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Informationen zur Politischen Bildung Nr. 36 [onlineversion] www.politischebildung.com Printquelle: Das Parlament im österreichischen politischen System, herausgegeben vom Forum Politische Bildung Informationen zur Politischen Bildung Bd. 36, Innsbruck-Wien-Bozen 2012 Pro Wenn BürgerInnen selbst entscheiden und direkt in die Verantwortung genommen werden, sind sie eher bereit, die Folgen ihrer Entscheidung zu tragen. Direkte Demokratie steigert die Nachfrage nach sachlicher Information, der die Medien entspre- chen müssen. Die Menschen interessieren sich mehr für Politik und informieren sich besser. Direkte Demokratie ist politische Bildung. Durch die direkte Abstimmung des Volkes erhöht sich die Legitimation politischer Entscheidungen. Direkte Demokratie ermöglicht es kleinen Par- teien, Interessengruppen oder neuen sozialen Bewegungen, von der politischen Mehrheit ver- nachlässigte Themen auf die politische Tagesord- nung zu bringen. Durch direkte Demokratie wird politischer Pro- test in rechtliche Bahnen kanalisiert, entlädt sich also nicht „auf der Straße“. Direkt-demokratische Instrumente entfalten eine antizipative Wirkung. D.h., allein ihre Existenz bewirkt, dass Parlament und Regie- rung bei ihren Entscheidungen versuchen, die Wünsche der BürgerInnen einfließen zu lassen (um die Gefahr einer nachträglichen Aufhebung zu verringern). PRO UND CONTRA DIREKTE DEMOKRATIE Contra Das Wesen der Demokratie ist der Kompromiss, nicht die Ja/Nein-Entscheidung. Aktuelle Stimmungslagen beeinflussen das Ergebnis. Direkte Demokratie verursacht erhebliche Kosten und verzögert den politischen Prozess. Es besteht die Gefahr der Entwicklung autori- tärer Tendenzen durch Medienmacht wohlha- bender Personen. Die Legitimation direkt-demokratischer Entschei- dungen kann durch geringe Beteiligung in Frage gestellt werden. Unter Umständen werden komplexe Sachver- halte auf simple Ja-Nein-Alternativen reduziert. Direkte Demokratie begünstigt die Verteidige- rInnen des Status quo. Initiativen, die z.B. umver- teilende Maßnahmen verlangen, haben in der Regel geringe Chancen. Reichere und gebildetere Bevölkerungsschichten weisen höhere Beteiligungsraten auf. Quelle: Vatter, Adrian: Direkte Demokratie in der Schweiz: Entwicklungen, Debatten und Wirkungen, in: Freitag, Markus/Vatter, Adrian (Hrsg.): Direkte Demokratie: Bestandsaufnahme und Wirkungen im internationalen Vergleich. Berlin et al. 2007, S. 71–113

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Informationen zur Politischen Bildung Nr. 36 [onlineversion] www.politischebildung.com

Printquelle: Das Parlament im österreichischen politischen System, herausgegeben vom Forum Politische BildungInformationen zur Politischen Bildung Bd. 36, Innsbruck-Wien-Bozen 2012

Pro

Wenn BürgerInnen selbst entscheiden und direkt in die Verantwortung genommen werden, sind sie eher bereit, die Folgen ihrer Entscheidung zu tragen.

Direkte Demokratie steigert die Nachfrage nach sachlicher Information, der die Medien entspre-chen müssen.

Die Menschen interessieren sich mehr für Politik und informieren sich besser. Direkte Demokratie ist politische Bildung.

Durch die direkte Abstimmung des Volkes erhöht sich die Legitimation politischer Entscheidungen.

Direkte Demokratie ermöglicht es kleinen Par-teien, Interessengruppen oder neuen sozialen Bewegungen, von der politischen Mehrheit ver-nachlässigte Themen auf die politische Tagesord-nung zu bringen.

Durch direkte Demokratie wird politischer Pro-test in rechtliche Bahnen kanalisiert, entlädt sich also nicht „auf der Straße“.

Direkt-demokratische Instrumente entfalten eine antizipative Wirkung. D.h., allein ihre Exis tenz bewirkt, dass Parlament und Regie-rung bei ihren Entscheidungen versuchen, die Wünsche der BürgerInnen einfließen zu lassen (um die Gefahr einer nachträglichen Aufhebung zu verringern).

Pro unD Contra Direkte Demokratie

Contra

Das Wesen der Demokratie ist der Kompromiss, nicht die Ja/Nein-Entscheidung.

Aktuelle Stimmungslagen beeinflussen das Er gebnis.

Direkte Demokratie verursacht erhebliche Kosten und verzögert den politischen Prozess.

Es besteht die Gefahr der Entwicklung autori-tärer Tendenzen durch Medienmacht wohlha-bender Personen.

Die Legitimation direkt-demokratischer Entschei-dungen kann durch geringe Beteiligung in Frage gestellt werden.

Unter Umständen werden komplexe Sachver-halte auf simple Ja-Nein-Alternativen reduziert.

Direkte Demokratie begünstigt die Verteidige-rInnen des Status quo. Initiativen, die z.B. umver-teilende Maßnahmen verlangen, haben in der Regel geringe Chancen.

Reichere und gebildetere Bevölkerungsschichten weisen höhere Beteiligungsraten auf.

Quelle: Vatter, Adrian: Direkte Demokratie in der Schweiz: Entwicklungen, Debatten und Wirkungen, in: Freitag, Markus/Vatter, Adrian (Hrsg.): Direkte Demokratie: Bestandsaufnahme und Wirkungen im internationalen Vergleich. Berlin et al. 2007, S. 71–113