis 90/Die Grünen. Bis 2001 war sie stellvertre-tende Fraktionsvorsitzende. Die 57-jäh-rige Realschullehrerin ist bildungspo-litische Sprecherin ihrer Fraktion. Des-halb hat sie ihren Arbeitsschwerpunkt im Ausschuss für Jugend, Schule und Sport. Neben ihrer Mitgliedschaft im Schulausschuss und im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung ist sie noch stellvertretendes Mitglied in weiteren Landtagsausschüssen und Beiräten, so z. B. im Petitionsaus-schuss, im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie im Landes-tierschutzbeirat. Renate Rastätter lebt mit ihrem Lebensgefährten in ihrer Hei-matstadt Karlsruhe, wo sie auch ihren Wahlkreis hat.

LMZ

ARBEITSAUFTRÄGE B 17

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 55: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

53

B • Die Abgeordneten

B 18 Aus dem Alltag der Abgeordneten

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 56: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

54

B • Die Abgeordneten

Die Abgeordnetenbezüge, auch Diäten genannt, haben den Zweck, die Unabhängigkeit der Parlamentarier zu sichern. Ein Landtagsabgeordneter erhält eine steuerpfl ichtige Ent-schädigung von monatlich 4.750 Euro.* Bei der Festset-zung dieses Betrages ging der Landtag davon aus, dass das Abgeordnetenmandat in Teilzeit ausgeübt wird. Erhöhte Entschädigungen stehen dem Präsidenten und seinen drei Stellvertreter(innen) zu.

Zum Ausgleich der Ausgaben, die durch die Betreuung des Wahlkreises entstehen (z. B. für Büromaterial oder Porto), erhalten die Abgeordneten eine monatliche Unkostenpau-schale in Höhe von 991 Euro. Daneben werden die Gebühren für einen Telefon- und Faxanschluss im Wahlkreisbüro in Höhe von maximal 160 Euro monatlich erstattet. Die Tage-geldpauschale beträgt 394 Euro, die Reisekostenpauschale – je nach Entfernung des Wohnsitzes von Stuttgart – zwi-schen 309 und 775 Euro im Monat.

B 19 Die Abgeordnetenentschädigung

Zur wirtschaftlichen Sicherung eines Abgeordneten gehört eine angemessene Altersvorsorge, auch als Ausgleich für die Vernachlässigung berufl icher Vorsorgemöglichkeiten. Einen parlamentarischen Versorgungsanspruch erwirbt der Abge-ordnete nach frühestens zehn Mandatsjahren, zahlbar ab dem 63. Lebensjahr.

Quelle: Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Willkommen im Landtag, Stuttgart 2004, S. 13

B 20 Bezahlung der Abgeordneten: Richtiger Weg

Es ist ein Dauerthema der Demokratie. Wie viel Geld sollen die Abgeordneten bekommen, was sind uns die Volksvertreter wert? Längst gibt es dazu einen Wust von Vorschriften, der mehr verschleiert als offen legt. Und längst gibt es für eine überfällige Reform der Parlamentarierbezüge Vorschläge, die ganze Regalreihen füllen. Und in Baden-Württemberg? Die 128 Landtagsabgeordneten haben – wie fast alle Jahre wieder – ihre Diäten moderat erhöht. Mit steuerpfl ichtigen 4.750 Euro pro Monat sind die Teilzeit-Volksvertreter nicht überbezahlt. Sie populistisch als Raffzähne zu bezeichnen, geht an der Realität vorbei. Die Parlamentarier erhalten nicht viel mehr als ein Oberstudienrat oder ein Bürgermeister einer kleinen Kommune. Das ist im Grundsatz angemessen.

Dennoch müssen sich die Abgeordneten zu Recht kritischen Fragen stellen. Sie begründen ihre Einkommenssteigerungen mit den Lohnerhöhungen in der Privatwirtschaft. Den Unmut der Bevölkerung haben sie damit programmiert. Viele Ar-beitnehmer … müssen ungeachtet der Tarifabschlüsse Ein-kommensverluste hinnehmen. Die Begründung für die selbst beschlossene Erhöhung ist also wenig stichhaltig, zumal dann, wenn Abgeordnete gleichzeitig die Bürger aufrufen, den Gürtel enger zu schnallen. Zumindest wollen die Stutt-garter Parlamentarier den Fehler im System beheben und künftig nicht mehr selbst über ihre Diäten beschließen. Vor Kritik wird sie das nicht schützen.

Auch in anderen Punkten ist der Landtag auf einem richtigen Weg. Die allzu üppige Altersversorgung, die zu Recht für Unmut in der Bevölkerung sorgt, wird künftig zumindest etwas beschnitten. Aber auch hier haben die Parlamentarier mehr als einen Schönheitsfehler eingebaut: heutige Abge-

ordnete bleiben von den Kürzungen verschont. Das ist ein falsches Signal, das Zweifel wachsen lässt, dass die grund-legende Reform wirklich angepackt wird. Das Ziel ist zwei-felsohne richtig: Parlamentarier sollen mehr verdienen, aber dafür ihre Altersversorgung selbst fi nanzieren. Mit wohlfei-len Ankündigungen ist es aber nicht getan. Vorschläge gibt es genug, es mangelt an Taten.

Stuttgarter Zeitung vom 7. Oktober 2004 (Thomas Durchden-wald)

* ab Februar 2005; bis dahin 4.666 Euro.

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 57: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

55

B • Die Abgeordneten

B 21 Verdienen Abgeordnete zu viel?

Zugrunde liegen Rechenbeispiele für eine männ-liche Person im Alter von 50 Jahren, verheiratet und mit einem Kind.

B 22 Größe und Kosten der Landesparlamente im Vergleich

◗ Fasst zusammen, welche Aufgaben ein Abgeordneter neben den Anwesenheitszeiten im Plenum noch hat.◗ Besucht die Wahlkreisbüros eurer Abgeordneten und infor-miert euch über deren Aufgaben und Tätigkeiten im Wahl-kreis.◗ Was sind die wesentlichen Aussagen des Einkommensver-gleichs in B 21? Was wird von den verschiedenen Berufs-

gruppen an Wissen, Fähigkeit und Leistung erwartet? Woher kommt eurer Meinung nach der Eindruck vieler Bürgerinnen und Bürger, dass die Abgeordneten scheinbar zu viel ver-dienen? ◗ Was sind die zentralen Aussagen der Tabelle B 22?

Quelle: Der Präsident des Landtags von Baden-Württemberg (Hrsg.): Landtagsspiegel, Stuttgart 2004, S. 40

ARBEITSAUFTRÄGE B 18 – B 22

Beruf

Landtagsabgeordnetersteuerpfl ichtige Entschädigung ab Februar 2005; ohne Einkünfte anderer Art

Oberstudienrat (Besoldung nach A 14)Facharbeiter im Fahrzeugbauqualifi zierter Arbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung; Landesdurchschnitt 2003 (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg)

Angestellter in verantwortlicher Positionohne leitende Angestellte wie Geschäftsführer oder Prokuristen, Landesdurchschnitt 2003 (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg)

Manager (Abteilungsleiter)z. B. in einem mittelständischen Betrieb der Medizintechnik mit ca. 500 Mit-arbeitern; inkl. leistungsabhängiger Vergütungselemente, zzgl. Firmenwagen, betriebliche Altersvorsorge und eventuelle Aktienoption

4.750,–

4.660,–3.420,–

ca. 4.800,–

ca. 8.300,–

Einkommen in EUR(brutto und gerundet)

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 58: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

56

C • Wie entsteht ein Gesetz?

C • Wie entsteht ein Gesetz?Beispiel: Das Gesetz zum Kopftuchverbotan baden-württembergischen Schulen

Materialien C 1 – C 15

C 1 Fereshta Ludin bringt das Kopftuch vor das Verfassungsgericht

Fereshta Ludin wurde 1972 in Kabul als Tochter eines af-ghanischen Diplomaten geboren, in Deutschland lebt sie seit 1985 und ist mit einem zum Islam übergetretenen Deutschen verheiratet. Im Sommer 1998, sie hatte ihr Re-ferendariat gerade mit der Note 1,8 beendet, bekam sie Post vom Oberschulamt Stuttgart. Ihr wurde mitgeteilt, sie könne nicht in den Landesschuldienst übernommen werden – sofern sie daran festhalte, vor der Klasse ein Kopftuch zu tragen. Die Entscheidung wurde bald darauf von der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan (CDU) bestätigt. Begründung: Das Kopftuch werde innerhalb des Islam auch als Symbol für kulturelle Abgrenzung und damit als ein politisches Symbol gewertet. Ludin schaltete ihren Anwalt ein. Während sie nach Berlin zog, wo ihr eine isla-mische Grundschule eine Stelle angeboten hatte, begann sie sich durch den Instanzenweg zu klagen. …

Vor drei Gerichten ist sie inzwischen gescheitert. Zuletzt, im Juli 2002, urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Berlin, muslimische Lehrerinnen müssten während des Unterrichts auf ihr Kopftuch verzichten – zumindest in Baden-Württem-berg. Doch Fereshta Ludin ließ sich nicht beirren. Sie zog nach Karlsruhe. ...

Die Welt vom 24. September 2003 (Felix Müller)

pict

ure-

allia

nce/

dpa

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 59: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

57

C • Wie entsteht ein Gesetz?

C 2 Das Bundesverfassungsgericht urteilt

C 3 Jetzt geht der Kopftuch-Streit richtig los

Am Tag danach reiben sie sich die Augen. Dass das Bun-desverfassungsgericht den Streit ums Kopftuch im Klas-senzimmer beendet, wird keiner ernsthaft erwartet haben. Sein Urteil hat indes sehr viel mehr Verwirrung als Klarheit geschaffen.

Die Karlsruher Richter haben den Ländern zwar empfohlen, über Kopftücher per Gesetz zu entscheiden. Doch wegen der Neutralitätspfl icht des Staates müssen bei einem Verbot auch andere religiöse Symbole bedacht werden. Zudem ist die Einschränkung der Religionsfreiheit nicht so einfach. Staatsrechtsprofessoren, die blumige Sprachbilder lieben …, vergleichen Grundrechte gern mit Apfelsinen: Beim Schä-

len sollte man darauf achten, nicht ins Fruchtfl eisch zu schneiden. So hat jede Beschränkung erforderlich und ver-hältnismäßig zu sein.

Mannheimer Morgen vom 26. September 2003 (Steffen Mack)

C 4 Das Kabinett einigt sich auf einen Entwurf

Der Streit im Landeskabinett um das Verbot des Kopftuchs muslimischer Lehrerinnen im Unterricht ist beendet. Justiz-ministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP), die vor einer zu schnellen Entscheidung gewarnt und Zweifel geäußert hatte, ob Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht das Tragen des Kreuzes erlaubt bleiben, das muslimische Kopftuch aber ver-boten werden könne, hat ihren Widerstand aufgegeben. Sie trat gestern Abend zusammen mit Kultusministerin Annette Schavan (CDU) in Stuttgart vor die Presse, um einen zuvor in den Koalitionsfraktionen von CDU und FDP vorgestellten Gesetzentwurf Schavans zu präsentieren. …

Der nun vorgelegte Entwurf sieht vor, dass Lehrkräfte an öf-fentlichen Schulen keine religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußeren Bekundungen abgeben dürfen. Die Be-kundung christlicher und abendländischer Kulturwerte oder Traditionen dagegen wird als dem Erziehungsauftrag der Landesverfassung entsprechend bezeichnet. Damit wären

Kreuze und wohl auch die Kippa jüdischer Lehrer erlaubt, nicht aber das Kopftuch, das als politisches Signal gewertet wird. Lehramts-Referendarinnen soll aufgrund des Ausbil-dungsmonopols des Staates das Kopftuch erlaubt sein. Das Gesetz soll bis zum Frühjahr 2004 beschlossen werden.

Esslinger Zeitung vom 29. Oktober 2003 (Hermann Neu)

Am 24. September 2003 verkündet das Bundesverfassungsgericht in Karls-ruhe sein Urteil. Das höchste deutsche Gericht entscheidet, dass die Bundes-länder muslimischen Lehrerinnen das Kopftuchtragen im Unterricht verbieten dürfen. Dazu müssen sie jedoch eine »hinreichend bestimmte« gesetzliche Grundlage schaffen. Diese fehle derzeit in Baden-Württemberg, so die Verfas-sungshüter. Das Land habe deshalb mit seiner Ablehnung, Ludin in den Schul-dienst zu übernehmen, ihre Religions-freiheit verletzt.

pict

ure-

allia

nce/

dpa

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 60: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

58

C • Wie entsteht ein Gesetz?

C 5 Dem Landtag liegen zwei Gesetzentwürfe vor

Nachdem sich die Regierungskoalition aus CDU und FDP/DVP geeinigt hatte, legte am 14. Januar 2004 die Regierung des Landes Baden-Württemberg einen Gesetzentwurf zur Ände-rung des Schulgesetzes vor. Zum wesentlichen Inhalt des Gesetzentwurfs heißt es hier:

»Lehrkräften sollen an öffentlichen Schulen solche äuße-ren Bekundungen untersagt werden, die die Neutralität des Landes oder den Schulfrieden gefährden oder stören, vor allem grundlegende Verfassungswerte missachten können.«

In der Begründung zu dem Gesetzentwurf wird näher erläu-tert, was unter »äußeren Bekundungen« zu verstehen sei. Hierbei handle es sich um …

»… alle Äußerungen und jegliches Verhalten, also z. B. ver-bale Äußerungen, Kleidungsstücke, Plaketten und sonstige Formen des Auftretens, die von Dritten als Ausdruck politi-scher, religiöser, weltanschaulicher oder ähnlicher individu-eller Überzeugung wahrgenommen werden können«.

Wenig später, am 27. Januar 2004, legte die Oppositions-fraktion GRÜNE ihren Gegenentwurf vor. Religiöse und welt-anschauliche Bekundungen sollten demnach in »angemesse-ner, nicht provokativer Form, die die offene, religiös-weltan-schauliche Neutralität des Landes wahrt«, erlaubt sein. Bei eventuellen Konfl ikten sei es die Aufgabe der Schulgemein-schaft, diese durch Gespräche zwischen den Beteiligten und den Betroffenen beizulegen.

Erst wenn dieser Konfl ikt nicht auszugleichen sei und die Gefahr einer Störung des Schulfriedens bestehe, sollte die Schulleitung unter Einbeziehung der entsprechenden Beschlüsse der beteiligten Gremien (z. B. Schulkonferenz, Gesamtlehrerkonferenz) die Lehrerin auffordern, die Bekun-dung zu unterlassen, also z. B. die umstrittenen Kleidungs-stücke abzulegen.

C 6 Das Kopftuchgesetz im Plenum: Erste Lesung

◗ Beschreibe anhand der Materialien, wie der Konfl ikt zwi-schen Frau Ludin und dem Oberschulamt entstanden ist! Welches Argument führt das Oberschulamt an? Worauf beruft sich Frau Ludin?◗ Weshalb muss sich der Landtag von Baden-Württemberg mit diesem Streit befassen?

◗ Welche Vorgaben macht das Bundesverfassungsgericht für ein zukünftiges Gesetz?◗ Beschreibe die Schritte bis zur Ersten Lesung des Kopf-tuchgesetzes im Landtag.◗ Welche Unterschiede bestehen zwischen dem Gesetzent-wurf der Landesregierung und dem der Fraktion GRÜNE?

Am 4. Februar 2004 behandeln die Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg in Erster Lesung die beiden Gesetzentwürfe der Landesre-gierung und der Oppositionsfraktion GRÜNE zur Änderung des Schulgesetzes, des so genannten Kopftuchgesetzes. Frau Dr. Annette Schavan, die Kultus-ministerin des Landes Baden-Württem-berg, begründet im Namen der Lan-desregierung deren Gesetzentwurf im Parlament. Am Ende der Ersten Lesung überweist das Plenum beide Gesetzent-würfe zur federführenden Beratung an den Schulausschuss und zur Mitbera-tung an den Ständigen Ausschuss des Landtags.

LMZ

ARBEITSAUFTRÄGE C 1 – C 6

Quellen: Drucksachen des Landtags von Baden-Württemberg 13/2793 und 13/2837 sowie Protokoll der 62. Sitzung des Landtags von Baden-Württemberg, 13. Wahlperiode, S. 4390

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 61: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

59

C • Wie entsteht ein Gesetz?

C 7 Experten-Hearing im Schulausschuss

Am 12. März 2004 fi ndet im Ausschuss für Schule, Jugend und Sport, dem federführenden Ausschuss des Landtags für das Kopftuchgesetz, eine öffentliche Expertenanhörung statt.

Die Expertinnen und Experten haben zwanzig Minuten Zeit, zu den Gesetzentwürfen ihre Stellungnahme abzugeben. Im Anschluss an jede Stellungnahme folgt eine Fragerunde für die Ausschussmitglieder. Als Sachverständige sind eingela-den:

Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof Universität Tübingen, Juristische Fakultät; Mitglied des Staatsgerichtshofs für das Land Baden-Württemberg

Prof. Dr. Ernst Gottfried MahrenholzVizepräsident des Bundesverfassungsgerichts a. D.

Prof. Dr. Matthias JestaedtUniversität Erlangen-Nürnberg, Juristische Fakultät

Prof. Dr. Ernst-Wolfgang BöckenfördeRichter am Bundesverfassungsgericht a. D.

Frau Seyran AtesRechtsanwältin

Rainer MackRektor; Vorsitzender der Vereinigung von Schulleiterinnen und Schulleitern in Baden-Württemberg e. V.

Dr. Michael TrenskyOberkirchenrat, Evangelische Landeskirche in Baden, für die Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg und für die (Erz-)Diözesen Freiburg und Rottenburg-Stuttgart

Quelle: 13. Landtag von Baden-Württemberg: Protokoll der 26. Sitzung des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport vom 12. März 2004

C 8 Ständiger Ausschuss korrigiert Gesetzentwurf für Kopftuchverbot

Mit dem Ziel eines noch deutlicheren Bezugs zur baden-württembergischen Landesverfassung hat der Ständige Aus-schuss des Landtags den Gesetzentwurf der Landesregie-rung zum Kopftuchverbot korrigiert. Einem einschlägigen gemeinsamen Änderungsantrag von CDU, SPD und FDP sowie dem entsprechend angepassten Gesetzentwurf stimmte das Gremium mit großer Mehrheit zu. Dies teilte der Vorsitzende

C 9 Geänderter Gesetzentwurf zum Kopftuchverbot passiert auchden Schulausschuss des Landtags

Nach dem mitberatenden Ständigen Ausschuss hat sich jetzt auch der Schulausschuss des Landtags für eine Korrektur des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum Kopftuchverbot ausgesprochen. Wie der Vorsitzende des Schulausschusses, der SPD-Abgeordnete Peter Wintruff … mitteilte, stimmte das Gremium dem gemeinsamen Änderungsantrag von CDU, SPD und FDP sowie dem entsprechend angepassten Gesetz-entwurf – bei zwei Gegenstimmen – mit großer Mehrheit zu.

Ziel des korrigierten Gesetzestextes ist ein noch deutliche-rer Bezug zur baden-württembergischen Landesverfassung.

Der von den GRÜNEN vorgelegte alternative Gesetzentwurf wurde – wie bereits im Ständigen Ausschuss – abgelehnt.

Pressemitteilung des Landtags von Baden-Württemberg 29/2004 vom 30. März 2004

des Ausschusses, der CDU-Abgeordnete Klaus Herrmann … mit. Die GRÜNEN, die einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt haben, lehnten die Novelle ab.

Pressemitteilung des Landtags von Baden-Württemberg 27/2004 vom 25. März 2004

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 62: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

60

C • Wie entsteht ein Gesetz?

C 11 Schavan erwartet Klagen

Der Landtag hat ein Verbot von Kopftüchern für muslimi-sche Lehrkräfte an Schulen beschlossen. Kultusministerin Annette Schavan (CDU) erwartet Klagen – und eine Debatte über den »Ethos des Amtes«. Die GRÜNEN unterlagen mit ihrem »Kompromissantrag« einer Koalition aus CDU, FDP und SPD.

Kultusministerin Annette Schavan zeigte sich … »erleich-tert«, dass das Verbot auf parteiübergreifendem Konsens fußt. Nach einer Expertenanhörung, in der drei von vier Verfassungsrechtler ein allgemeines Verbot für problema-tisch erachteten, korrigierte man den Gesetzentwurf auf Vorschlag des früheren SPD-Innenministers Frieder Birzele. Nunmehr wird »noch deutlicher« auf den Erziehungsauftrag gemäß der Landesverfassung abgehoben. Danach gilt die »Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte« als Verhaltensgebot.

… In seinem Urteil vom 24. September 2003 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass sich im geltenden Recht des Landes keine ausreichende Grundlage für ein Kopftuchverbot für Lehrkräfte fi nde. In der jetzigen Novelle des Schulge-setzes heißt es in Paragraf 38, »Lehrkräfte dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußeren Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern … oder den Schulfrieden zu gefährden.« Und in Satz 3: »Die Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen entspricht dem Bildungsauf-trag der Landesverfassung.«

Südkurier vom 2. April 2004 (Gabriele Renz)

C 10 Der Landtag beschließt das Kopftuchgesetz

◗ Welche Expertinnen und Experten werden im Landtags-ausschuss für Schule, Jugend und Sport gehört? Welche Interessengruppen repräsentieren sie?◗ Das Anhörungsprotokoll fi ndet ihr auf der Homepage des Landtags (Aktuelles – Anhörungsprotokoll »Kopftuchver-bot«). Wie lange dauerte die Anhörung? Wie kann man kon-trollieren, welche Abgeordnete an der Sitzung teilgenommen haben? Wie viele Seiten muss sich ein(e) Abgeordnete(r)

durchlesen, wenn sie/er an der Anhörung nicht teilnehmen konnte und erfahren will, was die Experten vorgetragen haben?◗ Was passiert im Anschluss an die öffentliche Anhörung in den beteiligten Ausschüssen? Welche Parteien unterstützen in diesem Beispiel die Regierung?◗ Wann tritt ein im Landtag beschlossenes Gesetz in Kraft? Wer unterschreibt das Gesetz?

Am 1. April 2004 stimmt der Land-tag von Baden-Württemberg mit der Mehrheit seiner Abgeordneten dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Schulgesetzes zu. Grund-lage der Abstimmung war die mit der Mehrheit von CDU und FDP/DVP sowie SPD gefasste Beschlussempfehlung des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport. Damit ist das so genannte Kopf-tuchgesetz vom Landtag beschlossen. Das Gesetz kann nach der Unterzeich-nung durch die Landesregierung und nach der Verkündung im Gesetzblatt für Baden-Württemberg in Kraft treten. Das Geschehen im Parlament wird von einer Muslimin auf der Tribüne im Landtag aufmerksam beobachtet.

LMZ

ARBEITSAUFTRÄGE C 7 – C 12

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 63: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

61

C • Wie entsteht ein Gesetz?

C 12 Das Gesetz tritt in Kraft

Quelle: Gesetzblatt Nr. 6 vom 8. April 2004, S. 178

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 64: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

62

C • Wie entsteht ein Gesetz?

C 13 Kultusministerin Schavan: »Wir haben es uns nicht leicht gemacht«

Frau Ministerin Schavan, sind Sie zufrieden über die mit klarer Mehrheit beschlossene Neufassung des Schulgesetzes?

Schavan: Ja. Wir haben eine Debatte auf hohem Niveau erlebt. Jeder war sich, auch in den Ausschüssen, bewusst, dass es sich um ein hoch kompliziertes Thema handelt. Wir haben es uns nicht leicht gemacht.

Wie wollen Sie das Gesetz umsetzen?

Schavan: Nach dem In-Kraft-Treten werden wir das Gesetz an das Bundesverwaltungsgericht schicken, wo ja die Klage von Frau Ludin gegen die Nichtübernahme in den Schuldienst anhängig ist. Außerdem gilt dann für jede Muslimin, die neu in den Schuldienst will, das Verbot. Und dann werden wir uns mit den beiden Lehrerinnen beschäftigen, die mit Kopftuch in Baden-Württemberg unterrichten.

Rechnen Sie mit weiteren Klagen und wird das Gesetz Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht haben?

Schavan: Wenn ich glauben würde, es hätte keinen Bestand, dann hätte ich es dem Landtag so nicht vorgeschlagen. Bei diesem Thema hat das Wohl der Allgemeinheit Vorrang und persönliche Interessen müssen zurückstehen. Das heißt, in einem öffentlichen Amt muss man selbst den bösen An-schein verhindern. Dort wo Handlungsbedarf besteht, muss Klarheit herrschen. Die haben wir jetzt. Aber ich kann nicht ausschließen, dass es weitere rechtliche Auseinandersetzun-gen geben wird.

dpa/lsw Landesdienst Südwest vom 1. April 2004

C 14 Bundesverwaltungsgericht bestätigt das Kopftuchverbot – EU hält es für fragwürdig

Die EU-Kommission hat sich in den deutschen Kopftuchstreit eingeschaltet. Ein Sprecher des baden-württembergischen Kultusministeriums bestätigte Zeitungsberichte, wonach die Kommission um Auskunft über die Neuregelung des baden-württembergischen Schulgesetzes gebeten habe. Die EU-Kommission habe die Sorge, dass die Anti-Kopftuch-Gesetze verschiedener Bundesländer mit dem Diskriminierungsverbot des europäischen Rechts unvereinbar sein könnten.

Grundlage dafür seien drei Gleichbehandlungsrichtlinien der EU sowie die Europäische Konvention der Menschenrechte. Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht wies … hingegen die Klage der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin auf Einstellung in den baden-württembergischen Schuldienst

ab und bestätigte die Verfassungsmäßigkeit des geänderten Stuttgarter Landesschulgesetzes.

Welt am Sonntag vom 27. Juni 2004

pict

ure-

allia

nce/

ZB

Frauen mit Kopftüchern demons-trieren im Januar 2004 in Berlin. Die Demonstration richtet sich gegen ein in mehreren Bundeslän-dern geplantes Verbot des Kopf-tuches für Lehrerinnen in Schulen oder für Frauen im öffentlichen Dienst.

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 65: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

63

C • Wie entsteht ein Gesetz?

C 15 Gesetzgebung im Landtag

◗ Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hat der Streit um das Kopftuch einen vorläufi gen Abschluss gefunden. Wie könnte es weitergehen, wenn sich der Europä-ische Gerichtshof mit der Sache auseinander setzen muss? ◗ In diesem Beispielfall war ein Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts Auslöser für die Gesetzgebung im Landtag. Nenne weitere Gründe, die Gesetze notwendig machen!◗ Ruft euch eine Woche vor einer Plenarsitzung die Tages-ordnung für die Sitzung im Internet auf. Wenn ein Gesetz auf der Tagesordnung steht, versucht den Ablauf dieser Ge-

setzgebung mit Hilfe der Grafi k C 15 zu skizzieren! Wer hat den Entwurf eingebracht, in welchem Stadium der Beratung ist der Entwurf usw.?◗ Wenn ihr zu einem anderen Zeitpunkt eine Tagesordnung der Plenarsitzung aufrufen wollt, geht auf die Homepage des Landtags zum Punkt »Aktuelles – Beschlüsse«. Dort könnt ihr einen Plenartag aufrufen und sehen, was an diesem Tag beschlossen wurde. In der Datenbank des Landtags fi ndet ihr darüber hinaus interessante Gesetze, an denen ihr den Gang der Gesetzgebung nochmals nachvollziehen könnt.

ARBEITSAUFTRÄGE C 13 – C 15

Politik & Unterricht • 4-2004

Page 66: POLITIK UND UNTERRICHT - Zeitschrift für die Praxis der ... · Politik & Unterricht nimmt in ihrem dreißigsten Jahrgang in der baden-württembergischen Bildungslandschaft einen

30. Jahrgang2004

Heft 1-2/2004

Europa wählt – Europa wird größer!Vorwort des Herausgebers 1Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugendund Sport 2Autor dieses Heftes 2

UNTERRICHTSVORSCHLÄGE 3Baustein A: Europa wählt 8Baustein B: Europa wird größer 10Baustein C: Europa wird anders 13Baustein D: Perspektiven, Chancen und Probleme 14(Alle Bausteine: Gerhart Maier)

TEXTE UND MATERIALIEN 17A 1 – A 22 Europa wählt 18B 1 – B 26 Europa wird größer 30C 1 – C 30 Europa wird anders 43D 1 – D 32 Perspektiven, Chancen und Probleme 57

Meine Meinung zur Erweiterung 70Internetseiten zum Thema (Susanne Meir) 71Literaturhinweise zum Thema U3

Heft 3/2004

Kinder in Deutschland: Familie – Freizeit – KonsumVorwort des Herausgebers 1Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugendund Sport 2Autorin dieses Heftes 2

UNTERRICHTSVORSCHLÄGE 3Baustein A: Kinder und Familie 4Baustein B: Kinder in der Freizeit- und Erlebnisgesellschaft 10Baustein C: Kinder und Konsum 14(Alle Bausteine und Internetseiten: Angelika Schober-Penz)

TEXTE UND MATERIALIEN 19A 1 – A 29 Kinder und Familie 20B 1 – B 15 Kinder in der Freizeit- und Erlebnisgesellschaft 33C 1 – C 14 Kinder und Konsum 40

Internetseiten 47Schülerwettbewerb 2004 U3

Heft 4/2004

Der Landtag von Baden-WürttembergGrußwort des Landtagspräsidenten 1Editorial 1Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugendund Sport 2Die Autoren dieses Heftes 2

UNTERRICHTSVORSCHLÄGE 3Einleitung 3Baustein A: Rechte und Funktionen des Landtags 6Baustein B: Die Abgeordneten 10Baustein C Wie entsteht ein Gesetz? Beispiel: Das Gesetz zum Kopftuchverbot an baden-württembergischen Schulen 12(Einleitung, Bausteine B und C: Ulrich Manz) Baustein A: Reinhold Weber)

Literaturhinweise 13Zu Besuch im Landtag – Das Landesparlament als Lernort (Elisabeth Krause / Kurt Schneider-Helling) 14

TEXTE UND MATERIALIEN 19Baustein A: Rechte und Funktionen des Landtags

(Krause / Schneider-Helling / Weber) 20Baustein B: Die Abgeordneten

(Manz / Krause / Schneider-Helling) 38Baustein C: Wie entsteht ein Gesetz? Beispiel: Das Gesetz zum Kopftuchverbot an baden-württembergischen Schulen (Manz) 56

PU aktuell 13, April 2004

Kommunalwahlen in Baden-WürttembergAm 13. Juni wählen und mitbestimmen 2Worum geht es in der Kommunalpolitik? 2Wer steht zur Wahl? – Die Kandidaten 6Wie wird gewählt? – Das Kommunalwahlrecht 10Wie wählen die Bürgerinnen und Bürger? 13Wo kann ich mich informieren? 15Projektvorschlag 16

Politik & UnterrichtZeitschrift für die Praxis der politischen Bildung