24
Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ- JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019

RESIDENZ- JOURNAL

Frühlingserwachen

in der

FächerResidenz

Page 2: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

2

IMPRESSUMHerausgeber: Redaktion: Erlenweg 2Wohnstift Karlsruhe e.V. Martin Achtnich, RR 76199 KarlsruheGestaltung: Werner Backhaus, RR Tel. 0721 - 88 01-1Elvira Bersieck Dorothea Bockhorn-Süße, RR Fax 0721 - 88 01-580V.i.S.d.P.: Marthamaria Drützler-Heilgeist, FR E-Mail [email protected]üdiger Frank (Direktor) Ingeborg Niekrawietz, FR www.wohnstift-ka.de Ingrid Rumpf, FR

Residenz Rüppurr (RR)

FächerResidenz (FR)

Liebe Leserin,

lieber Leser,

Rüdiger FrankDirektor

Rüdiger Frank

Es grüßt Sie freundlich Ihr

Alles hat seine Zeit … und so darf ich mich an dieser Stelle von Ihnen als Geschäftsführer des Vereins Wohnstift Karlsruhe verab-schieden.

Auf den Tag genau 11 Jahre durfte ich die Geschicke der beiden Residenzen des Wohn-stifts lenken, wenn ich nun zum 31. Mai meine Tätigkeit beende, nach dann insgesamt fast 28 Jahren beim Wohnstift. Es war eine schöne, abwechslungsreiche, spannende, aufre-gende und zufriedenstellende Aufgabe, pflegepolitisch gesehen oft aber auch ernüchternd und enttäuschend.

Viele Menschen konnte ich in dieser Zeit kennen und schätzen lernen, sowohl Bewohnerin-nen und Bewohner als auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch viele in meiner Verbandsarbeit beim PARITÄTISCHEN.

Durch die großen Freiheiten und das Vertrauen, die ich seitens des Vorstands des Vereins genießen durfte, war es mir auch möglich, die Residenzen inhaltlich und konzeptionell immer weiter zu entwickeln und auf neue Anforderungen und Bedürfnisse anzupassen.

Beispielhaft kann ich hier nur erwähnen die Zusammenlegung von Ein-Zimmer-Appartements zu zwischenzeitlich 18 Zwei- und sogar 7 Drei-Zimmer-Appartements, die Gründung von 2 ambulant betreuten Wohngruppen mit je 10 Wohnungen, die Gründung einer Tagesbetreuungsgruppe, die Eröffnung von 6 Pflege-Hotel-Wohnungen, die Umset-zung der neuen Pflegekonzeption „ambulant vor stationär“, die Eröffnung von 2 Tagespfle-gegruppen, den Umbau der stationären Pflege an die Anforderungen der Landesheimbau-verordnung sowie unzählige bauliche und technische Änderungen und Neuerungen.

Ein weiterer wichtiger Punkt für meine Tätigkeit war und ist dieses Residenz-Journal. Seit dem Jahr 2009 unterhalten, informieren und erfreuen wir in inzwischen 39 Ausga-ben unsere Bewohner und Interessenten. Die Idee für dieses Journal war nicht entscheidend. Wichtig war und ist, dass immer Bewohnerinnen und Bewohner bereit waren, im Redaktionsteam mitzuarbeiten und dass auch immer wieder Artikel aus dem Kreis unserer Bewohnerschaft den Weg ins Redaktionsteam fanden. Vielen Dank daher an unsere SchreiberInnen und an das Redaktions-team.

Mit dem Wohnstift habe ich vereinbart, dass von mir noch einige Ausgaben des Residenz-Journals als verantwortlicher Redakteur begleitet werden, so dass Sie mich hier dann doch noch einige Zeit wiederfinden werden.

Ihnen wünsche ich für die Zukunft alles Gute, und vielleicht auf ein Wiedersehen in einer unserer Residenzen.

Foto Titelseite:

Frühlingin der

FächerResidenz

Page 3: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

3

Temple Neuf

Vor einigen Wochen gingen die Bewohner der FächerResidenz wie gewohnt zum Vortragssaal,

um einem Klavierkonzert zu lauschen. Aber diesmal blieben sie an der Tür erstaunt stehen: War das wirklich noch der Vortragssaal?

Der schöne bläuliche Perserteppich, auf dem das Klavier gestanden hatte, war einem flauschigen cremefarbenen Teppichboden gewichen, farblich passend zum Holzfußboden; die Gardinen waren die alten geblieben, schienen aber irgendwie heller geworden zu sein; ein Raum-trenner teilte die rechte Ecke ab, und nicht mehr die gewohnten Drucke umrahmten das Klavier. Dafür hingen dort abstrakte, aus rechten Winkeln bestehende Bilder in ähnli-chen Farben wie die Vorhänge. Nur die Stühle waren gleich geblieben und standen in Reih und Glied auf ihrem Platz. Eine heftige Diskussion über das Für und Wider der Ver-änderungen erregte die Gemüter. Was war geschehen?

Wie sich herausstellte, hatte der Bewohnerbeirat die Initiative zweier Bewohnerinnen aufgegriffen. Barbara Hoffmann, als ehemalige Theaterausstatterin mit der Einrichtung von Räumen für Konzerte und Vorträge bestens vertraut, hatte die Idee gehabt, den Saal ästhetisch und akustisch zu verbessern, und die Patchwork-Künstlerin Brigitte Wei-gand zum Mitmachen verlockt, denn sie war die ideale Partnerin für die praktische Umsetzung.

Nicht, dass der Vortragsraum bisher nicht ansprechend oder gar geschmacklos gewe-sen wäre, aber das Bessere ist der Feind des Guten, und so wandten sich die Damen an den Beirat und der wiederum an Herrn von Sondern, den Hausleiter der FächerResi-denz. Dieser, vernünftigen Bewohnerwünschen gegenüber immer aufgeschlossen, gab Frau Hoffmanns Konzept seinen Segen umso leichter, als außer den Materialkosten keine Aufwendungen veranschlagt werden mussten: Alles Handwerkliche konnte haus-intern durchgeführt werden.

So machten sich Frau Hoffmann und Frau Weigand zunächst an die Auswahl der Stoffe für die geplanten „Winkelbilder“. Aus-schlaggebend für deren Wahl waren die luftig-hellen Pastellfar-ben der Gardinen des Vortragsraums und die Eignung für Frau Weigands kunstfertige Arbeitstechnik. Denn, und das ist das ganz Außergewöhnliche und Einmalige: Auf den ersten Blick hält man die „Bilder“ zwar für Gemälde, auf den zweiten jedoch sieht man, dass es sich um eine wunderbare Näharbeit handelt. Jedes „Bild“ besteht aus sieben verschiedenfarbigen einzelnen Stoffstreifen unterschiedlicher Breite, die mit Futter unterlegt und von Hand auf eine Flies-Unterlage genäht worden sind, so dass eine plastische Wirkung erzielt wird. Man kann sich leicht ausrechnen, dass außer gutem Geschmack und Geschick wochenlange Arbeit zwi-schen den elf hellen Holzrahmen steckt, die jetzt die Wand bele-ben.

Vortragssaal der FächerResidenzin neuem Glanz

BarbaraHoffmann

BrigitteWeigand

Page 4: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

4

Je vier der Arbeiten hängen links und rechts an der Wand; dazwischen steht der Flügel, über dem genügend Platz frei gelassen worden ist für die Projektionsleinwand. Je zwei der Win-kelgebilde sind in den gleichen Tönen gehalten, die von hellen grau-grün-ocker-altrosa Farb-streifen dominiert werden. Um Eintönigkeit zu vermeiden, stehen sich aber nicht paarweise

zwei gleichfarbige Bilder gegenüber, sondern in versetzter Reihenfolge. Dem Klavier gegenüber beleben drei in Brauntönen gehaltene Winkelbilder die Rückwand. Sie alle dienen einem doppelten Zweck: Zum einen sind sie einfach schön, zum anderen dämpfen sie den Klang des Flügels bzw. der Stimmen und Musikinstrumente, die oft für die Größe des Raums zu mächtig erklungen waren.

Zu den floral gemusterten Vorhängen im Verein mit diesen luftigen, hellfarbigen Winkelstrei-fen passte natürlich der schöne, aber schwer wirkende Perserteppich weder von den Far-

ben noch von der Machart. So wurde ein Teppich ähnli-cher Größe, aber von flauschiger Konsistenz und cre-miger Farbe unter den Flügel gelegt. Die beiden Dru-cke mit dem „Portrait eines jungen Mannes“ von Hans Memling in andächtig betender Haltung und einer rosenbekränzten, ein Notenblatt in den Händen halten-den „Marquise de Santa Cruz“ von Francisco de Goya schauen jetzt von der Seitenwand auf die Zuhörer herab – mit Wohlgefallen, steht zu vermuten.

Gewonnen hat der Vortragsraum ganz unbestritten auch durch eine „spanische Wand“, gebildet aus drei cremefarbenen Stoffbahnen, die von der Decke bis zum Fußboden und von der Wand bis zur Säule reichen. Sie verdecken einen großen schwarzen Kasten mit der Technik und bilden zudem einen Stauraum für Kommode, Liederbücher, Sitzkissen, Notenständer und sonstige Utensilien, die jetzt den Blicken des Publikums wie auch der Akteure entzogen sind.

Kurzum, der Vortragsraum hat sehr gewonnen, und nach anfänglichem Unmut einiger Bewohner ob der „bösen“ Überraschung sind heute die meisten FächerResidenzler und Besucher mit der Veränderung sehr zufrieden. Ein großes Lob für die beiden Initiatorinnen sei deshalb an dieser Stelle noch einmal gesagt ! Marthamaria Drützler-Heilgeist, FR

* * * *

Im Juli 2017 haben die Wohnstifts-Mitarbeiterinnen Tanja Amberger, Antje Oberst und Daniela Weber die Nachfolge von Frau Krebs in der Vermietung der Appartements der Residenz

Rüppurr angetreten. Jede von uns konnte aus ihrer vorherigen Tätigkeit für das Wohnstift eigene Erfahrungen in ihre neue Arbeit einbringen. So hat sich schnell das Aufgabengebiet der Vermietung erweitert, um einerseits andere Abteilungen zu entlasten und andererseits den ganzen Prozess vom Erteilen erster Informationen über eine eingehende Beratung bis zum Vertragsabschluss und zu einer später möglichen Kündigung an einer einzigen Stelle zu bündeln. Da das bisherige Vermietungsbüro für drei Personen natürlich viel

I

Beratungs- und Vermietungsbüroin unserer Residenz Rüppurr

Page 5: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

5

zu klein war und zeitgleich die Sparkasse ihre Filiale im Wohnstift gekündigt hatte, bot sich die Gelegenheit, in deren bisherigen Räumlichkeiten ein repräsentatives und offe-nes Beratungsbüro zu eröffnen.

Dies wird immer dann genutzt, sobald sich ein Interessent wegen der Anmietung eines Appartements konkret informieren möchte. Für einen groben Überblick über unser Haus bieten wir jeden Dienstag ab 15:00 Uhr offene Besichtigungen an, zu denen auch schon längere Zeit vorgemerkte Interessenten kommen, um sich über aktuell freie Wohnungen und allgemeine Einrichtungen des Hauses zu informieren. Weiter gehen die Aufgaben des Vermietungsbüros dann über Auskünfte zur Anmietung, über das Erstellen von Ver-tragsunterlagen, das Führen von Akten, über Informationen zu unseren Finanzierungs-modellen „Wohnstiftsbrief“ und „Wohnrecht“ bis zur Beendigung des Vertragsverhältnis-ses, wozu auch die Wohnungsabnahme und die Abrechnung des Kontos gehören.

Persönlichen Kontakt zu neuen Bewohnern halten wir dann durch einen Besuch zur Begrüßung im Haus. Auch bei den Empfängen vor dem Mittagessen, die über das Jahr immer mal wieder stattfinden wie beispielsweise zur Begrüßung des Frühlings oder zum Muttertag, stehen wir im persönlichen Kontakt zu den Bewohnern der Residenz Rüppurr. Bei Ausflügen und internen Veranstaltungen sind wir Teil des Teams, das die Mieter unse-res Hauses begleitet und betreut, um für zukünftige Ereignisse neue, tolle und interes-sante Ziele und Themen bieten zu können.

2018 haben wir in Rüppurr das Konzept Pflegehotel eingeführt, das schon längere Zeit in unserer FächerResidenz erfolgreich funktioniert. Dabei können Hausfremde für eine Übergangszeit, z.B. nach Operationen oder wenn pflegende Angehörige in Urlaub sind, das Angebot unseres Hauses nutzen, also Unterkunft und Vollverpflegung in Anspruch nehmen, mit möglicher zusätzlicher Versorgung durch unseren Ambulanten Hausdienst. Auch hierzu berät unser Vermietungsbüro.

Eine weitere Aufgabe sind dann noch die Besuche zu Geburtstagen, zu denen wir im Namen des Hauses gratulieren dürfen und bei denen wir einfach mal ein offenes Ohr für die Jubilare haben.

Die Aufgaben unseres Teams sind also sehr vielfältig. Unsere Tür steht jedem Interessenten und Bewohner offen, der nicht weiß, an wen er sich wenden soll. Wenn wir nicht helfen können, wissen wir, wer im Haus Ansprechpartner für den aktuellen Fall ist, und stellen den Kontakt her.

Von links nach rechts:Antje OberstDaniela WeberTanja Amberger

* * * *

Seniorenbüro der Stadt Karlsruhe

Residenz-Journal: Guten Tag, Frau Scheffner-Schwarze, würden Sie sich bitte zunächst unseren Lesern vorstellen?

Barbara Scheffner-Schwarze: Mein Name ist Barbara Scheffner-Schwarze. Ich bin 63 Jahre alt, von Hause aus Sozialarbeiterin und seit dem Jahr 1998 im Seniorenbüro der Stadt Karlsruhe tätig. Nachdem die Leiterin des Seniorenbüros/Pflegestützpunktes im Juli 2017 in Rente gegangen ist, habe ich ab diesem Zeitpunkt diese Aufgabe kommissarisch übernommen.

Tanja Amberger und Antje Oberst

Page 6: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

6

RJ: Seit wann gibt es in Karlsruhe ein Seniorenbüro und aus welchem Grund wurde es gegründet?

Sch: Die „Stadtväter“ von Karlsruhe hatten sich schon sehr früh für die Belange der älte-ren Bevölkerung eingesetzt und gesehen, wie wichtig eine Anlauf- bzw. Beratungsstelle rund um das Thema „Alter und Altern“ ist. Das Seniorenbüro selbst existiert seit dem Jahr 1997 und hat sich aus der schon mehrere Jahre zuvor eingerichteten „Abteilung Altenhil-fe“ der Sozial- und Jugendbehörde entwickelt.

RJ: Welche Stellung hat das Seniorenbüro innerhalb der Stadtverwaltung?

Sch: Das Seniorenbüro ist von Beginn an dem Sozialamt der Stadt Karlsruhe zugeord-net. Ab dem Jahr 2011 wurde im Seniorenbüro auch der Pflegestützpunkt der Stadt Karls-ruhe angesiedelt.

RJ: Wie viele Mitarbeiter hat das Seniorenbüro?

Sch: Derzeit arbeiten im Seniorenbüro/Pflegestützpunkt 13 Mitarbeiterinnen. Unser Büro steht Interessierten bei allen Fragen des aktiven Alterns und rund um das Thema „Hilfe- und Pflegebedürftigkeit“ zur Verfügung.

RJ: Welche Aufgaben hat das Seniorenbüro? Haben sich Aufgaben in der Zeit des Bestehens des Seniorenbüros geändert?

Sch: In der Arbeit im Seniorenbüro werden Informationen und Beratung über Freizeit-, Sport-, Gesundheits- und Bildungsangebote bereitgestellt, und es erfolgt eine Beratung zu Möglichkeiten, wie man sich selbst bürgerschaftlich engagieren kann. Insgesamt kön-nen sich Ratsuchende im Seniorenbüro bei Fragen rund um die aktive Lebensgestaltung im Älterwerden informieren. Darüber hinaus bieten wir Veranstaltungen für die Karlsruher Bevölkerung an, zum Teil in Kooperation mit anderen. So organisieren wir zum Beispiel jedes Jahr das Herbstkonzert des Seniorenorchesters. Es wird in diesem Jahr am 11. Oktober, wieder in der Badnerlandhalle in Neureut, stattfinden. Darüber hinaus gibt es am Anfang eines jeden Jahres die Veranstaltung des Ettlinger Seniorenkabaretts „Graue Zellen“, unterhaltsame Nachmittage in Daxlanden und Durlach und last but not least die Faschingsveranstaltung im Gehörlosenzentrum in Daxlanden.

Da es in Karlsruhe seit vielen Jahren ein vielfältiges und breit gefächertes Angebotsnetz vieler freiwillig Engagierter gibt, das der älteren Generation Möglichkeiten zur Begeg-nung, Mitgestaltung, Aktivität, Bildung und Unterhaltung bietet, werden im Seniorenbüro Gruppen und neu im Aufbau begriffene Projekte in der qualitativen Weiterentwicklung ihrer Angebote durch eine fachliche Begleitung unterstützt.

RJ: Welches sind die Aufgaben des Seniorenbüros als Pflegestützpunkt?

Sch: Das Pflegestützpunktteam hat gesetzliche Aufgaben und hilft bei der Klärung und Suche nach passender Unterstützung in der oft sehr belastenden Pflegesituation in einer Familie. Es bietet eine umfassende, unabhängige, kostenlose und wohnortnahe Auskunft und Beratung über alle Sozialleistungen und Hilfeangebote.

RJ: Wie ist die Struktur des Pflegestützpunktes?

Sch: Im Pflegestützpunkt gibt es eine Informationsstelle, die zu folgenden Themeninhal-ten informiert:

Page 7: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

7

- Finanzielle, medizinische, pflegerische Unterstützungsmöglichkeiten,

- Unterstützung bei der Alltagsgestaltung oder der Haushaltsführung,

- Sozialversicherungsleistungen und die Schritte zu ihrer Beantragung

(zum Beispiel Pflegegrade),

- Entlastungsmöglichkeiten für Angehörige,

- das Heimplatzangebot, insbesondere freie Heimplätze.

Diese Informationsstelle ist für Ratsuchende in ganz Karlsruhe zuständig.

Der Pflegestützpunkt ist auch Beratungsstelle. Die derzeit fünf Mitarbeiterinnen des Pfle-gestützpunktes, die in der Beratung tätig sind, unterstützen Ratsuchende dann, wenn unklar ist, wie die neue Situation bei bestehender Hilfe- und Pflegebedürftigkeit gemeis-tert werden kann und natürlich in diesem Zusammenhang auch viele Fragen auftau-chen. Ziel ist es, gemeinsam mit den Betroffenen, deren Angehörigen und allen Beteilig-ten Möglichkeiten der Unterstützung zu finden und zu entwickeln, damit tragfähige Lösungen gefunden werden können. Das klärende Gespräch hierzu kann sowohl telefo-nisch, persönlich im Büro oder zu Hause erfolgen. Die Mitarbeiterinnen in der Beratung sind allerdings bestimmten Stadtteilen zugeordnet.

RJ: Sehr geehrte Frau Scheffner-Schwarze, haben Sie vielen Dank für diese Informa-tionen zum Seniorenbüro der Stadt Karlsruhe. Das Gespräch führte Rüdiger Frank

* * * *

Frühlingsspaziergang im Park der FächerResidenz

Die Bäume, Sträucher und Blumen in dem kleinen Park, der die FächerResidenz umgibt, sind nach dem Winterschlaf zum Leben erwacht, und es lohnt sich, einmal nachzu-schauen, was da eigent-lich wächst.

Unseren Spaziergang beginnen wir am Haupt-eingang, wo rechts und links zwei alte Eichen stehen. Wahrscheinlich handelt es sich um Trauben-eichen. Im Gegensatz zur Deutschen Eiche oder Stieleiche sind ihre Früchte, die Eicheln, ohne Stiel traubenartig mit dem Zweig verbunden, und außer-dem haben sie gezackte Blätter und keine rund gebuchteten wie die Stieleichen. Die beiden Eichen gehören zu den Bäumen, die in einem Baumkataster erfasst sind. Grundstückseigentümer, ob Stadt, Volkswohnung oder eben unsere FächerResidenz, sind dazu verpflichtet, ab einem bestimmten Alter ihre Bäume in einem Baumkataster zu führen, und jeder Baum bekommt eine Nummer. Auf ein Bleitäfelchen von etwa 3 x 5 cm graviert, wird diese dann am Baum angebracht.

Page 8: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

8

Falls man es ganz genau wissen möchte: Die rechte der erwähnten zwei Eichen trägt die Nummer 00204 und die linke 00245. Wenn man sucht, dann findet man in unserem Park diese Bleitäfelchen an vielen der alten Bäume.

Durch ein kleines Tor rechts vom Haupteingang betreten wir den vorderen Teil des Parks. Links befindet sich ein Blumenbeet mit vielen Lavendelsträuchern, an dessen jeweiligem Ende ein Hamamelisstrauch wächst, der uns schon im Februar mit roten Blüten erfreut und den deutschen Namen „Feuernuss“ trägt. Vor der grünen Ligusterhecke des Wirtschaftstrakts stehen Forsythien, die es im Frühjahr kaum erwarten können, ihre gelben Blüten zu öffnen. Dort wie auch sonst im Park verstreut stehen Fliederbüsche, die in Kürze ihre duftenden blauen Dolden öffnen werden.

Am Wasserbecken mit dem Wasserspiel wachsen zwei Rhododendren voller Knospen, deren Blüten wir aber erst im Mai bewundern können, und im Kreisbeet rund um das Becken stehen Rosenbäumchen, die ihre Blüten erst später im Jahr entfalten werden, zu deren Füßen aber im Frühjahr Krokusse und Primeln den Frühling verkünden.

Folgen wir dem Weg um das Becken herum zum Ausgang Richtung Michiganstraße, so können wir dort eine gelbblühende Zaubernuss entdecken. Sie gehört zu den Heilmittelpflanzen, deren Gerbstoff entzündungshemmend wirkt. Links davon befindet sich eine Magnolie, die ein Bewohner, Professor Becker, vor zehn Jahren gespendet hatte und die zwar kräftig wuchs, aber zu seinem Leidwesen nur sehr spärliche Blüten und gar keine Früchte trug. Aber siehe da, im August 2018 trug sie zur allgemeinen Überraschung endlich das erste Mal purpurrote Früchte. Nun weiß man nicht, ob der heiße Sommer der Auslöser war oder ob sie ihre Fortpflanzungsfähigkeit endlich begriffen hat. Man darf gespannt sein auf den August 2019. Neben Zaubernuss und Magnolie findet sich im ersten Parkteil noch ein besonderer, leicht zu übersehender Baum, nämlich eine Waldkiefer, die durch ihre zarten Nadeln besticht, die nicht wie bei der Schwarzkiefer in robusten Büscheln am Zweig wachsen.

Auf den Grünflächen dieses wie auch des zweiten Parkteils entlang der Tennesseeallee finden wir vor allem die für den Hardtwald typischen Bäume, wie sie zum Jagdrevier des Großherzogs gehört hatten. Sowohl die Amerikaner, die bis in die 90er Jahre in diesem Viertel lebten, als auch die Bauherren der

FächerResidenz haben sich bemüht, diesen Bestand zu schonen, so dass einige der Eichen ein Alter von 150 Jahren oder mehr haben dürften. Zu diesem Bestand gehören Traubeneichen, Stieleichen, Buchen und Schwarzkiefern. Allerdings hat sich eine Hainbuche zwischen die Kiefern vor dem Haus mit der Nummer 4 a eingeschlichen. Sie ist trotz ihres Namens gar keine

Page 9: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

9

Buche, sondern gehört zu den Birkengewächsen und bringt statt der Bucheckern geflügel-te Früchte hervor ähnlich wie Ahornbäume. Beeindruckend sind dort an dieser Stelle aber vor allem die mächtigen hohen Kiefern, die zum eigentlichen Kernbestand des Hardtwaldes gehören. Leider werden sie ihres verkrüppelten Holzes und langsamen Wuchses wegen nur noch selten nachgepflanzt und leiden unter den zu heißen Sommern beträchtlich.

In den Einschnitten zwischen den länglichen, zur Tennesseeallee weisenden Hausteilen, im FächerResidenz-Volksmund „Finger“ genannt, fallen zwischen Finger eins und zwei (von der Michiganstraße aus gesehen) zwei große Erlen auf, die im März blühen und Fensterbänke und Balkone mit ihrem gelben Blütenstaub zudecken - nicht eben zur Freude der Bewohner. Hinter den Erlen in Richtung Hauptbau steht zudem ein Blauglockenbaum, der schon seit zwei Jahren keine Blüten mehr hervorgebracht und unter dem trockenen Sommer ungeheuer gelitten hat. Viele Äste sind vertrocknet, aber seine Krone ist noch kräftig und grün, und ein feuchter Sommer wäre imstande, ihn noch zu retten. Vielleicht könnten notfalls ein paar Bewohner mit der Gießkanne nachhelfen?

Im nächsten Zwischenraum stehen zwei Wildkirschen, die mit ihrem weißen Blütenrausch an ein Hochzeitskleid erinnern. Im Juni reifen dann die kleinen sehr schmackhaften Vogelkirschen heran. Leider hängen sie für die Kenner aus der FächerResidenz zu hoch, und so werden sie von Vögeln geerntet.

Der dritte Einschnitt ist etwas anders gestaltet. An den Seilen und Kletter-hilfen ranken sich Schlingpflanzen em-

por, die Akebie oder Blaugurkenrebe. Diesen Namen ver-dankt sie ihren etwa zehn Zentimeter langen rosa bis purpurnen Früchten, deren Gestalt an Gurken erinnert. Sie können übrigens gegessen und die Blätter als Tee getrunken werden – allerdings hat das noch keiner unserer Bewohner ausprobiert.

Der Eindruck wäre aber unvollständig, wenn nicht die vielen buchs-baumartigen und kugelförmigen Büsche erwähnt würden und vor allem die wunderschönen Blumeninseln, die unser Gärtner Salvatore ange-legt hat. Je nach Jahreszeit wachsen dort die verschiedensten Blumen: derzeit natürlich Krokusse, Tulpen, Osterglocken und, ganz üppig und wunderschön am Abhang vor dem Speisesaal, Hunderte von Narzissen.

Häufig wird der schöne kleine Park zum Auf- und Abgehen mit dem Rollator benutzt, denn überall laden Sitzbänke zum Verweilen ein. Der großmaschige Zaun erlaubt aber jedem Vorübergehenden einen Blick hinein in diesen Park. Er steht ja den Bewohnern des Viertels offen, denn es ist zwar die Durchfahrt verboten (gemeint sind Fahrräder), nicht aber der Durchgang. Ingeborg Niekrawietz / Marthamaria Heilgeist, FR

Page 10: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

10

Regionalgerichte

Lipp‘scher Pickert

Schon mal was vom Lipperland und von der dortigen Spezialität, dem Lipp'schen Pickert, gehört? Nein? Dann wird es Zeit! Hier ist das Rezept:

Zutaten:500g Kartoffeln500 g Mehl5 Eier25 g frische Hefe oder ein Päckchen Trockenhefe1 Teelöffel Salzeventuell etwas Zucker, in dem Falle auch Rosinen (Menge nach Wahl)

Die halbe Menge von allem ergibt auch schon genug für z.B. zwei bis drei Personen; er schmeckt auch aufgewärmt.

Zubereitung:Die rohen geschälten Kartoffeln müssen mit einer Küchenreibe zu einem Brei gerieben werden. Geben Sie diesen zusammen mit den Eiern und den Rosinen in eine Schüssel und verrühren alles miteinander. Beim Rühren geben Sie lang-sam das Mehl hinzu. Lösen Sie dann die Hefe in 100-150 ml Wasser auf und geben Sie dies zusammen mit einem Teelöffel Salz in die angerührte Masse. Alles noch einmal schön verrühren und mit einem Handtuch bedeckt eine Stun-de lang gehen lassen. Nun können Sie den Teig in eine heiße Pfanne (mit Öl bedeckt) geben und goldbraun backen.

Wie komme ich dazu, mitten in Baden dieses Rezept zu empfehlen ?

Wir haben uns in der Redaktion gedacht, dass nicht jeden von unseren Bewohnern beim Wort „Badner Land“ gleich ein heimatliches Gefühl beschleicht. Wir kommen aus vielen Ländern und Regionen, und es gibt viele „Heimaten“. Das hat die Redaktion auf die Idee gebracht, einmal nach den Regionalgerichten der Heimat unserer Bewohner zu fragen, eventuell eine Artikel-Reihe daraus zu machen. Denn die Spezialgerichte von dort, wo wir unsere Kindheit verbracht haben, sind besonders dazu geeignet, Heimatgefühle in uns zu wecken. Friederike Steinborn hatte ja im Januarheft 2017 schon einmal einen Vorstoß gemacht und die Käsespätzle ihrer Heimat Bayern vorgestellt – wohlgemerkt, die echten, die eigentlich Käsespatzen heißen müssten, mit einem Spezialkäse gekocht werden und mit den landläufigen „Käsespätzle“ nichts zu tun haben. Ich setze nun die Reihe fort mit einem besonderen Leckerbissen aus meiner nicht so bekannten Heimat, dem Lipperland.

Für die, die es nicht kennen: Es hat auf der deutschen Landkarte zwischen dem Teutoburger Wald und der Weser sein bescheidenes Plätzchen. Seine Hauptstadt ist Detmold mit dem Schloss des Fürsten von Lippe in der Mitte, dessen Nachfahren dort heute noch leben. Wer kennt nicht den Song: „Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt …“ ?

„Lipper-Land“ bedeutet „Land“ im Sinne von Bauernland. Die Gegend um den Teutoburger Wald bestand fast nur aus Ackerland. Dazwischen wenige kleine Land-städtchen; auch diese waren von Kleinlandwirten und Kleinhandwerkern bewohnt und von jeder Menge armer Leute. Viele arbeiteten als Heimarbeiter zuhause für Hunger-

Page 11: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

11

löhne, andere wanderten als Ziegeleiarbeiter nach Holland, um die Familien durchzubringen. Ein Schwein hinter dem Haus zu haben und einige Hühner im Hof, das war lebensnotwendig. Als im 18. Jahrhundert die Kartoffel als billiger Brot- und Getreideersatz kam, war das die Rettung. Sie wuchs auf jedem Boden, in jedem kleinen Gärtchen gleich hinterm Haus, sie war billiger als Getreide, sie machte satt. Aber wie kann man den ewig gleichen, etwas faden Kartoffeln mehr Reiz abgewinnen? Man probierte herum. Jede Hausfrau entwickelte ihr eigenes Rezept und gestaltete je nach den bescheidenen Möglichkeiten ihren Pickert. Noch heute kann man herumprobieren und je nach Kalorienbedarf einen „Neureichenpickert“ (so nannte man das tatsächlich) oder den „Urpickert“ mit den Zutaten der armen Leute zubereiten.

In vergangenen Zeiten, als der Pickert noch ein „Arme-Leute-Essen“ war, wurde der Teig direkt auf der mit einer Speckschwarte eingeriebenen Herdplatte gebacken, denn „ein Schwein auf'n Stalle“ (auf echt Lippisch sagt man das so) hatten die meisten, im Koben hinter der Hütte, und die Speckschwarte wurde bis zum letzten Fetttropfen genutzt. Bis heute gehört auf den Jahrmärkten, Weihnachtsmärkten und Schützenfesten im Lipper-land der Pickert, an Ständen frisch zubereitet, zu den beliebtesten Angeboten; man sieht die Leute vorbeischlendern, in der Hand auf Papptellern ein dampfendes Stück Pickert, wie sie genüsslich hineinbeißen. („Wie krieg' ich nur die Fettfinger hinterher wieder sau-ber ?“) Man findet den Pickert in jeder Traditionsgaststätte das ganze Jahr über auf der Karte.

Wie serviert man den Pickert? Je nachdem, ob mit oder ohne Zucker zubereitet, z.B. mit Rübenkraut (Zuckerrübensirup), darunter – Gipfel des Luxus – noch etwas Butter. Man kann aber auch lippische Leberwurst drauf streichen, dann natürlich ohne Zucker im Teig. Dazu trinkt man Malzkaffee oder Kornkaffee („Muckefuck“). Heute wird auch Kom-pott dazu gereicht und Puderzucker darüber gestreut, das ist aber eine sehr späte Variante.

Das Rezept lässt sich also vielfach variieren: mit oder ohne Zucker, mit einem Zusatz von Bier, mit etwas Milch verfeinert, mit weniger oder mehr vom Mehl, von den Kartoffeln oder den Eiern. Man kann den Teig auch mit Haferflocken „verlängern“. Leberwurst oder Rübenkraut drauf, alles geht. Es ist ja ein Gericht, das im „Ausprobieren“ entstanden ist, und das hat etwas zu tun mit der Geschichte des „Lipperlandes“ und seinen „armen Leu-ten“. Es gibt also – entgegen vielen anderen Regionalgerichten – kein geheiligtes „Origi-nalrezept“ und auch kein „Geheimrezept“, der Fantasie sind Tor und Tür geöffnet, und Sie können gleich loslegen, auch in einem kleinen Appartement, Sie brauchen außer den obigen Zutaten nur eine Herdplatte und (heute natürlich) eine Pfanne. Ingrid Rumpf, FR

* * * *

Kurznachrichten aus unseren Residenzen

Residenz Rüppurr

Im Freigelände zwischen Haus II und dem Schwimmbad wurden zwei höhere Zylinder aus gebürstetem Edelstahl errichtet, je nach Blickwinkel sauber grün oder grau erschei-nend. Sie gehören zu einer Neuanlage der Belüftung der Speisesäle und des Keil-berth-Saals und sind im Prinzip gesetzlich vorgeschrieben.

Am 1. März war eine große Menge gesammelter Briefmarken für Bethel abgeholt wor-den. Schon wenige Tage danach lag das Dankschreiben des Anstaltsleiters Pastor Pohl vor; es war länger bei der Sammelbox nahe unserer Rezeption angeschlagen.

Page 12: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

12

Neue Bewohner

In der Residenz RüppurrInge Flohr App. I- 4/ 3Hans Gegusch App. III- 2/ 5Brigitte Kirchner App. I- 5/ 9Renate Lempert App. II-I1/ 6Franz Linhart App. I- 9/ 2Peter und Gertrud Miehe App. II- 7/10Max Restle App. III- 7/ 5Annette Schrödter App. I- 2/ 6Christiane Voigt App. I- 3/ 4

In der FächerResidenzDr. Wolfgang und Anne-Rose Daiber App. 203Jacques Donzallaz App. 223Magda Horak App. 202Inge Karnuth App. 324Wolfgang und Ursula Opferkuch App. 113Lothar und Marie-Luise Sauer App. 352Beatrix Schillo App. 53Dr. Frank und Marianne Schulteß App. 16Rolf Kugel und Edeltraut Speer App. 240

Herzlich

Willkommen

Wir sind gerne

für Sie da!

Auch in diesem Jahr fand in unserer Residenz Rüppurr wieder eine allseits gelobte Fastnachtsfeier für beide Häuser statt. Aber nicht jeder Bewohner der FächerResidenz, der gerne gewollt hätte, konnte daran teilnehmen, aus welchen Gründen auch immer. Deshalb kam das Team, das Veranstaltungen von Bewohnern für Bewohner durchführt, auf den Gedanken, noch eine Fastnachtsfeier für die FächerResidenzler zu machen.

Und so gelangten diese nicht nur in den Genuss eines Gläschens Sekt und ausgezeichneter Berliner, sondern auch von selbst verfertigten Gedichten und Geschichten, die auf Ereignisse des Jahres in der FächerResidenz Bezug nahmen und sie durch den Kakao zogen oder einfach lustig und humorvoll waren. Der Geschichte von Frau Zierep, die nicht anwesend sein konnte, lieh Frau Hämmerle ihre Stimme. Dazwischen wurde kräftig ge-sungen und geschunkelt; am Klavier spielte Herr Hoffmann, unser hausei-genes Klavier-Ass. Gewöhnungsbedürftig, aber dem Anlass angemessen, trugen die phantasievollen Kleidungsstücke und Kopfbedeckungen der „Büttenredner“ zur heiteren Atmosphäre bei, allen voran das gelb-blaue, mit Glöckchen besetzte Narrengewand à la Till Eulenspiegel von Frau Hämmerle, der Regisseurin und Hauptdarstellerin.

Herzlicher Beifall dankte den Protagonisten – und alle hoffen auf eine Wiederholung im nächsten Jahr.

Fastnachtsfeier in der FächerResidenz

* * * *

Page 13: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

Fle

13

Im April 2019 Residenz Rüppurr Walburga Greulich 97 Jahre Susi Honold 96 Jahre Emma Friederike Kille 96 Jahre Adelheid Böhme 95 Jahre Ilse Braunheim 90 Jahre Erika Eckardt 90 Jahre Ingetraut Holtfreter 90 Jahre Im Mai 2019 Residenz Rüppurr Gisela Merkel 98 Jahre Klaus Haas 97 Jahre Elena Just 97 Jahre Erna Kirn 95 Jahre Gerda Laber 95 Jahre FächerResidenz Renate Walter 95 Jahre

Im Juni 2019 Residenz Rüppurr Hilde Maier 101 Jahre Erika Roland 97 Jahre Thekla Schaber 96 Jahre Marianne Glunz 95 Jahre Horst Marquardt 95 Jahre Else Schäfer 95 Jahre Eleonore Kohl 90 Jahre Hildegard Jordan 90 Jahre Margot Link 90 Jahre

FächerResidenz Lothar Fritsche 90 Jahre

Wir gratulierenzum Geburtstag!

Herzlichen

Glückwunsch!

Dienstags zwischen 15.00 Uhr und 17.00 Uhr haben Sie ca. jede 1/2 Stunde ohne Vor-anmeldung die Möglichkeit zur Beratung und zur Besichtigung von Musterwohnungen, sowohl in der “FächerResidenz” als auch in der “Residenz Rüppurr”.

Page 14: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

5 14

Wer kennt sie nicht, die Namen der Karlsruher Biere, von denen viele heute verschwunden sind: Schrempp, Printz, Wolf, Fels, Moninger, Sinner, Hoepfner und viele andere mehr.

Als Zeitzeuge, Jahrgang 1955, habe ich die Geschichte der Brauerei Sinner und der in den 60-er und 70-er Jahren bestehenden Brauereien in sehr lebendigen Erzählungen aus dem Munde meiner Eltern und Großeltern erfahren.

Die wirtschaftliche und bauliche Entwicklung von Karlsruhe wurde schon frühzeitig durch die Betriebe der vielen Brauereien geprägt. Bereits wenige Jahre nach der Stadtgründung 1715 waren die ersten Bierbrauer in den Namensverzeichnissen der noch jungen Stadt zu finden. Steuerprivilegien, kostenloses Bauland und eine großzügige Vergabe von Schank-konzessionen ließen die Stadt und mit ihr die Anzahl von Gastwirtschaften und Bierschen-ken schnell wachsen. Bier wurde zunehmend für die ärmeren Bevölkerungsschichten zum „Wein des kleinen Mannes“. Damit wuchs der Bedarf an großen Braustätten im industriellen Maßstab.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zählte man acht Bierbrauer in Karlsruhe. Die Anzahl wuchs jedoch rasch: so wurden bereits 1839 insgesamt 20 Brauer und 14 Küfer gezählt, die sich in einer Bierbrauerzunft organisiert hatten. Der stetige Wandel vom Handwerksbetrieb zur industriellen Produktion machte jedoch eine Ausweitung der Produktionsflächen erforder-lich, um Ausstoß und Qualität der Biere zu steigern. Viele in der Innenstadt gelegene Braue-reien suchten daher einen neuen Standort, den sie am damaligen Stadtrand in der heutigen Weststadt an der Kaiserallee und der Kriegsstraße fanden. Noch heute finden sich dort eini-ge der repräsentativen Bauten der damaligen Industriearchitektur.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann dann die Blütezeit der industriellen Bier-produktion in Karlsruhe, die erst mit Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 endete. In Spit-zenzeiten wuchs die Anzahl der Brauereien bis auf 31 Betriebe an.

Viele der bekannten Brauereien wie z.B. Printz, Hoepfner, Monin-ger, Fels und Sinner wurden in diesem Zeitraum groß und etablier-ten sich auch weit über die Stadtgrenzen hinaus, teilweise sogar international. Eine Vielzahl technischer Neuerungen führte zu einer wahren Revolution im Brauwesen. Die Erfindung der Kühl-maschinen, der Einsatz dampfgetriebener Maschinen, die Abfül-lung in Flaschen mit Kronenkorken sowie zahlreiche neue Bier-sorten ließen die produzierte Biermenge und damit den Bierkon-sum in der Stadt nach oben schnellen. So lag im Jahr 1888 der Bierkonsum der Stadt Karlsruhe (64.600 Einwohner) bei 264 Litern pro Kopf. Ein Rekord! Im Vergleich dazu lag im Jahr 2017 der Bierkonsum in Deutschland bei rund 101 Litern pro Kopf.

Begleitet wurde die Entwicklung der Karlsruher Brauereien von einem stetigen Konzentra-tions- und Veränderungsprozess. Wettbewerb der Brauereien untereinander, hoher Kos-ten- und Personalaufwand, Veränderungen im Markt, bauliche Veränderungen in der Stadt und die Folgen der Zerstörungen aus den Weltkriegen machten den Brauereien und ihren Eigentümern in den 50-er Jahren schwer zu schaffen. Heute ist der Großteil der Brauereien verschwunden oder in anderen überregionalen Braukonzernen aufgegangen.

Karlsruher BrauereienRückblick von Robert Sinner

Email-Schild um 1920

Page 15: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

15

Die Familien-Brauerei Sinner ging von Beginn an einen anderen Weg. Ihre Geschichte begann vor 200 Jahren mit der Erwähnung von Anton Sinner als Fabrikant auf dem ehemali-gen Grünwinkler Gutshof. Mit bescheidenem Erfolg war er in der Produktion von Essig, Branntwein und Bleizucker tätig. Erst sein ältester Sohn Georg hat die Fabrikationsanlagen, Gebäude und Grundstücke gekauft und mit großer Tatkraft eine weit über die Grenzen von Karlsruhe bekannte Brauerei und Nährmittelfabrik aufgebaut.

Die nachfolgenden Generationen konnten diesen Erfolgskurs weiter fortsetzen und das Unternehmen trotz schwerwiegender Beeinträchtigungen aus den beiden Weltkriegen zu einem internationalen Nahrungsmittel- und Genussmittelkonzern mit über 1400 Beschäftig-ten ausbauen. Neben Bier bestand die Produktpalette aus Hefe, Spirituosen, Backpulver, Suppenwürze, Stärke, Puddingpulver, Vanillinzucker, Haferflocken, Marmeladen sowie Obst- und Gemüsekonserven. Zudem war das Unternehmen im Rahmen des Branntwein-monopols wesentlicher Produzent von Industriealkohol.

Als Kind hatte ich früh die Gele-genheit, meinen Vater in die Brauerei zu begleiten. Ich war fasziniert von den riesigen Ge-bäuden, den Maschinen, Gerü-chen und Geräuschen. Die Ma-schinen rochen nach warmem Öl, vereiste Rohre für die Küh-lung rochen nach dem Kältemit-tel Ammoniak, und die Gärbot-tiche verströmten einen alkoho-

lischen und malzig-hefigen Duft. Die große gegenseitige Wertschätzung zwischen Mitarbei-tern und der Familie Sinner sowie das Wissen innerhalb unserer Familie um die harte Arbeit im Brauereialltag waren für mich als Kind schnell spürbar.

Fast jeden Tag waren die Ereignisse aus der Brauerei Gesprächsthema im Elternhaus. Ich erinnere mich an Unglücksfälle, wie z.B. eine große Leckage des Spirituslagers mit austre-tenden gefährlichen Dämpfen oder die Arbeiten in den Gleisen mit dem immer sehr gefährli-chen Rangieren der Kesselwagen.

Auch die schönen Dinge wie z.B. die Bierproben zur Entwicklung neuer Biersorten im Kreis der Familie sind noch in Erinnerung. In neutralen Gläsern wurden ungefähr 15 verschiedene Biere auch fremder Marken ausgeschenkt, und die gesamte Familie musste ihr Urteil abge-ben. Besonders groß war die Überraschung, wenn einmal ein markenfremdes Bier als Bestes ausgewählt wurde. Das gab eine aufgeregte Diskussion und führte zur mehrmaligen Wiederholung der Versuchsreihe. Am Ende gab es aber immer ein einvernehmliches Votum. Solche Entscheidungen wurden dann dem Braumeister von Sinner mitgeteilt. Das Ergebnis war dann eine neue Biersorte oder Geschmacksrichtung.

Auch die Namen der damaligen Brauereien waren mir schnell geläufig, da die Eigentümer der Karlsruher Brauereien sich gelegentlich zu Hause besuchten. Wesentliches Gesprächs-thema bei diesen Besuchen war der starke Konzentrationsprozess, dem sich die Karlsruher Brauereien seinerzeit ausgesetzt sahen. Allein im Jahr 1967 mussten die mittelständischen Brauereien Fels, Schrempp-Printz und Moninger die eigenständige Brautätigkeit aufgeben. Diese dramatische Entwicklung war auch im Kreis der Familie Sinner präsent.

Trotz erheblicher Modernisierungen im Unternehmen wurde erkennbar, dass Wettbewerbs-druck und Marktkonzentration den weiteren Fortbestand des Unternehmens Sinner be-

Anton SinnerChemiker

1786 -1861

Georg SinnerBrauereidirektor

1823 -1883

Ansicht Brauerei Sinner 1919

Page 16: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

16

drohen würden. Für die Familie als Eigentümer und insbesondere für meinen Vater in sei-ner führenden Rolle innerhalb der Familie stellte sich nun die wohl schwierigste Entschei-dung in der Geschichte des Unternehmens: Nach mehr als 140 Jahren stand nun das Ende einer unabhängigen Führung der Brauerei im Raum, was dann mit Fusionierung mit Monin-ger (damals Reemtsma-Gruppe) im Jahre 1973 auch vollzogen wurde.

Die Sorge meines Vaters über die möglichen Auswirkungen auf die Arbeitsplätze der Beleg-schaft der Sinner AG und die Unsicherheiten über die eigene berufliche Zukunft waren in dieser Zeit allgegenwärtig. Innerhalb der Familie gab es ungezählte Gespräche mit sehr unterschiedlichen Positionen und mit heftigen Kontroversen. Dennoch konnte man sich am Ende Dank der Geschlossenheit der Familie auf sinnvolle Lösungen verständigen.

Die außerordentliche Belastung dieser Entscheidungsphase war meinem Vater noch lange Zeit anzumerken. Heute bin ich seinem weitsichtigen Rat dankbar, meine eigene berufliche Zukunft außerhalb des Unternehmens zu suchen.

Geblieben sind viele lebendige Erinnerungen an die Brauerei Sinner, an die beeindrucken-den Industriegebäude in der Weststadt und die enge Verbundenheit mit vielen alteingeses-senen Bewohnern des Ortsteils Grünwinkel, für die Sinner ein bedeutender Arbeitgeber war.

Robert T. Sinner; Quelle: Hopfen & Malz, Veröffentlichung des Stadtarchivs Karlsruhe, Band 19. Bilder aus Familienarchiv Sinner

Reflexionen

(Aus Joseph von Eichendoffs Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“)

Bald kommt der Mai, bald ist Reisezeit – Fernweh ist angesagt. Da holen wir vielleicht die alten Fotoalben aus dem Schrank und sehen uns noch einmal selbst: damals, noch jünger, inmitten einer der geliebten Ferienlandschaften, vor der Fassade eines berühmten Bauwerks irgendwo in Italien oder Griechenland, oder auch in froher Runde am Tisch eines Landgasthofs. Natürlich alle Fotos in Papierform, säuberlich aufgeklebt und datiert, jedes Bild ein „Unikat“! Wie herrlich war das immer: Die Planung mit Hilfe von Hochglanzprospekten und Landkar-ten, das Aussuchen des Hotels oder der Ferienwohnung, diese freudige Erwartung! Die Realität war dann manchmal etwas prosaischer und holpriger, aber das spielt in der Erinnerung keine Rolle mehr.

Gehörte eigentlich der „Urlaub“ schon immer zum Lebensrhythmus? Wie war das bei unseren Großeltern, unseren Urgroßeltern? Ist der

Mensch eher ein sesshaftes Wesen, ist diese Neugierde, diese Lust auf Abenteuer, auf Auf-bruch zu fernen Horizonten etwas ursprünglich im Menschen Angelegtes, oder ist es etwas Aufgesetztes, das sich kulturell entwickelt hat? Es hat mich gereizt, dieser Frage etwas nachzugehen. Was ich dabei gelernt habe, will ich hier in wenigen Absätzen zusammenfas-sen:

* * * *

„Wem Gott will rechte Gunst erweisen,den schickt er in die weite Welt ...“

Page 17: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

1317

Englischer Gruß

Schauen wir kurz auf die frühe europäische Gesellschaft: Wir stellen uns da mit Recht eine Gesellschaft vor, in der der Einzelne „an die Scholle“ oder an seinen kleinen Gewerbebe-trieb gebunden war – kein Gedanke an Jahresurlaub. Aber auf den großen Überlandwegen und in den dichten Wäldern Europas waren viele Menschen unterwegs, ohne Hochglanz-prospekte, Hotelführer und Michelin. Scharen von Pilgern wanderten nach Santiago de Compostela und Tausenden anderen heiligen Orten. Dann kamen ab etwa 1100 die Kreuz-züge: Das waren ja nicht nur geordnete militärische Unternehmungen, das waren auch völ-lig ungeordnete Ausbrüche, vor allem junger Männer, die aus der Kargheit und Aussichtslo-sigkeit ihres Lebens zu neuen Horizonten aufbrachen – das war schon eine Art Massentou-rismus.

Seit dem 13. Jahrhundert waren außerdem Scharen von Bettelmönchen unterwegs und seit dem 14. Jahrhundert junge Männer, die sich als Söldner den verschiedenen Feldherren anboten, z. B. im 100jährigen Krieg in Frankreich oder im 30jährigen Krieg im Deutschen Reich. Der Söldner Peter Hagendorf hat Tagebuch geführt: Man hat nachgerechnet, dass er in den 30 Jahren seines Söldnerdaseins zwischen 1618 und 1648 im Gefolge verschiede-ner Feldherren mehr als 40 000 Kilometer zurückgelegt haben muss. Natürlich sind hier auch die wandernden Handwerksgesellen und Studenten zu nennen.

Unter all den Menschen in Bewegung gab es noch eine andere Gruppe. Es waren die von der Gesellschaft Ausgeschlossenen, die auf keinem „Gottesacker“ begraben werden durf-ten: Schausteller, Wunderheiler, „Zigeuner“, Juden auf der Flucht, Diebesbanden, Vogel-freie, um nur einige Vertreter dieser Schar ohne Hoffnung und Heimat zu nennen. Also: Auf- und Ausbruchsstimmung ist nichts Neues in der Gesellschaft. Fernweh gab es immer, nur waren die Wanderungen beschwerlicher und hatten andere Motive als heute.

Im 18. Jahrhundert nahmen der allgemeine Wohlstand und der Bildungshunger in der Ge-sellschaft allmählich zu, und es entstand das, was wir das Bildungsbürgertum nennen. Damit greift eine neue Art von Reiselust um sich, vor allem bei den wohlhabenden Bürger-söhnen: Fernweh war ein Element des romantischen Lebensgefühls. Seit Ende des 18. Jahrhunderts brach es epidemisch in der jungen Generation aus.Typisch dafür ist ein Gedicht von Joseph von Eichendorff unter dem Titel „Sehnsucht“.

Die „Sehnsucht“ zog diese Generation von jungen Menschen damals vornehmlich nach Süden. Goethes „Italienische Reise“ Ende der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts wurde vor-bildhaft für eine ganze Generation. Das Reisen wurde zur Mode, nicht nur für die abenteuer-lustigen jungen Männer. Für die Damen und die ältere Generation entwickelte sich im 19. Jahrhundert der Bädertourismus. Die Literatur ist voll von romantischen Abenteuern, die sich um Badereisen herum abspielen – von Goethe über Theodor Fontane bis Thomas Mann, nicht zu vergessen die Trivialliteratur, z.B. Hedwig Courths-Mahler. Um diese kurze Geschichte der Reiselust vollständig zu machen, sei hier auch noch die Wandervogelbewe-gung um die Wende zum 20. Jahrhundert aufgeführt. „Aus grauer Städte Mauern zieh'n wir durch Wald und Feld…“ wurde zur Hymne der Bewegung.

Es schienen so golden die Sterne,

Am Fenster ich einsam stand

Und hörte aus weiter Ferne

Ein Posthorn im stillen Land.

Das Herz mir im Leib entbrennte,

Da hab' ich mir heimlich gedacht:

Ach wer da mitreisen könnte

In der prächtigen Sommernacht!

Page 18: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

FlockeFlocke

18

Dieses Fernweh, dieses Verlangen, herauszukommen aus dem Alltag, ferne Welten zu erkun-den, ist also etwas Urmenschliches. Immer verließen Menschen den „heimischen Herd“, um Aufregendes oder Anregendes zu erleben und Fremdes kennen zulernen. Aber erst in den verschiedenen Fernwehwellen seit der Romantik erkennen wir die Wurzeln des heutigen Mas-

sentourismus, der mit „Neckermann-Reisen“ in der Mitte des 20. Jahrhunderts in Deutschland seinen Anfang nahm. Dass sich in unserer Zeit zum ersten Mal in der Geschichte eine so große Anzahl von Menschen den Luxus technisch durch-organisierter und damit bequemer Reisen leisten kann, ist neu und ein Privileg, dessen wir uns durchaus dankbar bewusst sein sollten.

Kehren wir also zurück in die Gegenwart: Wir leben nun endgültig in einem Zeital-ter, auf das das Wort „Massentourismus“ zutrifft. Das Recht auf Urlaub und schö-ne Reisen gehört im Bewusstsein mancher Menschen fast schon wie ein „Men-schenrecht“ zum Leben. Wir vergessen dabei oft, wie viele – trotz des Begriffs „Masse“ – ausgeschlossen sind von dieser auf den Prospekten so makellosen

Fröhlichkeit. Nicht dass es dabei um eine echte Not ginge, es geht um Teilhabe und Selbstach-tung derer, die davon ausgeschlossen sind. Zu einer gewissen Nachdenklichkeit, die wir uns im Zusammenhang mit Reiseerlebnissen leisten könnten, gehört vielleicht auch ein behutsa-mes und realitätsgerechtes Erzählen, das Menschen, die das nicht, oder nicht mehr, mitma-chen können, erlaubt, ohne allzu große Traurigkeit und Scham zuzuhören und eventuell sogar am Gespräch teilzunehmen. Ingrid Rumpf, FR

Meine erste halbwegs ernsthafte Arbeit mit einer Schreibmaschine datiert von etwa 1943, mit zwölf Jah-ren. Der Religionslehrer hatte mich gebeten, aus einem alten einige Partien (die ich theologischen Werknatürlich nicht verstand) abzuschreiben, um mit die-

sem Duplikat (Kopien nach heutigem Verständnis gab es ja noch kaum) wichtige Inhalte vor dem Totalverlust im Bombenkrieg zu bewahren. schreibtechnisches Familienstück Unser , ein Reise- und Koffermaschinchen namens "Erika" von Seidel & Naumann in Dresden, zeichnete sich durch die Besonderheit einer doppelten Umschaltung aus, da jeder Typenhebel (und auf solchen saßen dazumal die Schriftzeichen) nicht nur zwei Typen (z.B. einen Groß- und einen Kleinbuchstaben) trug, sondern dazu noch eine Ziffer oder ein Satzzeichen. So konnte die Tastatur auf drei Zeilen beschränkt sein und war der Typenkorb sicher der sonst üblichen vier kleiner und die gesamte Bauweise kompakter als .bei größeren Geräten

Das natürlich rein mechanische, nicht einmal elektrisch angetriebene Maschinchen ging ver-mutlich bei der zweiten Ausbombung im Februar 1945 verloren, und danach klafft bezüglich Bürotechnik eine zugleich mentale und sachliche Lücke bis zur Lehre als Industriekaufmann in den Jahren 50 bis 52. Aber auch da war noch nichts fundamental Neues zu erleben. Die Schreibmaschinen in der nicht unbedeutenden Rheinreederei waren wohl größer als unsere verbrannte, auch mit Tabulator und sonstigen Accessoires versehen, aber außer vielleicht einer oder zweien auf der Direktionsetage immer noch unelektrisch, und Elektronik oder Digi-talisierung kannte man noch nicht einmal als Vokabeln. Dieser Erfahrungsschatz änderte sich auch nicht durch die Anschaffung eines neuen Familienstücks etwa in den späteren 50er Jah-ren, für, wenn die Erinnerung nicht trügt, 477 D-Mark auch so schon eine anspruchsvolle Investition, und immer noch nicht, als der Studienreferendar sich 1959 auch auf diesem Gebiet vom Elternhaus zu emanzipieren suchte.

* * * *

Quantensprünge in der Bürotechnik

Page 19: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

19

Alsbald erwuchs ihm ein weiteres Problem. Nicht nur hatte er als Fach auch Griechisch, dessen Schrift zwar die Grundlage der uns vertrauten lateinischen bildet, aber dieser doch nicht gleicht – dem pädagogischen Noch-Lehrling / Assessor fiel sofort die Aufgabe in spezu, alljährlich im Dienst des Oberschulamts Karlsruhe die landesweiten zentralen Aufga-ben für die schriftliche Reifeprüfung in den Alten Sprachen zu schreiben, eine Funktion, die ihm in Resten bis weit in den Ruhestand hinein, ja bis in die Wohnstiftsjahre bleiben sollte. Es musste also auch für Griechisch etwas her. In der eigenen Schulzeit hatte man von einer einzigen griechischen Schreibmaschine in ganz Karlsruhe geraunt, die aber als Pri-vateigentum eines pensionierten Lehrers Außenstehenden nicht zugänglich war. Jetzt, um 1959/60, besaß unser altsprachliches Bismarck-Gymnasium so ein Wunderding, immer noch im transportablen Kofferformat und bar jeder Spur von Elektrizität, das mir temporär überlassen wurde; aber irgendwann sollte es eben etwas Eigenes sein. Indessen waren die finanziellen Spielräume nach wie vor begrenzt und die Möglichkeiten der Elektronik, also des Computers, nicht einmal in den kühnsten Träumen zu erahnen.

Es kam also wieder nur ein Koffergerät altvertrauter Dampfmaschinen-Technologie in Fra-ge. Und es sollte tunlichst eines sein, mit dem zur Not auch mal ein deutsches oder lateini-sches Wort geschrieben werden konnte. Günstig ist , dass mehrere Großbuchstaben dabeiin Griechisch und Deutsch sich gleichen. Aber wir Altsprachler brauchen da noch ein nebenrundes Dutzend Akzente, Akzentkombinationen und sonstige Zeichen! Mehrere Stunden saß ich im damaligen Olympia-Laden in der Erbprinzenstraße, bis ich einen hiesigen brauchbaren Belegungsplan für die vielen Typen auf nur 42 Typenhebeln ausgetüftelt hatte und die Sonderanfertigung beginnen konnte.

Und dann das Schreiben selbst! Ich erinnere mich, für einen griechischen Prüfungstext von ca. 1½ Seiten mal einen vollen Arbeitstag gebraucht zu haben. Zu erstellen war ein Druck-original in Form einer Wachsschablone oder -matrize, eines wie ein rohes Ei zu behandeln-den Etwas, das zahllose Male zwischen den beiden auf dem kleinen Tisch in meiner möblierten Bude in der Bismarckstraße aufgebauten Maschinchen hin und her gespannt werden musste, bei kaum weniger mühevoller Korrektur von Tippfehlern mittels eines roten Lacks. Es war eine Tortur!

Geradezu eine Erlösung war es da, dass in den 70er / 80er Jahren IBM zuerst die Kugel-kopf-, nicht viel später die Typenrad-Maschine auf den Markt brachte, und das zu einem Preis, der zumindest in der Besoldungsstufe A14 / A15 zu schaffen war. Beide Geräte waren jetzt elektrisch und funktionierten derart, dass beim Tippen wenigstens angetrieben eines Buchstabens der Kugelkopf mit den vielen Typen bzw. das strahlenförmige Typenrad durch Kipp- bzw. Drehbewegung blitzschnell in die erforderliche Position gebracht und dann gegen das Papier geschlagen wurde. Außerdem konnten die Schreibelemente durch einfachen Handgriff ausgetauscht werden, was einen freilich immer noch sehr beschränk-ten Wechsel von Schriftart und -größe ermöglichte, und die Fehlerkorrektur erfolgte so, dass ein zusätzlich zum Farbband installiertes und auf der einen Seite klebriges Korrektur-band die Farbe des zu löschenden (und dafür akkurat erneut anzuschlagenden!) Zeichens vom Papier wieder abhob, wobei dieser Vorgang dank eines kleinen Speichers auch bei einer längeren zu tilgenden Stelle automatisch und zügig ablief.etwas

Aber da bekanntlich das Bessere des Guten Feind ist, war auch diesen Neuerungen keine sehr lange Lebensdauer beschieden. Die Halbwertszeit moderner Technologie nimmt eben immer weiter ab. Mitte der 90er Jahre kam, nach anfänglichem Zögern des mittler-weile schon Ruheständlers, der Umstieg auf den Computer. Im Vergleich zu heute war auch da der Beginn kümmerlich und mühsam: Jeder Befehl zu jedweder Aktion musste unter dem legendären alten DOS-Betriebssystem englisch und bis auf den Buchstaben genau eingegeben und alsdann durch Schlagen einer "Enter" genannten Taste seine Aus-

Kugelkopf

Typenrad

Page 20: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

Flocke

20

Flocke

führung eingeleitet werden. Inzwischen ist das mit Hilfe der sog. grafischen Benutzerober-fläche ein Kinderspiel geworden, dem auch in die Jahre gekommene Pensionäre und Rent-ner sich noch gewachsen fühlen dürfen.

In kleiner Abschweifung vom Thema noch dies: Viel, fast mit Begeisterung benutzt habe ich zum Drucken eines Textes etwa in Klassenstärke das legendäre Spirit-Carbon-ebenfalls Umdruckverfahren. Dabei wurde beim Anfertigen des Originals ein Farbträger papierenen untergelegt, der seine Farbe auf die Rückseite des Originals abgab. Die den kleinen hand-betriebenen Drucker durchlaufenden Blätter befeuchtete zunächst ein Filz mit einer spiri-tusähnlichen (und die Schüler immer zum Schnüffeln verleitenden) Flüssigkeit, die den kleinen Farbauftrag in so homöopathischen Dosen ablöste, daß mehrere auf dem Original Dutzend Drucke zu erzielen waren. Unterschiedliche Farbträger ermöglichten sogar mehr-farbige Drucke! Sie wurden zwar mit der Auflage und dem Zeitablauf immer schwächer, zur Fehlerkorrektur kamen Rasierklingen und zu einer geänderten Textfassung Schere und Tesafilm zum Einsatz, aber die Technik erfüllte die zeitgemäß eingeschränkten Erwartun-gen doch so, dass gar zwei Drucker, einer daheim und einer in der Schule, zu Diensten stan-den. Man war auf bescheidenem Niveau begeistert !

Immer wieder bin ich beeindruckt, ja von Respekt erfüllt angesichts der Leistungen, die Tüftler und Ingenieure vergangener Zeiten erbracht haben. Wie viel Gedanken-arbeit und unablässiges Probieren und Verwerfen steckt doch hinter manchem Gerät, manchem Verfahren, das wir so unbekümmert und wie selbstverständlich nutzen, eingebracht im vollen Bewußtsein, daß über kurz oder lang ein verbessertes oder ganz neues Produkt das mit so viel Mühe geschaffene ganz alt aussehen lässt. Wir sollten da mitunter etwas dankbarer sein. Werner Backhaus, RR

Die literarische Welt feiert in diesem Jahr den 200sten Geburtstag Theodor Fontanes, und da darf er auch in unserem Journal eini-gen Platz beanspruchen; denn ich bin sicher, dass wir viele begeisterte Fontane-Leser und vor allem -Leserinnen unter uns haben.

Welche Leseratte kennt sie nicht, die wunderbaren Frauengestalten aus Fontanes Roma-nen: Effi Briest aus dem gleichnamigen Roman, Lene Nimpsch aus „Irrungen, Wirrungen“, Corinna Schmidt und die Kommerzienrätin aus „Frau Jenny Treibel“, Melanie van der Straa-ten aus „L'Adulters“ und Victoire von Carayon aus „Schach von Wutenow“. Sie haben sich eingeprägt, die „Herzen“ vor allem junger Leserinnen erobert. Aber ich fürchte, ich muss manche allzu herzergreifende Sicht im Folgenden etwas korrigieren.

Zunächst einmal: Man sollte diese Romane als alter und lebenserfahrener Mensch noch einmal lesen, auch angesichts der Tatsache, dass Fontane seine berühmtesten Romane im Alter von über siebzig Jahren schrieb und dass dort, dem entsprechend, die Weltsicht eines alten Mannes verarbeitet ist. Wenn man sie wieder liest (langsam, sorgfältig), wenn man nicht alles Unverständliche überspringt, nur um zu wissen, wie die romantische Affäre sich weiter entwickelt, und vor allem, wie sie endet – wenn man das versucht, dann landet man

Etwas mehr als ein „Lesetipp“

Einige Gedanken zur Weltsicht in den Romanen

Theodor Fontanes

* * * *

Page 21: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

21

auf ziemlich schwierigem Gelände, und dann muss man tief einsteigen in die brandenburgi-sche und preußisch-deutsche Geschichte und in die gesellschaftlichen Verhältnisse der 70er bis 90er Jahre des 19. Jahrhunderts.

Das „schwierige Gelände“, in dem wir uns beim Lesen zurechtfinden müssen und das wir gerne einfach überlesen, ergibt sich zum Einen aus diesen bis ins Detail gehenden Beschrei-bungen von Häusern, Wohnungen, Zimmereinrichtungen, mit denen wir wenig anfangen können. Das alte Berlin, seine Straßen, Plätze und Vergnügungsstätten gibt es so nicht mehr, genau so wenig wie die Gutshäuser des märkischen Landadels, die Fontane so ausführlich ins Bild treten lässt – sie sind verschwunden oder haben sich ins Museale verabschiedet. Zum Anderen sind da die endlosen Dialoge und scheinbar inhaltlosen Plaudereien, gespickt mit Zitaten, deren Ursprung wir erst bei Google nachschauen müssen, um sie einzuordnen. Warum macht Fontane das?

Lesen Sie dazu ihn selbst: „Der moderne Roman“, so definiert Fontane, „soll ein Zeitbild sein, ein Bild seiner Zeit. … er soll uns eine Welt der Fiktion auf Augenblicke als eine Welt der Wirk-lichkeit erscheinen, soll uns weinen und lachen, hoffen und fürchten, am Schluss aber emp-finden lassen, teils unter lieben und angenehmen, teils unter charaktervollen und interessan-ten Menschen gelebt zu haben.“ Und das geschieht dann auch. Wir versinken in der Lebens-welt der Menschen des Kaiserreichs, in der „Märkischen“ (Brandenburgischen) Provinz und in Berlin, bei den Herren und Damen von … und zu …, bei den Kommerzienrats und den Ministerialrats und bei deren Dienerschaft, den Kutschern und Hausmädchen, bei den Dorf-pastoren, den altmodischen Hausärzten und skurrilen Apothekern. Wir müssen uns einfach darauf einlassen. (Überschlagen verboten!)

„Die Konflikte, die in den Romanen verhandelt werden, sind nicht unbedingt originell; wir ken-nen sie zur Genüge aus der Trivialliteratur: Ehebruch, Untreue, unstandesgemäße Liebes-beziehungen („Schneidermamsell“ und Baron), uneheliche Kinder, verlassene Ehemänner oder -frauen und so weiter. Aber was Fontane daraus macht, indem er die Konflikte in der preußisch-deutschen Gesellschaft des wilhelminischen Kaiserreichs ablaufen lässt, das ist sehr wenig trivial, vor allem sehr wenig „romantisch“, das ist ziemlich harte Gesellschaftskri-tik. Da setzt er Maßstäbe für Menschlichkeit, an denen auch wir heute uns noch messen las-sen, von denen wir uns noch beschämen lassen sollten.

Dass es gerade Frauen sind, die eine tragende Rolle spielen, ist von Fontane so beabsichtigt und gilt, von zwei Ausnahmen abgesehen, für alle seine Romane. „Fontanes Beobachtungen des Lebens in Deutschland brachten ihn zu der Überzeugung, dass die damaligen Lebens-bedingungen der Frauen ein niederschmetternder Kommentar zum moralischen Zustand des Landes seien“ (Gordon Craig in seinem Buch „Über Fontane“.) Ja, es geht um den „mo-ralischen Zustand“ einer Gesellschaft, um die Normen und Werte, die dort galten, die dort gelebt wurden. Und da ist sein Urteil – in gefällige und wunderbar erzählte Geschichten ver-packt – „niederschmetternd“ und so gar nicht romantisch.

Das aber liegt nicht an eindeutig festzumachenden Bösewichtern, so wie auch seine „Heldin-nen“ nicht nur eindeutig unschuldige Opfer sind. Fontane hat sich in Briefen mehrfach darü-ber ausgelassen, dass das Publikum ihn missversteht: Zum Beispiel sahen die Leser des Romans „Effi Briest“ in Geert von Instetten sehr schnell „das Ekel“: Instetten sah durch ein viele Jahre zurückliegendes lächerliches Liebesabenteuer seiner Frau seine „Ehre“ gekränkt und meinte, den ehemaligen Verehrer zum Duell fordern zu müssen. Er tötete dabei nicht nur einen Menschen, sondern er zerstörte auch sein eigenes Lebensglück und das seiner Frau. Für Fontane war „der arme Instetten“ kein „Ekel“, sondern auch das Opfer einer heuchleri-schen Moral, die mörderische Konsequenzen hatte. Im Roman erwägen die beiden Freunde Instetten und Wüllersdorf in einem langen Gespräch, ob man nicht auf ein Duell verzichten könne, und schließen das dann endgültig aus, weil diese gesellschaftlichen Normen zum

Page 22: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

Flocke

22

Flocke

Theodor Fontane ist vor allem seiner großen und bedeutenden Romane wegen bekannt. Aber sein Werk ist reich und vielfältig und bietet uns auch viele lyrische Gedichte verschiedenen Inhalts, in denen er uns seine Erlebnisse, Stimmungen und Gefühle nahe bringt, gute Rat-schläge erteilt und zum Nachdenken anregt.

Am Waldessaume träumt die Föhre,

am Himmel weiße Wolken nur;

es ist so still, dass ich sie höre,

die tiefe Stille der Natur.

Rings Sonnenschein auf Wies' und Wegen,

die Wipfel stumm, kein Lüftchen wach,

und doch, es klingt, als ström' ein Regen

leis tönend auf das Blätterdach.

Theodor Fontane (1819 – 1898)

Mittag

„Götzen“ geworden sind, dem sie sich beugen müssen. Auch Instetten zweifelt. Und Effi ist keineswegs ein Unschuldslamm, sie weiß durchaus, was sie da tut. Aber so wie sie erzogen wurde, so wie das Korsett dieser Ehe beschaffen ist, so ist der Ausbruch vorprogrammiert.

Übrigens lässt Fontane im gleichen Roman eine alte Dienerin auftreten, die treue Roswitha, die ein unauslöschliches Trauma mit sich herumträgt: Als junges Mädchen wurde sie schwan-ger, und man hat ihr das Kind, „das arme Wurm“, weggenommen, ihr Vater hätte sie mit einer Eisenstange fast erschlagen. Die in den tonangebenden Kreisen bestehenden Probleme spie-geln sich bei Fontane oft wider in den Lebensverhältnissen, in den spontanen Urteilen und im naiven Getratsche der Dienerschaft. Auch wenn Fontane nie ein Rebell war, nie der damals als „umstürzlerisch“ verunglimpften Sozialdemokratie nahe stand, so hat er doch voll Empathie und sehr lebensecht die unteren Volksschichten zu Wort kommen lassen; sehr häufig bringen sie die Dinge erst auf den Punkt. Und der alte Wüllersdorf sagt über Roswitha: “Die ist uns über.“

Es geht also um „Werte“, die in einer Gesellschaft den Maßstab des Handelns und der öffentli-chen Anerkennung und Stigmatisierung bilden. Werden sie zu Chancen, die Menschenglück und -entfaltung fördern, oder werden sie zu Zwängen, die Menschen behindern oder gar zer-stören? Die nächste daraus folgende und noch wichtigere Frage ist aber die nach der Reaktion des Einzelnen darauf: Indem Fontane seine Personen handeln und argumentieren lässt, erkennt der Leser Heuchelei und Arroganz, Kalt- oder Engherzigkeit, rücksichtsloses Karriere-streben und Lieblosigkeit; Charaktereigenschaften, die er vermisst und einklagt, sind „Her-zensanständigkeit“ (eine seltsame Wortschöpfung Fontanes), Großzügigkeit, Fähigkeit zu vergeben. Effi urteilt am Ende über ihren Mann, der ihr Leben zerstört hat: „Denn er hatte viel Gutes in seiner Natur und war so edel, wie jemand sein kann, der ohne rechte Liebe ist.“

Ingrid Rumpf, FR

* * * *

Page 23: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

2323

Das kurze zweistrophige Gedicht „Mittag“ ist dabei von besonderer Art. Der Dichter schildert uns hier nur, was er sieht und hört, es sprechen nur seine Augen und Ohren. Er führt uns in eine ganz einfache Landschaft, keine Gedanken und Gefühle werden hier ausgesprochen. Es geht nicht um die Schönheit der Natur, sondern, wie die Überschrift schon sagt, um die Besonder-heit der Mittagsstunde.

Im heutigen Leben der Stadtmenschen spielt der Mittag keine besondere Rolle mehr. Der Tag hat 24 Stunden. Die Funktion, den Tag in zwei Hälften zu teilen, kommt dabei der Zahl 12 nicht mehr zu. In meiner Kindheit war das 12-Uhr-Läuten auf dem Land noch etwas Feierliches, da war der Mittag noch, wie sein Name sagt, die Mitte des Tages, ein Moment zum Innehalten, zum Besinnen.

In alten volkstümlichen Sagen und Märchen wird der Mittagsstunde oft etwas Magisches, Zau-berhaftes zugeschrieben, das bis ins Unheimliche geht und heute ganz in das Reich der Phan-tasie verwiesen wird. Aber einsame Wanderer und Menschen, die in der Natur Ruhe und Erho-lung suchen, können diese Besonderheit wahrnehmen: die absolute Ruhe der Natur im mit-täglichen Sonnenschein, wenn Pflanzen und Tiere ihren Mittagsschlaf halten. Zu diesen Men-schen gehört auch Theodor Fontane, und ihm ist dieses Erlebnis so bedeutend gewesen, dass er ihm ein eigenes Gedicht gewidmet hat.

Er erlebt ganz intensiv, rein auf sinnliche Wahrnehmungen bezogen, die fast erschreckende Stille der Natur, und er lässt uns in einfachen Sätzen durch wohlüberlegte Wortwahl an diesem Erlebnis teilnehmen. Die beiden Strophen sind gleich gebaut, einwandfrei in Reim und Rhyth-mus, und handeln jeweils in der ersten Hälfte vom Erscheinungsbild der Landschaft und in der zweiten von den akustischen Wahrnehmungen, die den Höhepunkt der Aussagen bilden.

Schon der erste Satz „Am Waldesrande träumt die Föhre“ gibt uns ein klares Bild dieser Land-schaft und ein Gefühl für die besondere Stimmung dieser Mittagsstunde. Die anderen, kurzen, fast stichwortartigen Beobachtungen enthalten eher etwas Einschränkendes oder Negatives, es fehlt jede Bewegung. Dass „kein Lüftchen weht“, lässt die Landschaft starr erscheinen, die Wolken wandern nicht, und die Wipfel der Bäume am Waldrand rauschen nicht, und so kommt es in der ersten Strophe dann zu der Feststellung „Es ist so still, dass ich sie höre, die tiefe Stil-le der Natur.“ Das Wort „höre“ wird durch eine besondere Schreibweise hervorgehoben, um auf die ungewöhnliche Situation hinzuweisen, dass das Ohr hier einen Mangel feststellt, dass etwas zu Erwartendes fehlt.

Eine solche absolute Bewegungslosigkeit und Geräuschlosigkeit könnte auf einen an Trubel und Lärm gewöhnten Stadtmenschen unheimlich und erschreckend wirken und ihn in Panik versetzen. Aber hier, in diesem Gedicht, ist kein böser Zauber im Spiel. Dass die Stille etwas Sanftes, Beruhigendes hat, wird schon durch die träumende Föhre angedeutet. Aber der Dich-ter verwendet noch ein altes Stilmittel, das immer wieder seine Wirkung zeigt, die Alliteration. Es ist die Wiederholung des weichen Konsonanten „w“, die dem Gedicht eine besänftigende, tröstliche Melodie verleiht. Ähnlich beruhigend wirken auch die einsilbigen Reime am Ende der zweiten und vierten Verse.

So ist es nicht überraschend, wenn der Dichter sich am Ende mit den Worten „und doch“ von der absoluten „Totenstille“ distanziert. Die Natur lebt, auch in der Ruhestellung, und wo Leben ist, da sind Geräusche. Wenn ein Mensch noch so tief schläft, atmet er. Wir bewundern das beneidenswert feine Gehör des Dichters und sein tiefes Einfühlungsvermögen, wodurch es ihm möglich ist, das leise Atmen der schlafenden Natur als ganz sanften Dauerton in den Wip-feln der Bäume zu erkennen. Ob dieses Geräusch ihn wie ein sanftes Wiegenlied beruhigt hat und seine Sorgen vergessen ließ, erfahren wir in diesem Gedicht nicht, aber wir wissen, dass er immer wieder in der Natur Trost und Entspannung gefunden hat. Dorothea Bockhorn-Süße, RR

Page 24: RESIDENZ- JOURNALresidenz-ka.de/.../residenz_journal/residenz_journal_ausgabe_39.pdf · Ausgabe 39 April - Mai - Juni 2019 RESIDENZ-JOURNAL Frühlingserwachen in der FächerResidenz

24

Die Maulwürfe

Unser Gartennachbar war ein großer Tierfreund, aber er liebte auch seinen Rasen über alles. Er pflegte und düng-te ihn regelmäßig, bekämpfte das Unkraut und machte um die Obstbäume herum wunderbare Baumscheiben. Jede Woche wurde gemäht, und dann saß er auf der Bank und genoss die tadellose Pracht.

Aber o Schreck, eines Morgens entdeckte er mitten in der samtenen Grünfläche einen gro-ßen Maulwurfshaufen. Wir hörten sein Jammern über den Gartenzaun hinweg. Mein Mann versuchte ihn zu trösten und riet ihm, nichts dagegen zu unternehmen. Doch er ebnete den unwillkommenen Erdhügel ein und streute gleich Grassamen auf die beschädigte Stelle. Aber es kam, wie es kommen musste: Am nächsten Morgen waren da vier neue Maulwurfs-hügel, am Tag darauf zehn, und bald war der ganze Rasen damit bedeckt. Ein aussichtslo-ser Kampf begann, aber unser wütender Nachbar gab nicht so schnell auf.

Eines Tages kam er mit einem Gerät, das aussah wie ein dicker Besenstiel, und grub das untere Ende in die Erde ein. „Jetzt ist der Spuk bald zu Ende!“ rief er uns zu. „Das ist ein elektro-nisches Gerät, das Schwingungen und Töne in der Erde erzeugt, die Maulwürfe nicht ertragen können, und das sie zwingt, die Flucht zu ergreifen. So kann ich das Leben dieser Tiere scho-nen und gleichzeitig meinen Rasen retten.“ Die Rechnung ging auf, es war wirklich eine Patent-lösung. Nur dass die ganze Maulwurfsippe jetzt in unseren Gemüsegarten übersiedelte, wo wir sie mit Seufzen ertragen mussten.

So kam der Herbst ins Land und der neue Frühling, und der Nachbarrasen erstrahlte in alter Pracht. Die Knospen an Bäumen und Sträuchern brachen auf und zeigten ihr frisches Grün, und die Obstbäume fingen an zu blühen. Nur der kleine Apfelbaum, den unser Nachbar vor einem Jahr gepflanzt hatte, blieb kahl und warf nach und nach alle seine vertrockneten Knos-pen ab. Ratlos standen wir mit ihm vor dem sterbenden Bäumchen. Der dünne Stamm saß ganz locker in der Erde, und als wir daran zogen, löste sich der ganze Baum spielend leicht mit allen Wurzeln aus dem Grund. Aber eigentlich konnte von Wurzeln gar keine Rede mehr sein, alle dünnen und zarten Faserwurzeln und Ausläufer fehlten. Sie waren restlos abgefressen.

Wer war das? Etwa die Maulwürfe? Wir gruben in der Erde nach und fanden dort zu unserem Schrecken 26 Engerlinge, dick und fett! Sie hatten sich vollgefressen mit dem zarten Wurzel-werk des armen Bäumchens, das nun tot am Boden lag.

Da ging außen ein guter Gartenfreund vorbei, ein hilfreicher Experte, der auch uns schon beim Obstbaumschnitt und anderen Problemen beraten hatte. „Komm doch mal rein“ rief unser Nachbar ihm zu, „schau dir an, was bei uns passiert ist!“ Er kam und erkannte die Lage mit Ent-setzen. Erst ein deftiger Fluch, und dann die erstaunte Frage: „Ja habt ihr denn gar keine Maul-würfe ?“

Ja, die Maulwürfe, die unterirdischen Gartenhelfer! Sie hatten angefangen, diese Schädlinge zu vernichten, aber man hatte sie mitten in der Arbeit ver-jagt!

Wir alle lernten daraus, dass es nicht immer leicht ist, das Nützliche und das Schädliche zu unterscheiden, und dass es besser ist, nicht in den Kreislauf der Natur einzugreifen, sondern dem natürlichen Gleichgewicht zu ver-trauen.

Dorothea Bockhorn-Süße, RR

Ein Gartenerlebnis zum Nachdenken