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Übung im Öffentlichen Recht mit Europabezug – WS 2014/15 Prüfungsschema – Unionsgrundrechte Prüfungsschema Grundrechte der Europäischen Union I. Drei-Schritt-Prüfung bei Freiheitsgrundrechten Es ist zu prüfen, ob der Kläger (Antragsteller etc.) durch eine Maßnahme der EU (Gesetz / Verwal- tungshandeln / gerichtliche Entscheidung) in einem Unionsgrundrecht verletzt wird. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu untersuchen, ob die hoheitliche Maßnahme in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt (1.) und einen Eingriff in jenen darstellt (2.). Ist dies zu beja- hen, muss gefragt werden, ob der Eingriff unionsrechtlich gerechtfertigt werden kann (3.). Im Wege einer Vorbemerkung ist der Status der EU-Grundrechte(charta) „nach Lissabon“ kurz zu erläutern (vgl. i. Bes.: Art. 6 I (1), III EUV; Prot. Nr. 30 über die Anwendung der Charta). 1. Schutzbereich des Grundrechts a. Bestimmen des einschlägigen Schutzbereiches Lebensbereich? „Leitbegriffe“, wie z. B. Beruf, Eigentum, Versammlung, Meinung Sachliche und personale Begrenzungen des Schutzbereichs * Bsp.: Werk- und Wirkbereich der Kunstfreiheit; juristische Person als Klägerin b. Subsumtion: Wird der o. g. Schutzbereich im jeweiligen Sachverhalt berührt? c. Direktwirkung der Grundrechte (+) 2. Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts Prüfung, ob eine Maßnahme der Unionsgewalt (a.) den Schutzbereich des Grundrechts beeinträch- tigt (b.) und mithin einen Eingriff darstellt: a. Union als „Primäradressat“ der Grundrechte der EU: Vgl. Art. 51 I 1 GRCh b. Liegt eine „Verkürzung“ des unter (1.) bestimmten Schutzbereichs vor, die jenseits der „Bagatell- grenze“ liegt? 3. Unionsrechtliche Rechtfertigung a. Eingriff als Konkretisierung eines speziellen Gesetzesvorbehaltes * Beispiel: Art. 17 I 3 GRCh (Eigentumsfreiheit) b. Eingriff als Konkretisierung des allgemeinen Gesetzesvorbehaltes (1) Bestimmen der Grundrechtsschranke: Art. 52 I 1, 2 GRCh Gesetzesvorbehalt: Grundrechtseingriffe erfordern eine gesetzliche Ermächtigung, insb. durch einen Gesetzgebungsakt (vgl. hierzu Art. 289, 294 AEUV). Seite 1 von 2

Prüfungsschema - Otto-Friedrich-Universität Bamberg · PDF fileÜbung im Öffentlichen Recht mit Europabezug – WS 2014/15 Prüfungsschema – Unionsgrundrechte

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Übung im Öffentlichen Recht mit Europabezug – WS 2014/15 Prüfungsschema – Unionsgrundrechte

Prüfungsschema

Grundrechte der Europäischen Union

I. Drei-Schritt-Prüfung bei Freiheitsgrundrechten Es ist zu prüfen, ob der Kläger (Antragsteller etc.) durch eine Maßnahme der EU (Gesetz / Verwal-tungshandeln / gerichtliche Entscheidung) in einem Unionsgrundrecht verletzt wird. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu untersuchen, ob die hoheitliche Maßnahme in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt (1.) und einen Eingriff in jenen darstellt (2.). Ist dies zu beja-hen, muss gefragt werden, ob der Eingriff unionsrechtlich gerechtfertigt werden kann (3.). Im Wege einer Vorbemerkung ist der Status der EU-Grundrechte(charta) „nach Lissabon“ kurz zu erläutern (vgl. i. Bes.: Art. 6 I (1), III EUV; Prot. Nr. 30 über die Anwendung der Charta). 1. Schutzbereich des Grundrechts a. Bestimmen des einschlägigen Schutzbereiches Lebensbereich? „Leitbegriffe“, wie z. B. Beruf, Eigentum, Versammlung, Meinung Sachliche und personale Begrenzungen des Schutzbereichs * Bsp.: Werk- und Wirkbereich der Kunstfreiheit; juristische Person als Klägerin b. Subsumtion: Wird der o. g. Schutzbereich im jeweiligen Sachverhalt berührt? c. Direktwirkung der Grundrechte (+) 2. Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts Prüfung, ob eine Maßnahme der Unionsgewalt (a.) den Schutzbereich des Grundrechts beeinträch-tigt (b.) und mithin einen Eingriff darstellt: a. Union als „Primäradressat“ der Grundrechte der EU: Vgl. Art. 51 I 1 GRCh b. Liegt eine „Verkürzung“ des unter (1.) bestimmten Schutzbereichs vor, die jenseits der „Bagatell-

grenze“ liegt? 3. Unionsrechtliche Rechtfertigung a. Eingriff als Konkretisierung eines speziellen Gesetzesvorbehaltes * Beispiel: Art. 17 I 3 GRCh (Eigentumsfreiheit) b. Eingriff als Konkretisierung des allgemeinen Gesetzesvorbehaltes (1) Bestimmen der Grundrechtsschranke: Art. 52 I 1, 2 GRCh

Gesetzesvorbehalt: Grundrechtseingriffe erfordern eine gesetzliche Ermächtigung, insb. durch einen Gesetzgebungsakt (vgl. hierzu Art. 289, 294 AEUV).

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Übung im Öffentlichen Recht mit Europabezug – WS 2014/15 Prüfungsschema – Unionsgrundrechte

An dieser Stelle Inzidentprüfung der legislativen Maßnahme. Zu beachten: In der Regel Einschätzungsprärogative (= Wertungsspielraum) des Gesetzgebers.

(2) Die (Einzel-)Maßnahme der öffentlichen Gewalt muss rechtmäßige Konkretisierung des

Gesetzesvorbehaltes sein. Geht der Kläger (Antragsteller etc.) gegen eine Einzelmaßnahme vor (insb. Beschluss

nach Art. 288 IV AEUV), so ist also zu unterscheiden zwischen der Rechtmäßigkeit des zu-grunde liegenden Gesetzes (s. o.) und der Rechtmäßigkeit der darauf basierenden Einzel-maßnahme.

Art. 52 I 2 GRCh (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit): * Schutz der Gemeinwohlbelange der Union / Rechte und Freiheiten Dritter? * 3-Schritt-Prüfung: Geeignetheit; Erforderlichkeit; Angemessenheit

II. Zwei-Schritt-Prüfung bei Gleichheitsgrundrechten

Bei der Prüfung von Gleichheitsgrundrechten ist zunächst zu fragen, ob durch eine Unionsmaß-nahme vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden (1.). Anschließend ist zu un-tersuchen, ob die Ungleichbehandlung unionsrechtlich objektiv gerechtfertigt werden kann (2.). Im Wege einer Vorbemerkung ist der Status der EU-Grundrechte(charta) „nach Lissabon“ kurz zu erläutern (vgl. i. Bes.: Art. 6 I (1), III EUV; Prot. Nr. 30 über die Anwendung der Charta). 1. Ungleichbehandlung Behandelt (a) eine Maßnahme der öffentlichen Unionsgewalt (b) vergleichbare Sachverhalte unter-schiedlich? 2. Unionsrechtliche Rechtfertigung Eine Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn trotz vergleichbarer Sach-verhalte wegen eines sachlichen Grundes eine unterschiedliche Behandlung oder Regelung vorge-nommen werden darf. Dies setzt voraus, dass die Wahl des (zulässigen) Differenzierungskriteriums zur Erreichung des (zulässigen) Differenzierungsziels geeignet, erforderlich und sachlich angemessen ist (= Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). * Aber: Grundsätzlich weiter Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers bei politischen, wirt-

schaftlichen und sozialen (Prognose-)Entscheidungen. * Konsequenz: Verhältnismäßigkeitsanalyse einer Legislativmaßnahme in Form der 3-Stufen-

Prüfung nur in Fällen einer unmittelbaren Diskriminierung bzw. bei besonderer "Sensibilität" des fraglichen Grundrechts(eingriffs)

* Unionsgesetzgeber besitzt bei Auferlegung von Belastungen einen engeren „Gestaltungs-

rahmen“ als bei Gewährung von Begünstigungen. 22.12.2014 Ass. iur. A. Brigola

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