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P. Federspil · Ph.A. Federspil · Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (Direktor: Prof. Dr. H. Iro), Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar Die epithetische Versorgung von kraniofazialen Defekten* Material rekonstruiert wird oder zu- mindest kein Fremdmaterial sichtbar ist. Die plastische Chirurgie stellt je- doch bei einem Totalverlust dieser Re- gionen eine große Herausforderung mit unsicherem ästhetischem Ergebnis dar. Oft ist nur nach mehreren Opera- tionen ein annehmbares Ergebnis zu erreichen. Hinzu kommen möglicher- weise sichtbare Spuren der Hebung ei- nes Lappens in einer benachbarten äs- thetischen Einheit (Donorpathologie). Vergleichende Untersuchungen zwi- schen plastischem Aufbau und epitheti- scher Versorgung sind aus verständli- chen Gründen schwierig durchzufüh- ren und selten. Nach einer schwedi- schen Untersuchung, in der Patienten mit plastischem Ohrmuschelaufbau bzw. Ohrepithese sowie deren Opera- teur nach ihrer Zufriedenheit befragt wurden, waren 22% der Patienten (8/37) mit dem plastischen Aufbau zufrieden, dagegen jedoch 99% mit ihrer kno- chenverankerten Epithese [10]. Diese besonders ungünstige Beurteilung des plastischen Aufbaus ist sicherlich dar- auf zurückzuführen, daß es sich um ein selektiertes Patientengut mißlungener Fälle handelte, die aus ganz Schweden zur epithetischen Versorgung überwie- sen wurden. Geschichte der Epithetik Es gibt Hinweise, daß Gesichtsdefekte bereits im Altertum mit Epithesen ge- deckt wurden, sichere Belege dafür feh- len allerdings [19]. Der erste geschicht- lich belegte Patient mit epithetischer Defekte oder Deformitäten im Be- reich von Kopf- und Gesicht führen fast immer zu einer schweren psychischen Belastung, so daß eine Rehabilitation erforderlich ist. Im Vordergrund stehen dabei die komplexen ästhetischen Ein- heiten Ohr, Nase und Orbita. Der zu versorgende Defekt kann jedoch auch Nachbarstrukturen wie die Wangenre- gion mit einbeziehen. Prinzipiell kön- nen zwei Wege eingeschlagen werden, nämlich das plastisch-chirurgische Ver- fahren und die epithetische Wiederher- stellung. Den Epithesen – auch Epiprothe- sen oder extraorale Defektprothesen genannt –, das sind Nachbildungen der Gesichtsstrukturen aus einem geeigne- ten Fremdmaterial, haftete bisher der nicht zu kaschierende Makel des Künst- lichen und der Instabilität an. Hier ge- lang in den letzten 20 Jahren der ent- scheidende Durchbruch mit 2 Entwick- lungen: 1. die Einführung der modernen Siliko- ne in die Herstellung der Epithesen und 2. die Erschließung von Titan als opti- mal biokompatiblem Material zur perkutanen ossären Implantation mit dem Ziel der knochenveranker- ten Fixierung der Epithesen. Warum die Epithesen damit „salonfä- hig“ wurden und welche Möglichkeiten sich heutzutage mit dieser Methode er- öffnen, soll im folgenden dargestellt werden. Plastische Chirurgie Die plastisch-chirurgischen Verfahren sind zur Korrektur von weniger kom- plexen ästhetischen Einheiten oder von Teildefekten von Ohr, Nase und Orbita sehr gut geeignet. Eindeutig von Vorteil ist, daß der Defekt mit körpereigenem HNO 6·98 | 569 Leitthema HNO 1998 · 46:569–578 © Springer-Verlag 1998 Zusammenfassung Die Rehabilitation von kraniofazialen Defek- ten und Deformitäten hat durch die Einfüh- rung der modernen Silikone und die Ent- deckung von Titan als idealem biokompati- blen Implantationsmaterial einen großen Fortschritt erlebt. Damit gelingt eine zuver- lässige solide Fixierung von Gesichtsepithe- sen, die dank der modernen Herstellungs- techniken eine außerordentliche Camou- flage des Defektes gestatten. Für die Rekon- struktion komplexer ästhetischer Einheiten wie z.B.Ohr, Nase und Orbita stellen die kno- chenverankerten Epithesen mehr als ledig- lich eine Alternative zu plastisch-chirurgi- schen Verfahren dar.Gerade nach Tumorope- rationen bieten sie die Möglichkeit, ein Rezi- div frühzeitig zu entdecken. Die Grundzüge der Implantologie und die verschiedenen, kommerziell erhältlichen Systeme für den extraoralen Bereich werden dargestellt, ebenso Indikationen und Kontraindikatio- nen sowie eigene Erfahrungen bei 120 Pa- tienten, die an der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde der Universität des Saarlandes in Homburg mit knochenver- ankerten Epithesen versorgt wurden. Schlüsselwörter Knochenverankerte Epithese · Osseointegration · Chirurgische Epithetik · Titan · Extraorales Implantat * Herrn Professor H. Sitte zum 70. Geburtstag ge- widmet Prof. Dr. P. Federspil Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren- Heilkunde, Universitätskliniken des Saarlandes, D-66421 Homburg/Saar& / f n - b l o c k : & b d y : Redaktion H. Iro, Homburg/Saar

Redaktion (Direktor:Prof.Dr.H.Iro),Universitätskliniken ... · doch bei einem Totalverlust dieser Re- ... „Die Osseointegration ist ein Prozeß,bei dem eine klinisch-asympto-

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P. Federspil · Ph.A. Federspil · Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde

(Direktor:Prof.Dr.H. Iro), Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar

Die epithetische Versorgungvon kraniofazialen Defekten*

Material rekonstruiert wird oder zu-mindest kein Fremdmaterial sichtbarist. Die plastische Chirurgie stellt je-doch bei einem Totalverlust dieser Re-gionen eine große Herausforderungmit unsicherem ästhetischem Ergebnisdar. Oft ist nur nach mehreren Opera-tionen ein annehmbares Ergebnis zuerreichen. Hinzu kommen möglicher-weise sichtbare Spuren der Hebung ei-nes Lappens in einer benachbarten äs-thetischen Einheit (Donorpathologie).Vergleichende Untersuchungen zwi-schen plastischem Aufbau und epitheti-scher Versorgung sind aus verständli-chen Gründen schwierig durchzufüh-ren und selten. Nach einer schwedi-schen Untersuchung, in der Patientenmit plastischem Ohrmuschelaufbaubzw. Ohrepithese sowie deren Opera-teur nach ihrer Zufriedenheit befragtwurden, waren 22% der Patienten (8/37)mit dem plastischen Aufbau zufrieden,dagegen jedoch 99% mit ihrer kno-chenverankerten Epithese [10]. Diesebesonders ungünstige Beurteilung desplastischen Aufbaus ist sicherlich dar-auf zurückzuführen, daß es sich um einselektiertes Patientengut mißlungenerFälle handelte, die aus ganz Schwedenzur epithetischen Versorgung überwie-sen wurden.

Geschichte der Epithetik

Es gibt Hinweise, daß Gesichtsdefektebereits im Altertum mit Epithesen ge-deckt wurden, sichere Belege dafür feh-len allerdings [19]. Der erste geschicht-lich belegte Patient mit epithetischer

Defekte oder Deformitäten im Be-reich von Kopf- und Gesicht führen fastimmer zu einer schweren psychischenBelastung, so daß eine Rehabilitationerforderlich ist. Im Vordergrund stehendabei die komplexen ästhetischen Ein-heiten Ohr, Nase und Orbita. Der zuversorgende Defekt kann jedoch auchNachbarstrukturen wie die Wangenre-gion mit einbeziehen. Prinzipiell kön-nen zwei Wege eingeschlagen werden,nämlich das plastisch-chirurgische Ver-fahren und die epithetische Wiederher-stellung.

Den Epithesen – auch Epiprothe-sen oder extraorale Defektprothesengenannt –, das sind Nachbildungen derGesichtsstrukturen aus einem geeigne-ten Fremdmaterial, haftete bisher dernicht zu kaschierende Makel des Künst-lichen und der Instabilität an. Hier ge-lang in den letzten 20 Jahren der ent-scheidende Durchbruch mit 2 Entwick-lungen:

1. die Einführung der modernen Siliko-ne in die Herstellung der Epithesenund

2. die Erschließung von Titan als opti-mal biokompatiblem Material zurperkutanen ossären Implantationmit dem Ziel der knochenveranker-ten Fixierung der Epithesen.

Warum die Epithesen damit „salonfä-hig“ wurden und welche Möglichkeitensich heutzutage mit dieser Methode er-öffnen, soll im folgenden dargestelltwerden.

Plastische Chirurgie

Die plastisch-chirurgischen Verfahrensind zur Korrektur von weniger kom-plexen ästhetischen Einheiten oder vonTeildefekten von Ohr, Nase und Orbitasehr gut geeignet. Eindeutig von Vorteilist, daß der Defekt mit körpereigenem

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LeitthemaHNO1998 · 46:569–578 © Springer-Verlag 1998

Zusammenfassung

Die Rehabilitation von kraniofazialen Defek-

ten und Deformitäten hat durch die Einfüh-

rung der modernen Silikone und die Ent-

deckung von Titan als idealem biokompati-

blen Implantationsmaterial einen großen

Fortschritt erlebt. Damit gelingt eine zuver-

lässige solide Fixierung von Gesichtsepithe-

sen, die dank der modernen Herstellungs-

techniken eine außerordentliche Camou-

flage des Defektes gestatten. Für die Rekon-

struktion komplexer ästhetischer Einheiten

wie z.B. Ohr, Nase und Orbita stellen die kno-

chenverankerten Epithesen mehr als ledig-

lich eine Alternative zu plastisch-chirurgi-

schen Verfahren dar. Gerade nach Tumorope-

rationen bieten sie die Möglichkeit, ein Rezi-

div frühzeitig zu entdecken. Die Grundzüge

der Implantologie und die verschiedenen,

kommerziell erhältlichen Systeme für den

extraoralen Bereich werden dargestellt,

ebenso Indikationen und Kontraindikatio-

nen sowie eigene Erfahrungen bei 120 Pa-

tienten, die an der Klinik und Poliklinik für

Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde der Universität

des Saarlandes in Homburg mit knochenver-

ankerten Epithesen versorgt wurden.

Schlüsselwörter

Knochenverankerte Epithese ·

Osseointegration · Chirurgische Epithetik ·

Titan · Extraorales Implantat

* Herrn Professor H. Sitte zum 70. Geburtstag ge-

widmet

Prof. Dr. P. FederspilKlinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-

Heilkunde, Universitätskliniken des Saarlandes,

D-66421 Homburg/Saar&/fn-block:&bdy:

RedaktionH. Iro, Homburg/Saar

P. Federspil · Ph.A. Federspil

Prosthetic osseointegrated rehabilitationof cranio-facial defects

Summary

The prosthetic rehabilitation of cranio-facial

defects and malformations has made enor-

mous progress with the development of cur-

rently available silicones and the discovery of

titanium as an optimally bicompatible im-

plant material.This allows for a reliable, solid

fixation of cranio-facial prostheses, which,

due to modern production techniques, give

outstanding camouflage to defects.To re-

construct such complex aesthetic entities as

the ear, nose and orbit, bone-anchored pros-

theses now represent more than just an al-

ternative to plastic surgery.Their removal al-

so allows early recognition of recurrences

following tumor surgery.The principles of

implantology and all commercially available

systems are presented, as well as indications,

contraindications and our personal expe-

rience with 120 patients who received bone-

anchored prostheses at the ENT Department

of the University of Saarland in Homburg,

Germany.

Key words

Bone-anchored prostheses ·

Osseointegration · Surgical episthetics ·

Titanium · Extraoral implants

● durch Klebstoffe auf der Haut (che-mische Verankerung)

● durch Verankerung im Knochen

befestigt werden. Wenn die Fixierungan einem geeigneten Orbitadefektmöglich ist, liefert diese meist sehr guteErgebnisse. Leider kann auf solche na-türlichen Befestigungsanker nur seltenzurückgegriffen werden. Die Befesti-gung von Nasen- und Orbitaepithesenan der Brille hat dagegen den Nachteil,daß der Patient „sein Gesicht verliert“,wenn er die Brille abnimmt, weil diesez.B. beim Betreten eines warmen Rau-mes im Winter beschlägt. Das Anklebenvon Epithesen ist v.a. wegen der zu un-sicheren Fixierung und den Hautreak-tionen problematisch.

Der Durchbruch in der Befestigungder Epithesen wurde mit der Einfüh-rung der perkutanen ossären Titanim-plantation zur knochenverankerten Fi-xierung (chirurgische Verankerung) er-reicht. Die modernen Silikonepithesenwerden in idealer Weise durch die Mög-lichkeiten der Knochenverankerung er-gänzt, weil die Epithese verläßlich festsitzt, trotzdem leicht und schnell abge-nommen und ebenso leicht wieder auf-gesetzt werden kann. Die Knochenver-ankerung ermöglicht außerdem, daßeine Ohrmuschelepithese mit einemkleinen Abstand zur Haut getragenwird und der Haut lediglich am sichtba-ren Rande aufliegen muß. Dies erlaubteine Belüftung der darunter liegendenHaut und vermeidet eine ständige Ok-klusion, wie sie sonst bei Klebeepithe-sen zwangsläufig auftritt.

Knochenverankerung –Osseointegration

Vater und Wegbereiter dieser Methodewar der Schwede Per-Ingvar Bråne-mark [4], der die hervorragende Bio-kompatibilität von Titan bei direktemKontakt mit vitalem Knochen entdeckteund dafür den Begriff der „Osseointe-gration“ prägte. Lichtmikroskopischläßt sich zeigen, daß an 60–80% derImplantatoberfläche ein solcher direk-ter Kontakt besteht. Elektronenmikro-skopisch findet man jedoch auch andiesen direkten Kontaktstellen eine100–400 nm dünne amorphe Schicht[21], die wahrscheinlich aus Proteogly-kanen besteht. Aufgrund dieser Er-kenntnisse empfahl Albrektsson [2]

Versorgung war Tycho Brahe, Astro-nom Kaiser Rudolfs II., der 1566 ineinem Duell einen Teil seines Nasen-rückens verloren hatte. Der Nasen-rückendefekt wurde mit einer Metall-epithese gedeckt. Zu dieser Zeit er-schienen auch die ersten näheren Be-schreibungen von Epithesen in einemmedizinischen Werk: Der französischeChirurg Ambroise Paré (1510–1590) ent-warf u.a. künstliche Nasen aus email-liertem Silber oder Gold oder aus Papp-maché, die mit Fäden um den Hinter-kopf gebunden wurden [19]. Später fan-den als Werkstoffe zur Herstellung vonEpithesen unter anderem Porzellan,Kautschuk, Gelatine und Latex Verwen-dung, die jedoch alle wenig geeignetwaren. Der bahnbrechende Fortschrittwar auf diesem Gebiet die Entwicklungder modernen Kunststoffe, nämlich derMethacrylate und insbesondere der Sili-kone. Beide Materialien sind hautver-träglich, können eingefärbt und auf dieHaut geklebt werden. Nur die Epithesenaus Methacrylat lassen sich reparierenund sind gegenüber chemischen Reini-gungsmitteln beständig. Der entschei-dende Vorteil der Silikone gegenüberden härteren Methacrylaten liegt je-doch darin, daß das weiche Material anden Rändern hauchdünn ausgezogenund transparent über die normale Hautgelegt werden kann, was zusammen mitder individuellen Beimischung von Pig-menten und Anbringung von z.B. Wim-pernimitaten oder auch von Ohr-schmuck eine ganz erstaunliche Ca-mouflage bewirkt. Die Anwendung desSilikons, die das Homburger Epithesen-institut Anfang der 80er Jahre inDeutschland einführte, erlaubt, „täu-schend echte“ Epithesen herzustellen.Die Epithese wird nicht mehr auf denersten Blick als künstlich erkannt. Inder Tat fällt eine derartige Epithese u.U.nicht einmal beim zweiten Hinsehenauf.

Befestigung der Epithese

Die Befestigung der Epithese kann auf 4Arten erfolgen. Epithesen können

● an bereits vorhandenen anatomi-schen Strukturen, wie z.B. im Hohl-raum eines Orbitadefektes (anatomi-sche Verankerung),

● über eine Brille (mechanische Veran-kerung) oder

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folgende Definition für die Osseointe-gration: „Die Osseointegration ist einProzeß, bei dem eine klinisch-asympto-matische, rigide Verbindung eines allo-plastischen Implantats im vitalen Kno-chen erreicht wird und unter funk-tioneller Belastung erhalten werdenkann.“

Die Methode wurde 1965 erstmalsbeim Menschen zur Stabilisierung ei-nes implantatgestützten Zahnersatzesangewandt. Von 1965 bis 1995 konntenin der Zahnheilkunde bei ca. 450000Patienten Erfahrungen mit den Bråne-mark-Titanimplantaten gewonnen wer-den. 1977 erfolgte erstmalig durch Tjell-ström eine Implantation im extraoralenBereich, und zwar für ein knochenver-ankertes Hörgerät. Von 1979 bis 1994wurden von Tjellström und Mitarbei-tern 310 Patienten mit knochenveran-kerten Epithesen versorgt [9, 11].

Von Albrektsson [1] wurden fol-gende, für eine Langzeitstabilität derImplantate wichtigen Faktoren angege-ben:

● Biokompatibilität des Materials● Design des Implantats● Oberflächenbeschaffenheit des Im-

plantats● Zustand des Empfängerareals● chirurgische Implantationstechnik● Art und Zeitraum der funktionellen

Belastung.

Biokompatibilität

Zur Implantation wird kommerziellreines Titan („commercially pure tita-nium“, CP-Titanium) mit einem Rein-heitsgrad von 99,75% verwendet. Die-ses kommerziell reine Titan enthält ingeringen Mengen auch Eisen. Eine Er-höhung des Eisenanteils steigert die Fe-stigkeit, führt jedoch auch zu Korrosi-onseffekten. Eine Verringerung des Ei-senanteils macht das Implantat weicherund erschwert damit seine Verarbei-tung. Titan wird aus dem Implantat auf-genommen und verteilt sich im Körper.Toxische Effekte von Titan sind bisherjedoch nicht bekannt. Titanimplantateenthalten allerdings auch Vanadiumund Aluminium, die ebenfalls resor-biert werden. Bei Aluminium ist eineNeurotoxizität bekannt. Es gibt jedochbisher keine Mitteilungen über das Auf-treten solcher Nebenwirkungen durchTitanimplantate.

Bestrahlung verursacht. Die Osteozytensind als differenzierte Zellen zwar relativradioresistent, es kommt jedoch zu ei-ner Schädigung der weniger differen-zierten Osteoblasten und zu einerKompromittierung der vaskulären Si-tuation [13]. Auf die entsprechendenklinischen Auswirkungen wird weiterunten eingegangen.

Chirurgische Implantationstechnik

Ganz entscheidend für den Erfolg derImplantation ist eine atraumatischechirurgische Technik, wobei es insbe-sondere auf eine ständige Kühlungbeim Bohren ankommt. Bei konventio-nellen Knochenbohrungen werdenTemperaturen bis 89° C erreicht. Diekritische Schwelle zur Erzeugung einesHitzeschadens im Knochen liegt aller-dings schon bei 47° C während 1 min.Mit der geforderten Technik läßt sichdie Temperatur jedoch bei niedrigerBohrgeschwindigkeit, intermittierendausgeübtem Druck und ausgiebigerWasserspülung unter 34° C halten [5].

Art und Zeitraumder funktionellen Belastung

Eine zu frühe Belastung, insbesonderemit nichtaxialen Kräften, kann zur Bil-dung von fibrösem Gewebe um das Im-plantat mit der Folge der Lockerungführen. Das ist der Grund für das zwei-zeitige Vorgehen mit einer Einheilungs-phase von 3 bis 6 Monaten nach dem 1.Schritt. Auch wenn die beiden Operati-onsschritte zusammen durchgeführtwerden, darf die Belastung frühestensnach 3 Monaten erfolgen.

Implantationssysteme

Seit der Entdeckung der Möglichkeit,daß Titan stabil und ohne Infektionsri-siko in den Knochen implantiert undmit durch die Schleimhaut bzw. Hautragenden Aufbauten versehen werdenkann, wurden neben dem ursprüngli-chen Bråanemark-System der FirmaNobel Biocare auch andere Implantati-onssysteme für den intra- und extra-oralen Bereich entwickelt. Derzeit be-finden sich 4 solcher Systeme für denextraoralen Bereich auf dem Markt.

Design des Implantats

In zahlreichen Untersuchungen hat sichin Schweden die Form einer Schraubeals das am besten geeignete Implantat-design erwiesen. Sie schützt das Im-plantat in der Frühphase nach der Im-plantation vor schädlichen Scher- undZugkräften. T-förmige oder zylindri-sche Implantate erwiesen sich in diesenschwedischen Untersuchungen unterle-gen. Der poröse Konus, wie bei den wei-ter unten beschriebenen IMZ-Implan-taten, stellt jedoch eine Alternative dar.

Oberflächenbeschaffenheitdes Implantats

Die Oberfläche der Titanimplantate be-steht nicht, wie man meinen könnte, ausTitan, sondern einer dünnen Schichtaus Titanoxid. Diese soll entscheidendfür die hervorragende Biokompatibili-tät der Titanimplantate sein, was wie-derum auf ihre sehr hohe dielektri-schen Konstante zurückgeführt wird.Das ist auch der Grund dafür, warumeine Beschädigung der Oberfläche desImplantats, wie sie durch Handhabungmit Nicht-Titaninstrumenten oderauch durch Berührung mit dem Hand-schuh zustande kommt, unter allenUmständen vermieden werden soll. Ei-ne intakte Titanoxidschicht besitzt einehohe Oberflächenenergie. Es konntenachgewiesen werden, daß eine hoheOberflächenenergie die Kolonisationder Implantate mit Zellen begünstigtund höhere Belastungen zuläßt, wäh-rend energieärmere Oberflächen vonBindegewebe umgeben werden [3].

Zustand des Empfängerareals

Dieser Zustand wird im wesentlichendurch den Aufbau des Knochens be-stimmt und kann durch Narbenbildun-gen nach Operationen, etwaige Entzün-dungen oder eine vorausgegangene Be-strahlung beeinträchtigt sein. Die Aus-sichten einer Implantation sind um sogünstiger, je kompaktareicher der Emp-fängerknochen ist. Knochen mit gerin-gem Kompaktaanteil, wie Oberkieferoder Stirnbein, stellen ein schlechteresImplantatlager dar. Eine akute Entzün-dung stellt selbstverständlich eine Kon-traindikation für die Implantation dar.Die bedeutendste Beeinträchtigung desEmpfängerareals wird jedoch durch eine

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1. Das Brånemark-System der FirmaNobel Biocare

Wie bereits erwähnt handelt es sichum das erste System, mit dem für denextraoralen Bereich die weitaus größ-ten und längsten Erfahrungen vorlie-gen. Im Gegensatz zu Tjellström belas-sen wir das Periost in situ und lösenbzw. entfernen es nur an der für dieImplantation vorgesehenen, möglichstprominente Stelle [7, 9]. Unter ständi-ger Wasserkühlung zur Vermeidungeines Hitzetraumas (ganz besonderswichtig!) wird zunächst mit einem 1,8mm breiten Rosenbohrer mit einer Si-cherheitsmanschette, welche die Bohr-tiefe auf 3,2 bzw. dann 4,2 mm be-grenzt, vorgebohrt. Mit einem Erwei-terungsbohrer wird dieses Loch ver-breitert und anschließend dasGewinde bei etwa 15 bis 20 Umdrehun-gen pro Minute und einem Drehmo-ment von 20 bis 40 Newton-Zenti-meter (Ncm) geschnitten. Die 3 bzw.4 mm lange Titanschraube kann dannmit 15 bis 20 Ncm eingedreht und ihrInnengewinde mit einer Deckschraubebis zur Anbringung des Aufsatzes ge-schützt werden. Generell gilt, daß Ge-windeschneider und Titanimplantateausschließlich mit Titaninstrumentenberührt werden dürfen. Nach diesem 1.Schritt wird die Haut verschlossen undeine zur Osseointegration notwendigeEinheilungsphase von 3 Monaten oderlänger abgewartet. Im 2. Schritt wirddas Implantat freigelegt und die Hautmaximal ausgedünnt. Das kann durchkonventionelle Ausdünnung mit demSkalpell oder mit einem Hauttrans-plantat erreicht werden. Im Mastoid-bereich sind sehr gute Ergebnisse aufeinfache Weise mit einem Dermatommöglich. Die Ausdünnung der Hautdient der Epilation und der Vermei-dung von Gewebebewegungen und Ta-schenbildungen um das Implantat, diezu Entzündungen führen würden.Schwipper [20] entfernt das Periostzur Prophylaxe der postoperativenGranulationsbildung. Nach der Haut-naht wird die Haut über der Titan-schraube ausgestanzt, die Deckschrau-be entfernt und ein perkutaner Pfeilerbzw. Magnet in das Innengewinde ein-gedreht. Die Haut wird danach zurVermeidung eines Hämatoms mit ei-nem Terracortril®-Salbenstreifen für1 Woche antamponiert.

der 1 mm hohen Verbindungsstege mitKnochen. An den Stellen der geplan-ten Anbringung der Implantatpfostenwerden Abdeckschrauben („sleepingscrews“) eingedreht. Der perkutaneDurchtritt muß dabei nicht mit denImplantatpfosten erfolgen, sondernkann auch durch die Verbindungsstegeder Platte geschehen. Dieses Systemeignet sich besonders für die Fälle mitzur Fixierung von Nobel Biocare- oderFriatec-Implantaten unzureichendemKnochenangebot.

4. Das ITI-System (Bonefit) der FirmaStraumann

Wächter et al. [25] haben über den Ein-satz von 8, 10 und 12 mm langen Titan-schrauben im Bereich der Orbita be-richtet. Im Laufe dieses Jahres sollenselbstschneidende Titanschrauben miteiner sandgestrahlten und geätztenOberfläche und einem Durchmesservon 3,5 mm in den Längen 3,5 und5 mm ohne Flansch sowie 2,5 und 4 mmmit Flansch lieferbar sein.

Erfahrungen: Erfolgsaussichtenund Komplikationen

Während das Alter keinen Einfluß aufdie Prognose der Implantatstabilität zu

Diese zweizeitige Operation läßtsich bei Erwachsenen auch einzeitigdurchführen, wenn die Kortikalisdicker als 3 mm ist, sich die Schraubeohne Probleme anbringen ließ, Duramater bzw. Sinus sigmoideus nicht frei-gelegt und der Patient nicht bestrahltwurde oder wird. Aber auch dann sollteeine Einheilungsphase von 3 Monatenunter Vermeidung einer Belastung desImplantats gewährleistet sein. Nach ei-ner vergleichenden Studie von Tjell-ström u. Granström sind ein- und zwei-zeitiges Verfahren im Mastoidbereichgleichwertig, so daß sie die einzeitigeImplantation bei nicht bestrahlten Er-wachsenen im Mastoidbereich mit ei-ner Schonungsphase von 8 Wochenempfehlen [23]. Prinzipiell sind beideSchritte außer bei Kindern auch in Lo-kalanästhesie möglich.

2. Das IMZ-System der Firma Friatec

Das IMZ-System (Intra-Mobiles Zylin-derimplantat) besteht aus 3 Elementen:dem Implantatkörper, der Distanzhülseund dem intramobilen Element. Eswird seit über 20 Jahren sehr erfolg-reich in der zahnärztlichen Prothetikeingesetzt. Seit 1991 wird es auch extra-oral angewendet, wobei auf das intra-mobile Element aufgrund des Fehlenskaufunktioneller Kräfte verzichtet wer-den kann. Die Implantate haben eineabgerundete Zylinderform mit speziel-ler Titanplasmabeschichtung zur Ver-größerung der Oberfläche und stehenin Längen von 6,5 bzw. 7 mm undDurchmessern von 3,3 bzw. 4 mm zurVerfügung. Bei diesem System wirdeine Knochenüberhitzung zusätzlichdurch die Innenkühlung der Bohrervermieden. Die Implantate werden ein-geklopft. Insgesamt gesehen ist dieTechnik bei diesem System einfacher[17].

3. Epitec-System der Firma Leibinger

Das 1991 von Farmand [6] und der Fir-ma Leibinger entwickelte System be-steht aus einer modellierbaren Git-terplatte aus Titan mit ursprünglich16 Gewindeperforationen (3-D-Träger-platte). Die Befestigung der Platte er-folgt primär durch kurze selbstschnei-dende Knochenschrauben an den Stel-len mit ausreichendem Knochenange-bot und sekundär durch Überwachsen

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Abb. 1 m Die Abbildung zeigt den Zustand nachHautausdünnung mit einem Dermatom undden perkutanen Pfeiler zur Aufnahme einesHörgerätes

haben scheint [24], hängt der Erfolg derImplantation ganz entscheidend vonder Lokalisation mit der entsprechendunterschiedlichen Struktur des Emp-fängerknochens ab. Im kompaktenKnochen des Warzenfortsatzes und derMandibula ist nach Tjellström diehöchste Erfolgsrate zu erzielen und inden mehr spongiös aufgebauten Kno-chen von Stirn- und Jochbein sowieOberkiefer die niedrigste [22]. Tjell-ström u. Granström berichten 3 (2,5%)Implantatverluste von 120 zweizeitig imMastoid angebrachten Brånemark-Ti-

schätzen die letzten Zahlen aus statisti-schen Gründen die wahren Erfolgsra-ten. In einer analogen Untersuchunggeben Schwipper et al. 4 Verluste von114 zweizeitig angebrachten Bråne-mark-Implantaten im Mastoidbereichmit einer kumulierten 5- bzw. 7-Jahres-erfolgsrate von 94,9% und schlechte-sten kumulierten 5- bzw. 7-Jahres-Er-folgsrate von 66% bzw. 60,3% an [20].Im Orbitabereich wurden dagegen imschwedischen Krankengut bei nichtbe-strahlten Patienten 32% der Implantate(9/28) und im Mittelgesicht 20% (4/20)verloren [11]. Obwohl proportionalmehr Implantate in der medialen Orbi-ta verloren gingen, war dieser Unter-schied statistisch nicht signifikant.

Eine weitere wichtige Einflußgrößeauf die Osseointegration ist eine even-tuelle Bestrahlung. Im schwedischenKrankengut kam es bei bestrahlten Pati-enten zu einem Implantatverlust von47% (37/78) im Orbitabereich, von 54%

tanschrauben sowie 4 (2,5%) Verlustebei 161 einzeitig implantierten Schrau-ben [23]. Nach einer Sterbetafel berech-nen die Autoren eine kumulierte 5-Jah-res-Erfolgsrate von 97% für das zwei-zeitige und 95% für das einzeitige Ver-fahren. Für den „schlechtesten Fall“,nämlich daß alle Implantate bei ver-storbenen oder der Nachsorge entgan-genen Patienten ebenfalls verloren gin-gen, geben sie eine kumulierte 5-Jahres-Erfolgsrate von 86,5% für das zweizeiti-ge und 72,6% für das einzeitigeVerfahren an [23]. Selbstredend unter-

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2a 3a

b

b

c d

Abb. 2 m a Ohrmuschelverlust und Gehörgangsatresie nach Reitunfall. b Korrektur der Gehörgangs-stenose sowie Anbringung von 3 Implantaten im Bereich der Linea temporalis. Die Lokalisation derImplantate ist nicht typisch. Sie wurde durch die erschwerte Anbringung der Implantate infolge deridealen Pneumatisation bestimmt. c Die Abbildung zeigt die Bügelkonstruktion zur Aufnahme derEpithese. d Patientin mit Epithese

Abb. 3a, b m Rehabilitation des Ohrmuschelteildefektes dieses 1995 18jährigen Mädchens durch eineknochenverankerte Epithese. Der Versuch eines plastischen Aufbaus war bei Zustand nach Bestrah-lung erfolglos gewesen

im Mittelgesicht (6/11) und von 14%(5/36) im Schläfenbein [11]. Granströmet al. [11] fanden keine proportionaleBeziehung zwischen Strahlendosis undImplantatverlust. Erstaunlicherweisewurden verhältnismäßig mehr Implan-tate bei Patienten verloren, die mit ge-ringeren Strahlendosen behandelt wur-den. Dieser Umstand ist möglicherweiseauch darauf zurückzuführen, daß dieBestrahlung in dieser Patientengrupperelativ länger zurücklag als bei den übri-gen Patienten. Ganz erstaunlich ist wei-terhin der Einfluß einer hyperbarenSauerstofftherapie (HBO) bei bestrahl-

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4a

b

5a 6a

bb

Abb. 4a, b m Bei diesem 44jährigem Patienten mit einem Franceschetti-Syndrom und beiderseitigerMikrotie und Gehörgangsatresie, die ohne Erfolg mehrfach hörverbessernd operiert worden war,brachte die beiderseitige Versorgung mit einer knochenverankerten Epithese und einem knochen-verankertem Hörgerät einen Wandel in seinem Leben

Abb. 5a, b m Nach mehrfachen Tumorrezidiven wurde die Einwilligung des 66jährigen Patienten auf-grund der kosmetisch günstigen Rehabilitationsmöglichkeit durch eine knochenverankerte Epithesein die notwendige Totalexstirpation der Nase erleichtert. Zustand nach erweiterter Nasenablatio mitAnbringung der Implantate und postoperativer Bestrahlung 1995

Abb. 6a, b m Dieser 77jährige Patient erlangte durch die knochenverankerte magnetfixierte Epitheseein neues Selbstbewußtsein nach erweiterter Exenteratio orbitae rechts.

Die epithetische Versorgung erfolgte im Homburger Institut für Epithetik Förster & Trester, Ringstr. 2

ten Patienten. Nach dem schwedischenProtokoll mit 20 prä- und 10 postopera-tiven HBO-Sitzungen à 90 min bei2,5fachem atmosphärischem Druckkam es von 45 Implantaten bei 10 be-strahlten Patienten (Orbita: 26, Mittel-gesicht: 13, Schläfenbein: 6 Implantate)zu keinem einzigen Verlust [11].

Schwipper et al. [20] geben für alle87 Patienten eine Einheilungsrate von94% (130/134 Implantate) im Ohrbe-reich, 76,5% (53/69) in der Orbita 60%(6/10) im Nasenbereich und 82,6%(38/46) bei Kombinationsepithesen an.Aus der Arbeitsgruppe um Schwenzer[16] wird über eine Implantations-möglichkeit im Zentrum der Orbitanach vorheriger Transplantation vonkortikospongiösen Beckenkammspä-nen berichtet. Die Autoren stellen eineVerlustrate von lediglich 3% bei 18 Pati-enten mit insgesamt 60 periorbitalund zentral angebrachten Titanim-plantaten nach einer durchschnittli-chen Beobachtungszeit von 46 Mona-ten fest. Auch andere mikrovaskulärreanastomosierte Transplantate kön-nen zur Deckung eines ausgedehntenGesichtsdefektes mit einer knochen-verankerten Epithese kombiniert wer-den [12].

Seit Januar 1989 wurden an der Kli-nik und Poliklinik für Hals-Nasen-Oh-renheilkunde der Universität des Saar-landes in Homburg 120 Patienten mit319 Implantaten für eine knochenver-ankerte Epithese versorgt, von denender älteste 91 Jahre alt war. 91 Patientenerhielten 1 oder 2 Ohrmuschelepithe-sen, 14 eine Nasenepithese und 15 Pati-enten eine Orbitaepithese. Die beidenletzten Epithesen umfaßten z.T. auchangrenzende Gesichtsteile oder warenmit einem Gaumenobturator kombi-niert. Im Ohrbereich lag ätiologisch in10 Fällen ein Trauma, in 26 Fällen einTumor und bei allen anderen Patienteneine Ohrmißbildung zugrunde. 14 Pati-enten erhielten eine beiderseitige Ohr-muschelepithese, und 33 wurden zu-sätzlich mit ein oder zwei knochen-verankerten Hörgeräten versorgt (Abb.4a+b). Im Nasen- und Augenbereichstanden dagegen die Defekte nach Tu-moroperationen gefolgt von den Trau-men im Vordergrund.

Das benutzte Implantationssystemwar in der überwiegenden Zahl der Fäl-le (104) das Brånemark-System, bei 16Patienten das IMZ-System und bei ei-

Indikationen und Kontraindika-tionen für knochenverankertekraniofaziale Epithesen

Die Indikationen für knochenverankerteGesichtsepithesen liegen in der Rehabi-litation kraniofazialer Defekte oder De-formitäten. Wesentliche Indikationenbetreffen die schweren Mißbildungendes äußeren Ohres, d.h. die Mikrotienzweiten und dritten Grades nach Marxbzw. die Anotien. Traumatisch bedingteDefekte oder Folgezustände nach ver-stümmelnden tumorchirurgischen Ein-griffen bzw. Infektionen (Lues), Ver-brennungen, Erfrierungen,Verätzungenoder Strahlenschäden, stellen weitereIndikationen dar. Hierbei ist nicht nurder Ohrbereich betroffen, sondern auchOrbita und Nase. Auch größere Defekte,die die angrenzenden Gesichtsweichteileund den Oberkiefer mitbetreffen, kön-nen durch aufwendigere Konstruktio-nen versorgt werden. Hierbei ist esmöglich, Defektprothesen, z.T. implan-tatgestützt, mit implantatverankertenEpithesen zu kombinieren, so daß Kau-funktion und Gesichtsästhetik wieder-hergestellt werden. Da vorwiegend beiälteren Menschen wegen Hauttumoreneine Ohrmuschel- oder Nasenentfer-nung bzw. eine Augenhöhlenausräu-mung durchgeführt wird, bietet sichhier die epithetische Versorgung wegender Einfachheit ihrer Durchführung ge-radezu an. Auch erlaubt dieses Verfah-ren eine unmittelbare Nachbestrahlungund eine optimale Tumornachsorge mitder Möglichkeit der Früherkennung ei-nes eventuellen Rezidivs.

Grundsätzlich wird der plastisch-chirurgischen Rehabilitation der Vorzuggegeben, wenn sie keine eindeutigenNachteile bietet. Stark bewegliche Ge-sichtspartien, wie z.B. im labiobukkalenBereich, lassen sich nur unvollkommendurch Epithesen ersetzen und solltenimmer einer plastisch-chirurgischen Re-konstruktion zugeführt werden. Dem-gegenüber ist eine Kombination derepithetischen und oralen defektprothe-tischen Versorgung bei ausgedehntenKnochen- und Weichteildefekten anzu-streben [9].

Methode der Wahl sind knochen-verankerte Epithesen, wenn:

● lokale oder allgemeine Kontraindika-tionen gegenüber Verfahren der re-konstruktiven Chirurgie bestehen,

nem Patienten das Epitec-System. Daswohl wichtigste Erfolgskriterium, näm-lich die Akzeptanz der knochenveran-kerten Epithesen, ist ausgesprochengut, da praktisch alle Patienten mit ih-rer Epithese sehr zufrieden sind. ZurBeurteilung der Erfolgsaussichten be-züglich der Implantation müssen 3 ver-schiedene Konstellationen unterschie-den werden.

1. Es kann bei schlechtem Knochen-angebot primär unmöglich sein, einTitanimplantat zu setzen. Dies ist äu-ßerst selten der Fall und kam in unse-rem Krankengut bei 142 mit der kno-chenverankerten Epithetik und Hör-gerätetechnik der Firmen Nobel Bio-care und Friatec primär versorgtenPatienten nicht vor.

2. Nach primär geglückter Implantationkann es sein, daß die Osseointegrati-on bis zum 2. Schritt nicht zustandekommt und sich das Implantat ge-lockert hat. Dies war lediglich bei 2Patienten mit je einem Implantat(0,6%) der Fall.

3. Es kann nach geglückter Osseointe-gration sekundär zum Verlust desImplantats kommen. Auf diese Weisewurden 10 (3,1%) Implantate bei 4von 120 epithetisch versorgten Pati-enten verloren. Für 6 Implantate bei 2Patienten lag die Ursache in der Be-strahlung.

In etwa einem Drittel unseres Patien-tengutes und desjenigen von Tjellström[22] kam es mindestens einmal zu einergewissen Entzündungsreaktion an ei-nem perkutanen Pfeiler. Diese stellte je-doch i.allg. keine Probleme dar undsprach gut auf eine Lokalbehandlungmit z.B. Octenisept®- oder Sanalind®-Lösung bzw. Terracortil®-Salbe an. Inkeinem Fall mußte ein Implantat auf-grund einer nicht zu beherrschendenEntzündung entfernt werden. Alle un-sere Patienten tragen ihre Epithesen.Ebenso wie nach den Erfahrungen vonSchwipper [20] und Bull [9] zeigte sichdie außerordentliche Zufriedenheit derPatienten mit ihrer Epithese in Unter-suchungen von Westin et al. [26] undProops [18], wonach 95% bzw. 100% derPatienten ihre Epithesen tatsächlichtäglich tragen.

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● hohe ästhetische Ansprüche gestelltwerden;

● eine rasche Rehabilitation erzieltwerden muß,

● rekonstruktive Maßnahmen fehlge-schlagen sind oder

● der Patient die rekonstruktiven Maß-nahmen ablehnt.

Als Kontraindikationen für knochen-verankerte Epithesen gelten:

● mangelnde Hygiene● Demenz sowie● Drogenabhängigkeit.

Anzahl der Implantate undWahl des Implantationsortes

Die Erfahrungen haben gezeigt, daß imOhrbereich 2 Implantate, anstatt wiefrüher 3 oder 4, für die Anbringung ei-ner Epithese genügen. Dabei sollten siezur einfacheren Reinigung mindestens15 mm auseinanderstehen, falls eineVerbindung mit einem Steg vorgesehenist. Den günstigsten Implantationsortwählt man im Ohrbereich unter Projek-tion des Zifferblattes einer Uhr bei 1und 4 Uhr auf der linken Seite bzw. 8und 11 Uhr auf der rechten Seite in ei-nem Radius von 20 mm hinter demZentrum des Gehörgangs. Im Bereichvon Orbita und Nase wird die Anbrin-gung von 3 oder 4 Implantaten am obe-ren und unteren lateralen Orbitabogenbzw. an Nasenwurzel und Nasenein-gang empfohlen. Seit 1993 haben wirgute Ergebnisse bei der Befestigungvon Nasenepithesen an einem einzigenImplantat mit teleskopierenden Magne-ten von Steco im Nasenwurzelbereicherzielt [8]. Dies erlaubt eine einfacheund hygienische Nachsorge, da sich dieStegkonstruktionen durch nicht uner-hebliche Absonderungen aus der ver-bleibenden Nasenöffnung nur schwerreinigen lassen.

Befestigung der Epithesen anden Titanimplantaten

Klassischerweise können die Epithesenmit an der Unterseite angebrachtenClips auf einen auf den perkutanen Pfei-lern angeschraubten Steg angedrücktwerden. Dieses Verfahren hat den Vor-teil, daß die Retentionskraft durch Auf-bzw. Zubiegen der Clips individuell ein-gestellt und verändert werden kann. Die

ne Stellung im sozialen Umfeld beein-flussen die Wahl des Therapieverfah-rens. Die Anpassung einer knochenver-ankerten Epithese bedeutet für den Pati-enten, ein Leben lang ein künstlichesKörperteil tragen zu müssen und im-mer in einem engen Verhältnis zumArzt und/oder Epithetiker zu stehen.Die Fragen der Körperpflege müssenebenso erörtert werden wie die das Epi-thesenaussehen stark beeinflussendenFaktoren (z.B. Zigarettenrauch). Patien-ten mit kraniofazialen Defekten kön-nen bereits derart gravierende psychi-sche Schäden davongetragen haben,daß die ästhetische Therapie alleinnicht zu einer zufriedenstellenden Lö-sung führen wird.Dann ist die Konsulta-tion eines Psychotherapeuten in Erwä-gung zu ziehen. Das Zusammenbringenvon noch nicht operierten mit bereitschirurgisch epithetisch bzw. plastischversorgten Patienten hat sich als beson-ders positiv erwiesen [7]. Diesbezüglichund auch in der späteren Betreuungkönnen Mitglieder der Selbsthilfeorga-nisation von Gesichtsversehrten TUL-PE (ob Tumor oder Unfall ein Lebenmit Perspektive und Epithese) guteDienste leisten (Kontakt: V. Kalski,Kreuzstraße 9, 71634 Ludwigsburg, Tel.(07141)902946).

Vorgehen bei Strahlentherapie

Liegt ein Zustand nach Bestrahlung voroder steht eine Nachbestrahlung an, somuß das möglichst frühzeitig für denzeitlichen Ablauf der Titanimplantationberücksichtigt werden. Bestrahlter Kno-chen stellt ein ungünstiges Implantat-bett dar, und zwar auch dann, wenn nurrelativ geringe Strahlendosen bis 10 Gyappliziert wurden. Nach klinischen Er-fahrungen in Schweden gingen bis zu58% der nach Bestrahlung in den Ober-kiefer und die Orbita von 1983 bis 1990eingesetzten Implantate verloren [11].Nach Jacobsson [13] sind die Osteozy-ten zwar relativ radioresistent, die un-differenzierten mesenchymalen Zellenund die Präosteoblasten können durcheine Bestrahlung jedoch zerstört wer-den.Auch die später einsetzende Beein-trächtigung der vaskulären Situationim bestrahlten Gebiet kann die Osseo-integration kompromittieren. Ein Ma-ximum der strahlenbedingten Kno-chenschädigung liegt zwischen 90 und180 Tagen nach Bestrahlungsende, eine

Stegkonstruktion setzt jedoch parallelausgerichtete perkutane Pfeiler voraus,was im Ohrbereich gelegentlich nichtund in Nasen- und Orbitabereich nie er-reicht wird. Einen großen Fortschrittstellt deshalb die Weiterentwicklung derMagnetverbindungen dar. Sie kommenheutzutage im Nasen- und Orbitabe-reich fast ausschließlich zur Anwen-dung und finden auch zur Fixierungvon Ohrepithesen über ihre ursprüngli-chen absoluten Indikationen bei nichtparallelen Achsen, zu nahe benachbar-ten Implantaten oder Hygieneproble-men hinaus immer mehr Verwendung.Die wesentlichen Forschritte dieser Ma-gnetverbindungen bestehen darin, daßu.a. die von Stemmann entwickeltenMagnetsysteme standardisiert, korrosi-onsfrei und titanummantelt sind, stär-kere sphärische und teleskopische Ma-gnete in kleineren Größen vorliegen.Die Instrumente der Firma Steco erlau-ben es, die osseointegrierten Implantatebeim Eindrehen dieser Magnete nichtzu gefährden. Bei der Montage von lan-gen perkutanen Pfeilern bzw. Magnetenmit entsprechend langen Hebelarmensollte die Belastung der Implantate ge-nau abgeschätzt werden, damit es nichtaufgrund zu großer Hebelkräfte zu ei-ner Lockerung des Implantats kommt.

Spezielle Probleme derVersorgung mit Epithesen

Die Versorgung eines Patienten mit ei-ner knochenverankerten Epithese er-fordert eine genaue Aufklärung. DerAllgemeinzustand sowie die Operati-onsfähigkeit müssen ebenso eruiertund erläutert werden wie mögliche Al-ternativverfahren (z.B. plastische Re-konstruktion), die entstehenden Kostenund die im besten und schlechtestenFall zu erwartenden Ergebnisse. Esempfiehlt sich, die verschiedenen Mög-lichkeiten der epithetischen Versor-gung (z.B. Sommer-/Winterepithese inAbhängigkeit vom unterschiedlich aus-geprägten Bräunungsgrad der Haut,Schmuckanbringung) dem Patientenpräoperativ anhand von Modellen bzw.Fotomaterial vorzustellen. Er solltenicht zu einer epithetischen Versorgunggedrängt werden, sondern nach einerausführlichen Beratung über die Vor-und Nachteile der Methode selbst zuder für ihn richtigen Entscheidung ge-langen. Das Alter des Patienten und sei-

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deutliche Erholung ist erst nach 18 Mo-naten erkennbar. Deshalb ist es am gün-stigsten, die Implantate vor der Be-strahlung einzusetzen und während derBestrahlung mit Weichteilen bedeckt zulassen. Nur wenn das nicht mehr mög-lich ist, weil die Bestrahlung bereitsdurchgeführt wurde, sollte man entwe-der unmittelbar nach der Bestrahlungoder später unter perioperativer hyper-barer Sauerstofftherapie implantieren.Der zweite Schritt wird nach 4 Monatenvorgenommen, falls die Implantationvor Beginn der Bestrahlung stattfandoder nach 6 bis 12 Monaten, falls die Im-plantation nach Beendigung der Be-strahlung durchgeführt wurde. Daschirurgische Vorgehen muß besondersschonend sein, und zum Ausgleichmöglicher Verluste sollte die doppelteZahl Implantate angebracht werden.Diesen Patienten kann und soll, beson-ders wenn die Verankerung doch zwi-schen 2 und 18 Monaten nach Bestrah-lung vorgenommen wird, eine prophy-laktische Behandlung mit hyperbaremSauerstoff (HBO) in 20 Sitzungen vorund 10 Sitzungen nach Implantationempfohlen werden. Außerdem solltedas Rauchen eingestellt werden, weil essich ungünstig auf die durch die hyper-bare Sauerstofftherapie erreichbare Neo-vaskularisation auswirkt. Nach einerVorbehandlung mit hyperbarem Sauer-stoff bei bestrahlten Patienten, die von1988 bis 1990 operiert wurden, betrugder Implantatverlust nur noch 2,6% imOberkiefer und in der Orbita [11]. Ob-wohl Jacobsson [13] nach experimentel-len Untersuchungen am Kaninchen dieErfolgsaussichten um so größer einge-schätzt hat, je länger der zeitliche Ab-stand zwischen Bestrahlung und Im-plantation ist, empfehlen wir mit Gran-ström et al. [11] das oben beschriebenevorsichtige Vorgehen unter perioperati-ver Sauerstofftherapie. Granström u.Tjellström haben nachgewiesen, daßdie Durchblutung des bestrahlten Kno-chens nicht zunimmt, weshalb sie in al-len Fällen zu einer hyperbaren Sauer-stofftherapie raten [11]. Ebenso wie dieIntegrationsrate der Implantate in dennicht bestrahlten kompaktareichenKnochen des Unterkiefers oder desSchläfenbeins besser ist als im Oberkie-fer, Stirnbein oder Jochbein, sind diebestrahlungsbedingten Implantatverlu-ste auch in den kompaktareichen Kno-chen deutlich geringer.

aus. Wenn möglich, sollte in einer ge-meinsamen präoperativen Untersu-chung von beiden festgelegt werden, wodie Implantate am besten sitzen sollten.Der Epithetiker muß das Tragen einerBrille,die Kaubewegungen des Unterkie-fers und der beteiligten Muskulatur be-rücksichtigen. Letztgenannter Punkt istv.a. bei kombinierten Gesichtsdefektenklinisch relevant und bedarf einer sorg-fältigen Planung und Ausführung derepithetischen Versorgung. Im Gesprächzwischen Patient, Arzt und Epithetikersoll geklärt werden, welche Weichteile,Knorpelreste oder behaarten Anteileentfernt oder belassen werden können,um eine optimale Anpassung der Epi-these zu ermöglichen. Außerdem wirdder Patient über die mögliche Fixierungder Epithese durch Stege oder Magneteinformiert, wobei letztere die Möglich-keit einer sehr flachen Aufbaugestaltungund besseren Reinigung bieten.

Pflege

Zur Bewahrung der Qualität der Epi-these und zur Gesunderhaltung desperiimplantären Gewebes ist die Pflegeder Epithese, der Suprakonstruktionund der Haut um die perkutanen Pfei-ler notwendig. Bei der Wahl der epithe-tischen Versorgung müssen – wie obenerwähnt – die hygienischen Möglich-keiten des zu Versorgenden und seinerUmgebung mitberücksichtigt werden.Zu erwartende mangelnde Hygienestellt in Abhängigkeit von ihrer Ausprä-gung eine Kontraindikation für eineKnochenverankerung dar. Nahe anein-anderliegende Implantate und anzu-nehmende Hygienedefizite erforderneine Magnetversorgung. Andererseitssollte der Steg zwischen den Implanta-ten, der einen größeren pflegerischenAufwand als freistehende Magnete er-fordert, mindestens 3 mm von der Hautentfernt sein. Der Patient und seine An-gehörigen müssen genau angewiesenwerden, ggf. mit Video, die Epithesentäglich mit lauwarmem Wasser, milderSeife und einer weichen Hand- oderZahnbürste von anhaftenden Belägenund Verschmutzungen zu befreien. Be-sonders bei Silikonepithesen darf derangewandte Druck nur gering sein, umdie Oberfläche nicht zu schädigen. DasImplantationsareal sollte alle 2 Tage mitWasser und milder Seife z.B. beim Du-schen gereinigt werden. Stege und Ma-

Implantation bei Kindern

Die Behandlung von Kindern mit kno-chenverankerten Epithesen ist ebenfallsmöglich. Die Positionierung kann wei-ter dorsal im haartragenden Teil ge-wählt werden, wodurch sich das ästhe-tische Ergebnis etwas verschlechtert,die Möglichkeit eines späteren plasti-schen Aufbauversuches jedoch erhaltenbleibt. Bei kindlichen Fehlbildungensollte darauf geachtet werden, daß dasKind zu behandeln ist und nicht die El-tern, die nicht selten unter Schuldge-fühlen leiden und deswegen ein mög-lichst frühzeitiges und eher aggressivesVorgehen fordern [7]. Falls die sozialeund psychische Situation des Kindeskeinen akuten Handlungsbedarf erfor-dern, sollte die endgültige Versorgungerst dann durchgeführt werden, wenndas Kind mitentscheiden kann. Einevorübergehende Lösung stellt die Kle-beepithese dar. Die chirurgische Epi-thetik im Kindesalter sollte ebenso wiedie plastisch-chirurgische Rekonstruk-tion erfahrenen Zentren vorbehaltenbleiben. Für den epithesentragendenJugendlichen kann auch der erst zu er-lernende Kontakt mit dem anderen Ge-schlecht zum Problem werden. Es wirdallerdings nicht im voraus auszuma-chen sein, ob die Schwierigkeiten eherdurch ein „künstliches Ohr“ oder durcheine ästhetisch nicht optimale plasti-sche Rekonstruktion, welcher der Ma-kel der Fehlbildung weiterhin anhaftet,entstehen werden [8]. Alle drei von unsvor der Pubertät epithetisch versorgtenKinder hatten auch in der Pubertät kei-ne Probleme. Das Wachstum des Schä-dels kann dazu führen, daß die Implan-tate auseinanderdriften und somit Zugauf der Stegverbindung entsteht, wo-durch es zu Kopfschmerzen oder Ent-zündungen kommen kann. Diese sel-tenen Probleme können durch dasAnbringen von Magneten umgangenwerden. Infolge einer sphärisch kon-vex-konkav ausgebildeten Funktions-fläche ist bei den Titanmagneten vonSteco eine gleitfähige Trennlinie vor-handen [14].

Planung und Vorbereitungder Implantation

Eine enge Zusammenarbeit zwischenArzt und Epithetiker wirkt sich für dieVersorgung der Patienten sehr günstig

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gnete werden mit einer weichen Zahn-bürste, Wattestäbchen oder mit kleinenInterdentalbürstchen gereinigt. Auchkann die in der Zahnpflege bewährte,mit Schaumstoff verdickte Zahnseide(z.b. „Superfloss Oral B“) angewandtwerden, indem sie unter Schonung derangrenzenden Haut um die perkutanenPfeiler gewickelt und gezogen wird. AlsHilfsreinigungsmittel kommt 3%igeH2O2-Lösung in Frage oder bei stärke-rer Entzündung Sanalind®- oder Octe-nisept®-Lösung, Terracortil®- oder Fu-cidine®-Salbe. Nachts ist die Epitheseabzunehmen, damit die darunterlie-gende Haut über längere Zeit besser be-lüftet ist und keine Feuchtigkeitsan-sammlungen mit ihren Folgen auftre-ten. Bei teleskopierenden Magnetsyste-men und v.a. bei Stegversorgungempfehlen wir eine Nachtabdeckung.Die Epithesen können bei sportlichenAktivitäten getragen werden, wennman von Kontakt- oder Kampfsportar-ten absieht, bei denen die Gefahr be-steht, daß die Epithese abgerissen bzw.die Suprakonstruktion durch Scher-kräfte beschädigt wird. Auch Patientenmit Ohrepithesen, die Motorrad fahren,sollten ihr Implantatsystem durch eineAbdeckung schützen.

Nachsorge

Besonders am Anfang ist es wesentlich,die Patienten alle 4 Wochen zu kontrol-lieren, um sie u.a. an die Notwendigkeitder Pflege zu erinnern. Im Falle einerEntzündung im Implantatbereich istzunächst an eine mangelnde Hygienezu denken, jedoch auch an eine Locke-rung des perkutanen Pfeilers. Liegt einederartige Lockerung vor, sollte der Pati-ent vom betreuenden Arzt oder Epithe-tiker seinem Operateur vorgestellt wer-den, da die Befestigung des perkutanenPfeilers bzw.Magneten spezielle Schrau-benzieher erfordert und insbesonderespezielle Schlüssel oder Klemmen, dievermeiden, daß das Festziehen derSchraube des perkutanen Pfeilers zu ei-ner Mitdrehung der implantierten Ti-tanschraube und damit zur Schädigungder Osseointegration führt.

Schlußfolgerung

Die Ergebnisse mit der derzeitigenknochenverankerten epithetischen Ver-sorgung sind sehr gut und die Kompli-

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