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Seite 1 Seite 1 PRAXIS SCHREIBEN- LERNEN Anfangsunterricht: Schreibenlernen/Schriftpflege Didaktisch/methodischer Leitfaden Vier Ausgangsschriften im Vergleich Fibelunabhängig Praktische Tips für den Unterricht Materialien DS VA SAS LA

Praxisschreiben1_22

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Seite 1Seite 1

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PRAXIS

SCHREIBEN-LERNENAnfangsunterricht:Schreibenlernen/Schriftpflege

Didaktisch/methodischer Leitfaden

Vier Ausgangsschriften im Vergleich

Fibelunabhängig

Praktische Tips für den Unterricht

Materialien

DS VA

SAS LA

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Seite1. Bedeutung und Ziele des Schreibenlernens 22. Was Lehrende wissen und können müssen 3

2.1 Aspekte des Schreibenlernens2.2 Bedingungen vor dem Start 42.3 Schreiben in offenen Lernsituationen2.3.1 Freies Schreiben 52.4 Schreiben als kommunikatives Handeln 62.5 Schreiben und Rechtschreiben2.5.1 Schriftart2.5.2 Grundwortschatz2.5.3 Methode (Schreiben = Rechtschreiben) 72.5.4 Richtiges Abschreiben2.5.5 Regelwissen 82.6 Die Schrift des Lehrers 92.7 Die Beurteilung von Schülerschriften

3. Fachbegriffe 104. Die Alphabete 11

4.1 Druckschrift (DS)4.2 Lateinische Ausgangsschrift (LA)4.3 Schulausgangsschrift (SAS) 124.4 Vereinfachte Ausgangsschrift (VA)4.5 Wahl der Erstschrift(en) 144.6 Schreibenlernen im Überblick 15

5. Feststellen und Fördern der Lernvoraussetzungen 165.1 Entwicklung der Sinne5.2 Entwicklung der Seitigkeit 185.3 Übungen und Beobachtungsmöglichkeiten 19

(aufgeteilt nach Wahrnehmungsbereichen)5.4 Schwierigkeiten beim Schreibenlernen. 23

Was tun?6. Gestaltendes Arbeiten 24

6.1 Modellieren/Kneten6.2 Malen und Zeichnen 256.3 Weitere Techniken6.4 Schreibmotorische Übungen 266.5 Sich bewegen 27

7. Üben der Grundformen (Vorkurs) 287.1 Voraussetzungen für die Erarbeitung eines

Buchstabens7.2 Grundformen der Schrift und Zuordnung zu 29

den Alphabeten8. Einführung in die Schriftsprache 31

8.1 Verbindung Schreiblehrgang mit Leselehrgang8.2 Buchstaben und erste Wörter8.3 Grundschritte bei der Erarbeitung eines 32

Buchstabens8.4 Grundschritte bei der Erarbeitung eines Wortes 33

9. Aufbau der Schreibsicherheit, Wörter und Sätze 3410. Einsatz des Schulfüllers 3611. Druckschrift als Erstschrift 3712. Weiterführende Schriftpflege und Schriftgestaltung 38

12.1 Eine Problemanalyse12.2 Schriftpflege in der Grundschule12.3 Anregungen für die Unterrichtspraxis 39

13. Schreibmaterial und Umwelt • Beschaffungstips 4214. Heftlineaturen • Computerschriften 4315. Gestühl • Sitzhaltung • Beleuchtung 4416. Literaturverzeichnis 45

Inhaltsübersicht

Grundlagen

Praxis

Anhang

Autoren:Albrecht FredeDirektor beim Niedersächsischen Landesinstitut fürLehrerfortbildung. Vorsitzender der ArbeitsgemeinschaftSchreiberziehung (AGS).

Irmhild KleinertGrundschullehrerin in Groß Schwülper. FachseminarleiterinDeutsch. Autorin von Schreiblehrgängen. Mitglied der AGS.

Co-Autorin:Rosemarie KöhlerGrundschul-, Hauptschul- und Sonderschullehrerin.Fachberaterin für sonderpädagogische Aufgaben.

Sehr geehrte Damen und Herren,

„Praxis des Schreibenlernens“ ist ein Titel mitTradition. Als fibelunabhängige Unterrichtshilfehat dieser Leitfaden eine Verbreitung gefunden,die ihresgleichen sucht.

Dem Haus Pelikan ist es seit Jahrzehnten einbesonderes Anliegen, neben Produktion und Vertrieb hochwertiger Schreib- und Malmateria-lien auch entsprechendes Unterrichts-Know-how weiterzuvermitteln – und das schwerpunkt-mäßig für die Bereiche „Schreibenlernen“ und„Kunstunterricht“. Daraus hat sich eine engeund fruchtbare Zusammenarbeit mit vielen Fach-pädagogen aus Schule und Hochschule ent-wickelt. Das Ergebnis: Besonders schulgerechteProdukte einerseits sowie eine Palette did.-meth.Unterrichtshilfen für LehrerInnen, SchülerInnenund Eltern andererseits.

Die Broschüre „Praxis des Schreibenlernens“ inder Version von 1991 wurde gründlich überarbei-tet und im Umfang wiederum erweitert. Ihnen undIhren Schülerinnen und Schülern wünschen wireinen erfolgreichen Schreib-Unterricht.

Ihr Pelikan-Teamvom Zentrum Moderne Schule

Pelikan Zentrum Moderne SchulePostfach 110755, 30102 Hannover

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Page 3: Praxisschreiben1_22

1

Vorwort der Autoren

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor Ihnen liegt das gründlich überarbeitete Schreiblehrsystem „Praxis Schreibenlernen“ – und was bringt es Ihnen?

Es bringt Ihnen Neues und Ergänzendes aus der Theorie, das aucheiner allgemeinen Praxis standhält. Und wir bieten Ihnen dasjenigeaus der Praxis, was erfolgreich erprobt ist und theoretisch begrün-det werden kann.

� Den Abschnitt „Feststellen der Ausgangslage“ haben wir unterdem neuen Titel „Feststellen und Fördern der Lernvorausset-zungen“ erheblich ausgeweitet. Dafür konnten wir als Ko-Auto-rin Rosemarie Köhler gewinnen.

� Schul-Ausgangsschriften auf dem Computer gehören fastschon zu den Standardwerkzeugen für die Grundschule – auchdieses Thema haben wir mit aufgenommen.

� Die wesentlichen Teile der Rechtschreibreform haben wir beider Überarbeitung berücksichtigt.

Zur Orientierung für Leserinnen und Leser:

Der erste Teil enthält die Grundlagen bzw. die Theorie! Darin werden Fragen erörtert, die unverzichtbar sind, bevor man das erste Mal einer Klasse 1 „guten Morgen“ wünscht.

Der zweite Teil ist der Unterrichtspraxis gewidmet. Sie finden dort eine Fülle von Anregungen – auch für die kleinsten Schritte.Und das für alle Ausgangsschriften.

Im Anhang finden Sie u. a. die Themen „Schreibmaterial und Um-welt“, „Heft-Lineaturen“, „Computerschriften“, „Gestühl/Sitzhaltung/Beleuchtung“ und das „zentrale Literaturverzeichnis“ für diese Bro-schüre.

Lesen Sie nur den ersten Teil, dann sind Sie zwar schlauer, wissenaber nicht wie es geht. Lesen Sie nur den zweiten Teil, dann wissenSie wie es geht – aber nicht warum. Lesen Sie alles, dann wird Ihnen Schreibenlehren gelingen.

Durch zahlreiche Zuschriften aus den neuen und alten Bundes-ländern haben wir die Gewissheit:Selbst erfahrene „Schreib-Lehr-Expertinnen“ – sprich langjährigeGrundschul-Kolleginnen – haben in „Praxis des Schreibenlernens“stets noch Neues für ihren Unterricht entdeckt.

Eine solche didaktisch-methodische Schrift lebt von der ständigenKommunikation und inhaltlichen Aktualisierung. Bitte schreiben SieIhre Meinungen, Anregungen und Kritiken an die „Arbeitsgemein-schaft Schreiberziehung, Postfach 103, 30001 Hannover“.

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1. Bedeutung und Ziele des Schreibenlernens

1.1 Was ist Schreiben?

Experten-Zitate

„Schreiben umfasst weit mehr als nur das Erlernen der Schrift.Schreiben ist immer zugleich die Umsetzung der gesprochenenSprache in geschriebene Sprache. Insofern ist die gesprocheneSprache die Basis für das Schreiben . . . das Erlernen der Schrift-sprache ist auch nicht nur eine Aneignung der Schreibtechnik . . .Insofern ist die Aneignung der Schriftsprache ein vielschichtigerProzess, der sowohl an die perzeptorischen als auch intellektuel-len Fähigkeiten der SchülerInnen hohe Anforderungen stellt.“(Grünewald, 1990)

„ . . . ein komplexer, in hypothesentestender Aneignungsweise ab-laufender Problemlösungsprozess, bei dem sowohl motivationaleund intellektuelle als auch motorische Aspekte zum Tragen kom-men.“ (Spitta, 1988)

„Schreibenlernen ist mehr als Aneignung der Form der Buchsta-ben im Bewegungsvollzug. Es stellt eine sprachanalytische Tätig-keit des Kindes dar.“ (Dehn, 1988)

„Die Schrift ist ja nicht nur bewegte Spur im motorischen Ver-ständnis, hinter der schreibenden Hand sitzt eben tatsächlich einganzer Mensch! Seine beweglich schreibende Hand wird von in-nerer geistig-seelischer Bewegung, Bewegtheit, Beweglichkeitgetrieben, gelenkt, gesteuert. Der schreibende Mensch ist be-wegt!“ (Bärmann, 1979)

„Zieht man das Fazit . . . zur Psychologie der geschriebenenSprache, so kann gesagt werden, dass die geschriebene Sprachein ihren Funktionsgrundlagen einen völlig anderen Prozess dar-stellt als die gesprochene. Sie ist die Algebra der Sprache, dieschwierigste und komplizierteste Form der absichtlichen undbewussten Sprachtätigkeit.“(Wygotzki in Schorch, 1983)

Seit Menschen schreiben, sind stets drei konstituive Funktionendaran beteiligt:

� die kommunikative(mit welcher Absicht schreibe ich, an wen, zu welchem Zweck),

� die normgerechte(nur wenn ich Normen einhalte, kann das Geschriebenegelesen und verstanden werden),

� die ästhetische(Schrift kann ansprechend oder abstoßend gestaltet werden).

Jede Vernachlässigung oder Überbetonung einer dieser Funktio-nen gefährdet das Ergebnis des Schreibens (als einer Sonder-form des Sprachgebrauchs). Zwischen den Funktionen bestehenvielfältige Bezüge.

Sicher ist im Schreib-Lern-Prozess die stets gleiche Gewichtungaller drei Funktionen nicht möglich. Jedoch sollte kein Teilbe-reich ausgeblendet oder auf später verschoben werden – z. B.: Zuerst die Schreibtechnik (N), dann die Gestaltung (Ä) unddanach entdecken wir die kommunikative Dimension des Schrei-bens (K).

� eine gut lesbare Handschrift zu schreiben (normorientiert –aber keine seelenlose Normschrift),

� ökonomische und flüssige Schreibbewegungen auszuführen(Schreibtempo entwickeln – ohne Schriftzerfall),

� orthografisch und syntaktisch richtig zu schreiben (schrittwei-ser Entwicklungsprozess) und

� Schreiben als eine (stets wiederkehrende) Möglichkeit zuerkennen, persönliche Gestaltungsbedürfnisse, Formgebungund Raumaufteilung zu verwirklichen.(Schreibsicherheit macht frei zur Schriftgestaltung.)

1.2 Funktionen des Schreibens

1.3 Ziele des Schreibenlernens sind

Kommunikative Funktion(aufzeichnen, mitteilen, festhalten)

Norm-Funktion(vereinbarte Formgebung

für jeden Buchstaben,Rechtschreibung, Schreibtechnik)

Ästhetische Funktion(Formgebung und

Raumverteilung alsindividuelle Gestaltung)

K

ÄN

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2. Was Lehrende wissen und können müssen Grundlagen

2.1 Aspekte des Schreibenlernens

Die Grafik zeigt auf einen Blick nahezu alle Teilaspekte desSchreibenlernens und -lehrens. Damit wird die hohe Komplexitätdieses Lernbereichs für Lehrende wie vor allem für Lernende

deutlich. Eine solche Übersicht hilft Ihnen, den eigenen Wissens-,Könnens- und Reflexionsstand zu überprüfen bzw. Lücken zu er-kennen.

Aspekte des Schreiben-lernens

Schreiben-lernen,

Schreibenlehren

Schriftart

rechtliche Situation

Konferenzbeschlüsse

Rahmenrichtlinien

Informationsmaterialien

Wesensmerkmale der Erstschrift

Einzelbuchstaben und Verbindungen

Groß- und Kleinbuchstaben

Strukturiertheit der Schrift

Beherrschung der Schrift (durch LehrerIn)Tafelschreiben

Lehrmittel: Anschauungstafel · Buchstabenhaus

Schreiblehrgang · Übungsblätter

Didaktische Grundlagen

Schreiben als Instrument kommunikativen Handelns

Physiologische Aspekte

Schreiben als Kulturtechnik/als normorientierte Fertigkeit

Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung

Ziele des Schreibenlernens

Schreiben als ästhetisches Ausdrucksmittel

„Schön schreiben“ · Schrift gestalten · Kunstschrift

Lernentwicklung

Weiterführendes Schreiben

Schreibbeschleunigung

Schriftproben · SchriftbeurteilungWahlformen

Elternhaus

Materialien

Schreibgeräte – schülergerecht

Übungspapiere · Arbeitsblätte

r

Differenzierender M

aterialeinsatz

Heftführung

Lineaturen · Hefte

· Umweltaspekte

Technisches

Licht · Tisch und Stühle · S

itzhaltung

Sitzplatz · Sitzordnung · G

riffhaltung

Begleitende Faktoren

Abschreiben

Rechtschreibaspekte

Verbindung mit Lesen

Kommunikative Schreibhandlungen

Schreibanlässe

Freies Schreiben · Freiarbeit

Methode

Lernausgangslage · Linkshänder

Flankierendes Training Hand/Auge/Körper:

Formen · M

alen · Bewegen · G

estalten

Einführen und Üben von Buchstaben,

Differenzieren · S

chreiben von Wörte

rn und Texten

Konditionierung der S

chreib-Fähigkeit, Hausaufgaben

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2. Was Lehrende wissen und können müssen

2.2 Bedingungen vor dem Start

Lehrerinnen und Lehrer, die ein erstes Schuljahr übernehmen,müssen sich auf folgendes einstellen:

� Schreiben(lernen) ist ein höchst komplexer, häufig unter-schätzter Vorgang.

� Die dabei zugrundeliegenden kognitiven und physiologischenBedingungen sowie psychischen Funktionen befinden sichbeim Schulanfänger noch inmitten bzw. am Anfang der Ent-wicklung.

„Offenes Schreiben kann nur im Zusammenhang mit offenem Un-terricht gesehen werden“, was meint, „Varianten und Abstufungenvon Offenheit im Unterricht selbst.“(Heuß, 1990)

� Schreibenlernen erfordert deshalb unterrichtsmethodisch einhohes Maß an innerer Differenzierung.

� Schreibleistungen der SchülerInnen zeigen – anders als beimLesen – von Anfang an sichtbar persönliche Merkmale.

� Um alle SchülerInnen zum Ziel zu führen (kein Kind erlerntdas Schreiben in gleicher Weise wie ein anderes), ist eine ge-naue Diagnose erforderlich.

Deutlich muss darauf hingewiesen werden, dass offener Unter-richt speziell im Schreiblernprozess seine Grenzen hat, „weilein Curriculum vorgegeben ist, das erfüllt werden muss. D. h., dieLehrerin kann nicht warten, bis das Kind Lust verspürt, Schreibenzu lernen“. Rechtschreiben, Grammatik und Syntax bedürfen „derAnleitung – der korrigierenden und helfenden Interaktion miteinem Könner“.

2.3 Schreiben in offenen Lernsituationen*

* Grundlage dieses Abschnittes ist eine umfassende Analyse dieser Frage von G. Heuß, in: Grundschule 6/1990.

Anregende RaumgestaltungRuhezonenMedienangebote, die dasSchreiben (-können)herausfordern

Lehrerin hilft beim Einstieg mit Neuem( Material, Aufgabenstellung, Medium )

Situation / Schüler

Aktion / Lehrer

Situation / Schüler

Aktion / Lehrer

Situation / Schüler

Aktion / Lehrer

Situation / Schüler

Aktion / Lehrer

Umgebungmotiviert

pädagogische" Gewinne "

Schüler sollenlernen,

selbstverantwortlichzu lernen

Lernwegeder Schüler sind

unter-schiedlich

Lehrerin regt an, motiviert, "verlockt",grenzt ein, korrigiert vorsichtig,beobachtet Lernfortschritte

Materialvielfalt ermöglichtVielfalt der LernwegeSchüler gestalten selbst" innere Differenzierung "

Lehrerin reagiert daherunterschiedlich

Kindliche Interessen kommen zurGeltungKonzentration ohne LeistungsdruckLern- und Arbeitstempo sind freiFreude am Gestalten findet RaumErfolgserlebnisse werden gefördert

Lehrerin hilft und lenkt-so wenig wie möglich, so viel wie nötig

Freiräume gewährenDas Wechseln von Materialien, Schreib-zeiten, Schreibanlässen, Schriftenund dgl. zulassenSchüler setzen sich selbst Ziele

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2. Was Lehrende wissen und können müssen Grundlagen

2.3.1 Freies Schreiben

Die didaktische Diskussion um den offenen Schriftspracherwerbbefasst sich seit einigen Jahren wieder mit dem „freien Schrei-ben“, einem Anliegen der Reformpädagogik. In der pädagogi-schen Literatur, in Richtlinien und vor allem in der Praxis wird heu-te dem „freien Schreiben“ immer mehr Raum und Bedeutung ge-geben.

Freies Schreiben geht von freien Schreibformen des Kindes aus –also von seinen speziellen Interessen. Freies Schreiben ist imweitesten Sinne fächerübergreifend. Entfaltung von Schreibfreu-de steht im Vordergrund. Zu einem von ihnen gewählten Zeit-punkt und in ihrem Tempo dürfen die Kinder zu einem ge-wählten Thema schreiben. Die Motivation zum Schreiben stehtsomit im Mittelpunkt des didaktischen Ansatzes. Kinder sind dannmotiviert, wenn ihnen das Schreiben einAnliegen ist, d. h., wenn sie überetwas schreiben können, über dassie schreiben wollen. So finden sich inden freien Schreib- produkten dieunterschiedlichsten Interessen der Kinder wieder und der Identifi-kationsgrad ist erheblich größer als bei vorgegebenen Themen.Schreibend bewältigt das Kind die eigene erlebte Lebenswirklich-keit. Erfahrungen, Gedanken und Empfindungen lassen sich aus-drücken – das kommt den natürlichen Bedürfnissen sehr entgegen.

Frei in diesem Sinne meint aber nicht unbeeinflusst, sondernunterstützt durch gezielte Hilfen und Anregungen. Zwar darf dieSchreibmotivation nicht durch Vorgaben (Satzbau, Wortwahl oderStil) gedämpft werden, sondern muss die eigene Sprache derKinder zulassen, doch können Probleme, die beim Schreibenoder beim Veröffentlichen des Endprodukts auftreten, aufgegriffenund in Lehrgangsphasen bearbeitet werden – zunächst mit derLehrkraft, später durch eine Schülergruppe.(Schreibkonferenz/Spitta).

Besonders der Erstunterricht hat durch den neuen Ansatz in derSchreibdidaktik eine stärkere Veränderung erfahren. Der traditio-nelle Schreibunterricht – additiv und systematisch aufgebaut –wird erweitert, ja teilweise ersetzt durch den sogenannten Sprach-erfahrungsansatz. Durch Beobachtungen bei Vorschulkindernund ihre frühen spontanen Schreibversuche weiß man, dass siebereits schriftsprachliche Kenntnisse mit in die Schule bringen.Daran muss didaktisch angeknüpft werden, um den hohen Moti-vationsgrad zu nutzen. Kinder schreiben ihre Namen und ersteihnen wichtige Wörter in Druckschrift. Individuelle Entwicklungs-stufen im Schriftspracherwerb können daran abgelesen werden.

Bei diesen Schreibversuchen handelt es sich um komplexeSprachhandlungen auf einer bestimmten Entwicklungsstufe, ohneRücksicht auf Unsicherheiten in der Schreibmotorik und in derRechtschreibung. Anhänger dieser spontanen Methode, die esden Kindern weitgehend überlässt, die Schriftsprache selbst zuerlernen (Brügelmann, Balhorn, Dehn, Spitta, Bergh), lehnensystematisch gesteuerte Lehrgänge ab.

Kinder sollen aktiv entdeckend über eigene Schreib-versuche Schriftsprache erobern. Die Lehrkraft hilft demeinzelnen Kind dabei.

Von vornherein wird hier der kommunikative Aspekt des Schrei-bens, also das sinnvolle Schreiben, in den Mittelpunkt gestellt.Die Texte der Kinder werden – so unvollkommen sie auch aus derSicht des Erwachsenen scheinen – grundsätzlich als positiv zubewertende Stufen im Schreiblernprozess angesehen. Somit er-fahren die Kinder hierbei viel mehr Anerkennung und Ermutigungals im lehrgangsorientierten Unterricht.

Zu warnen ist allerdings davor, diesen Ansatz zu dogmatischund einseitig zu vertreten. Marianne Liedl sieht Defizite in derDidaktik des freien Schreibens. „Viele Kinder werden durchein Übermaß an freiem Schreiben überfordert! Schriftver-gleiche aus gesteuerten und aus offenen Schreibsituatio-nen zeigen eklatante Diskrepanzen.“ (1988, S. 23)

Schreiben ist Schreibbewegung, Raumgestaltung, Formgebung,Sinngebung und Sprachbildung zugleich und stellt damit einekomplexe psychomotorische Fähigkeit dar. Deshalb müssen kom-munikative, ästhetische und auch normorientierte Elemente derSchrift miteinander verbunden werden. Bisher übliche Lehr- undLernformen – das zeigen viele erfahrene Praktikerinnen undPraktiker – lassen sich gut mit den neueren Ansätzen kombi-nieren.

Wir haben immer wieder beobachten können, wie neue Ideen,didaktische Entwicklungen – mitunter kontrovers geführt – imNachhinein sehr einseitig verlaufen sind. Nicht zu Unrecht beklag-te Erscheinungen unserer Tage (schlechte Schülerschriften)sollten davor warnen, die Kinder einfach „drauflosschreiben“ zulassen, andererseits sie auch nicht bei ihren freien Schreibver-suchen zu hemmen.

Nicht das Ablösen einer Richtung, sondern die Integrationpositiver Ansätze aus verschiedenen Bestrebungen solltedas Schreibenlernen bestimmen.

In Form „didaktischer Schleifen“ oder Lehrgangsphasen könnenKinder in die Technik des Schreibens eingeführt werden. InÜbungsphasen können Wörter rechtschriftlich gesichert und Bau-steine zum sprachgestaltenden Schreiben erarbeitet werden,ohne dass die Kinder die Motivation zum Schreiben verlieren. Soverstanden behalten auch in einem erfahrungsoffenen UnterrichtÜbungen ihre Bedeutung, wenn sie sich danach wieder in Hand-lungssituationen niederschlagen.

Besonders im ersten Schuljahr muss die noch mangelhaft ausge-bildete Schreibmotorik (hier gibt es große individuelle Unterschie-de) gezielt ausgebildet werden. Dies kann und muss in einer kin-derorientierten Didaktik in unterschiedlichen Formen geschehen:Mit der gesamten Lerngruppe (z. B. beim Erlernen der Schreib-motorik eines Buchstabens), mit einer Kleingruppe oder auch in-dividuell. Das ausschließlich freie Schreiben gerät dort an seineGrenzen, wo das Kind nicht weiterkommt.

So zeichnet sich moderner Schreibunterrichtaus durch Freiheit und Gebundenheit – orien-tiert an der Lerngruppe und am einzelnen Kind.

(..) = Literaturangaben, Seite 45

Schreibendbewältigt das Kind

die eigeneLebenswirklichkeit

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2. Was Lehrende wissen und können müssen

2.4 Schreiben als kommunikativesHandeln

Fast alle SchulanfängerInnen sind hochmotiviert, Schreiben zulernen.

Deshalb ist es ein besonders wichtiges Ziel von Schule undUnterricht, diese Motivation für das Schreibenlernen und Schrei-ben zu erhalten und zu verstärken – in Einzelfällen auch erst zuwecken und zu entwickeln.

Die meisten Kinder können aus der Vorschulzeit schon (etwas)schreiben – und zwar im Regelfall in Druckschrift. Ihre Schreib-freude drückt sich bei unterschiedlichsten Anlässen in kleinenBriefen, Mitteilungen, Notizen und Nachrichten aus. Damit kommtschwerpunktmäßig das kommunikative Bedürfnis zum Aus-druck. Dieses einerseits zu fördern und andererseits in den schu-lischen Schreiblernprozess zu integrieren, ist die hohe (pädagogi-sche und didaktische) Kunst des Schreibenlehrens.

Beginnt nun der schulische Schreiblehrgang ebenfalls mit derDruckschrift, so entsteht ein didaktisch idealer „Markt“ für lehr-gangsbezogene und lehrgangsunabhängige Schreibaktivitäten,die auch als „spontanes“ oder „freies“ Schreiben bezeichnet wer-den (siehe Seite 5).

Eine Integration von lehrgangsunabhängigen (spontan funktiona-len) Schreibanlässen einerseits und lehrgangsorientierten (direktvermittelten) Schreibaufgaben andererseits wird von G. Spitta inprägnanter Weise entwickelt:

Lehrgangsunabhängige Anlässe

� entstehen häufig als funktionale Schreibsituationen imZusammenhang damit, dass der ganz gewöhnlicheSchulalltag gemeinsam mit den Kindern geregelt wird(Tagesplan, Wochenplan, Stundenplan) und solcheRegeln von den Kindern festgehalten werden,

� umfassen von den Kindern ausgelöste oder gewünsch-te Schreibaktivitäten (Darf ich auch mal Schreibma-schine schreiben? Schreibst du mir auch, wenn ich dir schreibe?),

� entstehen im Zusammenhang mit der Bewältigung vonUnterrichtsvorhaben, die durch Kinder oder Lehrerangeregt wurden (Wenn wir Plätzchen backen wollen,brauchen wir eine Liste mit den Zutaten . . .),

� tragen dem Bedürfnis der Kinder Rechnung, sichschreibend der Klasse, der Lehrerin als Individuum zupräsentieren (Ich habe ein Bild gemalt und dazu ge-schrieben. Ich habe ein ganzes Buch für die Klassegeschrieben),

� entstehen „unbemerkt“, fast nebenbei – häufig mitRätselcharakter – im Spiel . . .

„Schrift endecken“ und „Unterweisung im Schreiben“ müssenstattdessen produktiv aufeinander bezogen werden, wobei sichdie „Unterweisung“ allerdings am Schrift-(Sprach)-Entwicklungs-stand des Kindes orientieren muss und nicht an der standardisiertgeplanten Stufenfolge eines Schreiblehrgangs. Je nach Art desaktuellen Lernprozessgeschehens, ob mehr „entdeckend“ odermehr „gezielt trainierend“, ist ein unterschiedliches Lehrverhaltenerforderlich . . .

Die Ergebnisse solcher Schreibversuche, in denen das Kind un-behelligt und unbelastet sein eigenes Schrift-Sprach-Verständnisaufbauen kann, bedürfen, um Schreibfreude und Schreibwillen zuerhalten, einer warmherzigen Würdigung durch die Lehrerin, auchwenn dies durch das für Erwachsene fehlerhafte Äußere schwer-fallen mag. Die anschließende . . . Analyse durch die Lehrerin er-gibt Hinweise auf die in den nächsten Phasen angebrachtenSchwerpunkte . . . des direkten und stärker kontrollierten Lernens,das dem Kind helfen soll, die notwendigen „Sicherheiten“ im Um-gang mit der Schrift-Sprache aufzubauen. In diesem Sinne ste-hen „Experimentieren“ und „Sicherheit aufbauen“ in einer produk-tiven . . . Wechselbeziehung. (Spitta, 1988)

Rechtschreiben ist ein „Kapitel für sich“. Dieser Teilbereich derSchriftsprache füllt Bücherregale. Wissenschaft, Didaktik undSchulpraxis sind hier nach wie vor auf der Suche nach echten Zu-kunftslösungen. Deshalb kann hier nur auf wesentliche Aspekteeingegangen werden, die in engem Zusammenhang mit demSchreiblehrgang stehen. Rechtschreiben lernen im Schreib-Lern-Prozess wird objektiv im Wesentlichen von vier Faktoren be-stimmt:

� der Schriftart – dem Medium für Schreiben,

� dem Grundwortschatz – dem Basismaterial,

� der Vermittlungsmethode,

� dem Erlernen und Anwenden orthografischenRegelwissens.

„Jeder Lernprozess wird leichter, wenn die Sache, die wir uns ein-prägen wollen, klar gegliedert und gut durchschaubar ist. Dieserallgemeine Grundsatz trifft auch für die Schrift zu. Ihre Strukturspielt sowohl bei der Wahrnehmung als auch beim Umsetzen dergraphischen Form in eine Schreibbewegung für das Einprägenvon Wortbildern eine wichtige Rolle. Je nach Schriftart kanndieser Prozess beschleunigt, aber auch verzögert werden . . .

Die visuelle Wahrnehmung, die Zuordnung von Sprechen undSchreiben und der Aufbau einer klaren Bewegungsstruktur bewir-ken, dass allein durch den Grad der Strukturiertheit einer Schriftdie Rechtschreibleistungen von Schülern im 1./2. Schuljahr ver-bessert werden können.“ (Grünewald, 1990).

Dieser ist häufig durch Rahmenrichtlinien bzw. Lehrwerke ganzoder größtenteils vorgegeben. Hier gilt aber der Erfahrungssatz„Weniger ist mehr“. Das heißt, 60 bis 90 sicher konditionierteWörter im 1. Schuljahr bilden eine festere Grundlage als ehrgeizi-ge 120 Wörter auf schwankendem Boden.

(..) = Literaturangaben, Seite 45

2.5 Schreibenlernen und Rechtschreiben

2.5.1 Schriftart

2.5.2 Grundwortschatz

Page 9: Praxisschreiben1_22

Schüler, befragt nach ihren Merkstrategien, geben von sich ausdem Lehrer die wichtigsten methodischen Hinweise: anschauen(lesen) – Besonderheit(en) finden und merken – aufschreiben –vergleichen – wiederholen.

„Die guten Rechtschreiber haben offenbar eine bessere Kenntniseffektiverer Strategien zum Behalten eines Wortes bzw. ein me-thodisches Vorgehen, das verschiedene Aktivitäten (anschauen,aufschreiben etc.) umfasst, während die schwachen Rechtschrei-ber sprechmotorische Lösungen (Silben) bevorzugen bzw. weni-ger Übungsmöglichkeiten angeben.“ (Valtin, 1986)

Regelmäßiges, konsequentes und kontrolliertes Üben – dasnicht zu lange, aber täglich erfolgen sollte – auf der einen Seiteund die Vermittlung von Arbeitstechniken, Methoden des Mer-kens und Strategien des Lernens auf der anderen Seite: Das istder didaktische Kurs, um zu guten Rechtschreibleistungen zuführen.

Im Moment, in dem der Schüler mehrere Buchstaben und diesezu Wörtern verbunden schreiben lernt, setzt die Rechtschreibungein. Der Schüler muss den/die Buchstaben richtig erkennen ler-nen, sie von ähnlichen unterscheiden, sich ihre jeweilige Lautqua-lität und ihre Position im Wort fest einprägen. Jedes neueSchreibwort muss in seiner Klanggestalt von Lehrern undSchülern deutlich gesprochen und inhaltlich geklärt werden.

Nochmals der Hinweis, den Umfang des Schreib-Grundwort-schatzes in Klasse 1 nicht über 90 auszuweiten. Die Lernpsy-chologie hat festgestellt, dass sich lernschwächere Schüler indiesem Zeitraum nicht mehr Wörter einprägen können. Das heißtwiederum, dass die erlernten Wörter in vielfältigen neuen Sinn-zusammenhängen geschrieben werden müssen.

Wie im Einzelnen vorzugehen ist, hängt von den Buchstaben, denBuchstabenverbindungen und dem gesamten Wort ab, das gera-de eingeführt wird. Wichtig ist, dass das Neue mit bereits Be-kanntem auf Gleichheiten und Unterschiede hin gemeinsamuntersucht wird (Wahrnehmungstraining). Der neu zu erlernendeBuchstabe – bzw. eine Buchstabenverbindung – sollte in bekann-ten, erlesbaren oder einfach strukturierten Wörtern erscheinenund besonders hervorgehoben werden.

Dabei erkennen die SchülerInnen dessen Lautqualität sowieseine Position im Buchstabengefüge des Wortes. Mit solchen undweiteren Übungsvarianten wird die Speicherfähigkeit des Wort-bildgedächtnisses gesteigert und führt dadurch zu einer deut-lichen Verbesserung der Rechtschreibleistungen.

Wenn die Forderung erhoben wird, Wörter „in einem Zug“ ab-oder aufzuschreiben, so ist damit gemeint, dass der Schüler nichtBuchstabe für Buchstabe auf die Vorlage schaut. Nicht gemeintist, dass das Schreibgerät pausenlos in Bewegung sein muss.

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2. Was Lehrende wissen und können müssen Grundlagen

2.5.3 Methode (Schreiben = Rechtschreiben) Natürliche Haltepunkte können selbstverständlich wahrgenom-men werden. Das sind Punkte, an denen die Schreibbewegungfür einen Moment gleich Null ist. Diese Stellen werden Nullpunk-te genannt.

In einer wissenschaftlichen Untersuchung wurde die Bedeutungdes Haltens für das Schreibenlernen und die Rechtschreibungfestgestellt:

„Vor allem Schulanfänger müssen beim Schreiben noch häufiganhalten, weil sich die Koordination von Einzelbewegungen erstallmählich ausbildet. Außerdem wirkt sich ein häufiges, kurzesAnhalten eher positiv als negativ auf den Schreibvorgang aus.Schüler mit einer guten Handschrift und guter Rechtschreibunglegen im Durchschnitt mehr schreibmotorische Pausen ein alssolche mit einer schlechten Schrift und schlechter Recht-schreibleistung. Jene benutzen das Anhalten zur Strukturierungder Schreibbewegung, was sich vorteilhaft auf die Schriftqualitätund die Rechtschreibung auswirkt. Will man diesen Sachverhaltbeim Einüben von Wörtern berücksichtigen, muss man den Kin-dern „Parkplätze“ anbieten, die sich sachgerecht dem Verlauf derSchriftspur einfügen. Für das Einprägen eines sachadäquatenBewegungsbildes sind die Nullpunkte die geeignetsten Haltestel-len, weil durch das Halten an diesen Stellen der Bewegungsflussnicht unnötig unterbrochen wird.“ (Grünewald, 1970)

Abschreiben muss gelehrt und gelernt werden. Grundsatz für dieLernstufen des Abschreibens ist genaues Wahrnehmen, sich dasWortbild einprägen und fehlerfrei niederschreiben.

In kleinen Schritten heißt das:

� die Schüler sehen das neue Wort,� sie lesen es laut,� sie schreiben es in der Luft nach,� das Wort wird verdeckt, die Schüler schreiben es in der

Luft ohne längeres Anhalten nach.� Nun wird es ihnen nochmals gezeigt,� danach schreiben sie das Wort, nachdem es wieder

verdeckt worden ist, in ihr Heft.� Jetzt wird ihnen das Wort zur exakten, buchstabenwei-

sen Eigen- oder Partnerkontrolle gezeigt. Beim Schrei-ben in der Luft und auf Papier sollten die Schüler dieLautfolge der Buchstaben leise mitsprechen.

Dieses praktiziert auch der Lehrer beim Schreiben an der Tafel.Es ist festgestellt worden, dass das leise Mitsprechen die Recht-schreibung wesentlich unterstützt.

Selbstverständlich lassen sich diese Stufen variieren. Bei zuneh-mender Sicherheit der Schüler ist die Schrittzahl zu verringern.

Entscheidend wichtig ist es, nach dem Anschauen ohne längereZwischenhalte zu schreiben. Zwischenhalte und wiederholtesHinsehen zur Vorlage stellen eine der hartnäckigsten Fehler-quellen dar.

(..) = Literaturangaben, Seite 45

2.5.4 Richtiges Abschreiben

Page 10: Praxisschreiben1_22

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2. Was Lehrende wissen und können müssen

2.5.5 Regelwissen

Wichtig ist, zu erkennen, dass Schreibanfänger erst am Beginnder Entwicklung stehen, die „rechte Schreibung“ als fragwürdig zuempfinden bzw. orthographisches Regelwissen bewusst analy-tisch anzuwenden (vgl. Dehn, 1988). Das bedeutet nicht, die Ver-mittlung von Regeln auf später zu verschieben. Vielmehr solltendie Erwartungen, dass sie von Schülern umfassend begriffen undauch angewendet werden, auf einen längeren Zeitraum ausge-

dehnt werden. Bis dahin sollten kindliche „Eigen-Regeln“, Regel-verkürzungen und -verdrehungen als Durchgangsstadien einesEntwicklungsprozesses gewertet werden und nicht zum „Schrillender Alarmglocke“ führen.

Gerade der Teilbereich Rechtschreiben ist aufgrund seineslängerfristigen prozesshaften Charakters eine didaktisch-strategische Aufgabenstellung der Lehrkräfte aller Klassender Grundschule (insbesondere des Faches Deutsch und desFörderunterrichts).

Das Schreiblehrsystem

Mit der Arbeitsgemeinschaft Schreiberziehung (AGS) hat Pelikan dasSchreiblehrsystem entwickelt. Ergebnis dieser Zusammenarbeit mit Fach-pädagogen aus Schule und Hochschule war auch die Entwicklung undWeiterentwicklung der dazugehörigen Arbeitsmittel. So z. B. die Pelikan-Schreiblernhefte und -Schreibgeräte für alle Stufen des Schreibenlernens.

Bitte beachten Sie die Produktinformationen und Angebote über Unter-richtshilfen aus dem Haus Pelikan.

Undifferenziertevorschulische

Kenntnisse

Schrift-art

Methode Wortschatz Rechtschreib-Regeln

Motivation

Merkfähigkeit

Rechtschreibleistung

SchulischeFaktoren

im SchülerliegendeFaktoren

Alle vier Bestimmungs-faktoren sind im schu-lischen Lehrgang wech-selseitig miteinanderverbunden. Der indivi-duelle Lernerfolg wirdferner beeinflusstdurch :a) die Motivation für Schreiben und Schreibenlernen undb) die Merkfähigkeit (speichern, reprodu- zieren, anwenden)

(..) = Literaturangaben, Seite 45

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2. Was Lehrende wissen und können müssen Grundlagen

2.6 2.7 Die Beurteilung von Schüler-Schriften

Es kann als gesichert gelten, dass die Lehrerschrift einer der Ein-flussfaktoren ist, die den Prozess und den Erfolg graphomotori-schen Lernens im Schreibunterricht deutlich mitbestimmen.

„Ein allgemeiner Zusammenhang zwischen Lehrer- und Schüler-schrift ist evident . . . dadurch, dass Lehrerschriften zur Übermitt-lung von Informationen dienen (Tafeltexte/Arbeitsblätter etc.), d.h.,

� da es sich hierbei um Lerninhalte handelt,� da die Zielgruppe aus Kindern besteht,� da Schrift selbst Gegenstand des Lernens ist,

sollte den Schreibanfängern unter keinen Umständen der Lern-vorgang erschwert werden.

Das ist aber der Fall bei unzureichender (Lehrer-)Schriftqualität,bei beeinträchtigter Lesbarkeit, z. B. durch individuelle Formver-änderung oder unübersichtliche Flächenaufteilung. Es kommt we-sentlich darauf an, dass die visuelle Aufnahme von handschriftlichvermittelter Information optimal ermöglicht wird“ – vor allem des-halb, weil eine schlechte Lehrerschrift optisch ebenso wahrge-nommen wird wie eine gute. Beide werden zu „Lern-Vor-Bildern“mit den entsprechenden Folgen.„Der individuellen Ausprägung von Lehrerschriften sindsomit deutliche Grenzen gesetzt.“ (Liedel, 1978)

Folgende Mängel wurden bei Lehrerschriften am häufigsten fest-gestellt:

� Veränderte Buchstabenformen,� individuelle oder fehlende Buchstabenverbindungen,� steilgestellte oder linksgeneigte Schriftlage,� unübersichtliche Abstände,� zu kleine Schrift.

LehrerInnen, die eine ihnen ungeläufige Schrift neu erlernen odereinst Beherrschtes auffrischen müssen, sollten dies mit den glei-chen Schreibgeräten, Heften und Übungsaufgaben tun, mit de-nen die Schüler arbeiten werden. Wesentliche Merkmale aller dreideutschen Ausgangs-Schreibschriften erschließen sich jedochnicht „auf den ersten Blick“. Inzwischen gibt es preiswerte Com-puterprogramme, die alle Ausgangsschriften vollautomatisch undabsolut korrekt schreiben – siehe Seite 43. So etwas kann geradefür die „lernenden LehrerInnen“ eine wichtige Hilfe sein.

Bei der Beurteilung aller Schreibarbeiten der Schüler sollte dasermutigende Wort im Vordergrund stehen, während Ermahnungund Kritik sparsam zu verwenden sind. Formen der Selbstkon-trolle, besonders aber der Partnerhilfe und Zusammenarbeit sindso früh wie möglich einzuüben.

Kriterien der Beurteilung:

a) Jeder Buchstabe muss so geformt sein, dass er mit kei-nem anderen verwechselt werden kann. – Eindeutigkeit!

b) Ober- und Unterlängen dürfen nicht verkürzt werden,weil die Lesbarkeit der Schrift dadurch leidet.

c) Im Wort muss sich jeder Buchstabe vom anderen klarabheben (Klarheit der Binnenstruktur). Der Verbindungs-strich hat die Aufgabe, zu „verbinden“ und darf nicht„verformt“ werden.

d) Die Schrift darf nicht zu stark rechts- oder linksgeneigtwerden, weil das zu einer Verengung der Auf- und Ab-striche führt und damit die Schrift schwer lesbar wird.

e) Soll das Gesamt-Raumbild der Schrift ansprechendund harmonisch wirken, so müssen der Abstand der Wör-ter zueinander sowie die Verteilung der Schrift auf derFläche ausgewogen sein.

f) Der Gesamteindruck der Schreibarbeit soll Sorgfalterkennen lassen.

g) Die Schreibleistung muss innerhalb eines vorgegebe-nen, zumutbaren Zeitraumes erbracht werden.

Schülerschriften 4. Schuljahr

LA-Schriften

VA-Schriften

(..) = Literaturangaben, Seite 45

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3. Fachbegriffe

Luftsprung Um schwierige Deck- undVerbindungsstriche nicht aus-führen zu müssen, wird dasSchreibgerät kurz vom Papierabgehoben und zu der Stelle„gesprungen“, bei der es weitergehen soll

Mittelband bezeichnet den Schreibraum, in dem diemeisten Buchstaben stehen – siehe Linien-system

Ober- und bezeichnet die Teile der Buchstaben ober-Unterlänge bzw. unterhalb des Mittelbandes

Pfötchengriff z. B. für Wand-tafelkreide unddicke Wachsstifte

Phonem Lautzeichen eines Buchstabens

Schräglage

linksschräg gerade rechtsschräg

Schriftarten DS = Druckschrift(Erstschrift) LA = Lateinische Ausgangsschrift

VA = Vereinfachte AusgangsschriftSAS = Schulausgangsschrift (ehem. DDR)

Struktur- Buchstaben- und Bewegungsstruktur sind beisynchronität der VA gleich, bei LA und SAS ungleich

Lateinische Ausgangsschrift/SAS

Schriftstruktur

Lautstruktur

Bewegungsstuktur

Vereinfachte Ausgangsschrift

Schriftstruktur

Lautstruktur

Bewegungsstruktur

Abstände bezeichnen die Räume zwischen den einzel-nen Buchstaben im Wort und zwischen den Wörtern

Anfangspunkt/ Schreibanfang bei Einzelbuchstaben undEndpunkt Wörtern bzw. Endpunkt

Deckstrich bezeichnet den Teil einiger Buchstaben, aufdem eine Bewegung sowohl hin- als auch zurückgeführt wird. Dabei wird der erste Teilder Bewegung nochmals überdeckt

Drehrichtung Beispiel 1. Linksdrehung2. Rechtsdrehung3. Linksdrehung

Graphem optische Gestalt eines Buchstabens

graphomotorisch schreibspurerzeugende Bewegung

Grundformen Bei Schreibschriften:

Ecke Arkade Oval

Girlande Acht Schleife

bei Druckschriften:

Gerade Kreis/Oval Halbkreis/Halboval

Haltestelle ist ein Punkt in der Schreib-spur, bei dem die Bewegunggleich Null ist, weil ein Rich-tungswechsel erfolgen soll

Kreuzungspunkt

Lineaturen die Gesamtheit derLiniensysteme Seite 43

Liniensystem OberlinieOberlinie des MittelbandesGrundlinieUnterlinie

1.

2.

3.

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4. Die Alphabete Grundlagen

4.1 Druckschrift (DS) 4.2 Lateinische Ausgangsschrift (LA)

Wo eine Druckschrift als Erstschrift zugelassen oder vorgeschrie-ben ist, lässt sich aus den Rahmenrichtlinien/Erlassen der einzel-nen Bundesländer entnehmen. Dort sind vielfach auch Druck-schrift-Alphabete als Richtformen abgebildet. Eine weitere Orien-tierung für Lehrkräfte bilden die Schrifttypen in der Fibel oder imSchreiblehrgang.

Vergleicht man die Schrifttypen miteinander, so stellt man fest,dass die Vielfalt sehr groß ist. Die allgemein gültige odergenormte Druckschrift gibt es nicht. Unterschiede zwischenLese- und Schreibbuchstaben können bei Schülern zu Irritationenführen. Hinzu kommen noch die Unterschiede zwischen steil undkursiv gestellten Typen.

Alphabet Bayern mit Ziffern Alphabet Hamburg mit Ziffern

Den Übergang von der Druckschrift zur verbundenen Schreib-schrift kann man dadurch erleichtern, dass die Druckbuchstabenbereits im Neigungswinkel der nachfolgenden Schreibschrift –also kursiv – geschrieben werden.

Pelikan bietet im Rahmen seines Schreib-Lehr-Systems neben hochwertigen Materialien eineganze Palette didaktisch-methodi-scher Unterrichtshilfen fürLehrerInnen, SchülerInnen undEltern.

Siehe dazu bitte

An den Schriften der erwachsenen Bundesbürger, die einmal dieLateinische Ausgangsschrift (LA) gelernt haben, ist ablesbar, inwelch hohem Maße diese die LA „verlassen“ – also wesentlichverändert haben. Diese 1953 auf der Kultusministerkonferenzvereinbarte Schrift war zwar gut gemeint (als Nachfolgerin der„Deutschen Normalschrift“ des 3. Reiches) – aber nie wissen-schaftlich und unterrichtlich erprobt. Untersuchungen sowie derAugenschein belegen, dass das Hauptziel, mit ihr eine bewe-gungsgemäßere Schreibschrift eingeführt zu haben, eben nichtzutrifft, weil nahezu jeder Schreiber individuelle „Ausweichfor-men“ wählt.

„Aufgrund empirischer Untersuchungen ist nachgewiesen, dassvon den drei genannten Alphabeten die Lateinische Ausgangs-schrift am schwersten zu erlernen ist (Weinert u. a. 1966; Grüne-wald 1970). Sie empfiehlt sich weder als Anschlussschrift an dieDruckschrift noch als Erstschrift. Zum einen ist sie schlecht ge-gliedert. Am fertigen Wortbild lässt sich nicht erkennen, an wel-chen Stellen ein Buchstabe anfängt bzw. endet.

Zum anderen liegen die von der Schriftspur vorgegebenen Mög-lichkeiten des Anhaltens (Nullpunkte) stets innerhalb und nichtzwischen den Buchstaben. Hinzu kommt, dass der gelernte Ein-zelbuchstabe je nach Stellung innerhalb des Wortes seine Formverändert. Das erschwert einen sukzessiven Schreibaufbau. Außerdem erfordern die Großbuchstaben der Lateinischen Aus-gangsschrift schwer zu schreibende Wellenlinien und Schleifen,die der Schüler im Anfangsunterricht mühsam erlernt, später aberin seiner ausgeschriebenen Schrift nicht mehr verwendet.

Diese hier aufgezählten Nachteile lassen sich vermeiden, wennman als verbundene Schrift die Vereinfachte Ausgangsschriftlehrt.“ (Grünewald/Warwel 1990).

Rückseite

(..) = Literaturangaben, Seite 45

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4. Die Alphabete

4.3 Schulausgangsschrift (SAS) 4.4 Vereinfachte Ausgangsschrift (VA)

Die Großbuchstaben sind stark den Druckbuchstaben angenähert(und zeigen eine hohe Ähnlichkeit mit den Großbuchstaben derVA). In einem Kommentar zur SAS (Kaestner/Tost, 1977) heißt es:

„Die Veränderung trägt verstärkt den Anforderungen an die Les-barkeit Rechnung durch Vereinfachung der Großbuchstaben. Dieunterscheidenden Merkmale wurden klarer herausgearbeitet. Beiden Kleinbuchstaben wurde eine zügigere Bewegungsführungdurch das Einbeziehen bewegungsökonomischer Momente (we-niger breite Bogen, kürzere Deckstriche) in der Formgebung er-reicht.

Die Veränderung des Leitbildes schafft zugleich bessere Voraus-setzungen für eine kontinuierlich angelegte Ausbildung derSchülerschrift durch die Vereinfachung der Formen der Groß-buchstaben sowie durch eine bewegungsökonomischere Gestal-tung der Kleinbuchstaben, wird einer verquetschten und hässlichverschnörkelten Schreibweise nicht mehr Vorschub geleistet.

Bedingungen für die Schönheit der Schrift wurden durch diespannungsvolle Gestaltung der Buchstaben geschaffen. In derSchrift bilden die Formkomponenten, die für die Lesbarkeit wich-tig sind, mit den Formkomponenten, die für eine natürliche bewe-gungsökonomische Ausführung notwendig sind, eine harmoni-sche Einheit. Die Buchstaben und Verbindungen sind so aufein-ander abgestimmt, dass sie die Bildung von gut überschaubarenWortbildern und Zeilen begünstigen.“

Diese positiven, eher visuellen Aspekte der SAS können jedochnicht verdecken, dass – wie bei der LA – Buchstabenstruktur undBewegungsstruktur asynchron sind, dass bei den Kleinbuchsta-ben eine leichte Veränderung, aber keine durchschlagende Ver-einfachung vorliegt, dass die Anzahl der Deckstriche und Dreh-richtungswechsel gleichgeblieben ist.

Auf der Grundlage der wissenschaftlichen Untersuchungsergeb-nisse von H. Grünewald (1970) konzipierten im Jahre 1973 Mit-glieder der Richtlinienkommissionen der Länder und der Arbeits-gemeinschaft Schreiberziehung sowie Vertreter des Arbeitskrei-ses Grundschule e.V. die „Vereinfachte Ausgangsschrift“. Diesevereinfachte Schreibschrift wurde entwickelt, weil die Unter-suchungen zeigten, dass die eingeführte Lateinische Ausgangs-schrift schwer zu erlernen ist und bei zunehmender Schreibge-schwindigkeit stark verformt wird.

In den Jahren danach wurde dann die VA in mehreren wissen-schaftlich begleiteten und regionalen und überregionalen Schul-versuchen mit Erfolg erprobt.

Es werden die Ziffern der Schulausgangsschrift empfohlen (siehe linke Spalte).

Zur Konzeption der Vereinfachten AusgangsschriftIn der VA sind drei Forderungen, die an eine Handschrift zu stel-len sind, so weit wie möglich erfüllt. Sie beziehen sich auf die

� Erlernbarkeit der Schrift� Lesbarkeit der Schrift� Entwicklung der Schrift

Die Erlernbarkeit der SchriftEine Schrift ist leichter erlernbar, wenn ihre Buchstabenstrukturmit der der Bewegung übereinstimmt. Das heißt, wenn dieSchreibbewegung an der Stelle endet, an der auch der Buch-stabe abgeschlossen ist.

(..) = Literaturangaben, Seite 45

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4. Die Alphabete Grundlagen

Diese Forderung ist weder in der LA noch in der SAS oder lateini-schen Ausgangsschriften des Auslandes erfüllt, denn in ihnensind die Strukturmerkmale der Schrift einerseits und die derSchreibbewegung andererseits asynchron. Immer dann, wenn einBuchstabe zu Ende ist, muss die Bewegung fortgeführt werden,denn die Stellen der Schrift, an denen die Geschwindigkeit einenNullpunkt erreicht, befinden sich in der Regel innerhalb desBuchstabens.

(LA)

Gegliedert nach Buchstaben

(LA)

Gegliedert nach Bewegungsphasen

Diese unterschiedlichen Strukturen verhindern eine lernökonomi-sche Gliederung des Schreibvorgangs. Während beim Lesen dieAnalyse betrieben wird, Lautgruppen herausgehoben, Silbengesprochen und Einzellaute benannt werden, um so die Struktur-einheiten für das Erlernen neuer Wörter verfügbar zu machen, isteine adäquate Durchstrukturierung des Wortes beim Schreibender LA oder der SAS nicht möglich.

Bei der VA hingegen sind die Strukturen der Schrift und derSchreibbewegung zur Deckung gebracht. Nach folgendem Prin-zip wurde die Umstrukturierung vorgenommen: In der LA undSAS besteht jeder Buchstabe aus der Grundform und einem An-und Endstrich. Da jedoch innerhalb eines Wortes der Endstrichdes letzten und der Anstrich des folgenden Buchstabens in einemZug geschrieben werden, liegt es nahe, End- und Anstriche zuverbinden und als sogenannten Verbindungsstrich an dieGrundformen des Buchstabens anzufügen. Dadurch fällt der An-strich bei der VA fort. Der geschriebene Buchstabe wird einfacher,er hat nur noch die Grundform und den Verbindungsstrich.

Grundform

Anstrich,Grundform, (LA, SAS)Endstrich

Grundform,Verbindungsstrich (VA)

Durch die Verlagerung des Anstrichs beginnen und enden bei derVA alle Kleinbuchstaben an der Oberlinie des Mittelbandes (ausge-nommen das „s“). Dadurch ist es möglich, dass jeder Buchstabeeinzeln geübt werden kann und doch innerhalb des Wortes seineForm nicht verändert, ganz gleich an welcher Stelle er steht.

Wie in einem Baukastensystem können Struktureinheiten (Einzel-buchstaben oder Buchstabengruppen) aneinander gefügt undbeim Schreiben eines Wortes gegliedert mitgesprochen werden.Das Einspuren invarianter Bewegungsphasen erleichtert jedochnicht nur den Schreibvorgang, sondern wirkt sich auch positiv aufdie Rechtschreibung aus.

Außerdem hat die VA durch die Umstrukturierung eine klare Bin-nengliederung erhalten. Der lange Verbindungsstrich am Buch-stabenende hebt den Einzelbuchstaben innerhalb des Wortesdeutlich hervor. In der LA und SAS knicken die Buchstabenverbin-dungen vielfach ein oder werden gewunden geschrieben.

Die Lesbarkeit der SchriftDie Lesbarkeit einer Schrift wird grundsätzlich durch einfache,prägnante Buchstabenformen gefördert. Ausserdem muss jederBuchstabe so geformt sein, dass er innerhalb des Alphabets mitkeinem anderen verwechselt werden kann. Und schließlichkommt es auf eine gut gegliederte Wortfigur an. Denn je klarersich der einzelne Buchstabe innerhalb des Wortganzen von demanderen abhebt, um so leichter ist eine Schrift lesbar. Die Groß-buchstaben der LA beginnen vielfach mit Wellenlinien, die vonSchulanfängern schwer zu schreiben sind und die Lesbarkeitreduzieren. In Erwachsenenschriften werden sie entweder durcheinen Strich ersetzt oder ganz fortgelassen.

Aus diesem Grund sind die Großbuchstaben in der VA der Druck-schrift angenähert. Sie gewinnen dadurch an Formklarheit undPrägnanz.

Pelikan-Schreibübungsblätter

für Schüler (Alphabetvorlagen) habensich millionenfach bewährt als Hilfe imUnterricht und für das Üben zu Hause.Sie sind verfügbar in LA, VA, SAS,zwei Druckschrifttypen und sogar in „Deutscher Schrift“ und „Sütterlin“.

Eltern-Ratgeber„Rund um dieSchule“

Viele Tips und Infos,speziell für Elternvon Schul- undSchreibanfängern.

Bezugsmöglichkeiten für diese Druckschriften siehe bitte Rückseite

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4. Die Alphabete

Die Entwicklung der SchriftEs ist auffallend, dass sich die LA auf dem Weg zur ausgeschrie-benen Handschrift sehr stark wandelt. Viele Buchstaben werdennur deshalb geändert, weil sie sich gegen eine flüssige Bewe-gung sperren. Vor allem wirkt sich beim Schreiben der ständigeWechsel der Drehrichtung hemmend auf den Bewegungsflussaus. In ausgeschriebenen Handschriften sind alle Buchstabenumgeformt, die in der LA einen Drehrichtungswechsel verlangen,wie „a, d, g, h, m, n, r, z“ und andere.

Achtmaliger Drehrichtungswechsel in der Lateinischen Ausgangs-schrift

Gleichbleibende Drehrichtung in ausgeschriebener Handschrift

In der VA wird der Drehrichtungswechsel schon von vorn-herein stark reduziert. Eine möglichst gleichbleibende Drehrich-tung wird vor allem durch den geänderten Bewegungsverlauf inden Verbindungen erreicht. Schreibt man die Kleinbuchstabender VA von „a“ bis „z“ zusammen, so reduziert sich der Drehrich-tungswechsel um mehr als die Hälfte gegenüber der LA.

Lateinische Ausgangsschrift

Vereinfachte Ausgangsschrift

Der Drehrichtungswechsel vollzieht sich bei der VA selten inner-halb des Mittelbandes, wie es bei der LA die Regel ist, sondern imAllgemeinen an der Oberlinie des Mittelbandes. Dadurch knicktder Schriftzug weniger ein. Bei Zunahme der Schreibgeschwin-digkeit bleibt die Schrift formstabiler und die Haltepunkte liegenimmer an der gleichen Stelle.

Lateinische Ausgangsschrift

Vereinfachte Ausgangsschrift

(Schülerschriften aus dem 4. Schuljahr)

Die KleinbuchstabenDurch eine völlig neue Strukturierung der Schrift beginnen undenden alle Kleinbuchstaben (ausgenommen das „s“) an der Ober-linie des Mittelbandes. Beim Erlernen der Schrift wird also derVerbindungsstrich sowohl innerhalb des Wortes als auch am Wort-ende bis an die obere Mittellinie gezogen. Bei zunehmenderSchreibfertigkeit verkürzt sich in der Regel der Verbindungsstricham Wortende.

Die GroßbuchstabenDie Großbuchstaben der VA sind der Druckschrift angeglichen.Auf überflüssige Wellenlinien und Schleifen wird verzichtet. Zubeachten ist, dass durch den Wegfall des Anstrichs bei den Klein-buchstaben eine Reihe von Großbuchstaben unverbunden amWortanfang stehen.

Derzeit ist die Variationsbreite in den Bundesländern sehr großhinsichtlicha) Verbindlichkeit oder Wahlfreiheit undb) Druckschrift und Schreibschrift(art).Deshalb erkundigen Sie sich bitte über die genaue Rechtslage inIhrem Bundesland.

Wenn Sie vorhaben, aufgrund bestehender Wahlfreiheit die bis-her gebräuchliche Erstschreibschrift zu wechseln, sollten Sie aufFolgendes achten:� Konsens herstellen. Alle Kolleginnen und Kollegen Ihrer Schu-

le – wenn möglich des ganzen Ortes oder Bezirkes – sollten„mitziehen“.

� Sicherstellen, dass die beteiligten Kolleginnen und Kollegendie neue Schrift selbst gut beherrschen (z. B. Training im Rah-men schulinterner Lehrerfortbildung).

� Lehr- und Lernmittel müssen rechtzeitig disponiert werden.Vor allem die Eltern wollen informiert sein – aber auch derörtliche Fachhandel.

� Nachfolgende Schularten sollten frühzeitig von der Einführungeiner neuen verbundenen Schreibschrift unterrichtet werden –u. a. durch Alphabet-Musterblätter inkl. Erläuterungen undBegründungen.

4.5 Wahl der Erstschrift(en)

Speziell für die VA hat die Arbeitsgemein-schaft Schreiberziehung folgendeSchriften als Lehrer-Hilfen herausgegeben:

� Grundlagen VA� Kurzübersicht VA� Leitfaden VA� Von der Druckschrift zur VA� VA-Schreibkurs

Bezugsmöglichkeitensiehe bitte Rückseite

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1.-6. Woche ab 7. Woche bis ..... Ende1. Halbjahr

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schrift (VA

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S, L

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GestaltendesArbeiten

Feststellender Lern-voraus-setzungen

GestaltendesArbeiten

Feststellender Lern-voraus-setzungen

Malen • Kneten • Falten • Schneiden • Reißen • sich bewegen

Spontanes Schreiben • Freie Schreib-Aktivitäten

Schreiben in Freiarbeit

Malen • Kneten • Falten • Schneiden • Reißen • sich bewegen

Spontanes Schreiben • Freie Schreib-Aktivitäten

Schreiben in Freiarbeit

AB

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D

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Eignungskriterien DS VA SAS LABevorzugte Schriftart bei vorschulischen Schreibversuchen + � � �Bekanntheitsgrad (Vorfindbarkeit in der Umwelt) ++ � � �Lesbarkeit/Gliederung ++ + + �Gleiches Schriftalphabet für Lesen und Schreiben ++ � � �Möglichkeit der Elementarisierung (Formelemente) ++ + + +

Leichte Erlernbarkeit aufgrund vereinfachter Buchstaben ++ + + �„Struktursynchronität“ (Buchstabe und Bewegungsphase deckungsgleich) ++ ++ � �Buchstaben und Buchstabengruppen isoliert üben ++ ++ + +

Frühe Einsatzmöglichkeit (weil: Einsicht in die Funktionen derSchrift · Berücksichtigung der kommunikativen Komponente)

++ + + �

Form-Stabilität bei Schreibbeschleunigung ++ ++ + �Baldiger Aufbau des Grundwortschatzes (kognitiv) ++ + + �Anbahnung von Rechtschreibsicherheit aufgrund automatisierterBewegungsmuster

++ + +

Unterscheidungsqualität der Kleinbuchstaben innerhalb der jeweiligen Schrift ++ + +

Erfolgsqualität bei schulleistungsschwächeren Kindern ++ + + �++ trifft in besonderem Maße zu + trifft teilweise zu � trifft nicht zu

4. Die Alphabete Grundlagen

4.6 Schreibenlernen im Überblick

Das Pro und Kontra bezüglich möglicher Erstschriften wird inKollegenkreisen, in der Fachliteratur und auch bei Schulbehördenimmer wieder diskutiert. Den Versuch einer detaillierten Bewer-

tung der vier möglichen Ausgangsschriften zeigt nachfolgendeÜbersicht (auf der Basis der von G. Schorch 1983 entwickeltenBewertungsmatrix).

Während früher das Schreibenlernen als ein auf-bauend gegliederter Prozess gesehen wurde –Großschwünge/Grundformen (Vorkurs) � Buch-staben � Wörter –, hat sich aufgrund von For-schungsergebnissen und erfolgreicher Praxisein sog. „integriertes System“ durchgesetzt. D.h., die ausgegliederten und geübten Grund-formen führen unmittelbar zur Erabeitung desjeweiligen Buchstabens und seine übendeAnwendung in Wörtern.

Beim Schreibenlernen lassen sich3 Phasen-Schritte unterscheiden:

� Üben der Grundformen (Elemente)des jeweiligen Buchstabens

� Einführen und Üben des Buchstabens(Vorkurs)

� Verbindung zu Wörtern und von Wörtern zu Sätzen

Die nebenstehenden Graphiken sind grobeOrientierungshilfen für das 1. Halbjahr. Siekönnen Folgendes herauslesen:

A Der Zeitanteil des eigentlichen Schreiben-lernens steigt allmählich an – bei Druck-schrift schneller.

B Beim Start mit Druckschrift kommen Siefrüher zu Buchstaben, Wörtern undSätzen.

C Gestaltendes Arbeiten begleitet denSchreiblernprozess ständig – bei Schreib-und bei Druckschriftbeginn.

D Freie Schreib-Aktivitäten nehmen mit demSchreibenkönnen zu – d. h., bei Druck-schrift früher und mehr.

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Haut

Gleich-gewichts-sinn

Eigen-wahr-nehmung

Selbstkontrolle und Selbstvertrauen in dem Bewusstsein, dassder Körper als ein zuverlässiges sensomotorisches Gebilde exi-stiert, was wiederum von einer guten sensorischen Integrationdes Nervensystems herrührt (1).

Sensorische Integrationbezeichnet das Ordnen der Empfindungen, die unsere Sinnesor-gane aus dem eigenen Körper und der Umwelt aufnehmen. DasGehirn stellt fest, woher die Reize kommen, sortiert und reguliertihren Verlauf und kann dann daraus Wahrnehmungen „bilden“.

Jean Ayres unterscheidet die (uns meist gut bekannten) Fernsin-ne: Hören und Sehen und die (uns meist weniger gut bekannten)Basissinne (oder körpernahen Sinne): Haut, Gleichgewichts-sinn und Eigenwahrnehmung (2).

5. Feststellen und Fördern der Lernvoraussetzungen

5.1 Entwicklung der Sinne

„Schulfähigkeit ist das Glück, das ein Kind braucht, um Leh-rerinnen und Lehrer zu treffen, die dem Kind wohlgesonnensind, Geduld und einen langen Atem haben und die das Kindermutigen.“ (Brigitte Walkling)

Schulfähigkeit bezieht sich so gesehen auf die Fähigkeiten derLehrerinnen und Lehrer und könnte so auch als „Kinderfähigkeitvon Schule“ bezeichnet werden, die von Schule zu Schule sehrunterschiedlich sein wird.

Um zu wissen, in welchen Bereichen das Kind z. B. der Ermuti-gung und der Förderung bedarf, ist die Feststellung der Lernaus-gangslage sinnvoll.

Voraussetzungen für erfolgreiches Lesen- und Schreibenlernensind Motivation, ein ausgeglichenes Gefühlsleben, Lernfreude,Neugier, Ausdauer und Selbstvertrauen sowie die altersangemes-sene Entwicklung in den Bereichen Wahrnehmung, Motorik undSprache. Und umgekehrt entwickeln sich z. B. Selbstachtung,

Taktiles System, Berührungs- oder Empfindungssinn

Das taktile System – unsere Haut – ist das ausgedehnteste Sinnesorganunseres Körpers. Es ist das erste sensorische System, „welches sich imMutterleib entwickelt und das bereits voll funktioniert, wenn optische undakustische Systeme sich erst zu entwickeln beginnen“ (3).

Verschiedene Kinder brauchen verschieden intensive Hautreize. Einigebenötigen eher leichte, oberflächliche Berührungen – andere benötigenBerührungen, die fester sind und mehr in die Tiefe gehen (siehe auchEigenwahrnehmung).

Der Tastsinn (das „Begreifen“) ist eine wichtige Grundlage für motorischeHandlungen. Eine wichtige Funktion des taktilen Systems ist die Wahrneh-mung von Temperatur und Schmerz. Sie ist individuell sehr verschieden.

Vestibuläres System, d. h. Wahrnehmung der Schwerkraft, der Drehbewe-gungen und der horizontalen und vertikalen Beschleunigung

Unser Gleichgewichtssinn liegt im Innenohr und besteht aus der sogenanntenSchnecke und den drei Bogengängen. Durch das Innenohr können wir Schwin-gungen wahrnehmen, die an unser Gehirn weitergeleitet werden. Vom Gehirnwiederum erhalten unsere Muskeln und Gelenke entsprechende Botschaften, mit welchen Bewegungen wir unser Gleichgewicht halten können.

Kindern mit Beeinträchtigungen des Gleichgewichtssinns kann es z. B. schwerfal-len, ruhig auf einem Stuhl zu sitzen oder Roller zu fahren.

Propriozeptives System oder Tiefensensibilität

Durch unsere Eigenwahrnehmung – d. h., die Rückmeldung über Muskeln, Seh-nen und Bänder – wissen wir, wo sich unsere Körperteile befinden und wir könnenuns angemessen bewegen.

Wenn wir z. B. beim Treppensteigen bereits oben angekommen sind – allerdingsglauben, noch eine Stufe gehen zu müssen –, stolpern wir mehr oder weniger, ob-wohl es keine Unebenheiten gibt. Unser Gehirn hatte gemeldet: „Bein anheben“.Und als die entsprechende Antwort „Treppenstufe“ ausblieb, kamen wir ins Stolpern.

Es kann sein, dass Kinder mit Beeinträchtigungen der Eigenwahrnehmung z. B.öfter auf ihrem Stuhl hin- und herrutschen, da sie sich erst durch diese Bewegun-gen spüren können.

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(..) = Literaturangaben, Seite 45

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5. Feststellen und Fördern der Lernvoraussetzungen Praxis

Erst wenn „die drei Grundsinne taktil [Haut], vestibulär [Gleichge-wichtssinn] und propriozeptiv [Eigenwahrnehmung] in das Wahr-nehmungsschema des Körpers einbezogen sind . . . “ (6), kanndas nächste Entwicklungsniveau erreicht werden. „Das Kind kannsehen und hören, aber die Grundordnung seines Nervensystemsberuht mehr auf den grundlegenden Sinneseinwirkungen, die vonden vestibulären, propriozeptiven und taktilen Sinnesreizen aus-gehen“ (7).

Auditive und visuelle Empfindungen werden erst später mit dendrei Basissinnen in Beziehung gebracht (8), und so wird unter an-derem z. B. die Entwicklung der Auge-Hand-Koordination mög-lich, die für das Schreiben eine so wichtige Voraussetzung ist.

Wenn also festgestellt wird, dass ein Kind nicht über eine alters-

angemessene Wahrnehmungsfähigkeit verfügt, ist es u. a. wichtigherauszufinden, inwieweit die drei Basissinne entwickelt sind. Esist sinnlos, Kinder etwas „üben“ zu lassen, was sie nicht können.Es gilt stattdessen, die Voraussetzungen schaffen zu helfen, da-mit das Kind die Chance erhält, die entsprechenden Fähigkeitenzu entwickeln.

Wenn ein Kind z. B. beim Schreiben oft die einzelnen Zeilen nichtbeachtet, müsste versucht werden zu klären, welche anderenWahrnehmungssysteme eventuell auch nicht altersgemäß ent-wickelt sind und welcher Zusammenhang zu anderen Systemenbesteht. Es könnte sein, dass das Kind als Kleinkind keine alters-angemessene Auge-Hand-Koordination ausbilden konnte, da esz. B. auch über „taktile Abwehr“ verfügt und schon als kleines Kind

(..) = Literaturangaben, Seite 45

Hören

Auditives oder akustisches System

Geräusche erzeugen Wellen in der Luft. Diese Schallwellen treffen auf unserOhr und werden über das Trommelfell zum Innenohr weitergeleitet. Von dortgelangen die Informationen über den Gehörnerv zum Gehirn.

Kindern mit Beeinträchtigungen des auditiven Systems kann es schwerfallenfestzustellen, woher die Geräusche kommen und wie weit sie entfernt sind. Eskann auch sein, dass diese Kinder Schwierigkeiten haben, aus mehrerengleichzeitigen (und verschieden intensiven) Schallquellen das z. Zt. wichtigsteGeräusch „herauszufiltern“ – z. B. die Stimme einer Mitschülerin oder eines Mit-schülers im Klassenraum.

Sehen

Visuelles oder optisches System

Die Netzhaut unseres Auges nimmt die Lichtwellen aus unserer Umwelt wahr.Die Nervenzellen der Netzhaut leiten diese Information über den Sehnerv andas Gehirn weiter. Im Gehirn werden diese Impulse verarbeitet und in Bezie-hung gesetzt zu anderen Typen von Sinnesinformationen – besonders denender Muskeln, der Gelenke und des Gleichgewichtssystems (4).

Die Netzhautbilder beider Augen sind geringfügig verschieden. Durch die Ver-schmelzung in der Sehrinde entsteht ein räumliches Bild (binokulares Sehen).

Funktionen des primären Sehfeldes der Sehrinde sind das Farbensehen, dieRichtungslokalisation sowie die Feststellung der Konturen und der innerenStrukturierung des Wahrgenommenen. Die visuelle Wahrnehmung erfolgt erstin den sekundären Sehfeldern. In ihnen sind beide Gesichtshälften repräsen-tiert. Sie stehen über Fasern des sogenannten Balkens des Gehirn (corpuscallosum) miteinander in Verbindung (5).

Fehlsichtige Kinder halten ihre Materialien entweder sehr nahe an die Augenoder relativ weit weg. Diese Kurz- bzw. Weitsichtigkeit wird bei Schulanfangs-untersuchungen nicht immer erkannt. Kinder mit eingeschränktem Sehradiusdrehen ihren Kopf und meistens auch ihren ganzen Körper in die Richtung, ausder sie etwas wahrnehmen. Sie können Geschehnisse am rechten und linkenSehfeldrand mit Hilfe ihrer Augen nicht ausreichend lokalisieren.

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Schreiblernheft 1 für alle Ausgangsschriften

Schwungübungen, Grundformen,erste Buchstaben und freies Schreibendominieren bei der Feststellung der Aus-gangslage und beim anschließenden Vor-kurs. Für den Auftakt empfiehlt sich dasSchreiblernheft 1 mit Linien im 2-cm-Ab-stand, abwechselnd mit Seiten ohneLineatur.

Schreibgeräte: Dicke Wachsfarbstifte,dicke Buntstifte und Fasermaler.

Wachsfarbstift 565

Dicker Buntstift BSS

Maler 31

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5. Feststellen und Fördern der Lernvoraussetzungen

nicht gern nach Spielsachen gegriffen hat. Eine Möglichkeit derFörderung besteht darin, dem Kind in der Schule Situationen zubieten, die das Zusammenspiel von Auge und Hand notwendigmachen, z. B. Wörter- und Bildkarten angeln, Ballfangen undBallwerfen etc. Hilfreich für Kinder mit Beeinträchtigungen in die-sem Bereich ist ein Verzicht auf das Liniensystem im Anfangsun-terricht und auf Hefte im Format DIN A 4.

Zur genauen Diagnostik insbesondere der Basissinne und vorallem deren Zusammenwirken ist oft die Hilfe einer Fachfrau bzw.eines Fachmannes notwendig.

Neben der Diagnostik der Sinnesentwicklung ist es wichtig, denGrad der Entwicklung der Seitigkeit (Lateralität) und die Domi-nanz der Gehirnhälften festzustellen.

Wir verfügen über zwei Gehirnhälften (Hemisphären), die einer-seits einzigartig und auf verschiedene Aufgaben spezialisiert sindund die andererseits zusammenarbeiten, da sie im Bereich desBalkens (corpus callosum) durch viele Millionen Nervenfasernmiteinander verbunden sind. „Bestimmte Funktionen sind nur ineiner Hemisphäre lokalisiert. Das nennt man Lateralität“ (9).

Ausgewogene bzw. konsequente Lateralität bedeutet, dass dieSeitenbevorzugung auf einer Körperebene liegt, z. B. rechtes Au-ge, rechtes Ohr, rechte Hand, rechtes Bein. Die rechte Körper-hälfte ist bei ca. 75–80 % der Bevölkerung dominant. Bei unge-fähr 10 % der Bevölkerung dominieren die linke Hand und daslinke Auge und somit die rechte Gehirnhälfte (10). Auch dabeihandelt es sich um eine konsequente Lateralität und es machtkeinen Sinn, Linkshänder „umpolen“ zu wollen.

Bei Menschen mit gekreuzter Lateralität liegt die Seitenbevorzu-gung auf verschiedenen Körperhälften, z. B. rechtes Auge, rech-tes Ohr, linke Hand, linkes Bein. Wenn keine Seitenbevorzugungvorliegt (d. h. ständige Unentschiedenheit), spricht man von ge-mischter Lateralität. Gekreuzte Lateralität und gemischte Late-ralität betreffen ca. 12 % der Bevölkerung (11). Vielen dieser Men-schen fällt das Erlernen des Lesens und Schreibens nicht leicht.

Nach Dennison ist eine konsequente Lateralität das effizientesteDominanzmuster. Nur bei einer konsequenten Lateralität har-monieren und kooperieren die beiden Gehirnhälften (12). Nurdann ist die Bilateralintegration möglich, d. h. das Zusammenwir-ken der beiden spezialisierten Gehirnhälften.

Die Entwicklung der Lateralität verläuft in verschiedenen Stadien.Zum Beispiel benutzen Kinder bis zum Alter von ca. zwei Jahrenbeide Hände gleichwertig. Einige Kinder greifen z. B. mit der rech-ten Hand nach Gegenständen, die sie rechts erkennen (unilate-ral), andere Kinder können mit der rechten Hand auch nach Ge-genständen greifen, die sie links bzw. rechts erkennen (bilateral).Erst im 7. oder 8. Lebensjahr stabilisiert sich die Lateralität unddann kann von eindeutigen Rechts- bzw. Linkshändern gespro-chen werden. „Viele Schulanfänger sind entwicklungsmäßig nichtauf die lateralen zweidimensionalen Fertigkeiten vorbereitet“ (13).Zum Zeitpunkt der Einschulung ist es jedoch möglich, z. B. dieleistungsstärkere Hand festzustellen.

Unterschieden wird zwischen Präferenzdominanz und Leistungsdominanz.

Um die Präferenzdominanz, d. h. das bevorzugte Auge, das be-vorzugte Ohr, die bevorzugte Hand und das bevorzugte Bein,festzustellen, kann man den Kindern die folgenden Aufgaben stel-

len. Es ist wichtig, mehrere Aufgaben anzubieten, da nur so gesi-cherte Erkenntnisse gewonnen werden können.

Auge: „Sieh mal durch das Schlüsselloch.“„Schau durch dieses Kaleidoskop.“„Kuck durch diese Papprolle.“

Ohr: „Tickt diese Armbanduhr?“„Horch mal an der Tür, ob jemand draußen ist.“„Wiederhole, was ich ganz leise sage.“ (In welche Richtung neigt das Kind den Kopf?)

Hand: „Öffne bitte das Fenster (oder die Tür).“„Heb bitte die Stifte, Puzzelteile, etc. auf.“(In welche Hand nimmt das Kind eine Schere, einen Würfel, ein Glas oder einen Stift?)

Bein: „Steige auf einen Stuhl.“„Stell dich auf ein Bein.“„Hüpfe auf einem Bein.“„Versuche, diesen Ball ins Tor zu schießen.“

Die folgende Aufgabe dient zur Feststellung der Leistungsdomi-nanz der Hände. Um eine Hampelmannfigur sind 150 kleine Krei-se angeordnet mit einem Durchmesser von 2 mm. Mit einem fei-nen Schulfaserschreiber soll das Kind einmal mit der rechten und– auf einem zweiten Blatt – mit der linken Hand die Kreise punk-tieren, ohne die Kreisbegrenzung zu verlassen. Ein Vergleich derErgebnisse gibt Auskunft, welche Hand leistungsstärker ist (14).

5.2 Entwicklung der Seitigkeit

Die Präferenzdominanz ist oft – allerdings nicht immer – identischmit der Leistungsdominanz. Wenn bei Kindern, bei denen diesnicht der Fall ist, die Präferenzdominanz zugelassen und unter-stützt wird, kann es sein, dass die bevorzugte Seite auch die lei-stungsdominante Seite wird. In diesen Fällen liegt der Verdachteiner frühen „Umpolung“ nahe.

„Für das Erlernen von Neuem ist es optimal, wenn beide Gehirn-hälften eingeschaltet sind und eine intensive Kommunikation überdie Mittellinie hinweg stattfinden kann“ (15). Der Gebrauch beider

(..) = Literaturangaben, Seite 45

AusschnittOriginalgrösse

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5. Feststellen und Fördern der Lernvoraussetzungen Praxis

Gehirnhälften, der sich u. a. auch durch das problemlose Über-kreuzen der Körpermittellinie ausdrückt, wird als Bilateralinte-gration bezeichnet.

Kinder können diese Integration der beiden Gehirnhälftenwährend der Kriechphase – vor dem Laufen – erwerben. Genaudieses Zusammenspiel der Gehirnhälften ist es auch, das wirbenötigen, um Lesen und Schreiben lernen zu können. Wahr-scheinlich haben einige Kinder, die Schwierigkeiten beim Erler-nen des Lesens und Schreibens haben, dieses Über-Kreuz-Be-wegungsmuster nicht verinnerlichen können (16). Sie benutzenmeistens nur eine Gehirnhälfte und sind einseitig (homolateral)organisiert. Dies ist wahrscheinlich bei 80 % der Menschen mitBeeinträchtigungen im Lernen der Fall.

„Die vertikale Mittellinie des Körpers ist die entscheidende Be-zugslinie für alle lateralen Fertigkeiten. Das Mittelfeld . . . ist dieRegion, wo sich z. B. das linke und das rechte Gesichtsfeld derAugen überlappen; dies erfordert, dass die beiden Augen wieeine Einheit funktionieren. Die Entwicklung der lateralen Fähig-keiten ist . . . ebenfalls eine Vorbedingung für eine ganzheitlicheKörperkoordination und für Leichtigkeit des Lernens im visuellenNahbereich“ (17). „Normalerweise verbindet die Mittellinie das,rechte‘ und ,linke‘ Gehirn . . . Zuhören und gleichzeitig über dasGehörte nachdenken, erfordern die Durchlässigkeit der Nerven-bahnen der Mittellinie oder, anders ausgedrückt, die freieBeweglichkeit über die Mittellinie. Unsere frühen Lernerfahrungenbestimmen, in welchem Ausmaß die Mittellinie zu einer Barriereoder zu einer Brücke für das Lernen wird. Wenn das ,rechte‘ unddas ,linke‘ Gehirn zur selben Zeit eingeschaltet sind und spontanzusammenarbeiten, wird die Mittellinie zu einer Brücke. Müssensie sich allerdings in der Arbeit abwechseln, wird die Mittellinie zueiner undurchdringlichen Barriere, die Verbindung beider Hälftenist unterbrochen“ (18).

Mit Hilfe der Über-Kreuz-Bewegungen kann u. a. erreicht wer-den, dass wir� mit beiden Augen zusammen sehen (binokulares Sehen),� mit beiden Ohren zusammen hören (binaurales Hören),� die rechte und linke Gehirn- und Körperseite integrieren.Dadurch wird eine Koordination des ganzen Körpers ermöglicht.

Die Einsicht in die Funktion der Schriftsprache ist eine beson-ders wichtige Lernvoraussetzung. Ohne das Bewusstsein, dassihnen Schrift eine neue Welt erschließt, fallen bei diesen Kinderndie Angebote im Anfangsunterricht wahrscheinlich oft nicht auf„fruchtbaren Boden“. In Gesprächen mit Kindern gilt es zu erkun-den, ob sie sinnvolle Gründe angeben können, die auf die Funk-tion der Schriftsprache und ihren Gebrauchswert verweisen. Kin-der, die vorwiegend äußere Gründe nennen (z. B. „. . . . weil ich inder Schule bin“), benötigen Angebote, die ihnen den Mittei-lungscharakter von Schrift näher bringen (19).

Mit Hilfe der nachfolgenden Übungen und Beobachtungsmöglich-keiten können oft Erkenntnisse über Fertigkeiten und Fähigkeitender Kinder in mehreren Bereichen gewonnen werden. Diese Vor-schläge bieten gleichzeitig Möglichkeiten der Förderung und kön-nen immer wieder im Anfangsunterricht und darüber hinaus ein-gesetzt werden.

Eine Empfehlung für LehrerInnen, die diese differenzierte Fest-stellung der Basisfähigkeiten der SchulanfängerInnen vornehmenwollen:Legen Sie für jedes Kind eine Tabelle an. In der Gesamtschauder Daten und Beobachtungen lassen sich dann schulische undaußerschulische Fördermaßnahmen sinnvoll und relativ sicherentscheiden.

1. Taktile Wahrnehmung � Fühlschüssel

AufgabeIn einer großen, mit Getreide oder Reis gefüllten Schüssel (5 loder größer) sollen die Kinder mehrere versteckte kleine Gegen-stände erfühlen, z. B. Murmel, Legostein, Bauklotz, Muschel,Kastanie, Nuss, etc.).

Variationen� Die kleinen Gegenstände sind als Umrisse in Kärtchen ge-

prägt und sollen „gezielt“ erfühlt werden.� Versteckt werden ähnliche Gegenstände, z. B. verschiedene

Nüsse, Eicheln, Kastanien, etc. Aufgabe: Suche alle Walnüsse.

� Versteckt werden verschiedene größere und kleinere Schlüs-sel, die vor dem Herausnehmen den entsprechenden Fotoszugeordnet werden sollen.

� Auch Holzbuchstaben können in einer großen Schüssel ver-steckt werden.

Kommentar� Im Gegensatz zu den meisten Tastsäckchen können hier

beide Hände zugleich aktiv sein.� Die Augen müssen nicht verbunden werden. (Es gibt Kinder,

die Förderung im taktilen Bereich benötigen und es entwick-lungsbedingt noch nicht zulassen, dass ihre Augen verbundenwerden.)

2. Taktile Wahrnehmung � Tast-Memorix

Je zwei von 16–20 gleichgroßen Metalldeckeln (von Glaskonser-ven) oder auch Pappkärtchen werden mit verschiedenen Materia-lien beklebt, z. B. mit Fell-, Stoff- oder Lederresten, Wellpappe,Schaumstoff, Reis, etc.

AufgabeDie Kinder sollen mit verbundenen Augen die jeweiligen Paareerfühlen.

Kommentar� Wenn die Kinder mit verbundenen Augen arbeiten sollen, ist

es wichtig, dass sie die Begrenzung des Raumes (in diesemFall z. B. die Kanten eines Tabletts, auf dem sich die Deckeloder Pappkarten befinden) eindeutig erfühlen können.

(..) = Literaturangaben, Seite 45

5.3 Übungen und Beobachtungsmöglich-keiten – aufgeteilt nachWahrnehmungsbereichen

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5. Feststellen und Fördern der Lernvoraussetzungen

3. Taktile WahrnehmungEigenwahrnehmung ‹Berühren lassen

Die Kinder liegen z. B. sternförmig mit nackten Füßen, Beinenoder Armen auf dem Boden. In der Mitte liegen verschiedeneMaterialien, z. B. Lappen, Kreide, Stifte, Schwamm, Fell, Stoff,Ball, Tuch, etc.

AufgabeEin Kind geht in die Mitte und berührt die Kinder mit einzelnenMaterialien. Die „berührten“ Kinder sollen anschließend sagen,mit welchen Materialien sie an welcher Körperstelle berührtworden sind.

Variationen� Möglich ist auch die Berührung mit 2–3 Materialien nachein-

ander.� Wenn gerade keine Materialien zur Verfügung stehen, können

die Kinder auch leicht angepustet oder mit der Hand berührtwerden.

4. EigenwahrnehmungGleichgewichtssinn ‹Wege finden

Auf dem Fußboden werden mit Kreide oder Klebeband von einemAusgangspunkt zu einem Endpunkt verschiedene Wege gemaltbzw. geklebt.

AufgabeEin Kind mit verbundenen Augen wird auf einem der Wege ge-führt und soll anschließend sagen, welchen Weg es geführtworden ist.

5. Gleichgewichtssinn Balancieren auf einerVisuelle Wahrnehmung ‹ Linie oder einem Seil

(Visumotorische Koordinationbzw. Auge-Hand-Koordination undFigur-Hintergrund-Wahrnehmung,d. h. die Fähigkeit, eine Figur ineinem diffusen Umfeld bewusstwahrzunehmen)

AufgabeDie Kinder sollen Fuß vor Fuß setzen und auf einer gezeichnetenoder geklebten Schlangenlinie bzw. einem Seil entlanggehen.

Variationen� Dabei können die Kinder auch ein Sandsäckchen auf dem

Kopf tragen.� In der dominanten Hand können sie etwas tragen, z. B. Glas

mit Wasser, eine flache Schale mit Murmeln, einen Joghurt-becher mit einem Tennisball, etc.

� Barfußgehen auf dem Seil fördert die taktile Wahrnehmungs-fähigkeit.

Kommentar� Ähnliche Spuren können auf ein Arbeitsblatt übertragen und

mit Wachs- und Faserstiften nachgemalt werden.

6. Eigenwahrnehmung Figuren und BuchstabenVisuelle Wahrnehmung ‹ mit Körpern legen

(Erfassen räumlicher Beziehungen,d. h. die Fähigkeit, Gegenstände nichtnur in Beziehung zum Beobachter wahr-zunehmen, sondern auch in Bezugaufeinander.)

AufgabeDie Kinder erhalten Kärtchen mit Figuren oder mit Buchstabenund sollen diese dann mit ihren Körpern auf dem Boden nach-legen, z. B.

E H K L M N O S T W X Y Z

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5. Feststellen und Fördern der Lernvoraussetzungen Praxis

7. Visuelle Wahrnehmung ‹Formen finden

(Visuelle Differenzierung undVisumotorische Koordinationbzw. Auge-Hand-Koordination,d. h. die Fähigkeit, das Sehen mitden Bewegungen des Körpers –z. B. der Hand – zu koordinieren undWahrnehmungskonstanz, d. h.die Fähigkeit, bestimmte Eigen-schaften eines Gegenstandes –wie Form, Größe oder Lage –

unverändert wahrzunehmen)

AufgabeDie Kinder sollen auf diesem Bild alle Dreiecke bunt ausmalen.

Variationen� Auf einem Blatt sollen die Kinder z. B. Buchstaben, die in ver-

schiedenen Größen, Lagen oder Formen abgebildet sind,kennzeichnen.

8. Visuelle Wahrnehmung ‹ Figuren spannen auf demGeobrett

(Visumotorische Koordinationbzw. Auge-Hand-Koordinationund Erkennen der Lage im Raum,d. h. die Wahrnehmung derBeziehung eines Gegenstandeszum Beobachter)

AufgabeDie Kinder sollen gezeichnete Figuren auf einem Brett mit 9 oder16 Nägeln nachspannen.

9. Visuelle Wahrnehmung ‹Reihen fortsetzen

(Visuelle Gliederung bzw.visuelle Serialität)

AufgabeDie Kinder sollen die Gesetzmäßigkeit in den gezeichneten oderauch gelegten Mustern, Figuren, Buchstaben o. ä. erkennen und

fortsetzen.

10. Auditive Wahrnehmung(Aufgaben zu den einzelnen Bereichen)

Geräuschdiskrimination ‹(Spiel: Hör-Memorix)Je zwei von 16–20 mit verschiedenen Materialien (z. B. Nägel,Zucker, Reis, Knöpfe, Kastanien, Nüsse, Murmeln, Wasser) ge-füllte Fotodosen sollen richtig zugeordnet werden.

Auditives Ortungsvermögen bzw. Richtungs- undEntfernungshörenDie Kinder sollen mit geschlossenen Augen eine Geräuschquelle,z. B. klingelnden Wecker oder Glöckchen zeigen oder zurGeräuschquelle gehen.

Die wichtigsten Pelikan-Bunt-papiere in Verbindung mit demSchreiblehrgang:

Glanzpapier232 M/1010 Blatt sortiert. Leuch-tende Farben. Rückseitegummiert. In prakti-schen Klappmappen.

Regenbogen-Buntpapier242 M/1010 einseitig, mehrfarbig bedruckteBogen mit herrlichen Farbverläufen.Ideal für viele interessante Gestaltungs-techniken. 115 g/m2.

Regenbogen-Tonpapier243 M/10Beidseitig mehrfarbig bedruckt. Zumdreidimensionalen Arbeiten.Karton-Qualität 170 g/m2.

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5. Feststellen und Fördern der Lernvoraussetzungen

TondauerDie Kinder sollen die Dauer eines angeschlagenen Tons, z. B. Tri-angel oder Glöckchen, genau hören und können dies mit einer er-hobenen Hand mitteilen.

Rhythmische DifferenzierungEin Kind klatscht laut und deutlich einen Rhythmus, die anderenKinder versuchen nach und nach, diesen Rhythmus mitzu-klatschen.

Rhythmische Differenzierung und auditives GedächtnisMöglichst leise „klatscht“ ein Kind einen Rhythmus in die Handdes neben ihm sitzenden Kindes. Dieser Rhythmus wandert vonKind zu Kind weiter.

Auditive Figur-Hintergrund-WahrnehmungDie Kinder gehen mit jeweils einer Geräuschdose des SpielsHör-Memorix (s. S. 21) durch den Raum und versuchen, die rich-tige Partnerin bzw. den richtigen Partner zu finden.

Auditive Serialität und auditives GedächtnisMit geschlossenen Augen hören die Kinder drei bis fünf verschie-dene Geräusche, z. B.– Streichholz anzünden – Streichholz auspusten– Wasser eingießen – Papier knüllenund sollen anschließend die Geräusche und die richtige Reihen-folge nennen.

KommentarEs hat sich bewährt, die Geräuschquellen vor der Rückmeldungüber die richtige Reihenfolge z. B. mit einem Tuch zu verdecken,damit die Kinder die Augen nicht so lange geschlossen haltenmüssen.

11. Überkreuzen der Körpermittellinie Kippen, Schütten,Visumotorische Koordination ‹ Löffeln

(bzw. Auge-Hand-Koordination),Hand- und Fingergeschicklichkeit,Kraftdosierung

AufgabeMit einer Pinzette oder einer Zuckerzange o. ä. transportieren dieKinder z. B. dicke Bohnen von einem Schälchen in ein anderesund überkreuzen dabei mit ihrer Hand immer ihre Körpermittel-linie.

Variationen� Die Kinder können auch mit einem Löffel z. B. Hirse, Getreide

oder Reis von einem Schälchen in ein daneben stehendesSchälchen transportieren.

� Wasser kann auf verschiedene Gläser oder Schälchen verteiltwerden.

Kommentar� Wichtig ist die Anordnung der einzelnen Schälchen bzw.

Gläser o. ä. vor dem Körper der Kinder, damit sie bei ihrenTätigkeiten ihre Körpermittellinie überkreuzen können.

12. Kreisspiele, die immer Über-Kreuz-Bewegungen notwendigmachen und verschiedene Wahrnehmungsbereiche betreffen:

GleichgewichtssinnEine Papprolle wird im Kreis herumgegeben von der rechtenHand unter dem linken Knie hindurch in die rechte Hand desbenachbart stehenden Kindes.

Auge-Hand-KoordinationDie Kinder haben z. B. leere Joghurtbecher oder auch Gläser inihren Händen und geben mit Hilfe ihrer Becher bzw. Gläser eineMurmel oder Wasser etc. im Kreis herum. Wenn sie dabei manch-mal auf einem Bein stehen, ist es auch eine Übung für denGleichgewichtssinn. (Die Kinder sind aufmerksamer, wenn sieGläser benutzen.)

Auditive WahrnehmungDie Kinder geben eine Glocke oder ein Schlüsselbund im Kreisherum. Ein Kind steht in der Mitte und soll versuchen zu hören,welches Kind gerade den Gegenstand weitergibt.

Visuelle Wahrnehmung, taktile Wahrnehmung undEigenwahrnehmungDie Kinder stehen hintereinander im Kreis. Ein Kind „schreibt“ mitseinem Finger einen Buchstaben groß auf den Rücken des vorihm stehenden Kindes. Dieser Buchstabe wandert von Rücken zuRücken weiter.

13. Über-Kreuz-Bewegungen (nach Dennison)

Bei Über-Kreuz-Bewegungen werden gleich-zeitig die rechte und die linke und die obere unddie untere Körperhälfte aktiviert.

Die folgenden Bewegungen werden schwung-voll mehrmals nacheinander durchgeführt:

� Die rechte Hand berührt das angewinkeltelinke Knie, anschließend berührt die linkeHand das angewinkelte rechte Knie.

� Der rechte Ellenbogen berührt das angewin-kelte linke Knie, anschließend berührt derlinke Ellenbogen das angewinkelte rechteKnie.

� Die rechte Hand berührt die linke Schulter,während das linke Bein angewinkelt wird,anschließend berührt die linke Hand dierechte Schulter, während das rechte Beinangewinkelt wird.

� Die rechte Hand berührt hinter dem Rückenden angewinkelten linken Fuß, anschlie-ßend berührt die linke Hand hinter demRücken den angewinkelten rechten Fuß.

� Im Liegen berührt der rechte Ellenbogendas angewinkelte linke Knie, anschließendberührt der linke Ellenbogen das angewin-kelte rechte Knie.

Eine weitere sinnvolle Über-Kreuz-Bewegung, die den KindernSpaß macht, ist die Fortbewegung auf allen Vieren. Sie könnenz. B. Buchstaben oder auch andere Wege, die mit Kreide oderKlebeband auf dem Boden markiert sind, entlangkrabbeln.