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Quantifizierung der Struktur einer Landschaft mit GIS: Potential und Probleme Thomas Blaschke Zusammenfassung Viele Jahre wurden Ergebnisse der nordamerikanisch dominierten "quantitativ- deskriptiven" landscape ecology (landscape metrics ) im deutschsprachigen Raum wenig beachtet. Dies scheint sich gegenwärtig zu ändern: Durch die relativ späte, aber nun weite Kreise erfassende Verbreitung von GIS und Fernerkundung in Ökologie, Naturschutz und Landschaftsplanung gewinnen quantifizierbare Maße von Elementen einer Landschaft oder eines Ökosystems mehr Bedeutung. Auf Basis mehrerer Studien in Deutschland und Österreich wird das Potential von GIS in Kombination mit Methoden einer modernen Landschaftsökologie diskutiert. Es wird gezeigt, daß zusätzliche, bisher wenig genützte Möglichkeiten der Landschaftsanalyse gegeben sind, daß die Ergebnisse quantitativer Indizes der Landschaftsstruktur aber mit großer Sorgfalt zu interpretieren sind, da viele landschaftliche Indizes vor allem von der Datenqualität, der räumlichen Auflösung und der Klassenanzahl abhängen. Insbesondere bei einer Bewertung muß die qualitative Bedeutung von z.B. Grenzlinien zwischen Flächen oder der Größe und Form von "patches" bekannt sein, um quantitative Aussagen überhaupt einordnen zu können. 1. Landschaftsökologie, landscape metrics und GIS Die Begründung des Einsatzes von GIS, ja sogar die Notwendigkeit von deskriptiv-quantitativen Maßen auf Landschaftsebene lassen sich bereits durch Definitionen von landscape ecology in führenden Lehrbüchern ableiten, .... the study of structure, function and change in a heterogeneous land area composed of interacting ecosystems (Forman and Godron 1986) . .... considers the development and dynamics of spatial heterogeneity, spatial and temporal i nteractions and exchange across heterogeneous landscapes influences of spatial heterogeneity on biotic and abiotic processes and management of spatial heterogeneity (Risser 1987). Im folgenden wird auf einige elementare landschaftsökologische Größen und Zusammenhänge eingegangen, die hinsichtlich der Quantifizierung von Landschaftsstrukturen und Elementen von Landschaften und Ökosystemen bedeutend sind und zu deren konkrete Erfassung z.T. Geographische Informationssysteme essentiell sind. Im Gegensatz zu dem "klassischen" Ansatz der deutschsprachigen Landschaftsökologie hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten - großteils jedoch seit Ende der 80er Jahre - eine Arbeitsrichtung entwickelt, die als " nordamerikanischer Ansatz der quantitativen landscape ecology " (Blaschke

Quantifizierung der Struktur einer Landschaft mit GIS ...publ.ext.zalf.de/web/lsa_ergebnisse_agstruk_indikatoren/pdfs/dresden98.pdf · 1997) oder (noch vereinfachender) in der Folge

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Quantifizierung der Struktur einer Landschaft mit GIS: Potential und Probleme

Thomas Blaschke

Zusammenfassung

Viele Jahre wurden Ergebnisse der nordamerikanisch dominierten "quantitativ-deskriptiven" landscape ecology (landscape metrics) im deutschsprachigen Raum wenig beachtet. Dies scheint sich gegenwärtig zu ändern: Durch die relativ späte, aber nun weite Kreise erfassende Verbreitung von GIS und Fernerkundung in Ökologie, Naturschutz und Landschaftsplanung gewinnen quantifizierbare Maße von Elementen einer Landschaft oder eines Ökosystems mehr Bedeutung. Auf Basis mehrerer Studien in Deutschland und Österreich wird das Potential von GIS in Kombination mit Methoden einer modernen Landschaftsökologie diskutiert. Es wird gezeigt, daß zusätzliche, bisher wenig genützte Möglichkeiten der Landschaftsanalyse gegeben sind, daß die Ergebnisse quantitativer Indizes der Landschaftsstruktur aber mit großer Sorgfalt zu interpretieren sind, da viele landschaftliche Indizes vor allem von der Datenqualität, der räumlichen Auflösung und der Klassenanzahl abhängen. Insbesondere bei einer Bewertung muß die qualitative Bedeutung von z.B. Grenzlinien zwischen Flächen oder der Größe und Form von "patches" bekannt sein, um quantitative Aussagen überhaupt einordnen zu können.

1. Landschaftsökologie, landscape metrics und GIS Die Begründung des Einsatzes von GIS, ja sogar die Notwendigkeit von deskriptiv-quantitativen Maßen auf Landschaftsebene lassen sich bereits durch Definitionen von landscape ecology in führenden Lehrbüchern ableiten,

.... the study of structure, function and change in a heterogeneous land area composed of interacting ecosystems (Forman and Godron 1986) .

.... considers the development and dynamics of spatial heterogeneity, spatial and temporal interactions and exchange across heterogeneous landscapes influences of spatial heterogeneity on biotic and abiotic processes and management of spatial heterogeneity (Risser 1987).

Im folgenden wird auf einige elementare landschaftsökologische Größen und Zusammenhänge eingegangen, die hinsichtlich der Quantifizierung von Landschaftsstrukturen und Elementen von Landschaften und Ökosystemen bedeutend sind und zu deren konkrete Erfassung z.T. Geographische Informationssysteme essentiell sind.

Im Gegensatz zu dem "klassischen" Ansatz der deutschsprachigen Landschaftsökologie hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten - großteils jedoch seit Ende der 80er Jahre - eine Arbeitsrichtung entwickelt, die als "nordamerikanischer Ansatz der quantitativen landscape ecology" (Blaschke

1997) oder (noch vereinfachender) in der Folge als landscape ecology bezeichnet wird. Zwar waren die Gründungsinitativen z.B. der IALE (International Associaton of Landscape Ecology) stark von Europäern (u.a. Dänen, Niederländern, Briten) getragen, doch bestand in der Literatur, vor allem in den Artikeln der Zeitschrift Landscape Ecology, ein deutliches Übergewicht nordamerikanischer Autoren. Als gemeinsames Element dieser vielen, aus unterschiedlichen Fachrichtungen stammenden Ansätze wird hier der Einsatz quantitativer Methoden gesehen. Dies betrifft sowohl statistische ("a-räumliche") Verfahren als auch explizit räumliche Betrachtungsweisen. Bei letzteren werden massiv Methoden Geographischer Informationsverarbeitung, der Fernerkundung und digitaler Bildverarbeitung eingesetzt (Überblicksdarstellungen u.a. in Quattrochi and Peletier 1991, Johnston 1993). Dieser Einsatz ist offensichtlich wesentlicher als der irgendeiner beliebigen Software zur Unterstützung landschaftsökologischer Forschung. Die explizit räumliche (digitale) Handhabung eröffnet der Landschaftsanalyse ein erweitertes Potential. Die meisten untersuchten natürlichen Phänomene und Prozesse sind in ihrem Wesen zutiefst räumlich. Naveh und Liebermann (1993, S. S3-1) stellen in der zweiten Auflage ihres Lehrbuchs "Landscape Ecology" fest:

"The field of remote sensing and information science have a significant role to play in holistic landscape evaluation. They are of vital relevance in dealing with issues of total human ecosystems, where cultural and natural interactions need to be identified and clar ified. One example of strides in the last decade has been the use of GIS for conservation and development planning."

Vor allem aus der Sicht einer komplexen, interdisziplinären Betrachtung bietet GIS als Werkzeug erst die Möglichkeit der konkreten Umsetzung ganzheitlicher Ansätze, die auf Theorien des Holismus beruhen. Der Holismus betrachtet die Umwelt als eine Stufenfolge von Ganzheiten, bei der jede Ganzheit die unter ihr stehende Ganzheit integriert, aber stets mehr ist als deren Summe. Aus der Integration der untenstehenden Ganzheiten ergeben sich neue und nicht vorhersagbare Eigenschaften (emergent properties), die nicht aus den Bestandteilen erschlossen werden können. Die praktische Umsetzung von atomaren Bausteinen, die in sich als homogen betrachtet werden, wird durch die Abgrenzung von kleinsten Einheiten vollzogen. Diese wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte unterschiedlich bezeichnet (Fliese, Ökotop, Biotop, Physiotop, Geotop, im englischen meist patch, aber auch land unit, landscape element). Auf jeder unterschiedlichen Maßstabsebene - von der Individuen-spezifischen Sicht bis hin zu biogegraphischen Arealen oder Kontinenten - besteht die Umwelt aus einem Mosaik an patches (Wiens 1989, Turner 1989, Turner and Gardner 1991). Individuen und Populationen reagieren unterschiedlich auf diese räumliche Anordnung, die in ihrer spezifischen Ausprägung als patch mosaic, patchiness oder spatial heterogeneity bezeichnet wird. Es wird auch auf deutsch z.T. der Begriff patch verwendet, da kein deutsches Wort für die auf der jeweiligen Betrachtungsebene und unter geltenden Rahmenbedingungen kleinste homogene (kartierte) Einheit einheitlich verwendet wird.

Sowohl für den Einsatz in der Landschaftsanalyse als auch für Untersuchungen zur räumlichen Ausprägung von Habitaten und Populationen sind Geographische Informationssysteme ein geeignetes Werkzeug. Die Analyse biotischer und abiotischer Parameter erfordert ebenso wie die Analyse der Strukturen und Funktionen in einem Ökosystem die explizite Handhabung des Attributes Raum und der räumlichen Beziehungen. So stoßen hier verschie-denste Disziplinen aufeinander bzw. bewegt sich landschaftsökologische Forschung in einem starken Überlappungsbereich verschiedener Ansätze und ist daher interdisziplinär. Dies erfordert ein gewisses Umdenken und Abstand-nehmen von bewährten fachspezifischen Ansätzen und die Akzeptanz von anderen, evtl. im eigenen Arbeitsumfeld weniger bekannten Verfahren. Ansätze der Ökologie, die sich mit biotischen und häufig hochmobilen (zoogenen) Bestandteilen von Ökosystemen beschäftigen, ergänzen sich mit Untersuchungsmethoden "traditioneller", aber auch quantitativ-räumlicher Landschaftsanalyse. Dies entspringt u.a. der Erkenntnis, daß vor allem bei konkreten Landschaftsplanungen und Eingriffen in die Landschaft zwar Biotoptypen und Vegetation meist erfaßt werden, faunistische Erhebungen bisher aber eher selten waren (Jedicke 1996) oder einige Daten „miterfaßt“ wurden. Auch Merkmale wie landschaftliche Diversität (Bastian und Schreiber 1994), Strukturiertheit (strukturelle Diversität im Sinne von Haber 1979), ökologische Vielfalt (Odum 1969) und Vielfalt von Landschaftsausschnitten werden kaum berücksichtigt.

Für einen Teilbereich der Landschaftsökologie, der sich mit quantitativen Analysen (im deutschen auch Landschaftsanalyse, vgl. Bastian und Schreiber 1994) innerhalb eines bestimmten Maßstabsbereichs - des sogenannten landscape scale (vgl. Lavers and Haines-Young 1993) - beschäftigt, entsteht seit dem Ende der 80er Jahre in zunehmendem Maße ein Methodengerüst hinsichtlich des GIS-Einsatzes. Vor allem die Arbeiten aus Nordamerika (Turner 1989, 1990, Turner et al. 1989, Turner and Gardner 1991, Forman 1995), verschiedene Studien aus Großbritannien (Aspinall 1992, Aspinall and Veitch 1993, Lavers and Haines -Young 1993, Griffith et al. 1993, Haines-Young and Chopping 1996) beweisen nicht nur den Sinn des GIS-Einsatzes in landschaftsökologischen Fragestellungen sondern liefern einen Fundus an zusätzlichen Analyse- und Planungsmethoden in der Landschaftsplanung.

Die wissenschaftliche Literatur nahm in den 90er Jahren fast exponentiell zu. In der Landschaftsökologie hat sich damit innerhalb kurzer Zeit der Wissensstand stark erweitert und es wurde ein Methodengerüst geschaffen. Dennoch besteht für die Anwender dieser Methoden in der konkreten Planung oder Forschung eine relativ große Unsicherheit. Für viele fundierten Konzepte der Ökologie und Landschaftsökologie fehlen derzeit z. T. umfassende und allgemeingültige grundlegende "Anleitungen" in standardisierte GIS-Verfahrenstechniken. Es stellt sich jedoch die Frage – und dies wird ansatzweise in den folgenden Kapiteln untersucht – ob und welche methodischen Vorgangsweisen über Fragestellungen, Maßstäbe und Auflösugen hinweg überhaupt übertragbar sind.

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Abb. 1: Die weithin bekannte Möglichkeit, Datensätze miteinander zu verschneiden kann natürlich auch zu einem unreflektierten (nicht theoriegeleiteten) Einsatz von GIS führen. Bei wiederholten overlay-Vorgängen entstehen evtl. Einheiten bzw. Artefakte, deren Entstehungsgeschichte ("Lineage") und Bedeutung unklar ist.

Komplexer ist die Untersuchung dynamischer Prozesse. Immer dann, wenn zu unterschiedlichen Zeitpunkten signifikant unterschiedliche Ausprägungen eines untersuchten Phänomens herrschen, ist eine statische, 2- oder 3-dimensionale Betrachtungsweise unzureichend. Dazu sind neben den fundamentalen Kenntnissen funktionaler Zusammenhänge multitemporale Daten notwendig, deren Erfassung in der Regel zeitaufwendig bzw. in manchen Fällen nicht vollständig möglich ist. Häufig werden ursprüngliche Zustände (etwa vor Eingriffen oder Katastrophenereignissen) als Ausgangsdaten benötigt, die jedoch nicht vorliegen. In manchen Fällen erlaubt eine nachträgliche Aus-wertung von vorliegenden Fernerkundungsdaten und/oder die Modellanbindung an ein GIS eine integrative, multitemporale Auswertung von Umweltdaten. Mit GIS ist zwar eine toolbox und die Möglichkeit der Anbindung bestehender dynamischer Modelle prinzipiell gegeben. Die konkrete Umsetzung ist jedoch schwierig und bedarf einer fundierten hierarchischen Theoriebildung.

Die Analyse der Landschaft erfolgt im wesentlichen auf drei Ebenen, auf Ebene der patches, der Klassen und der Landschaft als Ganzes. Auf jeder dieser drei Ebenen bestehen mehrere Dutzend Indizes. Die (im Prinzip unendliche) Vielzahl von Maßen, die die Zusammensetzung einer Landschaft oder einzelner Landschaftselemente beschreiben, erfordert es, zusätzlich inhaltliche Kategorien einzuführen, die (wenn auch mit einiger Unschärfe) in der Literatur im wesentlichen in 8 Klassen eingeteilt werden können:

• Area metrics • Patch metrics • Edge metrics • Shape metrics • Core area metrics • Nearest-neighbour metrics • Diversity metrics • Contagion/Interspersion metrics

2. GIS-gestützte Untersuchungen zur räumlichen Anordnung von Landschaftselementen Räumliche Analyse erfordert eine explizite Dimensionierung des Phänomens Raum. Es genügt daher nicht, räumliche Phänomene als Attributinformation in herkömmlichen Statistikprogrammen zu analysieren, vielmehr sind eigenständige räumliche Analysemethoden (spatial analysis, Exploration von Punktdaten, Regionalisierung, Klassifikation, räumliche Autokorrelation, Allokation, Diffusion, Kriging usw.) notwendig. Zahlreiche Arbeiten konnten Nachteile einer „a-räumlichen“ Vorgangsweise aufzeigen. Der Siegeszug der GIS-Industrie einerseits und die paradigmatische Entdeckung des Raumes in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen (z.B. Soziologie, Psychologie) andererseits beweisen die Notwendigkeit von explizit räumlichen Ansätzen in vielen Bereichen. Selbstverständlich spielen in Modellen andere Elemente häufig wesentlich wichtigere Rollen als GIS und spatial analysis, etwa mathematische Modellsysteme, Fuzzy-Systeme, Neuronale Netze usw. Dennoch ist die Umsetzung von Konzepten wie Distanz, Nachbarschaft, Konnektivität ohne GIS bzw. spatial analysis kaum möglich. Relativ einfache Verfahren, wie „overlay“ oder „buffer“, verleihen uns vielfältige zusätzliche Analysemöglichkeiten (vgl. Goodchild 1992).

In der Landschaftsökologie werden, wie im vorigen Kapitel kurz umrissen, zunehmend räumliche Strukturen und Muster (pattern) von betrachteten Einheiten des Untersuchungsgegenstandes (patches) quantifiziert, um sie letztlich mit vergleichbaren Einheiten an anderen Orten oder zu anderen Zeitpunkten zu vergleichen. Anhand mehrerer Beispiele werden mit dem Programm FRAGSTATS (McGarigal and Marks 1994) verschiedene Kenngrößen für Einzelelemente (patches) bzw. Indizes zu ihrer Form berechnet. Es wird gezeigt, daß Rasterauflösung und Maßstab, Anzahl der Klassen, Erfassungsmaßstab und -genauigkeit der Daten und andere Parameter z.T. einen großen Einfluß auf die Ergebnisse haben, so daß nur mit Vorsicht und viel Sachkenntnis quantitative Werte zu landschaftlichen Strukturen in Bewertungen einbezogen werden können.

2.1. Geometrische Maße für „patches“

Fläche ist das naheliegendste und zugleich bedeutendste Maß der Landschaftselemente. Viele anderen Maße bauen direkt oder indirekt darauf auf (Forman and Godron 1986, Forman 1995). Die Fläche einer Klasse ist die Summe aller patches einer bestimmten Klasse in einer Landschaft. Auf Ebene der patches existieren zahlreiche deskriptive Maße zur Beschreibung ihrer Form. Eine häufig verwendete Maßzahl ist der Shape Index. Er ist das Verhältnis von Umfang zu Fläche eines patches im Vergleich zu einem Kreis gleicher Fläche. Viele weitere Maße vergleichen eine gegebene Form mit einer hypothetischen Form oder berechnen die fraktale Dimension eines patches oder einer Klasse als Summe der Einzelmaße der patches.

2.2. Konzept der core areas (“Inneres“)

Große patches beinhalten Flächen mit signifikantem Abstand von ihren Außengrenzen. Neben der Größe spielt die Form eine entscheidende Rolle: Langgestreckte und zerlappte Formen enthalten prozentual weniger Kernbereiche als kompakte Formen gleicher Flächengröße. Der Abstand von der Grenzlinie als Definition eines Kernbereichs (core area, interior) ist jeweils einer spezifischen Fragestellung unterworfen. Diese in der folgenden Abbildung dargestellte geometrische Beziehung erscheint einfach und plausibel und liegt verschiedenen weiteren Ansätzen zugrunde (Inseltheorie der Biogegraphie, SLOSS-Debatte, Konzept der Ökotone usw.). Problematisch erscheint jedoch stets die Festsetzung eines edge-Effekts. Ob theoretisch oder empirisch ermittelt ist in der Natur ein Wert von z.B. 50 m nur statistisch von Bedeutung, nicht jedoch automatisch für den Einzelfall. Hier können rasterbasierte GIS-Realisierungen realitätsnähere Ergebnisse erzielen, indem z.B. Intensitäten allmählich linear oder entsprechend einer bestimmten Funktion von den Grenzlinien aus abnehmen und so den weichen Übergang in der Natur nachempfinden.

Abb. 2: Je nach “edge effect“ verbleibt ein bestimmter Anteil einer Fläche als Inneres. Bei kleinen Patches oder einem starken "edge effect“ geht dieser Anteil gegen 0. Eine Fläche kann bei entsprechend komplexer Struktur beliebig viele nicht zusammenhängende ("disjunkte“) “core areas“ aufweisen. Im rechten Beispiel enthält das Landschaftselement vier Inseln und es resultieren bei 10 m edge distance insgesamt 5 core areas.

2.3. Landschaftliche Vielfalt/Diversität

Die Untersuchung der landschaftlichen Vielfalt bzw. Diversität oder die Raumdiversität im Sinne von Haber (1979) ist eine der häufigsten Anwendungen quantitativer Landschaftsmaße. Mittels Maßzahlen wird versucht, landschaftliche Strukturen und Muster (pattern) zu quantifizieren. Dazu werden verschiedene, meist aus der Biologie stammende Maße auf die Anordnung der kleinsten kartierten Einheiten (patches) angewandt. Diese sind jedoch z.T. kritisch zu betrachten, da die meisten davon stark datenabhängig sind (siehe Kap. 3). Einfachstes und naheliegendstes Maß ist die Anzahl der vorkommenden Typen in einem Untersuchungsgebiet (richness), die jedoch linear von der Einteilung der Klassen abhängt. Weitere Maße untersuchen die Anzahl der vorkommenden Typen und deren relative Verteilung. Der Shannon-Index schließt neben der Artenanzahl auch deren Abundanzverschiedenheiten ein während die Evenness den erreichten Grad an Diversität an der maximal möglichen Diversität angibt und damit zumindest theoretisch einen Vergleich zweier Gebiete oder eines

Edge

distance

Edge distance

Gebiets zu zwei Zeitpunkten bei unterschiedlichen Klassenzahlen ermöglicht. Neben weiteren verwandten Maßen wie z.B. Dominanzindizes (Vorherrschen einzelner Klassen in einem Landschaftsausschnitt) sind in der Landschaftsökologie „explizit räumliche“ Maße (die bisher erwähnten wurden ja zunächst „a-räumlich“ eingesetzt) zur Quantifizierung der Anordnung von Landschaftselementen entwickelt worden (Contagion und Juxtaposition Index, o’Neill et al. 1988, Li and Reynolds 1993, McGarigal and Marks 1994).

2.4. Fragmentierung, Isolation und Konnektivität von Landschafts-elementen

Während der Begriff Fragmentierung strenggenommen einen Prozess beschreibt, dessen Ergebnis die Teilung zusammenhängender Flächen in mehrere, nicht mehr zusammenhängende („disjunkte“) Einzelflächen mit einer in der Regel damit einhergehenden Verkleinerung eines Lebensraums erwirkt, reflektieren Isolation und Konnektivität bestehende oder fehlene Zusammenhänge zwischen Einzelflächen. Viele früher zusammenhängende Lebensräume sind durch menschliche Aktivitäten in den letzten Jahrzehnten in einem bis dahin nicht beobachteten und nicht mit natürlichen Prozessen vergleichbaren Ausmaß zerstückelt worden. Diese zunehmende Verinselung oder Fragmentierung von Lebensräumen und Landschaftselementen hat vielfältige negative Auswirkungen. Für verschiedene Lebensgemeinschaften führt diese Inselbildung zum Aussterben von Populationen. Im Sinne der Metapopulationstheorie ist daher der Aspekt relevant, wie weit die nächstgelegenen ähnlichen Lebensäume als Quelle einer möglichen Wiederbesiedlung entfernt sind und ob sie durch Barrieren getrennt oder über Korridore oder Trittsteinbiotope verbunden sind (Hanski and Gilpin 1991). Ohne hier weiter auf die Bedeutung von Fragmentierung, Isolation und Konnektivität eingegen zu können, sei darauf hingewiesen, daß GIS nicht nur für die Berechnung verschiedener euklidischer Distanzen eingesetzt werden können sondern daß etwa über rasterbasierte Kostenoberflächen (Blaschke 1998) oder über Cellular Automata (Gustafson and Gardner 1996) dazwischenliegende Flächen und deren Habitatqualität oder Wanderungswiderstand (Mortalitätsrate) mit berücksichtigt werden können.

Die räumliche Anordnung von Landschaftselementen ist durch eine einfache nearest neighbour-Abfrage (“wie weit entfernt liegt das nächste Element der gleichen Klasse?“) nicht ausreichend abgedeckt. Diese Abfrage ist in fast jeder GIS-Software leicht durchzuführen, berücksichtigt aber nicht die Bedeutung des auf diese Weise ermittelten Landschaftselementes z.B. hinsichtlich seiner Größe. Ein vielversprechender Ansatz ist der Proximity Index (PX) von Gustafson and Parker (1994), der nicht nur die euklidische Distanz zum nächstgelegen patch der gleichen Klasse berechnet sondern auch dessen Größe berücksichtigt.

Abb. 3: Proximity Index (PX) für eine einzelne Klasse (Gebüsch). Niedrige Werte (hell) bedeuten eine kleinere Proximity (“Nähe“) und größere Isolation, höhere Werte (dunkel) eine niedrigere Isolation. Bei zwei eng benachbarten Flächen unterschiedlicher Größe resultieren unterschiedliche Werte für PX. Die beiden eng benachbarten Flächen links oben erhalten die Werte 34,7 bzw. 97,9. Bei gleicher Entfernung hat die kleine Fläche eine relativ gesehen geringere Bedeutung für die naheliegende große Fläche als umgekehrt.

3. Einflüsse auf Maße der Landschaftsstruktur Aus derzeit laufenden systematischen Untersuchungen zu Stabilität und Abhängigkeit verschiedener landschaftsökologischer Indizes werden thesenartig erste Ergebnisse vorgestellt. Auf dem dieser Veröffentlichung zugrunde liegenden Workshop im Oktober 1998 in Dresden wurde deutlich, welch großer Forschungsbedarf hier besteht. Die folgenden Ausführungen sollen vor allem auf die z.T. starke Datenabhängigkeit hinweisen und vor möglichen Fehlinter-pretationen warnen.

3.1. Semantische Unterschiede

Ein Grundproblem jeder Untersuchung ist, daß die natürliche oder auch anthropogen geprägte Landschaft mit z.T. individuellen Zügen und vielfältigen Ausprägungen in diskrete Klassen eingeteilt werden muß. Allgemein läßt sich feststellen: Die Ausprägung kontinuierlicher Phänomene ist räumlich nicht scharf und intersubjektiv eindeutig nachvollziehbar abzugrenzen. Dies trifft auf viele natürliche, aber auch anthropogene Phänomene zu. In den letzten Jahren erlangte das Prinzip der Ökotone - also des weichen Übergangs in der Natur - einen hohen Stellenwert in der Ökologie. Tatsächlich sind scharfe Sprünge als Grenzlinien zweier benachbarter natürlicher Ausschnitte der Erdoberfläche selten. Vielmehr gehen diese meist allmählich oder ineinander verzahnt und ausdünnend ineinander über.

Einzelne Klassen werden von einem Bearbeiter unterschiedlich abgegrenzt oder definiert. Ein typisches semantisches Problem ist am Beispiel des Begriffs “Waldgrenze“ in der folgenden Abbildung dargestellt. Die individuellen Abweichungen sind nicht zwangsläufig als „Fehler“ zu bezeichnen.

Abb. 4: Abgrenzung von Wald auf einem Luftbild durch Testpersonen (fortgeschrittene Studenten). Dargestellt sind aus Lesbarkeitsgründen nur 3 von 12 Linien. Der in diesem alpinen Hochtal nach oben hin ausdünnende Wald kann auch mit einer guten Kartieranleitung nicht intersubjektiv nachvollziehbar „eindeutig“ abgegrenzt werden. Gruppen von Bäumen und Einzelbäume werden in unregelmäßigen Mustern insgesamt in eine bestimmte Richtung weniger. Die Entscheidung des Karti erers oder Luftbildinterpreten ist immer wieder subjektiv. In Summe können jedoch erhebliche Flächendifferenzen entstehen. Auch Versuche, einen Bearbeiter mit einem zeitlichen Abstand die gleiche Aufgabe durchführen zu lassen, ergeben relativ große, jedoch wesentlich unsystematischere Schwankungen.

3.2. Räumliche Auflösung

Während bei Rasterdaten die Auflösung durch die kleinste Zellengröße (Pixel) vorgegeben ist, gibt es für Vektordaten nur indirekte Maße, etwa wenn Informationen aus der Objektdefinition bzw. dem Erfassungsvorgang vorliegen. Ist dies nicht der Fall, gibt der kleinste Abstand zwischen irgendwelchen zwei Punkten im Datenbestand oder innerhalb einer Linie Auskunft über die Auflösung. Ansonsten sollte nach Möglichkeit die Einstellung des Minimalabstandes (oft als ‘weed tolerance’ bezeichnet) bei der Erfassung bekannt sein, oder aber die Definition des kleinsten zu erfassenden Objektes bzw. der Abstand zwischen getrennt aufzunehmenden Objekten. Neben dem Minimalabstand spielt auch der Maximalabstand zwischen Punkten entlang gekrümmter Linien eine wesentliche Rolle. Sobald diese bei graphischer Ausgabe unnatürlich „eckig“ erscheinen, ist die Auflösungsgrenze erreicht.

Für die landschaftsökologischen Indizes hat dies mehrere Konsequenzen:

• Digitale Daten haben keinen fixen Maßstab, aber einen Erfassungs - und Zielmaßstab. Nur in diesem Maßstabsbereich sind Auswertungen zulässig.

• Die Auflösung von Rasterdaten kann vorausgesetzt werden, wenn es sich um Originaldaten der gleichen Erfassungscharakteristik handelt (z.B. 30m Landsat TM Pixel). Bei vielen sekundären Rasterdaten (gescannte Information, weiterverarbeitete Information) ist die vorliegende Zellgröße nicht automatisch sinnvoll.

• Wenn wichtige Metainformation fehlt, können durch einige Methoden der Geoinformatik näherungsweise die Auflösung und Genauigkeit von Daten ermittelt werden.

• Rasterdaten sind nicht automatisch ungenauer. Vektordaten können unter einem falschen Betrachtungsmaßstab Genauigkeit vortäuschen.

Systematische Studien zeigen immer deutlicher, daß durch rasterbasierte Ansätze oder durch Aufrastern von Vektordaten für Auswertezwecke nicht automatisch ein signifikanter Genauigkeitsverlust eintritt. Unterhalb der Erfassungsgenauigkeit von Vektordaten entsteht bei einer Rasterdarstellung kein signifikanter Informationsverlust. Als Schwellwert gilt die Mindestgröße der kartierten Einheiten. Entsprechende Tests zur Rasterdarstellung von den Daten der Biotop- und Nutzungstypenkartierung der Neuen Bundesländer haben bei einer „feinen“ Rastergröße für verschiedene Maße nur geringe Unterschiede ergeben:

10 m Auflösung 20 m Auflösung 30 m Auflösung 1,33 1,33 1,31

Tab. 1: Shannon-Wiener Index für den gleichen Ausschnitt bei 10, 20 und 30 m Rasterauflösung. Die Werte sind für jeweils 6 Ausschnitte gemittelt.

Abb. 5: Abhängigkeit der Ergebnisse von der Auflösung: Erst wenn durch die Rastergröße eine signifikante Menge an Information verlorengeht, ergeben sich systematische Veränderungen der landschaftsökologischen Indizes. Dargestellt ist ein 50 Meter Raster (links) und ein 10 Meter Raster (rechts) des gleichen Landschaftsausschnitts.

3.3. Klassenanzahl (“thematische Auflösung“)

Die Anzahl der Klassen, in die eine Landschaft oder ein Ökosystem (subjektiv) eingeteilt wird, hat einen entscheidenden Einfluß auf die deskriptiven Maße, die Formen, Gestalten und Muster eines Landschaftsausschnittes beschreiben. Es bedeutet einen enormen Unterschied, ob eine Landschaft in z.B. 7 Oberklassen (Wald, Gewässer, landwirtschaftliche Fläche, Siedlung, Verkehr, Moor) oder in detailliertere Klassen (Laubwald, Nadelwald, Wiese, Acker ...) oder in sehr

detaillierte Klassen (Ahorn-Eschenwald, Grauerlenauwald, Ruderalflur, Maisacker ...) eingeteilt wird. Es gibt in der Literatur kaum systematische Untersuchungen zum Einfluß der Klassenanzahl bzw. der Detailliertheit der Einteilung einer Landschaft auf die Vielzahl der verwendeten Indizes. Studien zum Contagion Index (Riitters et al. 1995, Frohn 1998) zeigen jedoch, daß die Anzahl der Klassen eine enorme Auswirkung auf diesen Parameter der Landschaftsstruktur hat. Eigene Studien mit ATKIS -Daten und Daten der Biotop- und Nutzungstypenkartierung der neuen Bundesländer können dies eindrucksvoll bestätigen. Insbesondere der am häufigsten verwendete Shannon-Wiener Index ist stark abhängig von der Klassenanzahl. Experimente mit kleineren Ausschnitten der gleichen Landschaft ergeben für einen Datenbestand mit 7 Klassen (Übersichtskartierung), 23 Klassen (Biotop- und Nutzungstypenkartierung der neuen Bundesländer) und 16 Klassen (einige Klassen von 23 zusammengefaßt) für Shannon‘s Diversity: 7 Klassen 16 Klassen 23 Klassen 1,32 1,61 1,88

Tab. 2: Shannon-Wiener Index für den gleichen Ausschnitt für Kartierungen mit 7, 16 und 23 Klassen. Die Werte sind für jeweils 6 Ausschnitte gemittelt.

3.4. Wahl des Ausschnitts (“study area bias“)

Jede Abgrenzung eines Untersuchungsgebiets beinhaltet eine gewisse Subjektivität. Je nach Wahl des Ausschnitts und der Größe resultieren dementsprechend unterschiedliche Werte verschiedener Landschaftsmaße. Manchmal ist das Untersuchungsgebiet durch z.B. administrative Einheiten vorgegeben. Dann besteht zwar im Prinzip keine Alternative, der Effekt darf jedoch nicht übersehen werden, da natürliche Phänomene nicht an administrativen Grenzen halt machen. Systematische Experimente zeigen die Varianz verschiedener Landschaftsmaße.

Abb. 6: Drei willkürlich gewählte Ausschnitte eines Untersuchungsgebietes. Die resultierenden Landschaftsmaße variieren z.T. stark. So beträgt die errechnete Shannon‘s Diversity für diese drei Ausschnitte: 1,23 1,29 und 1,47.

Eine oft übersehene Konsequenz aus dieser Problematik ist, daß nicht nur absolute Werte schwer miteinander verglichen werden können sondern daß auch beim Vergleich zweier gleich großer Landschaftsausschnitte willkürliche Abgrenzungen des Untersuchungsgebietes stärkere Auswirkungen auf Landschaftsmaße bewirken können als durch inhaltliche Interpretation erklärt werden kann.

4. Ungelöste Fragen, Probleme und Forschungsaufgaben Erste Ergebnisse systematischer Untersuchungen zur Abhängigkeit von Landschaftsmaßen von den zugrunde liegenden Daten und Auswertungen der Literatur der “landscape metrics“ lassen folgende Schlüsse zu:

• Die meisten Landschaftsmaße sind stark von den verwendeten Daten abhängig. Bei Verwendung anderer Datenquellen oder Kartierungen des gleichen Landschaftsausschnittes resultieren oft völlig andere Ergebnisse.

• Die räumliche Auflösung der verwendeten Daten spielt bei überregionalen bis regionalen Unters uchungen eine entscheidende Rolle. Ihre Bedeutung bei großmaßstäbigen Untersuchungen wird aber häufig überschätzt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zwischen nordamerikanischen und mitteleuropäischen Studien.

• Die “thematische Auflösung“, d.h. die Klassenanzahl der Kartiereinheiten ist dagegen wohl der größte systematische Einflußfaktor auf Landschaftsmaße.

• Untersuchungsergebnisse verschiedenere Gebiete können nur unter ganz bestimmten Umständen verglichen werden.

• Viele weitere Faktoren machen die meisten Untersuchungen zu Individualstudien, die kaum exakt zu wiederholen sind. Selbst räumlich-zeitliche Studien des gleichen Gebietes werden dadurch erschwert.

• Die Gebietsabgrenzung spielt oft eine entscheidende Rolle und der sogenannte “study area bias“ steigt nichtlinear bei Verkleinerung des Gebiets.

Diese Punkte zeigen zwar Probleme und Gefahren der landscape metrics auf, sprechen aber nicht grundsätzlich dagegen. Richtig angewendet und unter Beachtung von Datengenauigkeiten, Aggregationsniveaus usw. erwächst durch die räumlich explizite Betrachtung der Landschaftsstruktur ein zusätzliches Potential, das bisher wenig genutzt wurde. Vor allem in einem „“modernen“ Natur- und Landschaftsschutz, der immer mehr Dynamik und Prozesse in einer Landschaft betrachtet und vom ausschließlichen kleinräumigen Erhalten einiger Inseln in der Kulturlandschaft abrückt, sind diese Möglichkeiten von elementarer Bedeutung.

Die sinnvolle Nutzung der Landschaftsmaße setzt jedoch ein breites Verständnis von räumlichen Daten voraus. Da dies bisher nicht in den Ausbildungsplänen verschiedener relevanter Disziplinen (Biologie, Ökologie, Geographie, Raumplanung etc.) verankert war, ist der richtige Umgang mit räumlichen Daten keineswegs selbstverständlich. Daten als Modell der Realitä t mit den wichtigsten Charakteristika hinsichtlich Maßstab, Auflösung, Validität, Aktualität usw. sind heute unverzichtbarer Bestandteil der täglichen Arbeit eines

Sachbearbeiters. Je nach Kontext können verschiedene Sichten auf räumliche Daten richtig und sinnvoll sein. Für den gleichen Landschaftsausschnitt können so bei zwei verschiedenen Projekten unterschiedliche Datensätze notwendig sein. Eine Landschaftsstrukturanalyse mit einem Datensatz birgt Gefahren! Vor allem wenn der Raum dreidimensional betrachtet wird und die Zeit als 4. Dimension hinzukommt entstehen große Anforderungen für den Bearbeiter.

Die Inwertsetzung der Ergebnisse von Landschaftsmaßen wurde bisher ausgeklammert, da sie den Umfang dieses Beitrags sprengen würde. Zur Problematik der Bew ertung sei hier auf Blaschke (1997) verwiesen. Unter den zuvor genannten Rahmenbedingungen hinsichtlich der Daten und ihres Einflusses auf die Ergebnisse ist jedoch offensichtlich, daß die Ergebnisse von Bewertungsschritten stark datenabhängig sind. Absolute Werte sind daher äußerst problematisch ("Shannon’s Diversity 1,47 für Landschaftsauschnitt A"). Aussagen wie “Strukturdiversität des Ausschnittes A ist bei gleicher Datenlage signifikant höher als die des Ausschnitts B“ ist bei Berücksichtigung verschiedener Rahmenbedingungen möglich. In software-technischer Hinsicht ist die derzeitige Lösung der Kopplung bzw. Nicht-Kopplung von existierender Spezialsoftware (FRAGSTATS, GRASS r.le) an GIS Systeme völlig unbefriedigend. Das mühsame Datenjonglieren zwischen den beiden Welten erschwert systematische Arbeiten. Erste Ansätze einer Integration sind jedoch selbst im kommerziellen Bereich zu sehen (ARC*FRAGS). Dies deutet darauf hin, daß hier – vor allem in Nordamerika - ein durchaus ernst zunehmender Markt entsteht.

Für den deutschsprachigen Raum bleibt zu hoffen, daß diese relativ neue Richtung der “quantitativ-deskriptiven“, räumlich expliziten Analyse der Landschaft nicht als konkurrierendes Paradigma zum “klassischen Ansatz“ der deutschsprachigen Landschaftsökologie gesehen wird sondern eine Synthese erfährt. GIS steht als Werkzeug und Technologie im Mittelpunkt dieses Beitrags. Es ist jedoch zu hoffen, daß Werkzeug und Methode in den folgenden Jahren selbstverständlicher werden und Anwendungen in den Vordergrund rücken. Der Umgang mit digitalen räumlichen Daten ist (noch) keineswegs selbstverständlich und die Kenntnis der Sachbearbeiter ist nicht immer ausreichend. Durch die zunehmende Datenverfügbarkeit und Rechenleistung wird sich diese Situation aber deutlich ändern. Auch die Integration von Satellitendaten in operationellen GIS-Systemen auf verschiedenen Ebenen wird zunehmend selbstverständlicher und die technischen Hürden sowie die Kosten sinken weiter.

Im Natur- und Landschaftsschutz geht es meist um die Ausweisung von Gebieten und um die Abwägung von Prioritäten. Bei der Begründung, Ausweisung und räumlichen Abgrenzung von Flächen müssen ökologisch-wissenschaftliche, aber auch ökonomische, ästhetische und ethisch-moralische Argumente abgewogen werden. Sachgerechtes Handeln macht den Einsatz von GIS in Naturschutz und Landschaftspflege zwingend notwendig. In Zukunft müssen vorhandene Daten stärker analytisch genutzt und synoptisch verknüpft werden. Ziel muß sein, ökologisch ungünstige Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen, daraus Prioritäten für praktisches Handeln aufzuzeigen und damit Gefahren für Mensch und Umwelt wirkungsvoller begegnen zu können. Gestärkt

werden muß der sogenannte Vorsorgeaspekt. "Der Naturschutz hat hier die einmalige Chance mit einem gezielten Einsatz von Wissen, know how und mit GIS als modernes Instrumentarium und Methode zugleich, aus einer Defensivhaltung und dem ständigen Reagieren auf geplante oder vollzogenen Umweltveränderungen herauszukommen" (Vogel und Blaschke 1996, 7). Obwohl GIS als Werkzeug und als Methode allgemein etabliert und weit fortgeschritten ist, bestehen nach wie vor konzeptuelle Probleme der Umsetzung von Methoden verschiedener Fachdisziplinen über Einzelanwendungen hinaus.

Literaturverzeichnis

Aspinall, R. (1992): Spatial Analysis of Wildlife Distribution and Habitat in a GIS. In: Proceedings of SSDH 92, Vol 2, 444-453.

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