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Probleme des Steuerrechts Review by: Heinz Paulick FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 21, H. 2 (1961), pp. 337-342 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40909533 . Accessed: 13/06/2014 03:59 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 188.72.126.181 on Fri, 13 Jun 2014 03:59:05 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Probleme des Steuerrechts

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Probleme des SteuerrechtsReview by: Heinz PaulickFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 21, H. 2 (1961), pp. 337-342Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40909533 .

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Probleme des Steuerrechts* von

Heinz Paulick

Die seit nunmehr zwolf Jahren in Koln stattfindenden Fachkongresse der Steuerberater in der Bundesrepublik Deutschland sind zu einer Begegnung aller am Steuerrecht und an seiner Fortentwicklung im Geiste der Rechts- staatlichkeit interessierten Kreise aus Wirtschaftspraxis, Finanzverwaltung, Finanzgerichtsbarkeit und nicht zuletzt auch aus der Steuerrechtswissen- schaft geworden. Die anlaBlich der Fachkongresse gehaltenen Vortrage von hohem wissenschaftlichem Niveau ziehen jeweils die Bilanz fur das Geschehen auf dem Gebiete des Steuerrechts und der betriebswirtschaftlichen Steuer- lehre, beleuchten die aktuellen Probleme in ihrer ganzen Vielschichtigkeit, nehmen kritisch dazu Stellung und weisen Wege fur eine noch bessere Aus- gestaltung des Steuerrechts de lege ferenda.

Im Mittelpunkt des XII. Fachkongresses standen als Hauptprobleme die Wandlungen, die das Steuerrecht in den letzten Jahren unverkennbar er- fahren hat und die dazu gefuhrt haben, daB das Steuerrecht in Entfremdung von seinem eigentlichen fiskalischen Zweck zu einem groBen Teil wirtschaft- liches und soziales Lenkungsrecht geworden ist. Es haben sich aber auch noch andere Wandlungen vollzogen, denen Spitaler in seinem weitgreifenden SchluBreferat eine erste wissenschaftliche Begriindung fiir die staatspolitische Konzeption gibt, das Steuerrecht als wirtschaftliches und soziales Lenkungs- recht zu benutzen. Spitaler weist dabei vor allem auf die Gefahren hin, die mit dieser Entwicklung fiir unsere Steuerkultur verbunden sind.

Ein weiterer, schon auf friiheren Kongressen behandelter Problemkreis betrifft das das gesamte Steuerrecht beherrschende Spannungsverhaltnis zwischen den rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit einerseits und der GleichmaBigkeit der Besteuerung, d.h. der Verwirklichung der steuer- lichen Gerechtigkeit im Einzelfall, andererseits.

* Steuerberater-Jahrbuch 1960/61. Bericht iiber den XII. FachkongreB der Steuerberater der Bundesrepublik Deutschland. Herausgegeben im Auftrag des Fachinstituts der Steuerberater von Prof. Dr. Armin Spitaler. Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Koln 1961. 558 S.

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338 Heinz Paulick

Die Fiille der - teilweise in monographischer Breite - abgehandelten Themen und erorterten Einzelfragen verbietet es, sich mit ihnen mit der an sich gebotenen Ausfuhrlichkeit auseinanderzusetzen. Der Rezensent be- schrankt sich deshalb im wesentlichen darauf, den Inhalt der einzelnen Referate anzudeuten und zu charakterisieren.

Thoma regt in seiner Eroffnungsansprache an, aus dem groBen Erfah- rungsgut der steuerlichen Betriebspriifungen eine ausfiihrliche Betriebs- priifungsordnung als gesetzlichen Vorschriftenkomplex zu schaffen, in der auch die Rechte der Steuerpflichtigen in Ansehung der Betriebspriifungen mit hinreichender Ausfuhrlichkeit verankert werden. Ein weiteres Anliegen Thomas ist auf die Schaffung einer Regelung gerichtet, durch die die zustan- digen Stellen der Finanzverwaltung angewiesen werden, unter bestimmten Voraussetzungen schon vor Durchfiihrung der Veranlagung den Steuerpflich- tigen und ihren Beratern verbindliche Auskiinfte oder Zusagen zu geben, um spatere Auseinandersetzungen zu vermeiden. ,,Vorwegentscheidungen und verbindliche Zusagen sind bedeutungsvolle und wichtige Mittel zur Festigung der Rechtssicherheit und der Vorausberechenbarkeit der Auswirkungen der Steuergesetze. Rechtssicherheit und Vorausberechenbarkeit sind aber hochste Ziele des Rechts, denen man immer zustreben soil."

Der Bundesminister der Finanzen Etzel gab in seiner BegriiBungs- ansprache einen Ruckblick und Ausblick auf dem Gebiete des Steuerrechts und bezeichnete die Stabilisierung und Vereinfachung des Steuerrechts und die Verbesserung des Steuerklimas als vordringliche Forderungen.

OFPras. Wittneben untersucht das immer wieder interessante und noch nicht eindeutig geloste Problem, ob bei der Anwendung der Steuergesetze dem Prinzip der Rechtssicherheit oder dem Prinzip der GleichmaBigkeit der Besteuerung der Vorrang gebtihrt. Er sieht zutreffend in diesen Prinzipien Komponenten der Rechtsstaatlichkeit und meint, daB keine dieser Kompo- nenten das Ubergewicht haben diirfe. Auf Grund seiner Uberlegungen kommt er zu dem Ergebnis, daB der Grundsatz der Rechtssicherheit gegeniiber dem Grundsatz der GleichmaBigkeit der Besteuerung im Regelfall von niederem Range sei, daB er jedoch in Verbindung mit dem Willkiirverbot des Art.3GG vorrangig ist. Treten aber beide Grundsatze in Verbindung mit einem Grund- recht inWiderstreit, so miisse der Grundsatz vorgehen, dem bei der Abwagung der offentlichen Interessen die Hoherbewertung zuerkannt werden muB (S. 46).

Der Rezensent vermag den Darlegungen Wittnebens nicht allenthalben zu folgen. In Ubereinstimmung mit Wittneben zeigen die Finanzverwaltungs- behorden aus fiskalischen Riicksichten die Neigung, das Prinzip der Rechts- sicherheit dem Grundsatz der gleichmaBigen Besteuerung nachzuordnen. Ich halte das fur bedenklich. Wo immer mehrere Verfassungsgrundsatze mitein- ander inWiderstreit stehen, sollte stets dem Prinzip der Rechtssicherheit, der Rechtsbestandigkeit und des Vertrauensschutzes der Vorrang eingeraumt werden. Das gilt vor allem auch fiir die Auslegung der Steuergesetze. Hier ist in erster Linie von dem veroffentlichten Gesetzeswortlaut auszugehen. Soil von diesem abgewichen werden, so ist insbesondere dann groBte Zuriick- haltung geboten, wenn dadurch etwaige Vergiinstigungen zu Ungunsten der Steuerpflichtigen eingeschrankt werden.

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Probleme des Steuerrechts 339

In § 79 Abs. 2 BVerfGG hat der Gesetzgeber selbst die Rechtssicherheit holier bewertet als die Forderung nach Gerechtigkeit im Einzelfall, ebenso in § 26 Abs. 5 EStG 1957. Darin liegt keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Stellt das Bundesverfassungsgericht die Nichtigkeit einer Rechtsnorm fest, so wird diese Entscheidung zwar im Hinblick auf die Regelung des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG fur eine Vielzahl rechtskraftig abgeschlossener Ver- fahren ohne Wirkung sein, wahrend sie fur alle noch anhangigen Verfahren Rechtswirkungen auBert. Mag auch die dadurch bedingte unterschiedliche steuerliche Belastung der beiden Gruppen von Steuerpflichtigen das Bediirf- nis nach Gerechtigkeit im Einzelfall nicht voll befriedigen, so ist die unter- schiedliche Behandlung doch durch das Bedurfnis nach Rechtssicherheit gerechtfertigt und deshalb auch unter dem Blickpunkt des Gleichheitssatzes verf assungsrechtlich unbedenklich .

Rechtssicherheit und Vertrauensschutz mussen insbesondere das Ver- haltnis der Steuerpflichtigen zu den Finanzbehorden und umgekehrt beherr- schen. Sie gelten in gleicher Weise fur die Erklarungen der Steuerpflichtigen wie fur die der Finanzverwaltungsbehorden. Dariiber hinaus kommt dem Grundsatz der Rechtssicherheit auch fiir die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte eine groBe Bedeutung zu. Die Veroffentlichung ihrer Ent- scheidungen soil der Rechtssicherheit dienen. Damit ist aufs engste verbunden die Forderung nach einer moglichst konstanten Rechtsprechung. Der Ge- danke der Rechtssicherheit beherrscht demzufolge auch die gesetzlichen Vorschriften fiir die Gerichte, durch die die Moglichkeit widersprechender Entscheidungen eingeschrankt werden soil.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat mit Nachdruck die Rechts- sicherheit als Grundlage des demokratischen Rechtsstaats in standiger Recht- sprechung bezeichnet. In der Entscheidung 1 BvL 106/53 vom 18.12.1953 (BVerfGE 3, 225, 237) sieht es die Rechtssicherheit als ein wesentliches Element des rechtsstaatlichen Prinzips an. Es gehore zu den im GG getroffe- nen Grundentscheidungen, die echte Gerechtigkeitspostulate verwirklichen sollen (vgl. dazu auch die vortrefflich begriindete Entscheidung des BFH vom 14.8.1958 I 39/57 U, Bd. 67 S. 354 ff.).

Alles das wird m. E. von Wittneben nicht hinreichend gewiirdigt, wenn er auf S. 38 ausfiihrt: ,,Ich kann mich andererseits aber doch auch nicht des Eindrucks erwehren, dafi die Schalmei Rechtssicherheit, Rechts- staatlichkeit allzuwohl klingt und betorend wirkt und nicht zuletzt auch wegen Wunschkonformitat allzu leicht Anklang findet. Die Schalmei ist wie ein ansprechender Karnevalsschlager in Koln, den alle begeistert mitsingen, auch wenn der Text noch so blodsinnig ist". Diese Ausgangsgrundlage fur die nachfolgenden Betrachtungen Wittnebem ist denn doch etwas zu vorder- grlindig und iibersieht die fundamental Bedeutung des Rechtsstaatlichkeits- prinzips und seiner einzelnen Elemente, die keine bloBen ,,Schalmeienklange" sind und auch keiner ,, Wunschkonformitat" entspringen, sondern die Grund- lagen unserer gesamten Staatsordnung darstellen und hinter denen, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgefiihrt hat, alles fiskalische Zweck- denken zurtickzutreten hat. Demzufolge vermag ich auch den Ausfiihrungen Wittnebens auf S. 50 iiber die Rechtskraft im Steuerrecht nicht beizutreten.

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340 Heinz Pavlick

Mit Recht betont demgegeniiber Bundesricliter Flieflbach in seinem aus- gezeichneten Referat ,,Art. 19 Abs. 4 GG im steuergerichtlichen Verfahrens- recht im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs", es konne kein Zuviel an Rechtsstaatlichkeit geben. Dem Vortragenden sei bestatigt, daB der Bundesfinanzhof der Verwirklichung des Rechtsschutzgedankens des Art. 19 Abs. 4 GG im weitestgehenden MaBe gerecht geworden ist.

Rechtsanwalt Bottcher - der Preistrager des Gerhard Thoma-Ehren- preises 1960 - erortert wie schon in den Vorjahren die Weiterentwicklung des Steuer- und Wirtschaftsrechts der Familienunternehmen.

Bundesrichter Littmann referiert in seinem 87 Seiten umfassenden Bei- trag tiber ausgewahlte aktuelle Einkommensteuerfragen. In seiner Stellung- nahme zum Steueranderungsgesetz 1960 sagt er u.a.: ,,Gesetze konnen aber auch dann verfassungswidrig und damit nichtig sein, wenn oder soweit sie gegen ungeschriebene Verfassungsnormen, gegen den Zustand der verfassungs- maBigen Ordnung schlechthin verstoBen. Hierzu aber kann . . . auch ein tJber- maB an gesetzgeberischem Eifer fiihren" - eine Feststellung, die groBte Beachtung verdient. In seinen weiteren Ausfuhrungen kommentiert Littmann in kritischerWeise die Neufassung des Betriebsausgabenbegriffes in § 4 Abs. 5 und 6 EStG und die Auswirkungen der Beseitigung der Vervielfaltigungs- theorie. Fiir die Praxis bedeutsame, von der bisherigen Rechtsprechung teil- weise abweichende Ausfuhrungen behandeln die Einkommenszurechnung und Einkommensberechnung bei unentgeltlicher Nutzungsiiberlassung vonWirt- schaftsgiitern und die einkommensteuerliche Beurteilung von Vermachtnissen und Pflichtteilen.

Ministerialrat Steinberg referiert iiber ,,Aktuelle Fragen des Korper- schaftsteuerrechts" (Organschaft mit Ergebnisabfuhrungsvertrag; Bildung von Riicklagen beim Organ, wenn die Moglichkeit zur Riicklagenbildung in der Handelsbilanz des Organs in den Ergebnisabfuhrungsvertrag aufgenom- men worden ist; Anrechnung auslandischer Einkommensteuer des Organs; Organschaft zu einer geschaftsleitenden Holding; Ausschiittung von Rtick- lagen durch die beherrschte Kapitalgesellschaft an das beherrschende Unter- nehmen; Korperschaftsteuertar^f fiir personenbezogene Kapitalgesellschaf- ten; Kapitalerhohung aus Gesellschaftsmitteln; Pensionsriickstellungen fiir Gesellschafter-Geschaftsfiihrer). In seinem Diskussionsbeitrag zu diesem Referat bemangelt Prof. Flume, daB es bis jetzt keine wirksame Hilfe gegen die riickwirkende Wirkung der Rechtsprechung gibt. Er sieht darin mit Recht ein Moment, das unsere rechtsstaatliche Ordnung ernstlich beeintrachtigt.

Steuerberater Eauck befaBt sich mit Fragen der aktiven Rechnungs- abgrenzung. Er weist kritisch auf die Tendenz der Rechtsprechung hin, die aktive Rechnungsabgrenzung auszuweiten (z.B. Aktivierung der auf An- zahlungen fiir noch nicht vollendete Bauten entrichteten Umsatzsteuer durch Bauunternehmer), und schlagt vor, im Zweifel eine Aktivierung zu unter- lassen, anstatt Bilanzposten anzusetzen, denen ein Kreditinstitut oder ein Erwerber des Betriebs einen Wert nicht beimessen oder denen ein AbschluB- priifer im Hinblick auf die aktienrechtlichen Vorschriften die Anerkennung versagen wiirde.

Zu nennen sind weiter die Vortrage von Wirtschaftspriifer Miiller:

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Problems des Steuerrechts 341

,,Garantieverpflichtungen nach Einkommensteuer- und Bewertungsrecht", von Rechtsanwalt Kapp: ,,Grundlagen des Erbschaftsteuerrechts" und von Steuerberater Gubbels: ,,Kritische Bemerkungen zu den Vermogensteuer- Richtlinien I960".

,,Die Problematik der Gesellschaftsteuerpflicht bei der Hingabe von Gesellschafterdarlehen" und damit die Frage nach der VerfassungsmaBigkeit des § 3 Abs. 1 KVStG behandelt Referendar Ewers. Er kommt zu dem Ergeb- nis, daB der Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 KVStG darin besteht, eine Um- gehung der Gesellschaftsteuerpflicht aus § 2 KVStG durch eine Besteuerung derjenigen Gesellschafterdarlehen zu verhindern, die eine durch die Sachlage gebotene Eigenkapitalzufiihrung ersetzen. ,,Das ist dann der Fall, wenn es sich um ein langfristiges Darlehen handelt, wenn bei dem kreditnehmenden Unternehmer, der Verkehrsublichkeit entsprechend, eine Eigenkapitalzufiih- rung geboten gewesen ware. Die Anwendung des § 3 Abs. 1 KVStG im Rahmen dieser Auslegung verstoBt nicht gegen den Grundsatz der Rechts- staatlichkeit. § 3 Abs. 1 KVStG ist infolgedessen nicht verfassungswidrig."

Der Rezensent vertritt dazu eine andere Auffassung. Die ,,Verkehrs- iiblichkeit" allgemein als Grundlage fur die Tatbestandsermittlung zu neh- men, kommt einer ,,Typisierung" weitgehend gleich. Eine solche Typisierung steht aber m. E. in ausdrucklichem Widerspruch zum Gesetz (§ 3 Abs. 1 KVStG), das die Individuality des objektiven Tatbestandes betont. AuBer- dem wiirde sie auf der kaum verifizierbaren Fiktion beruhen, daB samtliche Betriebe einer Branche in ihrer Anlage, Organisation, Leitung usw., d.h. in alien Elementen, die das Finanzierungsbild eines Unternehmens beeinflussen, vergleichbar waren, was durchaus nicht der Fall ist. Aus der Unberechenbar- keit der Kreditfahigkeit, die zur Unbestimmbarkeit des erlangbaren Fremd- kapitals fiihrt, ergibt sich vielmehr, daB der Tatbestand - ,,wenn die Dar- lehnsgewahrung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzufiihrung ersetzt"- objektiv im voraus nicht fixierbar ist. Es fehlt damit an der Tatbestands- maBigkeit als Voraussetzung der Steuererhebung. Ich komme deshalb zur Verneinung der VerfassungsmaBigkeit des § 3 Abs. 1 KVStG wegen Verletzung des Prinzipes der Rechtssicherheit.

Die interessante, bisher nur wenig erorterte Frage, ob die privatrecht- lichen Grundsatze iiber die Anscheins- oder Duldungsvollmacht auch im Verkehr mit den Finanzbehorden gelten, wird von Rechtsanwalt Oswald - m. E. zu Recht - bejaht. Die Frage ist von groBer Bedeutung, wenn ein nicht zustandiger (nicht vertretungsberechtigter) Beamter eine Auskunft erteilt. Der Bundesfinanzhof verneint in diesen Fallen im Gegensatz zur Rechtsprechung einiger Finanzgerichte eine Bindung des Finanzamts an die erteilte Auskunft und halt auch den Grundsatz von Treu und Glauben nicht fur anwendbar.

In seinem bereits am Anfang erwahnten groB angelegten, gedanken- reichen SchluBreferat befaBt sich Prof. Spitaler mit den Wandlungen im Steuerrecht. Er weist auf die immer mehr um sich greifende Ausbreitung wirtschafts- und sozialpolitischer Zielsetzungen im Steuerrecht hin, die dazu fiihrt, daB das Steuerrecht mehr und mehr das Betatigungsfeld einer immer starker verfeinerten Rechtstechnik wird. Die damit verbundenen Gefahren

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342 Heinz Paulick, Probleme des Steuerrechts

sieht er in der Komplizierung des Steuerrechts, in der Beeintrachtigung oberster Grundsatze der Steuergesetzgebung, insbesondere der Grundsatze gleichmaBiger und gerechter Besteuerung und der Rechtssicherheit, in einem Anreiz zur Steuerumgehung und in der Untergrabung der Steuermoral. Er weist auf die zunehmende Rechtsverfeinerung hin, die wiederum mit einer EinbuBe an Rechtssicherheit verbunden sein kann, aber auch auf den wach- senden EinfluB des ungeschriebenen Rechts, des Verfassungsrechts und der Wertungsjurisprudenz. Ich stimme mit Spitaler durchaus darin iiberein, daB die UngewiBheit tiber die VerfassungsmaBigkeit der Steuergesetze oder einzel- ner Normen zu einer Gefahrdung der Rechtssicherheit, der auch Spitaler den Vorrang vor der GleichmaBigkeit der Besteuerung einraumt, flihren kann. Der leise anklingenden Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- gerichts zu steuerrechtlichen Fragen vermag ich mich jedoch nicht vorbehalt- los anzuschlieBen (S. 407, 408), auch nicht im Hinblick auf die strenge Aus- legung des Art. 80 Abs. 1 GG. Die Kritik wendet sich besser an die Adresse des Gesetzgebers, bei Abfassung seiner Gesetze den verfassungsmaBig gewahr- leisteten Grundrechten der Staatsbiirger starkere Beachtung zu schenken. Ich weise hierzu nur auf die berechtigte Kritik Littmanna am Steueranderungs- gesetz 1960 hin, das in mancherlei Hinsicht verfassungsrechtliche Bedenken aufwirft. Im iibrigen verdienen die Ausfiihrungen Spitalers iiber die ,,schwin- dende Beherrschbarkeit" und die ,,wachsende Unheimlichkeit" des Steuer- rechts voile Zustimmung, denn diese Erscheinungen fiihren in der Tat zur Bedrohung unserer Steuerkultur. Und seine ernste Warnung und Mahnung : ,,Man sollte je friiher, desto besser das Steuerrecht vom wirtschaftlichen und sozialen Lenkungsrecht wieder entbiirden. Nur so lieBe sich unsere Steuer- kultur retten und erhalten", sollte von den Verfassungsorganen, die damit angesprochen werden, nicht iiberhort werden.

Ein ausfiihrliches Stichwortregister (127 Seiten) fur die Steuerberater- Jahrbucher 1949 bis 1960/61 verleiht den Jahrbuchern den Wert einer ganzen steuerrechtlichen Bibliothek, die Praxis und Wissenschaft in gleichem MaBe zu dienen geeignet ist und aus der die am Steuerrecht interessierten Kreise mit groBem Nutzen wertvolle Anregungen und Ratschlage schopfen konnen, weil die meisten Beitrage nie veraltende Grundsatzfragen des Steuerrechts zum Gegenstand haben.

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