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Sammlung Poeschel 73 Produktpolitik Ein kunden- und gesellschaftsorientierter Ansatz von Ursula Hansen, Thorsten Hennig-Thurau, Ulf Schrader überarbeitet Produktpolitik – Hansen / Hennig-Thurau / Schrader schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Schäffer-Poeschel 2001 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 7910 9217 1 Inhaltsverzeichnis: Produktpolitik – Hansen / Hennig-Thurau / Schrader

Produktpolitik - Hansen / Hennig-Thurau / Schrader ... · Vorwort Seit der letzten Auflage dieses Buches im Jahre 1984 sind auf dem deutschen Markt zahlreiche Werke zur Produktpolitik

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Page 1: Produktpolitik - Hansen / Hennig-Thurau / Schrader ... · Vorwort Seit der letzten Auflage dieses Buches im Jahre 1984 sind auf dem deutschen Markt zahlreiche Werke zur Produktpolitik

Sammlung Poeschel 73

Produktpolitik

Ein kunden- und gesellschaftsorientierter Ansatz

vonUrsula Hansen, Thorsten Hennig-Thurau, Ulf Schrader

überarbeitet

Produktpolitik – Hansen / Hennig-Thurau / Schrader

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

Schäffer-Poeschel 2001

Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de

ISBN 978 3 7910 9217 1

Inhaltsverzeichnis: Produktpolitik – Hansen / Hennig-Thurau / Schrader

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Vorwort

Seit der letzten Auflage dieses Buches im Jahre 1984 sind auf dem deutschen Markt zahlreiche Werke zur Produktpolitik neu erschienen oder neu aufgelegt worden.1 Einige dieser Bücher über-schreiten deutlich die 500-Seiten Grenze und jedes setzt andereSchwerpunkte. Das vorliegende Buch hebt sich von diesen Publika-tionen insofern ab, als es keine Vollständigkeit anstrebt, sondernStudierenden durch eine entsprechende Auswahl und Aufbereitungdes Lehrstoffes ein Instrument an die Hand zu geben, das zur eigenständigen Erschließung des Themenfeldes Produktpolitik befähigt und motiviert. Unsere Hauptzielgruppe sind entsprechendStudierende, die sich erstmalig oder vertiefend mit dem Themen-bereich Produktpolitik auseinander setzen. Es ist uns ein zentralesAnliegen gewesen, sowohl die zahlreichen jüngeren Entwicklungenaus Marketingwissenschaft und -praxis zu berücksichtigen (z.B. inGestalt eines zusätzlichen Kapitels zur Servicepolitik, das der starkzunehmenden Interdependenz zwischen Produkten und Dienst-leistungen Rechnung trägt) als auch den Umfang des Buches in einem überschaubaren Rahmen zu halten.

Bei der Aufbereitung der Inhalte wurde verstärkt auf eine Eignung als Lehr- und Lernbuch geachtet. So sind jetzt jedem Kapitel Leitfragen vorangestellt, deren Beantwortung der Leser vonden folgenden Darstellungen erwarten kann und die zur besserenStrukturierung der Stoffaneignung dienen sollen. Zur Festigungund Überprüfung des erzielten Lernfortschrittes gibt es zu den einzelnen Kapiteln Vertiefungsfragen. Lösungshinweise bieten wir auf einer speziellen Internetseite, die regelmäßig um neue produktspezifische Beispiele und Hinweise ergänzt wird. Die URLder Seite lautet http://www.produktpolitikbuch.de.

Neben der umfassenden inhaltlichen Erneuerung und der verstärkten Lernorientierung wurden bei der Überarbeitung dreiweitere Aspekte hervorgehoben. Der eine Aspekt findet sich bereitsim Titel des Buches wieder: Das vorliegende Werk stellt eine

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_____________1 Vgl. z.B. Brockhoff (1999), Haedrich/Tomczak (1996), Herrmann (1998), Hüttel

(1998), Koppelmann (1997), Pepels (1998), um nur einige Werke der jüngerenZeit zu nennen.

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Integration von Kundenorientierung und Gesellschaftsorientierungdar. Während in der zweiten Auflage die verbraucherpolitische Per-spektive in einem eigenen Kapitel am Ende des Buches behandeltwurde, versuchen wir jetzt, die über Kunden und Markt hinaus-weisende gesellschaftsorientierte Perspektive bereits bei den Rah-menfaktoren und innerhalb der einzelnen Bereiche der Produktpoli-tik zu berücksichtigen. Dabei verfolgen wir keinen harmonistischenAnsatz, frei nach dem Prinzip: „Alles was gut ist für die Gesell-schaft ist auch gut für den Kunden und die ökonomischen Interes-sen der Unternehmung“. Stattdessen werden mögliche Zielkonfliktethematisiert und Instrumente vorgestellt, die ProduktmanagernChancen und Möglichkeiten eines markt- und/oder gesellschafts-orientierten Handelns aufzeigen. Zum Zweiten haben wir die Not-wendigkeit gesehen, die inhaltlichen Ausführungen an verschie-denen Stellen um methodenbezogene Einschübe zu ergänzen. Inihnen wollen wir schlaglichtartig einzelne Marktforschungsmetho-den vorstellen, die heute zum Standardrepertoire der Produktpolitikin der Unternehmenspraxis zählen und deren Kenntnis für erfolg-reiches produktpolitisches Handeln unabdingbar geworden ist. Wirwollen auf diese Weise der wachsenden Bedeutung Rechnung tragen, die der Marktforschung für die Entwicklung neuer Produkteund deren Management zukommt. Als dritten zusätzlichen Aspektenthält das Buch an verschiedenen Stellen Praxis-Einschübe, in denen theoretische Inhalte um Hintergrundinformationen aus derproduktpolitischen Praxis ergänzt und vertieft werden.

Die Erstellung eines solchen Buches erfordert stets die Mithilfezahlreicher Personen. Wir danken an dieser Stelle zunächst EugenLeitherer, der als Co-Autor an den beiden vorangehenden Auflagendieses Buches beteiligt war. Bei der Literaturrecherche und der Manuskripterstellung wurden wir von cand. oec. Daniela Schulzhervorragend unterstützt. Inge Brauns half uns beim Korrektur-lesen. Natürlich verbleibt die Verantwortung für alle verbliebenenFehler und Schwächen des Buches bei den Autoren.

Hannover, im August 2001

Ursula Hansen Thorsten Hennig-Thurau Ulf Schrader

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1 Einführender Teil

Dieses Kapitel soll Antworten auf die folgenden Fragen liefern:1. Worin besteht die besondere Relevanz der Produktpolitik?

Welche aktuellen Herausforderungen gibt es?2. Was ist ein Produkt? Welches Verständnis von Produktpolitik

wird hier zu Grunde gelegt?3. Wie lässt sich die Produktpolitik methodisch erfassen und

inhaltlich strukturieren?4. Warum wird in diesem Buch ein kunden- und gesellschafts-

orientierter Ansatz vertreten?

1.1 Problemstellung und Relevanz

Produkte stehen im Zentrum des Marketing. Gemeinsam mitDienstleistungen sind sie Gegenstand jener Austauschprozesse, vondenen sich Unternehmen eine Gewinnerzielung und Konsumentendie Befriedigung ihrer Wünsche und Bedürfnisse versprechen. Produkte werden mit Preisen versehen, kommuniziert und distri-buiert und dienen als Ausgangspunkt der Formulierung von Marke-tingstrategien und Managementkonzepten. Der Produktpolitik wirddementsprechend sowohl in der Marketingwissenschaft als auch inder Marketingpraxis ein hoher Stellenwert zugewiesen: Sie wird als „Kern aller absatzpolitischen Anstrengungen“ (Böcker 1996,S. 189), als „das erste und wichtigste Element im Marketing-Mix“(Kotler/Bliemel 2001, S. 715) oder als „Herz des Marketing“ (Meffert 2000, S. 327) bezeichnet.

Die Produktpolitik sieht sich in jüngerer Zeit einer Vielzahl vongrundlegenden Veränderungen ihres Handlungsumfeldes ausge-setzt, aus denen umfangreiche Herausforderungen resultieren:

• Auf zahlreichen Märkten kann hinsichtlich technischer Kern-eigenschaften eine Angleichung der angebotenen Produkte unterschiedlicher Hersteller festgestellt werden. Die Erlangungund Erhaltung von strategischen Wettbewerbsvorteilen über

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Kernleistungen wird so für ein einzelnes Unternehmen zu-nehmend schwieriger (Homogenisierungsthese).

• Flexible Produktionstechnologien ermöglichen Unternehmeneine größere Ausdifferenzierung der Produktangebote und damiteine stärkere Anpassung an individuelle Bedarfe der Konsumenten(Individualisierungsthese).

• Die beschriebene Angleichung und Ausdifferenzierung findetnicht länger auf regional begrenzten Märkten, sondern im Kon-text einer zunehmenden Internationalisierung und Globalisierungvon Unternehmensaktivitäten statt (Globalisierungsthese).

• Auf vielen Märkten sind zudem Sättigungstendenzen festzustel-len, die in Verbindung mit der technologischen Homogenität und der Internationalisierung einen verstärkten Preis- und Ver-drängungswettbewerb der Anbieter zur Folge haben (Sätti-gungsthese).

• Produkte unterliegen heute häufig erheblich verkürzten Lebens-zyklen, sodass die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen und dieMöglichkeit zur Amortisation der Investitionen, die für die Pro-duktentwicklung notwendig sind, erheblich schwieriger werden(Dynamisierungsthese).

• Gesellschaftliche Anspruchsgruppen (Stakeholder) thematisierenökologische und soziale Nebenwirkungen der Produktion sowiedes Konsums von Produkten und formulieren entsprechende gesellschaftsorientierte Anforderungen, denen sich die Produkt-hersteller zu stellen haben (Verantwortungsthese).

Die genannten Entwicklungen machen die Relevanz einer dynami-schen Produktpolitik für den Marketing- und Unternehmenserfolgoffenkundig. Sowohl die Veränderung bestehender als auch die Ent-wicklung und Einführung neuer Produkte durch ein Unternehmenals grundlegende produktpolitische Handlungsalternativen besitzendabei das Potenzial, den Unternehmenserfolg positiv zu beeinflus-sen. So erzielt beispielsweise Hewlett-Packard mehr als die Hälfteder Konzerneinnahmen mit Produkten, die es ein Jahr zuvor nochnicht gab (Rifkin 2000, S. 34). Eine Produktneueinführung dientaber nicht nur dem kurzfristigen Erfolg, sondern kann bei hin-reichender Alleinstellung auch langfristig zur Absicherung einerMarktführerposition auf neu entstehenden Märkten führen. DieRed Bull GmbH besitzt 14 Jahre nach der Einführung ihres gleich-namigen Energy Drinks in den 51 Ländern, in denen das Unter-nehmen vertreten ist, einen Marktanteil von jeweils mindestens 70 % (Tuma 2001).

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Allerdings stellt eine innovationsorientierte Produktpolitik nichtnur ein Erfolg versprechendes, sondern zugleich ein äußerst risiko-reiches Unterfangen dar. So verlor der Elektronikkonzern RCAdurch die von ihm in den Markt eingeführte Videodisc rund 500Mio. US-Dollar (Power 1993). Die Idee einer farblosen Cola namens „Crystal Pepsi“ brachte dem Softdrinkhersteller PepsiCo.Verluste in Höhe von „nur“ 100 Mio. US-Dollar (McMath 1999).Einer der größten Flops der letzten Jahrzehnte war der Versuch desamerikanischen Technologiekonzerns Motorola, ein globales Netzfür Satellitentelefone zu errichten; die Verluste beliefen sich ins-gesamt auf rund 5 Mrd. US-Dollar (siehe Praxis-Einschub). DieUnternehmensberatung Booz, Allen und Hamilton berichtet davon,dass „46% of the resources spent on new products are allocated toproducts that fail in the market or earlier in the process“(Urban/Hauser 1993, S. 5). Betrachtet man die Innovationserfolgeeinzelner Produkte, dann wird je nach Abgrenzung sogar von Flopraten zwischen 70% und 85% berichtet (Brockhoff 1999,S. 3f.; Kotler/Bliemel 2001, S. 509).

Die genannten Entwicklungen begründen für die Unternehmenein schwerwiegendes „produktpolitisches Dilemma“: Die Verände-rung und Entwicklung des vorhandenen Produktprogramms ist einerseits unumgänglich, erfordert aber andererseits erhebliche Investitionen und ist nur in einem Teil der Fälle auch tatsächlich erfolgreich. Als entscheidendes Kriterium für den Erfolg von neuenProdukten gilt der wahrgenommene Vorteil eines Produktes ausKundensicht (Cooper/Kleinschmidt 1995; Kotler/Bliemel 2001,S. 512). Von daher kann Kundenorientierung als zentrale Größe an-gesehen werden, die zur Sicherstellung des ökonomischen Erfolgsder Produktpolitik unverzichtbar ist.

Neben den geschilderten betriebswirtschaftlichen Aspekten hatdie Produktpolitik gleichfalls erhebliche gesellschaftliche Impli-kationen. So ist die Produktion, Distribution und Nutzung von Produkten auch für Menschen von Bedeutung, die keine Käufer desjeweiligen Produktes sind. Dies betrifft zum einen volkswirtschaft-liche Auswirkungen, denn es hängt vor allem von der Innovations-kraft der Unternehmen eines Landes ab, ob dieses in einer globali-sierten Weltwirtschaft langfristig so erfolgreich ist, sodassLebensstandard und Arbeitsplätze gesichert werden können. Zumanderen sind mit den gesellschaftlichen Implikationen der Produkt-politik die ökologischen und sozialen Neben- und Folgewirkungendes Konsums und der Produktion von Produkten angesprochen, wie

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Abb. 1: Wie entsorgt man Satelliten?

Praxis-Einschub: Milliarden-Pleite von Motorola

Quelle: Spiegel Online

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z.B. Luftverschmutzung und Ressourcenverbrauch oder Kinder-arbeit in der sog. Dritten Welt. Eine Einbeziehung von Stakeholdernals Vertreter gesellschaftlicher Interessen in produktpolitische Entscheidungen im Sinne eines gesellschaftsorientierten Marketing(Wiedmann 1993) ist in vielen Fällen bereits auf Grund eines langfristig orientierten ökonomischen Eigeninteresses der Unter-nehmung geboten. Sie wird unverzichtbar, wenn sich ein Unter-nehmen darüber hinaus zum Leitbild einer nachhaltigen Entwick-lung (sustainable development) bekennt (Meffert/Kirchgeorg1993).

Das vorliegende Buch verfolgt vor diesem Hintergrund zweigrundlegende Orientierungen. Zum einen wird der produktpoli-tische Instrumenten-Mix präsentiert, der eine kunden- und damiterfolgsorientierte Produktpolitik ermöglicht. Zum anderen findeteine Erweiterung dieser Perspektive um gesellschaftliche Implika-tionen statt, deren Berücksichtigung für das langfristige Überlebenvon Unternehmen von nicht minder großer Bedeutung ist.

1.2 Abgrenzung und Einordnung des Untersuchungsgegenstandes

1.2.1 Der Produktbegriff

Gegenstand produktpolitischer Aktivitäten ist das Produkt. Der Ver-such einer Definition des Begriffes ist mit dem Problem verbunden,dass das common sense-Verständnis von Produkten als materielleGüter, die anhand von physikalischen und chemischen Eigen-schaften beschrieben werden können (Böcker 1996, S. 190), fürMarketingfragestellungen im Allgemeinen und produktpolitischeFragestellungen im Besonderen nur bedingt hilfreich ist. Für dasMarketing ist es von zentraler Bedeutung, dass Produkte eine nutzenstiftende Funktion ausüben und damit Bedürfnisse oderWünsche der Konsumenten befriedigen. Dafür ist es in jedem Fallzunächst notwendig, dass die technischen und ästhetischen Eigen-schaften der Produkte von den Konsumenten wahrgenommen undzusätzlich mit Nutzenerwartungen verknüpft werden. Produkte lassen sich somit aus einer Marketingperspektive zunächst als Bündel von wahrgenommenen Eigenschaften bezeichnen, die vonden Konsumenten mit Nutzenerwartungen zur Befriedigung ihrer

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Bedürfnisse verbunden werden (z.B. Brockhoff 1999, S. 13). DasProdukt hat aus Sicht des Marketing demnach einen Doppel-charakter: einerseits ist es ein Angebot mit konkreten, gestaltbaren Leistungseigenschaften, andererseits stellt es ein Bedürfnis-befriedigungsmittel dar.

Der Unterschied zwischen einem technologisch-stofflichenProduktverständnis und der hier gewählten Marketingperspektivewird offenkundig, wenn man z.B. den Bereich der Kosmetik-produkte betrachtet. Nicht die in Kosmetika enthaltenen und imVerhältnis zum Endverbraucherpreis oft geringwertigen chemi-schen Substanzen werden von den Konsumenten nachgefragt, sondern der vom Anbieter versprochene Produktnutzen, der zu einem jugendlichen Aussehen, einer reinen Haut oder zu einemWellness-Gefühl verhilft. Entsprechend stellt Charles Revson,Gründer des Kosmetik-Konzerns Revlon, fest: „In der Fabrik stel-len wir Kosmetikartikel her; über die Ladentheke verkaufen wirHoffnung auf Schönheit“.

Eine aussagekräftige Definition erfordert auch eine Klärung, obund inwieweit der Produktbegriff Dienstleistungen bzw. Service-komponenten einschließen soll. Beinahe allumfassend ist das englischsprachige Begriffsverständnis von „products“, die im Sinneeines Oberbegriffs interpretiert werden, der sowohl materielle Güter („physical goods“) als auch Dienstleistungen („services“)einschließt: „A product is anything that can be offered to a marketto satisfy a want or need“ (Kotler 2000, S. 394). In Deutschlandwird der Begriff Produkt i.d.R. weniger weit gefasst und demDienstleistungsbegriff gegenüber gestellt. Dabei tritt jedoch dasProblem der eindeutigen Abgrenzbarkeit von Dienstleistungen auf(Stauss 1992, S. 676f.). Die in der Dienstleistungsliteratur regel-mäßig genannten konstitutiven Merkmale der Dienstleistung (ins-besondere Immaterialität und Integration eines externen Faktors)sind als Trennkriterien nur begrenzt geeignet, da sie zum einennicht für alle Angebote gelten, die im allgemeinen Sprachgebrauchals Dienstleistungen bezeichnet werden, und zum anderen teilweiseauch auf materielle Güter zutreffen.

Engelhardt und seine Mitarbeiter fordern vor diesem Hinter-grund den Verzicht auf eine Unterscheidung von Gütern undDienstleistungen und schlagen stattdessen vor, generell von Leistungsbündeln zu sprechen (z.B. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer 1993). Ein solches Vorgehen ist zwar konse-quent, jedoch mit zahlreichen Problemen verbunden. Ebenso wie

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das weite englischsprachige Produktverständnis trägt auch das Leistungsbündelkonzept den zahlreichen Besonderheiten des Mar-keting von Dienstleistungen nur unzureichend Rechnung, die inden letzten Jahren zu der Entwicklung eines eigenständigen Forschungsfeldes Dienstleistungsmarketing und -management geführt haben (z.B. Meffert/Bruhn 2000; Zeithaml/Bitner 2000).Vor allem aber trifft der Ansatz von Engelhardt auf erhebliche Diffusionswiderstände innerhalb der Marketingwissenschaft (z.B.Bauer 1995; Meffert 1994, S. 522ff.) und insbesondere der Marke-tingpraxis. Selbst bei einer Übernahme durch die Marketingwissen-schaft würde der Ansatz deshalb die Gefahr einer sprachlichen undkonzeptionellen Abspaltung von der Wirtschaftspraxis in sich tragen, sodass dem Leistungsbündelkonzept hier schon auf Grundder angestrebten Praxisorientierung von Lehre und Forschung nichtweiter gefolgt wird.

Wir wählen daher im Folgenden einen pragmatischen Ansatzund beschränken den Produktbegriff auf solche Leistungen, die einen materiellen Kern aufweisen. Dem zunehmenden Stellenwertvon Dienstleistungen und der wachsenden Verflechtung von materi-ellen und immateriellen (Zusatz-)Leistungen tragen wir dadurchRechnung, dass wir zugleich einen erweiterten Produktbegriffzugrunde legen, der produktkernerweiternde Dienstleistungen inte-griert. Entsprechend wird die Produkt erweiternde Servicepolitik indiesem Buch als eigener Aktionsteilbereich der Produktpolitik auf-

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Abb. 2: Produktverständnis

Kernprodukt

Produkt erweiterndeDienstleistungen

VerpackungMarke

materieller Kern

z. B. Material,Farbe, Form

erweitertesProdukt

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gefasst und behandelt. Produktkernerweiternde Dienstleistungenerhalten damit den gleichen Stellenwert wie die Marke und die Produktverpackung (vgl. Abbildung 2).

Betrachtet werden von uns nur solche Produkte, die von Unternehmen auf Märkten angeboten und von Konsumenten nachgefragtwerden (Konsumgüter). Ausgeschlossen werden somit zum einenLeistungen, die von Konsumenten selbst im Rahmen von haushalts-wirtschaftlichen Transformationsprozessen erstellt werden und dieGegenstand haushaltswissenschaftlicher Überlegungen sind (z.B.Haverty 1987). Unberücksichtigt bleiben zum anderen auch Markt-angebote, die nicht von Konsumenten, sondern im Rahmen von Business-to-Business-Transaktionen zwischen Unternehmen nach-gefragt werden. Eine nähere Auseinandersetzung mit deren Be-sonderheiten erfolgt im Rahmen des Investitionsgütermarketing(z.B. Backhaus 1999). Zusammenfassend legen wir dem Buch folgendes Produktverständnis zu Grunde: Produkte sind von Unter-nehmen angebotene und von Konsumenten mit Nutzenerwartungenversehene Bündel von Eigenschaften, die einen materiellen Kernbesitzen, der um nichtmaterielle oder materielle Elemente erweitertwerden kann.

1.2.2 Produktpolitik im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften

Die inhaltliche Abgrenzung des Analysegegenstandes Produktpoli-tik erfolgt in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion auf verschiedene Arten.2 Wir geben zunächst einen Überblick über dieVerortungsmöglichkeiten der Produktpolitik innerhalb der Wirt-schaftswissenschaften und ordnen dann das eigene Vorgehen ein (vgl. Abbildung 3). Dabei wird zunächst zwischen (a) volks-wirtschaftlichen und (b) betriebswirtschaftlichen Ansätzen unter-schieden.

(a) Produktpolitik aus volkswirtschaftlicher PerspektiveEine frühe volkswirtschaftstheoretische Auseinandersetzung mitproduktpolitischen Inhalten findet sich in der Theorie des Qua-litätswettbewerbs (z.B. Abbott 1955; Chamberlin 1948). Im Unter-schied zur neoklassischen Theorie, die von homogenen Produkten

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_____________2 Außer in den Wirtschaftswissenschaften findet eine Beschäftigung mit Pro-

dukten auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen wie z.B. der Soziologie,der Sozialpsychologie und den „gestaltenden“ Disziplinen wie z.B. dem Indu-striedesign statt. Deren Ansätze werden hier jedoch nicht näher betrachtet.

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ausgeht und in deren Modellen der Wettbewerb ausschließlich aufdie Gestaltung des Preises als unternehmerische Variable begrenztist, herrscht hier ein zweidimensionales Wettbewerbsverständnisvor, in dem Preis und Produktqualität als jeweils eigenständige Ge-staltungsparameter des Wettbewerbs betrachtet werden. Ziel ist es,Qualität als variablen Faktor von Marktprozessen zu untersuchenund die Auswirkungen von Qualitätsveränderungen auf den Wett-bewerbsmechanismus abzuleiten. Eine zentrale Rolle wird dabeiden Präferenzen der Konsumenten zugesprochen.

In der Wirtschaftspolitik kommt der Produktpolitik insbesonde-re vor dem Hintergrund der Internationalisierung von Märkten undder damit einhergehenden Intensivierung des globalen Wettbewerbszunehmende Bedeutung zu. Da die Erzielung strategischer Wett-bewerbsvorteile für Industriestaaten wie die Bundesrepublik oderdie USA nur selten auf dem Gebiet der Kostenführerschaft zu erreichen ist, gilt es vor allem, bestehende Defizite durch die Ent-wicklung innovativer Produkte auszugleichen. In diesem Zusam-menhang erfährt die Produktpolitik im Zuge der Diskussion um dieWettbewerbsfähigkeit des „Wirtschaftstandorts Deutschland“ großevolkswirtschaftliche Aufmerksamkeit (Arnold 1997).

(b) Produktpolitik aus betriebswirtschaftlicher PerspektiveDie Betriebswirtschaftslehre thematisiert produktpolitische Aktivi-täten vor dem Hintergrund einzelbetrieblicher Entscheidungen. ImMittelpunkt des Forschungsinteresses an der Produktpolitik stehenzum einen funktionsübergreifende Implikationen eines produkt-

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Abb. 3: Wirtschaftswissenschaftliche Auffassungenzum Begriff Produktpolitik

Produktpolitik

gesamtbetrieblicheSichtweise

Marketing-sichtweise

Produktpolitikim engeren Sinne

Produktpolitikim weiteren Sinne

volkswirtschaftlicheSichtweise

betriebswirtschaftlicheSichtweise

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orientierten Handelns auf der Ebene der gesamten Unternehmung,zum anderen die unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten fürProdukte innerhalb des Marketing.

Produktpolitik aus gesamtbetrieblicher Perspektive: Die gesamtbetriebliche Betrachtung der Produktpolitik erfasst alle un-ternehmerischen Funktionen und Abläufe, die für die Entwicklung,Erstellung, Veräußerung und neuerdings auch Entsorgung der Produkte von Bedeutung sind. Aufgabe einer Produktpolitik aus gesamtbetrieblicher Perspektive ist es dabei, verbreitete Schnittstel-lendefizite wie z.B. zwischen den Bereichen Produktentwicklungund Marketing (R&D marketing interface) zu analysieren und zu Gunsten einer ganzheitlichen betrieblichen Optimallösung zuminimieren. In jüngerer Zeit finden sich produktpolitische Über-legungen auf gesamtbetrieblicher Ebene u.a. in ganzheitlichen Qua-litätskonzepten wie dem Total Quality Management (TQM; z.B.Schildknecht 1992) und dem Reengineering (Hammer/Champy1993) wieder, die jeweils auf eine effiziente (Neu-)Organisation betrieblicher Leistungserstellungsprozesse abstellen und dabei dasProdukt in das Zentrum ihrer Überlegungen stellen. Darüber hinaushat auch die zunehmende Bedeutung ökologischer Aspekte zu einerRückbesinnung auf gesamtbetriebliche Standpunkte geführt. So-wohl eine Bewertung im Rahmen von Produktökobilanzen als auchdie auf dieser Grundlage entwickelten Konzepte zur Kreislauf-führung von Produkten basieren auf einer integrierenden Sicht derbetrieblichen Leistungserstellung und -verwertung (z.B. Spiller1996).

Produktpolitik aus Marketing-Perspektive: Im Rahmen marke-tingtheoretischer Überlegungen werden produktpolitische Aktivi-täten als eine Möglichkeit betrachtet, Austauschbeziehungen zu Kunden zu initiieren und zu beeinflussen. Die Produktpolitik ist dabei neben der Kommunikations-, der Distributions- und der Preispolitik ein Aktionsbereich des Marketing, der aber nicht isoliert betrachtet werden darf, da er in einem engen Zu-sammenhang zu diesen anderen Marketinginstrumenten steht (Haedrich/Tomczak 1996, S. 17). So ist etwa die Wahrnehmung desProduktes durch potenzielle Kunden nicht nur von den Produkt-eigenschaften, sondern ebenso von deren kommunikativer Aus-lobung abhängig. Auch Elemente wie die wahrgenommene Einkaufsstättenqualität oder der Preis („Preis als Qualitätsindika-tor“) beeinflussen das subjektive Qualitätsurteil der Konsumenten.Böcker (1996, S. 191) bezeichnet Kommunikations-, Distributions-

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