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Zeitschri des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Rechts R g geschichte Rechtsgeschichte www.rg.mpg.de http://www.rg-rechtsgeschichte.de/rg14 Zitiervorschlag: Rechtsgeschichte Rg 14 (2009) http://dx.doi.org/10.12946/rg14/062-083 Rg 14 2009 62 – 83 Pierre Hauck Die » Verrechtlichung« heimlicher Ermittlungsmaßnahmen im Übergang vom Inquisitionsprozess des gemeinen Rechts zum reformierten Strafprozess des 19. Jahrhunderts Dieser Beitrag steht unter einer Creative Commons cc-by-nc-nd 3.0

Rechtsgeschichte - data.rg.mpg.dedata.rg.mpg.de/rechtsgeschichte/rg14_062hauck.pdf · skript. 1 Friedrich August Biener,Bei-träge zu der Geschichte des Inqui-sitionsprozessesundderGeschwo-renengerichte,

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Zeitschri des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Rechts Rggeschichte

Rechtsgeschichte

www.rg.mpg.de

http://www.rg-rechtsgeschichte.de/rg14

Zitiervorschlag: Rechtsgeschichte Rg 14 (2009)

http://dx.doi.org/10.12946/rg14/062-083

Rg142009 62 – 83

Pierre Hauck

Die »Verrechtlichung« heimlicher Ermittlungsmaßnahmen im Übergang vom Inquisitionsprozess des gemeinen Rechts zum reformierten Strafprozess des 19. Jahrhunderts

Dieser Beitrag steht unter einer

Creative Commons cc-by-nc-nd 3.0

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Abstract

The »juridification« of covert investigations in the transition from the ius commune inquisition process to the reformed criminal justice process of the 19th century, understood as a material (i. e. law creating) normative distinction between true or wrongful circumstances, is a complex phenomen-on. This paper traces the introduction of covert investigations into the law of criminal procedure. It takes its starting point in the uncodified, but nevertheless legally sophisticated search and sei-zure of letters or the use of informers in the ius commune process. Influences of the French Revo-lution on the development of law, the 19th cen-tury’s early individual legislation, but mainly the tumultuous times before the Revolution of 1848 and the great surge of single procedural codes in the mid 19th century are the subject-matter of this analysis. This research has unearthed some surpris-ing facts: Juridification affects various measures in quite different ways. At the same time, it is shaped by subjects which are hardly comparable with one another (monarchs, parliaments etc.), and it is as-sociated with the production of the criminal proc-ess as a subject that manifests itself particularly in the redefining of the pre-trial phase.

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Die »Verrechtlichung« heimlicherErmittlungsmaßnahmen im Über-gang vom Inquisitionsprozess desgemeinen Rechts zum reformiertenStrafprozess des 19. Jahrhunderts*

I. Inwiefern stellt sich das Problem einer »Verrechtlichung«heimlicher Ermittlungsmaßnahmen im Strafverfahren? –Ein Forschungsansatz

Die Aufnahme heimlicher Ermittlungsmaßnahmen in die straf-prozessualen Fachgesetze und ihre damit zum Ausdruck gebrachteEtablierung im strafprozessualen Fachrecht hatten einen Ausgangs-punkt, dem wiederum ein Zustand der Nichtnormierung derartigerBefugnisse vorausgegangen war. Bis in die Spätphase des gemein-rechtlichen Inquisitionsprozesses hinein schwiegen sich die Straf-verfahrensordnungen über Fragen des Einsatzes heimlicher Unter-suchungsmethoden, wie z. B. der Postbeschlagnahme oder desEinsatzes von Informanten, aus. Noch 1827 formuliert Biener inseinen »Beiträgen zu der Geschichte des Inquisitionsprozesses« inbezeichnender Weise die karge gesetzliche Lage, wie sie die Nicht-normierung außergerichtlicher Untersuchungsbefugnisse allgemeinkennzeichnete:

»Wo particularrechtlich die Polizei den Gerichten entzogen und einer beson-deren Behörde überwiesen ist, pflegt die letztere, als Criminalpolizei, ebenfallseine Art Generaluntersuchung zu haben, und dies könnte so weit ausgedehntwerden, daß die ganze Generaluntersuchung der Polizei anvertraut würde unddie Function des Criminalgerichts erst mit der Eröffnung der eigentlichenUntersuchung anfinge. Da jedoch nach der Natur der Sache die Thätigkeitder Polizei keine scharf vorgeschriebenen Regeln zulässt, sondern sich nach denUmständen richten muß, so ist dies nicht zu rathen oder man müsste für diesenPunct bestimmtere juristische Regeln vorschreiben. Selbst für die Criminal-polizei in der angeführten gewöhnlichen Beschränkung wären auch wohl ge-nauere Bestimmungen ihrer Grenzen und Befugnisse zu wünschen, als gewöhn-lich vorhanden sind.«1

Im Zuge der spätestens mit dem reformierten Strafprozess des19. Jahrhunderts einsetzenden »Verrechtlichung« des Strafverfah-rens, d. h. einer um Vollständigkeit bemühten normativ-gesetz-

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* Herrn Professor Dr. WalterGropp (Justus-Liebig-UniversitätGießen) danke ich für seine kriti-schen Anmerkungen zum Manu-skript.

1 Friedrich August Biener, Bei-träge zu der Geschichte des Inqui-sitionsprozesses und der Geschwo-renengerichte, Leipzig 1827, 192.

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lichen Ausdifferenzierung in rechte und unrechte Inhalte des Pro-zesses von seinem Anfang bis zu seinem Ende, nahm sich dieGesetzgebung jener Ermittlungsbefugnisse allerdings zusehendsan. In einer ersten Einschätzung dürfte die Frage des »Ob« derAufnahme in die Fachgesetze aber nur ein, eben die positiv-recht-liche Dimension reflektierender Aspekt dieser Verrechtlichung ge-wesen sein. Die Vielfalt der Ereignisse in dieser vom Inquisitions-prozess des gemeinen Rechts bis zum reformierten Strafprozessgerade einmal 60 Jahre umspannenden Übergangszeit, die zudemvon hochfrequenten Periodisierungen (aufgeklärter Absolutismus,Französische Revolution, Napoleon und Rheinbund, Vormärz,deutsche Revolution, Nachmärz) geprägt ist, lässt auch ein er-hebliches Potential sonstiger, zur Rechtsbildung beitragender Um-stände vermuten. Diese »Verrechtlichungsfaktoren« betreffen da-mit – der heutigen Problemlage durchaus vergleichbar2 – auch das»Wie« dieser juristischen Ausformungen und dehnen die Perspek-tive auf alle wesentlichen normativen Rahmenbedingungen heim-licher Ermittlungstätigkeit aus. Wie sich die Verrechtlichung dieserstrafprozessualen Befugnisse gestaltete, welcher Gehalt ihr zukamund unter welchen Einflüssen sie in diesen wechselvollen Zeitenstand, ist aber noch kaum geklärt.

Wie lässt sich zunächst die Konzentration auf das Recht derheimlichen Ermittlungsmaßnahmen rechtfertigen? Heimliche In-formationsbeschaffung und verdeckte Untersuchungshandlungensind keine allein die Strafverfahren des hier interessierenden Zeit-raums kennzeichnenden Spezifika. Auf dem Weg zu einer zuneh-menden Integration einer außergerichtlichen ersten Ermittlungs-phase in das Strafverfahrensrecht und die damit einhergegangeneanwachsende Übertragung von Ermittlungsbefugnissen auf nicht-richterliche Strafverfolgungsorgane (vor allem Polizisten undStaatsanwälte) fungieren die heimlichen Ermittlungsmaßnahmenaber gewissermaßen als Marksteine der Verfahrensrechtsentwick-lung. An ihrer rechtlichen Behandlung und Zuordnung zum Ge-samtverfahren lassen sich die Umwälzungen dieser Übergangszeitgut ablesen. Im Sinne einer historischen Perspektivierung kann mansie definieren als auf die Erlangung personenbezogener, beweis-erheblicher Informationen zur Aufklärung eines Tatverdachts imStrafverfahren gerichtete, zumindest staatlich veranlasste Ermitt-lungen, die auf nicht offene Art und Weise durch den Einsatz vonMensch und/oder Technik geführt werden.3 Damit ist die Informa-

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2 Vgl. dazu die grundlegenden Stel-lungnahmen von Klaus Rogall,Moderne Fahndungsmethoden imLichte gewandelten Grundrechts-verständnisses, in: Goltdammer’sArchiv für Strafrecht 1985, 1–27;Jürgen Welp, Die strafprozessu-ale Überwachung des Post- undFernmeldeverkehrs, Heidelberg1974, 18; Jürgen Wolter, Heim-liche und automatisierte Informa-tionseingriffe wider Datengrund-

rechtsschutz – Gesamtanpassungvor Gesamtreform von Strafpro-zeß- und Polizeirecht –, in: Golt-dammer’s Archiv für Strafrecht1988, 49–90, 129–142, undjüngst Organisierte Kriminalitätund kriminelle Organisationen.Präventive und repressive Maß-nahmen vor dem Hintergrunddes 11. September 2001, hg. vonWalter Gropp und Arndt Sinn,Baden-Baden 2006.

3 Ganz ähnlich definiert MichaelPawlik, Verdeckte Ermittlungenund das Schweigerecht des Be-schuldigten, in: Goltdammer’sArchiv für Strafrecht 1998, 378–389, 383 f., diesen Bereich.

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tionsbeschaffung durch mehr oder minder milieunahe Vertrauens-personen der Ermittlungsbehörden, wie z. B. Informanten, Spitzel,Vigilanten, oder durch Denunziation im Rahmen der nicht öffent-lichen Vernehmung von Inquisiten ebenso erfasst wie die geheimeBeschlagnahme und Öffnung von Postsendungen oder der kon-spirative Austausch von Informationen (Verhörprotokollen, Fahn-dungslisten usw.).4 Die Heimlichkeit zeichnet diese Maßnahmendeshalb in besonderer Weise aus, weil sich die Strafverfolgungs-behörde während des Akts der Informationserlangung Dritten oderdem Beschuldigten gegenüber nicht zu erkennen gibt und Letzterernichts von der gegen ihn gerichteten Maßnahme weiß.5

Was macht nun aber die Verknüpfung dieser Maßnahmenmit dem Phänomen der »Verrechtlichung« so interessant? Es ent-spricht seiner Eigenart, dass der »polemische Begriff«6 der Ver-rechtlichung mit der interpretationsoffenen Bestimmung seinesInhalts oft zu einem Werkzeug wird, dem man auf dem Bodeneiner »Realanalyse der historischen Lage«7 gewisse Funktionenzuschreibt. Es gilt also zu klären, was – bezogen auf den Unter-suchungszeitraum – mit Verrechtlichung überhaupt gemeint seinkann. Das historische Interesse richtet sich in diesem Sinne nichtauf einen Ausdruck, den man als Synonym einer fortschreitendenZunahme fachgesetzlicher Regelungen in bestimmten Lebensbe-reichen (im Sinne einer »Überregulierung« bzw. »Normenflut«)verstehen könnte.8 Weil demgegenüber das erstmalige Auftretenheimlicher Ermittlungsmaßnahmen als Phänomen des Strafpro-zessrechts samt seiner Rahmenbedingungen interessiert, wäre eswenig ergiebig, wollte man etwa die aufkommenden Normierun-gen entsprechender Untersuchungsbefugnisse mit einem solchenVerständnis von Verrechtlichung in Zusammenhang bringen. Ver-rechtlichung meint hier vielmehr den Eintritt eines normativ bedeu-tungsvollen Lebensbereichs in das Recht überhaupt, konkret inGestalt einer den Prozess erfassenden normativen, oftmals gesetz-lichen Ausdifferenzierung des Strafverfahrens in seine rechten undunrechten Inhalte.9 Die wertbildenden Faktoren zur rechtlichenEinordnung heimlicher Informationsbeschaffungen durch dieStrafverfolgungsbehörden herauszukristallisieren, ist damit Anlie-gen der folgenden Analyse. Zu diesem Zweck zeichnet der Haupt-teil die Entwicklung ausgehend von einem Zustand der Nicht-normierung heimlicher Ermittlungsbefugnisse im gemeinen Recht(II.), über erste Gesetzgebungsansätze im Umfeld der Französischen

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4 Die Definition erfasst zudem dieheute sog. »besonderen Ermitt-lungsmaßnahmen«, die der Ge-setzgeber 1992 mit dem OrgKG indie StPO einführte. Der Begriff der»Zwangsmaßnahme« ist mit ihraber keineswegs deckungsgleich,vgl. Gunnar Duttge, Der Begriffder Zwangsmaßnahme im Straf-prozeßrecht, Baden-Baden 1995,39 f., 204 f.

5 Diese Begriffseingrenzung ist auchder Grund dafür, dass bloßeheimliche Anzeigen, die eine sol-che amtliche (offene oder ver-deckte) Strafverfolgungstätigkeiterst auslösen, nicht erfasst sind.Vgl. dazu aber umfassend ArndKoch, Denunciatio. Zur Ge-schichte eines strafprozessualenRechtsinstituts, Frankfurt a. M.2006.

6 Gunther Teubner, Verrecht-lichung – Begriffe, Merkmale,Grenzen, Auswege, in: Verrecht-lichung von Wirtschaft, Arbeitund sozialer Solidarität, hg. vonFriedrich Kübler, Baden-Baden1984, 289–344, 293.

7 Teubner (Fn. 6).8 Der Begriff hat allerdings oft diese

abweichende Konnotation; vgl.statt vieler Teubner (Fn. 6)294 ff.; die Diskussion hauptsäch-lich soziologisch weiterführendMichael Bock, Recht ohne Maß.Die Bedeutung der Verrechtli-

chung für Person und Gemein-schaft, Berlin 1988.

9 Es geht damit nicht um die disku-tierten »konfliktenteignenden«oder »entpolitisierenden« Sinn-gehalte des Begriffs, vgl. dazuTeubner (Fn. 6) 296 ff., 298 ff.,wohl aber um seine »materiali-sierende«, Rechtsmaterie neuschaffende Substanz (a. a. O.300 ff.). So statt vieler auchHinrich Rüping und Günter

Jerouschek, Grundriss der Straf-rechtsgeschichte, 5. Aufl., Mün-chen 2007, Rn. 245; eine gegen-wärtige Verwendung erfährt derBegriff durch Edda Weßlau,Polizeirecht: Die Verrechtlichungoperativer Polizeiarbeit kommtwieder in Gang, in: cilip 1988,30–37; s. auch BVerfGE 45, 187(243): »Das Rechtsstaatsprinzipgebietet eine Verrechtlichung derEntlassungspraxis.«

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Revolution (III.), eine Gegenphase der Verheimlichung staatlicherErmittlungsgewalt im Vormärz (IV.), bis hin zu den Umständen derpartikularrechtlichen Normierungen (V.) nach.

II. Die Ausgangslage im gemeinen Recht – Nichtnormierungals Nichtverrechtlichung außergerichtlicher Ermittlungs-maßnahmen im Strafverfahren?

Am Beispiel des gemeinen Rechts, das Ausgangspunkt derÜberlegungen ist, lässt sich eine erste Grundannahme zum Phäno-men der Verrechtlichung heimlicher Ermittlungsmaßnahmen ab-leiten: Die Verrechtlichung ist vom Begriff und den Quellen desRechts abhängig. In einer der Quellen des gemeinen Rechts, derPeinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. (PGO) von 1532,die als ein Hauptwerk der Rezeption für etwa 300 Jahre zu nichtmehr als einer »Leitordnung«10 für die Strafverfahren in denTerritorien des Reiches werden konnte, sucht man Vorschriften,welche die heimliche Informationserlangung im Strafverfahrenzum Gegenstand haben, vergeblich.11 Sich der hier untersuchtenFrage nur im weitesten Sinne annähernd, werden lediglich ver-schiedene Formen der anzeygungen, also verschiedene Entste-hungsgründe für gewisse (Anfangs-)Verdachtslagen,12 gesetzlichbestimmt.13 Ansonsten bleibt es bei einer Nichtberücksichtigungdes Ablaufs und der Inhalte eines »Vorverfahrens«, das – unserheutiges Verständnis übertragen – den Prozess von der Erlangungeines Anfangsverdachts durch außergerichtliche Ermittlungsbe-hörden bis zur Fertigung einer Anklageschrift beschreibt. DieserBefund ist nicht verwunderlich, wenn man sich vergegenwärtigt,dass der Normgehalt der PGO zwei verschiedene Arten des Straf-verfahrens widerspiegelt, die jeweils nur das gerichtliche Verfah-ren betreffen. Eigentlich war die PGO verfahrensrechtlich eineParallelkodifikation, die Elemente des alten, parteibetriebenenAkkusationsprozesses und solche des neueren, amtlich geführtenInquisitionsverfahrens nebeneinander stellte.14 Unabhängig da-von, ob das Verfahren der PGO auf Privatinitiative oder vonAmts wegen eingeleitet werden konnte,15 behandelte sie dasStrafverfahren als einen rein gerichtlichen Prozess.16

Weil sie sich mit ihrer salvatorischen Klausel selbst der Relati-vierung preisgab und allgemein nicht als bindendes Gesetzeswerk

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10 Lorenz Schulz, NormiertesMisstrauen. Der Verdacht imStrafverfahren, Frankfurt a. M.2001, 170; ebenso AlexanderIgnor, Geschichte des Strafpro-zesses in Deutschland 1532–1846,Paderborn u. a. 2002, 42.

11 Im Folgenden wird die von Ar-thur Kaufmann im Anschluss anGustav Radbruch herausgegebe-ne Textausgabe, 5. Aufl., Stuttgart1980, zitiert. Vgl. zum Stellenwertder PGO als RezeptionswerkPeter Landau und Friedrich-Christian Schroeder, Einlei-tung, in: Strafrecht, Strafprozessund Rezeption. Grundlagen, Ent-wicklung und Wirkung der Con-stitutio Criminalis Carolina, hg.von Peter Landau und Fried-rich-Christian Schroeder,Frankfurt a. M. 1984, 1.

12 Vgl. Art. 19 PGO; ferner Koch(Fn. 5) 2 [dort Fn. 9], 69.

13 Vgl. vor allem Artt. 18 ff., 33 ff.PGO; umfassend Schulz (Fn. 10),170 ff.

14 Vgl. Roßhirt, Ueber den Geistdes deutschen Criminalprocesses,in: Abhandlungen civilistischenund criminalistischen Inhalts 2(1837) 145–232, 156 f.; GerdKleinheyer, Tradition und Re-form in der Constitutio CriminalisCarolina, in Landau undSchroeder (Fn. 11) 7–27, 21.

15 Vgl. Benedict Carpzov, Peinli-cher Sächsischer Inquisition- undAchtsprozeß, Franckfurt amMaeyn u. a. 1638, 39, Tit. II.Art. II.: »Ob die inquisition vor-zunehmen / wann ein gewisserAnkläger vorhanden / so in pro-cessu ordinario agiren will.«;ders., Practica nova imperialisSaxonica rerum criminalium,Pars III, Wittebergae 1635, 20 ff.,Quaest. CIII.–CV.; JohannesBrunnemann, Tractatus Juridicusde inquisitionis processu, Lipsiae1659, Cap. I Rn. 1: »Duobusmodis in criminalibus negotiisproceditur, primo per accusatio-nem, 2. per inquisitionem.«;Johann Christian Edler von

Quistorp, Grundsätze des deut-schen Peinlichen Rechts, ZweyterTheil, 5. Aufl., Rostock u. a. 1794,93; Wolfgang Schild, Die Ge-schichte der Gerichtsbarkeit,Hamburg 1980, 166.

16 Vgl. Johannes Brunnemann(Fn. 15) Rn. 2: »Est autem inqui-sitio informatio judicis super de-licto […]«; typisch ist z. B. die aufeine Anzeige einsetzende gericht-liche Voruntersuchung, die Paul

Johann Anselm Feuerbach,Merkwürdige Criminal-Rechtsfäl-le, 2. Bd., Gießen 1811, 6 ff., imFall des »Mädchenschlächters«Andreas Bichel beschreibt. S. auchFerdinand Meyer, Der Kampfum die Abschaffung des Untersu-chungsprozesses in der deutschenLiteratur der ersten Hälfte des19. Jahrhunderts, Gießen 1922, 6:»Der Prozeß begann mit der Tätig-keit des Richters.«

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verstanden wurde,17 vor allem aber weil sie den Inquisitionspro-zess nur kursorisch behandelte, dieser sich in der Praxis aberschnell gegen den Akkusationsprozess durchsetzen konnte,18 kon-kurrierten bald weitere Rechtsquellen mit der PGO. Gerade dieseFormen der »Rechtsetzung«, namentlich das Schrifttum des ge-meinen Rechts, einzelne territoriale Edikte und Mandate und ineingeschränktem Maße auch die Verfahrenskontrolle durch dasReichskammergericht19 hatten im Unterschied zur PGO aus dengenannten Gründen überhaupt erst das Potential, die außergericht-lichen Vorermittlungen zu thematisieren. Mit der Herausbildungdes »dualen Inquisitionsprozesses«20 oblagen solche Untersuchun-gen den Amtsträgern der lokalen Verwaltung (der »Obrigkeit«,also Amtmännern, Vögten, Schultheißen usw.).21 Diese wurden oftauch ohne Wissen des Betroffenen mit Informationen versorgt, wasman durch Anzeigepflicht und Straferlasspraxis noch zu fördernwusste.22 Die genannten Rechtsquellen erschlossen solche Vor-gänge jedoch allenfalls rudimentär, sodass die Verrechtlichungdieser Ermittlungsmaßnahmen hauptsächlich prozessimmanentüber das Beweisrecht erfolgte, das schon damals als Prüfstein derVorermittlungspraxis fungierte. Weil der gemeinrechtliche Inqui-sitionsprozess allgemein im Geheimen betrieben wurde und dieObjektstellung des Inquisiten ohnehin kaum Reglementierungender Untersuchungspraxis erforderte, lieferte die Kontrolle desUntersuchungsverfahrens innerhalb des anschließenden Entschei-dungsverfahrens kaum eine normative Differenzierung zwischender Recht- oder Unrechtmäßigkeit der heimlichen Informations-beschaffungen.

III. Erste Ansätze einer Verrechtlichung außergerichtlicherUntersuchungshandlungen in den Strafverfahrensrechtenbis 1815: Frankreich, Preußen und Bayern

Die Geisteshaltung der Aufklärung und die erstarkende bür-gerlich-freiheitliche Bewegung läuteten seit der Französischen Re-volution dann die Wende ein, die eine Nichtnormierung außer-gerichtlicher Ermittlungsbefugnisse immer seltener tolerierte.23

Mit dem Erstarken eines bürgerlichen Freiheitsrechtsbewusstseins,das mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom26.8.1789 wichtige Konkretisierungen erfuhr,24 sahen sich auch

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17 Zu der nur relativen Geltung derPGO und den Abweichungen inder Praxis beispielhaft Hellmuthvon Weber, Die Peinliche Hals-gerichtsordnung Kaiser Karls V.,in: ZRG GA 77 (1960) 288–310;Wolfgang Schild, Geschichtedes Verfahrens, in: Justiz in alterZeit, hg. v. Christoph Hinckel-dey, Rothenburg o. d. T. 1984,129–224, 200.

18 Vgl. statt vieler Karl Härter,Strafverfahren im frühneuzeitli-chen Territorialstaat: Inquisition,Entscheidungsfindung, Supplika-tion, in: Kriminalitätsgeschichte.Beiträge zur Sozial- und Kultur-geschichte der Vormoderne, hg.von Andreas Blauert und GerdSchwerhoff, Konstanz 2000,459–480, 461 ff.; August Schoe-tensack, Der Strafprozess derCarolina, Leipzig 1904, 101 f.

19 Im Wege der sog. Nichtigkeits-oder Mandatsverfahren gem. § 5Tit. XXVIII bzw. Tit. XXIII Teil 2RKGO 1555.

20 Härter (Fn. 18) 467.21 Umfassend Karl Härter, Policey

und Strafjustiz in Kurmainz. Ge-setzgebung, Normdurchsetzungund Sozialkontrolle im frühneu-zeitlichen Territorialstaat, ErsterHalbband, Frankfurt a. M. 2005,423 ff.; Carpzov (Fn. 15), Peinli-cher Sächsischer Inquisition- undAchtsprozeß, 49, Tit. III, Art. II.:»[…] mag von einer jedwedernObrigkeit […] vorgenommen.«

22 Vgl. Härter (Fn. 21) 399 ff.;Gerhard Sälter, Denunziation –Staatliche Verfolgungspraxis undAnzeigeverhalten der Bevölke-rung, in: ZfG 47 (1999) 153–165,156.

23 Zur Bedeutung der Aufklärung fürdie StrafverfahrensrechtsreformMichael Hettinger, Das Fra-gerecht der Verteidigung im re-formierten Inquisitionsprozeßdargestellt am badischen Straf-verfahrensrecht von 1845/51 imVergleich mit anderen Partikular-gesetzen, Berlin 1985, 90 ff., 94 ff.;zur Bedeutung der FranzösischenRevolution Klaus Armbrüster,Die Entwicklung der Verteidigungin Strafsachen, Berlin 1980, 96;Schild (Fn. 17) 202.

24 Vgl. insbesondere deren Artt. 2, 3,7, 9 und 12.

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die bisherigen Kodifikationen des Strafverfahrensrechts zusehendseiner fundamentalen Kritik ausgesetzt.25 Die Verheimlichung ho-heitlicher Eingriffsbefugnisse wurde politisch zunächst nicht längergebilligt und war mit einem republikanischen Staatsverständnisschlechthin unvereinbar.26 Die Geltung von Freiheitsrechten be-dingte eine Begrenzung derartiger Ermittlungsbefugnisse inner-halb eines nun weiter verstandenen Vorverfahrens, welches sichdamit neben dem bislang bereits geregelten Hauptverfahren auto-matisch als gleichwertiger Bestandteil des Strafprozesses emanzi-pieren konnte.

In Frankreich galt zu Beginn der Revolution noch das Ver-fahrensrecht der alten Grande ordonnance criminelle Ludwigs XIV.aus dem Jahr 1670.27 In ihr gab es zwar ähnlich wie in der älterenPGO Vorschriften über den Umgang mit Anzeigen und Zeugen vorGericht.28 Im Unterschied zu der Kodifikation des Alten Reichswies die französische Verfahrensordnung aber bereits vereinzeltRegelungen auf, die den Einbezug von nichtrichterlichen Unter-suchungsbeamten (commissaires, procureurs usw.) vor der Ver-nehmungsphase (informations) betrafen.29 Mit der sehr relativen»Außerkraftsetzung« dieses Gesetzes am 9. Oktober 1789 galtenderartige Normierungen vorverfahrensrechtlicher Gehalte bis zumInkrafttreten des napoleonischen Code d’instruction criminelle(CIC) des Jahres 1808 in Frankreich zwar theoretisch fort.30 Ohnedie komplexen kriminalpolitischen Strömungen in den verschiede-nen Phasen der Revolution in unzulässiger Weise zu vereinfachen,kann man aber eine wachsende politische Unnötigkeit feststellen,das strafprozessuale Vorverfahren mitsamt seinen Ermittlungs-maßnahmen gesetzlich zu regeln. Überhaupt hatten die beidenStrafrechtskodifikationen der Revolutionszeit entweder einen über-wiegend materiellrechtlichen Gehalt, insbesondere zur Herausbil-dung neuer politischer Straftaten (C. p. 1791), oder ihre Beschul-digtengarantien und Verteidigungsrechte konzentrierten sich aufdas Hauptverfahren (C. p. 1795).31 Stattdessen verschrieb sichrevolutionäres Sonderrecht der gesetzlichen Aufweichung solcherErmittlungsbefugnisse, sofern damit das Verfahrensergebnis, na-mentlich die Hinrichtung des politischen Gegners, erreicht werdenkonnte. Symptomatisch lesen sich die Bestimmungen zur Entbehr-lichkeit von Zeugenaussagen beim Vorliegen »materieller odermoralischer Beweise« in Art. 13 des loi du 22 prairial an II vom10.6.1794 (genannt Schreckensgesetz):

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25 Bereits die Theresiana von 1769hatte in ihrem Art. 25 § 7 dieHeimlichkeit strafprozessualerInformationserlangung zwar an-deutungsweise geregelt. Das Ge-setzeswerk verstand den Straf-prozess aber noch immer als aufrichterliches Handeln beschränktund erfasste keine außergericht-lichen Untersuchungen.

26 Vgl. Richard Vogler, A WorldView of Criminal Justice, Alder-shot 2005, 49 ff.

27 Die Eingriffe des Änderungsediktsvon 1788 betrafen mit Blick aufein »Vorverfahren« nur das Fol-terverbot; vgl. Adhémar Esmein,A History of Continental CriminalProcedure with Special Referenceto France, New Jersey u. a. 1968,393 ff.

28 Ihr Titre III trug die Überschrift»Des plaintes, dénonciations etaccusations«.

29 Vgl. hauptsächlich Titre III Artt. 3,4, 6 und 8.

30 Jean-Louis Halpérin, Continui-té et rupture dans l’évolution de laprocédure pénale en France de1795 à 1810, in: Révolutions etjustice pénale en Europe. Modèlesfrançais et traditions nationales(1780–1830), hg. von XavierRousseaux, Marie-Sylvie Du-pont-Bouchat und ClaudeVael, Paris 1999, 109–130, 110.

31 Vgl. Jean-Marie Carbasse, Étatautoritaire et justice répressive:l’évolution de la législation pénalede 1789 au Code de 1810, in:All’ombra dell’aquila imperiale.Trasformazioni e continuità insti-tuzionali nei territori sabaudi inetà napoleonica (1802–1814), hg.vom Ministerio per i beni cul-turali e ambientali, Rom 1994,313–333, 315 f., 321.

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»S’il existait des preuves, soit matérielles, soit morales, indépendamment de lapreuve testimoniale, il ne sera point entendu de témoins, à moins que cetteformalité ne paraisse nécessaire, soit pour découvrir des complices, soit pourd’autres considérations majeures d’intérêt public.«

Das Normzitat belegt nicht nur die überdeutliche Abhängig-keit strafprozessualer Bestimmungsgestaltung von den jeweiligenkriminalpolitischen Wunschvorstellungen. Eine solchermaßen we-nig detaillierte, sich in Abstraktion geradezu verflüchtigende For-mulierung vorverfahrensrechtlicher Ermittlungsbefugnisse führtunweigerlich zu der Erkenntnis, dass die Verrechtlichung heim-licher Ermittlungsmaßnahmen einen gewissen Grad an Konkreti-sierung im Umgang mit der Materie des Strafverfahrens voraus-setzt. Nur wem es nicht auf eine feine, die Eigenarten des jeweiligenErmittlungszugriffs beachtende Austarierung zwischen Aufklä-rungs- und Freiheitsinteressen ankommt, dem kann eine Kodifika-tion »irgendwelcher« Ermittlungsmaßnahmen genügen. Der CICvon 1808 wies solche konkret formulierten Ermittlungsbefugnissezwar in noch stärkerem Maße als das Gesetz von 1670 auf.32

Heimliche Untersuchungstätigkeit normierte das »entscheidendeVorbild der deutschen Reform des 19. Jahrhunderts«33 aber wie-der nicht, weil die freiheitlichen Bedürfnisse des Bürgertums haupt-sächlich auf eine allgemeine Einhegung staatlicher Eingriffsbefug-nisse abzielten und eine Regelung heimlichen staatlichen Vorgehenspolitisch wohl von keiner Seite unterstützt wurde.34 Dürfen wirdeshalb auch im Folgenden nicht allzu viel erwarten?

Zuvor gilt es noch auf zwei wichtige Kodifikationen des nichtreformierten Verfahrens hinzuweisen: Denn die wohl wichtigstenstrafprozessualen Partikulargesetze des beginnenden 19. Jahrhun-derts, die preußische Criminalordnung vom 11.12.1805 und derzweite Teil von Feuerbachs bayerischem StGB von 1813, zeigtensich nur in sehr geringem Maße von den revolutionären Ent-wicklungen in Frankreich beeinflusst.35 Die preußische Criminal-ordnung erlaubte z. B. auf dem Boden des gemeinrechtlichenInquisitionsprozesses ohne weiteres eine heimliche Observationals eine »Maaßregel« der Verhaftung des Inquisiten.36 Eine Ver-rechtlichung solcher Überwachungsmaßnahmen stand – sofernman überhaupt von einer juristischen Ausdifferenzierung sprechenkann – abermals unter dem Vorzeichen fehlender rechtsnormativerGegenpole. Zwar existierte durchaus ein praktisches Bewusstseinvon einer Gesetzesbindung;37 die gewonnenen Beweise werden

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32 Vgl. etwa Artt. 11 I, II, 16, 31,47 f., 50, 53 f., 65, 71 CIC. DieBestimmungen des CIC sind,ebenso wie diejenigen der Straf-prozessordnungen unten (V.),zitiert nach C. F. W. J. Haeberlin,Sammlung der neuen deutschenStrafprocessordnungen, Greifs-wald 1852.

33 Klaus Geppert, Der Grundsatzder Unmittelbarkeit im deutschen

Strafverfahren, Berlin u. a. 1979,44.

34 Vgl. zu den Hauptforderungen derFranzösischen Revolution an dasreformierte Verfahren WilfriedKüper, Die Richteridee der Straf-prozessordnung und ihre ge-schichtlichen Grundlagen, Berlin1967, 177 ff.

35 Zur konservativen Kompromiss-haftigkeit des FeuerbachschenStrafverfahrens vgl. Rudolf

Thierfelder, Anselm von Feuer-bach und die bayrische Strafpro-zeßgesetzgebung von 1813, in:ZStW 53 (1934) 403–442;Clemens Busch, Das BayerischeStrafverfahrensrecht von 1813,Frankfurt a. M. 1997, 65 ff.

36 Christian Ludewig Paalzow,Kommentar über die Criminal-Ordnung für die preussischenStaaten, Erster Theil, Berlin 1807,425.

37 Paalzow (Fn. 36) 1: »Es ist umdie Freiheit der Bürger geschehen,so bald sie nicht versichert sind,daß sie nicht anders, als nach denGesetzen, nach der eingeführtenGerichtsordnung, und von ihrenordentlichen Richtern gerichtetwerden können.«

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aber unproblematisch zum Gegenstand richterlicher Erkenntnisund freiheitliche Rechtsgewährungen sind noch lange nicht hin-reichend – als Kontrapunkt hoheitlicher Befugnisweite – entwi-ckelt.38

IV. Der Vormärz als Gegenphase für eine Verrechtlichung derheimlichen Ermittlungsmaßnahmen

Die Restauration begegnete den aufkeimenden freiheitlichenBestrebungen des Bürgertums auch in Gestalt eines ebenso revolu-tionsfeindlichen wie waffenartigen Einsatzes des Strafverfahrens.Um die liberal-republikanischen Ziele der politisch verfolgten sogenannten Demagogen in Form von Strafprozessen wegen Hoch-verrats effektiv bekämpfen zu können, kam es mit Nolte zu einer»Flucht« der Obrigkeit »aus den Bindungen des Strafprozess-rechts«.39 Die strafprozessuale Lage war dabei zu Beginn desVormärz durchaus geordnet. Die deutschen Staaten betriebenVerfahren noch immer entweder direkt oder vermittelt durcheigene Rezeptionsgesetze auf dem Boden des gemeinen deutschenStrafprozesses.40 Allerdings zeigten sich die justiziellen Ermitt-lungsbefugnisse des Untersuchungsrichters und seiner unterstüt-zend eingesetzten »Hilfsbeamten« (Gerichtsdiener, Gendarmenusw.) bald ungeeignet, das politisch in großer Zahl geforderteVorgehen gegen »Umtriebige« zu leisten. Dies setzte allgemeineinen »Tatverdacht« voraus, den der Richter entweder bereitsamtlich wahrnehmen oder doch wenigstens auf eine Anzeige hinselbst feststellen musste. Oft genug existierten zunächst bloße»Gerüchte«, die auf ihren »wahren Kern« erst noch abgeklopftwerden mussten, um an gerichtsfeste Beweismittel zu kommen.Weil solche Ermittlungen im politischen Untergrund, z. B. in Ge-stalt der verdeckten Teilnahme an Versammlungen, des geheimenObservierens von Personen oder des heimlichen Belauschens vonGesprächen, besondere Fertigkeiten, vor allem aber eine quali-fizierte personelle Ausstattung erforderten, kam es zu einer Ver-lagerung der Ermittlungstätigkeit von der Justiz auf eine sichausgehend von Österreich, Bayern und Preußen zusehends etablie-rende politische Polizei.41

Sollte diese Verfolgung der Opposition aber doch eher Zeicheneiner Gefahrenabwehr gewesen sein, die mit dem Strafverfahren des

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38 Vgl. Gerd Kleinheyer, Grund-rechte, Menschen- und Bürger-rechte, Volksrechte, in: Geschicht-liche Grundbegriffe, hg. von OttoBrunner u. a., Bd. 2, Stuttgart1975, 1047–1082, 1070.

39 Jakob Nolte, Demagogen undDenunzianten. Denunziation undVerrat als Methode polizeilicherInformationserhebung bei den po-litischen Verfolgungen im preußi-schen Vormärz, Berlin 2007, 189.

40 Vgl. Julius Friedrich HeinrichAbegg, Lehrbuch des gemeinenCriminal-Prozesses, Königsberg1833, 13 f.

41 Vertiefend Dirk Riesener, Polizeiund Politische Kultur im 19. Jahr-hundert, Hannover 1996, 181 ff.;Karin Hachenberg, Die Ent-wicklung der Polizei in Köln von1794 bis 1871, Köln u. a. 1997,70 f.; Walter Obenaus, Die Ent-wicklung der preußischen Sicher-

heitspolizei bis zum Ende derReaktionszeit, Berlin 1940, 89 ff.;und vor allem Wolfram Sie-mann, »Deutschlands Ruhe,Sicherheit und Ordnung«. DieAnfänge der politischen Polizei1806–1866, Tübingen 1985,41 ff., 48 ff., 61 ff.

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gemeinen Rechts nichts zu tun hatte, sodass sich die bislang reinaus strafprozessualem Blickwinkel gestellte Verrechtlichungsfragean dieser Stelle vielleicht interdisziplinär öffnen muss? Nur wenigspricht dafür. Art. II der Bundesakte von 1815 bestimmte zwarunter anderem die »Erhaltung der äußeren und inneren SicherheitDeutschlands« zum Zweck des Deutschen Bundes. Die restaurativePolitik seit dem Wiener Kongress war ebenso eher an einer zu-kunftsgerichteten Erhaltung und Verteidigung aristokratischerBundesstrukturen interessiert als an einer tatrekonstruktiven, ver-gangenheitsorientierten Strafverfolgung.42 Zur Durchsetzung die-ser politischen Ziele diente wenig später auch die KarlsbaderBundesgesetzgebung. Der »Beschluß betreffend die Bestellung einerCentralbehörde zur nähern Untersuchung der in mehreren Bundes-staaten entdeckten revolutionären Umtriebe«, das so genannteUntersuchungsgesetz vom 20.9.1819, formulierte in seinem Art. 2als Aufgabe der Bundesuntersuchungskommission:

»Der Zweck dieser Commission ist gemeinschaftliche, möglichst gründliche undumfassende Untersuchung und Feststellung des Thatbestandes, des Urprungsund der mannigfachen Verzweigungen der gegen die bestehende Verfassung undinnere Ruhe, sowohl des ganzen Bundes, als einzelner Bundesstaaten, gerichte-ten revolutionären Umtriebe und demagogischen Verbindungen, von welchennähere oder entferntere Indicien bereits vorliegen, oder sich in dem Laufe derUntersuchung ergeben möchten.«43

Diese Sonderrechtsetzung zielte ohne Zweifel auf eine mög-lichst umfassende Ausermittlung politisch missliebiger Aktivitätender Opposition ab. Solche Untersuchungen hatten ihren Schwer-punkt aber nicht in der Wahrung bzw. Wiederherstellung einerdamals noch nicht definierten Inneren Sicherheit.44 Selbst soweitden unabhängig von konkreten Gefahrenlagen statthaften Ermitt-lungshandlungen ein staatsschützender Charakter beigemessenwird, sollten die hieraus gewonnenen generellen Informationendoch stets zur Grundlage von gerichtlichen Strafverfahren wer-den.45 So ist unstreitig, dass die Ergebnisse dieser im Schwerpunktheimlichen Ermittlungen später in Hochverratsprozesse vor denzuständigen Kriminalgerichten mündeten.46 Abgesehen von dieserInitiativfunktion zeigt sich der normative Einfluss der KarlsbaderBeschlüsse auf das Strafprozessrecht auch darin, dass sich aufihrem Boden neuartige Ermittlungsorgane (Instructoren, Commis-sare) etablieren konnten, die mit generalklauselartigen, heimlichesVorgehen umfassenden Befugnissen ausgestattet waren.47 Die nach

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42 Siemann (Fn. 41) 79: »stabilitäts-wahrender Grundgedanke derPrävention«. Die politischenHauptkräfte dieser Zeit ordnetEberhard Büssem, Die Karls-bader Beschlüsse von 1819, Hil-desheim 1974, 8 ff.

43 Der »Provisorische Bundesbe-schluß über die in Ansehung derUniversitäten zu ergreifendenMaßregeln«, das sog. Universitäts-gesetz vom selben Tage, umschriebdie Befugnisse der »Instructoren«noch konkreter.

44 Vgl. aber Nolte (Fn. 39): »effek-tive Gefahrenabwehr«; bereitsnicht mehr ganz so präventivorientiert berichtet Obenaus(Fn. 41) 112 immerhin von demDrängen des Kammergerichts (!)im »Kampf zwischen Justiz undPolizei«, ihm polizeiliche Ermitt-lungsergebnisse unverzüglich zurweiteren Verfügung zu überlassen.Gewisse Wandlungen zwischen ei-nem repressiven und einem prä-ventiven Kommissionscharakterbeschreibt Siemann (Fn. 41) 83 ff.

45 Vgl. Eberhard Weber, DieMainzer Zentraluntersuchungs-kommission, Karlsruhe 1970,32 ff., 34: Befugnisse zwischen der»Oberleitung rein polizeilicherUntersuchungstätigkeit« und einer»Art Revisionsinstanz in Strafsa-chen«.

46 Günther Cuers, GerichtlicheStrafverfolgung von Burschen-

schaftern im Herzogtum Braun-schweig nach dem FrankfurterWachensturm 1832, in: 1885–1985. 100 Jahre V. a. B. Braun-schweig, hg. von der Vereini-gung alter BurschenschafterBraunschweig, Braunschweig1985, 20–45, 23, 27.

47 Vgl. z. B. Reinhard Müth, Stu-dentische Emanzipation undstaatliche Repression, Tübingen1977, 62 ff., zum Tübinger

Staatskommissar Hofacker; zum»Netz von Zuträgern, Agenten,Konfidenten, Spitzeln und De-nunzianten« s. Jörg Leonhard,»… der heilige Eifer des Bücher-kastrierens?« Wandel und Wider-spruch politischer Zensur imdeutschen Vormärz bis 1848, in:Zensur im modernen deutschenKulturraum, hg. von Beate Mül-ler, Tübingen 2003, 31–45, 33.

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dem Vorbild der »Central-Untersuchungskommission« in Mainz(1819–1828) in den Einzelstaaten eingerichteten Kommissionenfungierten auch nicht wie reine Staatsschutzstellen, sondern ermit-telten als »inquirierende Kriminalgerichte«.48 Vor allem stütztensie ihre Untersuchungen trotz ihrer Errichtung durch Bundesgesetz-gebung offiziell auf die jeweiligen Straf- und Strafprozessgesetzeder Staaten, die Königliche Immediat-Untersuchungskommissionin Preußen etwa auf die Criminalordnung von 1805.49 Vor demHintergrund, dass Grundlage der Karlsbader Gesetzesvorlage einhessisch-nassauisches Gutachten zur »Beurteilung der demagogi-schen Umtriebe in strafrechtlicher Hinsicht« war und ursprünglichneben der Untersuchungskommission auch ein Strafgericht aufBundesebene zur Aburteilung von Angeschuldigten vorgesehenwar,50 muss man die Karlsbader Sonderrechtsetzung im Ergebnisjedenfalls in gewichtigen Teilen als strafverfahrensrelevant ver-stehen.51 Der nachfolgenden Frankfurter Bundes-Untersuchungs-behörde (1833–1842) und den zu ihrer Unterstützung gebildeteneinzelstaatlichen Untersuchungsbehörden wird ein solcher »Zwit-tercharakter« unter Einschluss einer strafprozessualen Funktionohnehin bescheinigt.52 Gleichwohl blieb diese gesetzliche Etablie-rung einer in Geheimverfahren operierenden politischen Polizeiohne weitere Anknüpfung an ein bestehendes Strafverfahrens-rechtsregime und damit ohne nennenswerten strafprozessualenVerrechtlichungsgehalt.

Dem standen kaum normative Begrenzungen entgegen, weilzwingende verfassungsrechtliche Vorgaben, die zum Schutze frei-heitlicher Verbürgungen die Festlegung notwendiger Bindungen imStrafverfahrensrecht hätten vorantreiben können, noch fehlten.Soweit zwischen 1814 und 1841 in einer »Periode der bescheidenkonstitutionellen Hoffnung«53 in den deutschen BundesstaatenVerfassungen entstanden waren,54 enthielten diese entweder keineIndividualrechtskataloge, oder die kodifizierten subjektiven Garan-tien firmierten schon ihrem Namen nach zu betagt und kraftlos.55

Für Grundrechte bestand noch nicht einmal eine einheitlicheBegriffsbildung.56 Die strafprozessuale Wirkmächtigkeit des Ver-fassungsrechts war auch deshalb sehr begrenzt, weil die Verfas-sungsrechtsetzungen von den herrschenden Monarchen oft als»freiwillige Zugeständnisse« zur Wahrung »dynastischer Selbst-erhaltungsinteressen«57 an die sich ändernden gesellschaftlichenZustände verstanden wurden, die in ihrer praktischen Umsetzung

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48 Vgl. Hartmut Mangold, E. T. A.Hoffmann – Dichter und Richter,Vortrag im »Forum Recht undKultur im Kammergericht« vom29.5.2008, S. 13, verfügbar unterhttp://www.forumrechtundkultur-imkammergericht.de/Daten/Man-gold2008.pdf, der ebenso dieGrundlage der Demagogenverfol-gung in den Strafvorschriftensieht.

49 Mangold (Fn. 48) 13.

50 Büssem (Fn. 42) 353 f.51 Vgl. Ernst Rudolf Huber,

Deutsche Verfassungsgeschichteseit 1789, Bd. I, 2. Aufl., Stuttgartu. a. 1990, 746 ff.; das Untersu-chungsgesetz wird aber nicht alseigentliche Rechtsgrundlage derHochverratsverfahren verstanden,vgl. Theophil Gallo, Die Ver-handlungen des außerordentlichenAssisengerichts zu Landau in der

Pfalz im Jahre 1833, Sigmaringen1996, 43 ff.

52 Siemann (Fn. 41) 95; ferner Leo-pold Friedrich Ilse, Geschichteder politischen Untersuchungen,welche die neben der Bundes-versammlung errichteten Com-missionen, der Central-Untersu-chungs-Commission zu Mainzund der Bundes-Central-Behördezur Frankfurt in den Jahren 1819bis 1827 und 1833 bis 1842 ge-führt sind, Frankfurt a. M. 1860;Adolf Löw, Die FrankfurterBundeszentralbehörde von 1833–1842, Frankfurt a. M. 1932, 13 ff.,17 f.

53 Wilhelm Schulz und CarlWelcker, Geheime Inquisition,Censur und Kabinetsjustiz imverderblichen Bunde, Carlsruhe1845, 22 f.

54 Eine Auflistung findet sich beiKleinheyer (Fn. 38) Fn. 104.

55 Dieter Grimm, Die Entwicklungder Grundrechtstheorie in derdeutschen Staatsrechtslehre, in:Grund- und Freiheitsrechte vonder ständischen zur spätbürgerli-chen Gesellschaft, hg. von Gün-ter Birtsch, Göttingen 1987,234–266, 237: »Untertanenrech-te«, »Rechte der Landesangehöri-gen«.

56 Grimm (Fn. 55); das heutige Ver-ständnis überträgt Huber (Fn. 51)350 ff.

57 Grimm (Fn. 55).

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nur soweit wirken konnten, wie es die bürokratische Exekutivezuließ.58 Eine effektive Begrenzung staatlicher, auch verdeckterMachtausübung war auf diese Weise freilich nicht zu erreichen.

Heimliche Ermittlungsmaßnahmen waren in dieser Zeit auchGegenstand abstrakt-generell formulierter hoheitlicher Rechtset-zungsakte. Von Jagemann nennt etwa das Beispiel der badischenVerordnung vom 30.5.1822, die zur Voraussetzung einer Brief-erbrechung die Tatsache bestimmt, »daß Inculpant wirklich inCriminaluntersuchung steht«.59 Eine solche »Anordnung der In-quisitionsbehörde, daß alle von einem Inculpanten ausgehendeund an denselben eintreffenden Briefe, sei es durch die Post oderdurch andere Gelegenheit, in ihre Hände geliefert werden«,erfolgte auch zum Zweck »der Erweiterung des Beweismate-rials«.60 Das weiterhin geltende gemeine Recht zeigt sich imVormärz somit sowohl durch immanente Rechtsfortbildung, Bun-desgesetzgebung wie auch durch solche Verordnungsgebungenbeeinflusst.

Diese normative Perspektive allein würde die Verrechtli-chungsfrage aber nur unzureichend beleuchten. Auch die prakti-sche Umsetzung der heimlichen Strafverfolgung ist aufschlussreich.Eines ihrer Kennzeichen war ihr frühes Ansetzen, gewissermaßenihr Vorfeldcharakter, verstanden als Produktion eines gerichts-festen Tatverdachts. Aus Hessen gibt es prominente Beispiele füreine solche Übung. Neben der berühmten steckbrieflichen Fahn-dung nach Georg Büchner dürften die jahrelangen Ermittlungengegen den Marburger Staatsrechtslehrer Sylvester Jordan61 bered-tes Zeugnis davon ablegen, wie sehr die Obrigkeit um die Erlan-gung hieb- und stichfester Beweise wegen Hochverrats und der-gleichen kämpfte. Die politische Situation beschreibt GünterKleinknecht: »Kein Ständemitglied war je so bekannt, beliebtund wurde so gefeiert wie Jordan im Jahre 1832. Mit seinem›rücksichtslosen Streben‹ nach der Verwirklichung konstitutio-neller Grundsätze befand er sich damals in vollem Einklang mitden Erwartungen der sich herausbildenden bürgerlichen Öffent-lichkeit.«62 In den Beständen des Hessischen Staatsarchivs Mar-burg findet man viele Aktenstücke aus der Praxis der Strafjustizjener Tage, welche die tatsächlichen Umstände heimlicher Straf-verfolgung belegen.63 In einer schriftlichen Verfügung des hessi-schen Innenministers an die Polizei in Marburg vom Mai 1833heißt es:

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58 Vgl. Hellmut Seier, Kurhessenund Deutschland im 19. Jahrhun-dert, in: ZHG 105 (2002) 135–147, 141 f.; die Leistungsgrenzendes Verfassungsrechts macht auchdas Beispiel einer Hausdurchsu-chung in der Eingabe des Mar-burger Professors Hildebrandt andie Ständeversammlung vom14.7.1846, abgedruckt in Aktenund Eingaben aus dem kurhessi-schen Vormärz 1837–1848, hg.von Hellmut Seier, Marburg1996, 401 ff., anschaulich.

59 Ludwig Hugo Franz von Jage-mann, Handbuch der gerichtli-chen Untersuchungskunde, ErsterBand, die Theorie der Untersu-chungskunde enthaltend, Frank-furt a. M. 1838, 121. Die Verord-nung ist im Großherzoglich Badi-schen Staats- und Regierungs-BlattBd. 20 (1822) allerdings nicht ab-gedruckt.

60 von Jagemann (Fn. 59) 119 mitFn. 1; ferner Abegg, Ueber dierechtlichen Grenzen der Befugniß,die Correspondenz Angeschuldig-ter als Mittel der Begründung desVerdachts und des Beweises zubenutzen, in: ArchCrimR N. F.1842, 553–592; Mittermaier,Ueber das Recht des Criminal-

richters, Brieferbrechung alsWahrheitserforschungsmittel an-zuwenden, in: Neues ArchCrimR2 (1818) 452–461.

61 Zum Lebenslauf allgemein Con-stant von Wurzbach, Biogra-phisches Lexikon des KaiserthumsOesterreich, Zehnter Teil, Wien1863, 260 ff.

62 Günter Kleinknecht, SylvesterJordan (1792–1861). Ein deut-

scher Liberaler im Vormärz, Mar-burg 1983, 107 f.

63 Zum Verfahren ferner Carl Wel-cker, Die geheimen Inquisitions-prozesse gegen Weidig undJordan, Karlsruhe 1843, 9 ff.;materialreich auch Schulz undWelcker (Fn. 53) zum Parallel-verfahren gegen Weidig; weitereBeispiele aus den Untersuchungs-akten bei Kleinknecht (Fn. 62)129 Fn. 337.

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[…] 18/5 33.Morgens 11 Uhr.

Dem unterzeichneten Ministerium ist auf offiziellem Wege die Nachricht zu-gegangen, daß die Pariser Propaganda am 7ten d. M. einen Emissär, NamensScherd oder Schrede, einen Hannoveraner von Geburt, an mehrere deutscheUniversitäten, namentlich aber zu einer Rücksprache mit dem »berühmten«Professor »Jeridan« – ohne Zweifel Jordan – abgeschickt habe.Die Polizei-Direction in Marburg wird davon in Kenntnis gesetzt mit derAufforderung, dieser Sache ihre ungetheilte Aufmerksamkeit zu widmen, imFalle, daß gedachter Scherd wirklich in Marburg eintreffen sollte, ihn sorg-fältigst, aber möglichst geheim zu beobachten, seinen etwaigen Verkehr mitp. Jordan nicht alsbald zu hindern, ihn jedoch nicht aus dem Auge zu verlierenund alles aufzubieten, um möglichst vollständigen Stoff zum ernstlichen Ein-schreiten gegen den oder die Verdächtigen zu sammeln.[…]

Kassel am 17ten Mai 1833.

Kurfürstliches Ministerium des InnernHassenpflug64

In entsprechender Weise wurde dann von der Polizei verfahren:

Rapport vom 9. auf den 10. Juny 1833.den Professor Jordan betreffend.

Gestern Vormittag war derselbe auswärts nicht bemerkt, Nachmittags gingderselbe nach Okershausen zu spazieren, unterhielt sich auf diesem Spaziergangmit dem Professor Rehm, späther einige Augenblicke mit dem Professor Lips,welcher letzterer in Gesellschaft des Dr. med. Eichelberg, welcher in polnischenDiensten war, zusammen waren. Jordan verlies diese beyden, und passirtendiese allein in die Stadt ein.

Der Polizei Commissar[…]65

Eine solche, sicher verallgemeinerungsfähige Einzelfallpraxis,die expressis verbis auf keinerlei Rechtsgrundlagen Bezug nimmtund nicht im Ansatz ein Bewusstsein von ihrer eigenen rechtlichenBegrenztheit zeigt, ist Zeichen einer brachliegenden Verrechtli-chung des heimlichen Vorgehens.66 Nach einem rechtlichen Dürfenwird nicht gefragt, allein das politische Können des verdecktenVorgehens zählt. Deshalb lässt sich an diesem Beispiel auch nichtablesen, dass sich heimliche Ermittlungsmaßnahmen – wie ansatz-weise im gemeinen Recht nachweisbar – etwa als ultima ratio derUntersuchungstätigkeit darstellten; es scheint ganz im Gegenteilsogar zu ihrer Priorisierung (»ungetheilte Aufmerksamkeit«,»möglichst geheim«) gekommen zu sein. In welcher Weise und in

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64 HStAM, Bestand 16 Ministeriumdes Innern, VII Polizeirepositur,Klasse 12, Nr. 37 Beilagenheft:Prof. Jordan zu Marburg =Nr. 7288 neue Zählung, Film-zählwerk 1244.

65 HStAM (Fn. 64) Filmzählwerk1269.

66 Nolte (Fn. 39) 188 spricht indiesem Zusammenhang vonSelbstherrlichkeit.

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welch beträchtlichem Umfang auch Private (freiwillig) als Infor-manten Strafverfolgungsdienste leisteten, erhellt der Einsatzberichtdes Johann Conrad Kuhl aus demselben Jahr:

»Es war in der ersten Hälfte des Monats März 1833, als ich Hrn. Hofgerichts-rath v. Stein in Giessen eröffnete: daß ich wichtige Entdeckungen einer bevor-stehend Revolution zu machen verspreche, falls mir richtige Begnadigung,Verschwiegenheit meines Namens und respective das Versprechen mich niewegen meiner Theilnahme in Untersuchung zu ziehen, zugesichert werde. […]Ich reiste überall herum, war (nach Ostern) 3 mal in Marburg, 2 mal inWiesbaden, 6 mal in Frankfurt, zweimal in Hanau 2 mal in Darmstadt 2 malin Illbenstadt und 130 mal in Giessen bey Hrn. v. Stein, berichtete, holteInstructionen […]«67

Insgesamt stellt sich die Verrechtlichungsfrage im Vormärzdamit sehr facettenreich: Dabei bedeutet die Entwicklung vonSpezialbehörden für Geheimermittlungen allerdings keine gleich-sam »institutionelle Verrechtlichung«, mit der eine kodifikatori-sche Verrechtlichung jedweder Art von Untersuchungstätigkeit inSonderrechtsetzungen korrespondiert hätte. Denn zum einen konn-te die bloße Errichtung staatlicher Sonderbehörden als solche dochnichts zu einer normativen Ausdifferenzierung ihrer eigenen Er-mittlungsbefugnisse beitragen und ganz allgemein war die recht-liche Einhegung dieser Polizeiorgane zu diesem Zweck zu vage undunbestimmt. Allgemein bestand seitens der Obrigkeit kein Bedürf-nis nach einer juristischen Erfassung heimlicher Ermittlungstätig-keit. Auch aufgrund des schwachen Verfassungsrechts folgte zu-mindest das positivrechtliche Dürfen vielmehr stets dem politischGewollten. Sofern die revolutionäre Bewegung die Normierungpolizeilicher Befugnisse zunehmend einforderte, ging es ihr um dieBegrenzung hoheitlicher Gewalt auf einer hohen Abstraktions-ebene (»die Polizeigewalt«), noch nicht jedoch um derart konkreteStreitfragen wie den Charakter der Heimlichkeit der Maßnahmen.Genau dies wurde jedoch Gegenstand aufkommender staatsrecht-licher Publizistik. Robert von Mohl etwa arbeitete den zuhaufpraktizierten Einsatz der »geheimen Polizei« rechtswissenschaft-lich auf und formulierte erstmals in dieser Ausführlichkeit mate-rielle und formelle Grundsätze der Nutzung von Agenten.68 Diejuristisch durchaus indifferente politische Unruhe dieser Zeit ließdie Strafverfahrensrechtsentwicklung jedoch an diesem Punkt stag-nieren und öffnete einem kriminalistischen Wildwuchs Tür undTor, der bestehende prozessuale Bindungen oft ignorierte. Daran

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67 F. W. Schulz, Die Klage des Jo-hann Conrad Kuhl von Butzbachgegen den Großherzoglich Hessi-schen Staatsminister Freiherrn duBos du Thil auf Schadloshaltungwegen angeblich geleisteter Spio-nendienste, Zürich u. a. 1844, 19,22.

68 Robert von Mohl, Die Polizei-Wissenschaft nach den Grund-sätzen des Rechtsstaates, DritterBand, System der Präventiv-Justiz

oder Rechts-Polizei, 2. Aufl.,Tübingen 1845, 424 ff., 433 ff.

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änderten auch die vereinzelten Normierungen heimlicher Ermitt-lungstätigkeit nichts. Der großherzoglich badische Amtmann vonJagemann bemerkt im ersten Band seines berühmten »Handbuchsder gerichtlichen Untersuchungskunde« im Jahr 1838 daher tref-fend:

»Es ist freilich schlimm, daß in so vielen deutschen Staaten bis heute noch keinCriminalproceßgesetzbuch vorhanden ist.«69

V. Die Verrechtlichungsfrage im Spiegel der partikularrechtlichenNormierungen von 1843 bis 1855 – Bestandsaufnahme undHintergründe

Dies sollte sich bald ändern. Ihren Weg heraus aus dem Daseinals willkürliche Objekte abstrakt-genereller monarchischer Ver-ordnungen und administrativer Einzelfallverfügungen hinein indie leistungsfähigeren Regelungen der parlamentarischen Fachge-setze fanden die heimlichen Ermittlungsmaßnahmen hauptsächlichin Gestalt der Postbeschlagnahme mit der aufkommenden Parti-kulargesetzgebung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die folgendeSondierung steht allerdings vor einem kaum auf die Kodifikationvon Ermittlungsbefugnissen konzentrierten Hintergrund. Denn dieReform des Strafprozesses betraf hauptsächlich die großen Aus-richtungen des Verfahrens (Einführung der Schwurgerichte und derStaatsanwaltschaften, Etablierung der Grundsätze der Mündlich-keit und Öffentlichkeit).70 Es verwundert deshalb nicht, wenn diegesetzlichen Bestimmungen zu den nicht offen ausgeführten außer-gerichtlichen Untersuchungsbefugnissen spärlich sind. Die Normenlassen sich danach unterscheiden, ob sie die Ermittlungsführungallgemein (1.) oder die beiden Hauptfelder heimlicher Informa-tionsbeschaffung im Strafverfahren in dieser Zeit, den Einsatz vonInformanten (2.) oder die Postbeschlagnahme (3.), betrafen.

1. Allgemeine Führung der Ermittlungen

Noch immer ist die Ermittlungstätigkeit auch während derVoruntersuchung eine grundlegend richterliche Aufgabe.71 Ob-wohl damit am Primat der gerichtlichen Strafverfolgung festge-halten wird, kommt es aber häufiger zu einer Akzeptanz nicht-

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69 von Jagemann (Fn. 59) 8 Fn. 3.70 Oft geschah dies, wie etwa in

Kurhessen am 31.10.1848, durchein besonderes »Gesetz die Um-bildung des Strafverfahrens be-treffend« o. ä. Vgl. Mittermaier,Ueber die Stellung des Assisen-präsidenten, in: Der Gerichtssaal,1 (1849) 17–40, 17; Ferd. CarlTh. Hepp, Anklageschaft, Oef-fentlichkeit und Mündlichkeit desStrafverfahrens, Tübingen 1842;

J. Fr. H. Abegg, Beiträge zurStrafprocess-Gesetzgebung, Neu-stadt an der Orla 1841; Ignor(Fn. 10) 231 ff.: »Reformprinzi-pien«.

71 Vgl. § 88 I ÖStPO v. 17.1.1850:»Die Voruntersuchung wird vondem Untersuchungsrichter per-sönlich und unmittelbar geführt.«;§ 2 Gesetz, die Untersuchungs-und Strafbefugnisse der Behördenbei Verbrechen und Vergehen der

Militairpersonen betreffend v.13.5.1845 (Criminalgesetzbuchfür das Fürstenthum Schwarz-burg-Sondershausen) als Beispielmilitärgerichtlicher Untersu-chungskompetenz.

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richterlicher Strafverfolgung in den Gesetzen.72 Die »Nützlichkeitund Bedeutung der polizeilichen Vorerörterung«73 wird zuneh-mend erkannt.74 Die Ämter von Staatsanwaltschaft und Polizeisind deshalb nun ebenfalls Gegenstand strafprozessualer Normie-rungen, wenngleich das Schwergewicht anfangs weniger auf derFestschreibung ihrer Befugnisse als vielmehr auf organisatorischenBelangen zu liegen scheint.75 Wegen des Auftretens dieser neu-artigen, mit den Kompetenzen der traditionellen Untersuchungs-richter konkurrierenden Ermittlungsbeamten kommt es vereinzeltzu einer Kodifikation von Befugnisabgrenzungen.76 Eine gewisseZurückhaltung gegenüber der Aufnahme der (gerichts-)polizeili-chen Befugnisse in die Strafprozessordnungen besteht allerdingsnoch immer. Bezeichnend ist die Übung, die Befugnisse der »poli-zeilichen Vorerörterung« zwar im Unterschied zum gemeinenRecht nun gesetzlich zu regeln,77 diese Kodifikationen aber tech-nisch den Strafprozessordnungen auszulagern. So sind Gesetzewie das braunschweigische »Gesetz, die gerichtliche Polizei unddie mit deren Ausübung beauftragten Personen betreffend«78 vom19.3.1850 Zeichen letzter Ressentiments vor einer integralen Ko-difikation, die das Vorverfahren einer umfassenden und vor allemgeschlossenen gesetzlichen Regelung zuführt.

Die Ermittlungsbefugnisse werden einerseits überwiegend zurErforschung des »Thatbestands des Verbrechens«, also ausdrück-lich zweckgebunden ausgestaltet und somit begrenzt.79 Auf deranderen Seite ist eine normative Differenzierung zwischen recht-mäßigen und unrechten Untersuchungshandlungen nicht erkenn-bar, wenn z. B. § 78 der HannStPO vom 8.11.1850 den Unter-suchungsrichter schlechthin zu allem ermächtigt, »was ihm zurErmittlung der Wahrheit dienlich scheint«.80 Interessanterweiseentkoppelt etwa § 14 II der LübStPO von 1854 die polizeilicheErmittlungskompetenz von richterlichen oder staatsanwaltlichenBeauftragungen und sieht die Befugnis vor, »auch ohne besondereAufforderung, alle vorläufigen Erkundigungen und Vernehmungenanzustellen, welche zur Ermittlung des Thatbestandes oder Thätersführen können«. Das damit zum Ausdruck kommende proaktivepolizeiliche Dürfen ist Zeichen einer gesetzlichen Befugnisöffnungund Befugnisweitung, die bereits vorhandene, spezifisch polizei-liche Instrumente einer (auch verdeckten) Informationsgewinnungnicht von vornherein ausgeschlossen haben dürfte. Explizite Rege-lungen, wie wir sie für die Befugnis zur Postbeschlagnahme finden,

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72 Symptomatisch § 2 S. 1 ÖStPO1850, der zwar von der »gericht-lichen Verfolgung der strafbarenHandlungen« spricht, diese aberim selben Atemzug »den von demGesetze hierzu bestimmten Beam-ten«, also auch den Staatsanwäl-ten überträgt; zur Abtrennung desVorverfahrens auch H. A. Zacha-riä, Die Gebrechen und die Re-form des deutschen Strafverfah-rens, Göttingen 1846, 224 ff.

73 Friedrich Oskar Schwarze,Commentar zur Strafproceßord-nung des Königreichs Sachsenvom 11. August 1855, ErsterBand, Leipzig 1855, 143 ff.

74 Zweifelnd noch Carl von Schi-rach, Ueber den Entwurf einerStrafproceß-Ordnung für die Her-zogthümer Schleswig und Hol-stein, Kiel 1850, 30 ff., der mitdem Einbezug einer Staatsbehördein die Ermittlungsarbeit derenObjektivität nicht mehr gewahrtsieht.

75 Vgl. nur Artt. 41 ff. Sachs-WeimStPO v. 20.3.1850; 19 ff.BayStGBÄndG v. 10.11.1848 so-wie §§ 2 ff. PrVO v. 3.1.1849 alsAusnahme von der Regel; vgl. zurVerrechtlichung der Staatsanwalt-schaft Lorenz Schulz, Die Tei-lung der erkennenden Gewalt.Zur Einführung der Staatsanwalt-schaft in Deutschland, in: Staats-anwaltschaft. Europäische undamerikanische Geschichten, hg.von Bernard Durand u. a.,Frankfurt a. M. 2005, 311–338;Peter Collin, »Wächter der Ge-setze« oder »Organ der Staats-regierung«? Konzipierung,Einrichtung und Anleitung derStaatsanwaltschaft durch daspreußische Justizministerium,Frankfurt a. M. 2000, insbes.107 ff., 181 ff.

76 Vgl. beispielhaft §§ 4 ff. PrVO(Fn. 75); Artt. 18 ff. WürttStPOv. 22.6.1843. Ferner J. Fr. H.Abegg, Kritische Betrachtungenüber den Entwurf einer Strafpro-zeß-Ordnung für das KönigreichWürttemberg vom Jahre 1832,Altenburg 1839, 64 ff.

77 Vgl. das Textzitat von Bieneroben I. (Fn. 1), ferner oben II.

78 Abgedruckt bei Robert Dege-ner, Die größeren Justizorganisa-

tionsgesetze für das HerzogthumBraunschweig nebst einem kurzen,den Motiven, Berichten und Ver-handlungen über dieselben ent-nommenen Commentare, Bd. 1,Braunschweig 1850, 89 ff.

79 Vgl. § 29 BadEGStGB v. 5.2.1851.80 Ähnlich auch § 57 II ÖStPO 1850:

»[…] dass alle zur Erforschung derWahrheit dienlichen Mittel gehö-rig benützt werden«.

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bleiben den Strafprozessordnungen für personengestützte heim-liche Untersuchungen durch Informanten, von aufschlussreichenAusnahmen abgesehen, aber weithin entzogen.

2. Vigilanten, Informanten, Spitzel und Konfidenten

Diese oftmals systematische personengestützte Informations-beschaffung im 19. Jahrhundert,81 deren Erkenntnisse in der Zeitdes Vormärz von der politischen Polizei sehr effektiv zulasten sogenannter Demagogen verwertet wurden, bleiben für die polizei-liche Ermittlungsarbeit zwar unentbehrlich,82 sind aber nur sehrvereinzelt von gesetzlichen Regelungen erfasst. Meist liegen dieseNormierungen außerhalb der Kodifikationen von Untersuchungs-befugnissen. Wie zuvor schon im gemeinen Recht hält zunächstdas materielle Strafrecht, z. B. Art. 292 (»Baumfrevel«) des Crimi-nal-Gesetzbuchs für das Fürstenthum Schwarzburg-Sondershausenvom 10.5.1845,83 Regelungen vor, die eine Belohnung von Perso-nen im Fall ihrer Anzeige einer Straftat vorsehen. Auf diese Weiseschafft das Recht ebenso wie mit dem Instrument der Anzeige-pflicht einen Anreiz, die Strafverfolgung »privat« zu initiieren,sodass solche Regelungen die Auskunftsbereitschaft von Informan-ten fördern konnten. Freilich betreffen solche Vorschriften indesaus zweierlei Gründen nicht die hier gestellte Verrechtlichungs-frage: Zum einen ist der Normgehalt nicht trennscharf genug aufdie Heimlichkeit der Informationsermittlung, sondern allein auf dieAnzeige strafbaren Verhaltens als solche bezogen, und zum ande-ren sind derartige Vorgaben des materiellen Rechts ohne jedwedenAussagegehalt über Recht oder Unrecht prozessualer Verhältnisseim Sinne des hier verfolgten Verrechtlichungsbegriffs.

Soweit doch das Strafprozessrecht betroffen ist, finden sichrelevante Bestimmungen dort, wo man sie prima facie nichterwarten würde. So war es bereits im gemeinen deutschen Straf-prozess nicht unüblich, Untersuchungsgefangene in einem Haft-raum zusammenzulegen, um über Privatmitteilungen der Mithäft-linge neue tatrelevante Erkenntnisse zu erhalten.84 Daran knüpftendie §§ 190 ff. WürttStPO vom 22.6.1843 an: Gem. § 190 S. 2 hatder »Gefangenwärter« den Untersuchungsgefangenen »genau zubeobachten und seine Wahrnehmungen, so wie die ihm aus eigenerBewegung gemachten Eröffnungen unverzüglich dem Untersu-chungsrichter mitzuteilen«. Sofort wird diese Überwachungsbefug-

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81 Zur rechtlichen Systematisierungdieser »geheimen Agenten« vgl.von Mohl (Fn. 68) 433 ff.; zueinzelnen Fallstudien vor allemNolte (Fn. 39) 268 ff.

82 Vgl. Andreas Roth, Kriminali-tätsbekämpfung in deutschenGroßstädten 1850–1914, Berlin1997, 286 ff.; Peter Becker,Vigilanten als polizeiliche Infor-mationsquelle im 19. Jahrhundert,in: Denunziation und Justiz. His-

torische Dimensionen eines sozia-len Phänomens, hg. von FrisoRoss und Achim Landwehr,Tübingen 2000, 117–140.

83 Der Anzeigende soll als Gegen-leistung aus dem Vermögen desTäters »5–10 Thaler« erhalten.

84 Vgl. nur von Jagemann (Fn. 59)221.

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nis in § 191 aber scheinbar wieder verworfen, wenn es heißt: »DerUntersuchungs-Richter darf sich niemals des Gefangenwärtersoder Mitgefangener zu Ausforschung des Verhafteten bedienen.«In der Tat wird man diese strafprozessuale Befugniszuschreibungzum Einsatz einer nicht zum Kreis der Ermittlungsbeamten zählen-den Informantenperson differenziert beurteilen müssen: Lediglichdas zielgerichtete »Ansetzen« der Gefängniswache auf die Ermitt-lung bestimmter Informationen ist ausgeschlossen; daneben be-steht eine Ermittlungsbefugnis und Mitteilungspflicht über das,was der beobachtete Gefangene durch sein Verhalten oder inGesprächen an Erkenntnissen preisgibt. Ansonsten bleibt es beider gesetzgeberischen Zurückhaltung der Zulassung informanten-gestützter Ermittlungsbefugnisse.85

3. Brieferbrechung bzw. Postbeschlagnahme

Ganz anders ist die Situation bei der Postbeschlagnahme. DasAbfangen eines Briefes, sein Öffnen und die Kenntnisnahme vonseinem Inhalt hat zum Zweck der Strafverfolgung eine langeTradition,86 und auch im gemeinen Recht ist die sog. Brieferbre-chung ein ubiquitäres Untersuchungsinstrument.87 Aber im Unter-schied zu der oben zitierten spärlichen Verordnungsgebung bindetder reformierte Strafprozess diese Ermittlungszugriffe an differen-zierte und weit strengere Voraussetzungen. Die entweder kurz vor,hauptsächlich aber unmittelbar nach der Märzrevolution erlasse-nen Strafprozessordnungen weichen in ihren Regelungsgehaltenmitunter stark voneinander ab. Als Kerngehalt der verschiedenenNormierungen zeichnet sich allein das Recht des Untersuchungs-richters zur Beschlagnahme von an den Beschuldigten gerichtetenoder von diesem herstammenden Briefen ab, die sich bei der Postoder im Besitz Dritter befinden.88

Eine Benachrichtigung des Betroffenen89 über die Maßnahmeist, soweit eine Pflicht hierfür überhaupt statuiert wird,90 erstnachträglich möglich, was sich schon aus dem Postweg als Be-nachrichtigungsform ergibt.91 Das Erfordernis eines schriftlichenBefehls an den Postbeamten gibt es ebenso wenig überall.92

Manchmal wird die Befugnis zur Postbeschlagnahme an die Not-wendigkeit einer vorherigen Verhaftung des Betroffenen oder einesbestehenden Vorführungs- oder Verhaftungsbefehls gekoppelt.93

Gelegentlich ist die Maßnahme nur bei Verbrechens-, nicht jedoch

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85 Auch die den Staatsanwälten zu-weilen gegebene Aufgabe zurSammlung von »Wahrnehmun-gen, Anzeigen und Mittheilungen,die ihnen von Privatpersonen […]über Vergehungen gemachtwerden«, wie in § 25 I Braun-schwStPO v. 22.8.1849, stellenkeine Ausnahme hiervon dar.

86 Vgl. Anonymus, Doktor M. Lu-ther über Brieferbrechung, in:Deutsche Monatsschrift 1 (1792)131–136.

87 Vgl. Müller, Handbuch der ge-richtlichen Untersuchungskunde(Rezension), in: Ergänzungsblätterzur Allgemeinen Literatur-Zeitung1839, 305 ff.; Joseph Mitter-

maier, Theorie des Beweises imPeinlichen Prozesse, Darmstadt1821, 366.

88 Vgl. §§ 154 S. 1 ÖStPO 1850; 106HannStPO v. 8.11.1850; 125 ff.BadStPO v. 6.3.1845; Artt. 246 ff.WürttStPO 1843; 152 ff. Sachs-WeimStPO 1850; 209 f. Sächs-StPO v. 11.8.1854, zitiert nachSchwarze (Fn. 73) 290 ff.

89 Gem. § 125 II BadStPO 1845,Art. 154 Sachs-WeimStPO 1850

genügt u. U. eine Benachrichtigungeines Bevollmächtigten oder An-gehörigen.

90 Nicht etwa in der BraunschwStPO1849.

91 Vgl. statt vieler Art. 250 Württ-StPO 1843: »baldige Nachricht«.

92 So in § 106 S. 2 HannStPO 1850.93 Vgl. §§ 154 S. 1 ÖStPO 1850; 125

I BadStPO 1845; Art. 152 I Sachs-WeimStPO 1850.

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bei Vergehensverdacht statthaft.94 Zuweilen wird den Staatsan-wälten das Beschlagnahme-, nicht aber das Brieföffnungsrechteingeräumt.95 Die Brieföffnungsbefugnis wird allein den Unter-suchungsrichtern – bei Zustimmung des Betroffenen ohne weiteres,ansonsten erst nach obergerichtlicher Zustimmung – gestattet.96

Der Briefinhalt ist später je nach Ermittlungszweck in Urschrift,Abschrift oder auszugsweise zurückzugeben.97

4. Charakteristika einer Verrechtlichung

Die Verrechtlichung dieser heimlichen Ermittlungsmaßnah-men zeigt sich weitaus differenzierter als noch in den früherenPhasen des Vormärz (oben IV). Die Postbeschlagnahme ist imGegensatz zum Einsatz von Informanten in umfangreicher Weiseüberhaupt kodifiziert worden. Ein Grund dafür ist sicherlich dieneue Verfassungsrechtssituation. Wenn die einzelnen Verfassungs-gebungen das Postgeheimnis nunmehr als individualfreiheitsrecht-liche Position gewährleisteten und einen Eingriff unter den Vor-behalt eines Gesetzes stellten,98 so weist Knut Amelung zu Rechtdarauf hin, dass den entsprechenden strafprozessualen Normie-rungen die Aufgabe einer fachrechtlichen Ausfüllung der konsti-tutionellen Vorgaben zukam.99 Es bestand damit wohl erstmalsein direkter normativer Wechselbezug zwischen Verfassungs- undStrafverfahrensrecht, der eine inhaltliche Ausrichtung des straf-prozessualen Dürfens am verfassungsrechtlich Zulässigen erlaubte.Insoweit waren die neueren Verfassungsgebungen dieser Zeit derMotor der Verrechtlichung der Postbeschlagnahme. Die umge-kehrte Vorstellung, dass der Einsatz von Vigilanten und Informan-ten nur deshalb nicht einer Regelung in den Strafprozessordnungenunterworfen wurde, weil ein entsprechender verfassungsrechtlicherGesetzesvorbehalt fehlte,100 ist hingegen wenig überzeugend. Fürdie Nichtberücksichtigung im Gesetzesrecht dürfte vielmehr einnoch fehlendes Problembewusstsein ausschlaggebend gewesensein. Schließlich war das polizeiliche Vorverfahren erst seit kurzerZeit etabliert und es galt zunächst, dessen Rechtmäßigkeit ingroben Zügen einer gesetzlichen Regelung zu unterwerfen. Einweiterer Aspekt der Verrechtlichung der Postbeschlagnahme liegtin ihrer gelegentlich anzutreffenden Beschränkung auf die Ver-folgung von Verbrechen und ihre Unzulässigkeit im Fall einesbloßen Vergehensverdachts. Das materielle Strafrecht zeigt hier

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94 Vgl. Art. 246 I WürttStPO 1843;§ 125 I BadStPO 1845.

95 Bspw. § 154 S. 1 ÖStPO 1850;Art. 152 II Sachs-WeimStPO1850.

96 Vgl. § 155 ÖStPO 1850; Art. 153Sachs-WeimStPO 1850.

97 Vgl. §§ 156 ÖStPO 1850; 129BadStPO 1845; Artt. 250WürttStPO 1843; 154 II Sachs-WeimStPO 1850.

98 Vgl. etwa § 142 II der Paulskir-chenverfassung: »Die bei strafge-richtlichen Untersuchungen […]nothwendigen Beschränkungensind durch die Gesetzgebung fest-zustellen.«; dazu Anna CarolineLimbach, Das Strafrecht derPaulskirchenverfassung 1848/49,Frankfurt a. M. 1995, 138 ff.

99 Knut Amelung, in: AK-StPO, hg.von Rudolf Wassermann, Neu-wied 1992, Vor § 99 Rn. 7 f.

100 Für ein Recht auf informationelleSelbstbestimmung sollte es nochweit über hundert Jahre brauchen.

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erste, wenn auch schwache normative Einflüsse auf das Recht derheimlichen Ermittlungsmaßnahmen. Der Verrechtlichung der hierrelevanten Untersuchungshandlungen der Briefbeschlagnahme unddes Informanteneinsatzes gemeinsam sind die noch immer relativschwachen normativen Einflüsse des Hauptverfahrensrechts; nir-gends, weder im Gesetz noch in einer sonstigen Rechtsauffassung,findet sich etwa eine Inbezugnahme von Beschlagnahmefreiheitund Zeugnisverweigerungsrechten. Die Rechtsentwicklung unter-lag nach der Revolution in beiden Bereichen aber zunehmend demEinfluss bürgerlicher Rechtsanschauungen.101

VI. Ergebnis der Untersuchung

Kehrt man zur Ausgangsfrage zurück und fragt nach der »Ver-rechtlichung« heimlicher Ermittlungsmaßnahmen in den Strafver-fahren des untersuchten Zeitraums, so scheint eine differenzierteAntwort angemessen: Im Wandel der historischen Verhältnisse undStrafrechtssysteme haben Art und Relevanz jener wertbildendenFaktoren für die rechtliche Ausgestaltung der verdeckten Unter-suchungshandlungen mehrfach gewechselt. Es gab verschiedeneSubjekte einer Verrechtlichung, verschiedene rechtsetzende Instan-zen (Monarchen, Ministerien, Parlamente, Rechtsanwender imEinzelfall usw.) mit weitgehend unterschiedlichen Interessen, ins-besondere kriminal- und staatspolitischer Art. Die Verrechtli-chungssubjekte unterlagen ganz unterschiedlich weitgehenden Ge-staltungsfreiheiten und normativen Bindungsgrenzen. Als charak-teristisch für die Verrechtlichungsdiskussion hat sich ferner ihreDynamik, aber auch ihr Gebremstsein in Zeiten politischer Unruheerwiesen. Auch nach ihrem Objekt hatte die Verrechtlichung einganz eigenes Gepräge (legislatorisch bei der Postbeschlagnahme,außergesetzlich bei den Informanten). Deutlich geworden ist zu-dem, dass die Verrechtlichung nicht erst mit dem reformiertenProzess des 19. Jahrhunderts ansetzt. Normative Differenzierun-gen kannte mit Blick auf die Zulässigkeit der Maßnahmen bereitsdas gemeine Recht; lediglich die dafür maßgeblichen Umständewaren, ebenso wie der Gehalt der Verrechtlichung, verschieden.Und schließlich äußerte sich die Verrechtlichung der heimlichenErmittlungsmaßnahmen als eine »Verfachrechtlichung« bzw. eine»Strafverfahrensverrechtlichung« und nicht zuletzt als eine »Vor-

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101 Ludwig von Jagemann, DerUebergang vom alten zum neuenRechte: Zugleich als Prospect derZeitschrift, in: Der Gerichtssaal 1(1849) 3, 5 f.

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verfahrensverrechtlichung«. Die Leistungsfähigkeit einer solchenVerrechtlichungsdiskussion erweist sich nach alledem als respek-tabel. Welche (neuen) Orientierungspunkte einer Verrechtlichungder heimlichen Ermittlungsmaßnahmen in der dem Untersuchungs-zeitraum folgenden Zeit Bedeutung erlangten, ist an anderer Stellebelegt.102

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102 Vgl. C. Hahn, Die gesammtenMaterialien zur Strafprozeßord-nung und dem Einführungsgesetzzu derselben vom 1. Februar 1877,Erste Abth., Berlin 1880, 125 f.,632 ff., 1247 ff., 1527 ff., 1619 ff.,1774 ff., 2056 ff., zur parlamenta-rischen Kontroverse über die Be-fugnis zur Postbeschlagnahme.