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DÖRRBOHNEN Wer Berner Platte servieren wollte, hatte lange Zeit kaum eine Wahl: Dörrbohnen waren Import- ware aus China. Das hat sich geändert. Wie Schweizer Bauern versuchen, in den Markt einzusteigen. Es gibt nur ein Produkt auf dem Hof von Rudolf «Rüedu» Schüp- bach und Christine Stämpfli, das nicht getrocknet wird: die Kar- toffeln. Sonst landet alles in der Dörranlage: Erdbeeren, Löwen- zahn, Birnen, Minze, Thymian und und und. Über 70 Produkte stellt die Familie her, darunter viele Teesorten. Das Meiste ist trocken wie ein altes Brot. Auch dabei: Dörrbohnen. Gut eine Tonne Bohnen vom eigenen Feld wird jedes Jahr verarbeitet. Rudolf Schüpbach und Christi- ne Stämpfli leben auf einem klei- nen Hof im Weiler Obereichi bei Lanzenhäusern. In einem Ne- bengebäude stehen die beiden Dörranlagen. Die eine gross wie ein Wandschrank, aus Holz. Die andere kleiner, aus Metall, wie ein grosser Steamer. «Sie funktionieren wie ein Luftentfeuchter», erklärt Schüp- bach. Warme Luft wird durch den Ofen geblasen, wird in der Ma- schine abgekühlt, lässt Feuchtig- keit liegen, wird wieder erwärmt und zurück in den Ofen geleitet. 180 Kilo Bohnen passen in die Anlage. Nach zwei Tagen sind sie trocken. Bei den Preisen chancenlos Als Rudolf Schüpbach und Chris- tine Stämpfli vor 15 Jahren mit der Produktion von Dörrbohnen anfingen, waren sie praktisch al- leine. Lange Zeit stand auf fast je- der Dörrbohnenpackung: «Her- gestellt in China». Wer Berner Bohnen auf seiner Berner Platte wollte, war bei Coop und Migros chancenlos. Sie bezogen ihre Dörrbohnen aus dem fernen Os- ten. Die Chinesen lieferten gute Qualität zu tiefen Preisen. Ein Kilo frischer Schweizer Bohnen kostet im Laden rund 6 Franken. Die ungefähr gleiche Zahl ge- dörrter Bohnen aus China erhält man für 1.80 Franken. Schweizer Dörrbohnen fand man vor allem in Nischenlädeli. Oder auf dem Markt. «Früher hatten wir oft zu wenig», sagt Christine Stämpfli. 100 Gramm Dörrbohnen vom Biohof Ober- eichi kosten 9.50 Franken (herge- stellt aus einem Kilo frischer Bohnen). «Viele zahlen diesen Preis, wenn die Bohnen nur aus der Schweiz kommen», sagt Stämpfli. Mit dem Trend hin zu Swiss- ness nahmen auch Coop und die Migros Aare Schweizer Dörrboh- nen ins Sortiment auf. Beide be- ziehen sie vom einzigen grossen Hersteller in der Schweiz: der Ag- rofrucht-Inn AG im Aargau. Ihre Nicht-Bio-Dörrbohnen kosten rund 4.50 Franken pro 100 Gramm, also etwa zweieinhalb- mal so viel wie jene aus China. Die Grossverteiler seien 2011 re- lativ vorsichtig eingestiegen, sagt Mediensprecherin Sandra Dom- eisen. Dann aber habe sich die Menge jedes Jahr verdoppelt. Nun verarbeite die Firma Boh- nen aus rund 100 Hektaren An- baufläche. Gedörrt wird ähnlich wie auf dem Bauernhof, mit vielen kleineren Trocknungs- anlagen. Alles in Handarbeit Auch bei Rudolf Schüpbach und Christine Stämpfli lag ein Ange- bot von Coop auf dem Tisch. «Wir überlegten, ob wir voll auf die Bohnen setzen und sie maschi- nell ernten sollen», so Schüp- bach. «Aber das war nicht der richtige Weg.» Man hätte viel in- vestieren müssen und sich ab- hängig gemacht. Stattdessen ern- ten im Obereichi jeweils ein hal- bes Dutzend Leute die Bohnen. Sack für Sack werden die Dörr- bohnen abgepackt weil mit Kräutern, Erdbeeren et cetera noch etliche andere Produkte im Sommer reifen, kann dies bis Weihnachten dauern. Ändern wird sich das kaum, wie Schüpbach sagt. «Wir haben jedes Jahr eine neue Idee, was wir noch trocknen könnten.» Dominik Galliker Berner Platte geht nicht mehr fremd SERIE Herbstgenuss Herbstgenuss Alle Artikel zum Nachlesen herbstgenuss.bernerzeitung.ch Die Trocknungsanlage funktioniert wie ein grosser Luftentfeuchter. REZEPT Dörrbohnensalat Ein Favorit von Rolf Hiltl, Mit- gründer der Tibits-Kette und Ge- schäftsführer des Zürcher Hiltl, des ältesten vegetarischen Res- taurants der Welt. Rezept von www.tibits.ch Zutaten: 100 g Dörrbohnen, Meersalz, ½ Zwiebel, 8 EL Rapsöl, 60 ml Gemüsebouillon, 1 Knob- lauchzehe, 80 g Baumnüsse, 4 EL Balsamico, frischer Koriander. Zubereitung: Dörrbohnen in kal- tes Wasser geben, salzen und aufkochen. 20–25 Minuten leicht kochen, bis die Bohnen bissfest sind. Sofort mit kaltem Wasser abkühlen. Zwiebel fein hacken und mit Öl 2 Minuten andünsten. Mit Bouillon ablöschen und kühl stellen. Knoblauch pressen, Nüs- se grob hacken und zusammen mit der Zwiebel zu den Bohnen geben. Balsamico darunter- mixen und 10 Minuten ziehen lassen. Vor dem Servieren mit Korian- der dekorieren. Tipp: Wer Zeit hat, lässt die Boh- nen vorher 2 Stunden einwei- chen und kocht sie anschliessend weniger lang. So sehen sie weni- ger «runzelig» aus. pd Auf dem Biohof Obereichi wird jedes Jahr gut eine Tonne Bohnen gedörrt und Sack für Sack abgepackt. Bilder Urs Baumann Dörrbohnen aus der Schweiz kosten 4.50 Franken pro 100 Gramm. Jene aus China 1.80 Franken. «regio-00-üb dörrbohnen» (Ressort: region bern / Ausgabe: st) Gedruckt von dominik.galliker am 08.10.2014 09:49:41

«regio-00-üb dörrbohnen» region bern Gedruckt von … · 2019-03-26 · Als Rudolf Schüpbach und Chris-tine Stämpfli vor 15 Jahren mit der Produktion von Dörrbohnen anfingen,

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Page 1: «regio-00-üb dörrbohnen» region bern Gedruckt von … · 2019-03-26 · Als Rudolf Schüpbach und Chris-tine Stämpfli vor 15 Jahren mit der Produktion von Dörrbohnen anfingen,

DÖRRBOHNEN Wer BernerPlatte servieren wollte, hattelange Zeit kaum eine Wahl:Dörrbohnen waren Import-ware aus China. Das hat sichgeändert. Wie SchweizerBauern versuchen, in denMarkt einzusteigen.

Es gibt nur ein Produkt auf demHof von Rudolf «Rüedu» Schüp-bach und Christine Stämpfli, dasnicht getrocknet wird: die Kar-toffeln. Sonst landet alles in derDörranlage: Erdbeeren, Löwen-zahn, Birnen, Minze, Thymianund und und. Über 70 Produktestellt die Familie her, darunterviele Teesorten. Das Meiste isttrocken wie ein altes Brot. Auchdabei: Dörrbohnen. Gut eineTonne Bohnen vom eigenen Feldwird jedes Jahr verarbeitet.

Rudolf Schüpbach und Christi-ne Stämpfli leben auf einem klei-nen Hof im Weiler Obereichi beiLanzenhäusern. In einem Ne-bengebäude stehen die beidenDörranlagen. Die eine gross wieein Wandschrank, aus Holz. Dieandere kleiner, aus Metall, wieein grosser Steamer.

«Sie funktionieren wie einLuftentfeuchter», erklärt Schüp-bach. Warme Luft wird durch denOfen geblasen, wird in der Ma-schine abgekühlt, lässt Feuchtig-keit liegen, wird wieder erwärmtund zurück in den Ofen geleitet.180 Kilo Bohnen passen in dieAnlage. Nach zwei Tagen sind sietrocken.

Bei den Preisen chancenlosAls Rudolf Schüpbach und Chris-tine Stämpfli vor 15 Jahren mitder Produktion von Dörrbohnenanfingen, waren sie praktisch al-leine. Lange Zeit stand auf fast je-der Dörrbohnenpackung: «Her-gestellt in China». Wer BernerBohnen auf seiner Berner Plattewollte, war bei Coop und Migroschancenlos. Sie bezogen ihreDörrbohnen aus dem fernen Os-ten. Die Chinesen lieferten guteQualität zu tiefen Preisen. EinKilo frischer Schweizer Bohnenkostet im Laden rund 6 Franken.Die ungefähr gleiche Zahl ge-dörrter Bohnen aus China erhältman für 1.80 Franken.

Schweizer Dörrbohnen fandman vor allem in Nischenlädeli.Oder auf dem Markt. «Früher

hatten wir oft zu wenig», sagtChristine Stämpfli. 100 GrammDörrbohnen vom Biohof Ober-eichi kosten 9.50 Franken (herge-stellt aus einem Kilo frischerBohnen). «Viele zahlen diesenPreis, wenn die Bohnen nur ausder Schweiz kommen», sagtStämpfli.

Mit dem Trend hin zu Swiss-ness nahmen auch Coop und dieMigros Aare Schweizer Dörrboh-nen ins Sortiment auf. Beide be-ziehen sie vom einzigen grossenHersteller in der Schweiz: der Ag-rofrucht-Inn AG im Aargau. IhreNicht-Bio-Dörrbohnen kostenrund 4.50 Franken pro 100Gramm, also etwa zweieinhalb-mal so viel wie jene aus China.Die Grossverteiler seien 2011 re-lativ vorsichtig eingestiegen, sagt

Mediensprecherin Sandra Dom-eisen. Dann aber habe sich dieMenge jedes Jahr verdoppelt.Nun verarbeite die Firma Boh-nen aus rund 100 Hektaren An-baufläche. Gedörrt wird ähnlichwie auf dem Bauernhof, mitvielen kleineren Trocknungs-anlagen.

Alles in HandarbeitAuch bei Rudolf Schüpbach undChristine Stämpfli lag ein Ange-bot von Coop auf dem Tisch. «Wirüberlegten, ob wir voll auf dieBohnen setzen und sie maschi-nell ernten sollen», so Schüp-bach. «Aber das war nicht derrichtige Weg.» Man hätte viel in-vestieren müssen und sich ab-hängig gemacht. Stattdessen ern-ten im Obereichi jeweils ein hal-bes Dutzend Leute die Bohnen.Sack für Sack werden die Dörr-bohnen abgepackt – weil mitKräutern, Erdbeeren et ceteranoch etliche andere Produkte imSommer reifen, kann dies bisWeihnachten dauern. Ändern wirdsich das kaum, wie Schüpbach sagt.«Wir haben jedes Jahr eine neueIdee, was wir noch trocknenkönnten.» Dominik Galliker

Berner Platte geht nicht mehr fremd

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HerbstgenussAlle Artikel zum Nachlesen

herbstgenuss.bernerzeitung.ch

Die Trocknungsanlage funktioniertwie ein grosser Luftentfeuchter.

REZEPT

DörrbohnensalatEin Favorit von Rolf Hiltl, Mit-gründer der Tibits-Kette und Ge-schäftsführer des Zürcher Hiltl,des ältesten vegetarischen Res-taurants der Welt. Rezept vonwww.tibits.chZutaten: 100g Dörrbohnen,Meersalz, ½ Zwiebel, 8 EL Rapsöl,60ml Gemüsebouillon, 1 Knob-lauchzehe, 80g Baumnüsse, 4 EL

Balsamico, frischer Koriander.Zubereitung: Dörrbohnen in kal-tes Wasser geben, salzen undaufkochen. 20–25 Minuten leichtkochen, bis die Bohnen bissfestsind. Sofort mit kaltem Wasserabkühlen. Zwiebel fein hackenundmitÖl2Minutenandünsten.Mit Bouillon ablöschen und kühlstellen. Knoblauch pressen, Nüs-se grob hacken und zusammen

mit der Zwiebel zu den Bohnengeben. Balsamico darunter-mixen und 10 Minuten ziehenlassen.

Vor dem Servieren mit Korian-der dekorieren.Tipp: Wer Zeit hat, lässt die Boh-nen vorher 2 Stunden einwei-chen und kocht sie anschliessendweniger lang. So sehen sie weni-ger «runzelig» aus. pd

Auf dem Biohof Obereichi wird jedes Jahr gut eine Tonne Bohnen gedörrt und Sack für Sack abgepackt. Bilder Urs Baumann

Dörrbohnen ausder Schweiz kosten4.50 Frankenpro 100 Gramm.Jene aus China1.80 Franken.

«regio-00-üb dörrbohnen» (Ressort: region bern / Ausgabe: st)Gedruckt von dominik.galliker am 08.10.2014 09:49:41