Rezension von «Soziale Bewegungen und Social Media» in "Neues Deutschland" am 30.11.2011

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  • 8/3/2019 Rezension von Soziale Bewegungen und Social Media in "Neues Deutschland" am 30.11.2011

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    neues deutschland | Mittwoch, 30. November 2011 Auer Parlamentarisches | 15

    Nordische Schweden in SdschwedenVom Rechtsruck in Schweden profitieren auch Neonazis / Zu bevorstehenden Aufmrschen werden auch Deutsche erwartet

    Von Jan Tlva

    m Dezember demonstrieren Neonazis

    aditionell in der Nhe Stockholms.

    eses Jahr wollen sie in der Haupt-

    adt aufmarschieren.

    underte Neonazis aus dem In-nd Ausland werden sich aller Vo-ussicht nach am 10.Dezember in

    er historischen Altstadt Stock-olms treffen, um gemeinsamurch die schwedische Hauptstadtu ziehen und gegen Schweden-indlichkeit zu demonstrieren.as Motto mag absurd wirken,sst sich jedoch aus der Vorge-hichte der Demonstration er-ren, denn der diesjhrige Auf-arsch stellt je nach Lesart die

    rsatzveranstaltung oder die logi-he Fortsetzung der Neonazi-rsche dar, die in den vergan-

    enen zehn Jahren Winter frinter die Kleinstadt Salem sd-estlich von Stockholm heimge-

    ucht haben.Jedes Jahr versammelten sich

    ortAnfangDezemberbis zu2 000

    eonazis aus ganz Skandinavien,ber auch aus Deutschland undnderen Lndern, um des Todesaniel Wretstrms zu gedenken,er in der Nacht zum 9. Dezember000 an einer Bushaltestelle inalem erschlagen worden ist. Dassumindest einige der Tter einenigrationshintergrund hatten,ichte fr die Rechten aus, um ei-

    en Hass auf Schweden herbei-uphantasieren. In Wahrheit ging

    den Gerichtsakten zufolge wohlher um einen Streit, der bereitsher am Abend auf einer Partyegonnen hatte. Wretstrm warjedoch mitnichten irgendein

    armloser Jugendlicher. Der 17-hrige war ein bekennendereonazi und spielte Schlagzeug inner Rechtsrockgruppe mit dem

    programmatischen Namen Vit Le-gion (Weie Legion). Beides seinepolitischeEinstellung unddieUmstnde seines Todes warGrund genug fr die versammelteextreme Rechte Schwedens, ihn zueinem Mrtyrer, einer Art schwe-dischem Horst Wessel zu verkl-ren.

    In den vergangenen Jahrenfolgten jedoch immer weniger

    Menschen dem Ruf nach Salem. Als dann mit dem rechten Zei-tungsprojekt Info-14 auch nochdie treibende Kraft hinter den Auf-rufen die Arbeit einstellte, ent-schied die Szene sich zur Fluchtnach vorn. Der Weg in die Stock-holmer Innenstadt ist dabei nurkonsequent, denn die extremeRechte Schwedens wird derzeitimmer populrer, seit die Schwe-

    dendemokraten bei den letztenParlamentswahlen im Herbst 2010das politische Establishmentschockten und mit einem Ergebnisvon 5,7 Prozent erstmals in denReichstag einzogen. Die Parteihatte im Wahlkampf antimuslimi-schen Rassismus verbreitet undvor allem in Sdschweden Zulauferhalten. Obgleich die Schweden-demokraten sich von Neonazis

    distanzieren, haben sie entschei-denden Anteil am gesamtgesell-schaftlichen Rechtsruck, von dem

    jene Gruppen profitieren, die zuden Aufmrschen in Stockholmaufrufen. Die grte von ihnen insgesamt sind es mehr als ein

    halbes Dutzend Gruppen ist dieSvenskarnas Parti.

    Anders Strmberg, der die Ge-gendemonstration mitorganisiert,erwartet, dass sich auch einigedeutsche Neonazis, vor allem ausdem Umfeld der NPD, auf den Wegnach Stockholm machen werden,da auch das Nordische Hilfswerk,eine Art Bindeglied zwischendeutschen und skandinavischenNazis, auf Seiten der Organisato-ren vertreten ist.

    Dort werden sie jedoch auf Ge-genwehr stoen. Es gibt eine De-monstration nahe des Treffpunktsder Nazis, und spter wird es si-cher auch Versuche geben, direktauf deren Route zu kommen, sagtStrmberg. Fr die Polizei drftees jedenfalls in der verwinkelten

    Altstadt Stockholms deutlich

    schwieriger sein, die antifaschis-tischen Gegendemonstranten aufAbstand zu halten, als im lndli-chen Salem. berdies drften sichin Stockholm sehr viel mehr Men-schen auf die Strae begeben, alssich in den vergangenen Jahrenauf den Weg in den kleinen Vorortgemacht haben. Auch aus dem be-nachbarten Ausland, etwa aus D-nemark, werden Leute erwartet.Doch wie auch immer es am 10.Dezember ausgehen wird, das ei-gentliche Problem ist nicht der

    Aufmarsch einiger Neonazis in derschwedischen Hauptstadt, son-dern ein gesamtgesellschaftlicherRassismus und Antisemitismus,und dieser kann auch nur auf ge-samtgesellschaftlicher Ebene be-kmpft werden.

    Fremdenfeindlicher Schwede beim Fahnenschwingen gegen schwedenfeindliche Fremde Foto: AFP/Nackstrand

    Schnelleres Twittern fr eine bessere WeltNoch immer zeigen sich Linke unsicher im Umgang mit der Kommunikation im Internet ein Sammelband will helfen

    Von Kirsten Achtelik

    n Handbuch will den Angehrigen

    zialer Bewegungen Hilfestellung

    ben im Umgang mit neuen Medien

    e Blogs, Facebook oder Twitter.

    uf Blogs knnen Menschen ihreon den Mainstream-Medien ab-eichende Sicht auf die Welt ver-reiten, ber das soziale Netzwerkacebook werden Leute ber be-rstehende Veranstaltungen oder

    emonstrationen informiert,urch Twitter knnen Nachrichten

    Sekundenschnelle verbreiteterden, etwa darber, wo der

    astor steht oder an welcher Stellene Polizeisperre umgangen wer-en kann die Bedeutung dereuen Medien fr soziale Bewe-ungen steht auer Frage. Den-och begegnen viele den Mglich-

    iten des Internets mit Vorurtei-n oder Unsicherheit. In einem

    ammelband haben 46 Autorin-en und Autoren aus sterreich,eutschland und der Schweiz nuneispiele und Anleitungen zummgang mit Social Media zusam-engetragen, die zum Selberma-

    hen anregen sollen.Im ersten Teil des Handbuchs

    Soziale Bewegungen und SocialMedia stellen sich verschiedeneBewegungen und Projekte vor. Ih-re Protagonisten beschreiben an-schaulich, wie sie das Internet frihre Zwecke verwenden. So schil-dert Anne Roth, wie sie nach der

    Verhaftung ihres Lebensgefhrten,des Stadtsoziologen Andrej Holm,dazu kam, den annalist-Blog zuschreiben, in dem es um die staat-liche berwachung und Verfol-

    gung als Terrorverdchtiger geht.Die sterreichische Kampagneunibrennt stellt ihre Verzah-nung von klassischer Pressearbeitmit den neuen Mglichkeiten desInternets als entscheidend fr einewirksame ffentlichkeitsarbeitdar.

    Viele konkrete und ntzliche Anleitungen und Erluterungendazu, wie Akteure sozialer Bewe-gungen die jeweiligen Online-Inst-rumente (Twitter, Facebook, Blogsetc.) fr ihre Zwecke sinnvoll ein-setzen knnen, enthlt der zweiteTeil des Bandes. Die Vorteile im

    Vergleich zu den althergebrachtenMglichkeiten des Internets sindvor allem: grere Schnelligkeit,einfachere Handhabung und mehrPartizipationsmglichkeiten. Blogslassen sich beinahe so einfachschreiben wie ein Word-Doku-ment. Durch die Kommentar-Funktionen werden auch Leserin-nen und Leser zu Schreibern, wo-durch Kommunikation entsteht.Mit ein wenig Geduld sind die Hin-weise auch fr Anfnger nach-vollziehbar. Das Buch will aus-drcklich dazu anregen, die ver-schiedenen Methoden auszupro-bieren und mit ihrer Hilfe dem ei-

    genen politischen Engagement zueiner greren Wirkung in der f-fentlichkeit zu verhelfen.

    Gestalterisch haben die He-rausgeber versucht, Elemente zuverwenden, die auf einer Webseitezur besseren Orientierung beitra-gen. Wo sich aber auf einer Web-seite einfach ein Element ankli-cken lsst, um zu sehen, was sichdahinter verbirgt, da muss imBuch mhsam gesucht werden.Oder es muss doch im Netz ge-sucht werden. Durch eine Vielzahlvon Markierungen wirken die Sei-ten gedrngt und bervoll.

    Mit dem Handbuch fr denEinsatz von Web 2.0 hat der s-terreichische Gewerkschaftsverlagnicht nur einen ntzlichen und an-schaulichen Ratgeber fr politischengagierte Menschen herausge-bracht, sondern darber hinausein crossmediales Experiment ge-wagt: Das gesamte Buch ist kos-tenlos auf der dazugehrigen

    Webseite zu lesen. Hier doku-mentieren die Herausgeber auchdie Entstehung und Entwicklungdes Projekts und per Stream die Veranstaltungen nach der Ver-ffentlichung des Buchs. Sofernman den Band kuflich erworben

    hat, kann man ihn sogar als E-Book herunterladen. All das istmutig und setzt dem Gejammervieler Verlage ber die konomi-sche Bedrohung, die angeblich vonneuen Medien ausgeht, das Signalentgegen, dass in der Verbindungalter und neuer Medien viel auch verlegerisches Potentialsteckt.

    Das Buch enthlt auch fr die-jenigen, diemit Blogs, Twitter oderLivestreams vertraut sind, viele

    Anregungen und Hinweise. Mit der Webseite und den begleitenden Veranstaltungen (die allerdingsnur in sterreich stattfinden) ha-ben die Herausgeber dazu beige-tragen, dass ein weiterer Aus-tausch und Diskussionen mglichsind. Die Potentiale zu entfalten,die das Projekt bietet, ist also wieimmer bei Social Media die Sa-che derer, die sich daran beteili-gen.

    H. C. Voigt, Thomas Kreiml (Hrsg.): Soziale Bewegungen und SocialMedia. Handbuch fr den Einsatzvon Web 2.0, GB Verlag, Wien2011, 396 Seiten, 29,90 Euro.http://www.sozialebewegun-gen.org/

    Question? @nswer! nd-Foto:Frotscher

    Bewegungsmelder

    Berliner Protestcampbesetzt neu

    (nd) Seitens des Berliner Occu-py-Zeltcamps wurde gesternNachmittag eine weitere Immobi-lie des Bundes besetzt. Das Hausder Statistik in der Nhe des Ale-xanderplatzes stehe seit Jahrenleer und sei nun von rund 20 Per-sonen besetzt worden, die es fr

    zivilgesellschaftliche Prozesseffnen wollten, so ein Sprechergegenber nd. Das Gebude seiin mancherlei Hinsicht attrakti-ver als das Zeltcamp. Die Bun-desanstalt fr Immobilienaufga-ben sagte gegenber nd Ver-handlungsbereitschaft zu. EinenPressebericht, wonach es fr dasbestehende Camp am Bundes-pressestrand ein neues Ultimatumgebe, dementierte sie.

    Patente auf Gene undLebewesen

    (nd)Am Montag verffentlichte der Verein Testbiotech eine Schwar-ze Liste europischer Patente.Zusammen mit der Initiative KeinPatent auf Leben! seien zehn Pa-

    tente recherchiert und bewertetworden, die seit 2009 vom Euro-pischen Patentamt erteilt wordensind. Eines beziehe sich aufSchimpansen, andere auf menschliche Gene und Sperma.Testbiotech fordert, dass die ethi-schen Grenzen im EuropischenPatentrecht neu definiert werden.

    http://www.testbiotech.de/node/583

    Margarine doch nichtunbedenklich

    (nd) Die Organisation Foodwatch,die regelmig massenhafte Pro-testschreiben an Lebensmittel-hersteller organisiert, weist daraufhin, dass die Rechtfertigungen desKonzerns Unilever bezglich derMargarine Becel pro.activ nichtstimmig seien. Unilever hatte

    demnach die angeblich ber12 000 Protest-Emails direkt be-antwortet und mit den Aussagenzweier Professoren gekontert, wo-nach es keine Anzeichen fr Ne-benwirkungen der in der Marga-rine enthaltenen Pflanzensterinegebe. Foodwatch hingegen nenntdiesen Wirkstoff medikamenten-hnlich und zitiert das Bundesamtfr Risikobewertung, dass Men-schen ohne erhhten Cholesterin-spiegel Pflanzensterine nicht kon-sumieren sollten.

    Pestizid-Aktionsplan inder Kritik

    (nd) Ein breites Bndnis aus Um-weltverbnden, Imkern und der

    Wasserwirtschaft hat vergangene Woche seine seit sieben Jahrenbestehende Mitarbeit im Forumdes Pestizid-Aktionsplans desBundesministeriums fr Ernh-rung, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz aufgekndigt. An-lass ist die Verabschiedung desPflanzenschutzgesetzes und desdarin verankerten Aktionsplanszur nachhaltigen Anwendung vonPflanzenschutzmitteln im Bun-desrat. Das Ministerium orientieresich beim Aktionsplan an den In-teressen der Agrarindustrie undzeige sich immun gegen Vorschl-ge, die Pestizidbelastungen ernst-haft zu senken, so die Kritik.

    Berlin30.November:InfoveranstaltungzurAfghanistankonferenzinBonnmitlinkemAktivistenausKabul.19Uhr,SO

    36,Oranienstr.190.www.nowar.blogsport.de

    Leipzig1.Dezember:ChronikderRe-pressionEineEinfhrunginundberdieaktuellenErmittlungennach129StGBinSachsen.19Uhr,Bckerei,Josephstrae12www.unterverdacht.blogsport.de

    Bonn3.bis5.Dezember:TruppenrausausAfghanistanProtestegegenPe-tersbergII,AntikriegsdemonstrationenundInternationaleFriedenskonferenz.www.afghanistanprotest.de

    Leipzig8.Dezember:Verbotundal-lesgut?,DiskussionzumUmgangmitNeonazis,zivilgesellschaftlichemPro-testundGrundrechten,19Uhr,Volks-haus,Karl-Liebknecht-Str.30.

    www.leipzig-nimmt-platz.de

    Greifswald10.Dezember:Antifaschis-tischeDemonstrationZiehteuchwarman!13Uhr,Sdbahnhof.

    Berlin11.Dezember:20JahreHoyers-werda,20JahreRostockMusikalischeLesungmitAutorendesBuchesKaltland

    (eineSammlungvonErzhlungenundau-tobiografischenGeschichtenberdierassistischenPogromeundihreFolgen)undPodiumsgesprchmitdemFilmteamvonautofocus,AktivistenderHoyerswer-daerInitiativePogrom91,demDes-sauerProjektGegenpartundderInitia-tiveNeuruppinbleibtbunt.19Uhr,FestsaalKreuzberg,SkalitzerStr.130.

    Terminbrse unterwww.neues-deutschland.de/

    termine

    Hallo, groer Bruder!

    AK Vorrat enthllt Ausma der berwachungd) Viele Praktiken zur berwa-

    hung der Telekommunikationnd Internetnutzung sind extremedenklich. Diese Erkenntnis ziehter Arbeitskreis Vorratsdaten-

    eicherung auseinem gestern vonm verffentlichten 39-seitigenternen Leitfaden (Verschluss-che) der Generalstaatsanwalt-haft Mnchen. Daraus gehe her-r, dass die Ermittlungsbehrden

    agwrdige berwachungsprak-ken anwenden und einen fahr-ssigen Umgang mit Daten pfle-

    gen. Der AK Vorrat fordert diebayerische Justizministerin Merkauf, die dokumentierten Rechts-brche der Generalstaatsanwalt-schaft Mnchen sofort abzustel-len. Zu den aktuell wieder erho-benen Forderungen nach einerallgemeinen Vorratsdatenspei-cherung sagte Michael Petersenvom AK Vorrat, die Verbindungs-daten der gesuchten Neonazishtten seit 1998 auch ohne Vor-ratsdatenspeicherung gespeichertund ausgewertet werden knnen.