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Prof. Dr. iur. Walter Fel lmann 1 Gewöhnliche Kausalhaftungen Haftung des Familienhauptes (Art. 333 ZGB) und Produktehaftpflicht nach dem PrHG

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Gewöhnliche Kausalhaftungen

Haftung des Familienhauptes (Art. 333 ZGB) und

Produktehaftpflicht nach dem PrHG

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Haftung des Familienhauptes

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Art. 333 ZGB

1 Verursacht ein unmündiger oder entmündigter, ein geistesschwacher oder geisteskranker Hausgenosse einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.

2 Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustande eines geisteskranken oder geistesschwachen Hausgenossen weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.

3 Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen.

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Wesen und Bedeutung• Art. 333 ZGB begründet eine Haftung für die Verletzung

einer Aufsichtspflicht.• Diese Haftung wird mit dem Hinweis gerechtfertigt:

– die Hausgenossen hätten meistens kein nennenswertes Vermögen, das als Haftungssubstrat in Frage komme,

– und seien meistens urteilsunfähig, weshalb sie nicht selbst belangt werden könnten (vgl. Rey, N 1130 ff.).

• In der Praxis hat die Haftung des Familienhauptes erhebliche Bedeutung erhalten.

• Art. 333 ZGB umfasst nur Schädigungen im ausserver-traglichen Bereich. Für Schäden, die ein Hausgenosse im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen anrichtet, sind die Art. 305 f. und 410 ZGB massgebend.

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Voraussetzungen der Haftung

Voraussetzungen der Haftung

Schaden

Stellung als Familienhaupt

adäquat kausale Verursachung durch aufsichtsbedürftigen Hausgenossen

Widerrechtlichkeit

Kein Sorgfaltsbeweis

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Stellung als Familienhaupt

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Art. 331 ZGB

1 Haben Personen, die in gemeinsamem Haushalte leben, nach Vor-schrift des Gesetzes oder nach Vereinbarung oder Herkommen einFamilienhaupt, so steht diesem die Hausgewalt zu.

2 Die Hausgewalt erstreckt sich auf alle Personen, die als Verwandte und Verschwägerte oder auf Grund eines Vertragsverhältnisses alsArbeitnehmer oder in ähnlicher Stellung in dem gemeinsamen Haushalte leben.

Art. 333 ZGB

1 Verursacht ein unmündiger oder entmündigter, ein geistesschwacher oder geisteskranker Hausgenosse einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.2…3…

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Familienhaupt• Das Gesetz definiert den Begriff des Familienhauptes

nicht. Dieser ist daher aufgrund materieller Kriterien zu konkretisieren.

• Ausgangspunkt ist die „Hausgemeinschaft“, d.h. das gemeinsame Wohnen mehrerer (nicht notwendig verwandter) Personen auf eine gewisse Dauer.

• Zur „Familie“ können auch Arbeitnehmer oder in ähnlicher Stellung lebende Hausgenossen gehören.

• Einzelne Autoren zählen zur Hausgemeinschaft auch Erziehungsanstalten, Internate, Kinder- oder Altersheime.

• Diese Hausgemeinschaft muss „nach Gesetz, Vereinbarung oder Herkommen“ (Art. 331 Abs. 1 ZGB) ein „Familienhaupt“ haben.

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Familienhaupt

• Dabei kann die Hausgewalt mehreren Personen zukommen.

• Zwischen den Hausgenossen und dem Familienhaupt besteht ein Subordinationsverhältnis.

• Zieht das Familienhaupt zur Aufsicht Hilfspersonen bei, haftet es für deren Unsorgfalt wie für die eigene.

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Schadenverursachung durch einen Hausgenossen

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Art. 333 ZGB

1 Verursacht ein unmündiger oder entmündigter, ein geistesschwacher oder geisteskranker Hausgenosse einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.

2 Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustande eines geisteskranken oder geistesschwachen Hausgenossen weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.

3 Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen.

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Hausgenossen

• Hausgenossen sind die Mitglieder einer Hausgemeinschaft die zum „Familienhaupt“ in einem Subordinationsverhältnis stehen.

• Die Haftpflicht des „Familienhauptes“ erstreckt sich jedoch nur auf unmündige, entmündigte, geistes-schwache oder geisteskranke Hausgenossen.

• Die Aufzählung im Gesetz ist abschliessend.

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Sorgfaltsbeweis

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Art. 333 ZGB

1 Verursacht ein unmündiger oder entmündigter, ein geistesschwacher oder geisteskranker Hausgenosse einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.

2 Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustande eines geisteskranken oder geistesschwachen Hausgenossen weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.

3 Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen.

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Sorgfaltsbeweis

• Das Mass der erforderlichen Sorgfalt bestimmt sich nach den konkreten Umständen, insbesondere nach dem Alter, dem Charakter, der geistigen Reife etc. des aufsichtsbedürftigen Hausgenossen.

• Von den Eltern kann aber nicht verlangt werden, dass sie ältere Kinder dauernd beaufsichtigen.

• Das Bundesgericht stellt oft darauf ab, ob die schädigende Handlung voraussehbar gewesen wäre. Ist dies nicht der Fall, genügt die übliche Überwachung.

• Das übliche Mass genügt allerdings nicht in allen Fällen. Verlangen die konkreten Verhältnisse eine gesteigerte Sorgfalt, kann sich das Familienhaupt nicht mit dem Hinweis auf das Übliche befreien.

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Sorgfaltsbeweis

• Die Praxis beurteilt die Aufsichtspflichten des Familienhauptes eher mild.

• Obwohl im Gesetz (anders als bei Art. 55 und 56 OR) nicht speziell erwähnt, kann sich das Familienhaupt nach herrschender Meinung auch mit dem Beweis entlasten, der Schaden wäre auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt eingetreten.

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Die Haftung des Herstellers nach dem Gesetz über

die Produktehaftpflicht vom 18. Juni 1993

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Art. 1 PrHG Grundsatz

Die herstellende Person (Herstellerin) haftet für den Schaden, wenn ein fehlerhaftes Produkt dazu führt, dass:

a. eine Person getötet oder verletzt wird;

b. eine Sache beschädigt oder zerstört wird, die nach ihrer Art gewöhnlich zum privaten Gebrauch oder Verbrauch bestimmt und vom Geschädigten hauptsächlich privat verwendet worden ist.

Die Herstellerin haftet nicht für den Schaden am fehlerhaften Produkt.

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Die Grundlagen

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Bundesgesetz über die Produktehaftpflicht (PrHG)

• Das schweizerische Produktehaftpflichtgesetz setzt die Richtlinie Nr. 85/374 des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte in der Schweiz um.

• Es begründet eine (gewöhnliche) Kausalhaftung des Herstellers eines fehlerhaften Produktes.

• Da das Gesetz Schäden an gewerblich genutzten Sachen sowie am fehlerhaften Produkt von der Kausalhaftung ausnimmt und auch für reine Vermögens-schäden keine Regelung vorsieht, fehlt weiterhin eine umfassende verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers.

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Ziele der ProduktehaftpflichtRichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 25. Juli 1985:

Eine Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften (…) ist erforderlich, weil deren Unterschiedlichkeit den Wettbewerb verfälschen, den freien Warenverkehr innerhalb des Gemeinsamen Marktes beeinträchtigen und zu einem unterschiedlichen Schutz des Verbrauchers vor Schädigungen (…) durch ein fehlerhaftes Produkt führen kann.

Nur bei einer verschuldensunabhängigen Haftung des Herstellers kann das unserem Zeitalter fortschreitender Technisierung eigene Problem einer gerechten Zuweisung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken in sachgerechter Weise gelöst werden.

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Konsequenzen der Umsetzung der EG-Richtlinie

• Mit der bewussten Umsetzung der EG-Richtlinie hat der schweizerische Gesetzgeber das übergeordnete Ziel einer europäischen Rechtsvereinheitlichung anerkannt.

• Das PrHG ist daher europarechtskonform auszulegen. Das gilt vor allem dort, wo die EG-Richtlinie neue Begriffe schafft.

• Auch bei der Rückverweisung auf nationales Recht muss der Richter prüfen, ob die hergebrachten haft-pflichtrechtlichen Begriffsinhalte der Zielsetzung der Richtlinie entsprechen.

• Der Richter hat auch die Rechtsentwicklung in der EU im Auge zu behalten.

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Voraussetzungen der Haftung

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Voraussetzungen der Haftung

Voraussetzungen

Vorliegen eines Personen- oder Sachschadens

Vorliegen eines fehlerhaften Produktes

Kausalzusammenhang zwischen Schaden und Fehler

Widerrechtlichkeit der Schädigung

Herstellereigenschaft des Haftpflichtigen

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Personenschaden

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Art. 1 PrHG Grundsatz

Die herstellende Person (Herstellerin) haftet für den Schaden, wenn ein fehlerhaftes Produkt dazu führt, dass:

a. eine Person getötet oder verletzt wird;

b. eine Sache beschädigt oder zerstört wird, die nach ihrer Art gewöhnlich zum privaten Gebrauch oder Verbrauch bestimmt und vom Geschädigten hauptsächlich privat verwendet worden ist.

Die Herstellerin haftet nicht für den Schaden am fehlerhaften Produkt.

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Personenschaden

• Das PrHG enthält keine eigenständige Definition des Personenschadens.

• Art. 1 Abs. 1 lit. a PrHG lässt sich der Kategorie des Personenschadens im Sinne der Art. 45 und 46 OR zuordnen. Zur Begriffsbestimmung kann daher auf diese Bestimmungen verwiesen werden.

• Das PrHG sieht keinen ausdrücklichen Anspruch auf Genugtuung vor. Nach wohl herrschender Auffassung umfasst der Verweis in Art. 11 Abs. 1 PrHG jedoch auch Art. 47 OR.

• Dem Verletzen kann daher auch eine Genugtuung zugesprochen werden. Ein Verschulden ist nicht erforderlich.

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Sachschaden

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Art. 1 PrHG Grundsatz

Die herstellende Person (Herstellerin) haftet für den Schaden, wenn ein fehlerhaftes Produkt dazu führt, dass:

a. eine Person getötet oder verletzt wird;

b. eine Sache beschädigt oder zerstört wird, die nach ihrer Art gewöhnlich zum privaten Gebrauch oder Verbrauch bestimmt und vom Geschädigten hauptsächlich privat verwendet worden ist.

Die Herstellerin haftet nicht für den Schaden am fehlerhaften Produkt.

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Sachschaden

• Das PrHG enthält keine eigenständige Umschreibung des Begriffs des Sachschadens. Massgebend ist daher die Begriffsbestimmung des Haftpflichtrechts.

• Der Hersteller haftet jedoch nicht für jeden Sachschaden. Die beschädigte Sache muss vielmehr nach ihrer Art gewöhnlich zum privaten Gebrauch oder Verbrauch bestimmt und vom Geschädigten hauptsächlich privat verwendet worden sein.

• Art. 1 Abs. 1 lit. b PrHG schafft ein objektives und ein subjektives Abgrenzungskriterium.

• Beim objektiven Kriterium der Nutzungsbestimmung ist die generelle Zweckbestimmung einer Sache massgebend. Das Produkt muss hauptsächlich für den privaten Gebrauch bestimmt sein.

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Sachschaden

• Das subjektive Abgrenzungskriterium setzt zusätzlich voraus, dass der Geschädigte den betroffenen Gegenstand im Einzelfall auch hauptsächlich privat verwendet hat.

• Beweispflichtig ist der Geschädigte.

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Art. 6 PrHG Selbstbehalt bei Sachschäden

1 Der Geschädigte muss Sachschäden bis zur Höhe von 900 Franken selber tragen.2 Der Bundesrat kann den Betrag gemäss Absatz 1 den veränderten Verhältnissen anpassen.

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Fehlerhaftes Produkt

Produkt

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Art. 3 PrHG Produkt

1 Als Produkte im Sinne dieses Gesetzes gelten:

a. jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, und

b. Elektrizität.

2 Landwirtschaftliche Bodenerzeugnisse sowie Tierzucht-, Fischerei- und Jagderzeugnisse gelten erst dann als Produkte, wenn sie einer ersten Verarbeitung unterzogen worden sind.

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Was ist ein Produkt?

• Produkte sind bewegliche Sachen (auch als Teil einer anderen beweglichen oder unbeweglichen Sache) und Elektrizität.

• Dienstleistungen gelten nicht als Produkte.• Erlangen geistige Produkte eine gewisse Körperlichkeit

(z.B. Pläne, Zeichnungen und Druckwerke), kommen sie grundsätzlich als Produkte in Betracht. Einzelheiten sind umstritten.

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Was ist ein Produkt?• Bewegliche Sachen sind bewegliche körperliche Sachen

und Naturkräfte, soweit sie (wie z.B. Gas, Wasser oder Fernwärme) der menschlichen Herrschaft unterworfen werden können.

• Als Produkte in Betracht fallen v.a. Konsumgüter aller Art. Sie können neu oder bereits gebraucht (Occasionen) sein.

• Es kann sich um Serienerzeugnisse oder Einzel-anfertigungen handeln.

• Kunstgewerbliche Erzeugnisse sind ebenfalls Produkte.• Produkte sind auch die aus der Natur gewonnenen

Grundstoffe wie Mineralien, Kies oder Sand.

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Was ist ein Produkt?

• Als Produkte in Betracht kommen ferner künstliche Körperteile (Hüftprothesen etc.), aber auch menschliches Blut oder Organe, sobald sie vom Körper getrennt und aufbereitet sind. Der Spender haftet allerdings nicht, da er nicht Hersteller ist.

• Sogar Abfall kommt als Produkt in Betracht.• Keine Produkte sind Grundstücke. Bewegliche Sachen,

die in ein Grundstück eingebaut werden, verlieren ihre Produkteigenschaft jedoch nicht.

• Keine Produkte sind Gebäude, Strassen oder Brücken. Dort eingebaute bewegliche Sachen (Mörtel, Fenster und Türen etc.) behalten aber ihre Produkteigenschaft!

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Was ist ein Produkt?

• Keine Produkte sind nach Art. 3 Abs. 2 PrHG landwirtschaftliche Bodenerzeugnisse sowie Tierzucht-, Fischerei- und Jagderzeugnisse. Sie werden erst zum Produkt, wenn sie einer ersten Verarbeitung unterzogen wurden.

• Art. 3 Abs. 2 PrHG qualifiziert sich als (ungerechtfertigte) Protektionsnorm zugunsten der Landwirtschaft.

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Fehlerhaftes Produkt

Fehler

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Art. 4 PrHG Fehler

1 Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigungaller Umstände zu erwarten berechtigt ist; insbe-sondere sind zu berücksichtigen:a. die Art und Weise, in der es dem Publikum präsentiert wird;b. der Gebrauch, mit dem vernünftigerweise gerechnet werden kann;c. der Zeitpunkt, in dem es in Verkehr gebracht wurde.2 Ein Produkt ist nicht allein deshalb fehlerhaft, weil später ein verbessertes Produkt in Verkehr gebracht wurde.

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Fehlerhaftes Produkt

• Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die der Verbraucher oder ein Dritter unter Berück-sichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist.

• Der Fehlerbegriff des Art. 4 PrHG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Der Richter hat seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen.

• Kriterien für die Beurteilung der Sicherheit sind etwa: Produktgestaltung und Produktbeschreibung, Anweisungen für den Gebrauch, Gefahrenhinweise, der vernünftigerweise zu erwartende Gebrauch etc.

• Anwendbar ist ein normativer Massstab. Richtungs-weisend sind die Sicherheitsbedürfnisse der Allgemeinheit.

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Fehlerhaftes Produkt

• Ein missbräuchlicher Einsatz der Produkts ist nicht geschützt. Der Hersteller hat aber mit einem voraus-sehbaren Fehlgebrauch zu rechnen.

• (Sicherheits-) Instruktionen können die Sicherheits-erwartungen beeinflussen.

• Massgebender Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Inverkehr-bringung. Später gestiegene Sicherheitserwartungen werden nicht berücksichtigt.

• Bei Serienprodukten führt der für jedes Erzeugnis massgebende Zeitpunkt der Inverkehrbringung zu einer Produktbeobachtungspflicht. Das Produkt ist nötigenfalls den neuen Anforderungen anzupassen.

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Hersteller

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Art. 2 PrHG Herstellerin

1 Als Herstellerin im Sinne dieses Gesetzes gilt:a. die Person, die das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat;b. jede Person, die sich als Herstellerin ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt;c. jede Person, die ein Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder einer andern Form des Vertriebs im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit einführt; dabei bleiben abweichende Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen vorbehalten.2 Kann die Herstellerin des Produkts nicht festgestellt werden, so gilt jede Person als Herstellerin, welche das Produkt geliefert hat, sofern sie dem Geschädigten nach einer entsprechenden Aufforderung nicht innerhalb einer angemessenen Frist die Herstellerin oder die Person nennt, die ihr das Produkt geliefert hat.

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Wer ist Hersteller?

Hersteller

tatsächlicher Hersteller

Quasi Hersteller

Importeur

u.U. Lieferant

Hersteller Grundstoff

Hersteller Teilprodukt

Hersteller Endprodukt

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Entlastungsgründe

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Art. 5 PrHG Ausnahmen von der Haftung

1 Die Herstellerin haftet nicht, wenn sie beweist, dass:a. sie das Produkt nicht in Verkehr gebracht hat;b. nach den Umständen davon auszugehen ist, dass der Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht vorlag, als sie das Produkt in Verkehr brachte;c. sie das Produkt weder für den Verkauf oder eine andere Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck hergestellt noch im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat;d. der Fehler darauf zurückzuführen ist, dass das Produkt verbindlichen, hoheitlich erlassenen Vorschriften entspricht;e. der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt, in dem das Produkt in Verkehr gebracht wurde, nicht erkannt werden konnte.

2 …… (vgl. übernächste Folie)

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Ausschluss von Entwicklungsrisiken• Art. 5 Abs. 1 lit. e PrHG schliesst die Haftung des

Herstellers für Entwicklungsrisiken aus. Er haftet nicht, wenn die schädliche Eigenschaft zwar objektiv vorhanden, aber nach dem Erkenntnisstand von Wissenschaft und Technik nicht erkennbar war.

• Beim Erkenntnisstand von Wissenschaft und Technik handelt es sich um eine internationale Grösse.

• Massgebend ist die Sachkunde der auf höchster Ebene anerkannten Fachleute.

• Es geht um die Sachkunde die im wissenschaftlichen und technischen Bereich vorhanden ist. Ihr muss ein Mindestmass an Publizität zukommen.

• Zu beachten sind auch Aussenseiter- und Minderheits-meinungen.

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Art. 5 PrHG Ausnahmen von der Haftung 1 ….. (vgl. vorausgehende Folie)

2 Die Herstellerin eines Grundstoffs oder eines Teilprodukts haftet ferner nicht, wenn sie beweist, dass der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in das der Grundstoff oder das Teilprodukt eingearbeitet wurde, oder durch die Anleitungender Herstellerin dieses Produkts verursacht worden ist.

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Keine Freizeichnung möglich

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Art. 8 PrHG Wegbedingung der Haftung

Vereinbarungen, welche die Haftpflicht nach diesem Gesetz gegenüber dem Geschädigtenbeschränken oder wegbedingen, sind nichtig.

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Längere Verjährungsfristen

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Art. 9 PrHG Verjährung

Ansprüche nach diesem Gesetz verjähren drei Jahre nach dem Tag, an dem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden, dem Fehler und von der Person der Herstellerin erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

Art. 10 PrHG Verwirkung

1 Ansprüche nach diesem Gesetz verwirken zehn Jahre nach dem Tag, an dem die Herstellerin das Produkt, das den Schaden verursacht hat, in Verkehr gebracht hat.

2 Die Verwirkungsfrist gilt als gewahrt, wenn gegen die Herstellerin binnen zehn Jahren geklagt wird.

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Die Risiken der Produktehaftpflicht

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Geschützt ist auch der unbeteiligte Dritte!

• Für die Haftung des Herstellers ist ohne Bedeutung, ob zwischen dem Geschädigten und ihm vor Eintritt des Schadens ein Rechtsverhältnis (etwa ein Vertrag) bestand.

• Neben dem Benutzer oder Verbraucher des Produktes als direkter oder indirekter Vertragspartner des Her-stellers ist auch der unbeteiligte Dritte („bystander“) geschützt, der mit dem Produkt in sonstiger Weise in Berührung kommt und dadurch Schaden erleidet.

• Für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit sind daher die Sicherheitserwartungen aller Personen, die mit einem Produkt in Kontakt kommen können, massgebend.

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Fehlendes Verschulden befreit den Hersteller nicht von der Haftung!

• Entwicklungsrisiko: Keine Haftung für schädliche Eigenschaften des Produktes, die im Zeitpunkt des Inverkehrbringens zwar vorhanden, aber nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkennbar waren (Art. 5 lit. e. PrHG).

• Ein KMU kann nicht geltend machen, die Ausnützung sämtlicher (weltweit!) vorhandener Prüf- und Kontroll-möglichkeiten sei finanziell oder aus anderen Gründen nicht tragbar.

• Jeder Hersteller, also auch die Klein- und Mittelbetriebe, haben das Gefahrenpotential zu beherrschen.

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Pflicht zur Produktbeobachtung und zum Rückruf fehlerhafter Produkte!

• Da bei Serienprodukten für jedes einzelne Produkt die Sicherheitserwartungen im Zeitpunkt seines Inverkehr-bringens massgebend sind, muss der Hersteller die Be-währung seiner Erzeugnisse in der Praxis beobachten.

• Stellt der Hersteller im Rahmen seiner Produkt-beobachtungspflicht Sicherheitsprobleme fest, macht er sich u. U. nach allgemeinem Deliktsrecht schadenersatz-pflichtig, wenn er die bereits in Verkehr gesetzten, nach den damals massgebenden Kriterien aber nicht mangel-haften Produkte nicht zurückruft.

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Jeder Importeur ist Hersteller!(Art. 2 Abs. 1 lit. c. PrHG)

• Jede Person, die ein Produkt zum Zweck des Vertriebs im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit in die Schweiz einführt, gilt als Hersteller.

• Als Produkt gilt dabei nicht nur das Endprodukt. Der Importeur haftet vielmehr auch für Mängel der von ihm importierten Grundstoffe oder Teilprodukte.

• Als Import gilt auch der Reimport.

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Hersteller ist auch, wer sich bloss als Hersteller ausgibt!(Art. 2 Abs. 1 lit. b. PrHG)

• Wer sich als Hersteller ausgibt, indem er beispielsweise seinen Namen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt, wird beim erweckten Schein behaftet.

• Das gilt auch dann, wenn der Konsument den tatsächlichen Hersteller kennt.

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Der blosse Verkäufer kann zum Hersteller werden!

Art. 2 Abs. 2 PrHG

• Kennt der Konsument den Namen des Herstellers nicht, wird die Person, die das Erzeugnis vertreibt, zum Hersteller, wenn sie dem Konsumenten nicht innert angemessener Frist den Namen des Herstellers nennt.

• Ist die Frist verstrichen, ändert sich auch dann nichts mehr, wenn dem Konsumenten der Name des Herstellers nachträglich bekannt wird.

• Der Vertreiber hat also seine Einkäufe gehörig zu dokumentieren.

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Wer für Dritte Produkte fertigt, ist Hersteller!

• Bei der Produkthaftung kommt es auf die tatsächliche Fertigung des Erzeugnisses an.

• Hersteller ist daher auch der Unternehmer, der ein Produkt im Auftrag des künftigen Verkäufers und nach dessen Weisungen oder Vorstellungen herstellt.

• Hersteller ist insbesondere auch jeder Zulieferer.

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Die Haftung des Herstellers für fehlerhafte Produkte nach

Art. 55 OR

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Art. 55 OR

1 Der Geschäftsherr haftet für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt ange-wendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.

2 Der Geschäftsherr kann auf denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadenersatzpflichtig ist.

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Art. 55 OR als Haftungsgrundlage

• Vor dem Inkrafttreten des PrHG am 1. Januar 1994 hat das Bundesgericht Art. 55 OR zur Haftungsgrundlage des Herstellers für fehlerhafte Produkte gemacht.

• Richtungweisend waren der „Schachtrahmen-Fall“ (BGE 110 II 456 ff.) und der „Klappstuhl-Fall“ (JdT 1986 I, S. 571 ff.)

• Art. 55 OR behält auch nach dem Inkrafttreten des PrHG seine Funktion als Auffangtatbestand, so wenn z.B. eine Sache beschädigt wurde, die beruflich oder gewerblich genutzt wurde oder wenn eine Sache weniger als CHF 900.– wert war. Art. 55 OR kann auch zur Anwendung kommen, wenn ein Vermögensschaden zur Diskussion steht.

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Traditionelle Fehlerkategorien

• Vor dem Inkrafttreten des PrHG wurden verschiedene Fehlerkategorien unterschieden: – Konstruktionsfehler– Fabrikaktionsfehler– Instruktionsfehler– Beobachtungsfehler

• Bei Anwendung des PrHG haben diese Fehlerkategorien keine selbständige Bedeutung mehr. Das PrHG deckt grundsätzlich alle Fehlerkategorien.

• Für Beobachtungsfehler sieht das PrHG allerdings keine generelle Haftung vor. Hier behalten daher die fragliche Fehlerkategorie und Art. 55 OR als mögliche Haftungs-grundlage eine gewisse Bedeutung.