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Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverl assigen Erz ahlens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem Steppenwolf Gustav Landgren, Johannes Gutenberg-Universit at Mainz Vorliegender Beitrag 1 untersucht Voraussetzungen, Formen und Funktionen unzuverlassigen Erzahlens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem Steppenwolf. Wegen seiner komplizier- ten mise en abyme-Konstruktion in der Theorienbildung eine bisher stiefmutterlich behandelte Form unzuverlassigen Erzahlens bietet der Roman ein interessantes Beispiel fur narrative Unzu- verlassigkeit. Unzuverlassiges Erzahlen lasst sich im Steppenwolf unter anderem anhand der doppelten Botschaft der Ironie erkla- ren. Diese außert sich v.a. im Traktat vom Steppenwolf durch die Ironisierung traditioneller Erzahlerwartungen: Was der Erzahler in der traditionellen Form des Traktats erwartet, wird durch paratextuelle Signale ironisch verworfen. Schon Hallers wertende Beschreibung des Traktats als ein dunnes, schlecht, auf schlechtem Papier gedrucktes Jahrmarktsbuchleindie sich nur an Verrucktewendet, kundigt Unzuverlassigkeit an. Eine andere pragnante Textstelle im Hinblick auf unzuverlassiges Erzahlen ist die Hochjagd auf Automobile, an welcher der ehemalige Pazi- fist Haller teilnimmt. Als eine typisch unzuverlassige Erzahl- instanz gilt hier der zwanghafte oder verruckte Monologist (mad monologist), mit welchem Haller viele Merkmale teilt. Beson- ders die Ich-Fixierung des Protagonisten ist ein Kriterium, das auf zahlreiche mad monologistswie auch auf Haller zutrifft. Im Gegensatz zur Neigung der Moderne zum Tendenzlos- Nutzlichen und Technisch- Okonomischen arbeitet Hesse im Steppenwolf sowie spater in der Morgenlandfahrt mit mimetisch unentscheidbarem Erzahlen, mit Widerspruchen hinsichtlich des- sen, was in der erzahlten Welt als wahr anzunehmen ist. Diese Form unzuverlassigen Erzahlens gipfelt im Magischen Theater, in welchem sich die erzahlte Welt in einer Serie alternativer Ver- sionen auflost. Unzuverlassiges Erzahlen, laut Tom Kindt eng mit der literarischen Moderne verbunden, erweist sich in vorlieg- endem Beitrag als ein wichtiges Stilmittel im Spatwerk Hesses. Stichworter: unzuverl assiges Erz ahlen, Hermann Hesse, Der Steppenwolf, Ironie, Metaerz ahlen. Orbis Litterarum 68:4 312–339, 2013 © 2013 John Wiley & Sons Ltd

Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem Steppenwolf

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Page 1: Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem               Steppenwolf

Prolegomena zur Konzeptionalisierungunzuverl€assigen Erz€ahlens im Werk HermannHesses mit Schwerpunkt auf dem Steppenwolf

Gustav Landgren, Johannes Gutenberg-Universit€at Mainz

Vorliegender Beitrag1 untersucht Voraussetzungen, Formen undFunktionen unzuverl€assigen Erz€ahlens im Werk Hermann Hessesmit Schwerpunkt auf dem Steppenwolf. Wegen seiner komplizier-ten mise en abyme-Konstruktion – in der Theorienbildung einebisher stiefm€utterlich behandelte Form unzuverl€assigen Erz€ahlens– bietet der Roman ein interessantes Beispiel f€ur narrative Unzu-verl€assigkeit. Unzuverl€assiges Erz€ahlen l€asst sich im Steppenwolfunter anderem anhand der doppelten Botschaft der Ironie erkl€a-ren. Diese €außert sich v.a. im „Traktat vom Steppenwolf “ durchdie Ironisierung traditioneller Erz€ahlerwartungen: Was derErz€ahler in der traditionellen Form des Traktats erwartet, wirddurch paratextuelle Signale ironisch verworfen. Schon Hallerswertende Beschreibung des Traktats als ein „d€unnes, schlecht, aufschlechtem Papier gedrucktes Jahrmarktsb€uchlein“ die sich „nuran Verr€uckte“ wendet, k€undigt Unzuverl€assigkeit an. Eine anderepr€agnante Textstelle im Hinblick auf unzuverl€assiges Erz€ahlen istdie „Hochjagd auf Automobile“, an welcher der ehemalige Pazi-fist Haller teilnimmt. Als eine typisch unzuverl€assige Erz€ahl-instanz gilt hier der zwanghafte oder verr€uckte Monologist („madmonologist“), mit welchem Haller viele Merkmale teilt. Beson-ders die Ich-Fixierung des Protagonisten ist ein Kriterium, dasauf zahlreiche „mad monologists“ wie auch auf Haller zutrifft.

Im Gegensatz zur Neigung der Moderne zum Tendenzlos-N€utzlichen und Technisch-€Okonomischen arbeitet Hesse imSteppenwolf sowie sp€ater in der Morgenlandfahrt mit mimetischunentscheidbarem Erz€ahlen, mit Widerspr€uchen hinsichtlich des-sen, was in der erz€ahlten Welt als wahr anzunehmen ist. DieseForm unzuverl€assigen Erz€ahlens gipfelt im Magischen Theater,in welchem sich die erz€ahlte Welt in einer Serie alternativer Ver-sionen aufl€ost. Unzuverl€assiges Erz€ahlen, laut Tom Kindt engmit der literarischen Moderne verbunden, erweist sich in vorlieg-endem Beitrag als ein wichtiges Stilmittel im Sp€atwerk Hesses.

Stichw€orter: unzuverl€assiges Erz€ahlen, Hermann Hesse, Der Steppenwolf, Ironie,Metaerz€ahlen.

Orbis Litterarum 68:4 312–339, 2013© 2013 John Wiley & Sons Ltd

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I. Einleitung

Unzuverl€assiges Erz€ahlen ist eine narrative Technik, die seit dem acht-

zehnten Jahrhundert in der westlichen Literatur vorkommt. Seit der

literaturwissenschaftlichen Begr€undung des Diskurses der erz€ahlerischen

Verl€asslichkeit bzw. Unzuverl€assigkeit („reliability“ vs. „unreliability“)

durch Wayne C. Booth im Jahr 1961 hat dieses Forschungsfeld einen

regelrechten Boom erlebt. Nach Booth ist es „hardly surprising that

modern authors have experimented with unreliable narrators whose

characteristics change in the course of the works they narrate“.2 Es herr-

scht in der Theorienbildung Konsens dar€uber, dass homodiegetische

Erz€ahler dann als unzuverl€assig eingestuft werden k€onnen, wenn die Art,

wie sie die histoire pr€asentieren, dem Leser Anlass gibt, an ihrer Rolle

als vertrauensw€urdige Vermittlerinstanz zu zweifeln. Als historischer Pro-

totyp narrativer Unzuverl€assigkeit gilt der Schelmenroman.3 Obwohl es

viele Hinweise auf die vermeintliche Unzuverl€assigkeit im Werk Her-

mann Hesses gibt, insbesondere hinsichtlich des Steppenwolf-Romans,

liegt bisher keine systematische Untersuchung zu diesem Ph€anomen vor.4

Die Tatsache, dass Irrationalit€at zu Hesses poetologischem Selbstv-

erst€andnis geh€ort, geht aus seinem autobiographischen Aufsatz „Ku-

rzgefaßter Lebenslauf“ (1921) hervor.5 Als „Zufall“ und „Abfall des

Lebens“ beschreibt Hesse dort sein Verh€altnis zur Wirklichkeit:

Sowohl die Dichtungen, die ich dichte, wie die Bildchen, die ich male, entspre-chen nicht der Wirklichkeit. Wenn ich dichte, so vergeße ich h€aufig die Anfor-derungen, welche gebildete Leser an ein richtiges Buch stellen, und vor allemfehlt mir in der Tat die Achtung vor der Wirklichkeit. […] Die Wirklichkeitist das, womit man unter gar keinen Umst€anden zufrieden sein, was manunter gar keinen Umst€anden anbeten und verehren darf, denn sie ist derZufall, der Abfall des Lebens.6

Aus Hesses Aufsatz geht hervor, dass seine Dichtungen nicht der Wirk-

lichkeit entsprechen, dass sie im Gegenteil nicht selten „magisch“ wirken.

Vorliegender Beitrag geht von der Hypothese aus, dass unzuverl€assi-

ges Erz€ahlen in der bisherigen Hesse-Forschung ein nicht voll ausg-

esch€opftes Potential bildet, €uber das sich seine umstrittene

Autorschaft, deutlicher als bisher geschehen, im Kontext der literari-

schen Moderne charakterisieren l€asst. Zuerst muss festgestellt werden,

dass ich mich bewusst auf einen spezifischen Roman und ein begrenz-

tes Textkorpus beschr€ankt habe. Dies scheint sinnvoll angesichts der

Unzuverl€assiges Erz€ahlen in Hesses Steppenwolf (1927) 313

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von Vera N€unning angesprochenen Theorienvielfalt des Forschungs-

felds.7 Der hier vorgelegte Artikel untersucht Voraussetzungen, For-

men und Funktionen unzuverl€assigen Erz€ahlens im Werk Hermann

Hesses mit Fokus auf dem Steppenwolf. Als Einf€uhrung wird einen

Einblick in den Stand der Forschung zum Ph€anomen narrativer Unzu-

verl€assigkeit pr€asentiert. Die weitere Diskussion kreist vor allem um

Formen und Funktionen narrativer Unzuverl€assigkeit im Steppenwolf

und die Problematisierung des Erz€ahlens in der Morgenlandfahrt. Die

Analyse wird vornehmlich mit dem Begriffsarsenal Martinez/Scheffels

und Ansgar N€unnings vorgenommen. Dieser Ansatz scheint mir

insofern gerechtfertigt, da N€unnings (vorwiegend) konstruktivistische

Konzeption unzuverl€assigen Erz€ahlens und Martinez/Scheffels pragma-

tischer Ansatz einander gut erg€anzen.

II Anmerkungen zur Theorie unzuverl€assigen Erz€ahlens

Zun€achst muss betont werden, dass der Begriff des unzuverl€assigen

Erz€ahlens in der Forschung h€aufig nicht nur vage definiert wird, sondern

auch umstritten ist.8 Matias Martinez und Michael Scheffel gehen in

ihrem Beitrag zum Ph€anomen unzuverl€assigen Erz€ahlens davon aus, dass

„die Behauptungen des Erz€ahlers in fiktionalen Texten einen grunds€atz-

lich anderen, logisch privilegierten Status besitzen als Behauptungen der

Figuren: Sie sind, im Rahmen der erz€ahlten Welt, nicht nur wahr, son-

dern notwendig wahr.“ Die Behauptungen der Figuren sind dagegen

falsch oder wahr „genau in dem Maße, in dem sie von der Erz€ahlerrede

best€atigt bzw. widerlegt werden“.9 Es gibt demgem€aß Erz€ahler, „deren

Behauptungen, zumindest teilweise, als falsch gelten m€ussen mit Bezug

auf das, was in der erz€ahlten Welt der Fall ist“. Als ein prototypisches

Beispiel unzuverl€assigen Erz€ahlers z€ahlt laut Martinez/Scheffel die dop-

pelte Botschaft der Ironie. Ironie liegt in dem Fall vor, wenn der Erz€ah-

ler eine explizite Botschaft, w€ahrend der Autor dem Leser implizit, an

dem Leser vorbei eine andere, den Erz€ahlerbehauptungen wider-

sprechende Botschaft vermittelt: „Die implizite Botschaft widerspricht

der expliziten und soll vom H€orer als die ‘eigentlich gemeinte’ aufgefaßt

werden.“10 Es lassen sich verschiedene Arten unzuverl€assigen Erz€ahlens

unterscheiden. Martinez/Scheffel unterscheiden im einzelnen zwischen

drei Arten unzuverl€assigen Erz€ahlens:

314 Gustav Landgren

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1. Theoretisch unzuverl€assiges Erz€ahlen wird in Texten mit einem intra-

diegetischen Erz€ahler (d.h. ein Erz€ahler, dem die fiktionale Welt

angeh€ort) aktuell. Besonders die Glaubw€urdigkeit homodiegetischer

Erz€ahler kann (wie u.a. auch Stanzel und N€unning betonen) bezweifelt

werden. Dies ist z.B. der Fall in Thomas Manns Roman Doktor Faustus

(1947). Die subjektiven Bewertungen und Kommentare des b€urgerlichen

homodiegetischen Erz€ahlers Dr. Serenus Zeitblom und dessen philoso-

phisches und moralisches Verst€andnis f€ur die Geschichte des d€amonis-

chen Komponisten Adrian Leverk€uhn k€onnen bezweifelt werden. Die

Glaubw€urdigkeit des Erz€ahlers beansprucht allerdings Glaubw€urdigkeit

in Bezug auf die mimetische Erz€ahlerfunktion.11

2. Mimetisch teilweise unzuverl€assiges Erz€ahlen liegt vor, wenn die

mimetischen S€atze des extradiegetischen oder auktorialen Erz€ahlers, die

der Leser zun€achst f€ur unbezweifelbar wahr gehalten hat, sich sp€ater als

Phantasievorstellungen oder Traumsequenzen erweisen. Als Beispiel

f€uhren Martinez/Scheffel den Roman Zwischen neun und neun (1918) von

Leo Perutz an, in welchem die mimetischen S€atze des extradiegetischen

Erz€ahlers, die zun€achst als glaubw€urdig erscheinen, sich als intern-fokali-

sierte Traumvorstellungen des Erz€ahlers im Augenblick seines Todes

entpuppen. Die erz€ahlte Zeit betr€agt nicht – wie der Leser zun€achst

annimmt – zw€olf Stunden, sondern nur wenige Minuten.

3. Mimetisch unentscheidbares Erz€ahlen. Die ersten beiden Arten unzu-

verl€assigen Erz€ahlens gehen von „stabilen Welten“ aus, in welchen die

Erz€ahlerbehauptungen als unzuverl€assig eingestuft werden k€onnen.

Manche Texte der literarischen (Post-) Moderne, z.B. Alain Robbe-

Grillets La maison de rendez-vous (1965), zeichnen sich aber zus€atzlich

durch eine grunds€atzliche Unentscheidbarkeit dessen, was in der

erz€ahlten Welt der Fall ist, aus. Demgem€aß steht keine Behauptung des

Erz€ahlers definitiv fest, die erz€ahlte Welt l€ost sich in eine Serie alternati-

ver Versionen auf.

Besonders der Ich-Erz€ahler neigt schon allein durch seine Subjektivit€at

zur narrativen Unzuverl€assigkeit. Jeder Ich-Erz€ahler ist per definitionem

wegen seiner Parteilichkeit mehr oder weniger unzuverl€assig meint Franz

K. Stanzel, der zudem die M€oglichkeit einr€aumt, dass auch heterodie-

getische (auktoriale) Erz€ahler unzuverl€assig sein k€onnten.12 Manfred

Jahn meint sogar, dass der heterodiegetische Erz€ahler durch dessen

Unzuverl€assiges Erz€ahlen in Hesses Steppenwolf (1927) 315

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„Tendenz zur Selbstherrlichkeit und Rechthaberei“ sogar das „allerbeste

Unverl€asslichkeitsmerkmal“ aufweist.13 Die Tatsache, dass heterodiegeti-

sche Erz€ahler unzuverl€assig sein k€onnen, ist in der Forschung jedoch

umstritten.14 Ein fr€uher Beitrag zur Untersuchung unzuverl€assiger hete-

rodiegetischen Erz€ahlinstanzen liefert Dorrit Cohn in ihrer Analyse von

Thomas Manns Erz€ahlung Der Tod in Venedig (1912). Cohns Ansatz

geht davon aus, dass der heterodiegetische Erz€ahler durch absichtlich in

den Text eingef€ugte Diskordanzen sich ironisch von seinem Helden Gus-

tav von Aschenbach distanziert. Unzuverl€assiges Erz€ahlen (Cohn nennt

es „Diskordanz“) bewirkt hier zum Einen eine „korrektive Instanz“ der

Wahrnehmung Aschenbachs, zum Anderen eine ironische Distanzierung

zum Helden.15

Den bisher theoretisch umfassendsten Beitrag erz€ahlerischer Unzu-

verl€assigkeit bietet der von Ansgar N€unning herausgegebene Band Unre-

liable Narration: Studien zur Theorie und Praxis unglaubw€urdigen

Erz€ahlens in der englischsprachigen Erz€ahlliteratur (1998) in welchem eine

Typologie bez€uglich des unzuverl€assigen Erz€ahlens ausgearbeitet wird.

N€unning betont st€arker als Martinez/Scheffel die Rolle des Lesers bei

der Konzipierung unzuverl€assigen Erz€ahlens: Dem Leser kommt es zu,

die Unzuverl€assigkeit eines Erz€ahlers selbst zu konstruieren.16 Diesem

konstruktivistischen Ansatz zum Trotz entwirft N€unning eine Typologie

von Merkmalen, die auf die unzuverl€assige Erz€ahlinstanz zutrifft (siehe

unten).17 Wie vor ihm u.a. Stanzel betont N€unning, dass unzuverl€assiges

Erz€ahlen sich in der Regel auf Ich-Erz€ahler beschr€ankt bleibt, aber auch

der auktoriale Erz€ahler kann „in einer fortschreitenden unfreiwilligen

Selbstentlarvung des Erz€ahlens“ als unzuverl€assig erscheinen.18 Als Sig-

nale unzuverl€assigen Erz€ahlens unterscheidet N€unning zwischen textuel-

len und außertextuellen bzw. kontextuellen Bezugsrahmen („frames of

reference“).19 Zu den textuellen Merkmalen unzuverl€assigen Erz€ahlens

z€ahlt laut ihm unter anderem eine „Diskrepanz, die zwischen seinen

expliziten €Außerungen €uber sich und andere und seiner impliziten Selbst-

charakterisierung besteht“. Zu den Eigenschaften des unzuverl€assigen

Erz€ahlers rechnet N€unning auch subjektiv gef€arbte Werturteile, und eine

Tendenz zur Fokusverschiebung von der Ebene des Geschehens „auf den

Sprecher zu verlagern und dessen Idiosynkrasien hervorzuheben“. Nicht

die Handlung steht im Zentrum, sondern zus€atzliche Informationen, die

oft implizit ausgedr€uckt werden k€onnen. Textuelle Signale f€ur

316 Gustav Landgren

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unzuverl€assiges Erz€ahlen, die den Rezipienten dazu veranlassen k€onnen,

die Glaubw€urdigkeit eines Erz€ahlers in Frage zu stellen, sind unter an-

derem „explizite Widerspr€uche des Erz€ahlers“.20

Unzuverl€assiges Erz€ahlen kann sich auch durch die Informationswie-

dergabe des Erz€ahlers €außern. Der Erz€ahler kann demgem€aß den Lesern

Information vorenthalten oder sogar falsche Information vermitteln: Er

ist dann, wie Phelan/Martin bemerkt haben, „underreporting“ bzw. „mis-

reporting.“21 Zwei prototypische Erscheinungen des unzuverl€assigen

Erz€ahlers sind des Weiteren der Picaro (Außenseiter) und der obsessive

(emotional aufgeladene) Erz€ahler.22 Tom Kindt unterscheidet zwischen

zwei Formen unzuverl€assigen Erz€ahlens: axiologisch und mimetisch

unzuverl€assiges Erz€ahlen. Mimetisch unzuverl€assiges Erz€ahlen liegt

demnach dann vor, wenn die €Außerungen des Erz€ahlers in der fiktiven

Welt angezweifelt werden k€onnen.23 So genanntes „axiologisch unzu-

verl€assiges Erz€ahlen“ liegt in dem Fall vor, wenn der Erz€ahler nicht

mehr f€ur die Werte eines Werkes eintritt oder nach diesen handelt. Prob-

lematisch ist diese Definition insofern, da „Werte“ eines literarischen

Textes die Zuordnung des Begriffs an einen Ethikbegriff koppelt.24 Des-

wegen soll dieser Terminus im Folgenden sparsam eingesetzt werden. Im

Falle des „verruckten Monologisten“ („mad monologist“) herrscht eine

groteske Diskrepanz zwischen Erz€ahlen und Wirkung.25 Insbesondere

Ich-Erz€ahler neigen wegen ihrer subjektiven Parteilichkeit und ihrer oft

existentiellen Motivation zum Erz€ahlen zum affektiven Erz€ahlen.

II Zur vorl€aufigen Konzeptionalisierung unzuverl€assigen Erz€ahlens bei

Hesse: Der Steppenwolf

In dem von Ansgar N€unning herausgegebenen Sammelband Unreliable

Narration: Studien zur Theorie und Praxis unglaubw€urdigen Erz€ahlens in

der englischsprachigen Erz€ahlliteratur wird Hermann Hesses Roman Der

Steppenwolf (1927) unter den wenigen deutschen Beispielen aufgelistet, in

denen das Ph€anomen des unzuverl€assigen Erz€ahlens aktuell wird.

Ehe auf die narrative Unzuverl€assigkeit in Hesses Roman eingegangen

wird, scheint ein kurzes Res€umee der Handlung angebracht. Harry

Haller, der vereinsamte „Steppenwolf “, siedelt in eine Großstadt €uber,

wo er eine Wohnung mietet. Zwei Seelen wohnen in Hallers Brust, eine

kulturelle, verfeinerte und eine triebhaft aggressive. Narrativ weist der

Unzuverl€assiges Erz€ahlen in Hesses Steppenwolf (1927) 317

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Roman eine komplizierte Schachtelstruktur auf. Die drei Hauptteile mit

jeweils verschiedenen Sprechern sind das Vorwort des Herausgebers, Hal-

lers hinterlassene Aufzeichnungen und der Traktat vom Steppenwolf.

Dieser Stimmenwechsel vermittelt einen vielf€altigen Einblick in das Leben

des Romanprotagonisten. Auch die Sprache der drei Erz€ahlinstanzen

unterscheidet sich voneinander: w€ahrend Hallers Aufzeichnungen em-

phatisch wirken, stellen das Vorwort und insbesondere der Traktat in dis-

tanzierter Form das Leben Hallers dar. „Die Unsterblichen“ sind die

K€unstler, die Haller f€ur unerreichbar vorbildhaft h€alt, liebt und verehrt,

Goethe und Mozart obenan. Mit der Verehrung der „Unsterblichen“

kontrastiert die moderne Lebenswelt. Beim Besuch in einer Kneipe begeg-

net der Protagonist Hermine, einer Repr€asentantin der „neuen Frau“ der

zwanziger Jahre, die in die Dom€anen der M€anner einbricht, sich in Caf�es,

Tanzs€alen und Am€usierlokalen aufh€alt. Hermine bringt Haller die zeit-

gen€ossischen amerikanischen Modet€anze bei und f€uhrt ihn in die Demi-

monde der zwanziger Jahre mit Jazzmusik und Tanz ein. Haller wird mit

Hermines Freund Pablo, dem exotischen Saxophonisten befreundet. Das

Ziel der Tanz€ubungen mit Haller ist der große Maskenball, in dem Haller

und Hermine von Pablo ins „Magische Theater“ gef€uhrt werden. Das

Magische Theater erweist sich als eine Art expressionistischer Bildersaal,

wo Zeit und Wirklichkeit aufgehoben sind. Funktion des Theaters ist, die

Pers€onlichkeit abzustreifen und in die Welt der Bilder einzutreten. Haller

erlebt hier allerlei phantastische Visionen, die in der „T€otung“ Hermines

mit „einem gespiegelten Messer“ gipfelt. Der Steppenwolf endet damit,

dass der in den Aufzeichnungen so rigide Romanprotagonist von den

„Unsterblichen“ zum ewigen Lachen verurteilt wird.

Eine in der Forschung stiefm€utterlich behandelte Form unzuverl€assi-

gen Erz€ahlens wird in der mise en abyme-Konstruktion relevant, f€ur die

Der Steppenwolf ein Beispiel ist. Die €asthetische Komplexit€at des Step-

penwolf hat ihr Pendant in der komplexen narrativen Organisation des

Textes. Hesses Roman ist, wie Andr�e Gides Roman Les faux monnayeurs

(1925) und Aldous Huxleys Point Counter Point (1928), ein Beispiel f€ur

die paradoxe mise en abyme-Konstruktion, in welcher die Binnen- und

Rahmenerz€ahlungen sich abwechseln. Lucien D€allenbach stellt eine bre-

ite Definition der structure en abyme auf: „est mise en abyme toute

enclave entretenent une relation de similtude avec l’œuvre qui la

contient“.26 Die Konstruktion der mise en abyme wird in vorliegendem

318 Gustav Landgren

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Aufsatz in Anlehnung an Martina Mai als „die Spiegelung einer Makro-

struktur eines literarischen Textes in einer Mikrostruktur innerhalb des-

selben Textes“ definiert.27 Diese Spiegelung kann, wie D€allenbach

vorschl€agt, „la totalit�e du r�ecit“ betreffen. 28

Die repetitive Konstruktion en abyme erm€oglicht, dasselbe Ereignis auf

verschiedenen diegetischen Ebenen wiederzugeben. So spiegelt der „Trak-

tat vom Steppenwolf“ die Selbstmordgedanken Hallers, die schon im

Vorwort des Herausgebers und in den Aufzeichnungen Hallers beschrie-

ben worden sind. Auch Hallers Verh€altnis zum B€urgerlichen und seine

strenge Erziehung sind Beispiele f€ur die Spiegelungen im Roman, die auf

drei diegetischen Ebenen dargestellt werden. Ein auffallendes Detail f€ur

die Schilderung desselben Ereignisses bietet der Konzertbesuch des

Romanprotagonisten, der zwei Mal auf verschiedenen diegetischen

Ebenen geschildert wird.

Anders als Theodore Ziolkowski sehe ich im Steppenwolf eine Schach-

telstruktur, in welcher mittels der verschiedenen diegetischen Ebenen

Spiegelungen erm€oglicht werden.29 Das Vorwort des Herausgebers ist

demgem€aß das Erz€ahlen (extradiegetisch), die Aufzeichnungen Hallers

erz€ahltes Erz€ahlen (intradiegetsich) und der „Tractat vom Steppenwolf“

erz€ahltes erz€ahltes Erz€ahlen (metadiegetisch).30 Durch den h€aufigen

Gebrauch von Stimmenwechsel bekommt der Leser einen vielf€altigen

Einblick in das Leben des Protagonisten, das von verschiedenen diegeti-

schen Instanzen er€ortert wird.31

Bezeichnend f€ur den Steppenwolf ist dar€uber hinaus eine zeitliche Anach-

ronie, ein typisches narratives Merkmal f€ur die mise en abyme: „la forme

d’anachronie que repr�esente toute mise en abyme fictionelle“.32 D€allenbach

unterscheidet zwischen drei Formen der narrativen Anachronie der mise en

abyme: „la premi�ere, prospective, r�efl�echit avant terme l’histoire �a venir; la

deuxi�eme, r�etrospective, r�efl�echit apr�es coup l’histoire accomplie; la trois-

i�eme, r�etro-prospective, r�efl�echit l’histoire en d�ecouvrant les �ev�enements

ant�erieurs et les �ev�enements post�erieurs �a son point d’ancrage dans le

r�ecit“.33 Dem Traktat entspricht die erste prospektive Form der Anachro-

nie die dazu dient, die Rezipienten sowohl als Haller f€ur die Traumsequen-

zen des Magischen Theaters vorzubereiten. Das Vorwort des Herausgebers

stellt die retrospektive Form dar. Die Aufzeichnungen Hallers, die mit einer

narrativen Spannung zwischen erz€ahlendem und erlebendem Ich laborier-

en, entsprechen eher der „retro-prospektiven“ Form der Anachronie.

Unzuverl€assiges Erz€ahlen in Hesses Steppenwolf (1927) 319

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Der Steppenwolf ist demnach ein Text, der auf verschiedenen diegeti-

schen Ebenen sich selbst st€andig kommentiert, was Martin Swales dazu

veranlasst hat, von einem „discursive overkill“ zu sprechen.34

Ein Beispiel f€ur diese narrativen Spiegelungen bietet Hallers Vergleich

des Traktats mit einem von ihm geschriebenen Gedicht:

Da hatte ich nun zwei Bildnisse von mir in H€anden, das eine ein Selbstbildnisin Knittelversen, traurig und angstvoll wie ich selbst, das andre k€uhl und mitdem Anschein hoher Objektivit€at gezeichnet, von einem Außenstehenden, vonaußen und von oben gesehen, geschrieben von einem, der mehr und doch auchweniger wußte als ich selbst.35

Dies f€uhrt zur Metalepse, n€amlich der Rivalit€at zweier Autoren in-

nerhalb derselben diegetischen Ebene: der Traktatverfasser und Haller.

Diese autoreflexive Form des Erz€ahlens scheint dar€uber hinaus zur

narrativen Unzuverl€assigkeit zu f€uhren; man denke daran, wie der ano-

nyme Herausgeber die Aufzeichnungen Hallers zun€achst rabiat verwirft,

um sie sp€ater als ein interessantes „Zeitdokument“ einzusch€atzen.

Da die Probleme des Steppenwolfs laut dem Herausgeber eine wich-

tige Angelegenheit der Gegenwart darstellen, entscheidet er sich daf€ur,

seine hinterlassenen Aufzeichnungen zu publizieren. Auff€allig ist die

Tatsache, dass der Herausgeber Hallers hinterlassene Aufzeichnungen

kommentiert:

Es ist mir nicht m€oglich, die Erlebnisse, von denen Hallers Manuskripterz€ahlt, auf ihren Gehalt an Realit€at nachzupr€ufen. Ich zweifle nicht daran,daß sie zum gr€oßten Teil Dichtung sind, nicht aber im Sinn willk€urlicherErfindung, sondern im Sinne eines Ausdrucksversuches, der tief erlebte seeli-sche Vorg€ange im Kleide sichtbarer Ereignisse darstellt. […] Haller geh€ort zudenen, die zwischen zwei Zeiten hineingeraten, die aus aller Geborgenheit undUnschuld herausgefallen sind, zu denen, deren Schicksal es ist, alle Fragw€ur-digkeit des Menschenlebens gesteigert als pers€onliche Qual und H€olle zu erle-ben. Darin, scheint mir, liegt der Sinn, den seine Aufzeichnungen f€ur unshaben k€onnen, und darum entschloß ich mich, sie mitzuteilen. Im €ubrigen willich sie nicht in Schutz nehmen noch €uber sie aburteilen, m€oge jeder Leser diesnach seinem Gewissen tun!36

Trotz seines begrenzten Einblicks in das Leben Hallers zweifelt der

Herausgeber nicht daran, dass das Manuskript, das Haller hinterlassen

hat, „zum gr€oßten Teil Dichtung sind […] im Sinne eines Ausdrucks-

versuches, der tief erlebte seelische Vorg€ange im Kleide sichtbarer

Ereignisse“ darstelle. Die Aufzeichnungen Hallers werden also durch eine

320 Gustav Landgren

Page 10: Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem               Steppenwolf

„externe“ Instanz korrigiert und interpretiert. Diese explizit metafiktio-

nale Infragestellung der Authentizit€at bestimmter Erz€ahlvorg€ange einer

Geschichte auf einer extradiegetischen Ebene ist kennzeichnend f€ur die

vorliegende mise en abyme. In einer Mikrostruktur spiegelt diese Passage

die Realit€at/Fiktion des Gesamtromans. Damit verletzt der Herausgeber

die Grenzen zwischen extra- und intradiegetischer Ebene, was zur

Metalepse f€uhrt.

Im Steppenwolf l€asst sich, wie im Folgenden gezeigt werden soll, eine

Unzuverl€assigkeit auf s€amtlichen diegetischen Ebenen feststellen: Die

erste diegetische Instanz, der extradiegetisch-homodiegetische Herausge-

ber von Hallers Aufzeichnungen, erweist sich als unzuverl€assig. Trotz

seiner Position als „peripherer Ich-Erz€ahler“ nimmt der Herausgeber eine

dominante Stellung im Vorwort ein. Das Vorwort ist im Unterschied

zum Traktat (der €uber eine autonome Seitenbezifferung verf€ugt) direkt

in die Aufzeichnungen Hallers integriert. Es tr€agt dazu bei, den Auf-

zeichnungen eine Aura von Authentizit€at zu verleihen. Die Wirklichkeits-

illusion der Binnenerz€ahlung wird durch die Rahmenerz€ahlung verst€arkt.€Ahnlich wie bei den peripheren Ich-Erz€ahlern bei Joseph Conrad gibt

hier es eine Tendenz zur Personalisierung des Herausgebers von Hallers

Aufzeichnungen. Obwohl dieser als situierter B€urger dem Protagonisten

zuerst €außerst skeptisch gegen€ubersteht, zeigt er ein unerwartetes Inte-

resse f€ur ihn, er spioniert Haller nach.37 Sein Verh€altnis zur Hauptfigur

k€onnte man als „unforeseen partnership“ bezeichnen. Der Herausgeber

gibt sich M€uhe, das Leben Hallers zu ergr€unden und zu verstehen; eine

innere Verwandtschaft entwickelt sich allm€ahlich zwischen ihm und dem

Protagonisten.

Dies f€uhrt dazu, dass Hallers Leben den peripheren Ich-Erz€ahler in

den Bann zieht und ihn dazu veranlasst, die Erfahrungen Hallers intensiv

nachzuempfinden. Es geht hier um eine Variation des „alter-ego“ Motivs,

fast zwanghaft f€uhlt sich der Herausgeber veranlasst, sich in die Lage

Hallers emphatisch hineinzuversetzen: „die bloße Existenz eines solchen

Wesens“ (Haller) hat den Herausgeber „im Grunde“ beunruhigt und

gest€ort. Diese Aussage wird sp€ater relativiert, da der Herausgeber „seiner

in Ruhe und Freundschaft“ gedenken k€onne.38 Seine Einf€uhlung in das

Schicksal Hallers geht so weit, dass er sich gezwungen f€uhlt, sich dessen

weitere Schicksale auszudenken:

Unzuverl€assiges Erz€ahlen in Hesses Steppenwolf (1927) 321

Page 11: Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem               Steppenwolf

Er lebt noch, er geht irgendwo auf seinen m€uden Beinen die Treppen fremderH€auser auf und ab, starrt irgendwo auf blankgescheuerte Parkettb€oden undauf sauber gepflegte Araukarien, sitzt Tage in Bibliotheken und N€achte inWirtsh€ausern oder liegt auf einem gemieteten Kanapee, h€ort hinter den Fen-stern die Welt und die Menschen leben und weiß sich ausgeschlossen, t€otetsich aber nicht, denn ein Rest von Glaube sagt ihm, daß er dies Leiden, diesb€ose Leiden in seinem Herzen zu Ende kosten und daß dies Leiden es sei,woran er sterben m€usse.39

Die Personalisierung des peripheren Ich-Erz€ahlers €außert sich deutlich

beim Besuch eines Vertrags. Die Eitelkeit des Redners irritiert den

Herausgeber wie Haller:

da warf mir der Steppenwolf einen ganz kurzen Blick zu, einen Blick der Kri-tik €uber diese Worte und €uber die ganze Person des Redners, o, einenunvergeßlichen und furchtbaren Blick, €uber dessen Bedeutung man ein ganzesBuch schreiben k€onnte! […] Der Blick war viel eher traurig als ironisch, erwar sogar abgr€undig und hoffnungslos traurig; eine stille, gewissermaßensichere, gewissermaßen schon Gewohnheit und Form gewordene Verzweiflungwar der Inhalt dieses Blickes. […] Er ging bis ins Herz alles Menschentums, ersprach beredt in einer einzigen Sekunde den ganzen Zweifel eines Denkers,eines vielleicht Wissenden aus an der W€urde, am Sinn des Menschenlebens€uberhaupt.40

Der biedere Herausgeber, der sich selbst als „intellektuellen Men-

schen“ bezeichnet, bekommt hier regelrecht personale Z€uge, indem er

dem Blick des Steppenwolfes eine quasi-psychologische Betrachtung

widmet. Seine Einf€uhlung in die Gedankenwelt Hallers entspricht sei-

ner freundschaftlich-kongenialen Beziehung zu ihm. Eine Spannung

zwischen einem peripher-distanzierten und einem kongenial-pers€onli-

chen Erz€ahler kommt mithin im Vorwort des Herausgebers zum

Ausdruck.

Ein auffallendes Merkmal in dem Vorwort sind die moralisierenden

Kommentare des Herausgebers €uber den Lebensstil des Bohemiens Hal-

ler. Die Tatsache, dass der Protagonist unter Schmerzen und Schlaflosig-

keit leidet, schreibt der Herausgeber „vor allem seinem Trinken zu“.41

Die Aufzeichnungen Hallers h€atte er „entr€ustet weggeworfen“, h€atte er

die Gelegenheit nicht gehabt, den Protagonisten n€aher kennen zu

lernen.42 Die „malerische Unordnung“ in der Wohnung Hallers mit

Weinflaschen erregt bei dem pedantischen, abstinenten Herausgeber

„Abscheu“.43 Der Herausgeber widerspricht des Weiteren mehrmals sich

selbst, z.B. wenn er gegen seine explizit ge€außerten Absichten psycholo-

322 Gustav Landgren

Page 12: Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem               Steppenwolf

gische Anmerkungen €uber Haller einf€ugt. Dieser will nicht „Bekenntnisse

vortragen oder Novellen erz€ahlen oder Psychologie treiben, sondern

lediglich als Augenzeuge etwas zum Bild des eigent€umlichen Mannes

beitragen, der diese Steppenwolfmanuskripte hinterlassen hat“. Trotz

dieser Aussage f€uhlt er sich dazu verpflichtet, „eine psychologische

Anmerkung“ zum Steppenwolf einzuf€ugen.44 Sein Erz€ahlen geht nicht

davon aus, sich selbst (wie er behauptet) „m€oglichst im Hintergrunde“

zu lassen, sondern sich im Gegenteil hervorzuheben.45 Die Leser sind auf

die „blasseren und l€uckenhafteren“ Erinnerungen des Herausgebers €uber

Haller angewiesen: Das pers€onliche Bild des Herausgebers sei „im Grun-

de €ubereinstimmend“ mit dem Eindruck, den eben dieser bekommen

habe, nachdem er die Aufzeichnungen Hallers gelesen habe.46 Dem

anonymen Herausgeber sind viele der von N€unning oben postulierten

Kriterien der narrativen Unzuverl€assigkeit zuzuschreiben, vor allem sub-

jektiv gef€arbte Werturteile, explizite Widerspr€uche, Subjektivit€atssignale,

emotionales Engagement, Erinnerungsl€ucken und Parteilichkeit. Den

Theorien Martinez/Scheffel folgend ist der b€urgerliche Herausgeber, des-

sen Verst€andnis sich die moralischen und philosophischen Dimensionen

Hallers offensichtlich entziehen, als theoretisch unzuverl€assig zu verste-

hen. Es gibt eine Tendenz zur Fokusverschiebung von der Ebene des

Geschehens auf den Herausgeber und dessen Idiosynkrasien. Hinzu

kommt die Tatsache, dass er den Lesern Information vorenth€alt. Der

extradiegetisch-homodiegetische Erz€ahler besitzt noch „einige Briefe“, die

f€ur Haller ankamen, nachdem er seine Wohnung verließ: Weder der

Inhalt dieser Briefe noch deren Adressat[en] werden erw€ahnt.€Ahnlich wie Rainer Maria Rilkes Roman Die Aufzeichnungen des

Malte Laurids Brigge (1910) thematisiert Hesses Steppenwolf die Krise

der menschlichen Wahrnehmung.47 Haller geh€ort zu jener Generation,

„die zwischen zwei Zeiten hineingeraten, die aus aller Geborgenheit und

Unschuld herausgefallen sind, zu denen, deren Schicksal es ist, alle

Fragw€urdigkeit des Menschenlebens gesteigert als pers€onliche Qual und

H€olle zu erleben“.48 Die zweite diegetische Instanz im Steppenwolf, die

homodiegetisch-intradiegetischen Aufzeichnungen Hallers, k€undigt ihre

Unzuverl€assigkeit schon durch die Adressierung „Nur f€ur Verr€uckte“ an.

Dies wird von dem Herausgeber schon impliziert; er zweifelt nicht daran,

dass Hallers Aufzeichnungen „zum gr€oßten Teil Dichtung“ sind, „im

Sinne eines Ausdrucksversuches, der tief erlebte seelische Vorg€ange im

Unzuverl€assiges Erz€ahlen in Hesses Steppenwolf (1927) 323

Page 13: Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem               Steppenwolf

Kleide sichtbarer Ereignisse“ darstellen.49 In seinen Aufzeichnungen

kommt der Romanprotagonist als Ich-Erz€ahler selbst zu Wort. Es geht

um ein „Ich mit Leib“ dessen Erz€ahlmotivation im Gegensatz zum

Erz€ahler des Traktats und zum Vorwort des anonymen Herausgebers

rein existentieller Art ist. Hallers Aufzeichnungen stellen zum Teil eine

verzerrte existenziell gef€arbte Erz€ahlperspektive dar, in dem sie als ein

St€uck personifiziertes Tagebuch gelesen werden k€onnen.

Die Aufzeichnungen Hallers sind mimetisch unzuverl€assig, da wir oft

nicht zwischen den Halluzinationen Hallers und der Wirklichkeit unter-

scheiden k€onnen.50 Ein Beispiel daf€ur stellt die fast filmische Verwand-

lung Mozarts in den Jazzsaxophonisten Pablo im Magischen Theater

dar. Haller sind zwei prototypische Formen des unzuverl€assigen Erz€ah-

lers zuzuschreiben: Er ist sowohl ein Picaro (Außenseiter) als auch ein

obsessiver (emotional aufgeladener) Erz€ahler, eventuell kann man ihn

auch als einen Irren (Geistesgest€orten) charakterisieren. Ein Beispiel f€ur

das emotional aufgeladene Benehmen Hallers ist seine symbolische

„T€otung“ Hermines im Magischen Theater:

Ich €offnete. Was ich hinter der T€ure fand, war ein einfaches und sch€ones Bild.Auf Teppichen am Boden fand ich zwei nackte Menschen liegen, die sch€oneHermine und den sch€onen Pablo, Seite an Seite, tief schlafend, tief ersch€opftvom Liebesspiel, das so uners€attlich scheint und doch so schnell satt macht.Sch€one, sch€one Menschen, herrliche Bilder, wundervolle K€orper. Unter Her-minens linker Brust war ein frisches rundes Mal, dunkel unterlaufen, ein Lie-bensbiß von Pablos sch€onen schimmernden Z€ahnen. Dort, wo das Mal saß,stieß ich mein Messer hinein, so lang die Klinge war.51

Das Groteske an diesem imagin€aren Lustmord wird sp€ater von den

„Unsterblichen“, namentlich von Mozart im Magischen Theater zur€uck

genommen: Haller habe mit einem „gespiegelten Messer ein gespiegel-

tes M€adchen“ ermordet.52 Da die Realit€at sich im Magischen Theater

in eine Serie alternativer Versionen aufl€ost, liegt hier mimetisch

unentscheidbares Erz€ahlen vor. Schon vor seinem Eintritt ins Magische

Theater wird das Problem der Fokalisierung besonders heikel als

Haller seinen Sinnen nicht trauen kann: „Warum sprach Pablo so viel?

War nicht vielleicht ich es, der ihn sprechen machte, der aus ihm

sprach?“53

Als Teil von Hallers Aufzeichnungen bildet das Magische Theater eine

eigene Erz€ahlung innerhalb der Erz€ahlung. Eine Mischung zwischen

324 Gustav Landgren

Page 14: Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem               Steppenwolf

erz€ahlendem und erlebendem Ich ist bezeichnend f€ur dieses heterogene

„Kapitel“. Im Magischen Theater wird der mimetische Zug (das erle-

bende Ich) durch Handlung und Dialoge st€arker profiliert. Dieses „Kapi-

tel“ besteht aus kleinen Mini-Erz€ahlungen: Insgesamt begegnen uns

f€unfzehn Inschriften im Magischen Theater, die zu einer verwirrenden

Folge von Bildsequenzen f€uhren. Neun der im Roman erw€ahnten Insch-

riften werden von dem Romanprotagonisten nicht erforscht. Es geht um

„pluriregionale Welten“, die sich diegetisch, zeitlich und r€aumlich unter-

scheiden.54 So bilden in den Aufzeichnungen Hallers der Goethe-Traum,

im Magischen Theater die Inschriften „Auf zum fr€ohlichen Jagen! Hoch-

jagd auf Automobile“, „Anleitung zum Aufbau der Pers€onlichkeit Erfolg

garantiert“, „Wunder der Steppenwolfdressur“, „Alle M€adchen sind

dein“, „Wie man durch Liebe t€otet“ und schließlich „Harrys Hinrich-

tung“ selbstst€andige Mini-Erz€ahlungen. Die einzelnen Szenen im Magi-

schen Theater werden von synoptisch projizierten Inschriften mit

Inhaltsangaben er€offnet, die an Brechts Schilder des epischen Theaters

erinnern. Sie fungieren als eine Art Mikro-Res€umees der Handlung.

Bei der Inschrift „Hochjagd auf Automobile“ nimmt Haller im Magi-

schen Theater am „Kampf zwischen Menschen und Maschinen“ teil. Der

Pazifist Haller erweist sich hier als kaltbl€utiger M€order. Im Kampf gegen

die technisierte Welt gibt es zwei Alternativen: entweder alle Wagen

zusammenzuschießen, oder selbst im Auto vernichtet zu werden. Ironi-

scherweise konstatiert der ehemalige Kriegsgegner Haller, wie „das

Schießen so viel Spaß machen kann“.55 Dies ist in Form von schwarzem

Humor eine Anprangerung der modernen Zivilisation.56 Wie Eike Mid-

dell konstatiert, arbeitet Hesse bei der Automobilszene mit einer zeitkri-

tischen „Slapstickkomik, wie er sie in den Kinos hatte kennenlernen

k€onnen“.57 Dass Ironie hier im Spiel ist, wird besonders evident, weil

der Krieg dem ehemaligen Pazifisten Haller pl€otzlich „h€ochst sympa-

thisch“ scheint:

Auf den Straßen jagten Automobile, zum Teil gepanzerte, und machten Jagdauf die Fußg€anger, €uberfuhren sie zu Brei, dr€uckten sie an den Mauern derH€auser zuschanden. Ich begriff sofort: es war der Kampf zwischen Menschenund Maschinen, lang vorbereitet, lang erwartet, lang gef€urchtet, nun endlichzum Ausbruch gekommen. €Uberall lagen Tote und Zerfetzte herum, €uberallauch zerschmissene, verbogene, halbverbrannte Automobile, €uber dem w€ustenDurcheinander kreisten Flugzeuge, und auch auf sie wurde von vielenD€achern und Fenstern aus mit B€uchsen und Maschinengewehren geschossen.

Unzuverl€assiges Erz€ahlen in Hesses Steppenwolf (1927) 325

Page 15: Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem               Steppenwolf

[…] Nun, die Hauptsache war klar: es war Krieg, ein heftiger, rassiger undh€ochst sympathischer Krieg […] [der] die allgemeine Zerst€orung der blecher-nen zivilisierten Welt anzubahnen strebte. […] Freudig schloß ich mich demKampfe an.58

Wie in einem skurrilen Stummfilm inszeniert, fahren Autos herum, die

von den „Partisanen“ Gustav und Haller niedergeschossen werden und

explodieren. Die Ironie, einerseits dadurch markiert, dass der ehemalige

Pazifist nun den Krieg „h€ochst sympathisch“ findet, wird verst€arkt durch

den Titel der Filmszene, „Auf zum fr€ohlichen Jagen! Hochjagd auf

Automobile“. Sowohl Menschen als auch Maschinen werden von Haller

vernichtet. Eine grotesk wirkende Diskrepanz zwischen der n€uchternen

Darstellung des Geschehens und dem grausamen Inhalt des Berichts ist

bezeichnend f€ur die Szene. Einen Einblick in die Beweggr€unde Hallers

zum Massenmord bleibt aus.

Als eine typisch unzuverl€assige Erz€ahlinstanz gilt der zwanghafte

oder verr€uckte Monologist („mad monologist“), mit welchem Haller

viele Merkmale teilt. Besonders die Ich-Fixierung des Protagonisten ist

ein Kriterium, das auf zahlreiche „mad monologists“ wie auch auf

Haller zutrifft: „ihre Sicht der Wirklichkeit steht im Zentrum ihrer

Rede, ihr Monolog umkreist nur ihre eigenen Erfahrungen und

Ansichten, durch deren Darstellung sie ihr Verhalten zu rechtfertigen

suchen“.59 Die sachlich-n€uchterne Darstellung der Hauptfigur kontras-

tiert die grotesken Wirkungen der Szene. Die Unzuverl€assigkeit der

Episode dient dazu, dass der Autor sich von der Hauptfigur ironisch

distanziert. Die Demontage des Kleinb€urgers Harry Haller, der im

Magischen Theater beginnt, erreicht bei der „T€otung“ Hermines und

bei der Hochjagd-Szene einen H€ohepunkt. Denn bei diesen Szenen

wird klar, dass der Pazifist und Humanist Haller durchaus jene „tau-

send Seelen“ besitzt, von denen im „Traktat vom Steppenwolf “ die

Rede ist.60

Haller revidiert sp€ater seine Einstellung zum Krieg, der ihm pl€otzlich

„dumm und widerlich“ erscheint:

Kaum hatten wir einen Menschen zu Gesicht bekommen, der noch harmlos,friedlich und kindlich sich benahm, der noch im Stand der Unschuld lebte, daschien uns unser ganzes l€obliches und notwendiges Tun auf einmal dumm undwiderlich. Pfui Teufel, all das Blut! Wir sch€amten uns. Aber es sollen imKriege sogar Gener€ale so empfunden haben.61

326 Gustav Landgren

Page 16: Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem               Steppenwolf

Da unzuverl€assiges Erz€ahlen in heterodiegetischen Texten relativ selten

vorkommt, stellt das vielleicht interessanteste Beispiel f€ur Unzu-

verl€assigkeit im Steppenwolf der hypodiegetisch-heterodiegetische Traktat

dar. Im Traktat liest Haller seine eigene Lebensgeschichte und wird wie

dann auf einem komplexeren Niveau im Magischen Theater, mit den

Problemen konfrontiert, unter denen er als Mensch, K€unstler und Intel-

lektueller der in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs geraten ist,

leidet. Der Traktat stellt ein einzigartiges Textgebilde dar. Collagenhaft

„wie ein Fremdk€orper“ in den Roman integriert, unterschied er sich in

der Erstausgabe des Steppenwolf nicht nur typographisch (Frakturstil),

sondern durch seine autonome Seitenbezifferung und seine gelbe Farbge-

bung auch optisch vom Rest des Romans. Dies weist auf die autonome

Rolle des Traktats hin. Der geschmacklose gelbe Umschlag signalisiert

Unzuverl€assigkeit, da er dem n€uchtern-sachlichen Stil des pseudowissen-

schaftlichen Traktats widerspricht. Der Traktat, im Original-Manuskript

im Deutschen Literaturarchiv „M€archen vom Steppenwolf “ genannt,

wendet sich wie die Aufzeichnungen Hallers nur an „Verr€uckte“.62

Durch das paratextuelle Signal des gelben absichtlich geschmacklosen

Umschlags der Reklamewelt und die Adressierung „nur f€ur Verr€uckte“

wird die Lekt€ure des Rezipienten gesteuert. Hallers Beschreibung des

Traktats als ein „d€unnes, schlecht, auf schlechtem Papier gedrucktes

Jahrmarktsb€uchlein, so wie jene Hefte „Der Mensch im Januar geboren“

oder „Wie werde ich in acht Tagen um zwanzig Jahre j€unger?“63 k€undi-

gen zudem eine Unzuverl€assigkeit an. Hesse experimentiert hier mit einer

Ironisierung bzw. Verfremdung traditioneller Leseerwartungen: Was der

Leser unter dem Genre des Traktats versteht, n€amlich eine nicht-fiktio-

nale Abhandlung €uber eine philosophische, religi€ose oder ethisch-morali-

sche Fragestellung, wird durch die Form des geschmacklosen

Jahrmarktsheftchens und die Verkn€upfung mit dem Thema der fiktiona-

len Aufzeichnungen ironisch verworfen.64

Die Behauptung des hetereodiegetischen Traktatverfassers, Harry sei

ein Mensch, wird sp€ater von ihm zur€uckgenommen:

Er ging auf zwei Beinen, trug Kleider und war ein Mensch, aber eigentlichwar er doch eben ein Steppenwolf. […] Es m€ogen kluge Menschen dar€uberstreiten, ob er nun wirklich ein Wolf war, ob er einmal, vielleicht schon vorseiner Geburt, aus einem Wolf in einen Menschen verzaubert worden waroder ob er als Mensch geboren, […] Der Steppenwolf hatte also zwei Naturen,

Unzuverl€assiges Erz€ahlen in Hesses Steppenwolf (1927) 327

Page 17: Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem               Steppenwolf

eine menschliche und eine w€olfische, dies war sein Schicksal, und es mag wohlsein, daß dies Schicksal kein so besonderes und seltenes war.65

Der heterodiegetische Erz€ahler des Traktats steht dem Romanprotago-

nisten nicht mit Objektivit€at, sondern mit Kontradiktion und unver-

einbarem Perspektivwechsel gegen€uber: Er €andert seine Meinung

hinsichtlich Haller. Sp€ater wird die Steppenwolfhypothese vom Traktat-

verfasser schroff abgelehnt, was also der Einleitung des Traktats widers-

pricht: „Aber so simpel wie in unsern Gedanken, so grob wie in unsrer

armen Idiotensprache geht es im Leben nicht zu, und Harry bel€ugt sich

doppelt, wenn er diese negerhafte Wolfsmethode anwendet.“66 Die Spr-

ache als mimetische Ausdrucksform wird also in Zweifel gezogen, was

darauf hinweist, dass der Verfasser des Traktats vielleicht doch nicht all-

wissend ist. Dies wird dadurch best€atigt, dass Haller den Traktat in

Frage stellt, in dem er „[mich] und die spezifische Stimmung und Span-

nung meines Lebens gar nicht zu verstehen schien“.67 Mit Recht bezwei-

felt deswegen Beda Allemann die Allwissenheit des Traktatverfassers,

der sogar zu verstehen gibt, dass er in mancher Hinsicht weniger als

Haller weiß. Allemann glaubt im Traktat einen Arzt und an manchen

Stellen einen Psychoanalytiker aus der Schule von Carl Gustav Jung zu

erkennen.68 Die offenbare Diskrepanz zwischen dem pseudo-wissens-

chaftlichen Ton und dem grellen jahrmarkthaften Charakter des Trak-

tats ist als eine unterschwellige Kritik des Autor-Protagonisten an der

Wissenschaft zu verstehen. Anders ausgedr€uckt: Der Traktat ist ein

€asthetisches Mittel des Autors, welches distanzierend und ironisch wirkt.69

Es gibt, wie W. C. Booth pointiert, keinen Konsens dar€uber, was Distanz

ist; Booth spricht von „variations of distance“.70 In diesem Kontext verste-

he ich unter dem Begriff Distanz eine r€aumliche, zeitliche, moralische, sti-

listische und in gewisser Weise eine gef€uhlsm€aßige und intellektuelle

Distanz des Traktatverfassers gegen€uber Haller sowie gegen€uber dem Rezi-

pienten. Die Distanz des Traktatverfassers kontrastiert die emphatischen

Aufzeichnungen Hallers. Nicht wie Haller selbst die Welt wahrnimmt,

sondern wie sie von einem aus Entfernung schauenden und bewertenden

allwissenden Erz€ahler wahrgenommen wird, ist hier die Pointe.

Haller wird im Traktat mit seiner eigenen Identifizierung mit dem

W€olfischen konfrontiert, was durch den Anfang „Es war einmal“

328 Gustav Landgren

Page 18: Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem               Steppenwolf

deutlich wird. Der m€archenhafte, kindische Anfang des Traktats ist

unvereinbar mit seiner wissenschaftlichen Fortsetzung. Beispiele f€ur die

Widerspr€uchlichkeit und Unzuverl€assigkeit des Traktatverfassers: Statt

den Lesern direkt die Wahrheit der Hallerschen Identifikation mit dem

W€olfischen zu enth€ullen, enth€alt der heterodiegetische Traktatverfasser

den Lesern Information vor. Der Traktatverfasser ist, um die Termini

Phelan/Martin zu €ubernehmen, sowohl „underreporting“ als auch „mis-

reporting“. Diese Diskrepanzen sind offenbar absichtlich in den Text

integriert, um den Leser dazu zu verleiten, die Aussagen des Erz€ahlers zu

hinterfragen.

Der spielerisch-ironische Charakter des Traktats ist den meisten

Hesse-Kritikern entgangen, die stets das Sentimentale am Roman betont

haben. Beispielsweise wird Hesse von Kurt Tucholsky vorgeworfen, er

sei ein humorloser „Idylliker“.71 Klaus von Seckendorff schreibt ebenso

von Hesses „Humorlosigkeit“.72 Dorrit Cohn schreibt in ihrem Aufsatz

„Erz€ahltes Bewusstsein im Steppenwolf“, der Roman neige wegen seines

r€uckblickenden Charakters der Ich-Erz€ahlung „zum Pathetischen, bleibt

einer Rhetorik der Kommunikation verhaftet und zwingt das Ich zur

Rezitation seines vergangenen, aber fortw€ahrenden Konflikts“.73 Da

Cohn keine Unterscheidung zwischen den diegetischen Ebenen im

Roman vornimmt, ist ihrer Hypothese entgegenzutreten. Eine Untersc-

heidung zwischen den diegetischen Ebenen ist bei der Interpretation des

Romans meiner Meinung nach angebracht.

Im Gegensatz zu dem, was Cohn behauptet, kommen im Steppenwolf aus-

gesprochen ironische Passagen vor, z.B. Mozarts Tiraden im Magischen

Theater. Denn weder das Vorwort des Herausgebers, noch der „Traktat

vom Steppenwolf“ sind pathetisch-sentimental. Zum Teil haben die

Aufzeichnungen Hallers dagegen einen sentimentalen Charakter, was

allerdings vom Homo Ludens Mozart im Magischen Theater ironisch

heruntergespielt wird. Beim Gespr€ach mit Haller zeigt sich dieser

aufgekratzt:

He, mein Junge, beißt dich die Zunge, zwickt dich die Lunge? Denkst du andeine Leser, die €Aser, die armen Gefr€aßer, und an die Setzer, die Ketzer, dieverfluchten Hetzer, die S€abelwetzer? Das ist ja zum Lachen, du Drachen, zumlauten Lachen, zum Verkrachen, zum In-die-Hosen-Machen! O du gl€aubigesHerze, mit deiner Druckerschw€arze, mit deinem Seelenschmerze, ich stifte direine Kerze, nur so zum Scherze.74

Unzuverl€assiges Erz€ahlen in Hesses Steppenwolf (1927) 329

Page 19: Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem               Steppenwolf

Die Unzuverl€assigkeit ist hier mit einer unverkennbaren Ironie verbun-

den, wobei sich Mozart €uber Haller und seine Kunst lustig macht.

IV. Unzuverl€assiges Erz€ahlen in Die Morgenlandfahrt und Das

Glasperlenspiel€Ahnlich wie im Steppenwolf wird in Hesses Ich-Erz€ahlung Die Morgen-

landfahrt (1932) die Kontinuit€at von Raum und Zeit hinterfragt. Wie im

Magischen Theater wird die Realit€at aufgel€ost, indem die Grenze zwi-

schen realem und imagin€arem Geschehen transzendiert wird.75 In der

Erz€ahlung finden wir zwei Formen unzuverl€assigen Erz€ahlens: Die erste

betrifft die in Hesses Werken dominierenden Ich-Erz€ahlsituation, die

zweite die Rolle des Autors als Sender operationeller Widerspr€uche im

Text. Im Gegensatz zur Neigung der Moderne zum Tendenzlos-N€utzli-

chen und Technisch-€Okonomischen arbeitet Hesse im Steppenwolf sowie

sp€ater in der Morgenlandfahrt mit mimetisch unentscheidbarem Erz€ah-

len, mit Widerspr€uchen hinsichtlich dessen, was in der erz€ahlten Welt als

wahr anzunehmen ist. Im Bundesarchiv der Morgenlandfahrer liest der

Protagonist H.H. sein eigenes Buch „Geschichte der Morgenlandfahrt,

aufgezeichnet von H.H.“ Als H.H. sein Buch liest, werden die Buchsta-

ben in eine „auseinanderscherbende Masse von Bildern“ aufgel€ost:

Je mehr ich jedoch in den Seiten meiner Handschrift las, desto weniger gefielmir mein Manuskript, ja, es war mir auch in den verzweifelsten Stundenbisher noch nie so unn€utz und verkehrt erschienen wie jetzt. […] Wie ich dasManuskript so durchlas, mußte ich Satz um Satz durchstreichen, und indemich ihn durchstrich, verkr€umelte er sich auf dem Papier, und die klaren spitzenBuchstaben fielen auseinander zu spielerischen Formfragmenten, zu Strichen,und Punkten, zu Kreisen, Bl€umchen, Sternchen, und die Seiten bedeckten sichwie Tapeten mit anmutig sinnlosem Ornamentgewirke.76

Mimetisch unentscheidbares Erz€ahlen €außert sich hier in einer Unsicher-

heit des Lesers, was in der erz€ahlten Welt als wahr anzunehmen ist. Das

Manuskript des Erz€ahler-Protagonisten l€ost sich auf, verkr€umelt und

verwandelt sich in ein buntes Ornamentgewirke. Dar€uber hinaus reflektiert

der Erz€ahler €uber den Akt des Erz€ahlens selbst.77 Problematisiert wird in

der Morgenlandfahrt zudem die Rolle des traditionellen Erz€ahlers:

Aber ich sehe, die Sache l€aßt sich auf diese Weise nicht erz€ahlen. Aber aufwelche Weise wohl ließe sich erz€ahlen, diese Geschichte einer einzigartigen

330 Gustav Landgren

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Reise, einer einzigartigen Seelengemeinschaft, eines so wunderbar erh€ohtenund beseelten Lebens? […] Ich kann mir denken, daß es jedem Geschichts-schreiber €ahnlich geht, wenn er die Ereignisse irgendeines Zeitlaufs aufzus-chreiben beginnt und es mit der Wahrheit ernst meint. Wo ist eine Mitte derEreignisse, ein Gemeinsames, etwas, worauf sie sich beziehen und was siezusammenh€alt? Damit etwas wie Kausalit€at, etwas wie Sinn entstehe, damit€uberhaupt etwas auf Erden erz€ahlbar werde, muß der GeschichtsschreiberEinheiten erfinden: einen Helden, ein Volk, eine Idee, und muß das, was inWirklichkeit im Namenlosen passiert ist, dieser erfundenen Einheit geschehenlassen. […] Dieser Zweifel stellt nicht nur die Frage: Ist deine Geschichte dennerz€ahlbar? Er stellt auch noch die Frage: War sie denn erlebbar?78

Diese explizite metafiktionale Kritik an dem Akt des Erz€ahlens selbst

spiegelt sich in der mimetischen Unzuverl€assigkeit der Erz€ahlung wider.

Der Erz€ahler zweifelt nicht nur an dem, was er mit dem Bund der Mor-

genlandfahrer erlebt hat, sondern auch an seiner eigenen Geschichte. Die

Geschichte der Morgenlandfahrer ist eigentlich „unerz€ahlbar“, aber

trotzdem bem€uht sich der Erz€ahler H.H., sie so treu wie m€oglich

wiederzugeben:

Auch wenn ich meine unerz€ahlbare Geschichte zehnmal, hundertmal von vornbeginnen muß und immer an den selben Grund gerate, ich werde eben hun-dertmal neu beginnen; ich werde, wenn ich schon die Bilder nicht wieder inein sinnvolles Ganze bringe, jedes einzelne Bilderbruchst€uck so treu wiem€oglich festhalten.79

Die diffuse Bilderwelt, von der hier die Rede ist und womit der Erz€ahler

seine Geschichte zu erz€ahlen versucht, weist Reminiszenzen zu der

magischen Bilderwelt des Magischen Theaters auf.

Die Morgenlandfahrt gilt in der Sekund€arliteratur als Vorstufe des

Alterswerks Das Glasperlenspiel (1943), an dem er elf Jahre arbeitete. In

diesem utopischen Roman berichtet ein namenlos bleibender Erz€ahler

aus der Retrospektive des Jahres 2400 die Geschichte vom Leben Josef

Knechts, der um das Jahr 2200 in der Ordensprovinz Kastalien das Amt

des Magister Ludi bekleidete. Das Glasperlenspiel zeichnet sich wie Der

Steppenwolf durch Stimmenwechsel aus: Die erste diegetische Ebene,

„Das Glasperlenspiel: Versuch einer allgemeinverst€andlichen Einf€uhrung

in seine Geschichte“, bietet wie das Vorwort des Herausgebers im Step-

penwolf eine (extradiegetisch-homodiegetische) Einf€uhrung in das Glas-

perlenspiel. Die zweite Ebene, die „Lebensbeschreibung des Magister

Ludi Josef Knecht“ (heterodiegetisch-intradiegetisch), besteht aus zw€olf

Unzuverl€assiges Erz€ahlen in Hesses Steppenwolf (1927) 331

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Kapiteln und berichtet €uber die Jugend Knechts in Berolfingen und seine

Ausbildung in Waldzell bis zu seiner Auszeichnung zum Spielmeister.

Dieser Abschnitt wird vom Erz€ahler als „Biographie“ bezeichnet.80 Zu-

dem wird ein Brief Josef Knechts an die Erziehungsbeh€orde und deren

Antwort angef€uhrt. In den vom Erz€ahler herausgegebenen hinterlassenen

Schriften Josef Knechts (intra-intradiegetisch-homodiegetisch) kommt

der Protagonist selbst zu Wort. Manche Bemerkungen des Erz€ahlers las-

sen darauf schließen, dass er ein Sch€uler Knechts ist.81 Die verschiedenen

diegetischen Ebenen bilden zusammen eine k€unstlerische Einheit, die auf

einem Spiegelungseffekt beruht.

Ein markantes Merkmal unzuverl€assigen Erz€ahlens ist in den Versuch

einer allgemeinverst€andlichen Einf€uhrung in die Geschichte des Glasper-

lenspiels die Ironisierung der akademischen Pseudokultur des „feuilleton-

istischen Zeitalters“, die Epoche, in der Josef Knecht gelebt hat:

„Beliebte Inhalte solcher Aufs€atze waren Anekdoten aus dem Leben

ber€uhmter M€anner und Frauen, und deren Briefwechsel, sie hießen etwa

‘Friedrich Nietzsche und die Frauenmode um 1870’ oder […] ‘Die Rolle

des Schoßhundes im Leben großer Kurtisanen’.“ 82

Auff€allig an Hesses Roman ist laut Paul Bishop, dass die Biographie

Josef Knechts weder psychologische, noch biologische Aspekte im Leben

des Spielmeisters ber€ucksichtigt.83 Der Erz€ahler der Lebensbeschreibung

Knechts erhebt zudem nicht den Anspruch, mit der Geschichte des Spiel-

meisters v€ollig vertraut zu sein, da der Autor nicht €uber alle Dokumente

im Archiv der Erziehungsbeh€orde zur Verf€ugung gehabt habe.84 Stil-

istisch ist die Lebensbeschreibung Josef Knechts streng formal und sach-

lich, und der Erz€ahler f€uhrt diverse Quellen an.85 Am Ende der

Lebensbeschreibung bricht aber der Erz€ahler unerwartet mit seinem bis-

herigen n€uchtern-objektiven Stil, der abgel€ost wird von einem magischen

„Bericht, gemischt aus echten Nachrichten und dunkeln Quellen zusam-

mengeronnen“.86 Dieser f€ur den Leser €uberraschende €Ubergang signali-

siert Unzuverl€assigkeit bez€uglich dessen, was von jetzt an €uber Knechts

Leben berichtet wird.

Der Erz€ahler ist zudem €außerst ambivalent in seiner Beurteilung der Ges-

chichte: nicht weniger als drei Mal €andert er seine Auffassung €uber die Be-

deutung des Glasperlenspiels, des Ordens und Kastaliens.87 Das am Anfang

vom Erz€ahler gepriesene Glasperlenspiel als Gegenkultur der Nivellierungs-

tendenzen der Moderne wird im Laufe des Romans als eitel und epigonal

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angeprangert. Da die Diskrepanzen vom Autor absichtlich in den Text ein-

gef€ugt sind, liegt hier mimetisch teilweise unzuverl€assiges Erz€ahlen vor.

Durch die komplizierte Erz€ahltechnik unterminiert Hesse mittels absichtli-

cher Widerspr€uche den Wahrheitsanspruch des Erz€ahlers und verst€oßt

gegen das, was der Leser unter dem Genre Biographie versteht.88

€Ahnlich wie in Die Morgenlandfahrt wird das Geschehen in Das Glas-

perlenspiel im Laufe des Romans irrealer und endet wie das Magische

Theater im Steppenwolf mit der magischen Durchbrechung von Zeit und

Raum.89 Alles, so Knecht, ist bloß Schein, ist Maya: „Spiel und Schein

war es, Schaum und Traum, Maya war es, das ganze sch€one und grau-

sige, entz€uckende und verzweifelte Bilderwelt seines Lebens, mit seinen

brennenden Wonnen, seinen brennenden Schmerzen“.90 Das Zitat unter-

streicht das Phantastische und M€archenhafte an Josef Knechts hinter-

lassenen Schriften.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass unzuverl€assiges

Erz€ahlen, laut Tom Kindt eng mit der literarischen Moderne91 verbun-

den, ein wichtiges Stilmittel im Sp€atwerk Hermann Hesses darstellt. Wie

in den zeitgen€ossischen Romanen Das Schloss (1922), Der Zauberberg

(1924), Die Schlafwandler (1932) und Der Mann ohne Eigenschaften

(1930–1943) wird im Steppenwolf die Krise des Menschen in einer Zeit

des gesellschaftlichen Umbruchs thematisiert. Die oben erw€ahnten

Romane haben u.a. das gemeinsam, dass sie gekennzeichnet sind von

einem autoreflexiven Erz€ahlstil.92 Vorliegende Untersuchung zum Ph€ano-

men des unzuverl€assigen Erz€ahlens im Sp€atwerk Hermann Hesses bietet

insofern neue Einsichten in die Hesse-Forschung, dass sie st€arker als

fr€uher die Ironie Hesses betont. Diese Ironie €außert sich im Steppenwolf

v.a. in der Verwerfung traditioneller Leseerwartungen. Die Einf€uhrung

von Metalepsen bewirkt ein Hinterfragen des Erz€ahlerakts. Durch die

absichtlich in den Text eingef€ugten Unstimmigkeiten und Diskordanzen

scheint Hesse zu signalisieren, dass „die Krise der Zeit“, von der im

Vorwort des Herausgebers die Rede ist, sich auch in einer Krise des tra-

ditionellen Erz€ahlstils €außert.

ANMERKUNGEN

1. Dieser Beitrag entstand mit Hilfe einer großz€ugigen F€orderung durch die Wenner-Gren Foundation.

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2. Booth 1961, 156–157.3. M€uller 2005, 41.4. Siehe z.B. Ziolkowski 1965, 303; Mayer 1974, 157–158; Middell 1975, 89; Singh

2006, 167; Bishop 2009, 217; Swales 2009, 172.5. Hesse 2003, 46–63.6. Hesse 2003, 57–58.7. „In fact, such a large number of theories concerning unreliable narrators have

been propagated since Booth’s statement in 1961 that to date no one has dared toinitiate a historical overview spanning the period from the eighteenth to the twen-tieth century“ (N€unning 2004, 236).

8. Kindt 2008, 35.9. Martinez & Scheffel 1999, 96–97.10. Martinez & Scheffel 1999, 100.11. Martinez & Scheffel 1999, 101.12. Stanzel 2001, 200–201. €Uber die Unzuverl€assigkeit heterodiegetischer Erz€ahlin-

stanzen, siehe Martens 2008, 81–92.13. Jahn 1998, 95.14. Tom Kindt h€alt die Diskussion €uber die Unterscheidung zwischen homo- und

heterodiegetischen Erz€ahlinstanzen im Hinblick auf ihre erz€ahlerische Unzu-verl€assigkeit f€ur „deutlich €ubersch€atzt“. Vgl. Kindt 2008, 53–54: „[D]ie Beteili-gung oder Nichtbeteiligung des Erz€ahlers am geschilderten Geschehen hat keineprinzipiellen Konsequenzen im Hinblick auf die M€oglichkeit, dass er bestimmteWerte vertritt oder falsche Angaben macht.“

15. Vgl. Martens 2008, 86.16. Vgl. N€unning 1998, 25: „Ob ein Erz€ahler als unglaubw€urdig eingestuft wird oder

nicht, h€angt […] nicht von der Distanz zwischen seinen Werten und Normen unddenen des implied author ab, sondern davon, inwiefern die Weltsicht des Erz€ah-lers mit dem Wirklichkeitsmodell des Rezipienten zu vereinbaren ist“ (Hervor-hebungen im Original).

17. N€unnings Theorien wurden u.a. von Greta Olson kritisiert. Vgl. Olson 2003, 93.18. N€unning 1998, 6.19. N€unning 1998, 27.20. N€unning 1998, 18–19, 27–28.21. Zitat nach Fludernik 2005, 43–44.22. Fludernick 2005, 40–41.23. Vgl. hierzu Kindt 2008, 49: „Der Erz€ahler in einem literarischen Werk W ist

genau dann mimetisch zuverl€assig, wenn seine €Außerungen in der fiktiven WeltW wahr sind; er ist genau dann mimetisch unzuverl€assig, wenn dies nicht der Fallist“ (Hervorhebungen im Original).

24. Dies r€aumt Kindt selbst ein, vgl. Kindt 2008, 56. Vgl. Kindt 2008, 49: “DerErz€ahler in einem literarischen Werk W ist genau dann axiologisch zuverl€assig,wenn er in seinen €Außerungen ausdr€ucklich f€ur die Werte W eintritt oder in€Ubereinstimmung mit ihnen handelt; er ist genau dann axiologisch unzuverl€assig,wenn dies nicht der Fall ist“ (Hervorhebungen im Original).

25. Dies laut Dagmar Sims, die die Darstellung grotesker Welten aus der Perspektiveverr€uckter Monologisten in den Werken Ambrose Bierces untersucht hat. Vgl.Sims 1998, 117–118.

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26. D€allenbach 1977, 18.27. Mai 2000, 54–55.28. D€allenbach 1977, 68.29. Ziolkowski analysiert die musikalische Erz€ahlstruktur im Roman, der laut ihm

eine „Sonata in Prosa“ darstellt (Ziolkowski 1965, 189ff.).30. Vgl. hierzu Genette 2010, 147–150.31. Decker 2006, 152.32. D€allenbach 1977, 82.33. D€allenbach 1977: 83.34. Swales 2009, 180–181.35. Hesse 2001a, 69.36. Hesse 2001a, 22, 24.37. Vgl. hierzu Esselborn-Krumbiegel 1998, 26.38. Hesse 2000a, 11, 202.39. Hesse 2001a, 22–23.40. Hesse 2001a,12–13.41. Hesse 2000a, 16.42. Hesse 2000a, 23.43. Hesse 2000a, 16.44. Hesse 2000a, 13–14, 16, 23.45. Hesse 2000a, 13.46. Hesse 2000a, 7.47. Travers 1998, 98.48. Hesse 2000a, 24.49. Vgl. Hesse 2000a, 22.50. Siehe hierzu Swales 2009, 172: „Are the events portrayed [im Steppenwolf, G.L.]

as genuinely occurring in a recognizable outer world? Or are they part of anelaborate dream sequence?“

51. Hesse 2001a, 195–196.52. Hesse 2000a, 201.53. Hesse 2000a, 164.54. F€ur den Terminus „pluriregional“, vgl. Martinez & Scheffel 1999, 127.55. Hesse 2000a, 177.56. Die Aversion Hesses gegen€uber der Technik erreicht bei der Hochjagdszene einen

H€ohepunkt, meint B€ottger, wobei ihm (wie vielen Hesse-Kritikern) die Ironie derSzene v€ollig entgeht: „Die Maschine herrscht als Tyrann €uber die Gequ€alten undGehetzten; der Kapitalist hat sie in den H€anden und unterdr€uckt mit ihrer Hilfealles echte Menschentum“ (B€ottger 1974, 335).

57. Middell 1975, 89.58. Hesse 2001a,169–170.59. Allrath 1998, 66.60. Da hier eine moralische Inkongruenz zwischen dem Pazifisten Hesse und dem Par-

tisanen Haller vorhanden ist, kann man unter Anlehnung an Tom Kindt die Auto-mobilszene als axiologisch unzuverl€assig bezeichnen. Vgl. Kindt 2008, 48, 56.

61. Hesse 2001a, 178.62. Zeller 1977, 226.63. Hesse 2000a, 41.

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64. Singh 2006, 167.65. Hesse 2001a, 45.66. Hesse 2000a, 63.67. Hesse 2000a, 73.68. Allemann 1975, 318–319, 322.69. Hesse kommentiert den geschmacklosen Umschlag des Traktats in einem Brief

vom 29. Mai 1927 an Alice Leuthold: „Aber was den Traktat betrifft, da stehstDu diesmal nicht auf meiner Seite: N€amlich der grelle, gelbe Traktat-Umschlagist mein Einfall, und es war mein spezieller Wunsch, den sonderbaren, jahrmarkt-haften Charakter, den der Traktat in der Geschichte hat, recht kr€aftig zumachen, und der Verleger war aus Geschmacksgr€unden sehr dagegen: ich mußtemich ernstlich stemmen, um es durchzusetzen“ (Zitat nach Michels 1975, 119).

70. Booth 1961, 155–156.71. Tucholsky 1975, 290ff.72. von Seckendorff 1982, 193.73. Cohn 1980, 131.74. Hesse 2001a, 194.75. Singh 2006, 206.76. Hesse 2001a, 576.77. Singh 2006, 210–211.78. Hesse 2001a, 556–557.79. Hesse 2001a, 558.80. Hesse 2001b, 40.81. Hesse 2001b, 262–263.82. Hesse 2001b, 16.83. Bishop 2009, 216–217.84. Hesse 2001b, 349.85. Hesse 2001b, 41, 59, 129, 169, 182, 215, 238 et passim.86. Hesse 2001b, 262–263.87. Ziolkowski 1965, 303. Vgl. Bishop 2009, 217.88. Vgl. hierzu Hans Mayer: „Je genauer man den Text liest, um so sch€arfer erschei-

nen die – von Hesse beabsichtigten – Widerspr€uche der Konzeption“ (Mayer1974, 157–158).

89. Singh 2006, 226.90. Hesse 2001b, 514.91. Kindt 2008, 215.92. Vgl. Swales 2009, 171.

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Gustav Landgren ([email protected]), geboren 1983 in Uppsala, Schweden.Promotion zum Dr. phil. 2010 an der Universit€at Uppsala mit dem Dissertationsthe-ma „Hermann Hesses Roßhalde, Klingsors letzter Sommer und Steppenwolf im Kon-text von Kunstkritik, K€unstlerkrise und Intermedialit€at“. Derzeit an der JohannesGutenberg-Universit€at in Mainz mit einem Habilitationsprojekt €uber Erinnerungund Stadtdiskurs in Peter Weiss’ Romantrilogie Die €Asthetik des Widerstands t€atig.Ver€offentlichungen €uber Hermann Hesse, Rainer Maria Rilke, Ernst Toller undPeter Weiss.

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