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Heinz Böker Psychotherapie der Depression

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Depressionen gehören zu den häufigsten und schwersten psychischen Erkrankungen. Bei der Behandlung depressiv Erkrankter müssen die psychosozialen und die biologischen Bedingungen der Depression gleichermaßen berücksichtigt werden.Dieses Buch vermittelt einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Verlaufsformen depressiver Erkrankungen, die Begriffsgeschichte der Depression und die Entwicklung der verschiedenen psychologischen Depressionsmodelle. Ausgehend von einem umfassenden Verständnis depressiver Erkrankungen als «Psychosomatosen der Emotionsregulation» werden die psychotherapeutischen Ansätze dargestellt, die sich in einem Gesamtkontext bewährt haben. Dabei werden insbesondere auch die Ergebnisse der Therapie- und Psychotherapieforschung bei depressiv Erkrankten berücksichtigt.

Das Buch richtet sich speziell an die im Bereich der Depressionsbehandlung tätigen Psychiater, Psychotherapeuten, Psychoanalytiker, Klinischen Psychologen und an alle weiteren Berufsgruppen, die spezielle therapeutische Interventionen anwenden, um der Vielschichtigkeit depressiven Erlebens gerecht zu werden.

Mit seinem interdisziplinären Ansatz leistet dieses Buch einen wertvollen Beitrag zu einem umfassenden Verständnis depressiver Erkrankungen. Nicht zuletzt eröffnet es wichtige neue Perspektiven für die Weiterentwicklung geeigneter therapeutischer Konzepte in der Depressionsbehandlung.

ISBN 978-3-456-84989-8

Verlag Hans Huber, Bernwww.verlag-hanshuber.com VerlagsgruppeGöttingen ■ Bern ■Wien ■ Oxford ■ Prag ■ Kopenhagen ■

Stockholm ■ Paris ■ Amsterdam ■ Toronto ■ Cambridge, MA

Heinz Böker

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Umfassender Überblick über die psychologischen Modelle der Depression und alle wirksamen psychotherapeutischen Zugangswege

Psychotherapie der Depression

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© 2011 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, BernDieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden.Aus: Böker, Psychotherapie der Depression, 1. Auflage.

Böker Verlag Hans HuberPsychotherapie der Depression Psychiatrie

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DinnerDepression: 100 Fragen 100 AntwortenHintergründe – Erscheinung – Therapie2. Aufl. 2010. ISBN 978-3-456-84876-1

LittleSelbstzerstörung leicht gemachtWie Sie sich Probleme schaffen und wieder loswerden2010. ISBN 978-3-456-84838-9

BodenmannDepression und PartnerschaftHintergründe und Hilfen2009. ISBN 978-3-456-84724-5

WengenrothDas Leben annehmenSo hilft die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT)2008. ISBN 978-3-456-84512-8

Barnow / Freyberger / Fischer / Linden (Hrsg.)Von Angst bis ZwangEin ABC der psychischen Störungen: Formen, Ursachen und Behandlung3. Aufl. 2008. ISBN 978-3-456-84495-4

Schäfer / Rüther Tagebuch meiner DepressionAktiv mit der Krankheit umgehen2003. ISBN 978-3-456-83881-6

Woggon Ich kann nicht wollen!Berichte depressiver Patienten3. Aufl. 2002. ISBN 978-3-456-83892-2

SchäferDepressionen im ErwachsenenalterEin kurzer Ratgeber für Betroffene und Angehörige2001. ISBN 978-3-456-83543-3

BattegayDepression3. Aufl. 1991. ISBN 978-3-456-81996-9

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Weitere Informationen über unsere Neuerscheinungen finden Sie im Internet unterwww.verlag-hanshuber.com.

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Heinz Böker

Psychotherapieder Depression

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Anschrift des Autors:Prof. Dr. med. Heinz BökerLeitender ArztPsychiatrische UniversitätsklinikZentrum für Depressions- und AngstbehandlungLenggstrasse 31CH-8008 Zürich

Lektorat: Dr. Klaus ReinhardtBearbeitung: Ulrike Boos, FreiburgHerstellung: Isabel GarrodUmschlag: Claude Borer, BaselDruckvorstufe: ns prestampa sagl, Castione (TI)Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co., GöttingenPrinted in Germany

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen oder Warenbezeichnungen in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namenim Sinne der Warenzeichen-Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.

Anregungen und Zuschriften bitte an:Verlag Hans HuberLektorat Medizin/GesundheitLänggass-Strasse 76CH-3000 Bern 9Tel: 0041 (0)31 300 45 00Fax: 0041 (0)31 300 45 [email protected]

1. Auflage 2011© 2011 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern(E-Book-ISBN 978-3-456-94989-5)ISBN 978-3-456-84989-8

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

I. Der Verlauf der Depression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1. Verlust- und Trennungserfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2. Die anthropologische Dimension der Depression und das Zeiterleben Depressiver . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3. Einteilungen und Klassifikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

4. Manifeste Depressionen, symptomarme Intervalle und subklinische Beschwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

5. Langzeitverlauf und Chronifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

II. Modelle des psychischen Geschehens bei der Depression . . . . . . . . 41

6. Begriffsgeschichte der Depression: Von der schwarzen Galle zur Major Depression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 6.1 Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 6.2 Acedia: Vom Umgang mit dem Überdruss . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 6.3 Mittelalter und Renaissance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 6.4 Von der Melancholie zur Depression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 6.5 Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 6.6 Die Depression in der Begegnung von klinischer Psychiatrie und Psychoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

7. Depressionen als Psychosomatosen der Emotionsregulation . . . . . . . . 66 7.1 Psychomotorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 7.2 Emotion und Kognition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 7.3 Neuroplastizität: Wie Psychotherapie und Pharmakotherapie das Gehirn verändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

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6 Inhalt

8. Psychodynamische Modelle der Depression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 8.1 Triebmodell, Selbstwertgefühl und Beziehungswelt . . . . . . . . . . . 104 8.2 Die Bedeutung des Affektes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 8.3 Psychodynamische Prägnanztypen der Depression . . . . . . . . . . . 128

III. Psychotherapie bei depressiv Erkrankten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

9. Was hilft? Was hilft wem?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

10. Psychodynamische Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 10.1 Vier therapeutische Settings in der ambulanten Psycho- dynamischen Psychotherapie depressiv Erkrankter . . . . . . . . . . . 166 10.2 Stationäre Depressionsbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

11. Kognitiv-Behaviorale Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

12. Interpersonelle Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 12.1 Durchführung der IPT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 12.2 Modifikationen der IPT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

13. Weitere Zugangswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 13.1 Körpertherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 13.2 Selbstachtsamkeit: Mindfulness-based Cognitive Therapy (MBCT). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 13.3 Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

IV. Ergebnisse der Therapie- und Psychotherapieforschung . . . . . . . . 195

14. Psychopharmakotherapie und Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

15. Die Psychotherapieverfahren im Vergleich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 15.1 Kurzzeit-Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 15.2 Langzeit-Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

16. Konsequenzen für die Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

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Vorwort

Depressionen zählen zu den häufigsten, schwersten, hinsichtlich ihrer individuel-len und gesellschaftlichen Bedeutung jedoch oftmals unterschätzten Erkrankun-gen. Nach WHO-Schätzungen werden schwere depressive Erkrankungen bis zum Jahre 2030 nach der ischämischen Herzerkrankung den zweiten Rang in der Rei-henfolge derjenigen Erkrankungen einnehmen, die Hauptursache für verlorene Lebensjahre durch schwerwiegende Behinderung oder Tod («Disability Adjusted Life Years», DALY) sind. Etwa die Hälfte der Patienten erkrankt bereits vor dem 31. Lebensjahr; in Deutschland wie auch in anderen Ländern besteht die Tendenz, dass die Erkrankungsraten in jüngeren Altersgruppen zunehmen. In höherem Lebensalter sind Depressionen die häufigste psychische Erkrankung. Dabei besteht eine hohe Komorbidität mit körperlichen Erkrankungen und Funktionseinschrän-kungen. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass die Suizidrate kontinuier-lich mit dem Lebensalter ansteigt.

Die große Häufigkeit depressiver Erkrankungen bildet sich in einer entspre-chend hohen Inanspruchnahme medizinischer Institutionen ab. Bis zu 20% der Praxispatienten von Allgemeinmedizinern und Internisten leiden an einer Depres-sion. Untersuchungen zeigten, dass von einem «diagnostischen Defizit» ausgegan-gen werden kann: Lediglich etwa die Hälfte der Erkrankten wird von Primärärzten erkannt. Die vorliegenden Verlaufsstudien unterstreichen ferner, dass lediglich etwa ein Drittel der Patienten mit schweren Depressionen in Deutschland ange-messen behandelt wird.

Besondere Herausforderungen an die Therapie der Depression ergeben sich aus der hohen Rückfallwahrscheinlichkeit und der Tendenz zur Chronifizierung: Jeder zweite Patient erkrankt nach der ersten Episode einer schweren Depression innerhalb der beiden ersten Jahre nach Behandlungsbeginn erneut! Die Lebens-zeit-Rückfallwahrscheinlichkeit einer ersten Episode einer majoren Depression (Major Depression) beträgt bis zu 80%. Etwa ein Drittel der Erkrankten spricht nicht oder nur in geringem Umfang auf eine psychopharmakologische Therapie an (vgl. Übersicht in Böker 2009). Gerade auch in diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse der in den beiden vergangenen Jahrzehnten durchgeführten Out-come-Studien bei depressiv Erkrankten bemerkenswert. Sie unterstreichen die große Bedeutung psychotherapeutischer Interventionen in der Behandlung der

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Depression. Wirksamkeitsnachweise liegen inzwischen für die Kognitiv-Behavio-rale Therapie (KBT), die Interpersonelle Psychotherapie (IPT) und die Psycho-dynamische Psychotherapie vor. Bekannt ist ferner, dass die Dysthymie zu den häufigsten von Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern gestellten Diagno-sen gehört.

Soviel zunächst zu den quantitativen Aspekten der Depression. Die Behandlung Depressiver stellt an die Behandelnden besondere Herausforderungen. Sie werden vom depressiven Affekt des Betroffenen unmittelbar erfasst, «affiziert», und auf diese Weise in das depressive Geschehen miteinbezogen. Häufig lösen Depressive intensive Gegenübertragungsgefühle aus. Die Begegnung mit dem unbeweglich versteinerten depressiven Patienten trägt auch zu einer Erstarrung im Erleben der Therapeuten bei. Die depressive Hemmung wird in der therapeutischen Begeg-nung als lähmendes Gefühl erfahrbar und kann zu Rückzug oder inadäquatem Aktivismus Anlass geben. In der Begegnung mit dem manischen Patienten, der sich jeder relativierenden Einsicht durch Grandiosität und Flucht entzieht, kann sehr schnell eine Aggressivierung im Erleben und in der Haltung der Therapeuten ausgelöst werden. In der Behandlung depressiv Erkrankter – sowohl in der Psy-chotherapie wie auch in der Psychopharmakotherapie – ist es bedeutsam, diese Gegenübertragungsgefühle kreativ für die Gestaltung einer hilfreichen und för-derlichen therapeutischen Beziehung zu nützen. Bei der notwendigen Diagnostik der Depression darf insbesondere nicht die Besonderheit des jeweiligen Einzelfalls (Persönlichkeit, innere Konflikte, Belastungen im psychosozialen Umfeld) bei einer auf die Kriterien «Schweregrad» und «Verlauf» gerichteten Sichtweise über-sehen werden.

Wesentliches Ziel dieses Buches besteht darin, therapeutische Zugänge zum depressiv erkrankten Menschen zu eröffnen. Die Ansatzpunkte der verschiede-nen Psychotherapie-Verfahren ergeben sich aus dem dargestellten integrativen, zirkulären Modell der Depression als «Psychosomatose der Emotionsregulation». Dieses Modell zielt auf die Wechselwirkungen biologischer, psychologischer und sozialer Dimensionen der Depression. In psychologischer Hinsicht ist die Depres-sion neben der bedrückten Stimmung (besser: «Herabgestimmtsein») durch einen Mangel an affektiver Ansprechbarkeit und durch einen Mangel an Selbstwert-gefühl gekennzeichnet. Schuldgefühle und Schuldwahn sind dabei extreme Aus-drucks- und Erlebensmuster einer durch ein extrem strenges, rigides Gewissen gekennzeichneten Persönlichkeit. In der Manie wird diese Gewissensstrenge (psy-chodynamisch als rigides Über-Ich bezeichnet) nur vorübergehend aufgehoben. Unerträgliche Scham- und Schuldgefühle sind häufig der hohe Preis dieses ver-geblichen Befreiungsversuches. In expressiv-motorischer Hinsicht äußert sich dieses innere Drama um Angst, Wut und Schuldgefühl (nicht zu verwechseln mit realer Schuld!) in einer Erstarrung von Mimik und Gestik. In sozialer und kom-munikativer Hinsicht entwickeln sich Teufelskreise, in die die Partner depressiv

Vorwort

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Erkrankter und das weitere soziale Umfeld einbezogen sind. Weder ungeduldiges Drängen noch übergroße Rücksicht tragen zu einer Weiterentwicklung bei.

In dem Versuch, ihr labiles Selbstwertgefühl zu retten, sind depressiv Erkrankte gezwungen, sich immer wieder an das «ambivalente Objekt» zu klammern. Die aus diesem Bedürfnis nach emotionaler Nähe resultierenden Selbstdemütigungen und der Selbsthass vermitteln sich auch dem Behandelnden in der Gegenüber-tragung. In einer ermutigenden, die Bedürfnisse der Patienten positivierenden Haltung kann dieser depressive Circulus vitiosus zunächst stellvertretend für die Patienten durch die Behandelnden aufgehoben werden. Wesentliches therapeuti-sches Ziel ist es dementsprechend, zwischenmenschliche Verstrickungen in der therapeutischen Begegnung zu erkennen und zu überwinden, oder mit anderen Worten, die «oralen» Wünsche des depressiv Erkrankten akzeptierend zur Kennt-nis zu nehmen, jedoch nicht «automatisch fütternd zu befriedigen» (vgl. Mentzos 1995). Angesichts der Schwere der depressiven Symptomatik ist für Psycho the ra-peuten die Erkenntnis bedeutsam, dass die psychopharmakotherapeutische Be-handlung in vielen Fällen eine Voraussetzung für wirksame Prozesse in der psycho-therapeutischen Beziehung darstellen kann. Diese komplementäre Funktion von Psychopharmakotherapie und Psychotherapie setzt – neben dem Wissen um die Mehrdimensionalität der Depression – ein Verständnis der dynamischen Prozesse in der therapeutischen Beziehung auf Seiten der Therapeuten und Therapeutin-nen voraus.

Aufgrund klinischer Erfahrungen ist heute davon auszugehen, dass die Prog-nose vieler depressiv Erkrankter durch eine frühzeitig – vor dem Eintreten der oftmals erheblichen psychosozialen Einbußen – eingeleitete intensive Psychothe-rapie entscheidend verbessert werden kann. Die Psychotherapie der Depression ist wirksam, sie trägt zu einer Überwindung depressiver Sackgassen und zu einer Weiterentwicklung wesentlich bei.

Das Buch richtet sich an alle diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich mit der Psychotherapie depressiv Erkrankter auseinandersetzen. Der gewählte theore-tische Ausgangspunkt, nämlich des Modell der Depressionen als Psychosomato-sen der Emotionsregulation, ermöglicht es, sich therapieschulenunabhängig mit den unterschiedlichen therapierelevanten Aspekten der Depressionsbehandlung auseinanderzusetzen. Ein wesentliches Anliegen besteht auch darin, zu einem Dia-log zwischen den Vertretern unterschiedlicher psychotherapeutischer Ansätze bei-zutragen. Dementsprechend setzt sich dieses Buch mit der psychodynamischen, der kognitiven, der interpersonellen und der neurobiologischen Dimension der Depression auseinander und stellt auf diese Weise Erkenntnisse zur Verfügung, die für eine Differentialindikation bei depressiv Erkrankten herangezogen werden können. Es eignet sich sowohl für Berufsanfänger, die sich in der Psychotherapie-Weiterbildung befinden, wie auch für Fortgeschrittene, die sich ein Update neue-

Vorwort 9

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rer Erkenntnisse der Depressionsforschung und deren Anwendung auf die Depres-sionsbehandlung wünschen.

Das vorliegende Buch beginnt mit einer Übersicht über den Verlauf depressi -ver Erkrankungen. Hiermit verbunden sind Informationen, die für die Klinik der Depression bedeutsam sind (Symptomatologie, Epidemiologie, diagnostische Kate-gorien, Verlaufsparameter). Es folgt ein historischer Rückblick auf die in unter-schiedlichen Epochen entwickelten Krankheitskonzepte der Depression. Dabei zeigt sich auch, wie sehr unser aktuelles Nachdenken über die Depression auf frü-heren Annäherungen an ein Verständnis depressiven Leidens als eine existentielle Grenzsituation des Menschen gründet.

Im Zentrum des Buches steht das Modell der Depression als «Psychosomatose der Emotionsregulation». Die unterschiedlichen biologisch-neurobiologischen, kognitiven, intrapsychischen und interpersonellen Aspekte, auf denen dieses Mo-dell gründet, werden erörtert. Im Hinblick auf eine diagnostische Typisierung von Untergruppen depressiv Erkrankter werden – vor dem Hintergrund der Entwick-lung der psychoanalytischen Modelle der Depression – die psychodynamischen Prägnanztypen der Depression vorgestellt.

Das Modell der Depression als «Psychosomatose der Emotionsregulation» dient als Ausgangspunkt für die Beschreibung der unterschiedlichen therapeutischen Zugänge in der mehrdimensionalen Behandlung der Depression (Psychodynami-sche Psychotherapie, Kognitiv-Behaviorale Therapie, Interpersonelle Therapie). Neuere Therapieverfahren, die vor allem auch bei der Behandlung der rezidivie-renden und chronischen Depression bedeutsam sind, werden in diese Betrach-tung einbezogen (CBASP, MBCT). Der Stellenwert der Psychopharmakotherapie wird besonders berücksichtigt. In einer Synopsis werden die Ergebnisse der vorlie-genden Pharmakotherapie- und Psychotherapiestudien kritisch gesichtet.

Die dargestellten Befunde der Depressionsforschung sind so aufbereitet, dass sie als Rüstzeug für die diagnostischen Entscheidungen und die Gestaltung der Therapie durch die Behandelnden herangezogen werden können.

Das Buch ist in einer Weise konzipiert, die es ermöglicht, dass die Leser mit dessen Lektüre – je nach eigenem Interessenschwerpunkt – in dem jeweils ausge-wählten Kapitel beginnen können.

Das Buch entstand auf der Grundlage langjähriger klinischer Erfahrungen in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit depressiven Erkrankungen am Zentrum für Depressions- und Angstbehandlung der Psychiatrischen Univer-sitätsklinik Zürich, ferner an den Psychiatrischen Universitätskliniken Frankfurt/Main und Gießen. Vielfältige Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen, die teilweise sehr unterschiedliche fachliche Schwerpunkte vertraten, trugen zur Ent-wicklung einer therapeutischen Haltung bei, die sich wohl als meine psycho-therapeutische Identität apostrophieren lässt. Erwähnen möchte ich – in chrono-logischer Folge – insbesondere Herrn Dr. med. K.-U. Nöhring (Kinder- und

Vorwort

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Jugendpsychiater, Psychoanalytiker, Hamburg), Dr. med. F. Linnemann (Psychia-ter, Psychoanalytiker, Gießen), Dr. med. T. Rohlfs (Psychiater, Psychoanalytiker, Gießen), Frau Dr. med. C. Schöttler (Internistin, Psychoanalytikerin, Gießen), Dipl. Psych. J. Hardt (Pychoanalytiker, Wetzlar), Dr. med. Z. Erd’ely (Psychoana-lytiker, Frankfurt/M.), Prof. Dr. med. M. Wirsching (Systemische Therapie, Psy-chiatrische Universitätsklinik, Freiburg/Br.), Dr. med. M. Dümpelmann (Psychia-ter, Psychoanalytiker, Tiefenbrunnen/Göttingen), Dr. med. G. Lempa (Psychiater, Psychoanalytiker, Psychoanalytische Psychosen-Psychotherapie, München), Prof. Dr. med. P. Hartwich (Psychiater, Psychoanalytiker, Frankfurt/M.), Prof. Dr. med. Pflug (Psychiatrische Universitätsklinik Frankfurt/M.), Prof. Dr. med. D. Hell (Psychiatrische Universitätsklinik Zürich), Prof. Dr. med. C. Scharfetter (Funk-tionale Psychopathologie, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich), Dr. med. A. Moser (Psychiater, Psychoanalytiker, Zürich), Dr. med. T. Stark (Psychiater, Psy-choanalytiker, Winterthur), Prof. Dr. phil. M. Hautzinger (Kognitiv-Behaviorale Therapie, Psychologisches Institut, Universität Tübingen), Prof. Dr. med. O. Kernberg (Psychoanalytiker, Übertragungs-Fokussierte Therapie der Persönlich-keitsstörungen, Cornell University, New York) und Prof. Dr. J.P. McCullough (Psychotherapeut, Begründer von CBASP, University of Virginia, Richmond/USA).

Im Hinblick auf die Depressionsforschung bin ich sehr dankbar für die Unter-stützung und Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen, die mir einen Zugang vermittelten zu der Vielfalt in Frage kommender methodologische Ansätze. Eben-falls in chronologischer Abfolge möchte ich mich bedanken bei Herrn Prof. Dr. phil. D. Beckmann (Psychosomatische Universitätsklinik Gießen), Prof. Dr. phil. E. Brähler (Medizinische Psychologie, Universität Leipzig), Prof. Dr. J. Scheer (Medizinische Psychologie, Einzelfallforschung, Universität Gießen, jetzt Ham-burg), Frau Dr. phil. A. Catina (Forschungsstelle für Psychotherapieforschung, Stuttgart, Ulm), Frau Prof. Dr. phil. M. Leuzinger-Bohleber (Sigmund-Freud-Institut, Frankfurt/M.), Prof. Dr. med. H. Deserno (Psychiater, Psychoanalytiker, Psychoanalytic University Berlin), Prof. Dr. phil. H. Stassen (Molekulargene -tische Forschungsgruppe, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich), Dr. med. A. Richter (Psychiatrische Universitätsklinik Zürich) und nicht zuletzt bei Dr. med. H. Himmighoffen (Psychiatrische Universitätsklinik Zürich). Meine Fähigkeit zum Dialog mit den Neurowissenschaften wurde ganz wesentlich gefördert durch die langjährige Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Dr. med. Dr. phil. G. Northoff (University of Ottawa, Kanada), Prof. Dr. rer. nat. P. Boesiger (ETH und Univer-sität Zürich) und Frau Dr. rer. nat. S. Grimm (Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Humboldt-Universität Berlin). Viele andere können an dieser Stelle leider nicht erwähnt werden. Ein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. med. S. Mentzos, dem früheren Leiter der Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Frankfurt/Main. Er vermittelte mir, wie bedeut-

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sam es ist, die Dilemmata depressiv Erkrankter und die Teufelskreise der Depres-sion zu verstehen, wie hilfreich ein psychodynamisches Verständnis der Erkran-kung in der unmittelbaren Begegnung mit depressiv Erkrankten ist und auf welche Weise es zu einer Überwindung erstarrter Muster beitragen kann. Für die nach-haltige Wirkung der eigenen Selbsterfahrung bin ich meinem Lehranalytiker, Herrn Prof. Dr. phil. H. Müller-Braunschweig (Psychosomatische Universitäts-klinik und Institut für Psychoanalyse, Gießen), bis heute tief verbunden.

Sehr dankbar bin ich Herrn Klaus Reinhardt, dem Lektor des Verlags Hans Huber, für die außerordentlich anregende und konstruktiv-kritische Auseinander-setzung mit dem Text.

Mein spezieller Dank gilt Frau Dawn Eckelhart, die in ihrer gewohnten zu -verlässigen und umsichtigen Weise die Vorbereitung des Text- und Bildmaterials übernommen und mich humorvoll davor bewahrt hat, mich in den Verästelungen der vielfältigen Befunde der Depressionsforschung zu verlieren.

Zürich, im Januar 2011

Vorwort

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© 2011 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, BernDieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden.Aus: Böker, Psychotherapie der Depression, 1. Auflage.

I. Der Verlauf der Depression

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Verlust- und Trennungs-erfahrungen

Verlust- und Trennungserlebnisse lösen verschiedene Formen trauriger «Verstim-mung» aus, die nicht gleichbedeutend sind mit einer Depression. Solche Über-legungen stellte bereits Aretäus von Kappadokien vor 2000 Jahren an:

Es wird berichtet über einen, der angeblich (an Melancholie) unheilbar erkrankt war, und die Ärzte konnten ihm nicht helfen, aber die Liebe zu einem Mädchen hat ihn doch geheilt.

Meiner Meinung nach war er in dieselbe von Anfang an verliebt und wurde niedergeschlagen und missmutig, weil er annahm, dass er kein Glück bei dem Mädchen hätte. So meinten seine Mitbürger, er sei melancholisch. Er hat ja seine Liebe zu ihr nicht bekundet; als er aber doch Gegenliebe von Seiten des Mädchens erfuhr, klang die Niedergeschlagenheit ab und Zorn und Traurigkeit verschwanden, und aus dem Missmut wurde Fröhlichkeit. In diesem Sinne wurde die Liebe zum Arzt.

(Aretäus von Kappadokien, Übersetzung von Marneros 2004, S. 65)

Traurigkeit ist eine urmenschliche Eigenschaft gesunden seelischen Lebens und ermöglicht Trennung, Abschied und schließlich Weiterentwicklung. Erst die Kon-stellation der Traurigkeit, ihre Qualität, Intensität und Dauer kann die Grenze vom Normalen zum Pathologischen sprengen. Die «normale», nicht komplizierte Trauerreaktion verläuft in drei Stadien (Brown/Stoudemire 1983):

• Das erste Stadium des Trauerprozesses betrifft die unmittelbare Reaktion auf die Erfahrung bzw. Mitteilung des Verlustes, sie hat – insbesondere bei plötz-lichem und unerwartetem Tod – den Charakter eines «Schocks». Er wird von einer initialen Inakzeptanz des Verlustes begleitet und geht einher mit emo-tionalen und somatischen Reaktionen (Weinen, Mundtrockenheit, Atembe-schwerden, Engegefühl) bis hin zu einer psychogenen Lähmung.

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• Das zweite Stadium ist durch eine intensive gedankliche Beschäftigung mit dem Verstorbenen gekennzeichnet. Eine Identifikation mit Verhaltensmustern und Charakteristika des Verstorbenen kann stattfinden. Schlafstörungen, Erschöp-fung und sozialer Rückzug können auftreten.

• Im dritten Stadium («resolution») wird das Befinden und das Funktionsniveau vor dem Zeitpunkt des Verlustes allmählich wieder erreicht.

Trauerprozesse benötigen Zeit, auch normale Trauer kann sich über ein Jahr («Trauerjahr»!) bis zwei Jahre ausdehnen. Dauer und Extensität der Trauer sind abhängig von vielfältigen Faktoren (Persönlichkeitsstruktur; Beziehungen zum Verstorbenen; von den Umständen, unter denen der Verlust stattfand; von der sozialen Unterstützung und kulturellen und religiösen Gegebenheiten; Leff 1992).

Eine «pathologische» Trauerreaktion besteht dann, wenn die Intensität und Quantität der Symptome und die Dauer der oben genannten Stadien eine Be - e inträchtigung der somatischen, psychischen und sozialen Funktionen von dem beschriebenen Rahmen der normalen Trauer abweicht (Middleton/Raffael 1992). Die Beziehung der pathologischen Trauerreaktion zu der Erkrankung «Depres-sion» ist komplex. Zum Verständnis dieser Zusammenhänge kann insbesondere auch das differenzierte Wissen der Psychoanalyse zu den intrapsychischen Folgen von Trennungserfahrungen herangezogen werden (vgl. Sigmund Freud: «Trauer und Melancholie», S. 104ff.). Trennungserfahrungen tragen maßgeblich zur Aus-bildung der psychischen Struktur bei. Ihre konstruktive Verarbeitung setzt einen Rahmen voraus, in dem sie erlebt – und oftmals auch durchlitten – werden kön-nen. Trennung ist dabei immer auch in ihren Gegenpol, an Bindung und Bezie-hung, gebunden (vgl. Küchenhoff 1999). Um Trennungserfahrungen machen zu können, müssen Bindungen bestehen. Wo Beziehungen nicht existieren oder überschattet sind von überwiegend negativen, schmerzhaften oder gar traumati-schen Erfahrungen, ist eine Trennung – zunächst – nicht möglich. Intrapsychische Repräsentation und Struktur auf der einen Seite und interpersonale Erfahrung auf der anderen durchdringen sich und stehen in einem Wechselverhältnis zuein-ander. Die ambivalente Einstellung gegenüber dem verlorenen «Objekt» verhin-dert den normalen Trauerprozess, an die Stelle der allmählichen Rücknahme der «Besetzung» des Objektes tritt die Verinnerlichung (die unterschiedlichen psycho-analytischen Ansätze zur Pathologie der Trennungsverarbeitung werden in Kapi-tel 8 «Psychodynamische Modelle der Depression» dargestellt).

Verluste erzeugen Angst vor der Leere, vor der völligen Objektlosigkeit, oder konfrontieren mit einem tiefen Schmerz und abgrundtiefer Trauer. André Green (1980) hat den Ängsten, die mit verschiedenen Trennungserfahrungen verbunden sind, Farben zugeteilt: Verlustschmerzen erzeugen die weiße Angst – als Bild der Leere – oder die schwarze Angst als Bild der abgründigen Trauer. Ängste vor einer Trennung, die als Strafe oder Vergeltung verstanden wird, erzeugen das, was Green

I. Der Verlauf der Depression

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die rote (blutige) Angst nennt, weil der Verlust der Objekte mit einem Einschnitt in die eigene Körperlichkeit verbunden ist. Die hierzu passende Metapher ist die des Schnittes.

Der Verlust ist unter anderem nach dem Konzept des Typus melancholicus (Tellenbach 1976) eine der möglichen Voraussetzungen für die Entstehung von «endogenen Depressionen». Auf der symptomatologischen Ebene ist dabei der Unterschied zwischen einer Trauerreaktion und einer schweren Form einer Depression (z.B. psychotische Depression) deutlich. Die Unterscheidung von milderen Formen der Depression und Trauerreaktionen ist allerdings gelegentlich eine Ermessenssache. Eine normale Trauerreaktion unterscheidet sich von krank-heitswertigen Depressionen nicht nur durch die Intensität und Dauer, sondern auch durch die Qualität des subjektiven Erlebens. Depressive Patienten berichten, dass das Empfinden «anders» ist als bei den Erfahrungen, die sie einmal in der Trauer gemacht haben. Der Trauernde hingegen empfindet seinen Zustand und seine Erlebnisweise als im Rahmen der Normalität liegend (Jaspers 1973). Eine pathologische Trauerreaktion stellt letztlich eine durch einen Life Event ausge-löste Depression dar. Der Ausbruch einer Depression ändert das Leben der Betrof-fenen massiv. Depressive schildern gelegentlich den Ausbruch der Erkrankung wie eine flutartige Welle, die den Betreffenden überrollt; manchmal wird die be-ginnende Depression mit einem sich immer mehr ausbreitenden Nebel verg lichen, der den Betroffenen umschlingt (vgl. die Beschreibung einer schweren, psycho-tischen Depression durch den Psychiater und Psychoanalytiker Piet C. Kuiper). Zwischen den beiden extremen Formen des Ausbruches der «Seelenfinsternis» liegen alle möglichen Abstufungen. Die wesentlichen Merkmale des Ausbruchs einer uni- oder bipolaren affektiven Störung sind: Art des Ausbruchs, Alter der Patienten bei Erstmanifestation und Vorhandensein von auslösenden Faktoren (Life Events).

Depressive Erkrankungen brechen bei etwa der Hälfte der Patienten subakut (d.h. innerhalb von vier bis 24 Wochen nach Auftreten der ersten Symptome) aus. Ein chronisch-schleichender Beginn wird bei etwa 20 bis 30% der Patienten beobachtet (vgl. Marneros 2004). Ein akuter Beginn der depressiven Erkrankung mit einer Symptomatik, die sich in wenigen Tagen bis wenigen Wochen zum Voll-bild der Erkrankung entwickelt, ist selten.

Depressionen und bipolare Störungen können in jedem Lebensalter auftreten, es gibt allerdings eine signifikante Häufung in bestimmten Lebensabschnitten. Depressive affektive Erkrankungen brechen später im Leben aus als bipolare Stö-rungen. Während bei den Depressionen die statistische Mitte des Erstmanifesta-tionsalters zwischen dem 35. und 40. Lebensjahr liegt, manifestieren sich die meis-ten bipolaren Störungen erstmalig bereits im Alter von 25 bis 30 Jahren.

Frauen erkranken nicht nur häufiger als Männer als einer unipolaren Depres-sion (2:1), sondern auch früher: Der Gipfel der Ersterkrankungskurve für Frauen

1. Verlust- und Trennungserfahrungen 17