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600 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 80 (2011), Heft 8 Fachthemen Sandwichelemente werden üblicherweise als raumabschließende Bauteile eingesetzt. Sie werden auf eine Unterkonstruktion montiert und leiten Lasten direkt an diese weiter. Aufgrund der großen Schubsteifigkeit in der Elementebene können sie auch zur Ausstei- fung und Stabilisierung von Bauteilen und Gebäuden sowie zum Lastabtrag in der Ele- mentebene herangezogen werden. Die Verbindungen der Elemente weisen jedoch eine wesentlich geringere Steifigkeit als die Elemente selbst auf. Daher werden bei der Er- mittlung der Steifigkeit von Schubfeldern aus Sandwichelementen nicht die Elemente, sondern ihre Verbindungen maßgebend. Für die Bemessung der Schubfelder ist es daher unerlässlich die Steifigkeit der Verbindungen zu kennen. Hierzu liegen bisher jedoch keine allgemeingültigen Angaben oder Berechnungsansätze vor. Es wird ein mechani- sches Modell zur Ermittlung von Steifigkeit und Tragfähigkeit der Verbindung zwischen Element und Unterkonstruktion vorgestellt. Zusätzlich werden Angaben zur Steifigkeit der Verbindungen an Längsstößen von Dachelementen gemacht. Shear loaded fastenings of sandwich panels. Sandwich panels are mostly used as com- ponents for enclosures. They are installed on a substructure and transfer forces to it. Because of the high in-plane shear resistance of the panels they can also be used for stabilizing single components and buildings as well as for transferring loads. The stiffness of the fastenings is smaller than the stiffness of the panels. Therefore for the stiffness of diaphragms made of sandwich panels not the stiffness of the panel, but the stiffness of the fastenings is decisive. So for design of shear diaphragms knowledge of the stiffness of the fastenings is mandatory. But up to now no general information or calculation pro- cedures are available. A mechanical model for determination of stiffness and load bear- ing capacity of fastenings of sandwich panels is presented. Additional information on the stiffness of fastenings at longitudinal joints of roof panels is given. Saskia Käpplein Thomas Ummenhofer Querkraftbeanspruchte Verbindungen von Sandwichelementen 1 Einleitung Sandwichelemente bestehen aus zwei dünnen Deckschichten, die durch ei- nen schubweichen isolierenden Kern voneinander getrennt sind. Die Deck- schichten bestehen üblicherweise aus 0,40 mm bis 0,75 mm dickem Stahl- blech, der Kern aus Polyurethan, Poly- styrol oder Mineralwolle. Üblicher- weise werden Sandwichelemente im Hoch- und Industriebau als raumab- schließende Bauteile eingesetzt, d. h. die Elemente werden auf einer Unter- konstruktion befestigt und tragen auf die Gebäudehülle wirkende Lasten auf diese Unterkonstruktion ab. Da die Elemente selbst in ihrer Ebene eine große Schubsteifigkeit besitzen, können Sie auch zur Aussteifung und Stabilisierung des gesamten Gebäu- des oder einzelner Bauteile wie Stüt- zen oder Träger herangezogen wer- den [1]. Die Steifigkeit von Schubfel- dern aus Sandwichelementen wird aufgrund der vergleichsweise großen Steifigkeit der Elemente selbst we- sentlich durch die nachgiebigeren Verbindungen bestimmt. Infolge der Beanspruchung als Schubfeld entste- hen in den Verbindungen Querkräfte. Bisher gibt es insbesondere zur Be- stimmung der Steifigkeit der Verbin- dungen von Sandwichelementen keine allgemeingültigen Angaben oder Be- rechnungsansätze. Im Folgenden wer- den Ansätze zur rechnerischen Er- mittlung der Tragfähigkeit und der Steifigkeit von querkraftbeanspruch- ten Verbindungen von Sandwichele- DOI: 10.1002/stab.201101454 menten vorgestellt. Dabei werden so- wohl die Verbindungen zwischen Sandwichelement und Stahlunter- konstruktion als auch die Verbindun- gen der Elemente an den Längs- stößen berücksichtigt. 2 Verbindungen von Sandwichelementen Zur direkten Befestigung von Sand- wichelementen auf Stahlunterkon- struktionen werden Bohrschrauben oder gewindeformende Schrauben, üblicherweise aus nichtrostendem Stahl, verwendet (Bild 1). Oftmals be- findet sich ein zusätzliches Stützge- winde unter dem Schraubenkopf. Um die Dichtigkeit der Verbindung zu ge- währleisten, werden Stahldichtschei- Bild 1. Bohrschraube zur Befestigung von Sandwichelementen (Bild: Adolf Würth GmbH & Co. KG) Fig. 1. Self-drilling screw for fixing of sandwich panels

Querkraftbeanspruchte Verbindungen von Sandwichelementen

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600 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 80 (2011), Heft 8

Fachthemen

Sandwichelemente werden üblicherweise als raumabschlie ßende Bauteile eingesetzt.Sie werden auf eine Unterkonstruktion montiert und leiten Lasten direkt an diese weiter.Aufgrund der großen Schubsteifigkeit in der Elementebene können sie auch zur Ausstei-fung und Stabilisierung von Bauteilen und Gebäuden sowie zum Lastabtrag in der Ele-mentebene herangezogen werden. Die Verbindungen der Elemente weisen jedoch einewesentlich geringere Steifigkeit als die Elemente selbst auf. Daher werden bei der Er-mittlung der Steifigkeit von Schubfeldern aus Sandwichelementen nicht die Elemente,sondern ihre Verbindungen maßgebend. Für die Bemessung der Schubfelder ist es daherunerlässlich die Steifigkeit der Verbindungen zu kennen. Hierzu liegen bisher jedochkeine allgemeingültigen Angaben oder Berechnungsan sätze vor. Es wird ein mechani-sches Modell zur Ermittlung von Steifigkeit und Tragfähigkeit der Verbindung zwischenElement und Unterkonstruktion vorgestellt. Zusätzlich werden Angaben zur Steifigkeitder Verbindungen an Längsstößen von Dachelementen gemacht.

Shear loaded fastenings of sandwich panels. Sandwich panels are mostly used as com-ponents for enclosures. They are installed on a substructure and transfer forces to it.Because of the high in-plane shear resistance of the panels they can also be used forstabilizing single components and buildings as well as for transferring loads. The stiffnessof the fastenings is smaller than the stiffness of the panels. Therefore for the stiffness ofdiaphragms made of sandwich panels not the stiffness of the panel, but the stiffness ofthe fastenings is decisive. So for design of shear dia phragms knowledge of the stiffnessof the fastenings is mandatory. But up to now no general information or calculation pro-cedures are available. A mechanical model for determination of stiffness and load bear-ing capacity of fastenings of sandwich panels is presented. Additional information on thestiffness of fastenings at longitudinal joints of roof panels is given.

Saskia KäppleinThomas Ummenhofer

Querkraftbeanspruchte Verbindungen von Sandwichelementen

1 Einleitung

Sandwichelemente bestehen aus zweidünnen Deckschichten, die durch ei-nen schubweichen isolierenden Kernvoneinander getrennt sind. Die Deck-schichten bestehen üblicherweise aus0,40 mm bis 0,75 mm dickem Stahl-blech, der Kern aus Polyurethan, Poly -styrol oder Mineralwolle. Üblicher-weise werden Sandwichelemente imHoch- und Industriebau als raumab-schließende Bauteile eingesetzt, d. h.die Elemente werden auf einer Unter-konstruktion be festigt und tragen aufdie Gebäudehülle wirkende Lastenauf diese Unterkonstruktion ab. Dadie Elemente selbst in ihrer Ebeneeine große Schubsteifigkeit besitzen,können Sie auch zur Aussteifung und

Stabilisierung des gesamten Gebäu-des oder einzelner Bauteile wie Stüt-zen oder Träger herangezogen wer-den [1]. Die Steifigkeit von Schubfel-dern aus Sandwichelementen wirdaufgrund der vergleichsweise großenSteifigkeit der Elemente selbst we-sentlich durch die nachgiebigerenVerbindungen bestimmt. Infolge derBeanspruchung als Schubfeld entste-hen in den Verbindungen Querkräfte.Bisher gibt es insbesondere zur Be-stimmung der Steifigkeit der Verbin-dungen von Sandwichelementen keineallgemeingültigen Angaben oder Be-rechnungsansätze. Im Folgenden wer-den Ansätze zur rechnerischen Er-mittlung der Tragfähigkeit und derSteifigkeit von querkraftbeanspruch-ten Verbindungen von Sandwichele-

DOI: 10.1002/stab.201101454

menten vorgestellt. Dabei werden so-wohl die Verbindungen zwischenSandwichelement und Stahlunter-konstruktion als auch die Verbindun-gen der Elemente an den Längs-stößen berücksichtigt.

2 Verbindungen von Sandwichelementen

Zur direkten Befestigung von Sand-wichelementen auf Stahl unter kon -struk tionen werden Bohrschraubenoder gewindeformende Schrauben,üblicherweise aus nichtrostendemStahl, verwendet (Bild 1). Oftmals be-findet sich ein zusätzliches Stützge-winde unter dem Schraubenkopf. Umdie Dichtigkeit der Verbindung zu ge-währleisten, werden Stahldichtschei-

Bild 1. Bohrschraube zur Befestigungvon Sandwichelementen (Bild: AdolfWürth GmbH & Co. KG)Fig. 1. Self-drilling screw for fixing ofsandwich panels

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S. Käpplein/Th. Ummenhofer · Querkraftbeanspruchte Verbindungen von Sandwichelementen

ben mit aufvulkanisiertem EPDM ver-wendet. Diese Dichtscheiben erhöhenbei Beanspruchung der Schraubedurch Normalkräfte zusätzlich denWiderstand gegen Durchknöpfendurch die Deckschicht.

Die Sandwichelemente werdendurch die äußere Deckschicht mit derUnterkonstruktion verschraubt. DerSchraubenkopf und die Dichtscheibeliegen auf der äußeren Deckschichtund sind durch den Kern des Elemen-tes von der Unterkonstruktion ge-trennt (Bild 2). Bei Dachelementenist es üblich, an den Längsstößen dieäußeren Deckschichten nebeneinan-der liegender Elemente miteinanderzu verschrauben (Bild 3). Für dieseVerbindung werden meist Bohr-schrauben aus nichtrostendem Stahlverwendet (Bild 4). Um die Dichtig-keit des Längsstoßes sicherzustellen,werden Dichtscheiben und oftmalszusätzliche Dichtbänder verwendet.Obwohl die Verbindungen an denLängs stößen vorrangig der Stabilisie-rung des freien Schenkels der oberen

Deckschicht und der Dichtigkeit we-gen angeordnet werden, können sieauch bei der Ermittlung der Steifig-keit von Schubfeldern berücksichtigtwerden. Die an den Längsstößen ver-bundenen, nebeneinander liegendenElemente wirken dann zusammen,damit wird die Gesamtsteifigkeit desSchubfeldes erhöht.

3 Bemessung der Verbindungen

Üblicherweise wird die Tragfähigkeitvon Verbindungen zwischen Sandwi-chelementen und Unterkonstruktionexperimentell bestimmt. Die Tragfä hig -keitswerte für Verbindungselementeverschiedener Hersteller können bei-spielweise der allgemeinen bauauf-sichtlichen Zulassung Z-14.4-407 [2]entnommen werden. Zukünftig wer-den diese Verbindungen auch in Eu-ropäisch technischen Zulassungen(ETA) geregelt werden. Diese werdeninhaltlich weitgehend mit der natio-nalen Zulassung Z-14.4-407 überein-stimmen. Die Steifigkeit der Verbin-dungen kann ebenfalls experimentellermittelt werden. Dies ist im Rahmenvon Zulassungsuntersuchungen je-doch nicht üblich und weder in dernationalen Zulassung Z-14.4-407 nochin den europäischen Zulassungen sindAngaben zur Verbindungssteifigkeitenthalten. Bisher existieren weder fürdie Ermittlung der Tragfähigkeit nochder Steifigkeit rechnerische Ansätze.

Für die Verbindungen in denLängs stößen ist eine rechnerische Er-

mittlung der Tragfähigkeit nach EN1993-1-3 [4] möglich. Jedoch ist esauch hier üblich, die Tragfähigkeit ex-perimentell zu bestimmen. Die Trag-fähigkeitswerte für Verbindungsele-mente unterschiedlicher Herstellerkönnen der allgemeinen bauaufsicht-lichen Zulassung Z-14.1-4 [3] ent-nommen werden. Daneben gibt esauch inhaltlich nahe zu identische Eu-ropäisch technische Zulassungen ein-zelner Hersteller. Zur Steifigkeit derVerbindungen am Längsstoß sind we-der in den Zulassung Angaben ent-halten, noch gibt es bisher die Mög-lichkeit der rechnerischen Ermittlung.

4 Verbindungen zwischen Element undUnterkonstruktion

4.1 Einzelkomponenten der Verbindung4.1.1 Allgemeines

Die Steifigkeit der Verbindung zwi-schen Sandwichelement und Unter-konstruktion hängt von der Steifigkeitder folgenden Einzelkomponenten ab(Bild 5).– Biegesteifigkeit des Verbindungsele -

mentes– Verdrehbehinderung des Schrau-

benkopfes am äußeren Deckblech– Einspannung des Verbindungsele-

mentes in die Stahlunterkonstruk-tion

– Lochleibung am inneren Deckblech– Lochleibung am äußeren Deckblech

Zunächst wurden die Steifigkeiten die-ser Einzelkomponenten experimentellermittelt. Werden diese Federkenn-werte in das mechanische Modell derGesamtverbindung (Bild 5) eingesetzt,können Tragfähigkeit und Steifigkeitder Verbindung bestimmt werden.

4.1.2 Biegesteifigkeit des Verbindungselementes

Das Verbindungselement wird sowohlim Bereich des Gewindes als auch imBereich des Schafts durch Biegungbeansprucht, wobei üblicherweise derAnteil im Schaft überwiegt. Die Bie-gesteifigkeit des Verbindungselemen-tes kann daher näherungsweise mitdem Schaftdurchmesser bestimmt wer-den. Eine bleibende Verformung derSchrauben, d. h. Plastizieren, konntein an Verbindungen durchgeführtenVersuchen nicht beobachtet werden,weshalb die Biegesteifigkeit unterVoraus setzung elastischen Verhaltens

Bild 2. Verbindung von Sandwichele-menten mit einer UnterkonstruktionFig. 2. Fastening of sandwich paneland substructure

Bild 3. Verbindung am LängsstoßFig. 3. Fastening at longitudinal joints

Bild 4. Bohrschraube für Verbindun-gen am Längsstoß (Bild: SFS intecGmbH)Fig. 4. Self-drilling screw for fasteningsat longitudinal joints

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S. Käpplein/Th. Ummenhofer · Querkraftbeanspruchte Verbindungen von Sandwichelementen

Stahlbau 80 (2011), Heft 8

ermittelt wird. Der Elastizitätsmodulkann dabei zu E = 200000 N/mm2

angenommen werden. Dieser ent-spricht dem eines nichtrostendenStahls, z. B. 1.4301.

(1)

mitdS Schaftdurchmesser

4.1.3 Einspannung in der Unterkonstruktion

Zur Ermittlung der Steifigkeit derEinspannung in die Unterkonstruk-tion wurden die in Bild 6 abgebilde-ten Biegeversuche durchgeführt und

EI N mmdS= ⋅

⋅200000

642

4

die Steifigkeit C der die Ein spannungin die Unterkonstruktion repräsentie-renden Drehfeder bestimmt. Die Mit-telwerte der Versuchsergebnisse sindin Bild 7 über der Blechdicke aufge-tragen. Die Steifigkeit C hängt etwalinear von der Wurzel der Blechdickeder Unterkonstruktion ab und kannmit der folgenden Formel näherungs-weise bestimmt werden.

(2)

mittsup Dicke der Unterkonstruktiond1 Kerndurchmesser des Verbin -

dungs elements

C N mm t d= ⋅ ⋅2400 215/ sup

4.1.4 Lochleibung am Deckblech

Zur Ermittlung der Steifigkeit kF derdie Deckschicht repräsentierendenWegfeder wurden die auf Bild 8 abge-bildeten Lochleibungsversuche durch-geführt. Da für die Trag fähigkeit einerVerbindung die Lochleibungstragfä -higkeit am inneren Deckblech maß-gebend ist, wurde für diese Kompo-nente die Tragfähigkeit FF bestimmt.In Anlehnung an die Formeln zur Be-stimmung der Grenzlochleibungs-kraft in EN 1993-1-3 wurde aus denErgebnissen der durchgeführten Loch -leibungsversuche der Faktor αF rück-gerechnet.

(3)

mitfu,F Zugfestigkeit der DeckschichttF Kernblechdicke der Deckschichtd1 Kerndurchmesser des Verbin-

dungselements

Nach statistischer Auswertung deraus den Versuchsergebnissen berech-neten Faktoren αF erhält man die fol-genden Gleichungen zur Bestim-mung der Lochleibungstragfähigkeiteines Deckblechs.Mittelwert:

(4)

charakteristischer Wert (5 %-Fraktil-wert):

(5)

F f t dF mean u F F, ,,= ⋅ ⋅ ⋅5 1 31

F f t dF Rk u F F, ,,= ⋅ ⋅ ⋅4 2 31

F f t dF F u F F= ⋅ ⋅ ⋅α ,, ,1 5

10 5Bild 5. Einzelkomponenten einer Verbindung und mechanisches Modell

Fig. 5. Single components of a fastening and mechanical model

Bild 6. Biegeversuch zur Bestimmungder Steifigkeit der Ein spannung in dieUnterkonstruktionFig. 6. Bending test for determinationof stiffness of clamping in the sub -structure

Bild 7. Abhängigkeit der Steifigkeit von der BlechdickeFig. 7. Relationship between stiffness and thickness of substructure

603Stahlbau 80 (2011), Heft 8

S. Käpplein/Th. Ummenhofer · Querkraftbeanspruchte Verbindungen von Sandwichelementen

Die Last-Verschiebungsbeziehung fürdie Lochleibung kann durch den inBild 9 dargestellten bilinearen Nähe-rungsansatz beschrieben werden. Dadie Steifigkeit einer Verbindung übli-cherweise nur für den Bereich derGebrauchslasten benötigt wird, istnur die Steifigkeit kFI des ersten Ab-schnitts der Näherungssekanten fürdie Bemessung relevant.

(6)

4.1.5 Einspannung des Schraubenkopfes

Um die Auswirkung der Verdrehbe-hinderung des Schraubenkopfes an deräußeren Deckschicht zu untersuchen,wurden Versuche an Verbindungendurchgeführt (Bild 10). Ein erster Teilder Verbindungen wurde wie üblichmontiert. Der zweite Teil wurde so ver-schraubt, dass zwischen Deckschichtund Dichtscheibe ein Spalt verblieb.Dadurch konnte sich der Schrauben-kopf frei verdrehen.

In Bild 11 sind einige der in denVersuchen ermittelten Last-Verschie-

kf t d

mm tFIu F F

F

= ⋅⋅ ⋅

+ ⋅6 93

0 26 0 8

31,

, ,,

bungskurven einander gegenüberge-stellt. Es ist zu erkennen, dass die Ein -spannung des Schraubenkopfes im An -

fangsbereich der Kurve keinen Einflusshat. Die Last steigt bei den Verbin-dungen mit eingespanntem Kopf wei-ter an, während bei fehlender Kopf-einspannung näherungsweise ein Pla-teau erreicht wird. Dies ist vermutlichdarauf zurückzuführen, dass bei einerleichten Schiefstellung der Schraubeein Teil der Last nicht mehr aus schließ -lich als Querkraft, sondern auch alsNormalkraft abgetragen wird. Bei denVerbindungen mit Spalt ist das Ent-stehen von Normalkräften jedoch nichtmöglich. Da für die Ermittlung derSteifigkeit nur der erste Teil der Last-Verschiebungskurve relevant ist, wirddie Behinderung der Verdrehung desSchraubenkopfes im Folgenden ver-nachlässigt. Für die Bestimmung derTragfähigkeit liegt dies auf der siche-ren Seite.

4.2 Mechanisches Modell

Bild 5 zeigt das mechanische Modelleiner Verbindung zwischen Sandwich -element und Unterkonstruktion. DieEinspannung in die Unterkonstruktionwird durch eine Drehfeder berück-sichtigt. Die Stützung durch die bei-den Deckschichten, d. h. die Lochlei-bungssteifigkeit, wird durch jeweilseine Wegfeder dargestellt. Wie obenbeschrieben, wird die Einspannungdes Schraubenkopfes vernachlässigt.

Bild 8. Lochlei-bungsversuchFig. 8. Hole elon-gation test

Bild 9. Last-Ver-schiebungskurvefür Lochleibungam DeckblechFig. 9. Load-dis-placement curvefor hole elonga-tion of face sheet

Bild 10. Versuch aneiner VerbindungFig. 10. Test on fa-stenings

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S. Käpplein/Th. Ummenhofer · Querkraftbeanspruchte Verbindungen von Sandwichelementen

Stahlbau 80 (2011), Heft 8

Als Federkennwerte werden die imvorherigen Abschnitt bestimmten Stei-figkeiten angesetzt.

Die Last-Verschiebungsbeziehungder Verbindung wird maßgebend vonder Lochleibung am inneren Deck-blech bestimmt. Daher ergibt sich ent -sprechend der Last-Verschiebungs-kurve für die Lochleibung auch für dieVerbindung eine bilineare Last-Ver-schiebungskurve (Bild 12). Die LastF1 entspricht der Kraft, die in der Ver-bindung vorliegt, wenn an der innerenDeckschicht die Last FF,1 (s. Bild 9)erreicht ist. Ist an der inneren Deck-schicht die Tragfähigkeit FF,Rk er-reicht, ist auch die Tragfähigkeit FRkder Verbindung erreicht.

Im Versuch kann die Last nachErreichen der Loch leibungs trag fä hig -keit weiter gesteigert werden (Bild 13).Dies ist auf ein Schiefstellen der

Schraube und das Entstehen von Zug -normalkräften im Verbindungselementzurückzuführen. Eine Begrenzung derTragfähigkeit der Verbindung durchdie Lochleibungstragfähigkeit liegt aufder sicheren Seite und hat außerdemden Vorteil, dass keine Interaktionzwischen Quer- und Normalkraft zuberücksichtigen ist. Querkräfte bean-spruchen überwiegend die innere, Nor-malkräfte die äußere Deckschicht.

4.3 Einfluss der äußeren Deckschicht

Um den Einfluss der äußeren Deck-schicht abschätzen zu können, wird dieSteifigkeit kvI der Verbindung betrach-tet. In Bild 14 sind für eine beispiel-

hafte Verbindung die Steifigkeiten, diesich für verschiedene Steifigkeiten derdie äu ßere Deckschicht repräsentieren-den Wegfeder ergeben, einander ge-genüber gestellt. Neben den beidenExtremfällen – unverschiebliches Auf -lager und keine Stützung durch dieäußere Deckschicht, d. h. freies Ende –sind auch die Verbindungssteifigkeitenfür eine Steifigkeit der äußeren Deck-schicht, die der der inneren Deck-schicht entspricht, und für eine Stei-figkeit von 10 % der Steifigkeit der in-neren Deckschicht dargestellt. Schonbei einer Steifigkeit der äußeren Deck-schicht von nur 10 % der Steifigkeitder inneren Deckschicht ist der Unter-schied der Verbindungssteifigkeit fürübliche Elementdicken vernachlässig-bar gering. An der äußeren Deckschichtentstehen nur sehr geringe Kräfte. Da -her kann die äußere Deckschicht ver-einfachend in Form eines festen Auf-lagers berücksichtigt werden. Dies hatden Vorteil, dass im mechanischenModell eine Feder weniger zu berück-sichtigen ist. Die Steifigkeit der Ver-bindung ist nur von den Eigenschaf-ten einer Deckschicht abhängig.

4.4 Tragfähigkeit der Verbindung

Die Tragfähigkeit der Verbindung wirddurch die Lochleibungstragfähigkeitder inneren Deckschicht begrenzt. Ver-gleicht man die Tragfähigkeit der Ver-bindung mit der Lochleibungstragfä -higkeit, ergibt sich ein nur äußerst ge-ringer Unterschied. Daher kann dieTragfähigkeit der Verbindung verein-

Bild 11. Vergleich zwischen Verbindungen mit und ohne Ein spannung des Schrau-benkopfesFig. 11. Comparison of fastenings with and without clamping of the head

Bild 12. Last-Verschiebungs beziehungeiner VerbindungFig. 12. Load-displacement relations-hip of a fastening

Bild 13. Im Versuch ermittelte Last-Verschiebungsbeziehung Fig. 13. Load-displacement curve determined by testing

605Stahlbau 80 (2011), Heft 8

S. Käpplein/Th. Ummenhofer · Querkraftbeanspruchte Verbindungen von Sandwichelementen

fachend mit der Lochleibungstragfä -hig keit der inneren Deckschicht gleich-gesetzt werden.

(7)

mittF2 Dicke der inneren Deckschichtfu,F2 Zugfestigkeit der inneren Deck-

schichtd1 Kerndurchmesser des Verbin-

dungselements

4.5 Steifigkeit der Verbindung

Anhand des vorgestellten mechani-schen Modells kann neben der Trag-fähigkeit auch die Steifigkeit der Ver-bindung ermittelt werden. Für den fürdie Bemessung relevanten ersten Ab-schnitt der Last-Verschiebungsbezie-hung ergibt sich folgende Verbindungs-steifigkeit kv.

F t d fRk F u F= ⋅ ⋅ ⋅4 2 23

1 2, ,

(9)

mitd Nenndurchmesser des Verbin-

dungselementestF1 Blechdicke (der äußeren Deck-

schicht)fu,F1 Zugfestigkeit (der äußeren Deck-

schicht)

Die Anwendbarkeit dieser Formelwurde durch Vergleich mit Tragfähig-keitswerten aus [3] überprüft. Bild 16zeigt einen Vergleich der nach Gl. (9)rechnerisch ermittelten Tragfähigkei-ten mit experimentell ermittelten Trag-fähigkeitswerten aus [3]. Abweichendvon den Angaben in EN 1993-1-3wurde für die rechnerische Ermitt-lung der Tragfähigkeit die Mindest-kernblechdicke verwendet. Diese liegtauch den Tragfähigkeitswerten in [3]und anderen Zulassungen für Verbin-dungselemente zugrunde, d. h. die Ver-suchsergebnisse werden auf die Min-destkernblechdicke normiert. Die Min-destkernblechdicke ergibt sich aus derNennblechdicke durch Abzug der hal-ben Toleranz entsprechend EN 10143,Tabelle 2 (normale Grenzabmaße fürNennbreiten > 1500 mm) und derDicke der Zinkschicht (0,04 mm).Entsprechend EN 1993-1-3 darf dieNennkernblechdicke (Nennblechdickeabzüglich der Zinkschicht) als Be-messungsblechdicke angesetzt werden,wenn die besonderen Toleranzen nachDIN EN 10143 eingehalten werden.Die besonderen Toleranzen sind je-doch größer als die halben normalenToleranzen, d. h. bei Einhaltung derhalben normalen Toleranz dürfte mitder Nennkernblechdicke bemessenwerden. Dies liegt insbesondere fürdünne Bleche auf der unsicheren Seite.Beispielweise liegt für eine Verbindungvon Blechen der Nenndecke 0,40 mmdie mit der Nennkernblechdicke be-rechnete Querkrafttragfähigkeit 16 %über der mit der Mindestkernblech-dicke berechneten Tragfä hig keit.

5.2 Steifigkeit der Verbindung

Während die Tragfähigkeit der Ver-bindungen am Längsstoß von Dach-elementen nach EN 1993-1-3 berech-net werden kann oder experimentellermittelte Tragfähigkeitswerte der all-gemeinen bauaufsichtlichen ZulassungZ-14.1-4 sowie den entsprechendenEuropäisch technischen Zulassungen

F f d tRk u F F= ⋅ ⋅ ⋅3 2 1 13, ,

C Steifigkeit der Einspannung in die Unterkonstruktion (Abschnitt 4.1.3)

kF2 Lochleibungssteifigkeit des inneren Deckblechs (Abschnitt 4.1.4)

tsup Dicke der UnterkonstruktionD Dicke des Elementes an der

Stelle der Verbindung

Bild 14. Einfluss der äußeren Deckschicht auf die Steifigkeit der Verbindung Fig. 14. Influence of the external face on the stiffness of a fastening

(8)kxk

t x D t

C

xvF

F

F F

=

++ ⋅ − ⋅ ⋅

⋅+

⋅ −1

2 1

4

3 1

2

2sup sup( ) ( ) ⋅⋅ ⋅ +

⋅D t t

EIsup sup2 3

24

mit

EI Biegesteifigkeit des Verbindungs-elementes (Abschnitt 4.1.2)

xk

D t

C

D t

EI

kDC

DFF

F

= −−

⋅⋅

−⋅⋅

+ +

1

12 8

1

2

2

2

2 2

sup sup

(22 3

6

⋅ + ⋅⋅

D t

EIsup)

Zur Verifikation des vorgestelltenModells wurden Versuche an Verbin-dungen durchgeführt. In Bild 15 sindeinige der in den Versuchen ermittel-ten Last-Verschiebungskurven denberechneten Verläufen gegenüberge-stellt. Insbesondere im für die Bemes-sung relevanten ersten Abschnitt derKurven ist die Übereinstimmung zwi-schen Versuch und Berechnung sehrgut.

5 Verbindungen am Längsstoß5.1 Tragfähigkeit der Verbindung

Die Tragfähigkeit einer Verbindungam Längsstoß kann entsprechend derFormeln in EN 1993-1-3 [4], Ta-belle 8.2 berechnet werden. Da amLängsstoß immer zwei Bleche glei-cher Dicke miteinander verbundenwerden, können die Formeln ausEN 1993-1-3 zu der folgenden For-mel vereinfacht werden.

606

S. Käpplein/Th. Ummenhofer · Querkraftbeanspruchte Verbindungen von Sandwichelementen

Stahlbau 80 (2011), Heft 8

entnommen werden können, sind bis-her keine Angaben zur Steifigkeit derVerbindungen verfügbar. Sollen dieseVerbindungen aber beispielsweise beider Ermittlung der Steifigkeit vonSchubfeldern aus Sandwichelementenbe rücksichtigt werden, ist die Kennt-nis ihrer Steifigkeit notwendig. Daherwurden Versuche an Längsstoßver-bindungen durchgeführt und eine Be-messungsformel zur Ermittlung derVerbindungssteifigkeit entwickelt.

Es wurden die in Bild 17 darge-stellten Versuche durchgeführt. Im Ver-such wurden jeweils zwei Verbindun-gen geprüft. Der überlappende freieSchenkel wird dabei durch einen Stahl-blechstreifen repräsentiert. Ein Teil derProbe körper wurde mit einem 3 mmdicken Dichtband montiert. Dies hatte

jedoch weder auf die Tragfähigkeit,noch auf die Steifigkeit der Verbin-dung einen nennenswerten Einflussund wurde daher bei der Versuchs-auswertung nicht weiter berücksich-tigt. Die Steifigkeit wird lediglich fürden Bereich der Gebrauchslasten be -nötigt. Die maximalen Gebrauchsla-sten liegen üblicherweise etwa bei derHälfte der charakteristischen Trag-fähigkeit und damit im linearen An -fangsbereich der Last-Verschiebungs-kurve. Für die durchgeführten Versu-che wurde die Steifigkeit kv bestimmt.

(10)

mitFRk charakteristische Tragfähigkeit

nach Gl. (9)

Die Steifigkeit kv hängt etwa linearvon der Blechdicke und vom Nenn-durchmesser der Schraube ab. Diesist auf Bild 18 zu erkennen, wo dieMittelwerte des Quotienten aus Stei-figkeit kv und Blechdicke über demNenndurchmesser der Verbindungs-elemente aufge tragen sind. Die Stei-figkeit einer Verbindung am Längs-stoß kann damit nach der folgendenFormel berechnet werden.

(11)

mitd Nenndurchmesser des Verbin-

dungselementestF1 Blechdicke der äußeren Deck-

schicht

k N mm t dv F= ⋅ ⋅1900 31/

kF

f FvRk

Rk

=⋅⋅

0 50 5,

( , )Bild 15. Vergleich zwischen Versuch und BerechnungFig. 15. Comparison of test and calculation

Bild 16. Tragfähigkeit von Verbindungen am LängsstoßFig. 16. Load-bearing capacity of fastenings at longitudinal joints

Bild 17. Versuche anLängsstoßbefestigernFig. 17. Test on fasten ingsat longitudinal joints

607Stahlbau 80 (2011), Heft 8

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6 Zusammenfassung

Die Tragfähigkeit der Verbindungenvon Sandwichelementen wird üblicher-weise experimentell ermittelt. Bisherexistiert nur für die Verbindungen amLängsstoß, aber nicht für die Verbin-dungen zwischen Element und Unter-konstruktion ein Ansatz zur rechneri-schen Ermittlung der Tragfähigkeit. An-gaben zur Steifigkeit der Verbindungenwaren bisher nicht verfügbar. Es wurdeein mechanisches Modell zur Ermitt-lung von Tragfähigkeit und Steifigkeitder Verbindungen zwischen Elementund Unterkonstruktion vorgestellt unddie zur Anwendung be nötigten Feder-

kennwerte wurden experimentell er-mittelt. Für die Verbindungen an denLängsstößen von Dach elementenwurde ebenfalls eine Formel zur rech-nerischen Bestimmung der Verbin-dungssteifigkeit entwickelt. Die Trag-fähigkeit dieser Verbindungen kannnach EN 1993-1-3 bestimmt werden.Zusammen mit den bereits vorhande-nen Modellen zur Bemessung vonSchubfeldern aus Sandwichelementen[1] ist es mithilfe dieser Steifigkeits- undTragfähigkeitswerte möglich, die aus-steifende und stabilisierende Wirkungder Elemente bei der Bemessung anzu-setzen sowie die Verbindungen der Ele-mente entsprechend zu bemessen.

Die vorgestellten Untersuchun-gen wurden im Rahmen des ProjektesEASIE an der Versuchsanstalt fürStahl, Holz und Steine durchgeführt.Das Projekt EASIE erhält finanzielleUnterstützung aus dem siebten Rah-menprogramm FP7/NMP2-SE-2008der Europäischen Union (grant agree-ment No. 213302). Die Firmen EJOTBaubefestigungen GmbH und SFS in-tec GmbH haben für die experimen-tellen Untersuchungen Verbindungs-elemente zur Verfügung gestellt. Fürdiese Unterstützung bedanken wir uns.

Literatur

[1] Käpplein, S., Misiek, T., Ummenhofer,T.: Aussteifung und Stabilisierung vonBauteilen und Tragwerken durch Sand -wich elemente. Stahlbau 79 (2010), S.336–344.

[2] Z-14.4-407: Gewindeformende Schrau-ben zur Verbindung von Sandwichele-menten mit Unterkonstruktionen ausStahl oder Holz, Deutsches Institut fürBautechnik, Berlin, 2006.

[3] Z-14.1-4: Verbindungselemente zurVerbindung von Bauteilen im Metall-leichtbau. Deutsches Institut für Bau-technik, Berlin, 2005.

[4] EN 1993-1-3:2006: Eurocode 3: Be-messung und Konstruktion von Stahl-bauten – Teil 1-3: Allgemeine Regeln –Ergänzende Regeln für kaltgeformtedünnwandige Bauteile und Bleche.

Autoren dieses Beitrages:Dipl.-Ing. Saskia Käpplein, [email protected],Univ.-Prof. Dr.-Ing. Thomas Ummenhofer, [email protected],beide Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Otto-Ammann-Platz 1, 76131 Karlsruhe

Bild 18. Steifigkeit von Verbindungen am LängsstoßFig. 18. Stiffness of fastenings at longitudinal joints