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Prof. Dr. iur. Walter Fel lmann 1 Gewöhnliche Kausalhaftungen Haftung des Werkeigentümers (Art. 58 OR), des Grundeigentümers (Art. 679 ZGB) und des Urteilsunfähigen (Art. 54 OR)

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Prof. Dr. iur. Walter Fellmann 1

Gewöhnliche Kausalhaftungen

Haftung des Werkeigentümers (Art. 58 OR), des Grundeigentümers (Art. 679 ZGB) und des Urteilsunfähigen (Art. 54 OR)

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Haftung des Werkeigentümers

Art. 58 OR

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Art. 58 OR

Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangel-hafter Unterhaltung verursachen.

Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hiefür verantwortlich sind.

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Wesen der Werkeigentümerhaftpflicht

• Die Werkeigentümerhaftung sieht eine Haftung für mangelhafte, mit dem Boden verbundene Werke vor.

• Es handelt sich um eine gewöhnliche Kausalhaftung, die durch die Verletzung einer objektivierten Sorgfaltspflicht („…..infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung….“) begründet ist.

• Die Werkeigentümerhaftung sieht keine speziellen Entlastungsmöglichkeiten vor. Sie gilt daher als die „schärfste“ der einfachen Kausalhaftungen.

• Der Eigentümer kann sich allerdings auf rechtmässiges Alternativverhalten berufen (Schaden wäre auch eingetreten, wenn…).

• Der Werkeigentümerhaftung liegt der Gedanke zugrunde, dass der Eigentümer, der von den Vorteilen des Werks profitiert, auch für den Schaden einzustehen hat, der durch dessen Mangelhaftigkeit entsteht.

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Wesen der Werkeigentümerhaftpflicht

• Die Werkeigentümerhaftung gilt als Zustandshaftung, als Haftung für die Veränderung der natürlichen Umgebung und die damit verbundenen Gefahren.

• Der Werkeigentümer haftet unabhängig davon, ob ihm oder seiner Hilfsperson eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist.

• Eine Haftung ist auch möglich, wenn ein Zufall Ursache des Mangel ist.

• Der Werkeigentümer haftet auch, wenn ein fremdes Verhalten den Werkmangel herbeiführt, es sei denn, es liege eine grobes Drittverschulden vor.

• Art. 58 OR hat in der Praxis eine erhebliche Bedeutung.

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Voraussetzungen der Haftung

Voraussetzungen der Haftung

Schaden

Kausalzusammenhang

Verursachung des Schadens durch Mängel des Werkes

Widerrechtlichkeit

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Das mangelhafte Werk

Das Werk

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Art. 58 OR

Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangel-hafter Unterhaltung verursachen.

Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hiefür verantwortlich sind.

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Gebäude und andere Werke

• Als Werke gelten stabile, mit dem Erdboden direkt oder indirekt verbundene, künstlich hergestellte, d.h. von Menschenhand geschaffene oder angeordnete Gegenstände.

• Das in Art. 58 OR speziell erwähnte Gebäude ist bloss eine Unterart des Werkes.

• Der Begriff des Werkes in Art. 58 OR hat nichts mit dem Werkbegriff des Art. 363 OR im Werkvertragsrecht zu tun.

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Von Menschenhand hergestellt

• Das Werk muss „künstlich“, also von Menschenhand geschaffen oder angeordnet (z.B. Parkanlage) sein.– Ein Baum ist daher in der Regel kein Werk. Er kann zum Werk

werden, wenn er versetzt und in ein anderes Werk integriert wird.

• Umstritten ist die Werkqualität von Skipisten.– Werden zur Ausgestaltung der Piste Kunstbauten wie Brücken,

Galerien oder Einschnitte in den Hang erstellt, ist vom Bestehen eines Werkes auszugehen.

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Stabilität• Das Werk muss eine direkte oder indirekte Verbindung

zum Erdboden haben:– direkte Verbindung: Gebäude, Brücke, Strasse– indirekte Verbindung: in einem Gebäude angeschraubte

Maschine

• Es genügt eine relative Stabilität; erforderlich ist somit nicht eine dauernde Verbindung.– Auch ein Baugerüst ist ein Werk. Gleiches gilt für eine

Baubaracke oder einen aufgebockten Wohnanhänger.

• Das Merkmal der Stabilität hat nichts mit der (sachen-rechtlichen) Abgrenzung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen zu tun.

• Eine fahrbare Maschine ist kein Werk. Umstritten ist, ob die Stilllegung die Maschine zum Werk macht.

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Vollendung des Werkes

• Die Haftung des Werkeigentümers setzt voraus, dass das Werk vollendet ist.

• Ein im Bau, Umbau oder in Reparatur befindliches Werk ist in der Regel mit Unvollkommenheiten behaftet, für die der Werkeigentümer nicht einzustehen hat.

• Anders ist die Sachlage, wenn ein im Bau befindliches Werk vorzeitig seiner ordentlichen Bestimmung über-geben wird. Gleich zu entscheiden wird sein, wenn ein in Reparatur befindliches Werk weiterhin uneingeschränkt im Gebrauch bleibt.

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Einige Beispiele (nach Brehm, Art. 58 N 45 ff.)

• Werk bejaht:

• Arbeitsbühne

• Autowaschanlage

• korrigiertes Bachbett

• Dampfkessel

• Geländer

• Skipiste mit künstlichem Schnee

• Schwimmbad

• Skilift

• Sprungbrett

• Tribüne

• Wohnhaus

• Zirkuszelt

• Gasbadeofen

• Treppe

• Wandspiegel

• Werk verneint:

• Bierbuffet

• Karren

• Leiter

• Wiese

• Pfad

• Futterschneidemaschine

• Kreissäge

• Motocross-Piste

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Das mangelhafte Werk

Der Mangel

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Art. 58 OR

Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.

Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hiefür verantwortlich sind.

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Der Werkmangel• Im Begriff des Werkmangels ist der Aspekt der

objektiven Unsorgfalt des Werkeigentümers enthalten.• Nach Lehre und Rechtsprechung liegt ein Werkmangel

vor, wenn die weder Personen noch Güter gefährdende Existenz und Funktion des Werkes, die der Eigentümer zu garantieren hat, fehlt (vgl. Rey, N 1051).

• Das Werk muss insbes. bei bestimmungsgemässem Gebrauch (inkl. nahe liegendem Missbrauch z.B. durch übermütige Kinder [Plauschbad]) genügend Sicherheit bieten. Dabei sind die Sicherheitserwartungen der Öffentlichkeit massgebend.

• Ob ein Werk mängelfrei ist, beurteilt sich mithin nach objektiven Gesichtspunkten.

• Ob den Werkeigentümer ein Verschulden trifft, ist belanglos.

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Der Werkmangel

• Der Mangel wird im Hinblick auf die tatsächliche Gefahr, die er darstellt, beurteilt und nicht nach dem, was üblicherweise getan oder geduldet wird.

• Die Zumutbarkeit des Unterhalts oder der unfallver-hütenden Massnahmen misst sich nach dem Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen.

• Es sind dem Eigentümer keine Massnahmen zumutbar, die in keinem Verhältnis zur Zweckbestimmung des Werkes stehen.

• Der Eigentümer ist also nicht verpflichtet, laufend alle untergeordneten Mängel (z.B. ausgetretene Treppen-stufen) zu beheben, die im Laufe der Zeit bei jedem Gebäude entstehen.

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Der Werkmangel

• Vom Benutzer eines Werkes darf ein Mindestmass an Vorsicht erwartet werden. Damit darf auch der Werk-eigentümer rechnen. Er braucht daher nicht jede denkbare Gefahr auszuschliessen.

• Die Beachtung des allgemein Üblichen genügt nicht. • Die behördliche Genehmigung oder das Befolgen von

polizeilichen Vorschriften schliesst einen Werkmangel nicht aus.

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Der Werkmangel

• fehlerhafte Anlage oder Herstellung (Konstruktions-fehler):– fehlende Abgrenzung Schwimmer – Nichtschwimmer– fehlende Lüftung beim Durchlauferhitzer– zu knappe Dimensionierung von Röhren

• mangelhafter Unterhalt (insbes. Eintritt eines mangel-haften Zustands infolge Benutzung oder Zeitablaufs):– Vereisung einer Strasse– morscher Strommast– verminderte Kapazität einer Flusskorrektur

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Einige Beispiele (nach Brehm, Art. 58 N 68 ff.)

• Mangel bejaht:

• Fehlen eines Deckels bei einer Auswindmaschine

• Fehlen von Schneefängern auf einem Dach

• ungenügende Wassertiefe bei einem Sprungbrett

• vereister Ladeneingang

• defektes Sicherheitsventil

• zu stark gewichster Boden

• Mangel verneint:

• Fehlen eines Lichtschalters bei Eingang (bloss unpraktisch)

• Senkung einer Strasse von 3-4 cm

• unterbrochener Handlauf bei der Treppe in einem Privathaus

• Seepromenade ohne Beleuchtung und Geländer

• gewichster Boden in Gasthaus, weil sichtbar und notwendig

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Der Werkeigentümer

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Art. 58 OR

Der Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes hat den Schaden zu ersetzen, den diese infolge von fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursachen.

Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf andere, die ihm hiefür verantwortlich sind.

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Der Werkeigentümer• Haftpflichtsubjekt ist grundsätzlich der sachenrechtliche

Eigentümer; ob er die unmittelbare Sachherrschaft selbst ausübt oder die Sache vermietet hat, spielt keine Rolle.

• Gesamteigentümer sind solidarisch haftbar.• Auch Miteigentümer sind solidarisch haftbar (BGE 117 II

63 f.).• Bei Stockwerkeigentum haftet für einen Mangel in

Räumen, an denen ein Sonderrecht besteht, der jeweilige Stockwerkeigentümer, für einen Mangel an gemeinschaftlich genutzten Teilen haften die Stockwerkeigentümer solidarisch.– Rey (N 1067) geht für alle Mängel von einer ausschliesslichen

und direkten Haftung der Stockwerkeigentümergemeinschaft aus.

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Der Werkeigentümer

• Von grosser praktischer Bedeutung ist die Haftung des Gemeinwesens als Eigentümerin von Strassen. Diese Haftung untersteht ebenfalls Art. 58 OR und nicht dem öffentlichen Recht. Es gelten aber Einschränkungen:– Das Gemeinwesen muss Strassen nicht permanent auf dem

neusten technischen Stand halten.– Die Ausstattung muss allen Benutzern einigermassen gerecht

werden.– Soweit durch vorsichtige Fahrweise Gefahren eliminiert werden

können, liegt in der Regel kein Werkmangel vor.– Namentlich in Bezug auf den Unterhalt bei Schnee und Eis

muss auf die (finanziellen) Möglichkeiten des Gemeinwesens Rücksicht genommen werden.

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Der Werkeigentümer

• In einzelnen Fällen ist das Bundesgericht vom Kriterium des sachenrechtlichen Eigentums abgewichen.

• Es hat beispielsweise den Dienstbarkeitsberechtigten als Werkeigentümer qualifiziert (BGE 91 II 283 ff.: öffent-liches Wegrecht aufgrund einer Personaldienstbarkeit).

• In BGE 121 III 448 ff. hat das Bundesgericht die Haftung einer Gemeinde für den Mangel an einem Entleerungs-hahn bejaht, der sich in einem Privatgebäude befand, aber Teil einer Anschlussleitung war. Ausschlaggebend war die Monopolstellung der Gemeinde als Wasser-lieferantin.

• In BGE 118 II 36 ff. hat das Bundesgericht bei der Vereisung eines Trottoirs unmittelbar vor dem Ausgang eines Geschäftes den Geschäftsinhaber und nicht die (kraft Dienstbarkeit) unterhaltspflichtige Gemeinde für verantwortlich erklärt.

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Haftung des Grundeigentümers

Art. 679 ZGB

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Art. 679 ZGB

Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigen-tümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht, so kann er auf Beseitigung der Schädigung oder Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen.

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Wesen der Grundeigentümerhaftpflicht

• Art. 679 ZGB ist eine Norm des Nachbarrechts. Diese Regelung begründet Rechtsbehelfe gegenüber unzu-lässiger Überschreitung der aus dem Grundeigentum fliessenden Nutzungsrechte.

• Die Einbettung dieser Bestimmung im Nachbarrecht hat Auswirkungen auf die Aktivlegitimation und auf die Passivlegitimation.

• Art. 679 ZGB stellt dem Betroffenen als Abwehrrechte die Beseitigungs-, Unerlassungs- und die Präventivklage zur Verfügung. Weiter begründet sie eine Schadener-satzklage. In der Praxis dominiert die Schadenersatz-klage.

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Wesen der Grundeigentümerhaftpflicht

• Rechtspolitisch beruht die Haftung nach Art. 679 ZGB auf dem Gedanken, dass den Privilegien des Grund-eigentümers eine Kausalhaftung gegenüberstehen soll, falls durch die Ausübung seiner Rechte ein Nachbar geschädigt wird (cuius commodum, eius periculum).

• Art. 679 ZGB begründet eine Kausalhaftung eigener Art, die nur auf dem Verursacherprinzip beruht. Eine Ent-lastung durch einen Sorgfaltsbeweis ist nicht möglich.

• Zurechnungskriterium ist eine Überschreitung der aus dem Grundeigentum fliessenden (Nutzungs-) Rechte. Massgebend ist dabei ein objektiver Massstab.

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Voraussetzungen der Haftung

Voraussetzungen der Haftung

Schaden

Kausalzusammenhang

Überschreitung des Grundeigentumsrechts

Nach Art. 684 Abs. 2 ZGB qualifizieren sich schädliche Immissionen stets als übermässige Einwirkungen. Hier indiziert also der Schaden die Widerrechtlichkeit !

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Überschreitung des Grundeigentumsrechts

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Art. 679 ZGB

Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigen-tümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht, so kann er auf Beseitigung der Schädigung oder Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen.

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Überschreitung des Grundeigentumsrechts

• Voraussetzung einer Haftung ist die Überschreitung der aus dem Grundeigentum fliessenden Nutzungsrechte.

• Die Schranken, die dabei überschritten werden, ergeben sich aus dem Nachbarrecht (vgl. Art. 684, 685 Abs. 1, 689 Abs. 1 und 3 ZGB) und aus öffentlich rechtlichen Vorschriften.

• Weitere Voraussetzung ist, dass der Schaden durch die Ausübung einer aus dem Grundeigentum fliessenden Befugnis verursacht wurde, zwischen der Überschrei-tung und dem Schaden also ein (adäquater) Kausal-zusammenhang besteht.

• Die Überschreitung steht mit der Nutzung des Grund-stücks in Zusammenhang.

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Überschreitung des Grundeigentumsrechts

• Typische Überschreitungen des Grundeigentums sind Schäden an Nachbarliegenschaften, die beim Bauen und Graben entstehen (Absenkung des Grundwasser-spiegels).

• Die Überschreitung des Grundeigentums kann auch durch Unterlassung erfolgen. Dies setzt allerdings voraus, dass mit der Nutzung des Grundstücks ein gefährlicher Zustand geschaffen wurde.

• Das Belassen des Grundstücks in seinem natürlichen Zustand stellt keine Ausübung der Eigentumsrechte dar.

• Für die von einem in diesem Sinn unveränderten Grundstück ausgehenden Gefahren (z.B. Erdrutsch) haftet der Eigentümer nicht.

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Überschreitung des Grundeigentumsrechts

• Schädliche Immissionen sind nach Art. 684 Abs. 2 ZGB grundsätzlich übermässig.

• Bei Art. 679 ZGB indiziert also die Schädigung die Widerrechtlichkeit!

• Was ansonsten im Sinne von Art. 684 ZGB übermässig ist, sagt das Gesetz nicht. Der Richter hat dies nach einem objektiven Massstab zu entscheiden.

• Das BGer hat auch negative Immissionen als über-mässig qualifiziert und einem Nachbarn für erlittene Um-satzeinbussen Schadenersatz zugesprochen, bei dem der Zugang zum Geschäft infolge Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück behindert war (BGE 114 II 230 ff.).

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Aktiv- und Passivlegitimation

Aktivlegitimation

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Aktivlegitimation• Grundsätzlich ist nur der Nachbar klageberechtigt.• Nachbar ist der von einer übermässigen Immission

betroffene Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks, also:– der Eigentümer,– der Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts,– aber auch der bloss obligatorisch Berechtige (z.B. Mieter).

• Bezüglich der räumlichen Nähe wird der Begriff des Nachbarn weit gefasst. Aktivlegitimiert ist nicht nur der räumliche Nachbar, sondern jeder Eigentümer oder Besitzer, der von der Immission (noch) betroffen ist.

• Nicht aktivlegitimiert ist der Geschädigte, der nicht Nachbar, also nicht Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks, sondern z.B. Halter eines Fahrzeugs ist.

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Aktiv- und Passivlegitimation

Passivlegitimation

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Passivlegitimation• Passivlegitimiert ist zunächst der Grundeigentümer, der

seine Eigentümerrechte überschreitet.• Ihm gleichgestellt werden die Inhaber eines

beschränkten dinglichen Rechts, auf deren Verhalten die Immission zurückzuführen ist.

• Die herrschende Lehre ist der Auffassung, an einem Grundstück bloss obligatorische Berechtigte seien nicht passivlegitimiert. Das Bundesgericht hat indessen auch die Passivlegitimation von Mietern und Pächtern bejaht.

• Grundsätzlich kann auch das Gemeinwesen als Eigentümer eines Grundstücks passivlegitimiert sein. Werden Immission aber durch eine hoheitliche Tätigkeit verursacht, besteht keine Haftpflicht, wenn ein bestimmungsgemässer Gebrauch vorliegt und sich die Immissionen nur mit unverhältnismässigem Aufwand verhindern liessen. Hier ist allenfalls eine Enteignung der nachbarrechtlichen Abwehrrechte denkbar.

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Haftung des Urteilsunfähigen

Art. 54 OR

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Art. 54 OR

Aus Billigkeit kann der Richter auch eine nicht urteilsfähige Person, die Schaden verursacht hat, zu teilweisem oder vollständigem Ersatze verurteilen.

Hat jemand vorübergehend die Urteilsfähigkeit verloren und in diesem Zustand Schaden angerichtet, so ist er hiefür ersatzpflichtig, wenn er nicht nachweist, dass dieser Zustand ohne sein Verschulden eingetreten ist.

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Haftung des Urteilsunfähigen nach Art. 54 Abs. 1 OR

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Wesen der Haftung des Urteilsunfähigen

• Gestützt auf Art. 54 OR kann der Richter auch einen nicht urteilsfähigen Schädiger zu Schadenersatz verpflichten.

• Art. 54 OR verlangt aber, dass das Verhalten des Urteilsunfähigen in objektiver Hinsicht als Verschulden erscheint, ein Urteilsfähiger also haftbar wäre.

• Die Billigkeit einer Haftung beurteilt sich nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles. Massgebend sind insbesondere die finanziellen Verhältnisse der Betroffenen.

• Art. 54 OR beschränkt sich nicht auf Vermögensschäden, sondern umfasst auch Genugtuungsansprüche.

• Art. 54 Or ist auch auf Vertragsverletzungen anwendbar.

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Wesen der Haftung des Urteilsunfähigen

• Der Schädiger trägt die Beweislast für die behauptete Urteilsunfähigkeit, wenn er eine Haftung nach Art. 41 OR (oder Art. 97 OR) bestreitet.

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Voraussetzungen der Haftung

Voraussetzungen der Haftung

Schaden

Kausalzusammenhang

Widerrechtlichkeit

objektive Seite des Verschuldens erfüllt/subjektive Seite fehlt mangels Urteilsfähigkeit

Beweislast des Schädigers

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Haftung des Urteilsunfähigen nach Art. 54 Abs. 2 OR

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Wesen der Haftung nach Art. 54 Abs. 2 OR

• Nach Art. 54 Abs. 2 OR haftet der Schädiger, der in einem Zustand vorübergehender Urteilsunfähigkeit (z.B.

infolge von Alkohol, Medikamenten oder Drogen) Schaden verursacht hat, grundsätzlich für den Schaden.

• Art. 54 Abs. 2 OR eröffnet ihm aber einen Entlastungs-beweis. Er kann sich von der Haftung befreien, wenn er beweist, dass die Urteilsunfähigkeit ohne sein Ver-schulden eingetreten ist.

• Die Rechtsnatur des Art. 54 Abs. 2 OR ist umstritten. Die einen Autoren sehen darin eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast, die andern eine Kausalhaftung.