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sprechendes gilt jedoch auch für die Dinge und sogar für soziale Funktionen. 'Wir haben bereits gesehen, in welcher Weise sie auf die Himmelsrichtungenla6 verteilt sind; diese Gliederung redu- ziert sich in 'Wirklichkeit auf eine Aufteilung unrer die verschie- denen Klane. Die genannten Funktionen werden nämlich fak- tisch von religiösen Bruderschaften wahrgenommen, die in al- lem, was die betreffenden Dienste betrifft, an die Stelle der Klane getreten sind. Die Bruderschaften rekrurieren ihre Mitglieder nun zwar nicht ausschließlich, wohi aber in der Regel aus den Kla- nen, die derselben'Weltregion zugeordnet sind wie die jeweiligen Funktionen.laT So sind die Gesellschaften des Messers, des Eis- pickels und des Kaktus als die Bruderschaften des Krieges "nicht mit absoluter Strenge, aber doch im Prinzip" in den Klanen des Nordens zusammengefaßt; dte Klane des 'W'estens umfassen die Leute des Opfers, des Bogens und der Jagd; in denen des Ostens sind "die Priester des Priesterstandes.., die des Baumwollflaums und die des Riesenvogels, welche die Bruderschaft des großen Tanzes bilde¡ (Magie und Religion); in den Klanen des Südens schließlich'sind die Gesellschafren des großen Feuers oder der Glut zusammengeÍaßt, deren Funktionen nicht erwähnt sind, die aber mit grðißter'Wahrscheinlichkeit für Ackerbau und Heilkunst zuständig sein dürften.la8 Genaugenommen läßt sich nicht mit einem Wort sagen, die Dinge und Lebewesen würden nach Kla- nen oder aber nach Himmelsrichtungen klassifiziert; vielmehr erfolgt die Klassifikation nach Klanen, die den Himmelsrichtun- gen zugeordnet sind. Demnach ist dieses System keineswegs durch Abgründe vom :ru- stralischen System gerrennt. So unterschiedlich eine Klassifika- tion nach Klanen und eine Kiassifikation nach de¡ Himmelsrich- So¡nmers und des Südens den Süd-Leuten zugehören und die des Winters und des Nordens den Winter-Leuten(, usw. 146 }.fit uHimmelsrichrungo sei hier und im folgenden abgekürzt die durch eine Himmelsrichtung gekennzeichnete Region benannr. r47 F.H. Cushing, "Zuñi Creation Myths", a. a. O., S. 17r, 187 f.. r48 Überall in Amerika besteht ein Zusammenhang zwischen der Wär- me, insbesondere der Wärme der Sonne, und Ackerbau sowie Heil- kunst. - Die Bruderschaften, die der oberen und der unteren Region zugeordnet sind,.haben die Funktion, Leben zu erzeugen und zu erhalten. zr6 tungen im Grundsatz auch sein mögen. bei den Zufi iJberlagern sie einander und gelangen gar vollkommen zur Deckung. 'Wir können sogar noch weiter gehen: Verschiedene Umstände zeigen, daß die Klassifikation nach Klanen die ältere von beiden ist und bei der Herausbildung der zweiten Klassifikation gewissermaßen als Vorbild gedient hat. r. Die Aufteilung der 'Welt nach den Himmelsrichtungen hat nicht immer so ausgesehen, wie sie sich seit einer gewissen Zeit ¡ darbietet. Sie hat eine Geschichte, deren wichtigste Phasen re- / konstruiert werden können. Vor der Aufteilung in sieben Teile ¿ gab es mit Sicherheit eine sechsfache Gliederung, von der noch i Spuren erhalten geblieben sind.lae Und vor der sechsfachen Glie-r derung gab es eine Aufteilung in vier Teile, die den vier Haupt- richtungen der Windrose entsprachen. Zweifellos liegt hier dier Erklärung für die Taçsache, daß die Zuii nur vier Elemente un- , terschieden, die in vier Regionen angesiedelt waren.150 Um so bemerkenswerte¡ ist nun, daß diesen Abwandlungen in der Klassifikation nach den Himmelsrichtungen genau parallele Variationen in der Klassifikation nach Klanen entsprechen. Es ist häufig von einer Aufteilung in sechs l(ane die Rede, die der Aufteilung in sieben Klane offenbar vorausgegangen ist: Aus eben diesem Grunde rekrutieren sich die Hohenpriester, die den Stamm in der Bruderschaft des Messers vertreten sollen, âus nur sechs Klanen. Schließlich ging der Aufteilung in sechs Klane ih- rerseits eine Aufteilung in zwei Urklane oder Phratrien voraus, die den gesamten Stamm abdeckten; wir werden dies später noch belegen.151 Die Aufteilung eines Stamnres in zwei Phratrien ent- spricht in der Tat einem Tableau, das in die vier Hauptrichtungen der'Wind¡ose zerÍällt. Eine Phratrie nirnrnt den Nqrden ein, die r49 Wir wissen, daß der Begriff der Mine :elariv neuen Ursprungs ist. Die Mitte wurde zu einem bestimmten Zeiçunkt "gefunden" (F. H. Cushing, "Zuñi Creation Mythso, a. a. C., S. 388, 39o, j98f.,4o3, tr" ä"!:;:'i.trr.Die beiden folsenden passasen sind in dieser Hin- sicht überaus aufschlußreich: "Sie trugen die Röhren der verborge- nen Dinge, vier an Zahl - entsprechend den vier Regionen der Menschen.u "Sie trugen die Orakelräder, vier anZahl - entspre- chend den vier Regionen der Menschen.n r5r Siehe unten S. ezr f. zr7

r. · 2016. 1. 20. · richtungen der Windrose entsprachen. Zweifellos liegt hier dier Erklärung für die Taçsache, daß die Zuii nur vier Elemente un- , terschieden, die in vier

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sprechendes gilt jedoch auch für die Dinge und sogar für sozialeFunktionen. 'Wir haben bereits gesehen, in welcher Weise sie aufdie Himmelsrichtungenla6 verteilt sind; diese Gliederung redu-ziert sich in 'Wirklichkeit

auf eine Aufteilung unrer die verschie-denen Klane. Die genannten Funktionen werden nämlich fak-tisch von religiösen Bruderschaften wahrgenommen, die in al-lem, was die betreffenden Dienste betrifft, an die Stelle der Klanegetreten sind. Die Bruderschaften rekrurieren ihre Mitglieder nunzwar nicht ausschließlich, wohi aber in der Regel aus den Kla-nen, die derselben'Weltregion zugeordnet sind wie die jeweiligenFunktionen.laT So sind die Gesellschaften des Messers, des Eis-pickels und des Kaktus als die Bruderschaften des Krieges "nichtmit absoluter Strenge, aber doch im Prinzip" in den Klanen desNordens zusammengefaßt; dte Klane des

'W'estens umfassen dieLeute des Opfers, des Bogens und der Jagd; in denen des Ostenssind "die Priester des Priesterstandes.., die des Baumwollflaumsund die des Riesenvogels, welche die Bruderschaft des großenTanzes bilde¡ (Magie und Religion); in den Klanen des Südensschließlich'sind die Gesellschafren des großen Feuers oder derGlut zusammengeÍaßt, deren Funktionen nicht erwähnt sind, dieaber mit grðißter'Wahrscheinlichkeit für Ackerbau und Heilkunstzuständig sein dürften.la8 Genaugenommen läßt sich nicht miteinem Wort sagen, die Dinge und Lebewesen würden nach Kla-nen oder aber nach Himmelsrichtungen klassifiziert; vielmehrerfolgt die Klassifikation nach Klanen, die den Himmelsrichtun-gen zugeordnet sind.Demnach ist dieses System keineswegs durch Abgründe vom :ru-stralischen System gerrennt. So unterschiedlich eine Klassifika-tion nach Klanen und eine Kiassifikation nach de¡ Himmelsrich-

So¡nmers und des Südens den Süd-Leuten zugehören und die desWinters und des Nordens den Winter-Leuten(, usw.

146 }.fit uHimmelsrichrungo sei hier und im folgenden abgekürzt diedurch eine Himmelsrichtung gekennzeichnete Region benannr.

r47 F.H. Cushing, "Zuñi Creation Myths", a. a. O., S. 17r, 187 f..r48 Überall in Amerika besteht ein Zusammenhang zwischen der Wär-

me, insbesondere der Wärme der Sonne, und Ackerbau sowie Heil-kunst. - Die Bruderschaften, die der oberen und der unteren Regionzugeordnet sind,.haben die Funktion, Leben zu erzeugen und zuerhalten.

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tungen im Grundsatz auch sein mögen. bei den Zufi iJberlagernsie einander und gelangen gar vollkommen zur Deckung. 'Wir

können sogar noch weiter gehen: Verschiedene Umstände zeigen,daß die Klassifikation nach Klanen die ältere von beiden ist undbei der Herausbildung der zweiten Klassifikation gewissermaßenals Vorbild gedient hat.r. Die Aufteilung der 'Welt nach den Himmelsrichtungen hatnicht immer so ausgesehen, wie sie sich seit einer gewissen Zeit ¡

darbietet. Sie hat eine Geschichte, deren wichtigste Phasen re- /konstruiert werden können. Vor der Aufteilung in sieben Teile

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gab es mit Sicherheit eine sechsfache Gliederung, von der noch iSpuren erhalten geblieben sind.lae Und vor der sechsfachen Glie-rderung gab es eine Aufteilung in vier Teile, die den vier Haupt-richtungen der Windrose entsprachen. Zweifellos liegt hier dierErklärung für die Taçsache, daß die Zuii nur vier Elemente un- ,

terschieden, die in vier Regionen angesiedelt waren.150

Um so bemerkenswerte¡ ist nun, daß diesen Abwandlungen inder Klassifikation nach den Himmelsrichtungen genau paralleleVariationen in der Klassifikation nach Klanen entsprechen. Es isthäufig von einer Aufteilung in sechs l(ane die Rede, die derAufteilung in sieben Klane offenbar vorausgegangen ist: Auseben diesem Grunde rekrutieren sich die Hohenpriester, die denStamm in der Bruderschaft des Messers vertreten sollen, âus nursechs Klanen. Schließlich ging der Aufteilung in sechs Klane ih-rerseits eine Aufteilung in zwei Urklane oder Phratrien voraus,die den gesamten Stamm abdeckten; wir werden dies später nochbelegen.151 Die Aufteilung eines Stamnres in zwei Phratrien ent-spricht in der Tat einem Tableau, das in die vier Hauptrichtungender'Wind¡ose zerÍällt. Eine Phratrie nirnrnt den Nqrden ein, die

r49 Wir wissen, daß der Begriff der Mine :elariv neuen Ursprungs ist.Die Mitte wurde zu einem bestimmten Zeiçunkt "gefunden" (F. H.Cushing, "Zuñi Creation Mythso, a. a. C., S. 388, 39o, j98f.,4o3,

tr" ä"!:;:'i.trr.Die beiden folsenden passasen sind in dieser Hin-sicht überaus aufschlußreich: "Sie trugen die Röhren der verborge-nen Dinge, vier an Zahl - entsprechend den vier Regionen derMenschen.u "Sie trugen die Orakelräder, vier anZahl - entspre-chend den vier Regionen der Menschen.n

r5r Siehe unten S. ezr f.

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andere den Süden, und zwischen ihnen befindet sich eine Tren-nungslinie, die von Osten nach'W'esten verläuft. Bei den Siourkönnen wir solch eine Beziehung zwischen der sozialen Organi-sation und der Unterscheidung zwischen den vier Haupthim-melsrichtungen explizit beobachten.z.Daß die Klassifikation nach den Himmelsrichtungen der Klas-sifikation nach Klanen ersr zu einem späteren Zeitpunkt überge-stülpt worden ist, können wir aus der Tatsache ersehen, daß sie

j sich der ursprünglichen Klassifikarion nur schlecht und um denj Preis eines Kompromisses anzupassen vermochte. Hält man sichj an das Prinzip, auf dem das ersre System beruht, so müßteneigentlich sämtliche Verrreter einer Art ein und derselben Regionzugeordnet sein; zum Beispiel müßten alle Adle¡ der oberen Re-gion angehören. Die Zuñi aber wußten sehr wohl, daß es in allenRegionen Adler gibt. So dachte man sich denn, daß jede Art einebevorzugte Wohnstart habe, daß sie dort und nur dort in ihrerausge2eichneten, vollkommenen Gestalt existiere. Zugleich abernahm man an, daß eben diese Art auch in den übrigen Regionenihre Vertreter habe, die freilich kleiner und weniger prachwollseien und sich voneinander dadurch unterschieden, daß sie je-weils die für die betref{ende Region typische Farbe hätten. Sogibt es neben dem im Zerut beheimateten Adler noch Fetisch-Adler für alle übrigen Regionen: den gelben, den blauen, denweißen und den schwarzen Adler.152 Jeder dieser Adler hat inseiner Region alle Eigenschaften, die dem Adler schlechthin zuge-schrieben werden. Es ist durchaus möglich, den Weg nachzuvoll-ziehen, der die Zuñi zu dieser komplexen Vorsrellung gefrihrrhat. Zunächst wurden die Dinge nach Klanen klassifizierr; jedeTierart wurde entsprechend als ganze einem bestimmten Klanzugeordnet. Aus dieser vollkommenen Zuordnung ergaben siçhkeinerlei Schwierigkeiten, denn die Vorstellung, wonach eineganze Art in einem Verwandtschaftsverhältnis zu einer bestimm-ten Gruppe von Menschen sreht, birgt keinen Widerspruch. Alsjedoch die Klassifikation nach den Himmelsrichtungen entstandund vor allem als sie die ursprüngliche Klassifikation an Bedeu-tung überflügelte, da tat sich ein echter 'Widerspruch auf; dieTatsachen widerserzten sich allzu offenkundig einer mir dem An-

spruch auf Ausschließlichkeit auftretenden Lokalisierung. Es wardaher unabdingbar, daß die Arten zwar zuvördersr wie im altenSystem auf einen einzigen Punkt konzentriert blieben, daß sie

aber jeweils eine Diversifizierung erfuhren, damit sie sich in se-

kundären Formen und unter abgewandelten Aspekten in sämtli-che Richtungen ausbreiten konnten.

3. Gelegentlich stellt man fest, daß Dinge direkt den Klanenzugeordnet sind oder zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergan-genheit zugeordnet wurden und daß sie mit den zugehörigenHimmelsrichtungen nur über .diese Klane in Verbindung ste-hen.Zu Anfang, als die sechs Urklane sich noch nicht weiter aufge-spaltet hatten, mußten die Dinge, die später dann zu den Totemsder neu entstehenden Klane wurden, natürlich jeweils einem derUrklane als Subtotems angehören und dem Totem dieses Klansuntergeordnet sein. Sie waren dessen Unterarten.

r5z F.H. Cushing, "Zuñi Fetishes<<, a.a.O., S. 18,24f., Tafeln III-VL:-

ztB

Eine solche unmittelbare Unterordnung finden wir auch heutenoch bei einer bestimmten Gruppe von Lebewesen, dem Jagd-wild nämlich. Sämtliche Jagdwildarten sind auf sechs,Klassenverteilt, und jede dieser Klassen soll einem bestimmten Raubtierunterstehen. Jedes der Tiere, denen diese Vorrangstellung zuge-sprochen wird, bewohnt eine der Regionen: den Norden dergelbe Puma; den Westen der dunkelfarbene Bär; den Süden derschwarz-weiße Dachs;153 den Osten der weiße'Wolf; den Zenitder Adler und den Nadir der Maulwurf, der schwarz ist wie dieAbgründe der Erde. Die Seele dieser Tiere soll in kleinen Stein-konkretionen wohnen, in deren Gestalt man sie wiederzuerken-nen glaubt und die man mit der jeweils charakteristischen Farbebemalt, wenn sie nicht schon von Natur aus entsprechend ge-färbt sind.15a Dem Bären zum Beispiel unrersrehen u. a. der Kojo-

r53 Die Begründung, welche dieZuirifür diese Zuordnung des Dachsesgeben, zeigt, wie sehr solche Ideenverknüpfungen von Ursachenabhängen, die mit der inneren Natur der solcherart verknüpftenDinge nur sehr wenig zu tun haben. Der Süden hat Rot zur Farbe,und man sagt, der Dachs gehöre zum Süden, weil er schwarz undweiß, Rot dagegen weder schwarz noch weiß ist ("Zuñi Ferisheso,S. r7). Offensichtlich folgt diese Ideenverbindung einer Logik, diesich von der unsrigen ganz entschieden unterscheidet.

r54 Ebenda, S. 15.

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te und das Bergschaf.l5s'lVill man nun eine reiche Kojotenjagd oderden Fortbestand dieser Tierart sicherstellen, so wendet man denBärenfetisch nach festgelegten Ritualen an.156 Bemerkenswert isthier, daß von diesen sechs Tieren drei noch existierenden Klanen alsTotem dienen und daß sie hinsichdich der Himmelsrichrungenebenso eingestuft werden wie diese Klane; dabei handelt es sich umden Bären, den Dachs und den Adler. Andererseits ist der Pumalediglich Ersatz für den Kojoten, der ursprünglich das Totem einesder Klane des Nordens gewesenwar.l5TAls der Kojote nach'Westenabwanderte, hinterließ er im Norden zum Ersatz eine der ihmverwandten Tierarten. Es gab also eine Zeit, davier dieser ausge-zeichneten Tiere zugleich Totemtiere waren.'Was den Maulwurfund den weißen Wolf betrifft, so isr anzumerken, daß es sich beikeinem der Tiere, die in den beiden zugehörigen Regionen (demOsten und dem Nadir) als Totems fungieren, um Raubtiere han-delt.158 Daher mußte ein Ersatz für sie gefunden werden.1)

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Die verschiedenen Arten vonJagdwild unterstehen also direkt denTotems oder deren jeweiligem Substitut. Erst über die Totemserhalten sie ihre Verbindung zu den zugehörigen Himmelsrichtun-gen. Daraus folgt, daß die Klassifikarion der Dinge nach denTotems, also nach den Klanen, älter ist als die zweire Kiassifika-tion.

r55 Die Aufteilung des i7ildes auf die sechs Raubtiere (siehe 'ZuñiFetishes", S. 16) wird in mehre¡en Mythen beschrieben, die nicht inallen Einzelheiten übereinstimmen, aber auf denselben G¡undsätzenbe¡uhen. Die Widerspniche lassen sich indessen leicht durch dieVeränderungen erklären, welche die Ausrichtung der Klane im Laufeder Zeit erfah¡en hat.

r56 Die sechs Ferisch-Tiere sind mit zwei Ausnahmen identisch mit densechs Raubtieren der Mythen. Die beiden Ausnahmen ergeben sicheinfach daraus, daß zwei Tierarten durch zwei andere, ihnen ver-wandte A¡ten ersetzt worden sind.

r 57 Der Beweis liegt in der Tatsache, daß der Fetisch des gelben Kojoten,der dem Norden als sekundäre Art zugeordnet ist, dennoch im Ranghöher steht als der Fetisch des blaùèn Kojoten, der dem Westenangehört (ebenda, S.26, 3t).

r 58 Zwarbehndet sich unter den Totems des Nadir auch die Schlange, dienach unseren heutigen Vorstellungen durchaus als Raubtier geltenkann, doch die Zuñi sehen dies îicht so. Für sie kônnen nur Tiere, diemit K¡allen ausgestatter sind, Raubtiere sein.

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Noch aus einem weiteren Blickwinkel geht diese zeitiiche Priori-rät aus den genannten Mythen hervor. Die sechs Raubtiere sindnicht nur über das Jagdwild gestellt, sondern auch über die sechs

Weltregionen; jedem von ihnen ist einer der sechs Weltteile zuge-

wiesen, den es in seine Obhut nimmt.lse Nu¡ über dieses Tiervermögen die Lebewesen in der betreffenden Region mit dem

göttlichen Schöpfer der Menschen zu kommunizieren. Die Re-gion und alles, was mit ihr zusammenhängf, stehen also in einer

Art Abhängigkeitsverhältnis zu den Totemtieren, \Mas ganz vn-denkbar wäre, wenn die Klassifikation nach den Himmelsrich-rungen von jeher bestanden hätte.Unterhalb der Klassifikation nach den Himmelsrichtungen, die

zunächst als einzige erkennbar war, stoßen wir also auf eine

zweite, die in allen Punkten mit jenen Klassifikationsformenübereinstimmt, welche wir in Australien beobachtet haben. DieseÜbereinstimmung ist sogar noch vollkommener, als es nach dem

bisher Gesagten erscheinen mag, denn die Dinge wurden nichtnur irgendwann einmal direkt nach Klanen klassifiziert; diese

Klane waren zudem ihrerseits ganz wie in den australischen Ge-sellschaften auf zwei Phratrien aufgeteilt. Das geht mit allerDeutlichkeit aus einem Mythos hervor, von dem Cushing berich-tet.160 Der erste Hohepriester oðer Zauberer, so erzählen dieZuñi, brachte den gerade ans Licht gekommenen Menschen zweiPaar Eier; das eine Paar war yon einem wunderbar tiefen Blau,wie der Himmel es zeigt; das andere war dunkelrot wie die Mut-ter Erde. Er sagte, in dem einen Paar sei der Sommer, im anderender 'Winter, und er forderte die Menschen auf, zwischen denbeiden zu wählen. Die ersten, die ihre Wahl trafen, entschiedensich für die blauen Eier. Sie freuten sich sehr, daß die Jungen, diedaraus schlüpften, keine Federn hatten. Doch als diese heran-wuchsen, wurden sie schwarz. Es waren Raben, deren Nachkom-men - eine wahre Plage - nach Norden zogen. Die anderen, diesich für die roten Eier entschieden hatten, sahen den strahlendenMacaw-Papagei daraus hervorschlüpfen; ihnen fielen als Erbteildie Samen, die Wärme und der Friede zu. 'iAuf diese Weise", soheißt es in dem Mythos weiter, "teilte sich unser Volk in die

r59 Ebenda, S. rBf.16o F.H. Cushing, "Zuñi Creation Myths", a.a. O., S. 38aff.

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Leute des Winters und die Leute des Sommers. . . Die einen wur-den Macaw-Papageien, Verwandte des Macaw oder Mula-kwe,die anderen wurden Raben oder Kâ-ka-kwe..161 Ursprünglichwar die Gesellschaft also in zwei Phratrien aufgeteilt, deren eineim Norden, de¡en andere im Süden angesiedelt war. Als Totemhatte die eine den Raben, der heute verschwunden ist, die andere'den Macaw-Papagei, den es immer noch gibt.162 Die Mythologiehat sogar die Erinnerung an die Aufteilung der einzelnen Phra-trien in Klane bewah.t.t" J. nach ihrer Natur, ihren Vorliebenund ihren Fähigkeiten wurden die Menschen des Nordens oderdes Raben - so der Mythos - zu Bären-, Kojoten-, Damhirsch-oder Kranich-Menschen, und Entsprechendes gilt für die Men-schen des Südens oder des Macaw-Papageis. Als die Klane dannbestanden, teilten sie auch die Wesensmerkmale der Dinge unter-einander auf: Den Elchen fielen zum Beispiel die Samen des Ha-gels und des Schnees zu, den Krötenklanen die Samen des Was-sers usw. - ein weiterer Beleg dafür, daß die Dinge ursprünglichnach Klanen und Totems klassifiziert wurden.Nach alledem dürfen wir davon ausgehen, daß es sich beim Sy-stem der Zulú16a in Wirklichkeir um eine komplexe \Veiterent-

16r Das Wort Kâ-ka-kwe scheint uns led.iglich der alte Name für denRaben zu sein. Sollte das zutreffen, so wären damit alle Fragengelöst, die sich aus der Etymologie dieses 'Wortes und dem Ur-sprung des Kâ-ka-kwe-Festes ergeben. Siehe Jesse Walter Fewkes,

"Tusayan Katcinaso, in r5th Reþort of tbe Bureau of AmericanEthnology, 1897, S. 265, Anm. z.

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t6z Der Papageienklan, der heure als einziger der Region der Mittezugeordnet ist, war also ursprünglich der erste und Urklan derPhratrie des Sommers.

rQ F.H. Cushing, "Zuñi Creation Myths., a.a.O.,S. 3g6; vgl. S. 4o5,425 f.

t64 Wk sprechen hier vom Sysrem der Zufli, weil es bei ihnen ambesten und vollständigsten beobachtet worden ist. !7ir könnennicht mit letzte¡ Gewißheit behaupten, daß die übrigen pueblo-Indianer 2ihnlich verfahren seien, doch wir sind davon überzeug,daß die Forschungen, die Fewkes, Bourke, Stevenson und Dorseygegenwärtig beí diesen ande¡en Völkern durchführen, ähnliche Er_gebnisse zeitigen werden. Sicher ist indessen, daß man bei den Hopivon !Øalpi und Tusafan neun Klangruppen findet, die denen dãrZnfi analog sind; der erste Klan jeder Gruppe hat denselben Na_

men wie die ganze betreffende Gruppe - ein Beleg dafür, daß diese

Gruppen durch Segmentierung aus einem U¡klan hervorgegangensind (siehe Victor Mindeleff, "¡ Study of Pueblo A¡chitecrure inTusayan and Cibola", in: 8th Report of the Bureau of AmericanEthnology, t886-r887, erschienen r88r, S. rz). Diese neun Grup-pen umfassen eine Unzahl von Subtotems, welche die gesamte Na-fur zu erschöpfen scheinen. Andererseits wird ausdrücklich er-wähnt, daß diese Klane im Mythos mit bestimmten Himmelsrich-tungen verbunden sind. So kam der Klan der Klapperschlange aus

dem l7esten und dem Norden und umfaßt eine Reihe von Dingen,die dadurch ihrerseits eine Ausrichrung erfahren; dazu gehören di-verse Kaktusarten, die Taube und das Murmeltier. Von Osten kamdie Klangruppe, die das Horn zum Totem hat; sie umfaßt die Anti-lope, den Damhirsch und das Bergschaf. Jede Gruppe stammt aus

einer Region mit eindeutiger Zuordnung zu ðen Himmelsrichrun-gen. Andererseits entspricht die Farbsymbolik genau de¡ bei denZuñi beobachteten (siehe'W. Fewkes, "Tusayan Katcinasn, a.a.O.,S. 267 ff.; - vgl. Garrick Mallery, "Pictog¡aphs of the North Ame-rican Indians" , in: 5th Report of the Bureau of American Ethnolo-gy, S. 56). Schließlich sind auch die Raubtiere und das.!7ild wie beiden Zuñi auf die Regionen verteilt - freilich mit dem Unterschied,daß die Regionen nicht den Haupthimmelsrichtungen entsprechen.Das zerfallene Pueblo von Sia scheint ein recht eindeutiges Erinne-rungsstück an diese A¡t kollektiven Denkens bewahrt zu haben

' (siehe Matilda Coxe Stevenson, ',The Si4", in: r5th Report of theBureriu of American Ethnology, S. z8 f., j2,38,4r).Daß die Dingedort zuerst nach Klanen und dann nach Regionen eingeteilt wur-den, geht aus der Tatsache hervor, daß in jeder Region die Darstel-lung eines der göttlichen Tiere zu finden ist. Heute existieren dieKlane jedoch nur noch als Relikte.Wir glauben, daß man bei den Navahos ähnliche Klassifikations-methoden würde finden können (siehe Washington Matthews,

"The Navaho Mountain Chant", in: tfih Report of the Bureau ofArnerican Ethnology, r883-r884, S. 448f.; vgl. A.W. Buckland,>Points of Contact between Old Vorld and Customs of the Nava-ho Mountain Chanto, in: J.A.I-, XXVI, r893, S- yÐ.Ilir sind'gleichfalls der Überzeugung, ohne es hier beweisen zu können, daßzahlreiche Elemente aus den Symbolwelten der Huichol (vgl. weiterunten den Bericht von Carl Lumholtz, Syrnbolism of the Huichollndians, New York rgoo) wie auch der Azteken, dieser ,anderenPueblo-Indianer., wie Lewis H. Morgan sagt (Ancient History,S.t9Ð, eine befriedigende Erklärung in Tatsachen dieser Art fin-

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wicklung des australischen Systems handelt.Der Beweis, daß derbehauptete Zusammenhang tatsächlich existiert, liegt aber in derTatsache, daß es möglich ist, die Zwischenglieder zu benennen,welche die beiden Extremzustände verbinden, und damit aufzu-zeigen, wie das zweite System aus dem ersten hervorgegangenist.Der Sioux-Stamm der Omaha, den Dorsey beschrieben hat,165

befindet sich genau in dieser Zwischensituation: Die Klassifika-tion der Dinge nach Klanen ist - und vor allem war - dort nochdeutlich ausgeprägt, während die systematische Vorstellung derRegionen sich gerade erst herausbildet.Der Stamm ist in zwei Phratrien aufgeteilt, die jeweils fünf Klaneumfassen. Diese Klane rekrutieren sich ausschließlich entlang dermännlichen Abstammungslinie, woraus man schließen darf, daßdie totemistische Organisation im engereq Sinne und der Totem-kult dort im Verfall begriffen sind.166 Die einzelnen Klane sindwiederum in Unterklane aufgeteilt, die sich zum Teil ihrerseitsnochmals untergliedern. Dorsey macht keine Angaben darüber,ob diese verschiedenen Gruppen die Welt vollständig unter sichaufteilen. Doch auch wenn die Klassifikation nicht erschöpfendsein - und vielleicht sogar niemals erschöpfend gewesen sein -sollte, so muß sie doch, zumindest in der Vergangenheit, äußerstumfassend gewesen sein. Das jedenfalls zeigt der einzige Klan,der vollständig erhalten geblieben ist, der Chatada-Klan, der zurersten Phratrie gehört.167 Die übrigen Klane lassen wir hier bei-

den könnten. Darauf haben im übrigen Powell, Mallery und CyrusThomas bereits hingewiesen.

165 J. Owen Dorsey, ,Omaha Sociologyu, in: jrd Report of the Bureauof American Ethnology, r88z-r883, S. zrr ff.; ders., "A Study ofSiouan Cults", inz tfib Report.. ., r89o, S. 35off.; "Siouan Socio-logy", in: r 5th Reþort .. ., S. zo5 ff. Vgl. die Publikation von Tex-ten der Teton (Dakota), Omaha und Osage, in: Contributions toNorth-American Ethnology, Bd. IIL z. Teil, und Bd. VI, r. Teil;

J. Kohler, Zur Urgeschichte der Ehe, Sruttgart 1897.166 Garv allgemein erfährt der Totemkult dort, wo die Abstammung

patrilinear verläuft, eine Schwächung und tendiert dahin, ganz zuverschwinden (siehe Emiie Durkheim, "La prohibition de I'ince-ste.

" in: L' Année sociologique, I, S. z3 ). ln der Tat weisíDorsey auf

den.Zerfall der Totemkulte hin ("Siouan Cults", a. a. O., S. ¡St).r67 Siehe J. O. Dorsey, "Siouan Sociology", a. a.O.,S. zz6.Es scheint

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seite; sie sind wahrscheinlich verstümmelt und böten uns im ùb-rigen wohl dasselbe Bild, nur auf einem etwas niedrigeren Kom-plexitätsniveau.Die Bedeutung des'W'ortes, mit dem der Klan bezeichnet wird, istungewiß; wir besitzen jedoch eine recht vollständige Liste derDinge und Lebewesen, die'ihm zugeordnet sind. Er umfaßt vierUnterklane, die ihrerseits wiederum in Sektionen unterteiltsind.168

Der erste Unterklan ist der des Schwarzbären. Er umfaßt denSchwarzbären, den Waschbären, den Grizzlybären und das Sta-

chelschwein, bei denen es sich offenbar um Sektionstotems han-delt.Der zweite Unterklan ist der Klan "der Leute, die keine kleinenVögel essenn. Zu diesem gehören (r) die Falken, (z) die schwar-zen Vögel, die sich ihrerseits in Vögel mit weißem, mit rotem undmit gelbem Kopf sowie in solche mit roten Flügeln unterteilen,(¡) di. schwarz-grauen Vögel oder "Donner-Menschen", die sichihrerseits in Feldlerchen und Präriehühner gliedern, (+) die Eulen,die wiederum in große, kleine und mittelgioße aufgeteilt sind.Der dritte Unterklan ist der des Adlers; er umfaßt zunächst ein-mal drei A.dlerarten; eine vierte Unterabteilung bezieht sich of-fenbar auf keine bestimmte Gruppe von Gegenständen; sie trägtdie Bezeichnung "die Arbeiter".Det vierte Unterklan schließlich ist der Klan der Schildkröte. Ersteht in einer Beziehung zum Nebel, denn seine Mitglieder habendie Macht, ihn zu bannen.l6e Der Schildkröte sind vier Unterar-ten dieser Gatnrng zugeordnet.

uns recht wahrscheinlich, daß dieser Klan einmal ein BärenÌlangewesen ist; in der Tat ist dies der Name des ersten Unterklans.Zadem ist der Klan, der ihm bei den übrigen Sioux-Stämmen enr-spricht, ein Bärenklan.

168 Ders., "Omaha Socioiogy", a.a.O.,S.276ÍÍ. - Dorsey verwendetzur Bezeichnung dieser Gruppierungen die Ausdrücke gentes undsub-gentes. Es scheint uns jedoch nicht notwendig, einen neuenAusdruck einzuführen, um Klane mit patrilinearer Abstammung zubezeichnen. Es handelt sich hier lediglich um eine Unterart.

169 Der Nebel wird zweifellos in der Gestalt der Schildkröte repräsen-tiert. Bei den Irokesen gehörten l{ebel und Srurm zum Klan desHasen. Vgl. J.G. Frazer, uOrigins of Totemism" , à.a.O., S.B+2.

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Da man annehmen darÍ, daß wir hier keinen Einzelfall vor unshaben, daß vielmehr auch andere Klane ähnliche Gliederungenund Unterabteilungen besessen haben müssen, so dürfte es auchnicht allzu verwegen sein, wenn wir unterstellen, daß das heutenoch bei den Omaha zu beobachtende Klassifikationssystem frü-her einmal sehr viel komplexer gewesen ist. Neben dieser Auftei-lung der Dinge, wie wir sie auch in Australien vorgefunden ha-ben, sehen wir nun in freilich rudimentärer Form auch Vorstel-lungen hinsichtlich einer räumlichen Ausrichtung aufkommen.'Wenn der Stamm ein Lager aufschlägt, so gibt er seinem Lagereine kreisförmige Gestalt; im lnneren dieses Kreises erhält jede

Gruppe einen bestimmten Ort. Die beiden Phratrien verteilensich links und rechts des Weges, den der Stamm eingeschlagenhat, wobei die fuchtung, aus der man gekommen ist, als Bezugs-punkt dient. Innerhalb des Halbkreises, den jede Phratrie ein-nimmt, fällt den Klanen ihrerseits ein bestimmter Ort im Verhält-nis zu den übrigen Klanen zu, und dasselbe gilt für die Unterkla-ne. Die Positionen, die ihnen solcherart zugewiesen sind, hängenweniger von den Verwandtschaftsverhälmissen als von den sozia-len Funktionen ab, also auch von den Gegenständen, die ihnenunterstellt sind und auf die sich, wie man glaubt, ihre Aktivitätenerstrecken. So gibt es in jeder Phratrie einen Klan, der ein beson-deres Verhältnis zum Donner und zum Krieg unterhält. in dereinen Phratrie ist dies der Elchklan, in der anderen der lctasanda-Klan. Beide haben ihren Platz einander gegenüber am Eingangdes Lagers, den sie - im übrigen eher rituell als real - bewa-chen.170 Im Bezug zu diesen beiden Gruppen verteilen sich dieübrigen Klane über die restliche Fläche, und zwar stets nachdemselben Prinzip. Mit den sozialen Gruppen erfahren so auchdie Dinge, die diesen Gruppen zugeordnet sind, eine Lokalisie-rung innerhalb des Lagers. Der Raum ist zwischen den Klanenund zwischen den Dingen, Ereignissen usw. aufgeteilt, die diesenKlanen zugeordnet sind. Doch wie man sieht, erfaßt diese Auftei-lung nicht den Raum der'Welt, sondern nur den Raum, den der

x7o A,. Fletcher, 'The Significance of the ScalpJock (Omaha Ritual)",n: J.4.1., 1898, S. +¡ 8. - Dieser Anordnung folg man nur bei denallgemeinen Bewegungen des Stammes (siehe J. O. Dorsey, oOma-ha Sociologyo , a.a.O., S. zr9 ff., 286, $ t31; vgl. ders., "SiouanSociology", a. a. O.,. S. zz6).

zz6

Stamm einnimmt. Die Klane und die Dinge sind noch nicht nachden Himmelsrichtungen ausgerichtet, sondern lediglich im Ver-hältnis zum Minelpunkt des Lagers. Biq -{!f1-e-ilFag -g{rJs,prichtrrlçbg_dçq-Velttcsra4s!_iggå::f!ç!i."9þlç,__tg=!_dern_eîñemDavor und Dahinter. einem Rechts und Links bezüglich diests

@qtdiffi Arc s o äßrer,èläé"'À ttái-lungen den Klanen zugeordnet und nicht erwa die Klane denAbteilungen, wie es bei den Zuñi der Fali war.Bei anderen Sioux-Stämmen hat die Vorstellung einer räumlichenAusrichtung bereits ausgeprägtere Formen angenommen. Wiedie Omaha, so sind auch die Osage in zwei Phratrien aufgeteilt,die im Lager jeweils die rechte und die linke Hälfte einnehmen.172Doch während die Funktionen der beiden Phratrien bei denOmaha einander in einigen Punkten überschneiden (wie wir ge-

sehen haben, besitzen beide einen Kriegs- und Donnerklan), sindsie hier klar unterschieden. Eine Hälfte des Stammes ist für denKrieg zuständig, die andere für den Frieden. Daraus ergibt sichnotrvendig eine exaktere Lokalisierung der Dinge. Bei den Kan-sas finden wir dieselbe Organisation. Ûberdies steht jeder Klanund jeder Unterklan in einem festgelegten Verhältnis zu den vierHimmelsrichfungen.lT3 Bei den Ponka schließlich kommen wirnoch einen Schritt weiter.lTa Wie bisher ist der Kreis, den derStamm bildet, in zwei gleiche Hälften aufgeteilt, die den beidenPhratrien entsprechen. Andererseits umfaßt jede Phratrie vier

r7r Wie unbestimmt die räumliche Ausrichtung der Klane im Hinblickauf die Himmelsrichtungen ist, wird klar, wenn man bedenkt, daßsie sich grundlegend verãndert, wenn der Stamrn statt von Ostennach Westen von Norden nach Süden zieht und umgekehrt. So ist es

doch recht gewagt, wenn Dorsey und MacGee dieses Omaha-Sy-stem mit einer vollständigen Klassifikation der Klane und der Dingeunter die Regionen gleichsetzen (siehe J. O. Dorsey, "SiouanCults", a.a.O., S.5zzff.; und W.J. MacGee, "The Siouan [n-dians.., in:. t5th Report of the Bureau of American Ethnology,r894, S. zo4).

r7z J.O. Dorsey, "Siouan Sociology", a.a.O.,S.4j; vgl. S. zr4.r71 Bei der Zeremonie der Abschreirung der Himmelsrichtungen hat ,

jeder Klan einen anderen Ausgangspunkt (ders., 'Siouan Cults*, l

a.a.O., S.38o).r74 Ders., "Siouan Sociology", a.a.O., S. zzo; ders., "g;e¡¿¡1 Cultsn,

1.4.O., S. jrl. Dieser Stamm hat bedeutende Subtotems.

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Klane, dle sich jedoch zwanglos auf. zweiPaare reduzieren lassen,denn die charakteristischen Elemente sind jeweils zwei Klanenzugeordnet. Daraus ergibt sich die folgende Anordnung derMenschen und Dinge: Der Kreis gliedert sich in vier Teile. Imersrc-u Y-igtë, links vom Eingang, finden sich zwei Feuer- oderDonnerklane; in dem Viertel dahinter zwei Windklane; im erstenViertel rechts zwei 'Wasserklane und dahinter schließlich zweiErdklane. Jedes der vier Elemente hat damit seinen genauen Platzin einem der vier Sektoren des Kreises. Nun braucht nur noch dieA'chse dieser Kreisteilung mit einer der beiden Achsen der'Wind-rose zusammenzufallen, und wir haben eine Ausrichtung derKlane und Dinge nach den Flimmelsrichtungen vor uns. Und inder Tat ist bekannt, daß diese Stämme den Eingang des Lagersgewöhnlich nach'Westen legen.17s

Doch diese (im übrigen zum Teil hypothetische) Ausrichtungbleibt noch indirekter Natur. Die sekundären Gruppen des Stam-mes sind zwar mit allem, was ihnen unterstellt ist, in den mehroder weniger eindeutig ausgerichteten Vierteln des Lagers lokali-siert, doch in keinem dieser Fälle wird ausdrücklich gesagt, daßdie Klane jeweils in einer festumrissenen Beziehung zu einembestimmten Teil des Raumes schlechthin stünden. Auch hier istnoch allein vom Raum des Stammes die Rede; wir sind alsoweiterhin noch recht weit von den Zuñi entfernt.176

'Wollen wir

r75 Bei den'Winnebago, bei denen man dieselbe Verteilung der Klaneund Dinge findet, liegt der Eingang irn 'll'esten (ders., "$ie¿¿¡1Cults", a. a. O., S. 5zz; vgl. Foster, "Indian Record and HistoricalData.., in: AmericanNaturalist, r885, S. 672-671. Doch diese an-dersartige Ausrichtung des Eingangs läßt die Anordnung des Lagersansonsten unbe¡ührt. - Dieseibe Anordnung findet man übrigensauch bei den Omaha, zwar nicht in der Versammlung des gesamtenStammes, wohl aber in den Teilversammlungen der Klane.ode¡zumindest einiger Klane. Das gilt vo¡ ailem für den Chatada-Klan.In dem Kreis, den er bei der Versammlung bildet, sind Erde, Feuer,'WinC

und 'Wasser auf genau dieselbe 'Weise in vier verschiedenenSektoren lokalisiert $. O. Dorsey, "Siouan Çultsu, a.a.O., S. St¡).

t76 Es gibt dennoch einen Sioux-Stamm, bei dem wir die Dinge tatsäch-lich wie bei den Zufi nach den Himmelsrichtungen klassifiziertfinden, und zwar bei den Dakota. Doch bei diesem Volk sind dieKlane verschwunden, und damit fehlt auch die Klassifikation nachKlanen. Aus diesem Grunde müssen wir bei unserer Beweisführung

zz8

uns diesem Modell noch weiter nähern, müssen wir Amerikaverlassen und uns wieder nach Australien wenden, denn dort, ineinem australischen Stamm, werden wir einen Teil dessen finden,was wir bei den Sioux vermissen - ein weiterer und besonders

überzeugender Beweis dafür, daß die Unterschiede zwischen dem

amerikanischen und dem australischen System, wie wir sie bisher

genannt haben, nicht allein auf lokale Ursachen zurückgehen

und durchaus nicht irreduzibel sind.Bei diesem Stamm handelt es sich um die'Wotjoballuk, die wirbereits untersucht haben. Ohne Zweifel sagf Howitt, dem wirdiese Informationen verdanken, die Himmelsrichtungen hättenkeinerlei Rolle bei der Klassifikation der Dinge gespielt, und wirhaben keinen Grund, die Genauigkeit seiner Beobachtungen indiesem Punkte anzazweif.eln Doch was die Klane angeht, sinddie Dinge klar: {eder Klan steht in einer festen Beziehung zu

elgçp Raum, dei wirklich de¡ sqilê. !ii. Ilndtsh¿fdeiisidli*liiernicht um einen Teil des Lagers, sondern um ein abgegrenztes

Stück des Horizontes schlechthin. Auf diese'Weise läßt sich jeder

Klan auf der Windrose lokalisieren. Der Zusammenhang zwi-schen dem Klan und seinem Raum ist derart eng, daß die Klan-mitglieder sogar in der Richtung, die durch ihn festgelegt wird,begraben werden müssen.177 "So wird ein'Warrwut oder warmer'Wind178 mit dem Kopf nach Nordwesten bestattet, d. h. in derRïchtung, aus welcher der warme 'Wind in ihrer Gegendkommt.< Die Sonnen-Leute werden mit dem Kopf nach Sonnen-aufgang beerdigt, und Entsprechendes gilt für alle übrigen.17e

Diese Aufteilung des Raumes ist so eng mit den wesentlichenMerkmalen der sozialen Organisation dieses Stammes verknüpft,daß Howitt darin eine "mechanische Methode" hat erblicken

auf sie verzichten. Siehe J.O. Dorsey, "Siouan Cults", a.a.O.,S. 5zz, 529 f., 532, S37.YgI. Stephen Return Nggs,Tah-Koo-Wah-Kan,Vashington r885, S. 6r. Die Dakota-Klassifikation ähnelt inetnzígartiger'Weise der chinesischen, die wir weiter unten nochausfüh¡lich betrachten werden.

t77 A.V. Howitt, "Australian Medicine Men.,, a.a.O., S.3r; ders.,

"Further Notes. . .rr, ã. ã. O., S. 62.r78 "Warnvutu bedeutet oNorden" und zugleich "Nordwestwindo

oder "warmer'Wind"; ebenda, S. 62, Anm. z.r79 Ders., "Australian Medicine Meno, a. a. O., S. 3r.

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können, owelche die Wotjoballuk einsetzen, um das Tableau ih-rer Phrarrien, ihrer Totems, ihrer wechselseitigen BeziehungÇnund ihre¡ Beziehungen zu diesen verschiedenen Gruppen zube-wahren und darzustellen..lso Wenn zwei Klane miteinander ver-wandt sind, so ist dies gleichbedeutend damit, daß sie zwei be-nachbarte Regionen im Raum einnehmen. Das zeigt das Schau-bild, das Howitt nach den Angaben eines übrigens hochinteili-genten Eingeborenen angefertigt hat.18i Dieser Eingeborene be-

Norden

4

gann seine Beschreibung der Stammesorganisation, indem er ei-

nen Stock genau nach Osten ausrichtete, denn Ngaui, die Sonne,

ist das Haupttotem und der Bezugspunkt für die Ausrichtungaller übrigen. Anders gesagt: Der Sonnenklan und die Ost-West-

Achse mußten den beideir Phratrien Krokitch und Gamutch ihreGrundausrichtung geben, wobei erstere oberhalb der Ost-West-

Achse und letztere darunter liegt. Tatsächlich ersieht man aus

dem Schaubild, daß die Gamutch-Phratrie zur Gänze im südli-chen Bereich liegt, während die andere Phratrie nahezu vollstän-dig im Norden gelegen ist- Ein einziger Krokitch-Klan, nämlichKian Nr. 9, überschreitet die Ost-'West-Achse, und wir haben

allen Grund zu der Annahme, daß dies auf einen Beobachtungs-

fehler oder aber auf eine mehr oder r¡.eniger späte Abänderungdes ursprünglichen Systems zurückgeht.182 Damit hätten wir eine

nördliche und eine südliche Phratrie, w-ie wir sie auch in anderen

Gesellschaften angetroffen haben. Die Nord-Süd-Achse wird imnördlichen Teil sehr genau durch den Pelikanklan aus der Kro-kitch-Phrauie markiert und im südlichen Teil durch den Klangleichen Namens aus der Gamutch-Phratrie. So entstehen vierSektoren, in denen die übrigen Klane angesiedelt sind. \Vie bei

den Omaha bringt die Ordnung, nach der die Klane im Raumverteiit sind, die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den zu-gehörigen Totems zum Ausdruck. Die Räume zwischen zwei ver-wãndten Klanen tragen den Namen des übergeordneten Klans,dessen Unterabteilungen die betreffenden Klane bilden. So heißtes von den Klanen r und z sowie von dem Raum dazwischen,daß sie "der Sonne gehören"; die Klane z und 4 sowie der zuge-hörige Zwischenraum "gehöreir vollständig dem weißen Kaka-du". Da der weiße Kakadu, wie rvir bereits gesehen haben, ein

Bezeichnungen für die Klane: r und-z (Ngaui): Sonne; 3 (Bare-

wun): eine Höhte (?); 4 und rr (Batchangal): Pelikan; 5 ('Warrwur-

Batchangal) : Pelikan - warmer Wind; 6 (Wartwut) : warmer'Wínd;

Z (Moi): Rautenschlange; 8 und 9 iMunya): Känguruh (?); ro(Wurant): schwarzer Kakadu; rz (Ngungul): das Meer; r3 (}alian):Giftotter.

r8z ln de¡ Tat erwähnt Howitt selbst, sein Informant habe in diesemPunkt gezögert. A¡dererseits ist dieser I(I¿n in Wirklichkeit dersel-be wie Klan 8 und unterscheidet sich davon lediglich durch seineToten-Totems

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11

Süden

r8o Ders., oFurrher Notes...,,, ã.ã.O., S.6zff. Das folgende ist einResürnee des Textes.

r8r Hier lun, soweit feststellbar, die übersetzung der einheimischen

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Synonym für die Sonne darstellt, können wir auch sagen, daß dergesamte Sektor von Osten bis nach Norden der Sonne untersteht.Bei den Klanen 4 bis 9, die sich von Norden bis Westen erstrek-ken, handelt es sich ausnahmslos um Unterabteilungen des Peli-kanklans aus der ersten Phratrie. Wir sehen, mit welcher Regel-mäßigkeit die Dinge i¡n Raum ausgerichtet sind.Zusammenfassend haben wir also einmal'dort, wo die beidenKlassifikationstypen nebeneinander existieren, wie es bei denZuñi der Fall ist, allen Grund za der Annahme, daß die Klassifi-kàtion nach Klanen und Totems die ältere von beiden ist; zumanderen haben wir jedoch auch durch die verschiedenen Gesell-schaften hindurch, die wir vor uns haben Revue passieren lassen,verfolgen können, wie das zweite System aus dem ersten hervor-gegangen und an dessen Seite getreten ist.

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In Gesellschaften, deren Organisation totemistischen Charakterhat, ist es allgemeine Regel, daß die räumliche Anordnung dersekundären Gruppen des Stammes -.der Phratrien, Klane undUnterklane - den Verwandtschaftsbeziehungen und den Ähnlich-

\ keiten oder Unterschieden in den gesellschaftlichen Funktionen

I folg. Da die-beiden' Phratrien unterschiedliche Persönlichkeiten

\ h"b.tt und da ihnen unterschiedliche Rollen im Leben des Stam-' mes zufallen, stehen sie einander im Raum gegenüber; die erstenimmt die eine Seite ein, die zweite die andere; die erste richtetsich in der einen Richtung aus, die zweite in der entgegengesetz-ten. Im Inneren der Phratrien stehen die Klane einander um sonäher oder ferner, je verwandter oder fremder die Dinge einan-der sind, die in ihren Bereich fallen. Die Existenz dieser Regelzeigte sich sehr deutlich in den Gesellschaften, von denen hier dieRede war. Bei den Zuñiwarendie Klane, wie wir gesehen haben,im Inneren des Pueblo jeweils auf jene Region ausgerichtet, dieihnen zugeordnet war; bei den Sioux nahm von den beidenPhratrien, die mit den denkbar gegensätzlichsten Aufgaben be-traut waren, die eine die linke, die andere die rechte Seite ein; dieeine die östliche Seite, die andere die wesdiche. Identische oderanaloge Anordnungen finden sich jedoch auch bei zahlreichenanderen Stämmen. So besteht diese zweifache Entgegensetzungder Phratrien hinsichtlich der Funktionen.und der räumlichen

Anordnung offenbar auch bei den lrokesen,183 bei den 'Wyan-

dot,18a bei den Seminolen, einem degenerierten Stamm in Flori-da,185 bei den Thlinkit und bei den Loucheux-Indianern oder DeneDindje, dem nördlichsten, am stärksten degenerierten, aber auchprimitivsten Indianervolk, das wir kennen.186 In Melanesien istdie räumliche Anordnung der Phratrien und Klane nicht wenigerstreng festgelegt. Man denke hier nur an die bereits angesproche-ne Tatsache, daß diese Stämme in eine Phratrie des Wassers undeine Phratrie des Landes unterteilt sind, deren eine auf der demWind zugekehrten Seite lagert, während die andere die windab-gewandte Seite einnimmt.187 In vielen melanesischen Gesellschaf-ten ist diese Zweiteilung alles, wâs von der aiten Organisationübriggeblieben ist.188 Auch in Austràlien ist man immer wiederauf dieses Phänomen der räumlichen Entgegensetzung gestoßen.

Selbst wenn die Mitglieder der beiden Phratrien sich auf zahkei-che lokale Gruppen verteilen, findet sich die Entgegensetzung beijeder dieser Gruppen in der Anordnung des Lagers.lse Doch vorallem bei den Versammlungen des ganzen Stammes treten dieseDispositionen und die Ausrichtung, die sich daraus ergibt, deut-lich zu Tage. In besonderem Maße gilt das für die Arunta. Beiihnen finden wir übrigens die Vorstellung einer speziellen ,{us-richtung, einer mythischen Richtung, die den einzelnen Klanenzukommt. Der Klan des Wassers gehört zu einer Region, die als

r83 Siehe Lewis H. Morgan, Ancient Socie4t, New Yo¡k 1877, S. 88,94f. @t.: Die Urgesellschaft,Stottgart r89r, S. 76,8o); ders.,TheLeague of the Iroquols, Rochester, N.Y., r85r, S. z94ff.; E.A.Smith, "Myths of the Iroquois", in: 2nd Report of tbe Bureau ofAmerican Ethnology, S. r14.

r 8a J. ì7. Powell, "Wyandot Government<, ín: 2nd Report of the Bureauof American Ethnology, S. 44.

r85 Mooney, in: 9tb Report of the Bueau of American Ethnology,r883-r884, S. 5o7-5o9.

186 Emiie Petitot, Traditions indiennes du Cønada Nord-Ouest (BibI.des Trad. popul., XXVI), Alençen 1887, S. r j) zo. Bei den Lou-cheux gibt es eine Phratrie der Rechten, der Linken und der Mitte.

r87 Siehe oben S. r95.r88 Joachim von Pfeil, Studien und Beobacbtungen aus der Südsee,

Braunschweig 1899, S. 28.r89 B. Spencer und F.J. Grllen, Natiue Tribes of Central Australia,

a. a. O., S. 32,7o, 277, 287, j24, jor.

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die Region des'Wassers gilt.1eo Die Toten bestartet man in Rich-tung des mythischen Lagers, in dem die sagenhaften Urahnen, dieAlcheringa, gelebt haben sollen. Die Richtung des Lagers dermythischen Vorfahren mütterlicherseits kommt bei bestimmtenreligiösen Zeremonien ins Spiel (etwa beim Durchbohren derNase und beim Entfernen der oberen Schneidezähne).1el Bei denKulin und bei der gesamten Gruppe von Stämmen, die an der

Küste von Neusüdwales leben, entsþricht die Plazierung der Kla-ne in der Stammesversammlung dem Punkt des Horizontes, vondêm sie herkommen.le2

lNach alledem begreift man leicht, wie die Klassifikation nach

Himmelsrichtungen entstanden ist. Zunächst wurden die Dingenach Klanen und Totems klassifiziert. Doch die strenge Lokali-sierung der Klane, von der oben die Rede war, drängte mit

,Macht za einer entsprechenden Verort¡.rng der Dinge, die den

iKlanen zugeordnet waren. Sobald zum Beispiel den Wolfsleutenrein bestimmtes Viertel des Lagers zugewiesen wird, muß dies

ganz selbstverständlich auch für all die Dinge gelten, die demsel-ben Totem zugeordnet sind. 'Wird nun das Lager in irgendeinerfestgelegen Weise ausgerichtet, so erfahren damit sämtliche Teiledes Lagers und alles, was darin ist, Menschen wie Dinge, gleich-falls eine Ausrichtung. Anders gesagt: Alle Dinge und Lebewesender Natur stehen fortan in einem bestimmten Verhältnis zu einemebenso bestimmten Ausschnitt des Raumes. Natürlich ist es nurder Raum des Stammes, der hier aufgegiiedert und verteilt wird.Doch wie der Stamm für den Primitiven ðie ganze Menschheitbildet und wie der Urahn und Gründer des Stammes für ihn der

r9o Ebenda, S. r89.r9r Ebenda, S. +g6.

.\Vir haben es hier offensichtlich entweder mit den

Anfängen einer Lokalisierung der Klane oder mit einem Überrestdieses Phänomens zu tun. Wir glauben eher, daß es sich um einenÜberrest handelt. Wenn man davon ausgeht, daß die Klane auf diePhratrien aufgeteilt sind - und eben dies haben wir im letzten Jahrin dieser Zeitschrift zu beweisen versucht *, dann müssen, da diePhratrien lokalisiert sind auch die Klane lokalisiert gewesen sein.

r9z A,.W. Howitt, "On Some Australian Ceremonies of Initiationu,a. a. O., S- 44r Í. Gleiches gilt für die Kamilaroi (siehe R. H. Mat-thews, "The Bora or Initiation Ceremonies of the KamilaroiTribes", in: J-A.1., XXIV, S.4r4, und XXV, S. 3zz, 126).

234

Vater und Schöpfer der Menschen ist, so verschmilzt ihm auchdie ldee des Lagers mit der Idee der

.Welt.le3 Das Lager ist der

Mittelpunkt des Universums, und das Universum verkürzt sichauf das Lager. Der Raum der !Øelt und der Raum des Stammesunterscheiden sich also nicht sonderlich deutlich, und der Geistgeht ohne Schwieiigkeiten und beinahe ohne daß es ihm bewußtwürde, vom einen zum anderen über. Auf diese'Weise treten dieDinge ganz allgemein in ein Verhältnis zu einer bestimmten Him-melsrichtung. Solange freilich die Organisation nach Phratrienund Klanen intakt blieb, behielt auch die Klassifikation nachKlanen ihre Vorrangstellung; ihren Bezug zu den Regionen er-hielten die Dinge übe¡ die Totems. Wie wir gesehen haben, trafdies auf die Zuni zumindest hinsichtlich einiger Lebewesen undDinge noch zu. 'Wenn die so seltsarn hierarchische totemistischeOrdnung jedoch schwindet und durch lokale Gruppierungen er-setzt wird, die einander bloß noch nebengeordnet sind, so erweistsich eben damit die Klassifikation nach Himmelsrichtungen als

künftig die einzig mögliche.leaDie beiden Klassifikationstypen, die wir untersucht haben, ¡ii"l -:

gen also letztlich unter verschiedenen Blickwinkein eben jene I

Gesellschaften zum Ausdruck, in deren Schoß sie sich entwickelt rhaben. Der erste von beiden wurde nach dem Muster der rechtli- ,

chen und religiösen Organisation des Stammes geformt, der j

zvieite nach dem Vorbild der morphologischen Organisation.-'W'enn

es darum ging, Verwandtschaftsbeziehungen zwischen dëíDingen herzustellen und immer umfangreichere Familien vonDingen, Lebewesen und Erscheinungen zu bilden, griff man aufVorstellungen zurück, wie sie die Familie, der Klan oder die

r93 Man findet auch bei den Römern noch Spuren dieser Vorstellun-gen:- mundus bedeutet die Welt und zugleich den Ort, an dem dieKomitien zusammenkamen. Die Gleichsetzung des Stammes (oderder Stadt) mit der Menschheit ist also nicht bloß Ausdruck einesübersteigerten Nationalstolzes, sondern geht auf einen Komplexvon Vorstellungen zurück, die den Stamm zum Mikrokosmos desUniuersums machen.

r94 ln diesem Fall bleibt vom alten System nur.noch die Zuordnungbestimmter K¡äfte an lokale Gruppen. Bei den Kurnai hat jedeIokale Gruppe die Herrschaft über einen bestimmten'Wind, der ausihrer Richrung kommen soll.

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Phratrie bereitstellten, und zog totemistische Mythen heran.'W'enn es darum ging, Beziehungen zwischen den Räumen herzu-

stellen, dienten die räumlichen Beziehungen, die zwischen den

Menschen innerhalb der Gesellschaft herrschten, als Bezugs-

punkt. Im ersten Falle gab der Klan selbst den Rahmen ab, imzweiten das materielle Zeìchen, mit dem der Klan den Boden

markierte. Doch in beiden Fällen ist der Rahmen gesellschaftli-

chen Ursprungs.

IV

Es bleibt nun noch ein letzter Klassifikationstyp zu beschreiben,

der sämtliche v/esentlichen Merkmale der bislang vorgestellten

aufweist, mit Ausnahme des Umstandes, daß er, seit man ihnkennt, von jeglicher sozialen Organisation unabhängig ist. D.'a-s

beste, bemerkenswerteste und aufschlußreichg"tç- Ecispiçl $f 419lsen-Klas-sjf ikatiónstypAietetunsdäsóhînäiisihe-Sy-stemdè.Wa-trr-s ugekotrst--iì Ëtilffüer Astio nomjé, de..r Astrologie ds^i Ç^èo{ää-tiLi¡nðde-s-Iforo.ct¿,-"_pÞ.i Dlesèi System btickt auf eine lange Ge-

schichte zurück, die bis in früheste Zeitenzarickreicht, denn es ist

zweifellos älter als die ersten authentischen und datierten schriftli-chen Zeugnisse, die wir aus China kennen.ies Schon in den ersten

Jahrhunderten unserer Zeitrechnung befand es sich in voller Ent-

wicklung. Wenn wir uns in unserer Untersuchung vornehmlich an

das Beispiel Chinas halten, so bedeutet dies freilich nicht, daß wires hier mit einer Besonderheit dieses Landes zu tun hätten; viel-mehr finden wir dieses System im gesamten Fernen Osten.le6 DieSiamesen, die Kambodschaner, die Tibetaner und die Mongolenkennen es ebenfalls und wenden es gleichfalls an. Für alle diese

Völker ist dieses System Ausdruck des "Tao., also der Natur. Es

bildet diç Grundlage der gesamten Philosophie und des Kults, dergemeinhin als Taoismus bezeichnet wird.1e7 Es beherrscht alle

Aspekte des Lebens in der größten Bevölkerungsansammlung,welche die Menschheit jemals gekannt hat.

r95 Johann Jacob Maria de Groot, The Religious System of China,

, 6 Bde., Leiden r89z-r9ro, S. 3rg:, vgl.S. 98zff.196 Ebenda, S.S8S.r97 Ebenda.

46

Angesichts der Bedeutung dieses Systems können wir es hier al-

lenfalls in groben Zügen vorstellen. Wir werden es nur so weitbeschreiben, wie es absolut unerläßlich ist, um aufzazeigen, wieweit es in seinen Grundprinzipien mit den Systemen überein-

stimmt, die wir bereits vorgestellt haben.

Es besteht seinerseits aus mehreren ineinander verschränktetr Sy-

stemen.Zu ðen wichtigsten Prinzipien, auf denen es beruht, gehört die

Aufteilung des Raumes nach den vier Himmelsrichtungen. Uber ¡

jede dieser vier Regionen herrscht ein Tier, das ihr auch deni:

Namen gibt. Genaugenommen verschmilzt das Tier mit seiner,

Region zu einer Einheit: Der blaue Drache ist der Osten, der rote

Vogel ist der Süden, der weiße Tiger ist der '$Øesten und die

schwarze Schildkröte der Norden. Jede Region hat die Farbe

ihres Tieres, und je nach bestimmten Voraussetzungen' die wirhier nicht näher erläutern können, ist sie segensreich oder unheil-

voll. Die symbolischen'Wesen, die dem Raum solcherart vorste-

hen, herrschen über die Erde und den Himmel. Ein Hügel oder

eine geographische Formation, die in ihrer Gestalt einem Tiger

zu ähneln scheinen, gehören dann zum Tiger bzw. zum'Westen;

ähneln sie einem Drachen, gehören sie zum Drachen oder zum

Osten. Ein Ort gilt danach als günstig, wenn die Dinge, die ihn

umgeben, in ihrem Aussehen der Lage hinsichtlich der Himmels-

riôhtungen entsprechen, wenn also die im Westen gelegenen Din-ge etwas Tigerartiges und die im Osten gelegenen etwas Dra-

chenartiges zeigen.le I

Doch der Raum zwischen je zwei Haupthimmelsrichtungen ist

seinerseits in zwei Teile geteilt; daraus ergibt sich eine achtfache

r98 Die Sache ist im übrigen noch komplizierter: Jede der 4 Regionen

enthält 7 Sternbilder; daher die Zahl von z8 Sternbildern bei den

Chinesen. (Bekanntlich sind zahlreiche 'Wissenschaftler der An-sicht, die ZahI der Sternbilder sei im gesamten Orient du¡ch das

chinesische Vorbild bestimmt.) Die astralen, irdischen und atmo-

sphärischen Einflüsse laufen alle in diesem System zusammen, das

man das System des Konfuzius oder "des Windes und des Wasse¡s"

nennt. Zu diesem System siehe de Groot, The Religious System ofCbina, a.a. O., Teil r, Kap. XVII, und die dort angegebene Litera-nrr.

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Emile DurkheimS chrift en zvr S oziolo gie

der Erkenntnisübersetzt von

Michael Bischoff

Herausgegeben vonHans Joas

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