20
1 „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ Prof. Dr. Jochen Franzke Vortrag zum Kommunalkongreß 2011 27. August 2011, Hannover 1 Prof. Dr. Jochen Franzke

„Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

  • Upload
    sumi

  • View
    33

  • Download
    0

Embed Size (px)

DESCRIPTION

„Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke Vortrag zum Kommunalkongreß 2011 27. August 2011, Hannover. 1. Inhaltsverzeichnis. Bürgerhaushalt als globales Phänomen Krise kommunaler Haushalte in Deutschland - PowerPoint PPT Presentation

Citation preview

Page 1: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

1

„Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in

Deutschland“

PProf. Dr. Jochen Franzke

Vortrag zum Kommunalkongreß 2011

27. August 2011, Hannover

1Prof. Dr. Jochen Franzke

Page 2: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 22

1. Bürgerhaushalt als globales Phänomen

2. Krise kommunaler Haushalte in Deutschland

3. Modernisierung des kommunalen Haushaltswesens

4. Bürgerbeteiligung an kommunaler Haushaltserstellung

5. Bürgerhaushalt als Instrument lokalen Regierens

6. Wirkungen von Bürgerhaushalten

7. Probleme und offene Fragen

8. Fazit

Page 3: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 33

Porto Alegre 1989 - Auslöser für beinahe weltweit

anhaltenden Boom partizipativer Haushalte

Sehr differenzierte rechtliche Rahmenbedingungen und

inhaltliche Ausgestaltungen

Interesse auch in Deutschland und Europa weiter

zunehmend

Bewertung seiner Wirkungen auf lokale Politik in

Deutschland umstritten, erste wissenschaftliche Studien

liegen vor (Herzberg/Sintomer et al.), noch zu wenig

Fälle untersucht, um wissenschaftliche Wertungen auf

gesicherter Basis vornehmen zu können

Page 4: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 44

Indikatoren der seit Jahren schwelende Krise kommunaler

Haushalte

o Verkauf des „Tafelsilbers“

o Explosion der Kassenkredite

o „Flucht aus dem Budget“

Instrument des Bürgerhaushalts kann diese Krise nicht

lösen,

umfassende, ganzheitlich Durchdachte Neuausrichtung

des Gemeindefinanzierungssystems in Deutschland bleibt

akute

gesamtgesellschaftliche Aufgabe; vor allem Gesetzgeber

Bund/Länder gefordert

Bürgerhaushalte können aber dazu beitragen, lokale

Lösungen der

differenzierten finanziellen Situation der Kommunen zu

finden

(Grenze möglicherweise kommunale Haushaltssicherung)

Page 5: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 55

Bürgerhaushalte – Teil umfassender und langfristiger

angelegter Modernisierung kommunaler Haushalte

Neue Kosten- und Leistungsrechnung

Performance Budgeting

Produkthaushalt

Verständlicher Haushalt

Gendergerechter Haushalt

Generationengerechter Haushalt

Nachhaltiger Haushalt

Territorialbezogener Haushalt (Teilräumlicher Haushalt)

und ... Bürgerhaushalt

Page 6: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 66

Verabschiedung Haushaltssatzung in Deutschland traditionell

Kernrecht der Gemeindevertreter

Haushalte bislang kein Gegenstand von Bürgerentscheiden, traditionelle

Vorbehalte, Bürger real an Finanz-Entscheidungen zu öffentlichen Haushalten

zu beteiligen

Widerspruch: Bürgerpartizipation mittlerweile in vielen Kommunen zu fast

allen Themen möglich; nur entscheidende Haushalts- und Finanzplanung, die

finanziell-politische Prioritäten festschreibt, bleibt Tabu

Dabei ist Bürgerbeteiligung an Haushalten alte kommunale Tradition (leider in

der Praxis zur Farce verkommen):

Öffentliche Auslegung des Haushaltssatzungsentwurf, „Einwohner oder Abgabepflichtige“

können in vorgegebenen Frist „Einwendungen“ erheben, Rat muss diese unverbindlich

diskutieren und im Anschluss an öffentliche Bekanntmachung der Haushaltssatzung den

Haushaltsplan erneut sieben Tage öffentlich auslegen

Page 7: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 77

Bürgerhaushalt – Partizipativer Haushalt – Beteiligungshaushalt

Oberbegriff für vielfältig differenzierte Möglichkeiten, die Bürger in

die lokalen Haushaltsentscheidungen mit einzubeziehen

Bürgerhaushalte „nicht wertfrei“ genauso wenig wie lokale Politik

unpolitisch

Mögliche Wirkungen

Beitrag zur Konsolidierung bzw. Effektivierung lokaler

Finanzressourcen

Beitrag zur Kooperation und dem Wandel des Rollenverständnisses

der beteiligten Akteure (insbesondere der Bürgerschaft, lokalen

Politik, lokalen Verwaltung)

Beitrag zum Wandel lokaler politischer Kultur

Page 8: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 88

Erhebliche Varianz partizipativer Haushalte in Deutschland,

vielfältige Modelle (überwiegend top down)

Show-Bürgerhaushalte, „funny money“

Konsultation öffentlicher Finanzen (in fast allen Fällen z. B. Bonn,

Emsdetten, Groß-Umstadt, Hilden, Potsdam und Rheinstetten)

Bürgerfreundliche Partizipation (z. B. in Berlin-Lichtenberg,

Berlin-Marzahn-Hellersdorf)

Bürgerentscheidung über Teile des Haushaltes (denkbar bei

Kommunal-verfassungen, die Ratsbegehren vorsehen und diese

zu Haushaltsfragen möglich machen)

Page 9: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 99

Zwei verschiedene Quellen: New Public Management-Diskurs zur

Reform der lokalen Verwaltung und Reformbewegung für mehr

lokale Demokratie und Bürgerpartizipation

Start in 1998 in Mönchweiler; gegenwärtig befassen sich ca. 207

deutsche Kommunen mit dem Thema, in 107 Städten wird

diskutiert, 55 haben den Prozess ein oder zweimal durchgeführt ,

6 abgelehnt oder abgebrochen (Daten April 2011) . Ca. 29 %

aller deutschen Gemeinden mit mehr als 20,000 Einwohnern

Zehn deutsche Gemeinden „Best Practice“ (mehr als dreimal

durchgeführt) darunter Berlin-Lichtenberg, Berlin-Marzahn-

Hellersdorf, Bonn, Emsdetten, Groß-Umstadt, Hilden, Potsdam,

Rheinstetten und Köln;

zwischen 20.000 und 1.000.000 Einwohner; unterschiedliche

politische Führerschaft (Bürgermeister von der SPD, CDU, Linke)

Page 10: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 1010

Page 11: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 1111

Erfolgsfaktoren/Standards

Politischer Verfahrenskonsens

Mehrkanalverfahren

Kombination mit anderen Formen lokaler Demokratie

Schaffung eigener Steuerungsinstitutionen

Empowernment bislang nicht engagierter Bürger

Integration von Minderheiten, sozial schwachen Gruppen bzw.

Ortsteilen

Verknüpfung mit dem gesetzlichen Haushaltsprozess des Rates

Rechenschaftpflicht des Rates über den Umgang mit den

Bürgervorschlägen

 

Page 12: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 1212

 

Meetings

Internet Schriftli-che Be-fragung

E-Mails Telefon-befra-gung

Köln 2008 -- 85 % 9 % 2 % 4 %

Berlin-Lichtenberg 2009

29 % 60 % 11 % -- --

Emsdetten 2008

100 % -- -- -- --

Potsdam 2009

11 % 42 % 47 % -- --

Page 13: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 1313

 

Page 14: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 1414

(1) Beitrag zur Konsolidierung des lokalen Haushalts

Akzeptanz von Konsolidierungs- und Sparmaßnahmen

des Rates verstärken

Alternative Sparvorschläge zum Rat entwickeln

Effizienterer Einsatz des Budgets für freiwillige

Aufgaben

 

Page 15: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 1515

(2) Denken über klassischen Haushalt hinaus

Zusätzliche Ressourcen erschließen (Kombination der

materiellen und nichtmateriellen Ressourcen der

Bürgerschaft mit zunehmend bescheideneren

kommunalen Ressourcen, evtl. Auch mit solchen der

privaten Wirtschaft)

Möglichkeiten freiwilliger Finanzierung (Z. B. Spenden

der Bevölkerung) entwickeln, um konkrete lokale

Projekte zu ermöglichen

Bürgerwissen als Ressource zur Lösung lokaler Probleme

(z. B. alternativ zu externen Gutachten)

 

Page 16: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 1616

Veränderung des Rollenverständnisses der beteiligten Akteure

Bürgerschaft

Hohe Anforderungen an Dauerhaftigkeit des Engagements

Fähigkeit zur Selbstorganisation nötig

Einbeziehung bislang inaktiver Bürger, Minderheiten

Lokale Politik

Bereitschaft zur dauerhaften Rechenschaft über Umgang mit

Bürgervorschlägen

Dauerhaft höhere Transparenz politischen Handelns

Lokale Verwaltung

Bereitschaft zur dauerhaften Übernahme zusätzlicher Aufgaben

Einbringen von Expertise in den Prozess

Dauerhaft höhere Transparenz des Verwaltungshandelns

Page 17: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 1717

Bürgerschaft

Mitwirkung an lokaler Politik „auf Augenhöhe“, stärkt Fähigkeit

der Bürger, an lokalen Angelegenheiten mitzuwirken

Stärkung lokaler Identität und des „Wir“-Gefühls

Lokale Politik

Zurückdrängung der Politikverdrossenheit

Stärkung der Gemeinderäte

Lokale Verwaltung

Akzeptanz für Verwaltungsentscheidungen und Zufriedenheit mit

lokalen Dienstleistungen wächst

Bürgerwissen als zusätzliche Ressource

Win-Win-Situation oder Nullsummen-Spiel im Verhältnis der drei

Akteure Politik-Verwaltung-Bürgerschaft

Page 18: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 1818

Mangel an Repräsentativität?

Entscheidungen nur über Teile des Haushaltes oder das

gesamte Budget?

Missbrauch von Bürgerhaushalten durch lokale Lobby-

Gruppen?

 

Page 19: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

Prof. Dr. Jochen Franzke 1919

in Deutschland noch immer in experimentieller Phase

Beitrag zur Milderung der Finanznot möglich, wenn die

örtlichen Umstände stimmen, Teil des lokalen

Krisenmanagements

Noch zu früh, um festzustellen, ob sich Bürgerhaushalte

dauerhaft in Deutschlands Kommunen etablieren werden

BHH kann Baustein der Modernisierung lokaler Politik in

Deutschland sein

Notwendig sind weiter vergleichende Studien bestehender

Bürgerhaushalte, insbesondere was deren Input- und

Outputwirkungen betrifft sowie was die Interessenlage und

den Wandel des Rollenverständnisses der beteiligten

Akteure betrifft (hier am wenigsten untersucht die

Verwaltung)

Page 20: „Potentiale und Probleme des Bürgerhaushaltes in Deutschland“ P rof. Dr. Jochen Franzke

20

Vielen Dank.Hinweise und Anregungen sind willkommen.

Prof. Dr. habil. Jochen Franzke

Apl. Professor für Verwaltungswissenschaft

Studiendekan

Universität Potsdam

August-Bebel-Strasse 89, D 14482 Potsdam

Tel.: +49/(0)331/ 977- 3414

Fax: +49/(0)331/ 977- 3302

E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Jochen Franzke 20