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+ EXTRA :: UNIVERSITÄT HAMBURG DIENSTAG, 8. APRIL 2014 / NR. 83 / 15. WOCHE / 66. JAHRGANG :: Ihr Kind oder Enkel, Kinder von Verwandten oder Nachbarn und Freunden möchten an unserer Univer- sität studieren? Wir freuen uns darü- ber! Diese jungen Leute bringen un- terschiedliche Voraussetzungen mit. Die eine hat ein Gymnasialabitur, der andere einen mittleren Abschluss. Oder eine Berufsausbildung, drei Jahre berufliche Praxis, einen Schul- abschluss in den USA, einen Migra- tionshintergrund, ein Handicap? Wir nennen das heterogene Studienvoraus- setzungen und sorgen dafür, dass diese Menschen, egal mit welchem Hinter- grund, möglichst gleiche Chancen für einen Studienerfolg haben. Wie machen wir das? Wir bieten Veranstaltungen unterschiedlicher Art als „Brücken in die Wissenschaft“ an. Wir bieten Mathematikkurse, Erwei- terung von Sprach- oder Computer- kenntnissen, aber auch allgemein- bildende Veranstaltungen an, um ei- nen Studienerfolg wahrscheinlicher zu machen. Denn dieser besteht nicht nur in einem formalen Abschluss, sondern insbesondere in dem, was gelernt wurde, und das nicht nur für eine Berufstätigkeit, sondern auch für ein möglichst glückliches Leben. All diese Aufgaben haben wir in unserem Universitätskolleg zusam- mengeführt. Es wird zurzeit mit Mit- teln des Bundes gefördert und befin- det sich in der Erprobungsphase. Wenn alles gut funktioniert, dann haben die uns Anbefohlenen gute Chancen für einen erfolgreichen Stu- dienabschluss. Das alles kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Die Ba- chelorstudiengänge bieten diese Zeit gegenwärtig nicht, weil sie mit ihren nur sechs Semestern davon ausgehen, dass alle Studienanfänger über die erforderliche Qualifikation verfügen, um erfolgreich zu sein. Das stimmt aber nicht. Deshalb soll der Unterricht im Universitätskolleg auf freiwilliger Basis – für wenige Wochen oder für ein ganzes Jahr – ein Angebot ent- halten, das zum Erfolg führt. Univ.-Prof. Dr. Dieter Lenzen ist Präsident der Universität Hamburg CAMPUS Möglichst gleiche Chancen für alle DIETER LENZEN PREISE Pionierin und Psychologin :: Welche Motive treiben Psychologin und Gehirnforscherin Brigitte Röder (Foto) an? Die Leibniz-Preisträgerin hat ein besonderes Interesse an blinden Menschen. >> >> Seite 5 Foto: Köpcke WISSENSCHAFT Forscher und Projekte :: Was ist reizvoll an der Lehre als In- formatiker oder Theologin? Auf Florian Jeßberger (Foto) hatten die Prozesse gegen die RAF großen Einfluss, er wur- de Strafrechtler. >> >> Seite 3 Foto: Köpcke QUEREINSTIEG Beruf und Studium :: Julia Balanski (Foto) und Thomas Rewel haben sich nach mehreren Jah- ren im Job für ein Studium entschieden. Sie berichten, welche Probleme sie da- bei zu bewältigen hatten. >> >> Seite 2 Foto: Köpcke CHRISTINE BÖHRINGER A ls Ute Meyer vor zehn Jahren an der Universität Hamburg ein Studium der Germanistik beginnen wollte, war sie noch eine echte Exotin: Sie war 27 Jahre alt, die allgemeine Hochschul- reife hatte sie nicht, dafür einen Real- schulabschluss, eine Lehre als Buch- händlerin und mehrere Jahre Berufser- fahrung. Und nun saß sie einem Profes- sor gegenüber, um sich nach einigen Internetrecherchen für die bevorste- hende Eingangsprüfung für Berufstäti- ge beraten zu lassen. Der sagte über- rascht: „Ich wusste gar nicht, dass man hier auch ohne Abitur studieren kann.“ Ute Meyer muss heute schmunzeln, wenn sie sich an diesen ersten Kontakt mit der Universität erinnert: „Da war ich schon etwas irritiert.“ Doch schnell wurde alles gut: Der Professor interes- sierte sich sehr für ihren Blick auf die moderne Literatur. Er war in der münd- lichen Eingangsprüfung mit dabei und erkundigte sich auch später immer wie- der nach ihr, dem Studium und ihren Erfahrungen. Heute hat Ute Meyer ei- nen Magistertitel und berät als wissen- schaftliche Mitarbeiterin selbst Berufs- tätige ohne Abitur, die studieren wol- len: Ist die Hochschule etwas für mich? Was ist Wissenschaft? Wie finanziere ich mein Studium? „Meine eigene Ge- schichte hat da sicher eine Rolle ge- spielt, dass ich heute das tue, was ich tue“, sagt Ute Meyer. „Ich weiß genau, um was es geht.“ Seit zwei Jahren ist ihre Arbeit nun auch Teil eines großen Ganzen: 2012 hat die Hochschule unter dem Dach eines neu gegründeten Universitätskollegs 42 Projekte aus allen Fakultäten gebün- delt, die Studierenden den Weg in die Wissenschaft ebnen und ihnen unmit- telbar vor und während der ersten Se- mester helfen sollen. Dieser in Deutsch- land laut Uni Hamburg einzigartige Verbund wird insgesamt vier Jahre lang mit 12,8 Millionen Euro größtenteils aus dem „Qualitätspakt Lehre“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert – und er trägt dem Umstand Rechnung, dass sich auf dem Campus mittlerweile mehr Exoten denn je finden, die Mischung bunter ge- worden ist: Die Zusammensetzung der Studierenden hat sich in den vergange- nen Jahren massiv verändert. „Einen klassischen Normaltypus gibt es nicht mehr. Heute studiert die Hälfte eines Abiturjahrgangs – und da- mit so viele wie noch nie. Die Wege in die Universität sind vielfältiger gewor- den, und die Studierenden bringen im- mer mehr unterschiedliche Vorausset- zungen mit“, sagt der Bildungs- und Transformationsforscher Prof. Hans- Christoph Koller von der Fakultät für Erziehungswissenschaft. Die einen haben Akademikereltern, die anderen sind die ersten ihrer Familie, die in ei- nem Hörsaal sitzen. Manche sind we- gen der verkürzten Gymnasialzeit noch keine 18 Jahre alt und besuchen die- selben Vorlesungen wie 30-Jährige, die schon durch die Welt gereist sind, einen Beruf ausgeübt oder Kinder haben. Drei Prozent der Studienanfänger des letz- ten Wintersemesters hatten kein Abitur – und zwölf Prozent der Studenten haben keine deutsche Staatsangehörig- keit. Es kommen mittlerweile nicht nur Gäste für ein paar Semester nach Ham- burg, sondern auch junge Leute aus Spanien oder Italien, die ihr gesamtes Bachelorstudium in der Stadt verbrin- gen. „Die Lebenswege und Bildungs- biografien der Studienanfänger weisen Unterschiede auf, die sich nicht mehr mit überkommenen Routinen bewälti- gen lassen, sondern nach neuen Ant- worten verlangen“, sagt Koller. Die Uni hat eine große Aufgabe: Sie muss die verschiedenen Erfahrungshintergrün- de der Studenten in der Hochschulwelt vereinen – denn dort werden dann in den Fächern an jeden dieselben Anfor- derungen gestellt. Im Universitätskolleg wurden die verschiedenen Projekte daher thema- tisch zusammengefasst: Wie die einzel- nen Stufen einer Treppe geben sie Ori- entierung und Sicherheit, damit die Studierenden Schritt für Schritt in das neue Umfeld hineinwachsen können. Online-Selbsttests wie zum Beispiel in der Rechtswissenschaft oder der Informatik helfen Interessierten, ihr eigenes Können und ihre Erwartungen einzuschätzen und das zu studieren, was auch wirklich zu ihnen passt. Mit Crash-Kursen lässt sich dann das Wis- sen in verschiedenen Fächern, die es an der Schule nicht gab, erweitern. Be- stimmte Gruppen wie Lehramtsstuden- ten, internationale Studierende oder Berufstätige ohne allgemeine Hoch- schulreife können sich speziell beglei- ten und beraten lassen. Die meisten Projekte des Universitätskollegs sollen den Studierenden das akademische Lernen und Schreiben vermitteln und ihnen die Hochschule als Institution vertraut machen unterstützt von Mentoren und Tutoren, die ihre eige- nen Erfahrungen weitergeben. Auch Franziska Neubauer und Öz- lem Alagöz wussten am Anfang nicht, wie Studieren funktioniert. Franziska Neubauer hatte mit 16 Jahren eine Aus- bildung zur Kauffrau für Bürokommu- nikation gemacht und als Angestellte mehrere Jahre in einer Patentanwalts- kanzlei gearbeitet. „Doch ich habe im- mer davon geträumt, mich im sozialen Bereich zu engagieren und an die Uni zu gehen“, sagt die heute 32-Jährige. Seit drei Semestern studiert sie nun Erzie- hungswissenschaft und beschäftigt sich mit Themen wie „Handlungskompeten- zen in der Sozialpädagogik“ oder „Ge- sellschaftliche Bedingungen von Bil- dung und Erziehung“. Gleich nach der Orientierungswo- che wurde sie zu einem Studienstart- Workshop für Berufstätige ohne Abitur eingeladen. „Ich hatte viele Fragen im Kopf, und die anderen Teilnehmer hat- ten genau dieselben Probleme wie ich: Wie stelle ich den Stundenplan zusam- men? Wie halte ich ein Referat? An wen wende ich mich bei finanziellen Fra- gen?“, sagt Franziska Neubauer. „Der Austausch hat mir sehr geholfen.“ Ute Meyer hat das Netz für Studie- rende nun noch enger geknüpft: Neben dem Workshop gibt es Beratungen, ei- nen Stammtisch, Veranstaltungen wie „Lernen lernen“ und ein Tutorenpro- gramm. „Für einige sind kulturelle Hür- den ein größeres Problem als die eigent- liche Studierfähigkeit“, sagt Ute Meyer. „Manche haben das Gefühl, dass sie an einem Ort sind, der eigentlich für ande- re vorbestimmt ist. Daher ist es wichtig, dass Berührungsängste genommen werden und die Berufstätigen eine selbstbewusste Haltung entwickeln.“ Özlem Alagöz hingegen hatte erst im zweiten Semester ein paar Schwie- rigkeiten – als die Lehramtsstudentin ihre erste Hausarbeit schreiben musste. „Ich war total überfordert“, sagt die 24- Jährige. Ein Bekannter aus einem höhe- ren Semester hat sie dann bei ihrem ers- ten Text begleitet. Sie bekam eine Ein- weisung in die Wissenschaftssprache – und eine gute Note, doch Özlem Alagöz reichte das nicht, sie wollte ihr Schrei- ben weiter verbessern. „Ich werde ein- mal selbst Deutsch unterrichten, daher ist es mir wichtig, dass meine eigenen Texte gut sind.“ Durch einen Aushang wurde sie auf die „Schreibwerkstatt Mehrsprachig- keit“ aufmerksam, eine Schreibbera- tung für Lehramtsstudierende mit Mi- grationshintergrund. Mittlerweile ist sie selbst Schreibberaterin und erklärt anderen, ob man in Hausarbeiten das Wort „ich“ verwenden darf oder warum es besser ist, sich auf einen Text zu kon- zentrieren und nicht drei gleichzeitig abzuarbeiten. „Wir wollen die Studen- ten aus der Einsamkeit des Schreibti- sches herausholen und ein wachsendes Netzwerk schaffen“, sagt die Projekt- verantwortliche Dagmar Knorr. „Wir erklären Studierenden die Konventio- nen akademischer Texte und leiten sie an, eigene Schreibstrategien zu entwi- ckeln. Und dann sollen sie schreiben. Denn Schreiben lernt man nur durch schreiben.“ Neben den Beratungen sol- len ein Schreibcafé und ein spezielles Schreibzimmer die idealen Vorausset- zungen dafür schaffen. Die „Schreibwerkstatt Mehrspra- chigkeit“ wird ebenso wie alle anderen Teilprojekte des Universitätskollegs re- gelmäßig evaluiert und wissenschaft- lich begleitet. Dabei geht es um die Fra- gen: Was funktioniert? Was nicht? Was lässt sich auf andere Fächer, Fakultäten und Studierende übertragen? Erfolgrei- che Ansätze und Konzepte sollen sich in der gesamten Universität verbreiten und dort verankert werden. Im besten Fall wird das Universitätskolleg nicht das bleiben, was es jetzt ist: ein großes Entwicklungslabor. „Unser langfristiges Ziel ist es, das Universitätskolleg selbst finanzierbar zu machen und in den Regelbetrieb zu überführen. Idealerweise soll uns das Universitätskolleg zudem zu einer Neu- ordnung der Studieneingangsphase führen“, sagt Prof. Dr. Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg. Nach dem Vorbild amerikanischer Col- leges könnte es in Hamburg in mehre- ren Jahren ein verpflichtendes „Studi- um Generale“ geben: allgemeinbilden- de Sachverhalte, die in das Bachelorstu- dium mit einfließen, Orientierung ge- ben, das akademische Lernen sowie unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven vermitteln – und damit allen Studenten gleichermaßen den Weg an die Universität ebnen. Studierende und Mitarbeiter: hinten Nicolai Krolzik und Jürgen Schaper (r.), vorn von links: Nurhan Karadeniz, Yuliya Messoudi, Nik Oberlik, Franziska Neubauer, Özlem Alagöz, Veronika Ukrayinets Foto: Heiner Köpcke Reif für die Uni Mit oder ohne Abitur, mit oder ohne Akademiker-Eltern, mit oder ohne Migrationshintergrund: Die Studierenden bringen sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit – das Universitätskolleg will ihnen den Übergang an die Hochschule erleichtern Etwas Besonderes: Im Kolleg sind 42 Projekte aus allen Fakultäten gebündelt In Zukunft ein Studium Generale nach dem Vorbild amerikanischer Colleges Einen klassischen Typus des Studenten gibt es nicht. Heute studiert die Hälfte eines Abi-Jahrgangs. Prof. Hans-Christoph Koller Das neueste Angebot des Uni-Kollegs ist der „In- ternational Guide“, ein Online-Coaching-Portal für internationale Studien- interessierte. Seit der Be- werbungsphase zu diesem Sommersemester können sich dort Bewerber aus anderen Ländern für die Studiengänge mit Abschluss Bachelor oder Staats- examen zielgerichtet über den Bewerbungsprozess und den Studienstart infor- mieren. Derzeit haben rund zwölf Prozent der Studie- renden keine deutsche Staatsangehörigkeit. „Bislang war die über- wiegende Zahl der An- gebote für Studienbewerber vor Ort in Hamburg, und wir haben mit inter- nationalen Studieninteres- sierten vor allem über E- Mail oder telefonisch kom- muniziert“, sagt Projekt- koordinatorin Katharina Röper. „Im International Guide finden sie nun zwei- sprachige und zielgruppen- spezifische Informationen. Außerdem hilft ihnen das Portal bei der Organisation, denn vieles müssen die angehenden Studenten auch schon von zu Hause aus erledigen.“ Die Plattform bietet eine detaillierte Anleitung für die Bewerbungsphase – alle wichtigen Schritte sind vorgegeben. Eine persönli- che Checkliste zeigt, was sie zu welchem Zeitpunkt erle- digen müssen, um keine Frist zu verpassen. In der Rubrik „Wissenswertes“ werden zudem Berichte von anderen Studenten über das Leben an der Uni und in Hamburg gesammelt, die die Nutzer ergänzen, be- werten und kommentieren können. Das Portal er- möglicht den Austausch und verbessert die Chancen auf eine Zulassung. htto://www.uni-hamburg.de/campus- center/bewerbung/international/ internationalguide.html Online-Portal: Hilfe und Austausch für internationale Studieninteressierte

Reif Nik Oberlik, Franziska Neubauer, Özlem Alagöz ... · ben weiter verbessern. Ich werde ein-mal selbst Deutsch unterrichten, daher ist es mir wichtig, dass meine eigenen Texte

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Page 1: Reif Nik Oberlik, Franziska Neubauer, Özlem Alagöz ... · ben weiter verbessern. Ich werde ein-mal selbst Deutsch unterrichten, daher ist es mir wichtig, dass meine eigenen Texte

1 08.04.14 Dienstag, 8. April 2014 HA-VP1Belichterfreigabe: -- Zeit:::Belichter: Farbe:

HA_Dir/HA/HA-VP108.04.14/1/UNI1 STEUSCHE 5% 25% 50% 75% 95%

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CRAD

E X T R A :: U N I V E R S I T Ä T H A M B U R GDIENSTAG, 8. APRIL 2014 / NR. 83 / 15. WOCHE / 66. JAHRGANG

:: Ihr Kind oder Enkel, Kinder vonVerwandten oder Nachbarn undFreunden möchten an unserer Univer-sität studieren? Wir freuen uns darü-ber! Diese jungen Leute bringen un-terschiedliche Voraussetzungen mit.Die eine hat ein Gymnasialabitur, derandere einen mittleren Abschluss.Oder eine Berufsausbildung, dreiJahre berufliche Praxis, einen Schul-abschluss in den USA, einen Migra-tionshintergrund, ein Handicap? Wirnennen das heterogene Studienvoraus-setzungen und sorgen dafür, dass dieseMenschen, egal mit welchem Hinter-grund, möglichst gleiche Chancen füreinen Studienerfolg haben.

Wie machen wir das? Wir bietenVeranstaltungen unterschiedlicher Artals „Brücken in die Wissenschaft“ an.Wir bieten Mathematikkurse, Erwei-terung von Sprach- oder Computer-kenntnissen, aber auch allgemein-bildende Veranstaltungen an, um ei-nen Studienerfolg wahrscheinlicher zumachen. Denn dieser besteht nichtnur in einem formalen Abschluss,sondern insbesondere in dem, wasgelernt wurde, und das nicht nur füreine Berufstätigkeit, sondern auch fürein möglichst glückliches Leben.

All diese Aufgaben haben wir inunserem Universitätskolleg zusam-mengeführt. Es wird zurzeit mit Mit-teln des Bundes gefördert und befin-det sich in der Erprobungsphase.Wenn alles gut funktioniert, dannhaben die uns Anbefohlenen guteChancen für einen erfolgreichen Stu-dienabschluss. Das alles kostet nichtnur Geld, sondern auch Zeit. Die Ba-chelorstudiengänge bieten diese Zeitgegenwärtig nicht, weil sie mit ihrennur sechs Semestern davon ausgehen,dass alle Studienanfänger über dieerforderliche Qualifikation verfügen,um erfolgreich zu sein. Das stimmtaber nicht. Deshalb soll der Unterrichtim Universitätskolleg auf freiwilligerBasis – für wenige Wochen oder fürein ganzes Jahr – ein Angebot ent-halten, das zum Erfolg führt.

Univ.-Prof. Dr. Dieter Lenzen ist Präsident der Universität Hamburg

C A M P U S

Möglichst gleicheChancen für alleD I ET E R L E N Z E N

PREISE

Pionierin und Psychologin

:: Welche Motive treiben Psychologinund Gehirnforscherin Brigitte Röder(Foto) an? Die Leibniz-Preisträgerinhat ein besonderes Interesse an blindenMenschen.>> >> Seite 5 Foto: Köpcke

WISSENSCHAFT

Forscher und Projekte

:: Was ist reizvoll an der Lehre als In-formatiker oder Theologin? Auf FlorianJeßberger (Foto) hatten die Prozessegegen die RAF großen Einfluss, er wur-de Strafrechtler.>> >> Seite 3 Foto: Köpcke

QUEREINSTIEG

Beruf und Studium

:: Julia Balanski (Foto) und ThomasRewel haben sich nach mehreren Jah-ren im Job für ein Studium entschieden.Sie berichten, welche Probleme sie da-bei zu bewältigen hatten.>> >> Seite 2 Foto: Köpcke

C H R I S T I N E B Ö H R I N G E R

Als Ute Meyer vor zehnJahren an der UniversitätHamburg ein Studium derGermanistik beginnenwollte, war sie noch eineechte Exotin: Sie war 27

Jahre alt, die allgemeine Hochschul-reife hatte sie nicht, dafür einen Real-schulabschluss, eine Lehre als Buch-händlerin und mehrere Jahre Berufser-fahrung. Und nun saß sie einem Profes-sor gegenüber, um sich nach einigenInternetrecherchen für die bevorste-hende Eingangsprüfung für Berufstäti-ge beraten zu lassen. Der sagte über-rascht: „Ich wusste gar nicht, dass manhier auch ohne Abitur studieren kann.“

Ute Meyer muss heute schmunzeln,wenn sie sich an diesen ersten Kontaktmit der Universität erinnert: „Da warich schon etwas irritiert.“ Doch schnellwurde alles gut: Der Professor interes-sierte sich sehr für ihren Blick auf diemoderne Literatur. Er war in der münd-lichen Eingangsprüfung mit dabei underkundigte sich auch später immer wie-der nach ihr, dem Studium und ihrenErfahrungen. Heute hat Ute Meyer ei-nen Magistertitel und berät als wissen-schaftliche Mitarbeiterin selbst Berufs-tätige ohne Abitur, die studieren wol-len: Ist die Hochschule etwas für mich?Was ist Wissenschaft? Wie finanziereich mein Studium? „Meine eigene Ge-schichte hat da sicher eine Rolle ge-spielt, dass ich heute das tue, was ichtue“, sagt Ute Meyer. „Ich weiß genau,um was es geht.“

Seit zwei Jahren ist ihre Arbeit nunauch Teil eines großen Ganzen: 2012 hatdie Hochschule unter dem Dach einesneu gegründeten Universitätskollegs42 Projekte aus allen Fakultäten gebün-delt, die Studierenden den Weg in dieWissenschaft ebnen und ihnen unmit-telbar vor und während der ersten Se-mester helfen sollen. Dieser in Deutsch-land laut Uni Hamburg einzigartigeVerbund wird insgesamt vier Jahre langmit 12,8 Millionen Euro größtenteilsaus dem „Qualitätspakt Lehre“ desBundesministeriums für Bildung undForschung gefördert – und er trägt demUmstand Rechnung, dass sich auf demCampus mittlerweile mehr Exotendenn je finden, die Mischung bunter ge-worden ist: Die Zusammensetzung derStudierenden hat sich in den vergange-nen Jahren massiv verändert.

„Einen klassischen Normaltypusgibt es nicht mehr. Heute studiert dieHälfte eines Abiturjahrgangs – und da-mit so viele wie noch nie. Die Wege indie Universität sind vielfältiger gewor-den, und die Studierenden bringen im-mer mehr unterschiedliche Vorausset-zungen mit“, sagt der Bildungs- undTransformationsforscher Prof. Hans-Christoph Koller von der Fakultät fürErziehungswissenschaft. Die einenhaben Akademikereltern, die anderen

sind die ersten ihrer Familie, die in ei-nem Hörsaal sitzen. Manche sind we-gen der verkürzten Gymnasialzeit nochkeine 18 Jahre alt und besuchen die-selben Vorlesungen wie 30-Jährige, dieschon durch die Welt gereist sind, einenBeruf ausgeübt oder Kinder haben. DreiProzent der Studienanfänger des letz-ten Wintersemesters hatten kein Abitur– und zwölf Prozent der Studentenhaben keine deutsche Staatsangehörig-keit. Es kommen mittlerweile nicht nurGäste für ein paar Semester nach Ham-burg, sondern auch junge Leute ausSpanien oder Italien, die ihr gesamtesBachelorstudium in der Stadt verbrin-gen. „Die Lebenswege und Bildungs-biografien der Studienanfänger weisenUnterschiede auf, die sich nicht mehrmit überkommenen Routinen bewälti-gen lassen, sondern nach neuen Ant-worten verlangen“, sagt Koller. Die Unihat eine große Aufgabe: Sie muss dieverschiedenen Erfahrungshintergrün-de der Studenten in der Hochschulweltvereinen – denn dort werden dann inden Fächern an jeden dieselben Anfor-derungen gestellt.

Im Universitätskolleg wurden dieverschiedenen Projekte daher thema-tisch zusammengefasst: Wie die einzel-nen Stufen einer Treppe geben sie Ori-entierung und Sicherheit, damit dieStudierenden Schritt für Schritt in dasneue Umfeld hineinwachsen können.Online-Selbsttests wie zum Beispiel inder Rechtswissenschaft oder derInformatik helfen Interessierten, ihreigenes Können und ihre Erwartungeneinzuschätzen und das zu studieren,was auch wirklich zu ihnen passt. MitCrash-Kursen lässt sich dann das Wis-sen in verschiedenen Fächern, die es an

der Schule nicht gab, erweitern. Be-stimmte Gruppen wie Lehramtsstuden-ten, internationale Studierende oderBerufstätige ohne allgemeine Hoch-schulreife können sich speziell beglei-ten und beraten lassen. Die meistenProjekte des Universitätskollegs sollenden Studierenden das akademischeLernen und Schreiben vermitteln undihnen die Hochschule als Institutionvertraut machen – unterstützt vonMentoren und Tutoren, die ihre eige-nen Erfahrungen weitergeben.

Auch Franziska Neubauer und Öz-lem Alagöz wussten am Anfang nicht,wie Studieren funktioniert. FranziskaNeubauer hatte mit 16 Jahren eine Aus-bildung zur Kauffrau für Bürokommu-nikation gemacht und als Angestelltemehrere Jahre in einer Patentanwalts-kanzlei gearbeitet. „Doch ich habe im-mer davon geträumt, mich im sozialenBereich zu engagieren und an die Uni zugehen“, sagt die heute 32-Jährige. Seitdrei Semestern studiert sie nun Erzie-hungswissenschaft und beschäftigt sichmit Themen wie „Handlungskompeten-zen in der Sozialpädagogik“ oder „Ge-sellschaftliche Bedingungen von Bil-dung und Erziehung“.

Gleich nach der Orientierungswo-che wurde sie zu einem Studienstart-Workshop für Berufstätige ohne Abitureingeladen. „Ich hatte viele Fragen imKopf, und die anderen Teilnehmer hat-ten genau dieselben Probleme wie ich:Wie stelle ich den Stundenplan zusam-men? Wie halte ich ein Referat? An wenwende ich mich bei finanziellen Fra-gen?“, sagt Franziska Neubauer. „DerAustausch hat mir sehr geholfen.“

Ute Meyer hat das Netz für Studie-rende nun noch enger geknüpft: Nebendem Workshop gibt es Beratungen, ei-nen Stammtisch, Veranstaltungen wie„Lernen lernen“ und ein Tutorenpro-gramm. „Für einige sind kulturelle Hür-den ein größeres Problem als die eigent-liche Studierfähigkeit“, sagt Ute Meyer.„Manche haben das Gefühl, dass sie aneinem Ort sind, der eigentlich für ande-re vorbestimmt ist. Daher ist es wichtig,dass Berührungsängste genommenwerden und die Berufstätigen eine

selbstbewusste Haltung entwickeln.“ Özlem Alagöz hingegen hatte erst

im zweiten Semester ein paar Schwie-rigkeiten – als die Lehramtsstudentinihre erste Hausarbeit schreiben musste.„Ich war total überfordert“, sagt die 24-Jährige. Ein Bekannter aus einem höhe-ren Semester hat sie dann bei ihrem ers-ten Text begleitet. Sie bekam eine Ein-weisung in die Wissenschaftssprache –und eine gute Note, doch Özlem Alagözreichte das nicht, sie wollte ihr Schrei-ben weiter verbessern. „Ich werde ein-mal selbst Deutsch unterrichten, daherist es mir wichtig, dass meine eigenenTexte gut sind.“

Durch einen Aushang wurde sie aufdie „Schreibwerkstatt Mehrsprachig-keit“ aufmerksam, eine Schreibbera-tung für Lehramtsstudierende mit Mi-grationshintergrund. Mittlerweile istsie selbst Schreibberaterin und erklärtanderen, ob man in Hausarbeiten dasWort „ich“ verwenden darf oder warumes besser ist, sich auf einen Text zu kon-zentrieren und nicht drei gleichzeitigabzuarbeiten. „Wir wollen die Studen-ten aus der Einsamkeit des Schreibti-sches herausholen und ein wachsendesNetzwerk schaffen“, sagt die Projekt-verantwortliche Dagmar Knorr. „Wirerklären Studierenden die Konventio-nen akademischer Texte und leiten siean, eigene Schreibstrategien zu entwi-ckeln. Und dann sollen sie schreiben.Denn Schreiben lernt man nur durchschreiben.“ Neben den Beratungen sol-len ein Schreibcafé und ein speziellesSchreibzimmer die idealen Vorausset-zungen dafür schaffen.

Die „Schreibwerkstatt Mehrspra-chigkeit“ wird ebenso wie alle anderenTeilprojekte des Universitätskollegs re-gelmäßig evaluiert und wissenschaft-lich begleitet. Dabei geht es um die Fra-gen: Was funktioniert? Was nicht? Waslässt sich auf andere Fächer, Fakultätenund Studierende übertragen? Erfolgrei-che Ansätze und Konzepte sollen sich inder gesamten Universität verbreitenund dort verankert werden. Im bestenFall wird das Universitätskolleg nichtdas bleiben, was es jetzt ist: ein großesEntwicklungslabor.

„Unser langfristiges Ziel ist es, dasUniversitätskolleg selbst finanzierbarzu machen und in den Regelbetrieb zuüberführen. Idealerweise soll uns dasUniversitätskolleg zudem zu einer Neu-ordnung der Studieneingangsphaseführen“, sagt Prof. Dr. Dieter Lenzen,Präsident der Universität Hamburg.Nach dem Vorbild amerikanischer Col-leges könnte es in Hamburg in mehre-ren Jahren ein verpflichtendes „Studi-um Generale“ geben: allgemeinbilden-de Sachverhalte, die in das Bachelorstu-dium mit einfließen, Orientierung ge-ben, das akademische Lernen sowieunterschiedliche wissenschaftlichePerspektiven vermitteln – und damitallen Studenten gleichermaßen denWeg an die Universität ebnen.

Studierende und Mitarbeiter: hinten Nicolai Krolzik und Jürgen Schaper (r.), vorn von links: Nurhan Karadeniz, Yuliya Messoudi, Nik Oberlik, Franziska Neubauer, Özlem Alagöz, Veronika Ukrayinets Foto: Heiner Köpcke

Reiffür die

UniMit oder ohne Abitur,

mit oder ohneAkademiker-Eltern,

mit oder ohneMigrationshintergrund:

Die Studierenden bringensehr unterschiedliche

Voraussetzungen mit – dasUniversitätskolleg will

ihnen den Übergang an dieHochschule erleichtern

Etwas Besonderes: Im Kolleg sind 42Projekte aus allen Fakultäten gebündelt

In Zukunft ein Studium Generale nachdem Vorbild amerikanischer Colleges

Einen klassischen Typus des Studenten gibt es nicht.

Heute studiert die Hälfteeines Abi-Jahrgangs.

Prof. Hans-Christoph Koller

Das neueste Angebot desUni-Kollegs ist der „In-ternational Guide“, einOnline-Coaching-Portal fürinternationale Studien-interessierte. Seit der Be-werbungsphase zu diesemSommersemester könnensich dort Bewerber ausanderen Ländern für dieStudiengänge mit AbschlussBachelor oder Staats-examen zielgerichtet überden Bewerbungsprozessund den Studienstart infor-mieren. Derzeit haben rund

zwölf Prozent der Studie-renden keine deutscheStaatsangehörigkeit.

„Bislang war die über-wiegende Zahl der An-gebote für Studienbewerbervor Ort in Hamburg, undwir haben mit inter-nationalen Studieninteres-sierten vor allem über E-Mail oder telefonisch kom-muniziert“, sagt Projekt-koordinatorin KatharinaRöper. „Im InternationalGuide finden sie nun zwei-sprachige und zielgruppen-

spezifische Informationen.Außerdem hilft ihnen dasPortal bei der Organisation,denn vieles müssen dieangehenden Studentenauch schon von zu Hauseaus erledigen.“

Die Plattform bietet einedetaillierte Anleitung fürdie Bewerbungsphase – allewichtigen Schritte sindvorgegeben. Eine persönli-che Checkliste zeigt, was siezu welchem Zeitpunkt erle-digen müssen, um keine

Frist zu verpassen. In derRubrik „Wissenswertes“werden zudem Berichte vonanderen Studenten über dasLeben an der Uni und inHamburg gesammelt, diedie Nutzer ergänzen, be-werten und kommentierenkönnen. Das Portal er-möglicht den Austauschund verbessert die Chancenauf eine Zulassung.

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Online-Portal: Hilfe und Austausch für internationale Studieninteressierte

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2 08.04.14 Dienstag, 8. April 2014 HA-VP1Belichterfreigabe: -- Zeit:::Belichter: Farbe:

HA_Dir/HA/HA-VP108.04.14/1/UNI2 STEUSCHE 5% 25% 50% 75% 95%

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CRAD

Dienstag, 8. April 20142 Hamburger Abendblatt U N I V E R S I TÄT H A M B U R G

INFOABENDE

Was soll ich wo und wofür studieren?

:: Schüler, Bachelorstudierende so-wie andere Interessierte aus Hochschu-le und Öffentlichkeit können sich in derReihe „Was Wie Wofür studieren“ überStudiengänge der Universität Hamburginformieren. Ab 1. April bis 1. Juli,immer dienstags, von 18.15 bis ca. 19.45Uhr, im Magdalene-Schoch-Hörsaal(Hörsaal J), Hauptgebäude der Univer-sität, an der Edmund-Siemers-Allee 1.Weitere Informationen im Internet auf:www.uni-hamburg.de/wwwstudieren

AKTION

Blut spenden im Audimax

:: Bei der Blutspende-Ak-tion vom Deutschen RotenKreuz am 16. April im Audi-max von 11.30 bis 16 Uhr ist

jede und jeder Gesunde imAlter zwischen 18 und 65herzlich willkommen. Dienächste Möglichkeit, im Audi-max Blut zu spenden, gibt es

am 25. Juni oder jeden Tag amUniversitätsklinikum Ham-

burg-Eppendorf. Bitte den Perso-nalausweis mitbringen.

GASTPROFESSUR

Emine Sevgi Özdamar lehrt Interkulturelle Poetik

:: Emine Sevgi Özdamar ist neueGastprofessorin für Interkulturelle

Poetik. Die in der Türkei geboreneSchriftstellerin lebt seit Langem inDeutschland und ist ein echtes Multi-talent: Sie spielt Theater, übernimmtauch Filmrollen, inszeniert undschreibt Theaterstücke sowie Romane.Als Gastprofessorin hält sie eigens fürdie Universität Hamburg geschriebeneVorlesungen zum Thema „Sprach-Rol-len-Wechsel“. Die Poetikvorlesungenbeginnen am 10. April und finden im-mer donnerstags von 18 bis 20 Uhr imEmil-Artin-Hörsaal (Hörsaal M) imHauptgebäude der Universität Ham-burg statt. Mehr dazu im Internet auf:www.inpoet.uni-hamburg.de

ELTERNABEND

Wie kann ich mein Kindunterstützen?

:: Rund 170 Studiengänge an achtFakultäten – das Angebot allein an derUniversität ist groß, und nicht jeder istschon mit dem neuen Bachelor- undMasterstudiensystem vertraut. WieEltern ihr Kind unterstützen können,wenn es sich für ein Studium interes-siert, dazu gibt es ein neues Beratungs-angebot der Zentralen Studienberatungund Psychologischen Beratung der Uni-versität Hamburg. Eltern erhalten dortInformationen zum Unterschied zwi-schen Fachhochschulen und Universi-täten, zum Aufbau eines Studiums, zuPrüfungen und Leistungsnachweisen.Termine: Donnerstag, 10. April, undDienstag, 22. April, jeweils 17 bis 19 Uhr,CampusCenter, Alsterterrasse 1, Raum415. Anmeldungen erbeten per Mail an: [email protected]

UNI-MAGAZIN

Zweite Ausgabe von „19NEUNZEHN“

:: Pünktlich zum Semesterstart gibtes wieder das Uni-Magazin „19NEUN-ZEHN“. In der Titelgeschichte geht esum ein Thema, das fast jeder gut kennt:Aufschieberitis. Was man – besondersbeim Studium – dagegen tun kann, ver-rät der Artikel in der Rubrik „Campus &Co“. Außerdem in diesem Heft: Wasser-versorgung in Kolumbien, Qualität imKrankenhaus und die Geschichte voneiner Studentin und einem Studenten,die beide eine Behinderung haben. DasUni-Magazin „19NEUNZEHN“ liegt inallen Mensen, Bibliotheken und in denFoyers der Universitätsgebäude aus.Außerdem steht das Heft zum Blätternauch im Internet zur Verfügung:www.uni-hamburg.de/19neunzehn

Y VO N N E S C H E L L E R

:: Nach sieben Jahren im Beruf Stu-dentin zu werden, und das als allein-erziehende Mutter, ist ein mutigerSchritt. Doch Julia Balanski, 25, fand,diese Chance könne sie sich nicht ent-gehen lassen. Die Handelskammer hat-te ihr geraten, sich um ein Begabten-stipendium zu bewerben. Ihre Ausbil-dung zur Tierpflegerin in der Fachrich-tung Forschung und Klinik am UKEhatte sie mit 96 Punkten von 100 be-standen und sich in beruflichen Statio-nen bewährt: Im Centrum für Innovati-ve Medizin (CiM) und in einem Laborfür Kryokonservierung. Damit erfülltesie die Voraussetzungen für die „Begab-tenförderung berufliche Bildung“, diesich an leistungsfähige Absolventen ei-ner Berufsausbildung richtet.

Balanski ergatterte das Stipendiumund bestand in der Folge auch die Zu-gangsprüfung der Universität Hamburgfür das Studienfach Biologie. Die warnötig, weil sie mit einem Realschulab-schluss statt mit Abitur ins Berufslebengestartet war. „An meinem ersten Tagan der Uni fiel mir vor allem auf, wiejung alle waren“, erzählt sie. Dabei warsie mit 23 den Abiturienten an Jahrengar nicht weit voraus, aber mit ihrer Be-rufserfahrung und als Mutter brachtesie eine ganz andere Lebenserfahrungmit. Schnell entstanden Freundschaf-ten, „das gemeinsame Ziel verbindet“.

Dennoch überkam sie gerade amAnfang die Angst vor der eigenen Cou-rage. „Nach so langer Zeit zurück auf dieSchulbank, was hatte ich mir nur dabeigedacht? Immer mal wieder gibt es Vor-lesungen, da verstehe ich kein Wort.“Doch dann setzt sie sich an ihre Bücherund erarbeitet sich die Inhalte. MitErfolg, inzwischen studiert sie im vier-ten Semester. „Natürlich gibt es Tage,da sehne ich mich danach, einfach Fei-erabend zu machen. Aber ich studiere,weil ich es unbedingt möchte.“

Das gilt auch für Sarah-MilenaChristiansen. Mit 16 Jahren war sie mitihrem Hauptschulabschluss ins Berufs-leben als Friseurin gestartet. Mit An-fang 20 war sie bereits Friseurmeisterinund hatte noch jede Menge Arbeitsle-ben vor sich. „Also überlegte ich, wasnun? Selbständigkeit kam nicht infrage,so kam ich aufs Studium.“ Der Meister-

brief ebnete ihr den Hochschulzugang.Ihr Ziel: Berufsschullehrerin. Nun stu-diert die 25-Jährige Kosmetikwissen-schaft auf Berufsschullehramt im vier-ten Semester. Wer bei diesem Studien-gang an Schminken denkt, liegt ganzfalsch. Kosmetische Chemie, biophysi-kalische Messverfahren, Dermato- undTrichokosmetik, Ästhetik oder Modeso-ziologie stehen auf dem Stundenplanund werden ergänzt durch Chemie- undBiologie-Module. „Biologie ist zudemdas Unterrichtsfach, auf das ich michals Berufsschullehrerin spezialisiere“,erläutert Christiansen. Jede Menge an-spruchsvoller Stoff, den sie auf ihremWeg zum Bachelor und dann weiterzum Master zu bewältigen hat. „VieleInhalte kann ich aus meinem Praxiswis-sen heraus erarbeiten. Was mir an Abi-wissen fehlt, muss ich natürlich nach-holen“, sagt sie.

Bedauert sie es, nicht gleich bis zumAbitur die Schule besucht zu haben?„Nein, das war damals für mich richtig.“Ein Schulpraktikum in einem Friseur-salon brachte sie vom Schulweg ab. „Ichwar auf der Realschule, fand aber: Wasmir Spaß macht, kann ich auch soforttun – und verließ die Schule mit demHauptschulabschluss. Es war schlichtder Reiz des Neuen, und der hat mich ja

Julia Balanski erhielt ein Begabtenstipendium und studiert Biologie im vierten Semester. Die 25-Jährige ist Mutter eines zweijährigen Sohnes Fotos: Heiner Köpcke

Per Quereinstieg an die HochschuleErst Abitur, dann Studium? Auch Hauptschul- und Realschulabschluss bieten Chancen

Thomas Rewel begann mit 30 Jahrensein Studium

Quereinsteiger studieren mit großerErnsthaftigkeit und hoch motiviert

jetzt auch an die Universität geführt.“Christiansens Weg sei keineswegs un-gewöhnlich, sagt Professor AlexanderBassen von der Fakultät Wirtschafts-und Sozialwissenschaften der Universi-tät Hamburg. „Wer mit dem Haupt-oder Realschulabschluss insBerufsleben gestartet ist, stellt sich mitEnde 20 eventuell die Frage: Ist dasjetzt schon alles? Der Quereinstieg andie Universität erfolgt dann aus derMotivation heraus, seinem Leben eineneue Wendung zu geben.“

Bassen ist ein Befürworter derDurchlässigkeit des Systems. Die beruf-lich erworbene Hochschulzugangsbe-rechtigung, also ein Meisterbrief odereine Zugangsprüfung, ermöglicht esBerufstätigen, auch ohne Abitur einStudium aufzunehmen. „Ein fehlendesAbitur hat viele Gründe. Ob in der Pu-bertät das Interesse eher abseits derSchule lag oder vielleicht ein bildungs-ferner Haushalt die Frage nach Abiturund Studium nicht hat aufkommen las-sen. Vielleicht hätte dieser Weg sogarWiderstände hervorgerufen, die in jun-gen Jahren nur schwer zu meistern ge-wesen wären.“ Unterschiede zwischenden Studierenden, die gleich nach demAbitur an die Universität wechseln, undQuereinsteigern sieht Bassen vor allemam Studienanfang, wenn zum BeispielMathe-Defizite aufgeholt werden müs-sen. Danach beobachtet er bei Letz-teren eine größere Ernsthaftigkeit. „Siewollen die Chance des Querein-stiegs unbedingt nutzen, unddas führt oft zu einer starkenStudienmotivation.“

So wie bei ThomasRewel. Der 35-Jährigeverließ die Schulemit dem Fachabi-tur, ging zur Bun-deswehr, machteeine Ausbildungzum Verlags-kaufmann,durchlief ein Vo-lontariat beimAxel SpringerVerlag, bevor erin einem Marke-tingunternehmeneine gut bezahlteStelle antrat. Mit30 Jahren zog er Bi-lanz: „Was will ichnoch erreichen?“ DerWunsch zu studieren, sagter, war immer da. Blieb nochdie Frage der Finanzierung.Mit über 30 besteht kein BAföG-Anspruch mehr. „Also habe ich meinAuto verkauft, mir einen Mitbewohnergesucht und einen Studienkredit aufge-nommen.“ Zudem kombinierte Rewelvon Anfang an sein Studium mit unter-schiedlichen Jobs, absolvierte dennochsein Bachelor- und Masterstudium imStudienfach Sozialökonomie in der Re-gelstudienzeit und schloss mit der Note1,66 ab. „Das war von Anfang an meinZiel: Ein Studium in möglichst kurzerZeit bei bestmöglichen Noten.“

C H A N S I D K I - LU N D I U S

:: Die Betriebswirtschaftslehre(BWL) belegt seit vielen Jahren denSpitzenplatz im Ranking der beliebtes-ten Studiengänge in Deutschland, so-wohl bei Männern als auch bei Frauen.Auch an der Uni Hamburg gehört BWLzu den Fächern, die besonders gefragtsind. Rund 5880 junge Menschen habensich im Wintersemester 2013/2014 füreinen der 329 Studienplätze beworben.Ähnlich hohe Bewerberzahlen gab esfür die begehrten Fächer Psychologie –5219 bei 150 Studienplätzen – sowieMedien- und Kommunikationswissen-schaft. In diesem angesagten Studien-fach sind bei der Uni Hamburg 3311 Be-werbungen für die 35 Studienplätzeeingegangen.

„Ich kann nur mutmaßen, warumeinzelne Fächer besonders beliebt sind,denn konkrete Studien dazu liegen mirnicht vor“, sagt Katharina Berger, Refe-ratsleiterin Service für Studierende ander Uni Hamburg. Angehende Betriebs-wirte beispielsweise seien inhaltlichsehr breit aufgestellt und müssten sichnicht auf ein konkretes Berufsziel fest-legen. „Das macht das Studium für vieleinteressant. Der Medienberuf hingegengilt in der Gesellschaft als sehr attraktiv,

während die Motivation, Psychologie zustudieren, bei etlichen Bewerbern si-cherlich auch persönlich bedingt ist.“

Besonders stolz ist man an der UniHamburg auf Fächer, die deutschland-weit nicht viele Hochschulen anbieten.Dazu gehören zum Beispiel die Gebär-densprachen mit 18 Studienplätzen,Iranistik mit 18, Islamwissenschaft mit40, Turkologie mit 18, Japanologie mit35 und die Klassische Philologie mit 15Studienplätzen. Das Interesse an diesenFächern zeigt sich an den Bewerberzah-

len. So wollten im letzten Wintersemes-ter 144 Personen Gebärdensprachenund 199 Japanologie studieren.

Hoch im Kurs stehen außerdem dieFächer, die die Uni Hamburg im Rah-men der Exzellenzcluster im Programmhat. Die Deutsche Forschungsgemein-schaft (DFG) fördert derzeit das Klima-Exzellenzcluster „Integrated ClimateSystem Analysis and Prediction“ (Cli-SAP) und das „Hamburg Centre for Ul-trafast Imaging“ (CUI). Den 150 Studi-enplätzen in der Physik standen 339 Be-

werber gegenüber, während es für die129 Plätze in der Chemie 375 Bewerbergab. Ein MIN-Studiengang, in dem sichAngebot und Nachfrage in etwa ent-sprechen, ist Computing in Science mitSchwerpunkt Physik. Dort verzeichneteman gerade einmal 26 Bewerber für 19Studienplätze.

„Es kommt immer wieder vor, dassBewerber den ihnen angebotenen Stu-dienplatz nicht annehmen, weil sie sichanderweitig entscheiden. Vor dem Hin-tergrund dieser Erfahrung und um dieStudienplätze so schnell wie möglich zuvergeben, überbuchen wir die Studien-plätze bei der Vergabe in den meistenStudiengängen um mindestens zehnProzent. Dadurch wollen wir langwie-rige Nachrückverfahren vermeiden“,erläutert Katharina Berger.

Grundsätzlich werden die Studien-plätze für Studienanfänger im Rahmendes Hamburger Vergabeverfahrensnach festen Quoten vergeben. Von allenzur Verfügung stehenden Studienplät-zen werden zunächst zehn Prozent fürausländische Bewerber abgezogen undweitere 7,5 Prozent für Härtefälle. Vonden übrig bleibenden Studienplätzen

vergibt die Zulassungsstelle 90 Prozentüber den Numerus Clausus (NC) undzehn Prozent über die Wartezeit. Solltees mehrere Bewerber mit dem gleichenNC oder der gleich hohen Anzahl vonWartesemestern geben, entscheidet dasLos. Informationen darüber, welcheDurchschnittsnote in der Vergangen-heit für welches Fach ausreichte undwie viele Wartesemester der letzte Zu-gelassene hatte, findet man im Internetunter www.uni-hamburg.de/nc.

Für Bewerbungen um ein Master-studium gelten besondere Vorausset-zungen. Sie unterscheiden sich vonStudiengang zu Studiengang. Eines vonmehreren Auswahlkriterien ist die Notedes ersten berufsqualifizierenden Ab-schlusses. In den ebenfalls sehr nachge-fragten Studiengängen Medizin, Zahn-medizin und Pharmazie gibt es keinedirekte Bewerbungsmöglichkeit an derUni Hamburg. Die entsprechendenStudienplätze vergibt die Stiftung fürHochschulzulassung (www.hochschul-start.de), die Nachfolgeeinrichtung derZentralstelle für die Vergabe von Studi-enplätzen (ZVS).

Weitere Informationen auf: www.uni-hamburg.de/bewerbung, www.uni-hamburg.de/dosv oderwww.hochschulstart.de

Wie Bewerber an ihre Studienfächer kommenBetriebswirtschaftslehre, Psychologie sowie Medien- und Kommunikationswissenschaft wählen viele Bewerber. Japanologie und Gebärdensprachen sind Exoten

Studienplätze werden nach Quotenvergeben – 7,5 Prozent an Härtefälle

Die Studienplätzewerden im Rahmendes HamburgerVergabeverfahrensnach festen Quotenvergeben Foto: dpa

Redaktion:Leitung: Georg J. SchulzPlanung und Produktion: Manuela KeilLayout: Sandra TeuscherLektorat: Wiebke LanghinrichsOnline: Frank MaresTelefon: 040/347-22258

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PR

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Zugang: Paragraf 38 desHamburgischen Hoch-schulgesetzes regelt denbesonderen Hochschul-zugang für Berufstätigeohne Abitur. Grund-sätzlich gibt es drei Vor-aussetzungen: eine ab-geschlossene Berufs-ausbildung, mindestensdrei Jahre Berufstätig-keit und eine Eingangs-

prüfung oder alternativeine Fortbildung (Meis-terbrief ). Informationenbietet die „ZentraleStudienberatung undPsychologische Bera-tung“ (www.uni-hamburg.de/campus-center/beratung.html).

Finanzierung: Das „Bera-tungszentrum Studien-

finanzierung“ (BeSt)informiert über Fi-nanzierungsmöglich-keiten wie BAföG oder„KfW Bildungs- oderStudentenkredite“, alsoeinkommens- und el-ternunabhängige Kre-dite, die keine Sicher-heiten erfordern (www.studierendenwerk-hamburg.de/finanzen).

Elternunabhängige Kredite

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:: Das schneeweiße Loungesofa imAufenthaltsraum des Informatikumssieht noch völlig unbenutzt aus – vielZeit, sich darauf auszuruhen, hat der33 Jahre junge Professor Walid Maalejnicht. „Wir forschen hier zu Software-Themen, die unsere Gesellschaft betref-fen“, erklärt er. Das umfasst unter ande-rem mobile Dienste, kontextsensitiveTools und soziale Aspekte der Software-technik.

Kontextsensitive Tools betreffenzum Beispiel Smartphones, die privatund auch beruflich genutzt werden. Oftist es schwierig, nachzuvollziehen, wieviel man tatsächlich unterwegs oderabends zu Hause noch gearbeitet hat.„Wir versuchen gerade, automatisch zuerkennen, ob der Nutzer privat oder ge-schäftlich zugange ist. Dabei versuchenwir den Kontext zu erkennen. Nur an-hand seiner Klicks lässt sich ablesen, obdie Nutzung beruflicher oder privaterNatur ist – und dementsprechend han-deln wir. Wird das Handy privat ge-nutzt, haben die Inhalte die Firma nichtzu interessieren.“

Während Facebook und GoogleNutzerprofile nach bestimmten ver-wendeten Stichwörtern erstellen, ver-sucht Prof. Maalej einen anderen Weg.„Wir überlegen uns, welche Daten überden Benutzer gesammelt werden dür-fen und welche nicht. Wir versuchen,die gleiche Funktionalität durch dasSammeln weniger Daten anzubietenund halten es für sehr wichtig, dass die-se Daten auf dem Gerät des Nutzersbleiben. Dann kann man damit sogarden Nutzer selbst schützen.“ Was hierakzeptabel ist, ist eine der wichtigstenFragen, denen das Forschungsteamnachgeht. Bei der Diskussion dieserThemen ist sein Alter ein Vorteil, denn„Kontextsensitive Tools“ und „AgileMethoden“ behandeln Fragestellungenvon Möglichkeiten, die erst seit weni-gen Jahren existieren.

Geboren und aufgewachsen ist Wa-lid Maalej in der tunesischen Küsten-stadt Sfax. Als einer der 20 besten Abi-turienten seines Jahrgangs bekam erdie Chance auf ein Stipendium inFrankreich, Deutschland oder Kanada.„Das zu bekommen, ist wie ein Sechserim Lotto“, schwärmt er. „Ein Noten-durchschnitt von 1,0 reicht nicht – man

braucht auch noch Glück.“ Er wurdeausgewählt und entschied sich fürDeutschland, denn die deutsche Kulturund Ingenieurskunst haben ihn schonfrüh fasziniert.

An der TU München studierte erInformatik und parallel dazu Technolo-giemanagement. Nach einem Jahr inSingapur promovierte Maalej und standvor der wichtigsten Frage seines Le-bens: beraten oder forschen? WalidMaalej entschied sich fürs Forschen. Eswar die richtige Entscheidung: von aca-demics wurde er zum Nachwuchs-wissenschaftler des Jahres gekürt, undaußerdem mit dem ACM SIGSOFT Dis-tinguished Paper Award ausgezeichnet.Gerade erhielt er von Microsoft Re-search die Auszeichnung „SoftwareEngineering Innovation Foundation“(SEIF-Preis). Seit eineinhalb Jahrenlebt, forscht und lehrt Maalej in Ham-burg und betreut zehn Doktoranden.

Ein zweiter Schwerpunkt seinerForschung ist die Entwicklung „Adap-tiver Systeme“. Ein Proband wird bei-spielsweise während seiner Handynut-zung beobachtet und analysiert. Bei-spielsweise können daraus Rückschlüs-se zur Verbesserung der Software gezo-gen werden. Dabei gibt es klare Anfor-derungen an die Privatsphäre, die„Privacy Requirements“, die Maalejdemnächst auf einer internationalenTagung in Indien präsentieren wird.Der Nutzer soll sehen, was über ihn ge-sammelt wird, und er soll Nein dazu sa-gen können. „Crowd Sourcing“, die De-mokratisierung von Softwareentwick-lung, ist ein weiterer Forschungs-schwerpunkt. „Wir machen gerade vieleStudien über Feedback zu Apps, damitEntwickler und Manager von Software-teams daraus eine bessere Softwareentwickeln, die die Nutzerkommentareberücksichtigt.“

Der Informatiker: Walid Maalej

Wir machen gerade vieleStudien über Feedback zu

Apps, damit Entwickler einebessere Software entwickeln.

Walid Maalej

Professor Walid Maalej, 33, forscht

an Tools für Smartphones

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Dienstag, 8. April 2014 Hamburger Abendblatt 3U N I V E R S I TÄT H A M B U R G

:: Spazierengehen. Auf diese Art undWeise der Fortbewegung erschließt sichChristine Büchner gerne ihre Welt. Ihreneue Heimat Hamburg, aber auch ihrneues wissenschaftliches Betätigungs-feld. Denn die 43 Jahre alte Frankfurte-rin ist die erste Professorin für Katho-lische Theologie an der UniversitätHamburg und wird den Studiengang fürdas Lehramt aufbauen.

Gerade schreibt die Theologin inihrem noch recht kahlen Büro imHauptgebäude am Dammtor an der Stu-dienordnung. „Das ist eine große undreizvolle Aufgabe“, sagt Büchner. Dennwie man in Hamburg Katholische Theo-logie studiert, hat bisher noch niemandausprobiert. „Ich finde hier für meinFach keine traditionellen Uni-Struktu-ren wie zum Beispiel in Tübingen vor,wo ich auch drei Jahre gearbeitet habe“,sagt Büchner. „Aber dafür ist Hamburgeine große und internationale Stadt. Ichkann hier Akzente setzen.“

Mit rund 20 Studierenden rechnetsie für den Anfang. Dem Lehrstuhl wer-den außer Professorin Büchner dreiwissenschaftliche Assistenten angehö-ren. Ab dem Wintersemester könnenLehramtsstudenten bis Sekundarstufe Isich auf dieses akademische Neuland inder Hansestadt wagen. Erstes Ziel istder Bachelor-Abschluss. Außerdemwird es eine Ringvorlesung „Theologieim Gespräch“ für ein breiteres Publi-kum geben.

Büchner begreift Theologie als dieAufgabe, die christliche Glaubenstra-dition zu reflektieren und kritisch mitdem heutigen Denken zu vermitteln,neu in Worte zu fassen und um Begriffezu ringen. „Ich möchte den Kern desChristentums zeitgemäß und im Dis-kurs mit den anderen Wissenschaftenvermitteln – in erster Linie die Bot-schaft Jesu von einem Gott, dem es zen-tral um die Integration all derer geht,die es schwer haben im Leben.“

Um Begriffe ringen, sich mit Ant-worten nicht zufriedengeben – Chris-tine Büchner sieht sich in der Traditiondes Mittelalter-Mystikers Meister Eck-hart (1260–1328), über den sie ihremehrfach ausgezeichnete Doktorarbeitgeschrieben hat. „Er hat die Frage nachGott immer wieder neu gestellt, seinDenken nicht von vorläufigen Zwecken

bestimmen lassen; der Betriebsamkeitder Welt, der Menschen damals wieheute ihr Leben unterordnen, stellte ersein Leitmotiv ,Leben ohne Warum‘entgegen.“ In zwei Jahren soll, so Büch-ner, eine große Meister-Eckhart-Ta-gung in Hamburg stattfinden.

Außerdem setzt Christine Büchnerauf den Austausch mit den anderenGeisteswissenschaften und den inter-religiösen Dialog. Vor allem die Religio-nen Indiens haben es der Wissenschaft-lerin angetan. Dazu hat sie schon vielgearbeitet und eigens Sanskrit gelernt.In der Hansestadt ist ihr an einer gutenZusammenarbeit mit den Protestantengelegen. „Zehn Prozent der HamburgerBevölkerung sind katholisch, da ist auchein wissenschaftlicher Austausch mitanderen Konfessionen und Religionenselbstverständlich und dringend not-wendig.“ Und schließlich will Büchner,die auf eine katholische Schule ging undnach dem Studium der Theologie, La-teinischen Philologie und Germanistikin Frankfurt zunächst als Lehrerin ar-beitete, auch die Theologie von Frauenin ihrer Fachrichtung, der systemati-schen Theologie, stärker sichtbar ma-chen. „Ich bin froh, dass ich in einer Zeithier anfangen darf, wo sich Neuaufbrü-che in der katholischen Kirche auftun.“

Christine Büchner freut sich aufihre neue Aufgabe, auch wenn ihr derAbschied aus Frankfurt schwerfällt.„Dort ist meine Heimat, und Hamburgist erst einmal ungewohnt groß.“ Aberauch reizvoll, denn die Wissenschaft-lerin hatte ebenfalls einen Ruf nachKoblenz, dem sie zugunsten der Hanse-stadt nicht gefolgt ist. Im April wirdChristine Büchner mit ihrem Mann,dem Schriftsteller Andreas Maier, eineWohnung in Uni-Nähe beziehen. Ge-meinsam hat das Ehepaar ein Buch überdas Spazierengehen geschrieben.

Die Theologin: Christine Büchner

Ein wissenschaftlicher Austausch mit anderen

Konfessionen und Religionenist dringend notwendig.

Christine Büchner

Christine Büchner, 43, ist die erste Professorinfür Katholische Theologiean der Uni Hamburg Fotos: Heiner Köpcke

:: Die Prozesse gegen die RAF ent-fachten bei vielen Schülern Interesse anPolitik und Strafverfolgung – bei Pro-fessor Florian Jeßberger legten sie ei-nen Grundstein zu seiner beruflichenLaufbahn. Diese verlief äußerst erfolg-reich im akademischen Dienst: Der pro-movierte Jurist ist seit vergangenemJahr Prodekan der Fakultät für Rechts-wissenschaft und Leiter des Prüfungs-amtes der Universität Hamburg. Ganznebenbei leitet er als Geschäftsführen-der Direktor das Institut für Kriminal-wissenschaften der Universität Ham-burg, ist Mitglied des Rates zu Fragender Wissenschaftsethik des Akademi-schen Senats der Uni Hamburg undMitglied des Justizprüfungsamtes beimHanseatischen Oberlandesgericht.

„Mein normaler Job sind jedochmein Lehrstuhl für Strafrecht, Straf-prozessrecht, Internationales Straf-recht und Juristische Zeitgeschichtesowie meine Tätigkeit als Leiter der Ab-teilung Internationales Strafrecht undStrafrechtsvergleichung“, sagt der 43Jahre alte Jeßberger.

Internationales Strafrecht ist seinebesondere Leidenschaft. Darüber hälter Vorlesungen für die ungefähr 80 Stu-dierenden der höheren Semester, diediese Vertiefung pro Jahr wählen. Auchkorrigiert Jeßberger deren Examens-hausarbeiten. Doch erwartet wird vonihm auch freiwilliger Einsatz bei derKorrektur der Klausuren aus demStaatsteil des Juraexamens.

Bei diesen Prüfungen, die am Ober-landesgericht stattfinden, prüfen Rich-ter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte undeben auch Hochschullehrer – denn siebilden die Schnittstelle zur Ausbildungder zukünftigen Juristen. Dieser „frei-willige“ Stapel an handgeschriebenenPrüfungen ist ganz schön hoch: Rund 30Klausuren mit bis zu 50 Seiten Inhaltmüssen durchgearbeitet werden – Wortfür Wort.

Gerade die internationalen Bezügedes Strafrechts und die Regeln des Völ-kerrechts, bei denen es um die Verant-wortlichkeit von Einzelpersonen geht,beschäftigen Jeßberger. Das betrifft denInternationalen Strafgerichtshof unddie UN-Kriegsverbrechertribunale wieauch die strafrechtliche Verfolgung vonWhistleblowern und die Fragen zu de-

ren möglicher Auslieferung – wie zumBeispiel bei Julian Assange und EdwardSnowden. Gelegentlich wird Prof. Jeß-berger mit diesen sehr aktuellen Frage-stellungen am European Center forHuman and Constitutional Rights(ECCHR) konfrontiert, wo er als Bei-ratsmitglied tätig ist. Diese Nicht-Re-gierungsorganisation setzt sich für dieDurchsetzung der Menschenrechte ein.

Der internationale Strafgerichtshofsteht in letzter Zeit in der Kritik, weil ersich überwiegend mit afrikanischenKonflikten beschäftigt. Das ECCHRwird deshalb inzwischen selbst aktivund reicht eigene Strafanträge ein. ImJanuar beispielsweise forderte das Zen-trum die Aufnahme von Ermittlungengegen das britische Militär und den ehe-maligen britischen Verteidigungsmi-nister Geoff Hoon wegen systemati-scher Folter Gefangener im Irak.

Die hohe administrative Verant-wortung durch seine Tätigkeit als Pro-dekan nimmt sehr viel Zeit in Anspruch,aktuell besonders durch die Einführungeiner neuen Studienordnung. Als Kom-pensation dafür hält er nur halb so vieleder Grundvorlesungen im Strafrechtfür die 300 bis 400 Erstsemestler alsüblich. „Ich bin äußerst dankbar fürmeinen Job, auch wenn ich gerne mehrZeit zum Forschen hätte. Aber es istwunderbar, dass ich Seminare überThemen geben kann, die mir gerade be-sonders am Herzen liegen.“ Im Sommerdürfen sich seine Studenten über dasSeminar „Kultur – Strafrecht – Reli-gion“ freuen, dessen Fragen sich aktuellmit neuer Dringlichkeit stellen.

Doch jetzt steht eine Zugfahrt nachBerlin an, wo er ein zweites Büro hat –und wo der Vater von drei kleinen Kin-dern mit seiner Frau, einer promovier-ten Völkerrechtlerin, lebt. „Meine Ar-beit ist äußerst familienkompatibel.“

Der Strafrechtler: Florian Jeßberger

Ich bin äußerst dankbar für meinen Job, auch

wenn ich gerne mehr Zeit zum Forschen hätte.

Florian Jeßberger

Professor Florian Jeßberger,43, ist Prodekan der Fakultätfür Rechtswissenschaft

Gesichter der WissenschaftAn der Universität Hamburg arbeiten junge Forscher an spannenden Projekten.

Katja Deutsch und Marlies Fischer stellen drei von ihnen vor

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te: 08.04.14 Zone: HA-VP1 Edition: 1 Pa-ge: UNI3 User: steu-sche Time: 04-04-2014 10:26 Color: CMYK

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Dienstag, 8. April 20144 Hamburger Abendblatt U N I V E R S I TÄT H A M B U R G

A N Z E I G EA N Z E I G E

M A N U E L A K E I L

Die Studentin Maria gehtjeden Morgen an einemalten, efeuumranktenherrschaftlichen Gebäu-de vorbei. Wann wurde esgebaut, und was ist wohl

seine Geschichte? Maria öffnet auf ih-rem Smartphone die efoto-hamburg-App und macht ein Foto von dem Ge-bäude, das automatisch auf den Servergeladen wird. Anhand spezieller Geo-Daten und Algorithmen verknüpft derServer Marias Foto mit allen relevantenInformationen in seiner Datenbankund bietet der Studentin dann verschie-dene Einstiegspfade an, um mehr überdas Gebäude zu erfahren.

Diese Möglichkeiten reichen voneiner Textdatei zur Geschichte des Ge-bäudes über einen Stadtrundgang, eineAudiodatei der Polizei zu einem Lei-chenfund in der Nähe des Gebäudes biszu Verlinkungen mit anderen Archiven.So kann Maria zum Archiv des Maga-zins „Der Spiegel“ wechseln oder ihr Fo-to und weiteres Material vernetzen. In-dem sie gefundene Daten kommentiert,ergänzt und korrigiert, kann sie Kulturin Hamburg mitgestalten. Zudem kannMaria mit anderen Usern der App, diesich für das Gebäude interessieren,chatten oder im Forum diskutieren undderen Beiträge kommentieren.

Noch ist dieses Szenario eine Vi-sion, an deren Realisierung allerdingsmit Hochdruck gearbeitet wird. DasProjekt efoto wurde von der Kulturbe-hörde der Hansestadt Hamburg initi-iert und gefördert. Es ist eines von meh-reren Projekten, die im Rahmen dereCulture Agenda 2020 konzipiert wur-den. Das Vorhaben, das zum Ziel hat, diegrößte öffentliche Bilddatenbank Ham-burgs aufzubauen, wird im Auftrag derKulturbehörde von Professor JanChristoph Meister wissenschaftlich ge-leitet, der am Institut für Germanistikarbeitet. Dort ist ebenfalls Projektmit-arbeiterin Mareike Höckendorff tätig.

„Mit dem Projekt efoto soll gezeigtwerden, wie die interaktive Nutzungdigitaler Medien und Services dazu bei-tragen kann, dass eine kulturelle Identi-tät der Bewohner Hamburgs entsteht“,sagt Prof. Meister. „Fotos der Stadt undihrer Sehenswürdigkeiten wie auch All-tagsszenen sollen für die Bürger Ham-burgs zu einem Anlass werden, diekulturelle Vielfalt der Metropole zu er-leben und diese selbst aktiv mitzuprä-gen.“ Außer an Privatpersonen richtesich das Projekt an öffentliche Projekt-partner wie auch kommerzielle Partnerinsbesondere aus der Medienbranche.

Derzeit befindet sich das Projekt inder Planungsphase, und es gibt nochkeine efoto-Datenbank, sondern Ein-zeldatenbanken, die zunächst syste-matisch vernetzt und erweitert werdenmüssen. „Die Daten liegen alle noch aufden Servern unserer Projektpartner“,sagt Mareike Höckendorff, die den Kon-takt zu den Partnern hält, zu Kultur-behörde, Denkmalschutzamt, Staatsar-chiv, Geschichtswerkstätten und meh-

reren Museen. Ferner bearbeitet Hö-ckendorff Rechercheaufträge, Bedarfs-analysen, macht Bestandsaufnahmenund erstellt Best-Practice-Modelle.„Außerdem betreue ich den efoto-Blogauf unserer Webseite, der demnächstfreigeschaltet wird. Darin be-richten wir von der Arbeit ander Konzeption von efoto.“

Die Datenbank efoto wirdso konzipiert, dass sie einer-seits den Ansprüchen profes-sioneller Nutzer entspricht und ande-rerseits möglichst vielfältige neue Nut-zergruppen dazu anregt, sich Fotos zueigen zu machen. Dabei soll diese An-eignung nicht nur auf das bloße An-schauen beschränkt bleiben. „efotomöchte die Nutzer motivieren, erstensdem vorhandenen Bildmaterial eigenesneues hinzuzufügen und zweitens denMaterialfundus durch Geschichten,Zusatzinformationen und Beschrei-bungen anzureichern“, sagt Meister.„Dies ist ein neuartiger Umgang mit Bil-dern und kulturellen Artefakten, dermit dem Stichwort Social Tagging be-zeichnet wird.“ Dem Projekt liegt dasLuhmannsche Kulturverständnis zu-grunde. „Das bedeutet, wir begreifenKultur als einen Themenvorrat, der zurKommunikation anregt und zur Inter-aktion auf einer reflexiven Ebene moti-viert“, sagt Meister. Eines der Hauptzie-le sei daher, von der Ebene der rein visu-ellen Stadtansichten zu einem Aus-tausch darüber zu gelangen, was dieStadt Hamburg kulturell ausmacht.

Die Idee eines zentralen Ortes fürdie historischen Fotografiebestände derStadt gab es seit vielen Jahren. Konkretentstand die Idee einer digitalen Bild-datenbank in der Kulturbehörde imLaufe des Jahres 2011 im Zusammen-hang mit der für 2012 bis 2014 geplan-ten und zurzeit laufenden Digitalisie-rung des Bildarchivs des Denkmal-

schutzamtes. „Das Konzept wurde dannTeil der eCulture Agenda 2020, mit derdie Kulturbehörde den digitalen Zugangzum kulturellen Erbe der Stadt ermög-lichen will“, sagt GesamtprojektleiterDr. Horst Scholz, der zugleich Referats-

leiter für Informationstech-nologie und digitale Projektein der Kulturbehörde ist.

„Wir haben das Glück,dass wir zurzeit in einer sehrvisionären Phase des Projek-

tes sind. Alle Projektpartner sindhöchst motiviert, an der efoto-Platt-form mitzuarbeiten und diese nach deneigenen Bedürfnissen mitzugestalten“,sagt Mareike Höckendorff. Sie sprichtjedoch auch eine Schwierigkeit an, diefür viele Projektpartner in der noch un-durchsichtigen Rechtslage zur Publika-tion von Bildmaterial im Internet liegt.„An der Überwindung dieser Hürde ar-beiten wir gerade.“ Hierbei geht es umUrheber- und Verwertungsrechte, umDatenschutz, Medienrecht und Persön-lichkeitsrechte. In der Praxis sei es häu-fig schwierig, so Höckendorff, die recht-liche Situation für konkrete Bilder zuklären. Manchmal sei zudem der Urhe-ber unbekannt oder nicht mehr ermit-telbar. Überdies müssen erkennbar ab-gebildete Personen ihre Zustimmungzu einer Veröffentlichung geben.

Und wie sieht die zeitliche Abfolgefür das ambitionierte Projekt aus?„Kurzfristig wollen wir eine Methodezur digitalen Erschließung und Ver-mittlung kultureller Inhalte entwi-ckeln“, sagt Scholz. „Hierzu wurde Prof.Meister von der Universität Hamburgbeauftragt, Erkenntnisse, die sich seitJahren im Bereich der digitalen Geis-teswissenschaften (Digital Humanities)ergeben haben, auf den Gegenstandsbe-reich historische Fotografie anzuwen-den. Darüber hinaus sollen digitale Zu-gangswege geschaffen werden, die nicht

nur Experten in die Lage versetzen, sichmit ihrem Wissen den riesigen Daten-bestand zugänglich zu machen. Also in-tuitive, assoziative vielleicht spieleri-sche Zugangswege, die Unschärfen ein-schließen. Langfristig planen wir denAufbau eines großen Bildspeichers fürganz unterschiedliche Nutzer: für Bild-wissenschaftler, die sich mit der Machtvon Bildern und deren Wirkungsweisenbeschäftigen, für den Einsatz in Schu-len und Museen, zur Sicherung derBildinformationen, da das analoge Bildund die Negative – zum Teil noch Glas-negative – in ihrer Substanz häufigbedroht sind. Ebenso als Anreiz fürsoziale Kommunikation, denn relevantist, worüber kommuniziert wird.“ Foto-grafie eigne sich wie kein zweitesMedium dafür, sagt Scholz, „da wir alleselbst Fotografen sind. Und wir wollendigitale Produkte entstehen lassen, zumBeispiel thematische Websites, Appsfür mobile Endgeräte, historischeStadtteilrundgänge, die mithilfe histo-rischer Bilder Gegenwart und Vergan-genes zusammenführen.“

Alle Features werden so entwickelt,dass sie sowohl als Webapplikation alsauch auf mobilen Geräten im Rahmender efoto-App betrieben werden kön-nen. Wie lange wird das Projekt laufen,und wann können die Bürger efoto nut-zen? „Bislang ist das Projekt bis Ende2016 angelegt, aber wir haben das Ziel,ein längerfristiges Geschäftsmodell zuentwickeln, das nach Auslaufen der An-schubfinanzierung durch die Kulturbe-hörde die nachhaltige Finanzierung si-chern könnte. Sobald wir einen erstenPrototypen für eine mobile Applikationund eine Demoanwendung haben, pla-nen wir eine Auftaktveranstaltung ander Universität“, sagt Meister.

Weitere Informationen auf www.efoto-hamburg.de

Die Stadt Hamburg mit ihren vielen Gesichtern und Gebäuden: mal prächtig, mal schäbig, laut oder ruhig, zuweilen überraschend und inspiriernd Foto: collage efoto-projekt

Dem Projekt liegt ein Kulturverständniszugrunde, das zur Interaktion motiviert

Die Datenbank efotoeröffnet völlig neue

Möglichkeiten für Bürger,die kulturelle Vielfalt

Hamburgs zu erleben undaktiv mitzuprägen

Kulturmitgestalten

:: Bei einem Treffen in Odense/Dä-nemark haben die Rektoren von viernordeuropäischen Universitäten (Uni-versität Hamburg, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Syddansk Universi-tet und Aarhus Universitet) das Netz-werk STELLA POLARIS UNIVERSI-TIES ins Leben gerufen. Zwischen denHochschulen besteht bereits seit 2011eine enge Kooperation, die den Aus-tausch von Wissenschaftlern und Stu-dierenden sowie die Vorbereitung vonWorkshops, Summer Schools und ge-meinsamen Forschungsvorhaben bein-haltet. Dafür stehen jährlich bis zu200.000 Euro in einem Fonds zur Ver-fügung, an dem sich die Partner-Uni-versitäten mit jeweils 50.000 Euro proJahr beteiligen.

Wissenschaftler aus den BereichenGeistes-, Sozial- und Rechtswissen-schaften, den Naturwissenschaften so-wie aus der Medizin wurden 2013 un-terstützt. Unter Federführung der Uni-versität Hamburg war darunter zumBeispiel die Vorbereitung von Projektenzum lebenslangen Lernen, zur Gesund-heitsökonomie, zur Islamwissenschaftoder zum Wohlfahrtsstaat. Die bislangerfolgreiche Zusammenarbeit war derAnlass, das Projekt nicht nur mit einemneuen Abkommen zu festigen, sondernihm in Anlehnung an die lateinische Be-zeichnung für den Polarstern einenneuen Namen zu geben. (HA)

Das Netzwerk StellaPolaris: Stern amWissenschaftshimmel

:: Ein guter Technischer Kunden-dienst ist heute für Unternehmen einentscheidender Faktor für Kunden-zufriedenheit und wirtschaftlichen Er-folg. Umso wichtiger ist es, die Service-techniker mit allen Informationen aus-zustatten, die sie für ihre Arbeit benö-tigen – zum Beispiel durch eine ent-sprechende Applikation (App) auf mo-bilen Endgeräten wie Smartphonesoder Tablet Computern. Wie eine sol-che App beschaffen sein muss, habenWissenschaftler unter der Leitung vonProf. Dr. Markus Nüttgens (Direktordes HARCIS – Hamburg Research Cen-ter for Information Systems, Universi-tät Hamburg) und HITeC (HamburgerInformatik Technologie-Center e.V.)jetzt gemeinsam mit dem DIN Deut-sches Institut für Normung e. V. erar-beitet. Die sogenannte DIN-Spezifika-tion bietet Unternehmen einen Leit-faden, wie man eine solche App gestal-ten und einsetzen kann.

Der Leitfaden beinhaltet 16 Anwen-dungsszenarien, in denen die App imTechnischen Kundendienst bei Instal-lationen, Wartungen oder Reparaturengenutzt werden kann. Dazu gehörenz. B. die Auftragserfassung und -doku-mentation oder das Abrufen der Kun-dendaten, aber auch die Bereitstellungvon Anleitungen, Servicehandbüchernund Berichten sowie von Informatio-nen über Preise und Ersatzteile. (HA)

Neue DIN-Spezifikationals Leitlinie für mobile Assistenzsysteme

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LOBEN DEN TAG NICHT VOR DEM

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CRAD

Dienstag, 8. April 2014 Hamburger Abendblatt 5U N I V E R S I TÄT H A M B U R G

VERANSTALTUNGSREIHE

Vorlesungswesen bietet 28 Themen mit 300 Terminen

:: Die Uni hat ab 1. April im Allgemei-nen Vorlesungswesen 28 verschiedeneThemen mit insgesamt 300 Terminenim Programm. Darunter sind so span-nende Titel wie „Macht KrankheitSinn?“, „Jenseits der Geschlechtergren-zen“, „Sprachen der Welt“, „SpaniensStädte“, „Wahrheit, Wissen, Gründe“,und „erleben, erleiden, erstreiten“. EinEinstieg in die Vorlesungen ist jederzeitmöglich. Der Eintritt ist frei. WeitereInformationen im Internet aufwww.uni-hamburg.de/av

PHILOSOPHIE

Forschungspreis für Professor Kit Fine eingeworben

:: Dem Fachbereich Philosophie ander Universität Hamburg ist es ge-lungen, einen Anneliese Maier-For-schungspreis der Alexander von Hum-boldt-Stiftung mit einem Preisgeld von250.000 Euro für Professor Kit Fineeinzuwerben. Der britische PhilosophKit Fine, der an der New York Univer-sity forscht und lehrt, gilt als einer derweltweit bekanntesten und einfluss-reichsten Philosophen im Bereich derLogik, der Sprachphilosophie und derMetaphysik.

SCHENKUNG

Lebendmaske von Emil Artinwird aufgestellt

:: Er war einer der herausragendenMathematiker des 20. Jahrhundertsund ein brillanter akademischer Leh-rer: Emil Artin (1898–1962) lehrte undforschte bis zu seiner Zwangsemeritie-rung durch die Nationalsozialisten 1937und von 1958 bis 1962 an der Hambur-ger Universität. Jetzt hat die FamilieArtin der Universität die Lebendmaskedes bedeutenden Wissenschaftlers alsSchenkung überlassen. Bei ihrer Auf-stellung waren auch zwei Kinder unddrei ehemalige Studierende Artins an-wesend.

KRIMINALFALL

Toter Student treibt im Ententeich

:: Im Ententeich – direkt vor dem Au-dimax der Universität Hamburg – treibtein toter Jura-Student, und Kriminal-kommissar Christoph Schönlieb stehtvor schwierigen Ermittlungen. Im Ro-man „Die Prüfung“ von Kristian Schlü-ter ist die Universität Hamburg Schau-platz eines Mordes. Der Autor hat selbstan der juristischen Fakultät studiertund mit seinem Debütroman, der imPiper-Verlag erschienen ist, einen ech-ten Unikrimi abgeliefert. Das Rahmen-thema ist die zunehmende Einnahmevon leistungssteigernden Drogen zurBewältigung des hohen Lernpensums(304 Seiten, ISBN: 978-3-492-30234-0,9,99 Euro).

RE-AUDITIERUNG

Uni bleibt familienfreundlicheHochschule

:: Die Universität Hamburg bietetfamiliengerechte Arbeits- bzw. Studi-enbedingungen. Sie erhält erneut dasZertifikat „audit familiengerechtehochschule“ von der berufundfamiliegGmbH. Im Jahr 2010 hatte sich dieUniversität Hamburg zum ersten Malbeworben und die Auditierung schoneinmal erfolgreich abgeschlossen.

UNI-STRUKTUR

Zwei neue Fakultäten an der Universität

:: Die Universität Hamburg bestehtseit dem 1. Februar 2014 aus acht stattbisher sechs Fakultäten: Psychologieund Bewegungswissenschaft wurdenals neue Fakultät aus der bisherigen Fa-kultät Erziehungswissenschaft, Psycho-logie und Bewegungswissenschaft he-rausgelöst. Außerdem entstand die Fa-kultät für Betriebswirtschaft durch He-rauslösung des Fachbereichs Betriebs-wirtschaftslehre aus der Fakultät Wirt-schafts- und Sozialwissenschaften.Eine externe Expertengruppe hatte an-geregt, die Größe und Zahl der Fakultä-ten zu überdenken, um das Profil klei-nerer Einheiten zu schärfen. Von Aprilbis Juli 2013 wurden diese Empfehlun-gen in der Universität diskutiert undArgumente für und gegen eine Verände-rung der Fakultätenstruktur zusam-mengetragen. Über eine Online-Befra-gung beteiligten sich daran mehr als3000 Universitätsmitglieder. Mit Be-schlüssen von Akademischem Senatund Hochschulrat zu einer neuenGrundordnung wurde die Gründungder zwei neuen Fakultäten möglich.

D E I K E U H T E N WO L D T

Eine Flut von E-Mails, dasOrkantief Xaver im An-marsch und Brigitte Röderauf der Heimreise im Zug:Nein, der 5. Dezember2013 war ganz gewiss kein

Tag wie jeder andere für die Neurowis-senschaftlerin und bleibt für immer inihrem Gedächtnis. Als kurz hinterWürzburg die Internetverbindung zu-sammenbrach, wusste die Professorinder Universität Hamburg immerhinschon, dass sie einen bedeutenden Preisgewonnen hatte. „Ich habe erst nachund nach realisiert, dass ich Leibniz-Preisträgerin geworden bin.“ So zügigwie die Anrufer und Mails zu ihr durch-kamen und so stockend wie der ICE sichdurch den Sturm bewegte. „Aber bisheute weiß ich nicht, wer mich dafürvorgeschlagen hat“, sagt Röder.

Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis wird jährlich von der DeutschenForschungsgemeinschaft (DFG) verlie-hen. Er geht an herausragende Wissen-schaftler, die in Deutschland tätig sindund von administrativem Aufwand ent-lastet werden sollen. Für die Förderungkann man sich nicht bewerben, sie wirdnur auf Vorschlag Dritter gewährt undist mit bis zu 2,5 Millionen Euro proPreisträger hoch dotiert. „Das ist diehöchste Auszeichnung, die ein Wissen-schaftler in Deutschland erhalten kann.So eine Art deutscher Nobelpreis“,meint Prof. Dieter Lenzen. Deshalb griffer damals auch sofort zum Telefon, umdie Neurowissenschaftlerin zu beglück-wünschen.

Für den Präsidenten der Uni Ham-burg ist der Preis auch eine Bestätigungerfolgreicher Kompetenzbildung: DieNeurowissenschaften sind einer derForschungsschwerpunkte von Deutsch-lands viertgrößter Universität. Dabeigeht es um die Verbindung von Psycho-logie und Medizin zur „Erkundung ei-ner der letzten unbekannten Territo-rien unserer Existenz, dem Gehirn“,sagt Lenzen. „Die Forschungsschwer-punkte der Universität stehen für Inter-disziplinarität, Internationalität, For-schungskooperation sowie Leistungs-stärke, welche sich wiederum in Preisenund Auszeichnungen manifestiert.“

Wie im Fall Brigitte Röder – wobeidie Professorin stets betont, dass derPreis Teamarbeit sei: „Ich erhalte denPreis stellvertretend für die BPNler.“Die Abkürzung BPN steht für den Ar-beitsbereich Biologische Psychologieund Neuropsychologie an der Universi-tät Hamburg, den Brigitte Röder leitet.30 Wissenschaftler, davon 70 ProzentFrauen, beschäftigen sich hier mit Fra-gen, wie das menschliche Gehirn durchErfahrung geformt wird, wie sich dieSinne verändern, wenn ein Sinnessys-tem fehlt und später wieder verfügbarist, und wie man die Anpassungsfähig-keit des menschlichen Gehirns im Er-wachsenenalter fördern kann. Die For-scher sprechen von Neuroplastizität,die sie mit Hirnstrommessungen (EEG)oder bildgebenden Verfahren wie derKernspintomografie untersuchen. „Mitunserer Forschung sind wir nicht im-mer konventionellen Wegen gefolgt“,sagt die Professorin. Umso mehr freuesie sich über die Auszeichnung. „Das istein gutes Signal für meine Mitarbeiter:Wir sind auf dem richtigen Weg.“

Nicht immer gab es diese Signale:„Zu Beginn meiner Promotion riet manmir davon ab, mich weiter mit den kom-pensatorischen Leistungen blinderMenschen zu befassen. Damit könneman keine Karriere machen.“ BrigitteRöder hielt dennoch an ihrem Themafest: „Einfach, weil es mich interessierthat.“ Sie selbst sei ein ausgesprochenvisueller Typ: „Ich denke und lerne inBildern.“ Umso mehr haben sie dieanderen Sinne, das Tasten und Hören,fasziniert. „Es ist enorm, welche Leis-tungsfähigkeit blinde Menschen entwi-ckeln können. Wie muss sich das Gehirnverändern, damit dies möglich ist?“

Das Herausarbeiten eigener Inte-ressen, die Prüfung wissenschaftlicherund alternativer Karrierewege undschließlich das konsequente Verfolgeneigener Ziele sind Vorgehensweisen, dieRöder den Nachwuchskräften ans Herzlegen möchte. Am besten sei es, schonals Bachelor in Forschungsprojektenmitzuarbeiten, um die eigenen Schwer-punkte auszuloten. „Die Begeisterungträgt über steinige Strecken“, weiß dieLangstreckenläuferin. Und die gehör-ten ebenso wie Frustrationserlebnissezur modernen Forschung dazu: „DiePublikation der gesammelten Daten istoft mühsam.“

Bis zu Röders Forschungsstipendi-um in den USA Mitte der 90er-Jahrewar überhaupt nicht klar, ob die Psy-chologin eine wissenschaftliche Karri-ere wagen sollte. Doch dann war sie in-

fiziert von dem Virus der Grundlagen-forschung. Zurück an der UniversitätMarburg, bekam sie nicht nur mehrerenationale und internationale Auszeich-nungen, sondern auch die Leitung einerder ersten Emmy Noether-Nachwuchs-gruppen (siehe Kasten), bevor sie 2003dem Ruf an die Universität Hamburgfolgte. Hier holte Röder 2010 den Ad-vanced Grant des Europäischen For-schungsrats ERC. Eine finanzielle Absi-cherung mache zusätzlich frei für echteInnovation: „Man beginnt riskantereProjekte und kann Neues entdecken.“

Genau diese Freiheit der Forschungund Lehre will der Leibniz-Preis er-möglichen. Weder Anträge noch Zwi-schenbegutachtungen oder Berichteseien damit verbunden, betonte DFG-Präsident Peter Strohschneider bei derPreisverleihung: „Sie dürfen dem Ei-gensinn Ihrer Erkenntnisprozesse fol-gen, auch für das schwer oder gar nichtKalkulierbare. Aber dies doch nur, weildie, die den Preis finanzieren und ver-leihen, sehr zuversichtlich sind, dass Siegenügend Selbstzwänge entwickeln.“

In der Tat hat das Team um BrigitteRöder einiges vor: Nach Indien reisenund Patienten untersuchen, die fürviele Jahre mit angeborenem GrauenStar erblindet waren, hinterfragen, wieFehlentwicklungen nachträglich korri-giert werden können und eine neue Fa-kultät für Psychologie und Bewegungs-wissenschaft an der Universität Ham-burg aufbauen. Nur eine Frage bleibt fürRöder weiterhin offen: Wer sie für denPreis empfohlen hat. „Das ist vertrau-lich“, sagt DFG-Sprecher Marco Finetti.

Neuropsychologin Brigitte Röder befasst sich mit der Leistungsfähigkeit des Gehirnsund erhielt den wichtigsten deutschen Wissenschaftspreis Foto: Heiner Köpcke

Höchste Auszeichnungfür die Hirnforscherin

Von den 30 Wissenschaftlern im Teamvon Brigitte Röder sind 21 Frauen

Eine finanzielle Absicherung macht freifür riskantere Projekte und Innovation

Leibniz-Preisträgerin Brigitte Röder ist Expertin für unser Denkorgan

C H A N S I D K I - LU N D I U S

:: Es gibt viele Gründe, die Dauer-ausstellung „Die Geburt der modernenMedizin“ im Medizinhistorischen Mu-seum auf dem Gelände des Universi-tätsklinikums Eppendorf zu besuchen.Ein Grund für einen Rundgang ist derhistorische, originalgetreu rekonstru-ierte Sektionssaal der ehemaligen Pa-thologie, wo noch bis 2006 auf den Ti-schen aus massivem Gestein Leichenseziert wurden. Wer einen schummeri-gen Raum im Untergeschoss erwartet,wird hier eines Besseren belehrt. Dennder große Raum ist lichtdurchflutet, dasTageslicht strömt durch eine gläserneDecke und riesige Seitenfenster herein.

Die acht kargen, in zwei Reihen an-geordneten Sektionstische reichen völ-lig aus, um sich vorzustellen, wie Patho-logen, Anatomen und Präparatoren indiesem Saal ab 1926 jährlich bis zu 2000Leichen geöffnet haben, um natürlichewie unnatürliche Todesursachen zu er-gründen. „Das einmalige Raumerlebnislädt Besucher dazu ein, sich mit derEndlichkeit des Lebens auseinanderzu-setzen“, sagt die Kuratorin des Medizin-historischen Museums, Dr. Antje Zare.Sie hatte maßgeblichen Anteil an derEntstehung der eindrucksvollen Aus-stellung, die anhand von Objekten, Prä-paraten, Plakaten, Filmen oder Einzel-schicksalen 150 Jahre HamburgerStadt- und Medizingeschichte Revue

passieren lässt: von der Entwicklungder Mikroskopie über andere medizin-technische Meilensteine bis hin zurGeschichte der Krankenhaus-Pflege.Dabei hat auch die authentische Um-gebung selbst Seltenheitswert: 2011erhielt das Gebäude, das von dem legen-dären Hamburger Baudirektor FritzSchumacher entworfen wurde, dieWürdigung „Baudenkmal von natio-naler Bedeutung“. Verantwortlich fürdas Medizinhistorische Museum ist dasInstitut für Geschichte und Ethik derMedizin am UKE, das von Prof. Heinz-Peter Schmiedebach geleitet wird.

Im Zentrum der Ausstellung, diedurch mehrere Räume zu speziellenThemen führt, steht unter anderem dieStadt Hamburg, die als Hafen- undHandelsstadt im Laufe ihrer Geschichteimmer wieder mit ganz besonderen me-dizinischen Herausforderungen kon-frontiert war. Denn mit den Waren- undMenschenströmen kamen etlicheKrankheiten nach Hamburg – so auchdie oft als Lustseuche oder Franzosen-

krankheit bezeichnete Syphilis. DerAusstellungsbereich „Krankheiten inWachs“ lenkt den Fokus auf diese Seu-che. Dort werden Wachsobjekte, soge-nannte Moulagen, gezeigt. Sie verdeut-lichen, unter welchen Symptomen anSyphilis Erkrankte leiden – von klei-nen Blasen, großflächigem Aus-schlag und Geschwüren überSchwellungen an den Extremi-täten bis hin zur zerfressenenSchädeldecke und einem ange-griffenen Gehirn. Danebenkann man in der Ausstel-lung einiges über dieHerstellung vonWachsmoulagen er-fahren, die lange Jah-re als Lehr- und An-schauungsmittel inHörsälen oder auf Konfe-renzen eingesetzt wurden.

Im Raum „Hafen undMedizin“ erhält man viele In-formationen über das 1893eingerichtete Hygiene-Insti-tut und das ehemalige Insti-tut für Schiffs- und Tropen-krankheiten, das im Jahr1900 seine Pforten öffnete.Ebenso interessant ist derRaum „Blicke in den Mi-krokosmos“. Er führt indie Technik und Bilder-welt der Licht- und Elek-tronenmikroskopie ein.

In eine völlig andere Atmosphäretaucht man im Ausstellungsbereich„Kosmos Krankenhaus“ ab. Hier wirdder Alltag im Krankenhaus vor etwa100 Jahren geschildert. HistorischeFotos und Exponate veranschaulichen

die Arbeits- und Lebenswelt der un-terschiedlichen Berufsgruppenund Patienten. Sehr spannend

sind die Schilderungen einerPflegeschülerin, die von ihrenErfahrungen auf einer urologi-

schen Männerstation im Jahr1944 berichtet.

Sehenswert ist auchder Raum „Krankheitund Stadt“. Dort gehtes zum Beispiel um dieverheerende Cholera-Epidemie, die 1892

rund 8600 Todesopfer inHamburg forderte. Unterden Exponaten ist auch eineblaue Spuckflasche: Den„Blauen Heinrich“ hattendamals viele Hamburger beisich, denn er sollte die Über-tragung des Tuberkulose-Erregers verhindern. In derAusstellung geht es außerum die LungenkrankheitTuberkulose, die in den

1920er-Jahren in Hamburg weit ver-breitet war, um Geisteskrankheiten, dieauch im Zentrum der menschenverach-tenden Politik der Nationalsozialistenstanden. Es wird die Geschichte der Ir-ma Sperling erzählt. Das geistig behin-derte Mädchen wurde 1943 in eine Heil-anstalt nach Wien deportiert, wo sie mitmedikamentösen Überdosierungen ge-quält und schließlich ermordet wurde –im Alter von 13 Jahren.

Außerdem erhält der Besucherspannende Einblicke in die Geschichtedes Medizinstudiums. Besonders gro-ßen Unterhaltungsfaktor hat der Lehr-film über den Muskelmann WilhelmEmter aus dem Jahr 1925. Er führt anseinem höchst durchtrainierten Körperdas Spiel einzelner Muskeln und Mus-kelgruppen vor – absolut sehenswert.Man muss kein Medizinstudent sein,um das einzigartig zu finden.

Weitere Informationen:Die Geburt der modernen Medizin. Medizin-historisches Museum Hamburg, Fritz Schumacher-Haus am UKE, Gebäude N30b, Martinistraße 52,Seiteneingang Frickestraße/Ecke Schedestraße)Telefon: 040/7410-57172Internet: www.uke.de/medizinhistorisches-museumÖffnungszeiten: Mittwoch, Freitag und Samstag:14 bis 18 Uhr, Sonntag: 12 Uhr bis 18 UhrEintritt: Erwachsene: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro.Wegen der Wirkung einiger Exponate wird emp-fohlen, dass Jugendliche unter 16 Jahren die Aus-stellung in Begleitung von Erwachsenen besuchen.

Der Blaue Heinrich und seltene Krankheiten in Wachs Im Medizinhistorischen Museum tauchen Besucher ein in 150 Jahre Medizingeschichte Hamburg und nehmen starke optische Eindrücke und viele Erkenntnisse mit

Dr. Antje Zare,Kuratorin des MedizinhistorischenMuseums Foto: UKE

Besucher sehen, wieder Mensch von innenaussieht Foto: Museum

Leibniz-Preis und Ad-vanced Grant des Eu-ropäischen Forschungs-rats ERC sind ungefährgleich hoch dotiert undmillionenschwer. DerUnterschied liegt imVergabeverfahren undin der nationalen Be-schränkung des Leibniz-Preises: Für ihn wirdman vorgeschlagen, fürden ERC bewirbt mansich mit einer Projekt-skizze selbst.

Der Advanced Grantrichtet sich an erfah-rene Spitzenkräfte. Imvergangenen Jahr habenihn drei geisteswissen-schaftliche Forschungs-projekte der UniversitätHamburg und ein Nano-physiker neu verliehenbekommen. Der „Sy-

Marie Curie-Programm:Es fördert seit 2013beispielsweise ein Erst-ausbildungsnetzwerkam Institut für Politik-wissenschaft, an dem13 weitere Partner ausWirtschaft und Wissen-schaft beteiligt sind.Dagegen ist das EmmyNoether-Programm einInstrument der DFG,das dem wissenschaft-lichen Nachwuchs einenWeg zu früher wissen-schaftlicher Selbst-ständigkeit und zurBefähigung als Hoch-schullehrer ermöglichenwill, indem die Leitungeiner Nachwuchsgruppegefördert wird. (uht)

www.bpn.uni-hamburg.dewww.erc.europa.eu/about-ercwww.dfg.de/index.jsp

nergy Grant“ für dieZusammenarbeit zwi-schen universitärer undaußeruniversitärer For-schung ging an vierWissenschaftler desDeutschen Elektronen-Synchrotrons (Desy),der Universität Ham-burg und Arizona StateUniversity.

An Nachwuchswissen-schaftler richten sich dieERC Exzellenzprojekte„Starting Grant“ und„Consolidator Grant“,die junge Talente aneuropäischen Hoch-schulen halten will.Beide Auszeichnungengingen an Laserphysikerder Uni Hamburg.

Zu den Programmen derEU gehört auch das

Preise für Nachwuchs und Spitzenkräfte

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CRAD

Dienstag, 8. April 20146 Hamburger Abendblatt U N I V E R S I TÄT H A M B U R G

S O P H I E L AU F E R

Nur wenige Meter nachdem Passieren des Ein-gangstores hat man denEindruck, in einer ande-ren Welt zu sein. Schwervorstellbar, dass dieser

wunderschöne, riesige Park mitten ineiner Großstadt liegt. Vögel zwitschern,die Luft ist klar und frisch. Stilleherrscht hier in Klein Flottbek. Daskratzende Geräusch einer Harke oderSchaufel ist zu hören, ein Gärtnerkommt um die Ecke und grüßt freund-lich. Hin und wieder sieht man in derFerne Besucher über die Wege laufen.

Nur eines stört die Idylle an diesemTag. Die großen Flugzeuge ziehen aufihrem Weg nach Fuhlsbüttel über dieAnlage, ihre Turbinen sind deutlich zuhören. „Das ist nur bei bestimmtenWitterungsverhältnissen so“, sagt Cars-ten Schirarend sofort. „Dann allerdingskönnen sie so laut sein, dass sie beiunseren Führungen richtig stören.“ Derfreundliche Mann mit dem angegrautenBart ist wissenschaftlicher Leiter desBotanischen Gartens in Klein Flottbek,der seit 2012 Loki-Schmidt-Gartenheißt, und führt nicht ohne stolz durchdie große, gepflegte Anlage.

Die ist in diesem Frühling beson-ders einladend. Durch den milden Win-ter blühen schon viele Blumen, die ers-ten Blätter sind bereits grün. „Wir stel-len fest, dass die Natur sicherlich sechsWochen weiter ist als im vergangenenJahr“, sagt Schirarend. Der Vergleichhinke aber natürlich ein bisschen, gibter dann zu. „Schließlich war der ver-gangene Winter besonders hart. „Ver-glichen mit einem typischen norddeut-schen Winter, sind wir im Moment etwavier Wochen voraus.“ Am Bienenstockin der Nähe des Bauerngartens herrschtbereits reger Betrieb. „Ja, auch die Tieresind deutlich aktiver als im vergange-nen Jahr“, sagt Schirarend im Vorbei-gehen und lacht. Die Besucherzahlenwürden ebenfalls den milden Winterwiderspiegeln. „In den ersten drei Mo-naten hatten wir doppelt so viele wie inden vergangenen Jahren“, sagt der wis-senschaftliche Leiter und freut sichsichtlich. So könne es gern weitergehen.

Allerdings, der vergangene Herbstund Winter haben dem Botanischen

Garten zugesetzt, wenn auch nichtdurch Frost, Eis und Schnee. Ein Stückweiter ragt ein großer Baumstumpf ausdem Boden. „Die starken Stürme imHerbst haben viel kaputt gemacht. 18Bäume haben wir verloren“, sagt Schi-rarend. „So viel wie lange nicht.“ Mit da-bei seien leider auch ein paar wertvolleGehölze gewesen.

Weiter geht es zur neuen Anlage desBotanischen Gartens, der sogenanntenphylogenetischen Uhr. Sie ist der ganzeStolz von Schirarend. In der wie einZifferblatt gestalteten Anlage sollen so-wohl die Verwandtschaft der Pflanzen-gruppen als auch ihre Entwicklungs-geschichte dargestellt werden. „DieseAnlage ist bisher einmalig in Deutsch-land“, sagt Schirarend. „Und ich musszugeben, der Ansatz ist schon ziemlichanspruchsvoll.“ Deshalb sollen ausführ-liche Hinweisschilder an jedem Beetden Besuchern die Beete und ihre An-ordnung genau erklären.

Den Anfang macht bei null Uhr derGingko-Baum. „Er ist die älteste leben-de Samenpflanzenart, die uns bekanntist.“ In Gruppen, nach Familien geord-net, folgen dann die anderen Büsche,Bäume, Sträucher oder Blumen, zeitlichnach einander. So kommen bei ein Uhrdie nächst jüngeren Pflanzen. „Sie ste-hen in Ordnungen zusammen“, sagtSchirarend, „damit auch gleich die Ver-wandtschaften ersichtlich sind.“ JederSektor der phylogenetischen Uhr ist füreine größere Gruppe der heute leben-den Pflanzen reserviert. Die Anlagewurde im vergangenen Sommer eröff-net. Für dieses Jahr hofft Schirarend,dass sich der Bewuchs weiter gut ent-wickelt und mehr Besucher anzieht.

Besucher anlocken soll auch eineganz besondere neue Ausstellung. Am16. März wurde PhytoArtis im LokiSchmidt Haus eröffnet. Die Illustrato-rin Stephanie Böhm hat verschiedeneHeilpflanzen auf großformatige Lein-wände gemalt, die hier aufgehängt sind.Das Besondere: Die Pflanzen werdenauch im Original im Apothekergartendes Botanischen Gartens gezeigt. Klei-ner Schilder weisen den Besuchern denWeg zu ihnen. „Ich habe mich für meineMasterarbeit mit Heilpflanzen beschäf-tigt“, sagt Stephanie Böhm über ihreWerke und das Projekt. „Und dann ent-stand die Idee dieser Ausstellung mit

meinen Bildern.“ Sie sei stolz auf denVergleich der Pflanzen im Garten mitihrer Malerei und den Abbildungen ausdem „Hamburger Herbarius“, der imBotanischen Garten umgesetzt werdenkonnte, sagt sie. Der „Hamburger Her-barius“ ist ein Band aus dem 16. Jahr-hundert, der in der Bibliothek des Bota-nischen Gartens gefunden wurde undebenfalls in der Ausstellung zu sehenist. „Hier wurden die Kräuter perSelbstdruck abgebildet. Wir zeigen jetztdie historischen Bilder neben meinen.“Bis Ende November werden die histori-schen und modernen Werke noch imLoki Schmidt Haus zu sehen sein.

Auffallend viele Gärtner sind indiesen Tagen auf der weitläufigen An-lage unterwegs. Frühlingsarbeiten sindangesagt. Doch der erste Eindruck

täuscht, sagt Schirarend. Einige vondiesen Helfern sind Freiwillige, die inihrer Freizeit den Botanischen Gartenpflegen. „Wir haben etwa 30 Ange-stellte, die sich um das öffentliche Frei-gelände kümmern. Und etwa 50 aktivesogenannte Gartenpaten, die sich hierengagieren.“ Die Beete harken, Unkrautjäten oder einfach Wege fegen. Organi-siert werde deren Arbeit über einenFörderverein. „Ohne die Hilfe dieserengagierten Hamburger könnten wirdie pflegeintensiven Beete nicht in ei-nem solch guten Zustand halten, wie siejetzt sind“, ist sich Schirarend sicher.

„Am Anfang waren wir skeptisch,ob die Idee der Patenschaften funktio-niert“, so der wissenschaftliche Leiter.„Mittlerweile geht es gar nicht mehr oh-ne die Helfer.“ Er sei nach wie vor über-wältigt von dem Engagement der Män-ner und Frauen. „Einige sind hier bei-nahe täglich auf der Anlage unterwegs.“Einen so aktiven Förderverein wie denin Hamburg gebe es in ganz Deutsch-land nicht. So werde unter anderemauch der kleine Gartenshop, der in ei-nem Reetdachhaus im Bauerngartenuntergebracht ist, von den Freiwilligenbetrieben.

So romantisch sieht der Bauerngarten

im Sommer aus Fotos: Andreas Laible (4),

Botanischer Garten

Kakteen im Wüstengarten des Botanischen Gartens in Klein Flottbek

Überall auf der Anlage sieht man bereits jetzt viele blühende Blumen

Die Pflege der Beete und Wege wird von freiwilligen Helfern unterstützt

Die neue Anlagedes Botanischen

Gartens, die phylo-genetische Uhr, istwie ein Zifferblatt

gestaltet

Durch die Stürme hat der BotanischeGarten einige wertvolle Bäume verloren

Eine Oasemittenin derStadt

Die Pflanzen blühen diesesJahr früher im BotanischenGarten in Klein Flottbek.Ein Besuch an diesemschönen Ort lohnt deshalbumso mehr

Carsten Schirarend,wissenschaftlicherLeiter des Botanischen Gartens Hamburg

Stephanie Böhm vor einem ihrer Bilderaus der Ausstellung PhytoArtis

:: Die Hamburg School of Food Sci-ence (HSFS) der Universität Hamburgist seit Kurzem offizieller wissenschaft-licher Partner der amerikanischen Le-bensmittelüberwachungsbehörde. DieUS-amerikanische Food and Drug Ad-ministration (FDA) ist eine der größtenEinrichtungen für Lebensmittelkon-trolle weltweit und arbeitet erstmalsmit einer deutschen Universität zu-sammen. Das Ziel dieser neuen Ko-operation ist es, das wissenschaftlicheKnow-how im Bereich Lebensmittel-sicherheit weiterzuentwickeln und da-mit dann im internationalen Handelauch einen verbesserten Verbraucher-schutz zu erreichen.

Die richtigen und vollständigenAngaben zu Herkunft und Inhalt vonLebensmitteln sind angesichts der glo-balen Beschaffungswege ein Thema, dasimmer wichtiger wird. Dies zeigen nichtzuletzt die jüngsten Fälle von Lebens-mittelbetrug wie beispielsweise dieVermarktung von konventionellen Ei-ern als Bio-Eier oder der sogenannte„Pferdefleischskandal“. Zu den Roh-stoffen, die weltweit am häufigsten ge-fälscht werden, zählen Olivenöl, Fisch,Bio-Lebensmittel, aber auch Milch,Getreide, Honig sowie Kaffee und Tee,Gewürze (z. B. Safran oder Chili) sowieWein und Fruchtsäfte. (HA)

SichereLebensmittel: Unikooperiert mit USA

:: Circa 50 Prozent der Erdoberflächesind ständig mit Wolken bedeckt. Wol-ken spielen daher auch eine bedeutendeRolle im globalen Klima. Einerseits re-flektieren Wolken die Sonnenstrahlungund haben so einen kühlenden Effekt.Andererseits halten sie die Wärmeab-strahlung der Erde zurück und tragendamit zur Erwärmung der Atmosphärebei. Zusätzlich ist der Niederschlag einewesentliche Komponente im Klimasys-tem.

Um die Entstehung von Wolkenund ebenso auch ihre Wirkung auf dasKlima besser zu verstehen, wollen For-scherinnen und Forscher jetzt mit demneuen, fliegenden Wolkenobservatori-um HALO (High Altitude and LongRange Research Aircraft) direkt ober-halb der Wolkendecke Messungen vor-nehmen.

Das speziell ausgerüstete For-schungsflugzeug HALO ist ein Gemein-schaftsprojekt deutscher Umwelt- undKlimaforschungseinrichtungen, andem auch das Centrum für Erdsystem-forschung und Nachhaltigkeit der Uni-versität Hamburg (CEN)/Partner imKlimaCampus Hamburg beteiligt ist.Die gewonnenen Daten sollen zu einembesseren Verständnis von Wolken- undNiederschlagsprozessen beitragen undhelfen, Unsicherheiten in Klimamodel-len zu verringern. (HA)

FliegendesObservatorium hatMessflüge gestartet

:: Die meisten Spinnen sind aggres-sive Einzelgänger, doch bei der austra-lischen Krabbenspinne kümmern sichdie Weibchen nicht nur um ihre eigenenNachkommen, sondern auch um ein-wandernde Jungspinnen aus benach-barten Nestern.

Prof. Dr. Jutta Schneider und Jas-min Ruch aus dem Fachbereich Biologieder Universität Hamburg haben – ge-meinsam mit Kollegen der MacquarieUniversity in Australien – herausgefun-den, dass in diesem Zusammenhangeine enge Verwandtschaft zur Vermin-derung von Konflikten führt und da-durch die Überlebenswahrscheinlich-keit von Geschwistern höher ist als dievon nicht miteinander verwandtenJungspinnen. Die Wissenschaftlerin-nen untersuchten unter anderem, obdurch einwandernde Jungspinnen dieGruppendynamik zwischen den Weib-chen und den Nachkommen beeinflusstwird und ob entstehende Konflikte eherzwischen Weibchen und Nachkommenoder innerhalb der Nachkommenschaftausgetragen werden. Die Ergebnissezeigten, dass Geschwistergruppen tat-sächlich besser wuchsen als gemischteGruppen aus miteinander verwandtenund fremden Jungspinnen. Konfliktewerden also eher innerhalb einer Gene-ration ausgetragen. (HA)

Spinnen-Studie:Überleben durchGeschwister

Im Botanischen Gartenwerden regelmäßigFührungen angeboten.Heike Wiese wird amSonntag, den 13. April,ab 10 Uhr über dasThema „Unkräutererkennen, nutzen undbegrenzen“ sprechen.Dazu heißt es auf derInternetseite des Bota-nischen Gartens: „Aufeiner Exkursion durchden Botanischen Gartenschauen wir, was anwilden Kräutern wächst.Wir gehen folgendenFragen nach: Wie kannman sie nutzen und –damit sie nicht über-hand nehmen – umwelt-schonend begrenzen?“

Am Freitag, den 11. April,bietet Thomas Schmidtvom NABU Hamburgab 18 Uhr eine vogel-kundliche Führung an.Hierzu heißt es: „WelcheVogelarten sind im Bo-tanischen Garten derUniversität Hamburg zuerwarten? In den ver-gangenen Jahren konn-ten mehr als 50 Vogel-arten nachgewiesenwerden. Besonderserwähnenswert sind einMäusebussard-Paarbeim Brutgeschäft, alsGäste Austernfischer(eigentlich Nordsee-vögel, die jedoch zumBeispiel auf dem Flach-dach des Elbe-Einkaufs-

Besondere: Im Bota-nischen Garten wachsenRaritäten, die man imHandel nicht kaufenkann. Dazu gibt es Bera-tungs- und Informa-tionsstände rund umGarten, Pflanzen undNatur.

Am Montag, den 17. Juni,wird im BotanischenGarten der Weltwüsten-tag veranstaltet. Zwi-schen 16 und 17.30 Uhrsoll in Führungen Hin-tergrundwissen rundum die Pflanzen derWüste vermittelt wer-den. Hier geht es denVeranstaltern darum, zuzeigen, dass Wüstenmehr sind als endlose,botanisch langweiligeSand- und Gesteins-flächen, heißt es imProgramm.

Kinder: Auch für Kinderhat der Botanische Gar-ten ein besonderes Pro-gramm. Am Mittwoch,den 9. April, und amDonnerstag, den 10.April, können Jungenund Mädchen beispiels-weise Osterbasteleienmit Naturmaterialienfertigen. Die Teilnahmekostet fünf Euro.

Der Botanische Garten isttäglich ab neun Uhr geöffnet. DerEintritt ist frei. Weitere Informa-tionen auf www.bghamburg.de

zentrums brüten) unddie erfolgreiche Brutdes Fasans – im städti-schen Bereich wegender frei laufendenHunde und Katzen beidiesem Bodenbrütereine Seltenheit.“

Der GartenpädagogeWalter Krohn führt amMittwoch, den 16. April,um 17 Uhr unter demMotto „Schachblumeund Wildtulpe – Ham-burger Raritäten aufdem Rückzug?“ durchden Botanischen Gar-ten. Das Programmschreibt dazu: „DieRundgänge dieser Reihethematisieren diesewichtige Aufgabe Bota-nischer Gärten undstellen Aktivitäten Bota-nischer Gärten zumErhalt gefährdeter Ar-ten vor. Die gefährdetenPflanzen des RaumsHamburg stehen imMittelpunkt.“

Aktionstage: Auch Ak-tionstage werden vomBotanischen Gartenorganisiert. Am Sonn-abend, den 24. Mai, gibtes zwischen 9 und 14Uhr eine Pflanzen- undInformationsbörse. DerBotanische Garten gibthier seine überzähligenPflanzen an interes-sierte Gärtner gegeneine Spende ab. Das

Veranstaltungen und Führungen

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te: 08.04.14 Zone: HA-VP1 Edition: 1 Pa-ge: UNI6 User: steu-sche Time: 04-04-2014 10:29 Color: CMYK