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882 Stahlbau 74 (2005), Heft 11 veranlaßte 793 den Bau eines ersten Main-Donau-Kanals, der jedoch an Hangrutschungen und den geringen technischen Möglichkeiten zu ihrer Be- herrschung scheiterte. Ein Teilstück, der Karlsgraben – Fossa Carolina – zeugt südlich von Weissenburg i. B. heute noch von diesem Vorhaben. Napoleon Bonaparte wollte die nörd- lichen Niederlande vom Rheinhandel abschneiden und die Kontinentalsperre gegen England verschärfen. Hierzu sollte eine 1807 begonnene Kanalverbin- dung von Neuss am Rhein bis Venlo an der Maas, der Nordkanal – Canal du Nord, dienen, die letztlich bis in den von Napoleon beherrschten Hafen Ant- werpen vorgesehen war. Doch bereits 1810 wurde der Bau des 3 m tiefen und an der Oberfläche 20 m breiten Kanals eingestellt: Holland war unter Napoleons Macht gekommen. Die EUROGA 2002 plus bezog diesen Nordkanal als wichtigen, nun länderver- bindenden Teil einer von künstlerischer Landschafts- und Gartenarchitektur ge- kennzeichneten, gemeinsamen Land- schaft ein. Neben zahlreichen Maßnah- men in diesem Zusammenhang wird die vom Erstverfasser entworfene Fußgän- gerbrücke an jener Stelle über die Niers bei Mönchengladbach geschlagen, wo – nur als gedachte Linie existierend, doch nie ausgeführt – der Kanal den Fluß ge- kreuzt hätte [1]. Dieses kleine Kunst- bauwerk ist als Schwebefähre konstru- iert. Damit wird an einen frühen, heute aufgegebenen Brückentyp erinnert, der zur Überquerung von schiffbaren Flüs- sen bei Vermeidung von hohen Anfahr- rampen entwickelt worden war: „Ein Stück Straße“, mit Seilen am über der Höhe von Schiffsmasten liegenden Ver- bindungsträger zwischen Uferpylonen aufgehängt, rollt von einem Ufer zum andern, wenn der Schiffsverkehr es er- laubt. Nachrichten / Rezension / Berichtigung Rezension Baum, M., Figgener-Erber, J. (Hrsg.): Schwebende Beziehungen. Grand Canal du Nord und Schwebefähre über die Niers bei Mönchengladbach. Aachen/Mönchengladbach: RWTH Aachen, Lehr- und Forschungsgebiet Konstruktives Entwerfen (Prof. Mirko Baum) und Stadt Mönchengladbach 2004. 56 S., 20 ganzseitige Tafeln, zahlr. Abb. Geb., 42 x 29,7 cm. Zwei Mächtige in Europa haben das Wasserstraßennetz für ihre politischen Zwecke verändern wollen: Karl der Große Wir können dies heute noch erleben an Originalfähren jener Zeit, so im Hafen Portugalete von Bilbao, in Rochefort an der französischen Atlantikküste, im Osten an der Oste (nördlich von Bremervörde) und in Rendsburg [2]. Der zweite, eigentliche Hauptteil des Buches ist ein Reprint des „Atlas de la Déscription du Canal de la Jonction de la Meuse au Rhin“ (1819). Er enthält auf zwanzig Tafeln Zeichnungen der Kanal- ausbildung sowie der Schleusen, Brücken und Kreuzungen des vom fran- zösischen Ingenieur A. Hageau geplanten Vorhabens. Es ist mit diesem Buch eine Verbin- dung über zweihundert Jahre hergestellt. Sie reicht vom ursprünglich als wirtschaft- liche und militärische Abwehrlinie ge- dachten Kanal und vom frühen, diskonti- nuierlichen Brückentyp der Schwebefähre zum heute gemeinsamen Bemühen um das Zusammenleben in einer großen Re- gion. Gezeigt wird es an zwei Ingenieur- disziplinen: dem Wasser- und dem Brückenbau. Empfehlenswert. Dr.-Ing. Klaus Stiglat, Karlsruhe [1] Baum, M.: Zur Geschichte mobiler Brückensysteme. Grand Canal du Nord und Schwebefähre über die Niers bei Mönchengladbach. Stahlbau 74 (2005), H. 2, S. 154-156. [2] Stiglat, K.: Brücken am Weg. Frühe Brücken aus Eisen und Beton in Deutschland und Frankreich. Berlin: Ernst & Sohn 1996.

Rezension: Schwebende Beziehungen. Grand Canal du Nord und Schwebefähre über die Niers bei Mönchengladbach. By M. Baum, J. Figgener-Erber (Hrsg.)

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882 Stahlbau 74 (2005), Heft 11

veranlaßte 793 den Bau eines erstenMain-Donau-Kanals, der jedoch anHangrutschungen und den geringentechnischen Möglichkeiten zu ihrer Be-herrschung scheiterte. Ein Teilstück, derKarlsgraben – Fossa Carolina – zeugtsüdlich von Weissenburg i. B. heutenoch von diesem Vorhaben.

Napoleon Bonaparte wollte die nörd-lichen Niederlande vom Rheinhandelabschneiden und die Kontinentalsperregegen England verschärfen. Hierzusollte eine 1807 begonnene Kanalverbin-dung von Neuss am Rhein bis Venlo ander Maas, der Nordkanal – Canal duNord, dienen, die letztlich bis in denvon Napoleon beherrschten Hafen Ant-werpen vorgesehen war. Doch bereits1810 wurde der Bau des 3 m tiefen undan der Oberfläche 20 m breiten Kanalseingestellt: Holland war unter NapoleonsMacht gekommen.

Die EUROGA 2002 plus bezog diesenNordkanal als wichtigen, nun länderver-bindenden Teil einer von künstlerischerLandschafts- und Gartenarchitektur ge-kennzeichneten, gemeinsamen Land-schaft ein. Neben zahlreichen Maßnah-men in diesem Zusammenhang wird dievom Erstverfasser entworfene Fußgän-gerbrücke an jener Stelle über die Niersbei Mönchengladbach geschlagen, wo –nur als gedachte Linie existierend, dochnie ausgeführt – der Kanal den Fluß ge-kreuzt hätte [1]. Dieses kleine Kunst-bauwerk ist als Schwebefähre konstru-iert. Damit wird an einen frühen, heuteaufgegebenen Brückentyp erinnert, derzur Überquerung von schiffbaren Flüs-sen bei Vermeidung von hohen Anfahr-rampen entwickelt worden war: „EinStück Straße“, mit Seilen am über derHöhe von Schiffsmasten liegenden Ver-bindungsträger zwischen Uferpylonenaufgehängt, rollt von einem Ufer zumandern, wenn der Schiffsverkehr es er-laubt.

Nachrichten / Rezension / Berichtigung

Rezension

Baum, M., Figgener-Erber, J. (Hrsg.):Schwebende Beziehungen. GrandCanal du Nord und Schwebefähreüber die Niers bei Mönchengladbach.Aachen/Mönchengladbach: RWTHAachen, Lehr- und ForschungsgebietKonstruktives Entwerfen (Prof. MirkoBaum) und Stadt Mönchengladbach2004. 56 S., 20 ganzseitige Tafeln, zahlr.Abb. Geb., 42 x 29,7 cm.

Zwei Mächtige in Europa haben dasWasserstraßennetz für ihre politischenZwecke verändern wollen: Karl der Große

Wir können dies heute noch erlebenan Originalfähren jenerZeit, so im HafenPortugalete von Bilbao, in Rochefort ander französischen Atlantikküste, im Ostenan der Oste (nördlich von Bremervörde)und in Rendsburg [2].

Der zweite, eigentliche Hauptteil desBuches ist ein Reprint des „Atlas de laDéscription du Canal de la Jonction dela Meuse au Rhin“ (1819). Er enthält aufzwanzig Tafeln Zeichnungen der Kanal-ausbildung sowie der Schleusen,Brücken und Kreuzungen des vom fran-zösischen Ingenieur A. Hageau geplantenVorhabens.

Es ist mit diesem Buch eine Verbin-dung über zweihundert Jahre hergestellt.Sie reicht vom ursprünglich als wirtschaft-liche und militärische Abwehrlinie ge-dachten Kanal und vom frühen, diskonti-nuierlichen Brückentyp der Schwebefährezum heute gemeinsamen Bemühen umdas Zusammenleben in einer großen Re-gion. Gezeigt wird es an zwei Ingenieur-disziplinen: dem Wasser- und demBrückenbau. Empfehlenswert.

Dr.-Ing. Klaus Stiglat, Karlsruhe

[1] Baum, M.: Zur Geschichte mobilerBrückensysteme. Grand Canal du Nordund Schwebefähre über die Niers beiMönchengladbach. Stahlbau 74 (2005),H. 2, S. 154-156.[2] Stiglat, K.: Brücken am Weg. FrüheBrücken aus Eisen und Beton inDeutschland und Frankreich. Berlin:Ernst & Sohn 1996.