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36 Reihe Workshops on demand 1/2017 www.workshopson.org Didaktische Reduktion Birke Sander Online-Publikaonsreihe Workshops on demand Herausgeberin der Reihe und Autorin des vorliegenden Bandes: Birke Sander Bildungswissenschaſtlerin, Hochschuldidakkerin und Inhaberin von www.workshopson.org Layout: vitadest.design Ausgabe: 1/2017 Online verfügbar unter: www.workshopson.org/publikaonsreihe Erscheinungsort: Langendamm (Vorpommern) ISSN-Nr.: ISSN 2513-0811 Mit freundlicher Unterstützung der Impressum Ziervorschlag: Sander, B. (2017). Didaksche Redukon in der kompetenzorienerten Lehrgestaltung. Reihe Workshops on demand, Ausgabe 1/2017, ISSN 2513-0811, online unter: www.workshopson.org Reihe Workshops on demand 1/2017 www.workshopson.org Didaktische Reduktion Birke Sander Reihe 1/2017 Didaktische Reduktion Birke Sander in der kompetenzorienerten Lehrgestaltung

Publikationsreihe Workshops on demand Herausgeberin der ...€¦ · Reihe Workshops on demand 1/2017 Didaktische Reduktion irke Sander Einführung EINFÜHRUNG TEIL I - WENIGER IST

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Online-Publikationsreihe Workshops on demand

Herausgeberin der Reihe und Autorin des vorliegenden Bandes:

Birke Sander

Bildungswissenschaftlerin, Hochschuldidaktikerin und Inhaberin von

www.workshopson.org

Layout: vitadest.design

Ausgabe: 1/2017

Online verfügbar unter: www.workshopson.org/publikationsreihe

Erscheinungsort: Langendamm (Vorpommern)

ISSN-Nr.: ISSN 2513-0811

Mit freundlicher Unterstützung der

Impressum

Zitiervorschlag: Sander, B. (2017). Didaktische Reduktion in der kompetenzorientierten Lehrgestaltung. Reihe Workshops on demand, Ausgabe 1/2017, ISSN 2513-0811, online unter: www.workshopson.org

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Reihe 1/2017

Didaktische

Reduktion

Birke Sander

in der kompetenzorientierten Lehrgestaltung

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Intro

MINIMALISM

IS NOT A LACK

OF SOMETHING.

IT`S SIMPLY

THE PERFEKT

AMOUNT OF

SOMETHING.

Nicholas Burroughs

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Lehner, M. (2012). Didaktische Reduktion. Bern: Haupt.

Lehner, M. (2013). Viel Stoff — wenig Zeit. Wege aus der Vollständigkeitsfalle. 4. Aufl. Bern: Haupt.

Ritter-Mamczek, B. (2011). Stoff reduzieren.Methoden für die Lehr-praxis. Opladen & Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich.

Schaper, N./ Schlömer, T./ Paechter, M. (2012). Kompetenzen, Kompetenzorientierung und Employability in der Hochschule. Grundsätze und Ansatzpunkte einer kompetenzorientierten Ausrich-tung von Studium und Lehre. In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung ZFHE Jg.7 / Nr.4 (Oktober 2012). Abrufbar unter: file:///C:/Users/works/Downloads/506-1-1932-2-10-20121019.pdf (aufgerufen: 24.01.2017)

Siemens, G. (2005). Connectivism: A Learning Theory for the digital Age. In: International Journal of Instructional Technology and Distance Learning, Vol. 2, No. 1, 3-10. Abrufbar unter: http://www.itdl.org/Journal/Jan_05/Jan_05.pdf (aufgerufen: 20.01.2017)

Stary, J. (2004). Das didaktische Kernproblem. Verfahren und Kriterien der didaktischen Reduktion. In: Neues Handbuch Hochschullehre. Bonn: Raabe 2004, A 1.2, 1-22.

Verhagen, P. (2006). Connectivism: a new learning theory? Abrufbar unter: http://de.scribd.com/doc/88324962/Connectivism -a-New-Learning-Theory (aufgerufen: 20.01.2017)

Walzik, S. (2012). Kompetenzorientiert prüfen. Leistungsbewertung an der Hochschule in Theorie und Praxis.Opladen & Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich.

Weinert, F. E., et al. (2012). Begabung und Lernen. Zur Entwicklung geistiger Leistungsunterschiede. In: Werte schulischer Begabtenför-derung. Begabung und Leistung. 2012, 23-34.

Wörner, A. (2008).Lehren an der Hochschule. Eine praxisbezogene Anleitung. 2.Aufl. Wiesbaden, VS Verlag für Sozialwissenschaften.

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Literatur und Links

Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen (AK DQR) (Hrsg.) (2011). Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. Arbeits-kreis Deutscher Qualifikationsrahmen. Abrufbar unter: https://www.dqr.de/media/content/Der_Deutsche_Qualifikationsrahmen_fue_lebenslanges_Lernen.pdf (aufgerufen am: 29.01.2017)

Arnold, R. (1997). Betriebspädagogik (Vol. 31). Berlin: Erich Schmidt Verlag GmbH & Co KG.

Arnold, R. (2007). Ich lerne, also bin ich. Eine systemisch -konstruktivistische Didaktik. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag.

Biggs, J./ Tang, C. (2007). Teaching for quality learning at university. What the student does. Maidenhead: McGraw -Hill.

Blom, H. (2000). Der Dozent als Coach. Neuwied: Webler -Verlag.

Bloom, B. (1976). Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich. Weinheim: Beltz Verlag.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.) (2006). Handlungsleitfaden: „In fünf Schritten zur Lernsituation“, S. 20-21. Abrufbar unter: http://www.altenpflege-lernfelder.de/downloads/handlungsleitfaden/Handlungsleitfadengesamt.pdf (aufgerufen: 20.01.2017)

Erpenbeck, J./ Rosenstiel, L. v. (Hrsg.) (2007). Handbuch Kompetenz-messung (2. Aufl.). Stuttgart: Schäffer -Poeschel.

Europäische Kommission (Hrsg.) (2008). Der europäische Qualifikati-ons-rahmen für lebenslanges Lernen. Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften.

HRK Hochschulrektorenkonferenz (Hrsg.) (2004). Bologna -Reader. Texte und Hilfestellungen zur Umsetzung der Ziele des Bologna -Prozesses an deutschen Hochschulen (S. 21-30). Bonn: HRK.

Klafki, W. (1958). Didaktische Analyse als Kern der Unterrichts - vorbereitung. In: Die Deutsche Schule 50, 1958, 450 -471.

Leenders, M./ Mauffette-Leenders, L. A./ Erskine, J. A. (2001). Writing cases. London, Ontario: Ivey, 4th.

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Einführung

EINFÜHRUNG

TEIL I - WENIGER IST MEHR

1.1 Paradigmenwechsel: Kompetenzbasiert lehren 6

1.2 Ausgangsbasis: Das Constructive Alignment 8

1.2.1 Umgang mit abstrakten Richtzielen 10

1.2.2 Kompetenz-Performanz-Problematik 12

1.2.3 Entwicklung von Lehr-Lernzielen 13

TEIL II - WENIGER, ABER MIT LEHRWERT

2.1 Kreative Reduktion: Vom Cluster bis zur Fachlandkarte 14

2.1.1 Die vollständige Handlung 15

2.1.2 Didaktische Auswahlkriterien 17

2.1.3 Mindmapping 19

2.1.4 Fachlandkarte 22

2.2 Didaktische Reduktion mit Strategie 24

2.2.1 Die drei Strategien 24

2.2.2 Handabstimmung und Spielfeld 26

FAZIT

3.1 Mut zur Auslassung 28

ANHANG

Checkliste und Materialien 30

Literatur und Links 34

Inhalt

33

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Lehrveranstaltung:

………..……………………………………………………………………………..

Mindmap

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Checkliste und Materialien

Die ausgewählten Lehr-Lerninhalte der Lehrveranstaltung

passen zu den nachfolgenden Kriterien (ankreuzen):

• Kognitive Passung (Sinnhaftigkeit für Lernende)

• Anschlussfähigkeit (Verknüpfungsmöglichkeit mit Vorwissen)

• Lebensweltliche Bezüge (Gegenwart und Zukunft der Lernenden)

• Sachstruktur (Übergreifender Zusammenhang des Inhaltes)

• Zugänglichkeit (Prototypen, Fälle, Anschaulichkeit, Prägnanz)

• Exemplarische Funktion (Allgemeingültigkeit, Übertragbarkeit)

• Attraktivität (Insbesondere bei schwierigen Themen wichtig)

• Partizipationsoption (Mitbestimmung/Wahlmöglichkeit)

Praxisrelevanz (Spätere Wirksamkeit in beruflichem Kontext)

Hilfreiche Reflexion:

Welche Kriterien sind unberücksichtigt geblieben? Warum? Gibt es hierzu ggf. weitere Lehr-Lerninhalte, die integriert werden könnten? (Auch in nebenstehende Mindmap integrieren.)

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….

5

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Curricula, Handbücher oder Lehrpläne beinhalten, da sie dem

Anspruch der Vollständigkeit eines tradierten Lehrsystems Rechnung

tragen, oftmals ein Zuviel an Lehrinhalten. Genau hier entsteht ein

stetiger Konflikt, dem sich Lehrende nicht entziehen können: Mög-

lichst viel Stoff soll in kurzer Zeit und ggf. in unterschiedlichen Lern-

gruppen vermittelt werden. Zudem trägt man hierbei die Verantwor-

tung über die Vermittlung eines Lehrgebietes einer Studierenden -

generation.

Soll Lehre handlungsorientiert, kompetenzbasiert und mit Blick auf

Praxisrelevanz umgesetzt werden, sind die Lehrinhalte didaktisch zu

reduzieren. Reduktion kostet allerdings den Mut, sich einem Para -

digmenwechsel zu stellen, Weglassungen vorzunehmen und die Ver-

antwortung für diese zu übernehmen.

Der hier vorliegende Band der praxisorientierten Publikationsreihe

Workshops on demand entstand aus einem Seminar für Lehrende der

Führungsakademie der Bundeswehr heraus und möchte Ihnen didak-

tische Herangehensweisen und Instrumente an die Hand geben, um

sich der Reduktion mutig zu stellen, denn...

…MINIMALISM IS NOT A LACK OF SOMETHING.

IT`S SIMPLY THE PERFEKT AMOUNT OF SOMETHING.

Nicholas Burroughs

Erfahren Sie in den zwei Themenabschnitten „Weniger ist mehr“ und

„Weniger, aber mit Lehrwert“, wie Sie eine systematische Stoffreduk-

tion für eine kompetenzbasierte Lehrgestaltung durchführen können,

eine Checkliste und weitere Kopiervorlagen stehen für Ihren Lehrall-

tag zur Verfügung. Lassen Sie sich inspirieren und erproben Sie, wel-

che handlungsorientierten Lehrsettings und Lehrergebnisse durch

didaktische Reduktion erst möglich werden.

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Teil I - Weniger ist mehr

Der Wandel von einer auf bewährten und tradierten Systemen beru-

henden Wissensgesellschaft zur globalisierten und innovationsorien-

tierten Kompetenzgesellschaft spiegelt sich innerhalb der Lehre als

Paradigmenwechsel wider. Angesichts eines sich stetig vervielfachen-

den fachlichen Wissens wird Wissensmanagement zu einer Schlüssel-

kompetenz des Lernens und Lehrens. Das Wissen der Welt ist allzeit

abrufbar und in seiner Komplexität nicht mehr durch das einzelne

Individuum erfassbar. Es wird situationsbezogen selektiert, systema-

tisiert und in miteinander vernetzten Learning Communities ganz im

Sinne der Lerntheorie des Konnektivismus in digitalen Netzwerken

stetig kollaborativ erweitert (vgl. Siemens und Verhagen).

Um Lernenden angesichts dieser Bedingungen Handlungsfähigkeit zu

verleihen, eröffnet sich die gegenwärtige Herausforderung der Lehre

in der kompetenzorientierten Neugestaltung tradierter Lehr - und

Lernformen. Als Lehrende/r sieht man sich hierbei insbesondere der

Herausforderung gegenüber, ebendiese Neugestaltung innerhalb der

einzelnen Lehrveranstaltung bei gleichgebliebenen Zeitfenstern um-

zusetzen.

Das Verlangen, die fachlichen Wissensressourcen pro Lehreinheit

möglichst lückenlos an die Lerngruppe weiterzureichen und durch

Lernanlässe zu verankern, steht der Kompetenzorientierung asyn-

chron entgegen, da hier Wissensressourcen als Basis zur Entwicklung

der Handlungsfähigkeit verstanden und angewendet werden. Sie

stellen somit die Grundlage der Entwicklung von fachspezifisch aus-

differenzierten Kompetenzclustern, die möglichst in eine spätere

Employability münden sollen (vgl. Schaper et al., 2012).

1.1 Paradigmenwechsel: Kompetenzbasiert lehren

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Lehrveranstaltung:

………..……………………………………………………………………………..

Cluster

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Checkliste und Materialien

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Kompetenzorientierte Lehrgestaltung fokussiert das lernende Indivi-

duum, dessen lebenslangen Lernprozess (vgl. Europäische Kommissi-

on, 2008, vgl. Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen, 2011)

und bedarf einer Auseinandersetzung mit didaktischer Reduktion auf

zwei Ebenen:

Entwicklungsorientierte Lehrendenhaltung Reduktion auf das Wesentliche und Praxisrelevante des Faches , um eine auf Handlungskompetenz und deren Reflexion im Sinne des lebenslangen Lernens zentrierte Lehre zu praktizieren.

Entwicklungsorientierte Lehrgestaltung Reduktion der fachlichen Wissensrepräsentanz auf exemplarische und prägnante Inhalte aus den Wissensressourcen des Faches, um in den Lehrveranstaltungen über aktivierende und ko-operative Lernsettings zur Stärkung der Handlungsfähigkeit zu schaffen .

Dieser Paradigmenwechsel von der inhaltsorientierten Lehre einer

Wissensgesellschaft hin zur entwicklungsorientierten der Kompe-

tenzgesellschaft fällt Lehrenden aus lehr -lernbiographischen Grün-

den oftmals schwer. Aber die didaktische Reduktion bietet einen

guten Grund zum Wandel, denn:

Weniger ist genau dann einfach mehr, …

wenn die Lernenden über das mit Bedacht auserwählte „Wenige“ an

Lehr-Lerninhalten dazu aktiviert werden, diverse Handlungsmuster

mit Praxisbezug zu erproben sowie ihre individuellen Handlungspo-

tenziale und -kompetenzen (selbst-)reflektiert auf Anwendung hin zu

entwickeln und zu schärfen.

Der nachfolgende Abschnitt stellt ein didaktisches Modell vor, das

als Ausgangsbasis der Reduktion wertvolle Dienste zu leisten vermag.

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Teil I - Weniger ist mehr

1.2. Ausgangsbasis:

In Hinblick auf die didaktische Konzeption der einzelnen Lehrveran-

staltung ist Lehrenden vielfach völlige Autonomie gegeben, - was,

auch bei erfolgender didaktischer Fundierung, enormen Gestaltungs-

raum bietet. Die eigenen didaktischen Zielsetzungen bieten zudem

argumentative Sicherheit und helfen, die Reduktionen in didak -

tischen Kontext vorzunehmen und nachgehend bei Bedarf darzule-

gen. Aber wie ist die konkrete Herangehensweise zur didaktischen

Reduktion, auf welche Weise lässt sich das Wesentliche des zu ver-

mittelnden fachlichen Inhaltes extrahieren?

Als Ausgangsbasis der didaktischen Reduktion und Lehrkonzeption

bietet das Constructive Alignment-Modell (vgl. Biggs/ Tang, 2007, 50

ff.) Klarheit und Sicherheit im Umgang mit abstrakten Richtzielen und

deren Umsetzung innerhalb der persönlichen Lehrgestaltung. Es

skizziert die Annahme einer Relation zwischen den folgenden drei

Lehrelementen:

Alle drei Lehrelemente stehen in Abhängigkeit zueinander. Sind z. B.

die Lehr-Lernaktivitäten nicht mit den Lehr-Lernzielen kohärent,

wirkt sich dies maßgeblich negativ auf den Learning Outcome aus.

Lehr-Lernziel

Lehr-Lernaktivität Prüfung/ Learning Outcome

Rahmenbedingungen des Lehrsettings

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Überdies lassen sich Auslassungen sehr wohl begründen. Wörner be-

kräftigt ihre positive Wirksamkeit (vgl. Wörner, 2008, 38):

„Je mehr es gelingt, eine Auslassung weniger als Defizit, denn

als effektives Instrument zur Entzerrung von Lernräumen zu

erkennen, desto eher wird man sie einsetzen. Wer sich die

situative Auslassung als ein — begründetes — Instrument sei-

nes Lehrhandelns zu eigen macht, der kann sich und seine

Studierenden gegebenenfalls nachhaltig entlasten und deren

Lernprozesse i. d. R. günstiger fördern als dies bei einer

`blinden` Planerfüllung der Fall wäre. “

Um sich aus der „Vollständigkeitsfalle“, wie Lehner (vgl. Lehner,

2013) das Bestreben Lehrender nach Vollständigkeit der Lehr -

Lerninhalte treffend benennt, zu befreien und Lehre kompetenzori-

entiert zu gestalten sollten Lehrende bewusst von der Reduktion

Gebrauch machen. Die hier vorgestellten Herangehensweisen, Krite-

rien, Instrumente und Strategien der didaktischen Reduktion sollten

immer auch mit dem individuellen Lehrstil und den persönlichen Prä-

ferenzen in der Lehrkonzeption, Lehrplanung und -durchführung ab-

geglichen werden, um langfristig habitualisiert und zur (Lehr -)

Gewohnheit werden zu können.

Es lohnt sich für…

… mehr Zeit in der Lehre;

… mehr Sinn und System für die Lerngruppe;

… mehr Lehrwert.

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Fazit

In der Wissensgesellschaft aufgewachsen, die eigene Lehr -Lern-

biographie entsprechend auf der Basis anhaltenden bewussten

Wissenserwerbs und marginal-unbewusstem Kompetenzerwerb ver-

vollständigt, erfordert es Mut, sich der Kompetenzorientierung kon-

sequent zu stellen.

Ihre Charakteristika wie Lernendenzentrierung, die neue Rolle Lern-

coach, offene Aufgabenstellungen, Kompetenzstufen, Handlungsori-

entierung, kooperative Lernsettings und binnendifferenzierte Lern-

räume überfordern mitunter zu Beginn ihrer Erprobung im Lehralltag.

Aber einmal ausprobiert, lässt einen diese Art der Lehrgestaltung

nicht mehr los. Der Paradigmenwandel findet jetzt statt, Lehre wird

neu definiert. Und Kompetenzorientierung gestattet sehr individual-

spezifische Ansätze, bietet enormes Potenzial für heterogene Lern-

gruppen, motiviert Lernende und auch Lehrende sehr persönlich,

weil Partizipation und selbstorganisiertes Lernen im Fokus stehen.

Dabei stellen die Auslassungen der didaktischen Reduktion aus den

horrenden Wissensressourcen eine besondere Herausforderung dar.

Aber glücklicherweise sind Lehrende somit auch von dem Anspruch

entbunden, das Weltwissen zum Thema zu kennen und in die Lern-

gruppe weiterzureichen, da es nicht länger um Vollständigkeit eines

Wissens geht, das ggf. in 2 Jahren überholt sein könnte. Vielmehr

lässt sich die Lehre als Vermittlung lebenslang aktivierbarer Kompe-

tenzen begreifen. Lernende sollen dazu befähigt werden, eigenstän-

dig im Kontext von Wissenschaft, Wirtschaft, Institutionen, in diver-

sen Positionen und Bereichen eigeninitiativ, souverän und verant-

wortungsvoll zu agieren.

Mehr Mut zur Auslassung!

3.1 Mut zur Auslassung

9

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Das Constructive Alignment ist somit für eine kompetenzorientierte

Lehr-Lernzielentwicklung, Lehrkonzeption und ein entsprechendes

Prüfungsdesign unabdingbar, soll der gewünschte Learning Outcome

erfolgen. Vorteil dieses didaktischen Modells ist eine ergebnisorien-

tiert-systematische Herangehensweise, da der Lernprozess der Lern-

gruppe anhand des Constructive Alignment vom gewünschten Ergeb-

nis her konstruiert wird und Lehrplanung sowie Reduktion somit

nicht durch vorliegende Methodenpräferenzen oder tradierte Heran-

gehensweisen der Lehrenden tangiert werden.

Die Hochschulrektorenkonferenz konstatiert hierzu, dass auf Lehrver-

anstaltungsebene von den Qualifizierungszielen (Learning Outcomes)

aus konzipiert werden soll (vgl. HRK, 2004). Stoffreduktion, Lehrkon-

zeption sowie auch methodische Umsetzung einer Lehrveranstaltung

können „rückwärts gedacht“ werden, indem zunächst der zu erzielen-

de Learning Outcome formuliert wird und die schrittweise Lehrkon-

zeption in der konkreten Lehrveranstaltungs -/Semesterplanung, im

Stoffverteilungsplan sowie in den einzelnen Lehreinheitsablaufpla-

nungen die gesetzten Qualifikationsziele konsequent verfolgt.

Da der Reduktionsbedarf darüber hinaus im Lehralltag auch mit

knapp bemessenen Zeitressourcen an Lehrzeit, mangelnden Lehrab-

sprachen und Lehrvorbereitungen einher geht, bedingt er oftmals

einen zwiespältigen Umgang mit Lehrvorgaben. Mitunter ist der fach-

liche Rahmen noch nicht nach kompetenzorientierten Kriterien um-

strukturiert, wodurch Kollisionsgefahr besteht, wenn nach Maßgabe

der Kompetenzorientierung eigenmächtig Weglassungen vorgenom-

men werden. Umso wertvoller ist eine Begründungsgrundlage wie

das Constructive Alignment.

Von den Qualifikationszielen aus denken...

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Teil I - Weniger ist mehr

Vorgegebene Richtziele aus Curricula, Handbüchern oder Lehrplänen

sind zumeist offen und abstrakt formuliert, was Lehrenden einerseits

Freiheit und Autonomie in der Lehrgestaltung gewährleistet, ande-

rerseits allerdings durch stetig zunehmende Wissenskomplexität Un-

sicherheit über die konkret zu verwendenden Inhalte auslöst. Daher

sollten die Richtziele im ersten Schritt in zu erzielende wissens -

basierte Handlungskompetenzen übersetzt werden, die als Lehr -

Lernziele (Grobziele) ausformuliert werden können.

Es gilt, konkrete Fragestellungen an die gegebenen Richtziele und die

Thematik der Lehrveranstaltung zu entwickeln, anhand derer die Lehr

-Lernziele kompetenzorientiert entwickelt und die nachfolgenden

Reduktionsschritte somit vorbereitet werden. Hier einige hilfreiche

Fragestellungen:

• Worin äußern sich Handlungs- und Fachkompetenz der Lerngruppe zur Thematik der Lehrveranstaltung? (Learning Outcome)

• Über welche Kernkompetenzen soll die Lerngruppe nach der Lehrveranstaltung (bewertbar) verfügen?

• Welche fachspezifischen Handlungsweisen sollen nach Abschluss der Lehrveranstaltung (bewertbar) durch die Lernenden umgesetzt werden können?

• Welches (Vor-)Wissen ist für die Lerngruppe unabding-bar, um sich die Kernkompetenzen und Handlungsweisen zum Thema anzueignen?

Auf der folgenden Seite besteht für Sie die Möglichkeit, die durch die

oben stehenden Fragestellungen eruierten Lehr -Lernziele Ihrer Lehr-

veranstaltung schriftlich zu fixieren.

1.2.1 Umgang mit abstrakten Richtzielen

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Diese Methode findet sich bei Ritter -Mamczek (vgl. Ritter-Mamczek,

2011, 79). Man nimmt sich ein Blatt und zeichnet dieses Spielfeld

darauf:

Dann widmet man sich seinem Lehrthema, indem man sich die Fra-

gen stellt, was man lehren muss, lehren soll, lehren kann und trägt

die Lehr-Lerninhalte in die jeweiligen Felder des Spielfeldes („Muss“,

„soll“, „kann“) ein. Abschließend entscheidet man, welche Lehr -

Lerninhalte in das äußerste Feld übernommen werden und in die

Lehrplanung einfließen werden.

Probieren Sie das Spielfeld an einer Ihrer Lehrveranstaltungen aus.

Welche der beiden Reduktionsmethoden präferieren Sie?

Spielfeld

muss soll kann

Entscheiden Sie sich!

Weniger, aber mit Lehrwert

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Teil II - Weniger, aber mit Lehrwert

Manchmal ist Lehralltag stressbehaftet und Zeit ein knappes Gut.

Gerade in solchen Situationen ist didaktische Reduktion nötig, um

keine Zeit mit Planlosigkeit zu vergeuden. Da dann eine umfängliche

didaktische Reduktion aus zeitlichen Gründen nicht realisierbar

scheint, werden hier zwei unkomplizierte und spielerische Möglich-

keiten der didaktischen Reduktion für den Schnelleinsatz vorgestellt:

2.2.2 Handabstimmung und Spielfeld

Handabstimmung

Man nimmt seine Hand zur

Hilfe und stellt pro Finger

eine Leitfrage an den Lehr-

Lerninhalt. Wenn man mit

„Nein“ antwortet, senkt man

den betreffenden Finger.

Wenn alle fünf Fragen beant-

wortet sind, lässt sich leicht

beurteilen, welche Priorität

der Lehr-Lernstoff für die

Lehrveranstaltung einnimmt.

Sind 3 Finger gesenkt, sieht es

ganz nach Reduktion aus...

Welche Fragen fallen Ihnen

ein (siehe Kriterien S. 17)?

Notieren Sie diese an die rest-

lichen Finger.

11

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Worin äußern sich Handlungs- und Fachkompetenz der Lerngruppe zur Thematik der Lehrveranstaltung? (Learning Outcome)

Über welche Kernkompetenzen soll die Lerngruppe nach der Lehrveranstaltung (bewertbar) verfügen?

Welche fachspezifischen Hand-lungsweisen sollen nach Ab-schluss der Lehrveranstaltung (bewertbar) durch die Lernen-den umgesetzt werden können?

Welches (Vor-)Wissen ist für die Lerngruppe unabdingbar, um sich die Kernkompetenzen und Handlungsweisen zum Thema anzueignen?

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Teil I - Weniger ist mehr

1.2.2 Kompetenz -Performanz -Problematik

Performanz

Kompetenz

Sichtbar und bewertbar: - Verhalten

Nicht sichtbar und bewertbar: - Disposition - Potenzial

Einsatz der Kompetenz und stetige Aktualisierung der Performanz erfolgt im sichtbaren Qualifikations– bereich

Qualifikations-bereich

Hat man die abstrakten Richtziele aus der kompetenz - und somit

auch entwicklungsorientierten Lehrendenperspektive heraus konkre-

tisiert, ergibt sich nun das Problem, dass Kompetenzen, die in der

Lehre entwickelt und geschärft werden sollen, laut Erpenbeck und

Rosenstiel lediglich Potenziale oder „Dispositionen selbstorganisier-

ten Handelns“ sind (Erpenbeck/ Rosenstiel, 2007, 23). Sie geben kei-

nerlei Hinweis darauf, ob der jeweilige Kompetenzträger die, ihm

durch seine Kompetenz möglichen, Verhaltensoptionen situationsbe-

zogen zur Anwendung bringt. Das Verhalten innerhalb der Situation

bezeichnet man als Performanz. Wer innerhalb dieser Situation adä-

quat kompetent handelt, zeigt damit seine Qualifikation auf.

Kompetenz ist immer subjektbezogen, wohingegen sich Qualifikation

auf die externen Anforderungen wie situative Gegebenheiten (z. B.

Prüfungen) bezieht und Wissens- als auch Fähigkeitsdispositionen

(vgl. Arnold, 1997, 269ff.) beinhaltet. Daher ist die Sichtbarmachung

von Kompetenz ein Problem der Lehre, das als „Kompetenz-

Performanz-Problematik“ bezeichnet wird (vgl. Weinert et al., 2012).

Eisberg-Modell der Kompetenz-Performanz-Problematik

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Weniger, aber mit Lehrwert

Bei der vertikalen Reduktionsstrategie erfolgt eine

Reduktion des qualitativen Umfanges von Kompe-

tenzstufe zu Kompetenzstufe, indem die Lehr -

Lerninhalte ausschnittsweise einbezogen werden.

3. Horizontale qualitative Reduktion

Das Niveau des fachwissenschaftlichen Sachverhaltes

bleibt hier gleich, allerdings wird den Lernenden der

Zugang mittels Medien, Materialien, Schaubilder oder

geeigneter Methoden o. ä. erleichtert, wodurch der

Gültigkeitsanspruch der Lehr-Lerninhalte variiert.

Welche der drei Strategien bevorzugten Sie bisher zur Reduktion der

Lehr-Lerninhalte in ihrem Fach? Aus welchen Beweggründen?

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Es lassen sich drei Strategien der didaktischen Reduktion differenzie-

ren, die unterschiedliche Ansätze verfolgen:

1. Quant itat ive Redukt ion

Hierbei werden die Lehr-Lerninhalte auf eine

Minderung der Quantität hin selektiert.

2. Vert ikale qua litat ive Redukt ion

Abbildungen auf Seite 24 und 25 entnommen aus: BMFSFJ, 2006, S. 20.

2.2 Didaktische Reduktion mit Strategie

2.2.1 Die Drei Strategien

Teil II - Weniger, aber mit Lehrwert

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Lehr-Lernziele Lehr-Lern- aktivität

Prüfung

1.2.3 Entwicklung von Lehr -Lernzielen

Um die didaktische Reduktion der Lehr -Lerninhalte einer Lehrveran-

staltung systematisch nach dem Constructive Alignment und trotz

Kompetenz-Performanz-Problematik vorzunehmen, bedarf es einer

Klärung, welche Kompetenzen vordergründig in den zu gestaltenden

Lernsituationen entwickelt und mittels Aktivitäten in die Performanz -

Ebene befördert werden sollen, um abgeprüft werden zu können.

Weinert differenziert die nachfolgenden drei Kompetenzcluster, die

von einem vierten übergreifenden Kompetenzcluster flankiert

werden (vgl. Weinert et al., 2012):

1. Sachkompetenz: Wissen, Fertigkeiten

2. Sozialkompetenz: Umgang mit anderen 4. Methodenkompetenz

3. Selbstkompetenz: Umgang mit sich selbst

Aus jedem dieser vier Kompetenzcluster lassen sich fach - und

themenspezifisch fein ausdifferenzierte Lehr -Lernziele ableiten. Hat

man Lehr-Lern-Ziele mit klaren Kompetenzentwicklungs-Vorgaben

nach dem Kompetenzstufenmodell und der Lernzieltaxonomie von

Bloom (vgl. Bloom, 1976) formuliert, geht es darum, für jede zu ent-

wickelnde Kompetenz Lehr- und Lernaktivitäten zu konzipieren, die

ebendiese Kompetenz durch Einsatzoptionen aus dem unsichtbaren

Bereich (Eisbergmodell, siehe nebenstehend) an die Oberfläche brin-

gen und im Qualifikationsbereich zur Performanz bringen.

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Teil II - Weniger, aber mit Lehrwert

Sobald die Lehr-Lernziele feststehen, ist der kreative Teil der didakti-

schen Reduktion in Sicht. Auf Grundlage der Lehr -Lernziele kann nun

über Clustering und Mindmapping eine erste Stoffreduktion erfolgen.

Hierzu wird zunächst ein Cluster zur Lehrveranstaltungsthematik

skizziert, das die, für die Lehr-Lernziel-Erreichung notwendigen The-

menschwerpunkte versammelt. Dabei ist empfehlenswert, erst die

eigenen Assoziationen und Ideen zu sammeln, bevor in Dokumenten

nachgeschaut oder online recherchiert wird, da ansonsten möglicher-

weise sehr geeignete, persönliche Zugänge oder Themenaspekte

der/des Lehrende/n unberücksichtigt blieben, die innerhalb kompe-

tenzorientierter Lehrgestaltung dazu beitragen könnten, vielfältige

Lernsettings und Lernräume für die zumeist heterogene Lerngruppe

zu entwickeln. Ein Beispiel: Cluster (Assoziationskette) zu Clustering

Bildquelle: Wikipedia,verfügbar unter: https ://de.wikipedia.org/wik i/Datei :Clus ter_zu_Clustering.svg

2.1 Kreative Reduktion: Vom Cluster bis zur Fachlandkarte

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Weniger, aber mit Lehrwert

So erlangt die Lerngruppe einen Eindruck von den Ausmaßen eines

gesamten Faches, von angrenzenden Fächern oder auch Spezialge-

bieten des Faches, die man beispielsweise als vorgelagerte Inseln in

der Karte abbilden könnte. Die topographischen Landschaftsmerkma-

le und ikonografischen Symbole der Kartographie kann man sich zur

I llustration der Bezüge und Spezifikationen heranziehen. Unten ein

Ausschnitt einer Fachlandkarte der Autorin zur Europäischen Ethno-

logie, welche die Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigt :

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Teil II - Weniger, aber mit Lehrwert

Da kompetenzorientierte Lehrgestaltung auf Reflexion und Meta -

kognition der Lerngruppe fußt, um Lernverantwortung und Hand-

lungskompetenz zu bewirken, ist der Einsatz von Fachlandkarten

oder auch anderen Fach-Bildern (z. B. als Fraktal-Struktur im Fach

Mathematik, Baumbild in der Biologie oder Hausgrundriss in der Ar-

chitektur) zielführend. Fachlandkarten/-Bilder können durch die Leh-

renden selbst gestaltet werden oder auch als Visualisierungsauftrag

in die Lerngruppe delegiert werden (vgl. Lehner, 2012 und 2013).

Ihr Einsatz in der Lehre kann beispielsweise in der Funktion des Ein-

stieges in ein Themengebiet oder Fach liegen, ebenso lassen sich

darüber auch während einer gesamten Lehrveranstaltungsreihe Lern-

prozesse abbilden, was sich bei den Lernenden positiv auf die me-

takognitive Reflexionsfähigkeit und Wahrnehmung des Lernprozesses

auswirkt.

Die Erstellung einer Fachlandkarte sollte nach dem Clustering - und/

oder Mindmapping-Prozess erfolgen, da erst dann alle fachrelevan-

ten Begriffe, Informationen, Daten, Themengebiete, Fragestellungen,

Probleme sowie deren Bezugsetzungen etc. vorstrukturiert zur Verfü-

gung stehen. Während der Erstellung der Fachlandkarte strukturiert

man alle fachrelevanten Aspekte, zeichnet diese in die Kartenstruk-

tur ein und erkennt sehr deutlich, an welchen Stellen der Thematik

noch Reduktionen für die Lehrveranstaltung vorgenommen werden

könnten.

Darüber hinaus kann man der Lerngruppe mittels Fachlandkarte auf-

zeigen, welche thematischen Areale ggf. aufgrund von Reduktion in

der Lehrveranstaltung unbehandelt bleiben, in Exkursen behandelt

oder als Hausarbeitsthema vertieft werden können.

Fachlandkarte

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Wenn das thematische Cluster erstellt ist, hat man sich einen Über-

blick zu möglichen thematischen Zugängen, Themen und Themenas-

pekten der Lehrveranstaltung verschafft. Nun ist es sinnvoll, sich

wieder der didaktischen Perspektive zu widmen und die im Cluster

aufgefächerten Themen auf Ihren Einsatz in der Lehrveranstaltung

hin zu überdenken. Da kompetenzorientierte Lehre den Lernenden

praxisrelevante Handlungskompetenz abverlangt und als oberstes

Ziel die Vermittlung und Erprobung sowie nachhaltige Festigung ei-

ner vollständigen Handlung im fachspezifischen Kontext verfolgt,

sollte ebendieses Ziel in die Betrachtung des Clusters und der weite-

ren quantitativen und qualitativen Reduktionsschritte einfließen (vgl.

BMFSFJ, 20ff.). Das Strukturmodell der vollständigen Handlung ba-

siert in der Wissensdimension auf vier Ebenen:

Faktenwissen (Grundlegende Wissensbestände)

Konzeptwissen (Zusammenhänge, Strukturen, Systeme)

Prozedurales Wissen (Vorgehensweisen, Methoden, Techniken)

Metakognitives Wissen ( Bewusstsein über eigenen Lernprozess)

Innerhalb der vollständigen Handlung werden alle vier Ebenen benö-

tigt, da sich in ihr Reflexion und Aktion miteinander verzahnen. Zu

Beginn informieren sich die Lernenden, dann analysieren und planen

sie, bevor sie etwas entscheiden und anschließend ausführen. Nach

der Ausführungsphase kontrollieren sie die Umsetzung und bewerten

den gesamten Prozess. Insbesondere problemorientierte, szenario -

basierte, forschende, projektförmige Lehrformate sind geeignet.

2.1.1 Die vollständige Handlung

Weniger, aber mit Lehrwert

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Teil II - Weniger, aber mit Lehrwert

Ein häufig anzutreffendes Kriterium der Entscheidung gegen diese

Lehrformate ist vermeintlicher Mehraufwand. Bevor überhaupt erste

Erfahrungen mit diesen kompetenzförderlichen Lehrformaten vorlie-

gen, haben Lehrende bereits häufig Vorbehalte, was den Zeitumfang

der Vor- und Nachbereitung betrifft. Hierbei ist in der Erwachsenen-

bildung und Hochschullehre häufig folgender Umstand zu vermerken:

Viele Lehrenden sind sich nicht bewusst, dass der Grad an Steuerung

im Verhältnis zu herkömmlichen Lehrformaten deutlich geringer aus-

fällt, dafür aber der Lerngruppe ein höherer Grad an Autonomie und

somit auch Eigenverantwortlichkeit übertragen wird. Zudem avancie-

ren Lehrende zu Lerncoaches (vgl. Blom), die lernendenzentriert und

somit beratend, unterstützend und reflektierend agieren. Die Eigen-

verantwortlichkeit der Lernenden steht im Vordergrund, was der

Struktur einer vollständigen Handlung entspricht:

Strukturmodell einer vollständigen Handlung

(nach Leenders et al ., 2001, 60f ., vgl . auch Walz ik , 2012, 35 f f.)

Reflexion

Aktion

Information

Analyse und Planung

Entscheidung

Bewertung

Kontrolle

Ausführung

1

2

3 4

5

6 Start

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Weniger, aber mit Lehrwert

Mindmap Ist eine Mindmap zur didaktischen Reduktion erstellt, dann lässt sich aus dieser bereits eine konkrete Semesterverlaufsplanung erstellen, die auch Lehrformate, methodische Herangehensweisen, etc. enthalten kann.

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Teil II - Weniger, aber mit Lehrwert

Lehrveranstaltung: ……………………………………………………………………………………………………..

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Weniger, aber mit Lehrwert

Das Motto dieses Abschnitts „Weniger, aber mit Lehrwert“ deutet an,

dass in der didaktischen Reduktion bei der Auswahl geeigneter Inhal-

te der zentrale Schwerpunkt im Lehrwert für die Lerngruppe und

deren Lernprozess liegt, nicht in Wissensquantitäten gesetzt wird.

Eine gelungene kompetenzorientierte Lehre basiert auf einer sinnvol-

len Auswahl von Themen und Inhalten, die in Form von Lehr -

Lernmaterial und Medien in aktivitätsfördernden Lehr -Lern-

situationen selbstgesteuertes und eigenverantwortliches Lernen zum

Kompetenzerwerb initiiert, motiviert und aufrechterhält. Der (Lern -)

Weg ist das Ziel.

Aber woran erkennt man Lehr-Lerninhalte, die für den Lernweg der

Lehrveranstaltung geeignet sind und vollständige Handlungen sowie

Kompetenzentwicklung ermöglichen?

Es gibt verschiedene Kriterien, die die Inhaltsselektion erleichtern.

Hier eine Sammlung an Kriterien (vgl. Ritter -Mamczek, 2011, 74 ff.

und Arnold, 2007), welche die Auswahl erleichtern:

• Kognitive Passung (Sinnhaftigkeit für Lernende, Motivation)

• Anschlussfähigkeit (Verknüpfungsmöglichkeit mit Vorwissen)

• Lebensweltliche Bezüge (Gegenwart und Zukunft der Lernenden)

• Sachstruktur (Übergreifender Zusammenhang des Inhaltes)

• Zugänglichkeit (Prototypen, Fälle, Anschaulichkeit, Prägnanz)

• Exemplarische Funktion (Allgemeingültigkeit, Übertragbarkeit)

• Attraktivität (Insbesondere bei schwierigen Themen wichtig)

• Partizipation (Mitbestimmung/Wahlmöglichkeit für Lernende)

• Praxisrelevanz (Spätere Wirksamkeit in beruflichem Kontext)

2.1.2 Didaktische Auswahlkriterien

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Didaktische Reduktion Birke Sander

Über die genannten Kriterien hinaus bietet sich in Anlehnung an

Klafki (vgl. Klafki, 1958) an, bei der Lehr -Lerninhalts-Auswahl zum

jeweiligen Themengebiet der Lehrveranstaltung folgende Inhalts -

formate zu eruieren:

Wesentliche Problemstellungen;

Fachspezifische Methoden;

Zentrale Begriffe, Kategorien, Konzepte und Theorien.

Bei der Auswahl der Inhaltsformate sollte die kompetenzorientierte

didaktische Reduktion die Zielstellung verfolgen, eine geeignete Aus-

wahl aus der Stoff-Fülle, die Konzentration auf das Wesentliche so-

wie eine Vereinfachung der Stoff -Komplexität umzusetzen (vgl. Stary,

2004, 3 ff.).

Wesentliche Problemstellungen bieten hervorragende Möglichkeiten,

die Lerngruppe problemorientiert oder szenariobasiert über differen-

zierte Arbeitsgruppen und kooperative Lernformen in das Thema zu

führen oder es vertieft erschließen zu lassen.

Fachspezifische Methoden müssen ggf. schon im Vorhinein vermittelt

werden, um der Lerngruppe eine zielgerichtete Erarbeitung zu er-

möglichen.

Ebenso verhält es sich mit zentralen Begriffen, Kategorien, Konzepten

und Theorien. Allerdings lassen sich diese auch innerhalb kompetenz-

orientierter Lehrveranstaltungen durch die Lernenden selbsttätig

recherchieren, aufbereiten und präsentieren, was den Aneignungs-

prozess verstärkt. Eine zu planende Lehrveranstaltung bietet somit

äußerst vielfältige Möglichkeiten zur methodischen Verzahnung die-

ser drei Inhaltsformate und damit zur zielgerichteten didaktischen

Reduktion.

Teil II - Weniger, aber mit Lehrwert

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Weniger, aber mit Lehrwert

Um die bisherigen Überlegungen sowie Kategorien zur didaktischen

Reduktion an den im Cluster gesammelten Themen und Themenas-

pekten konkret anzuwenden, kann mit dem Instrument der Mindmap

gearbeitet werden. Mindmapping bietet, anders als das assoziative

und gestalterisch freie Clustering, die Möglichkeit, Struktur in die

einzelnen Reduktionsbedingungen und die Stoff-Fülle zu bringen.

Hierzu werden die Themen aus dem Cluster innerhalb einer Mindmap

derart arrangiert, (farbig) markiert und annotiert, dass innerhalb die-

ses Reduktionsschrittes an der Mindmap immer deutlicher wird, wel-

che Themen in Relation gestellt werden sollten, wie sich die Inhalte

strukturieren lassen (chronologisch, inhaltsbezogen o. ä.), wie sich

die Wertigkeit der einzelnen Lehr-Lerninhalte gestaltet und welche

Inhalte möglicherweise durch Reduktion entfallen. In der Mindmap

zeichnen sich sehr schnell prioritäre Inhalte ab. Auch Einschätzungen

notwendiger Zeitvolumina einzelner Lehr -Lerninhalte über den Se-

mesterverlauf hinweg ebenso wie die gesetzten Lernziele und deren

Kompetenzstufen können in der Mindmap abgebildet werden. Durch

diese visuelle Herangehensweise der didaktischen Reduktion werden

zudem unnötig weitreichende Recherchen vermieden, da eine Syste-

matisierung und Kategorisierung unter Hinzuziehung aller Bedingun-

gen, Inhalte, Zielsetzungen etc. durchgeführt wird.

War das Cluster notwendig für die Sammlung möglicher Lehr -Lern-

inhalte, so führt die Reduktions-Mindmap zielführend zu Ausschluss,

raffinierten Arrangements und zeitlicher sowie ggf. auch methodi-

scher Strukturierung. Auf den beiden folgenden Seiten bietet sich

Ihnen die Gelegenheit, eine Mindmap zu einer Lehrveranstaltung zu

erstellen. Beziehen Sie die vorhergehenden Abschnitte mit ein.

2.1.3 Mindmapping