Richthofen, Manfred Freiherr Von - Der Rote Kampfflieger (1917, 203 S., Text)

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    Inhalt

    Einiges von meiner Familie ...................................... 9Meine Kadettenzeit .................................................. 12Eintritt in die Armee .................................................. 14Erste Offizierszeit ..................................................... 16Kriegsausbruch ........................................................ 19berschreiten der Grenze ........................................ 21Nach Frankreich ....................................................... 25Wie ich auf Patrouille zum erstenmal die Kugeln

    pfeifen hrte ........................................................ 31Patrouillenritt mit Loen ............................................. 37Langweile vor Verdun .............................................. 41Das erstemal in der Luft! .......................................... 45Beobachtungsflieger bei Mackensen ....................... 48

    Mit Holck in Ruland ................................................ 49Ruland Ostende .................................................. 55Ein Tropfen Blut frs Vaterland ................................ 59Mein erster Luftkampf ............................................... 61In der Champagne-Schlacht ..................................... 63Wie ich Boelcke kennenlernte .................................. 65

    Der erste Alleinflug ................................................... 67Aus meiner Dberitzer Ausbildungszeit ................... 69Erste Zeit als Pilot .................................................... 72Holck ..................................................................... 74Ein Gewitterflug ........................................................ 76Das erstemal auf einem Fokker ................................ 79

    Bombenflge in Ruland .......................................... 81Endlich ...................................................................... 88

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    Mein erster Englnder .......................................... 90Somme-Schlacht .................................................. 94Boelcke ............................................................. 96

    Der Achte ............................................................. 99Major Hawker . 103Pour le mrite ... 106Le petit rouge ......................................................... 108Englische und franzsische Fliegerei .................. 110Selbst abgeschossen ........................................... 112

    Ein Fliegerstckchen ............................................ 120Erste Dublette ...................................................... 122Mein bisher erfolgreichster Tag ........................... 127Moritz ................................................................. 130Englischer Bombenangriff auf unseren Flughafen 133Schfers Notlandung zwischen den Linien .......... 139

    Das Anti-Richthofen-Geschwader ........................ 144Der alte Herr kommt auf unseren Flughafen ...... 147Flug in die Heimat ................................................ 154Mein Bruder .......................................................... 163Lothar ein Schieer und nicht ein Weidmann .... 174Der Auerochs ........................................................ 176Infanterie-, Artillerie- und Aufklrungsflieger ......... 180Unsere Flugzeuge ................................................. 183

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    Einiges von meiner Familie

    Die Familie Richthofen hat sich in den bisherigenKriegen an fhrender Stelle eigentlich verhltnismigwenig bettigt, da die Richthofens immer auf ihrenSchollen gesessen haben. Einen Richthofen, der nichtangesessen war, gab es kaum. War er's nicht, so war er

    meistenteils in Staatsdiensten. Mein Grovater, und vonda ab alle meine Vorvter, saen in der Gegend vonBreslau und Striegau auf ihren Gtern. Erst in derGeneration meines Grovaters wurde ein Vetter meinesGrovaters als erster Richthofen General.

    In der Familie meiner Mutter, einer geborenen von

    Schickfu und Reudorf, ist es hnlich wie bei denRichthofens: wenig Soldaten, nur Agrarier. Der Brudermeines Urgrovaters Schickfu fiel 1806. In derRevolution 1848 wurde einem Schickfu eines seinerschnsten Schlsser abgebrannt. Im brigen haben sie'salle blo bis zum Rittmeister der Reserve gebracht.

    Auch in der Familie Schickfu sowohl wieFalckenhausen - meine Gromutter ist eineFalckenhausen - kann man nur zwei Hauptinteressenverfolgen. Das ist Reiten, siehe Falckenhausen, undJagen, siehe den Bruder meiner Mutter, OnkelAlexander Schickfu, der sehr viel in Afrika, Ceylon,

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    Norwegen und Ungarn gejagt hat.Mein alter Herr ist eigentlich der erste in unserem

    Zweig, der auf den Gedanken kam, aktiver Offizier zu

    werden. Er kam frh ins Kadettenkorps und trat sptervon dort bei den 12. Ulanen ein. Er ist der pflichttreuesteSoldat, den man sich denken kann. Er wurdeschwerhrig und mute den Abschied nehmen. SeineSchwerhrigkeit holte er sich, wie er einen seiner Leutebei der Pferdeschwemme aus dem Wasser rettete und

    nachher seinen Dienst beendete, ohne die Klte undNsse zu bercksichtigen.

    Unter der heutigen Generation sind natrlich sehr vielmehr Soldaten. Im Kriege ist jeder waffenfhigeRichthofen bei der Fahne. So verlor ich gleich zu Anfangdes Bewegungskrieges sechs Vettern verschiedenen

    Grades. Alle waren Kavalleristen.Genannt bin ich nach einem groen Onkel Manfred, inFriedenszeiten Flgeladjutant Seiner Majestt undKommandeur der Gardedukorps, im Kriege Fhrer einesKavalleriekorps.

    Nun noch von meiner Jugend. Der alte Herr stand inBreslau bei den Leibkrassieren 1, als ich am 2. Mai1892 geboren wurde. Wir wohnten in Kleinburg. Ichhatte Privatunterricht bis zu meinem neuntenLebensjahre, dann ein Jahr Schule in Schweidnitz,spter wurde ich Kadett in Wahlstatt. Die Schweidnitzer

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    betrachteten mich aber durchaus als ein SchweidnitzerKind. Im Kadettenkorps fr meinen jetzigen Berufvorbereitet, kam ich dann zum 1. Ulanenregiment.

    Was ich selbst erlebte, steht in diesem Buch.Mein Bruder Lothar ist der andere Flieger Richthofen.

    Ihn schmckt der Pour le merite. Mein jngster Bruderist noch im Kadettenkorps und wartet sehnschtigdarauf, sich gleichfalls zu bettigen. Meine Schwesterist, wie alle Damen unseres Familienkreises, in der

    Pflege der Verwundeten ttig.

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    Meine Kadettenzeit

    (1903 - 1909 Wahlstatt, 1909 - 1911 Lichterfelde)

    Als kleiner Sextaner kam ich in das Kadettenkorps. Ichwar nicht bermig gerne Kadett, aber es war derWunsch meines Vaters, und so wurde ich wenig gefragt.

    Die strenge Zucht und Ordnung fiel einem so jungen

    Dachs besonders schwer. Fr den Unterricht hatte ichnicht sonderlich viel brig. War nie ein groes Licht.Habe immer so viel geleistet, wie ntig war, um versetztzu werden. Es war meiner Auffassung nach nicht mehrzu leisten, und ich htte es fr Streberei angesehen,wenn ich eine bessere Klassenarbeit geliefert htte als

    gengend. Die natrliche Folge davon war, da michmeine Pauker nicht bermig schtzten. Dagegengefiel mir das Sportliche: Turnen, Fuballspielen usw.,ganz ungeheuer. Es gab, glaube ich, keine Welle, die icham Turnreck nicht machen konnte. So bekam ich baldeinige Preise von meinem Kommandeur verliehen.

    Alle halsbrecherischen Stcke imponierten mirmchtig. So kroch ich z. B. eines schnen Tages mitmeinem Freunde Frankenberg auf den bekanntenKirchturm von Wahlstatt am Blitzableiter heraus undband oben ein Taschentuch an.

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    Genau wei ich noch, wie schwierig es war, an denDachrinnen vorbeizukommen. Mein Taschentuch habeich, wie ich meinen kleinen Bruder einmal besuchte,

    etwa zehn Jahre spter, noch immer oben hngensehen.

    Mein Freund Frankenberg war das erste Opfer desKrieges, das ich zu Gesicht bekam.

    In Lichterfelde gefiel es mir schon bedeutend besser.Man war nicht mehr so abgeschnitten von der Welt und

    fing auch schon an, etwas mehr als Mensch zu leben.Meine schnsten Erinnerungen aus Lichterfelde sind

    die groen Korsowettspiele, bei denen ich sehr viel mitund gegen den Prinzen Friedrich Karl gefochten habe.Der Prinz erwarb sich damals so manchen ersten Preis.So im Wettlauf, Fuballspiel usw. gegen mich, der ich

    meinen Krper doch nicht so in der Vollendung trainierthatte wie er.

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    Eintritt in die Armee

    (Ostern 1911)

    Natrlich konnte ich es kaum erwarten, in die Armeeeingestellt zu werden. Ich ging deshalb bereits nachmeinem Fhnrichexamen an die Front und kam zumUlanenregiment Nr. 1 Kaiser Alexander III.. Ich hatte

    mir dieses Regiment ausgesucht; es lag in meinemlieben Schlesien, auch hatte ich da einige Bekannte undVerwandte, die mir sehr dazu rieten.

    Der Dienst bei meinem Regiment gefiel mir ganzkolossal. Es ist eben doch das schnste fr einen jungenSoldaten, Kavallerist zu sein.

    ber meine Kriegsschulzeit kann ich eigentlich wenigsagen. Sie erinnerte mich zu sehr an das Kadettenkorpsund ist mir infolgedessen in nicht allzu angenehmerErinnerung.

    Eine spaige Sache erlebte ich. Einer meinerKriegsschullehrer kaufte sich eine ganz nette dicke

    Stute. Der einzige Fehler war, sie war schon etwas alt.Er kaufte sie fr fnfzehn Jahre. Sie hatte etwas dickeBeine. Sonst aber sprang sie ganz vortrefflich. Ich habesie oft geritten. Sie ging unter dem Namen Biffy.

    Etwa ein Jahr spter beim Regiment erzhlte mir meinRittmeister v. Tr., der sehr sportliebend war, er habe sich

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    ein ganz klobiges Springpferd gekauft. Wir waren allesehr gespannt auf den klobigen Springer der denseltenen Namen Biffy trug. Ich dachte nicht mehr an

    die alte Stute meines Kriegsschullehrers. Eines schnenTages kommt das Wundertier an, und nun soll man sichdas Erstaunen vorfallen, da die gute alte Biffy alsachtjhrig in dem Stall v. Tr.s sich wieder einfand. Siehatte inzwischen einige Male den Besitzer gewechseltund war im Preise sehr gestiegen. Mein

    Kriegsschullehrer hatte sie fr fnfzehnhundert Markgekauft, und v. Tr. hatte sie nach einem Jahre alsachtjhrig fr dreitausendfnfhundert Mark erworben.Gewonnen hat sie keine Springkonkurrenz mehr, abersie hat wieder einen Abnehmer gefunden - und ist gleichzu Beginn des Krieges gefallen.

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    schlitterten wir hin. Santuzza quetschte sich etwas ihreSchulter, und ich knackste mir mein Schlsselbein an.

    Von meiner guten dicken Stute Santuzza verlangte

    ich im Training auch Leistungen auf Geschwindigkeitund war sehr erstaunt, als von Wedels Vollblter sieschlug.

    Ein andermal hatte ich das Gluck, bei der Olympiadein Breslau einen sehr schnen Fuchs zu reiten. DerGelnderitt fing an, und mein Wallach war im zweiten

    Drittel noch ganz und munter, so da ich Aussichten aufErfolg hatte. Da kommt das letzte Hindernis. Ich sahschon von weitem, da dies etwas ganz Besonderessein mute, da sich eine Unmenge Volks dortangesammelt hatte. Ich dachte mir: Nur Mut, die Sachewird schon schief gehen! und kam in windender Fahrt

    den Damm heraufgesaust, auf dem ein Koppelrickstand. Das Publikum winkte mir immer zu, ich sollte nichtso schnell reiten, aber ich sah und hrte nichts mehr.Mein Fuchs nimmt das Koppelrick oben auf dem Damm,und zu meinem grten Erstaunen geht's auf deranderen Seite in die Weistritz. Ehe ich mich versah,bringt das Tier in einem Riesensatz den Abhangherunter, und Ro und Reiter verschwinden in denFluten. natrlich gingen wir ber Kopf. Felix kam aufdieser Seite raus und Manfred auf der anderen. Beimzurckliegen nach Schlu des Gelnderittes stellte man

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    mit groem Erstaunen fest, da ich nicht die blichenzwei Pfund abgenommen hatte, sondern zehn Pfundschwerer geworden war. Da ich glitschna war, sah

    man mir Gott sei Dank nicht an.Ich besa auch einen sehr guten Charger, und dieses

    Unglckstier mute alles machen. Rennen laufen,Gelnderitte, Springkonkurrenzen, vor dem Zuge gehen,kurz und gut, es gab keine bung, in der das gute Tiernicht ausgebildet war. Das war meine brave Blume.

    Auf ihr hatte ich sehr nette Erfolge. Mein letzter ist der imKaiserpreis-Ritt 1913. Ich war der einzige, der dieGelndestrecke ohne Fehler berwunden hatte. Mirpassierte dabei eine Sache, die nicht so leicht nachgemacht werden wird. Ich galoppierte ber eine Heideund stand pltzlich Kopf. Das Pferd war in ein

    Karnickelloch getreten, und ich hatte mir beim Sturz dasSchlsselbein gebrochen. Damit war ich noch siebzigKilometer geritten, hatte dabei keinen Fehler gemachtund die Zeit innegehalten.

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    Kriegsausbruch

    In allen Zeitungen stand weiter nichts als dickeRomane ber den Krieg. Aber seit einigen Monaten warman ja schon an das Kriegsgeheul gewhnt. Wir hattenschon so oft unseren Dienstkoffer gepackt, da man esschon langweilig fand und nicht mehr an einen Kriegglaubte. Am wenigsten aber glaubten wir an einen Krieg,

    die wir die ersten an der Grenze waren, das ,,Auge derArmee, wie seinerzeit mein Kommandierender unsKavalleriepatrouillen bezeichnet hatte.

    Am Vorabend der erhhten Kriegsbereitschaft saenwir bei der detachierten Schwadron, zehn Kilometer vonder Grenze entfernt in unserem Kasino, aen Austern,

    tranken Sekt und spielten ein wenig. Wir waren sehrvergngt. Wie gesagt, an einen Krieg dachte keiner.

    Wedels Mutter hatte uns zwar schon einige Tagezuvor etwas stutzig gemacht; sie war nmlich ausPommern erschienen, um ihren Sohn vor dem Kriegenoch einmal zu sehen. Da sie uns in angenehmster

    Stimmung fand und feststellen mute, da wir nicht anKrieg dachten, konnte sie nicht umhin, uns zu einemanstndigen Frhstck einzuladen.

    Wir waren gerade sehr ausgelassen, als sich pltzlichdie Tr ffnete und Graf Kospoth, der Landrat von ls,

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    auf der Schwelle stand. Der Graf machte einentgeistertes Gesicht.

    Wir begrten den alten Bekannten mit einem Hallo!

    Er erklrte uns den Zweck seiner Reise, nmlich, da ersich an der Grenze persnlich berzeugen wolle, wasvon den Gerchten von dem nahen Weltkrieg stimme. Ernahm ganz richtig an, die an der Grenze mten eseigentlich am ehesten wissen. Nun war er ob desFriedensbildes nicht wenig erstaunt. Durch ihn erfuhren

    wir, da smtliche Brcken Schlesiens bewacht wurdenund man bereits an die Befestigung von einzelnenPltzen dachte.

    Schnell berzeugten wir ihn, da ein Kriegausgeschlossen sei, und feierten weiter.

    Am nchsten Tage rckten wir ins Feld.

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    berschreiten der Grenze

    Das Wort Krieg war uns Grenzkavalleristen zwargelufig. Jeder wute haarklein, was er zu tun und zulassen hatte. Keiner hatte aber so eine rechteVorstellung, was sich nun zunchst abspielen wrde.Jeder aktive Soldat war selig, nun endlich seinePersnlichkeit und sein Knnen zeigen zu drfen.

    Uns jungen Kavallerieleutnants war wohl dieinteressanteste Ttigkeit zugedacht: aufklren, in denRcken des Feindes gelangen, wichtige Anlagenzerstren; alles Aufgaben, die einen ganzen Kerlverlangen.

    Meinen Auftrag in der Tasche, von dessen Wichtigkeit

    ich mich durch langes Studium schon seit einem Jahreberzeugt hatte, ritt ich nachts um zwlf Uhr an derSpitze meiner Patrouille zum erstenmal gegen denFeind.

    Die Grenze bildete ein Flu, und ich konnte erwarten,da ich dort zum erstenmal Feuer bekommen wrde. Ich

    war ganz erstaunt, wie ich ohne Zwischenfall die Brckepassieren konnte. Ohne weitere Ereignisse erreichtenwir den mir von Grenzritten her wohlbekanntenKirchturm des Dorfes Kielcze am nchsten Morgan.

    Ohne von einem Gegner etwas gemerkt zu habenoder vielmehr besser ohne selbst bemerkt worden zu

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    sein, war alles verlaufen. Wie sollte ich es anstellen, damich die Dorfbewohner nicht bemerkten? Mein ersterGedanke war, den Popen hinter Schlo und Riegel zu

    setzen. So holten wir den vollkommen berraschten undhchst verdutzten Mann aus seinem Hause. Ich sperrteihn zunchst mal auf dem Kirchturm ins Glockenhausein, nahm die Leiter weg und lie ihn oben sitzen. Ichversicherte ihm, da, wenn auch nur das geringstefeindselige Verhalten der Bevlkerung sich bemerkbar

    machen sollte, er sofort ein Kind des Todes sein wrde.Ein Posten hielt Ausschau vom Turm und beobachtetedie Gegend.

    Ich hatte tglich durch Patrouillenreiter Meldungen zuschicken. So lste sich bald mein kleines Huflein anMeldereitern auf, so da ich schlielich den letzten

    Melderitt als berbringer selbst bernehmen mute.Bis zur fnften Nacht war alles ruhig geblieben. Indieser kam pltzlich der Poften zu mir zum Kirchturmgelaufen - denn in dessen Nhe hatte ich meine Pferdehingestellt - und rief mir zu: Kosaken sind dal Es warpechfinster, etwas Regen, keine Sterne. Man sah dieHand nicht vor den Augen.

    Wir fhrten die Pferde durch eine schon vorhervorsichtshalber durch die Kirchhofsmauergeschlagene Bresche auf das freie Feld. Dort war maninfolge der Dunkelheit nach fnfzig Metern in

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    vollstndiger Sicherheit. Ich selbst ging mit dem Posten,den Karabiner in der Hand, nach der bezeichnetenStelle, wo die Kosaken fein sollten.

    Ich schlich an der Kirchhofsmauer entlang und kam andie Strae. Da wurde mir doch etwas anders zumute,denn der ganze Dorfausgang wimmelte von Kosaken.Ich guckte ber die Mauer, hinter der die Kerle ihrePferde stehen hatten. Die meinen hatten Blendlaternenund benahmen sich sehr unvorsichtig und laut. Ich

    schtzte sie auf etwa zwanzig bis dreiig. Einer warabgesessen und zum Popen gegangen, den ich amTage vorher aus der Haft entlassen hatte.

    Natrlich Verrat! zuckte es mir durchs Gehirn. Alsodoppelt aufpassen. Auf einen Kampf konnte ich es nichtmehr ankommen lassen, denn mehr als zwei Karabiner

    hatte ich nicht zur Verfgung. Also spielte ich Ruberund Gendarm.Nach einigen Stunden Rast ritten die Besucher wieder

    von dannen.Am nchsten Morgen zog ich es vor, jetzt aber doch

    einen kleinen Quartierwechsel vorzunehmen. Amsiebenten Tage war ich wieder in meiner Garnison undwurde von jedem Menschen angestarrt, als sei ich einGespenst. Das kam nicht etwa wegen meinesunrasierten Gesichts, Sondern vielmehr weil sichGerchte verbreitet hatten, Wedel und ich seien beiKalisch gefallen. Man wute Ort, Zeit und nhere

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    Umstnde so haargenau zu erzhlen, da sich dasGercht schon in ganz Schlesien verbreitet hatte. Selbstmeiner Mutter hatte man bereits Kondolenzbesuche

    gemacht.Es fehlte nur noch, da eine Todesanzeige in der

    Zeitung stand.

    *

    Eine komische Geschichte ereignete sich zur selbenZeit. Ein Pferdedoktor bekam den Auftrag, mit zehnUlanen Pferde aus einem Gehft zu requirieren. Es lagetwas abseits, etwa drei Kilometer. Ganz erregt kam ervon seinem Auftrag zurck und berichtete selberfolgendes:

    Ich reite ber ein Stoppelfeld, auf dem die Puppenstehen, worauf ich pltzlich in einiger Entfernungfeindliche Infanterie erkenne. Kurz entschlossen zieheich den Sbel, rufe meinen Ulanen zu: Lanze gefllt, zurAttache, marsch, marsch, hurra! Den beuten macht esSpa, es beginnt ein wildes Hetzen ber die Stoppeln.Die feindliche Infanterie entpuppt sich aber als ein RudelRehe, die ich in meiner Kurzsichtigkeit verkannt habe.

    Noch lange hatte der tchtige Herr unter seinerAttacke zu leiden.

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    Nach Frankreich

    In meinem Garnisonsort wurden wir nun verladen.Wohin? - Keine Ahnung, ob West, Ost, Sd, Nord.

    Gemunkelt wurde viel, meistens aber vorbei. Aber indiesem Fall hatten wir wohl den richtigen Riecher:Westen.

    Uns stand zu viert ein Abteil zweiter Klasse zur

    Verfgung. Man mute sich auf eine lange Bahnfahrtverproviantieren. Getrnke fehlten natrlich nicht. Aberschon am ersten Tage merkten wir, da so ein Abteilzweiter Klasse doch verflucht eng ist fr vier kriegsstarkeJnglinge, und so zogen wir denn vor, uns etwas mehrzu verteilen. Ich richtete mir die eine Hlfte eines

    Packwagens zur Wohn- und Schlafsttte ein und hattedamit ganz entschieden etwas Gutes getan. Ich hatteLuft, Licht usw. Stroh hatte ich mir in einer Stationverschafft, die Zeltbahn wurde darauf gedeckt. Ichschlief in meinem Schlafwagen so fest, als lge ich inOstrowo in meinem Familienbett. Die Fahrt ging Tag und

    Nacht, erst durch ganz Schlesien, Sachsen, immer mehrgen Westen. Wir hatten scheinbar Richtung Metz selbstder Transportfhrer wute nicht, wo es hinging. Auf

    jeder Station, auch da, wo wir nicht hielten, stand einMeer von Menschen, die uns mit Hurra und Blumen

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    berschtteten. Eine wilde Kriegsbegeisterung lag imdeutschen Volk; das merkte man. Die Ulanen wurdenbesonders angestaunt. Der Zug, der vorher durch die

    Station geeilt war, mochte wohl verbreitet haben, da wirbereits am Feinde gewesen waren - und wir hatten erstacht Tage Krieg. Auch hatte im ersten Heeresberichtbereits mein Regiment Erwhnung gefunden.Ulanenregiment 1 und das Infanterieregiment 155eroberten Kalisch. Wir waren also die gefeierten Helden

    und kamen uns auch ganz als solche vor. Wedel hatteein Kosakenschwert gefunden und zeigte dies denerstaunten Mdchen. Das machte groen Eindruck. Wirbehaupteten natrlich, es klebte Blut daran, unddichteten dem friedlichen Schwert einesGendarmeriehuptlings ein ganz ungeheures Mrchen

    an. Man war doch schrecklich ausgelassen. Bis wirschlielich in Busendorf bei Dedenhofen ausgeladenwurden.

    Kurz bevor der Zug ankam, hielten wir in einemlangen Tunnel. Ich mu sagen, es ist schonungemtlich, in einem Tunnel in Friedenszeiten pltzlichzu halten, besonders aber im Kriege.

    Nun erlaubte sich ein bermtiger einen Scherz undgab einen Schu ab. Es dauerte nicht lange, so fing indiesem Tunnel ein wstes Geschiee an. Da keinerverletzt wurde, ist ein Wunder. Was die Ursache dazuwar, ist nie herausgekommen.

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    In Busendorf wurde ausgeladen. Es war eine derartigeHitze, da uns die Pferde umzufallen drohten. Dienchsten Tage marschierten wir immer nach Norden,

    Richtung Luxemburg. Mittlerweile hatte ichherausgekriegt, da mein Bruder vor etwa acht Tagendieselbe Strecke mit einer Kavalleriedivision gerittenwar. Ich konnte ihn sogar noch einmal fhrten, gesehenhabe ich ihn erst ein Jahr spter.

    In Luxemburg wute kein Mensch, wie sich dieses

    Lndchen gegen uns verhielt. Ich wei noch wie heute,wie ich einen Luxemburger Gendarm von weitem sah,ihn mit meiner Patrouille umzingelte undgefangennehmen wollte. Er versicherte mir, da, wennich ihn nicht umgehend losliee, er sich beim DeutschenKaiser beschweren wrde. Das sah ich denn auch ein

    und lie den Helden wieder laufen. So kamen wir durchdie Stadt Luxemburg und Esch durch, und man nhertesich jetzt bedenklich den ersten befestigten StdtenBelgiens.

    Auf dem Hinmarsch machte unsere Infanterie, wieberhaupt unsere ganze Division, die reinenFriedensmanver. Man war schrecklich aufgeregt. Aberso ein Manver-Vorpostenbild war einem ab und zuganz bekmmlich. Sonst htte man ganz bestimmt berdie Strnge geschlagen. Rechts und links, auf jederStrae, vor und hinter uns marschierten Truppen vonvermiedenen Armeekorps. Man hatte das Gefhl eines

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    wsten Durcheinanders. Pltzlich wurde aus demKuddelmuddel ein groartig funktionierender Aufmarsch.

    Was unsere Flieger damals leiteten, ahnte ich nicht.

    Mich versetzte jedenfalls jeder Flieger in einen ganzungeheuren Schwindel. Ob es ein deutscher war oderein feindlicher, konnte ich nicht sagen. Ich hatte ja nichteinmal eine Ahnung, da die deutschen ApparateKreuze trugen und die feindlichen Kreise. Folglich wurde

    jeder Flieger unter Feuer genommen. Die alten Piloten

    erzhlen heute noch immer, wie peinlich es ihnengewesen sei, von Freund und Feind gleichmigbeschossen zu werden.

    Wir marschierten und marschierten, die Patrouillenweit voraus, bis wir eines schnen Tages bei Arlonwaren. Es berlief mich ganz spaig den Buckel 'runter,

    wie ich zum zweitenmal die Grenze berschritt. DunkleGerchte von Franktireurs und dergleichen waren mirbereits zu Ohren gekommen.

    *

    Ich hatte einmal den Auftrag, die Verbindung mitmeiner Kavalleriedivision aufzunehmen. Ich habe andiesem Tage nicht wenige als hundertzehn Kilometer mitmeiner gesamten Patrouille geritten. Nicht ein Pferd warkaputt, eine glnzende Leitung meiner Tiere. In Arlonbesieg ich nach den Grundstzen der Taktik des

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    Friedens den Kirchturm, sah natrlich nichts, denn derbse Feind war noch weitab.

    Man war damals noch ziemlich harmlos. So hatte ich

    z. B. meine Patrouille vor der Stadt stehenlassen undwar ganz allein mit einem Rad mitten durch die Stadtzum Kirchturm gefahren. Wie ich wieder 'runterkam,stand ich inmitten einer murrenden und murmelndenMenge feindselig blickender Jnglinge. Mein Rad warnatrlich geklaut, und ich konnte nun eine halbe Stunde

    lang zu Fu laufen. Aber das machte mir Spa. Ich htteso eine kleine Rauferei ganz gern gemocht. Ich fhltemich mit meiner Pistole in der Hand ganz kolossalsicher.

    Die Einwohner hatten sich, wie ich spter erfahrenhabe, sowohl einige Tage vorher gegen unsere

    Kavallerie als auch spter gegen unsere Lazarette sehraufrhrerisch benommen, und man hatte eine ganzeMenge dieser Herren an die Wand stellen mssen.

    *

    Am Nachmittag erreichte ich mein Ziel und erfuhr dort,da drei Tage vorher, ganz in der Gegend von Arlon,mein einziger Vetter Richthofen gefallen war. Ich bliebden Rest des Tages bei der Kavalleriedivision, machtedort noch einen blinden Alarm mit und kam nachts sptbei meinem Regiment an.

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    Man erlebte und eben mehr als die anderen, man wareben doch schon mal am Feind gewesen, hatte mit demFeinde zu tun gehabt, hatte die Spuren des Krieges

    gesehen und wurde von jedem einer anderen Waffebeneidet. Es war doch zu schn, wohl doch meineschnste Zeit im ganzen Kriege. Den Kriegsanfangmchte ich wieder mal mitmachen.

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    Am Knall erkannte ich sofort, da es kein Bchsenschuwar, sondern da er von einer Flinte herrhrte. Zurgleichen Zeit sah ich auch Unordnung in meiner

    Patrouille und vermutete gleich einen berfall durchFranktireurs. Von den Pferden 'runter und das Hausumstellen war eins. In einem etwas dunkeln Raumerkannte ich vier bis fnf Burschen mit feindseligenAugen. Eine Flinte war natrlich nicht zu sehen. MeineWut war gro in diesem Augenblick; aber ich hatte noch

    nie in meinem Leben einen Menschen gettet, und somu ich sagen, war mir der Moment uerstunbehaglich. Eigentlich htte ich den Franktireur wie einStck Vieh 'runterknallen mssen. Er hatte mit demSchu eine Ladung Schrot in den Bauch eines meinerPferde gejagt und einen meiner Ulanen an der Hand

    verletzt.Mit meinem kmmerlichen Franzsisch schrie ich dieBande an und drohte, wenn sich der Schuldige nichtumgehend melden wrde, sie allesamt ber den Haufenzu schieen. Sie merkten, da es mir Ernst war, undda ich nicht zaudern wrde, meinen Worten die Tatfolgen zu lassen. Wie es nun eigentlich kam, wei ichheute selbst nicht mehr. Jedenfalls waren dieFreischtzen mit einemmal aus der Hintertr heraus undvom Erdboden verschwunden. Ich scho noch hinterher,ohne zu treffen. Zum Glck hatte ich das Haus umstellt.so da sie mir eigentlich nicht entwischen konnten.

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    Sofort lie ich das Haus nach ihnen durchstbern, fandaber keinen mehr. Mochten nun die Poften hinter demHaus nicht ordentlich aufgepat haben, jedenfalls war

    die ganze Bude leer. Wir fanden noch die Schrotspritzeam Fenster stehend und muten uns auf andere Weiserchen. In fnf Minuten stand das ganze Haus inFlammen.

    Nach diesem Intermezzo ging es weiter.An frischen Pferdespuren erkannte ich, da

    unmittelbar vor uns starke feindliche Kavalleriemarschiert sein mute. Ich hielt mit meiner Patrouille,feuerte sie durch ein paar Worte an und hatte dasGefhl, da ich mich auf jeden meiner Kerls unbedingtverlassen konnte. Jeder, so wute ich, wrde feinenMann in den nchsten Minuten stehen. Natrlich dachte

    keiner an etwas anderes als an eine Attacke. Es liegtwohl im Blute eines Germanen, den Gegner, wo man ihnauch trifft, ber den Haufen zu rennen, besondersnatrlich feindliche Kavallerie. Schon sah ich mich ander Spitze meines Hufleins eine feindliche Schwadronzusammenhauen und war ganz trunken vor freudigerErwartung. Meinen Ulanen blitzten die Augen. So ginges dann in flottem Trab auf der frischen Spur weiter.Nach einstndigem scharfem Ritt durch die schnsteBergschlucht wurde der Wald etwas lichter, und wirnherten uns dem Ausgang. Da ich damit auf denFeind stoen wrde, war mir klar. Also Vorsicht! bei

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    allem Attackenmut, der mich beseelte. Rechts von demschmalen Pfad war eine viele Meter hohe, steileFelsenwand. Zu meiner Linken war ein schmaler

    Gebirgsbach, dann eine Wiese von fnfzig MeternBreite, eingefat von Stacheldrhten. Mit einem Malehrte die Pferdespur auf und verschwand ber eineBrcke in den Bschen. Meine Spitze hielt, denn vor unswar der Waldausgang durch eine Barrikade versperrt.

    Sofort war es mir klar, da ich in einen Hinterhalt

    geraten war. Ich erkannte pltzlich Bewegung imBuschwerk hinter der Wiese zu meiner Linken undkonnte abgesessene feindliche Kavallerie erkennen. Ichschtzte sie auf eine Strke von hundert Gewehren. Hierwar nichts zu wollen. geradeaus war der Weg durch dieBarrikade versperrt, rechts waren die Felswnde, links

    hinderte mich die mit Draht eingefate Wiese anmeinem Vorhaben, der Attacke. Zum Absitzen, um denGegner mit Karabinern anzugreifen, war keine Zeitmehr. Also blieb nichts anderes brig, als zurck. Alleshtte ich meinen guten Ulanen zutrauen knnen, blokein Ausreien vor dem Feinde. - Das sollte somanchem den Spa verderben, denn eine Sekundespter knallte der erste Schu, dem ein rasendesSchnellfeuer aus dem Walde drben folgte. DieEntfernung betrug etwa fnfzig bis hundert Meter. Die

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    Leute waren instruiert, da sie, im Falle ich die Handhob, schnell zu mir stoen sollten. Nun wute ich, wirmuten zurck, hob den Arm und winkte meinen Leuten

    zu. Das mgen sie wohl falsch verbanden haben. MeinePatrouille, die ich zurckgelassen hatte, glaubte mich inGefahr und kam in wildem Karacho herangebraust, ummich herauszuhauen. Alles das spielte sich auf einemschmalen Waldweg ab, so da man sich wohl dieSchweinerei vorstellen kann, die sich nun ereignete.

    Meinen beiden Spitzenreitern gingen die Pferde infolgedes rasenden Feuers in der engen Schlucht, wo der Laut

    jedes Schusses sich verzehnfachte, durch, und ich sahsie blo die Barrikade mit einem Sprung nehmen. Vonihnen habe ich nie wieder etwas gehrt. Gewi sind siein Gefangenschaft. Ich selbst machte kehrt und gab

    meinem guten Antithesis, wohl zum erstenmal inseinem Leben, die Sporen. Meinen Ulanen, die mirentgegengebraust kamen, konnte ich nur mit Mhe undNot zu erkennen geben, nicht weiter vorzukommen.Kehrt und davon! Neben mir ritt mein Bursche. Pltzlichstrzte sein Pferd getroffen, ich sprang darber hinweg,um mich herum wlzten sich andere Pferde. Kurz undgut, es war ein wstes Durcheinander. Von meinemBurschen sah ich nur noch, wie er unter dem Pferd lag,scheinbar nicht verwundet, aber durch das auf ihmliegende Pferd gefesselt. Der Gegner hatte uns

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    berrumpelt. Er hatte uns wohl von Anfang anbeobachtet und, wie es den Franken nun mal liegt, ausdem Hinterhalt seinen Feind zu berfallen, so hatte er es

    auch in diesem Fall wieder versucht.Freude machte es mir, als nach zwei Tagen mit

    einemmal mein Bursche vor mir stand. allerdings zurHlfte barfig, denn den einen Stiefel hatte er unterseinem Pferd gelassen. Er erzhlte mir nun, wie erentkommen war: Mindestens zwei Schwadronen

    franzsischer Krassiere waren spter aus dem Waldegekommen, um die vielen gefallenen Pferde undtapferen Ulanen zu plndern. Er war gleichaufgesprungen, unverwundet die Felsenwandhinaufgeklettert und in fnfzig Metern Hhe vollstndigerschpft in einem Gebsch zusammengebrochen.

    Nach etwa zwei Stunden, nachdem der Feind sichwieder in seinen Hinterhalt begeben hatte, hatte er seineFlucht fortsetzen knnen. Nach einigen Tagen gelangteer so wieder zu mir. Von dem Verbleib der anderenKameraden konnte er wenig aussagen.

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    Patrouillenritt mit Loen

    Die Schlacht von Virton war im Gange. Mein KameradLoen und ich hatten wieder einmal durch eine Patrouillefestzustellen, wo der Feind geblieben war. Den ganzenTag ritten wir hinter dem Feinde her, erreichten ihnschlielich und konnten eine ganz ordentliche Meldungverfassen. Abends war nun die groe Frage. Wollen wir

    die Nacht durchreiten, um zu unserer Truppezurckzukommen, oder unsere Krfte schonen und unsfr den nchsten Tag ausruhend Das ist ja gerade dasSchne, da der Kavalleriepatrouille vollstndig freiesHandeln berladen sein mu.

    So entschlossen wir uns, die Nacht am Feinde zu

    bleiben und am nchsten Morgen weiterzureiten.Unseren strategischen Blicken nach war der Gegner aufRckmarsch, und wir drngten ihm nach. Folglichkonnten wir die Nacht mit ziemlicher Ruhe verbringen.

    Gar nicht weit vom Gegner lag ein wunderbaresKloster mit groen Stllen, so da wir sowohl Loen als

    auch meine Patrouille einquartieren konnten. Allerdingssa der Gegner gegen Abend, wie wir dort unterzogen,noch so nahe dran, da er uns mit Gewehrkugeln dieFensterscheiben htte einschieen knnen.

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    Die Mnche waren beraus liebenswrdig. Sie gaben

    uns zu essen und zu trinken, so viel wir haben wollten,

    und wir lieen es uns gut schmecken. Die Pferdewurden abgesattelt und waren auch ganz froh, wie sienach drei Tagen und drei Nchten zum erstenmal ihreachtzig Kilo totes Gewicht von ihren Rcken loswurden.Mit anderen Worten, wir richteten uns so ein, als ob wirim Manver bei einem lieben Gastfreund zu Abend

    wren. Nebenbei bemerkt. hingen drei Tage daraufmehrere von den Gastgebern an dem Laternenpfahl, dasie es sich nicht hatten verkneifen knnen, sich an demKrieg zu beteiligen. Aber an dem Abend waren siewirklich beraus liebenswrdig. Wir krochen inNachthemden in unsere Betten, fllten einen Posten auf

    und lieen den lieben Herrgott einen guten Mann sein.Nachts reit pltzlich jemand die Tr auf, und dieStimme des Postens ertnt: Herr Leutnant, dieFranzofen sind da. Ich war zu verschlafen, umberhaupt Antwort geben zu knnen. Loen ging es sohnlich, und er stellte nur die geistreiche Frage: Wievielsind es denn? Die Antwort des Postens, sehr aufgeregt:Zwei haben wir schon totgeschossen, wieviel es sind,knnen wir nicht sagen, denn es ist stockfinster. Ichhre Loen noch ganz verschlafen antworten: Wenn alsomehr kommen, dann weckst du mich. Eine halbe Minutespter schnarchten wir weiter.

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    Am nchsten Morgen stand die Sonne schon rechthoch, als wir von unserem gesunden Schlaf erwachten.Nach einem reichlichen Frhstck ging die Reise

    wieder los.Tatschlich waren nachts an unserem Schlo die

    Franzosen vorbeimarschiert, und unsere Poften hattenwhrend dieser Zeit einen Feuerberfall auf siegemacht. Da es aber stockfinster war, hatte sich keinegrere Schlacht daraus entspinnen knnen.

    Bald ging's in einem munteren Tal weiter. Wir rittenber das alte Schlachtfeld unserer Division und stelltenmit Erstaunen fest, da statt unserer Leute nurfranzsische Sanitter zu sehen waren. FranzsischeSoldaten sah man auch noch ab und zu. Sie machtenaber ebenso dumme Gesichter wie wir. An Schieen

    hatte keiner gedacht. Wir machten uns dann mglichstrasch dnne; denn wir kamen so sachte dahinter, dawir, statt vorwrts zu gehen, uns etwas rckwrtskonzentriert hatten. Zum Glck war der Gegner nach deranderen Seite ausgerissen, sonst se ich jetztirgendwo in Gefangenschaft.

    Wir kamen durch das Dorf Robelmont, wo wir amTage zuvor unsere Infanterie zum letztenmal in Stellunggesehen hatten. Dort trafen wir einen Einwohner undfragten ihn nach dem Verbleib unserer Soldaten. Er warsehr glcklich und versicherte mir, die Deutschen wrenpartis.

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    Wir kamen um eine Ecke und waren Zeugen vonfolgendem komischem Bilde. Vor uns wimmelte es vonroten Hosen - ich schtzte etwa fnfzig bis hundert -, die

    eifrigst bemht waren, an einem Eckstein ihre Gewehrezu zerschlagen. Daneben stehen sechs Grenadiere, die,wie es sich herauf stellte, die Brdergefangengenommen hatten. Wir halfen ihnen noch, dieFranzofen abzutransportieren, und erfuhren durch diesechs Grenadiere, da wir nachts eine rckwrtige

    Bewegung angetreten hatten.Am spten Nachmittag erreichte ich mein Regiment

    und war ganz zufrieden mit dem Verlauf der letztenvierundzwanzig Stunden.

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    Langeweile vor Verdun

    Fr einen so unruhigen Geist, wie ich einer bin, warmeine Ttigkeit vor Verdun durchaus mit langweilig zubezeichnen. Anfangs lag ich selbst im Schtzengrabenan einer Stelle, wo nichts los war. dann wurde ichOrdonnanzoffizier und glaubte, nun mehr zu erleben. Dahatte ich mich aber arg in die Finger geschnitten. Ich

    wurde vom Kmpfenden zum besseren Etappenschweindegradiert. So ganz Etappe war es noch nicht, aber dasWeiteste, was ich mich vorwagen durfte, warfnfzehnhundert Meter hinter die vordere Linie. Dort saich wochenlang unter der Erde in einembombensicheren, geheizten Unterstand. Ab und zu

    wurde ich mit nach vorn genommen. Das war eine groekrperliche Anstrengung. Denn man ging bergauf,bergab, die Kreuz und die Quer', durch unendlich vieleAnnherungsgrben und Schlammlcher hindurch, bisman dann endlich vorn dort angekommen war, wo esknallte. Bei einem so kurzen Besuch bei den

    Kmpfenden kam ich mir immer sehr dumm vor mitmeinen gesunden Knochen.Man fing damals an, unter der Erde zu arbeiten. Wir

    waren uns noch gar nicht klar darber, was es eigentlichheit, einen Stollen bauen oder eine Sappe vorschieben.

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    Man kannte die Namen zwar aus der Befestigungslehrevon der Kriegsschule her, aber das war nun malPionierarbeit, mit der sich ein anderer Sterblicher nicht

    gern beschftigt htte. Aber dort vorn an der Combres-Hhe buddelte alles emsig. Jeder hatte ein Grabscheitund eine Hacke und gab sich unendliche Mhe,mglichst tief in die Erde hineinzukommen. Es war ganzspaig, die Franzosen an manchen Stellen nur auf fnfSchritt vor sich zu haben. Man hrte den Kerl sprechen,

    man sah ihn Zigaretten rauchen, ab und zu warf er einStck Papier herber. Man unterhielt sich mit ihnen, undtrotzdem suchte man sich auf alle mglichen Artenanzurgern (Handgranaten).

    Fnfhundert Meter vor und fnfhundert Meter hinterden Grben war der dichte Wald der Cote Lorraine

    abgemht durch die unendlich vielen Gewehrkugeln undGranaten, die dort stndig durch die Luft sausten. Manwrde nicht glauben, da dort vorn berhaupt noch einMensch leben knnte. Die Truppe vorne empfand es garnicht mal so schlimm wie die Etappenleute.

    Nach so einem Spaziergang, der meistenteils in denallerzeitigsten Morgenstunden stattfand, fing fr michwieder der langweiligere Teil des Tages an, nmlichTelephonordonnanz zu spielen.

    *

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    An meinen freien Tagen beschftigte ich mich mitmeinem Lieblingshandwerk, dem Jagen. Der Wald vonLa Chaussee bot mir dazu reichlich Gelegenheit. Ich

    hatte bei meinen Spazierritten Sauen gesprt und warnun damit beschftigt, diese ausfindig zu machen undmich nachts anzuschleichen. Schne Vollmondnchtemit Schnee kamen mir zu Hilfe. Ich baute mir mit Hilfemeines Burschen Hochsitze an ganz bestimmtenWechseln und besieg diese nachts. Da habe ich so

    manche Nacht auf Bumen zugebracht und wurdemorgens als Eiszapfen wieder vorgefunden. Aber eshatte sich gelohnt. Besonders eine Sau war interessant,sie kam jede Nacht durch den See geschwommen,brach an einer bestimmten Stelle in einen Kartoffelackerund schwamm dann wieder zurck. Es reizte mich

    natrlich besonders, dieses Tier nher kennenzulernen.So setzte ich mich denn an dem Ufer dieses Sees an.Wie verabredet, erschien die alte Tante um Mitternacht,um sich ihr Nachtmahl zu holen. Ich scho, whrend sienoch im See schwamm, traf, und das Tier wre mirbeinahe versoffen, wenn ich nicht noch im letztenMoment htte zugreifen knnen, um sie an einem Lauffestzuhalten.

    Ein andermal ritt ich mit meinem Burschen in einerganz schmalen Schneise, da wechseln vor mir mehrereStck Schwarzwild ber sie. Ich schnell 'runter, denKarabiner meines Burschen ergriffen und einige hundert

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    Schritt vorgelaufen. Tatschlich, da kam noch ein Kerl,und zwar ein mchtiger Keiler. Ich hatte noch nie einenKeiler gesehen und war nun sehr erstaunt, wie

    riesenhaft dieser Kerl aussah. Jetzt hngt er als Trophehier in meinem Zimmer; er ist eine schne Erinnerung.

    *

    So hatte ich es schon einige Monate ausgehalten, da

    kam eines schnen Tages etwas Bewegung in unserenLaden. Wir beabsichtigten eine kleine Offensive anunserer Front. Ich freute mich mchtig, denn nun mute

    ja doch eigentlich der Ordonnanzoffizier zu seinemOrdonnanzieren kommen. Aber Kuchen! Es wurde miretwas ganz anderes zugedacht, und dieses schlug dem

    Fa den Boden aus. Nun schrieb ich ein Gesuch anmeinen Kommandierenden General, und bse Zungenbehaupten, ich htte gesagt: Liebe Exzellenz, ich binnicht in den Krieg gezogen, um Kse und Eier zusammeln, sondern zu einem anderen Zweck. Man hatanfangs eigentlich auf mich einschnappen wollen, aberschlielich hat man mir meine Bitte gewhrt, und so tratich Ende Mai 1915 zur Fliegertruppe. So war mir meingrter Wunsch erfllt.

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    Das erstemal in der Luft

    Morgens frh um sieben Uhr sollte ich zum erstenmalmitfliegen! Ich war in einer etwas begreiflichenAufregung, konnte mir so gar nichts darunter vorstellen.Jeder, den ich fragte, schnurrte mir etwas anderes vor.Abends ging ich zeitiger schlafen als sonst, um amnchsten Morgen fr den groen Moment frisch zu sein.

    Wir fuhren 'rber auf den Flugplatz, ich setzte mich zumerstenmal in ein Flugzeug. Der Propellerwind strte michganz ungeheuer. Eine Verstndigung mit dem Fhrerwar mir nicht mglich. Alles flog mir weg. Nahm ich einStck Papier heraus, verschwand es. Mein Sturzhelmverrutschte sich, der Schal lste sich, die Jacke war

    nicht fest genug zugeknpft, kurz und gut, es warklglich. Ich war noch gar nicht darauf gefat, schonloszusausen, da gab bereits der Pilot Vollgas, und dieMaschine fing an zu rollen. Immer schneller, immerschneller. Ich hielt mich krampfhaft fest. Mit einem Malehrte die Erschtterung auf, und die Maschine war in der

    Luft. Der Erdboden sauste unter mir weg.Man hatte mir gesagt, wo ich hinfliegen sollte, d. h.also, wo ich meinen Fhrer hinzudirigieren hatte. Wirflogen erst ein Stck geradeaus, dann machte meinFhrer kehrt, nochmal kehrt, rechtsum, mal linksum, und

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    ich hatte ber meinem eigenen Flughafen dieOrientierung verloren. Keine Ahnung mehr, wo ich michbefand! Ich fing so sachte an, mir mal die Gegend unter

    mir anzusehen. Die Menschen winzig klein, die Huserwie aus einem Kinderbaukasten, alles so niedlich undzierlich. Im Hintergrund lag Kln. Der Klner Dom einSpielzeug. Es war doch ein erhabenes Gefhl, berallem zu schweben. Wer konnte mir jetzt was anhaben?Keiner! Da ich nicht mehr wute, wo ich war, war mir

    ganz Wurscht, und ich war ganz traurig, als mein Pilotmeinte, jetzt mten wir landen.

    Am liebsten wre ich gleich wieder geflogen. Da ichirgend welche Beschwerden, wie etwa bei einerLuftschaukel, gehabt htte, daran ist nicht zu denken.Die berhmten Amerikanischen Schaukeln sind mir,

    nebenbei gesagt, widerlich. Man fhlt sich unsicherdarin, aber im Flugzeug hat man das unbedingte Gefhlder Sicherheit. Man sitzt ganz ruhig auf seinem Sessel.Da einem schwindlig wird, ist ganz ausgeschlossen. Esgibt keinen Menschen, dem im Flugzeug je schwindliggeworden wre. Aber es ist ein verdammterNervenkitzel, so durch die Luft zu sausen, besondersnachher, als es wieder 'runterging, das Flugzeug nachvorn kippte, der Motor aufhrte zu laufen und miteinemmal eine ungeheure Ruhe eintrat. Ich hielt michwieder krampfhaft fest und dachte natrlich: Jetzt strzt

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    du. Aber es ging alles so selbstverstndlich undnatrlich vor sich, auch das Landen, wie man wieder dieErde berhrte, und alles war so einfach, da einem das

    Gefhl der Angst absolut fehlte. Ich war begeistert undhtte den ganzen Tag im Flugzeug sitzen knnen. Ichzhlte die Stunden bis zum nchsten Start.

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    Beobachtungsflieger bei Mackensen

    Am 10. Juni 1915 kam ich nach Groenhain, um vondort aus an die Front abgeschickt zu werden. Natrlichwollte ich recht schnell 'raus, denn ich hatte Angst, ichknnte zu dem Weltkrieg zu spt kommen.Flugzeugfhrer-Werden hatte drei Monate in Anspruchgenommen. Bis dahin konnten wir schon lngst Frieden

    haben; also kam es nicht in Frage. Als Beobachtermochte ich mich vielleicht in meiner Eigenschaft alsKavallerist ganz gut eignen; denn nach vierzehn Tagenschickte man mich bereits 'raus, zu meiner grtenFreude an die einzige Stelle, wo wir nochBewegungskrieg hatten, nmlich nach Ruland.

    Mackensen ging gerade seinen Siegeszug. Er war beiGorlice durchgebrochen, und ich kam dazu, wie wirRawa Ruska nahmen. Ein Tag im Armee-Flugpark, dannkam ich zu der famosen Abt. 69, wo ich mir als Anfngerkolossal dmlich vorkam. Mein Fhrer war eineKanone - Oberleutnant Zeumer -, jetzt auch schon

    krumm und lahm. Von den brigen bin ich heute dereinzige, der noch lebt.Jetzt kommt eigentlich meine schnste Zeit. Sie hatte

    mit dem Kavalleristischen recht groe hnlichkeit. JedenTag, vor- und nachmittags, konnte ich meine Aufklrungfliegen. Ich habe manche schne Meldung nach Hausegebracht.

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    Mit Holck in Ruland

    (Sommer 1915)

    Juni, Juli, August 1915 blieb ich blieb ich bei derFliegerabteilung; die den ganzen VormarschMackensens von Gorlice nach Brest-Litowsk mitmachte.Ich war als ganz junger Beobachter dort hingekommen

    und hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung.Als Kavallerist war ja meine Beschftigung Aufklren,

    so schlug der jetzige Dienst in mein Fach, und ich hattegroen Spa an den riesigen Aufklrungsflgen, die wirfast tglich unternahmen.

    Fr den Beobachter ist es wichtig, einen

    gesinnungstchtigen Fhrer zu finden. Da hie es einesschnen Tages: Graf Holck ist auf dem Anmarsch zuuns. Sofort kam mir der Gedanke: Das ist der Mann,den du brauchst.

    Holck erschien nicht, wie man wohl glauben knnte,im 60-P.S.-Mercedes oder im Schlafwagen erster

    Klasse, sondern zu Fu. Er war nach tagelangerBahnfahrt endlich in die Gegend von Jaroslaugekommen. Dort stieg er aus, denn es war wieder malein unendlicher Aufenthalt. Seinem Burschen sagte er,er mchte mit dem Gepck nachreisen, er wrdevorausgehen. Er zieht los, und nach einer Stunde

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    Fumarsch guckt er sich um, aber kein Zug folgt ihm. Solief und lief er, ohne von seinem Zuge berholt zuwerden, bis er schlielich nach fnfzig Kilometern in

    Rawa Ruska, seinem Ziel, ankam und vierundzwanzigStunden spter der Bursche mit dem Gepck erschien.Das war dem Sportsmann aber weiter keine ungewohnteArbeit. Sein Krper war derart trainiert, da ihm fnfzigKilometer Fumarsch nichts weiter ausmachten.

    Graf Holck war nicht blo ein Sportsmann auf dem

    grnen Rasen, der Flugsport machte ihm allemAnschein nach nicht weniger Vergngen. Er war einFhrer von seltener Befhigung, und besonders eben,was ja noch eine groe Hauptsache ist, er war grobKlasse ber den Feind.

    Manch schnen Aufklrungsflug flogen wir, wer wei

    wie weit, Richtung Ruland. Nie hatte ich bei dem nochso jungen Piloten das Gefhl der Unsicherheit, vielmehrgab er mir im kritischen Moment einen Halt. Wenn ichmich umsah und in fein entschlossenes Gesicht blickte,hatte ich wieder nochmal so viel Mut wie vorher.

    *

    Mein letzter Flug mit ihm zusammen sollte beinaheschief gehen. Wir hatten eigentlich gar keinenbestimmten Auftrag zu fliegen. Das ist ja aber geradedas Schne, da man sich vollstndig als freier Menschfhlt und vollkommen sein eigener Herr ist, wenn man

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    mal in der Luft ist.Wir hatten einen Flughafenwechsel vorwrts und

    wuten nicht genau, welche Wiese nun eigentlich die

    richtige sei. Um unsere Kiste bei der Landung nichtunntig aufs Spiel zu setzen, flogen wir Richtung Brest-Litowsk. Die Russen waren in vollem Rckmarsch, allesbrannte - - ein grausig-schnes Bild. Wir wolltenfeindliche Kolonnen feststellen und kamen dabei berdie brennende Stadt Wiczniace. Eine riesige

    Rauchwolke, die vielleicht bis auf zweitaufend Meterhinaufreichte, hinderte uns am Weiterfliegen, da wirselbst, um besser zu sehen, nur in fnfzehnhundertMetern Hhe flogen. Einen Augenblick berlegte Holck.Ich fragte ihn, was er machen wollte, und riet ihm,drumherum zu fliegen, was vielleicht ein Umweg von

    fnf Minuten gewesen wre. Aber daran dachte Holckgar nicht. Im Gegenteil: je mehr sich die Gefahr erhhte,um so reizvoller war es ihm. Also mitten durch. Mirmachte es auch Spa, mit einem so schneidigen Kerlzusammen zu sein. Doch sollte uns unsereUnvorsichtigkeit bald teuer zu stehen kommen, dennkaum war der Schwanz des Apparates in der Wolkeverschwunden, schon merkte ich ein Schwanken imFlugzeug. Ich konnte nichts mehr sehen, der Rauch bimir in die Augen, die Luft war bedeutend wrmer, undich sah unter mir blo noch ein riesiges Feuermeer.Pltzlich verlor das Flugzeug das Gleichgewicht und

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    strzte, sich berschlagend, in die Tiefe. Ich konntenoch schnell eine Strebe erfassen, um michfestzuhalten, sonst wre ich 'rausgeschleudert worden.

    Das erste, was ich tat, war ein Blick in Holcks Gesicht.Schon hatte ich wieder Mut gefat, denn seine Mienenwaren eisern zuversichtlich. Der einzige Gedanke, denich hatte, war der. es ist doch dumm, auf so unntigeWeise den Heldentod zu sterben.

    Spter fragte ich Holck, was er sich eigentlich in dem

    Augenblick gedacht htte. Da meinte er, da ihm dochnoch nie so eklig zumute gewesen sei.

    Wir strzten herunter bis auf fnfhundert Meter berdie brennende Stadt. War es die Geschicklichkeitmeines Fhrers oder hhere Fgung, vielleicht auchbeides, jedenfalls waren wir pltzlich aus der

    Rauchwolke herausgefallen, der gute Albatros fing sichwieder und flog erneut geradeaus, als fei nichtsvorgefallen.

    Wir hatten nun doch die Nase voll von unseremFlughafenwechsel und wollten schleunigst zu unserenLinien zurckkehren. Wir waren nmlich noch immerweit drben bei den Russen und zudem nur noch infnfhundert Metern Hhe. Nach etwa fnf Minutenertnte hinter mir die Stimme Holcks: Der Motor ltnach.

    Ich mu hinzufgen, da Holck von einem Motor nichtganz dieselbe Ahnung hatte wie von einemHafervergaser, und ich selbst war vollstndig

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    schimmerlos. Nur eines wute ich, da, wenn der Motornicht mehr mitmachte, wir bei den Russen landenmuten. Also kamen wir aus der einen Gefahr in die

    andere.Ich berzeugte mich, da die Russen unter uns noch

    flott marschierten, was ich aus fnfhundert Metern Hhegenau sehen konnte. Im brigen brauchte ich gar nichtszu sehen, denn der Ruki scho mitMaschinengewehren wie verfault. Es hrte sich an, als

    wenn Kastanien im Feuer liegen.Der Motor hrte bald ganz auf zu laufen, er hatte

    einen Treffer. So kamen wir immer tiefer, bis wir geradenoch ber einem Wald ausschwebten und schlielich ineiner verlassenen Artilleriestellung landeten, die ichnoch am Abend vorher als besetzte russische

    Artilleriestellung gemeldet hatte.Ich teilte Holck meine Vermutungen mit. Wir sprangen'raus aus der Kiste und versuchten, das naheWaldstckchen zu erreichen, um uns dort zur Wehr zusetzen. Ich verfgte ber eine Pistole und sechsPatronen, Holck hatte nichts.

    Am Waldrande angekommen, machten wir halt, undich konnte mit meinem Glase erkennen, wie ein Soldatauf unser Flugzeug zulief. Zu meinem Schreck stellte ichfest, da er eine Mtze trug und nicht eine Pickelhaube.Das hielt ich fr ein sicheres Zeichen, da es ein Russesei. Als der Mann nher kam, stie Holck einen

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    Freudenschrei aus, denn es war ein preuischerGardegrenadier.

    Unsere Elitetruppe hatte wieder einmal die Stellung

    beim Morgengrauen gestrmt und war bis zu denfeindlichen Batteriestellungen durchgebrochen.

    *

    Ich erinnere mich, da Holck bei dieser Gelegenheit

    seinen kleinen Liebling, ein Hndchen, verlor. Er nahmdas Tierchen bei jedem Aufstieg mit, es lag ganz ruhig inseinem Pelz unten in der Karosserie. Im Walde hattenwir es noch mit. Kurz darauf, als wir mit demGardegrenadier gesprochen hatten, kamen Truppenvorbeigezogen. Dann kamen Stbe von der Garde und

    Prinz Eitel Friedrich mit seinen Adjutanten undOrdonnanzoffizieren. Der Prinz lie uns Pferde geben,so da wir beiden Kavallerieflieger mal wieder aufrichtigen Hafermotoren saen. Leider ging uns beimWeiterreiten das Hndchen verloren. Es mu wohl mitanderen Truppen mitgelaufen fein.

    Sptabends kamen wir schlielich mit einemPanjewagen in unseren Flughafen zurck. Die Maschinewar futsch.

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    Ruland Ostende

    (Vom Zweisitzer zum Grokampfflugzeug)

    Nachdem in Ruland unsere Unternehmungen sosachte zum Stehen kamen, wurde ich pltzlich zu einemGrokampfflugzeug, zur B. A. D. nach Ostende versetzt(21. August 1915). Ich traf da einen alten Bekannten,

    Zeumer, und auerdem verlockte mich der NameGrokampfflugzeug.

    August 1915 traf ich in Ostende ein. Auf dem Bahnhofin Brssel hatte mich mein guter Freund Zeumerabgeholt. Nun verlebte ich eigentlich eine sehr netteZeit, die aber wenig Kriegerisches an sich hatte, aber sie

    war als Lehrzeit zum Kampfflieger unentbehrlich. Wirflogen viel, hatten selten Luftkmpfe und nie Erfolge.Dafr aber war das sonstige Leben reizvoll. Am Strandvon Ostende hatten wir ein Hotel beschlagnahmt. JedenNachmittag badeten wir. Leider waren als Kurgste nurSoldaten zu sehen. Auf den Terrassen von Ostende

    saen wir, in unsere bunten Bademntel gehllt, undtranken nachmittags unseren Kaffee.

    *

    Wir saen wieder mal, wie blich, am Strande beiunserem Kaffee. Pltzlich ein Tuten, das hie: ein

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    englisches Seegeschwader ist gemeldet. Natrlichlieen wir uns durch derartige Alarmnachrichten inunserer Gemtlichkeit nicht stren und tranken weiter.

    Da ruft einer: Da sind sie! und tatschlich konnten wiram Horizont, wenn auch nicht sehr deutlich, einigequalmende Schornsteine und spter auch Schiffeerkennen. Schnell wurden die Fernglser geholt undbeobachtet. Wir sahen eine ganz stattliche Zahl vonSchiffen. Was sie eigentlich machen wollten, war uns

    unklar, aber bald sollten wir eines Besseren belehrtwerden. Wir stiegen auf das Dach, um von dort obenmehr zu sehen. Mit einem Male pfeift's, gleich darauf einRiesenknall, und eine Granate schlgt am Strande ein,wo wir eben noch im Wasser waren. So schnell bin ichnoch nie in den Heldenkeller gestrzt wie in diesem

    Moment. Das englische Geschwader scho nochvielleicht drei-, viermal auf uns und richtete sich dann inder Hauptsache gegen den Ostender Hafen undBahnhof. Getroffen haben sie natrlich nichts. Aber siehaben die braven Belgier in mchtige Aufregungversetzt. Eine Granate sauste mitten in das schnePalasthotel am Strande von Ostende. Dies war dereinzige Schaden. Zum Glck ist es englisches Kapital,das sie selbst vernichtet haben.

    *

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    Abends wurde dann wieder feste geflogen. Bei einemunserer Flge waren wir mit unseremGrokampfflugzeug sehr weit hinaus auf See

    gekommen. Das Ding hatte zwei Motoren, und wirprobierten hauptschlich ein neues Steuer aus, das unsermglichen sollte, auch mit einem Motor weitergeradeaus zu fliegen. Wie wir ziemlich weit drauensind, sehe ich unter uns, nicht auf dem Wasser, sondern- wie es mir schien - unter dem Wasser, ein Schiff

    schwimmen. Es ist ganz eigentmlich: Man kann vonoben aus bei etwas ruhigem Seegang bis auf denMeeresgrund hinuntersehen. Natrlich nicht vierzigKilometer tief, aber so einige hundert Meter Wasserkann man glatt durchschauen. Ich hatte mich auch nichtgetuscht, da das Schiff nicht ber Wasser, sondern

    unter Wasser schwamm, und trotzdem sah ich es so, alssei es oben. Ich machte Zeumer darauf aufmerksam,und wir gingen etwas tiefer hinunter, um Nheres zuerkennen. Ich bin zu wenig Marinemann, um gleichsagen zu knnen, was es gewesen ist; aber so sachtekapierte ich denn doch, da es ein U-Boot war. Aberwelcher Nationalitt? Das ist nun wieder eine zweiteschwierige Frage, die meiner Ansicht nach nur einMarinemann lsen kann - und der auch nicht immer.Farbe ist so gut wie gar nicht zu erkennen. Die Flaggeschon erst recht nicht. Auerdem hat ja wohl so ein U-Boot gar nichts dergleichen. Wir hatten zwei Bomben

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    mit, und ich war mir sehr im Zweifel: sollte ich werfen,oder sollte ich nicht werfen? Das U-Boot hatte uns nichtgesehen, denn es war halb unter Wasser. Wir konnten

    aber ber dem Ding ganz ruhig herfliegen und httenden Moment abpassen knnen, wo es auftauchte, umLuft zu schnappen, um unsere Eier zu legen. Das istganz bestimmt ein sehr kritischer Punkt fr unsereSchwesterwaffe. Wie wir noch eine ganze Weile mit denKerlen da unten 'rumgekindscht hatten, merkte ich

    pltzlich, wie aus dem einen unserer Khler sich sosachte das Wasser empfahl. Dieses schien mir alsFranz nicht ganz geheuer, und ich machte meinenEmil darauf aufmerksam. Der zog sein Gesicht in dieLnge und machte nun, da er nach Haufe kam. Aberwir waren schtzungsweise zwanzig Kilometer von der

    Kste entfernt, und die wollen erst zurckgeflogen sein.Der Motor lie so sachte nach, und ich machte michschon im stillen auf ein kaltes und feuchtes Bad gefat.Aber siehe da, es ging. Der Riesenppelkahn lie sichmit einem Motor und dem neuen Steuer groartigdeichseln, und wir erreichten noch glatt die Kste undkonnten dort sehr schn auf unserem nahen Hafenlanden.

    Glck mu der Mensch haben. Htten wir nicht dasneue Steuer an diesem Tage ausprobiert, wir wrenrettungslos versoffen.

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    Ein Tropfen Blut frs Vaterland

    (Ostende)

    Verwundet bin ich eigentlich nie worden. Ich habewohl immer im entscheidenden Moment den Kopfweggenommen und den Bauch eingezogen. Oft habeich mich gewundert, da sie mich nicht gehascht haben.

    Einmal ging mir ein Schu durch beide Pelzstiefel durch,ein andermal durch meinen Schal, wieder einmal anmeinem Arm durch den Pelz und die Lederjacke durch,aber nie hat es mich berhrt.

    Da flogen wir eines schnen Tages mit unseremGrokampfflugzeug los, um die Englnder etwas mit

    Bomben zu erfreuen, erreichten das Ziel, die ersteBombe fllt. Es ist natrlich sehr interessantfestzustellen, wie der Erfolg dieser Bombe ist.Wenigstens den Einschlag mchte man immer gernesehen. Mein Grokampfflugzeug, das sich fr dasBombenschleppen ganz gut eignete, hatte aber die

    dumme Eigenschaft, da man von der abgeworfenenBombe den Einschlag schlecht sehen konnte, denn dasFlugzeug schob sich nach dem Abwurf ber das Zielweg und verdeckte es mit seinen Flchen vollkommen.Dieses rgerte mich immer, denn man hatte so wenigSpa davon. Wenn's unten knallt und man die lieblichgrauweie Wolke der Explosion sieht und sie auch in der

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    Nhe des Zieles liegt, macht einem viel Freude. Sowinkte ich meinen guten Zeumer ein und wollteeigentlich, da er so etwas mit dem Tragdeck beiseite

    ging. Dabei verga ich, da das infame Ding, meinppelkahn, zwei Propeller hatte, die sich rechts undlinks neben meinem Beobachtersitz drehten. Ich zeigteihm ungefhr den Einschlag der Bombe - und patsch!habe ich eins auf die Finger. Etwas verdutzt anfangs,stellte ich dann fest, da mein kleiner Finger zu Schaden

    gekommen war. Zeumer hatte nichts gemerkt.Das Bombenwerfen war mir verleidet, schnell wurde

    ich meine letzten Dinger los, und wir machten, da wirnach Hause kamen.

    Meine Liebe zum Grokampfflugzeug, die sowiesoetwas schwach war, hatte durch diesen Bombenwurf

    schwer gelitten. Ich mute nun acht Tage lang hockenund durfte nicht mitfliegen. Jetzt ist es nur noch einSchnheitsfehler, aber ich kann doch wenigstens mitStolz sagen: Ich habe auch eine Kriegsverwundung.

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    Mein erster Luftkampf

    (1. September 1915)

    Zeumer und ich htten zu gerne mal einen Luftkampfgehabt. Wir flogen natrlich unser Grokampfflugzeug.Schon allein der Name des Kahnes gab uns einensolchen Mut, da wir es fr ausgeschlossen hielten, ein

    Gegner knnte uns entgehen.Wir flogen am Tage fnf bis sechs Stunden, ohne je

    einen Englnder gesehen zu haben. Schon ganzentmutigt begaben wir uns eines Morgens wieder aufJagd. Mit einemmal entdeckte ich einen Farman, derungeniert seine Aufklrung fliegen wollte. Mir pochte das

    Herz wie Zeumer auf ihn zuflog. Ich war gespannt, wassich nun eigentlich abspielen wrde. Ich hatte nie einenLuftkampf gesehen und machte mir nur ganz dunkleVorstellungen, so etwa wie du, mein lieber Leser.

    Ehe ich mich versah, waren wir beide, der Englnderund ich, aneinander vorbeigesaust. Ich hatte hchstens

    vier Schu abgegeben, whrend der Englnder pltzlichhinter uns sa und uns den ganzen Laden voll scho.Ich mu sagen, ich hatte nicht das Gefhl der Gefahr,weil ich mir auch gar nicht vorstellen konnte, wie nuneigentlich das Endresultat so eines Kampfes aussehenwrde. Wir drehten uns noch einige Male umeinander,bis schlielich der Englnder zu unserem grten

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    Erstaunen ganz vergngt kehrtmachte und weiterflog.Ich war stark enttuscht, mein Fhrer auch.

    Zu Hause angekommen, waren wir beide sehr

    schlechter Laune. Er machte mir Vorwrfe, ich htteschlecht geschossen, ich machte ihm Vorwrfe, er httemich nicht recht zum Schu gebracht - kurz und gut,unsere Flugzeugehe, die sonst so tadellos war, hatte miteinemmal einen Knacks.

    Wir beschauten uns unsere Kiste und stellten fest,

    da wir eigentlich eine ganz anstndige Zahl vonTreffern drinnen hatten.

    Noch am selben Tage unternahmen wir einen zweitenJagdflug, der aber ebenso ergebnislos blieb. Ich warsehr traurig, denn ich hatte es mir bei einemKampfgeschwader ganz anders vorgestellt. Ich glaubte

    immer, wenn ich mal zum Schu kme, dann mte derBruder auch fallen. Bald mute ich mich aber davonberzeugen, da so ein Flugzeug ungeheuer vielvertrgt. Schlielich gelangte ich zu der berzeugung,ich knne noch so viel schieen und wrde doch nieeinen 'runterbekommen.

    An Mut hatten wir es nicht fehlen lassen. Zeumerkonnte fliegen wie selten einer, und ich war ein ganzleidlicher Kugelschtze. Wir standen also vor einemRtsel. Es ging nicht blo mir alleine so, sondern esgeht noch heute vielen anderen ebenso. Die Geschichtewill eben wirklich verstanden sein.

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    In der Champagne-Schlacht

    Die schne Zeit in Ostende war nur sehr kurz, dennbald entbrannte die Schlacht in der Champagne, und wirflogen nach dieser Front, um uns dort weiter mit demGrokampfflugzeug zu bettigen. Wir bemerkten bald,da die Klamotte zwar ein groes Flugzeug war, aberniemals ein Kampfflugzeug abgab.

    Einmal flog ich mit Osteroth, der ein etwas kleineresFlugzeug hatte als der ppelkahn (dasGrokampfflugzeug). Etwa fnf Kilometer hinter derFront trafen wir mit einem Farman-Zweisitzerzusammen. Er lie uns ruhig 'rankommen, und ich sahzum ersten Male einen Gegner so ganz aus nchster

    Nhe in der Luft. Osteroth flog sehr geschickt so nebenihm her, da ich ihn gut unter Feuer nehmen konnte.Der Gegner hatte uns wohl gar nicht bemerkt, denn ichhatte bereits meine erste Ladehemmung, wie er anfing,wiederzuschieen. Nachdem ich meinenPatronenkasten von hundert Schu verschossen hatte,

    glaubte ich meinen Augen nicht trauen zu knnen, wiemit einem Male der Gegner in ganz seltsamen Spiralenniederging. Ich verfolgte ihn mit den Augen und klopfteOsteroth auf den Kopf. Er fllt, er fllt, und tatschlichfiel er in einen groen Sprengtrichter; man sah ihn darin

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    auf dem Kopf stehen, Schwanz nach oben. Auf derKarte stellte ich fest: fnf Kilometer hinter der jetzigenFront lag er. Wir hatten ihn also jenseits abgeschossen.

    In damaliger Zeit wurden aber Abschsse jenseits derFront nicht bewertet, sonst htte ich heute einen mehrauf meiner Liste. Ich war aber sehr stolz auf meinenErfolg, und im brigen ist es ja die Hauptsache, wennder Kerl unten liegt, also nicht, da er einem alsAbschu angerechnet wird.

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    Wie ich Boelcke kennenlernte

    Zeumer verpate sich in dieser Zeit einen Fokker-Eindecker, und ich konnte zusehen, wie er allein durchdie Welt segelte. Die Champagne-Schlacht tobte. Diefranzsischen Flieger machen sich bemerkbar. Wirsollten zu einem Kampfgeschwader zusammengestelltwerden und fuhren am 1. Oktober 1915 nach. Im

    Speisewagen sa am Nebentisch ein jungerunscheinbarer Leutnant. Es lag auch kein Grund fr ihnvor, besonders aufzufallen, nur eine Tatsache stand fest:er war von uns allen der einzige, der bereits mal einenfeindlichen Flieger abgeschossen hatte, und zwar nichtnur einen, sondern schon vier. Er war sogar mit Namen

    im Heeresbericht genannt. Er imponierte mir auf Grundseiner Erfahrungen ganz rasend. Ich konnte mir noch sogroe Mhe geben, ich hatte bis dahin noch immerkeinen zur Strecke, jedenfalls war mir noch keineranerkannt worden. Zu gerne htte ich erfahren, wiedieser Leutnant Boelcke das nun eigentlich machte. So

    stellte ich an ihn die Frage. Sagen Sie mal blo, wiemachen Sie's denn eigentlich? Er lachte sehr belustigt,dabei hatte ich aber wirklich ernst gefragt. Dannantwortete er mir: Ja, Herrgott, ganz einfach. Ich fliegeeben ran und ziele gut, dann fllt er halt herunter. Ich

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    schttelte blo den Kopf und meinte, das tte ich dochauch, blo da er eben bei mir nicht 'runterfiele. DerUnterschied war allerdings der, er flog Fokker und ich

    mein Grokampfflugzeug.Ich gab mir Mhe, diesen netten bescheidenen

    Menschen, der mir wahnsinnig imponierte, nherkennenzulernen. Wir spielten oft Karten zusammen,gingen spazieren, und ich fragte ihn aus. So reifte in mirder Entschlu: Du mut selber einen Fokker fliegen

    lernen, dann wird es vielleicht besser gehen.Mein Sinnen und Trachten ging nun dahin, zu lernen,

    selbst den Knppel zu fhren. Denn ich war bisherimmer nur Beobachter gewesen. Es bot sich baldGelegenheit, auf einer alten Klamotte in der Champagnezu schulen. Ich betrieb das mit groem Eifer und war

    nach fnfundzwanzig Schulflgen vor dem Alleinflug.

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    Der erste Alleinflug

    (10. Oktober 1915)

    Es gibt so einige Augenblicke im Leben, die deinenbesonderen Nervenkitzel verursachen, so z. B. der ersteAlleinflug.

    Zeumer, mein Lehrer, erklrte mir eines Abends. So,

    nun flieg' mal alleine los. Ich mu sagen, da ich ihmam liebsten geantwortet htte: Ich habe zu groeAngst. Aber dies Wort soll ja der Vaterlandsverteidigerniemals in den Mund nehmen. Also mute ich wohl oderbel meinen Schweinehund 'runterschlucken und michin die Maschine setzen.

    Er erklrte mir noch einmal jeden Griff theoretisch. ichhrte nur noch mit halbem Ohre zu, denn ich war derfesten berzeugung. Du vergit doch die Hlfte.

    Ich rollte zum Start, gab Gas, die Maschine bekamihre bestimmte Geschwindigkeit, und mit einem Malekonnte ich nicht umhin, festzustellen, da ich tatschlich

    flog. Es war schlielich kein ngstliches, sondern einverwegenes Gefhl. Mir war jetzt alles Wurscht. Mochtepassieren, was da wollte, ich wre ber nichts mehrerschrocken gewesen. Mit Todesverachtung machte icheine Riesenlinkskurve, stellte an dem genaubezeichneten Baum das Gas ab und wartete der Dinge,

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    die sich nun ereignen wrden. Nun kam dasSchwierigste, die Landung. Mir waren die notwendigenHandgriffe genau in Erinnerung. Ich machte sie

    mechanisch nach, jedoch reagierte die Maschine ganzanders als sonst, wo Zeumer drin sa. Ich war aus demGleichgewicht gebracht, machte einige falscheBewegungen, stand auf dem Kopf, und schon gab eswieder mal eine Schulmaschine. Sehr traurig beguckteich mir den Schaden, der sich zum Glck bald beheben

    lie, und hatte im brigen noch den Spott auf meinerSeite.

    Zwei Tage spter ging ich mit rasender Passionwieder an mein Flugzeug, und siehe da, es gingwunderbar.

    Nach vierzehn Tagen konnte ich die erste Prfung

    machen. Ein Herr v. T. war Richter. Ich flog die mirvorgetriebenen Achten und die mir befohlenenLandungen, worauf ich sehr stolz ausstieg und nun zumeinem grten Erstaunen hrte, da ich durchgefallensei. Mir blieb nichts anderes brig, als spter meineerste Prfung noch einmal zu machen.

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    Aus meiner DberitzerAusbildungszeit

    Um meine Examina begehen zu knnen, mute ichaber nach Berlin. Ich benutzte die Gelegenheit, um alsBeobachter ein Riesenflugzeug in Berlin auf denSchwung zu bringen, und lie mich dazu nach Dberitzkommandieren (15. November 1915). Fr das

    Riesenflugzeug hatte ich anfangs groes Interesse.Aber es ist komisch, gerade durch das Riesendingwurde mir klar, da nur das kleinste Flugzeug fr meineZwecke als Kampfflieger etwas taugen kann. So eingroer ppelkahn ist zum Kmpfen zu unbeweglich, unddas ist ja eben die Hauptsache fr mein Geschft.

    Der Unterschied zwischen einem Grokampfflugzeugund einem Riesenflugzeug ist der, da dasRiesenflugzeug noch erheblich grer ist und mehr demZwecke fr Bomben dient und weniger zum Kampfe.

    Meine Prfungen machte ich nun in Dberitzzusammen mit einem lieben Menschen, Oberleutnant v.

    Lyncker. Wir beide vertrugen uns gut und hattendieselben Passionen, auch dieselbe Auffassung berunsere sptere Ttigkeit. Unser Ziel war Fokkerfliegen,um zusammen zu einer Jagdstaffel nach dem Westen zukommen. Ein Jahr spter haben wir es erreicht,

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    zusammenwirken zu knnen, wenn auch nur fr kurzeZeit, denn meinen guten Freund ereilte bei seinemdritten Abschu die tdliche Kugel.

    Oft haben wir in Dberitz luftige Stunden verbt. Sowar z. B. eine Bedingung: Auenlandungen.

    Ich verband bei dieser Gelegenheit das Notwendigemit dem angenehmen. Zu meinem Auenlandeplatzsuchte ich mir ein mir bekanntes Gut Buchow aus. Dortwar ich auf Saujagd eingeladen, blo vertrug sich die

    Sache schlecht mit meinem Dienst, denn an schnenAbenden wollte ich fliegen und trotzdem meinerJagdpassion nachgehen. So legte ich mir meinenAuenlandeplatz so, da ich von dort aus bequemmeine Jagdgrnde erreichen konnte.

    Ich nahm mir einen zweiten Piloten als Beobachter mit

    und schickte diesen abends zurck. Nachts setzte ichmich auf Sauen an und wurde am nchsten Morgen vondiesem Piloten wieder abgeholt.

    Wenn ich nicht htte abgeholt werden knnen, sowre ich ziemlich auf dem Trockenen gewesen, da mirein Fumarsch von etwa zehn Kilometern geblht htte.So brauchte ich einen Mann, der mich bei jedem Wettervon meinem Hochsitz abholte. Es ist aber nicht

    jedermanns Sache, auf Wetter gar keine Rcksicht zunehmen, doch es gelang mir, einenGesinnungstchtigen zu finden.

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    Eines Morgens, nachdem ich die Nacht wieder

    drauen zugebracht hatte, begann ein ungeheures

    Schneegestber. Man konnte nicht fnfzig Meter weitsehen. Acht Uhr war es gerade, die angegebene Zeit, zuder mich der Pilot abholen sollte. Im stillen hoffte ich, erwrde es diesmal sein lassen. Aber mit einem Malehrte ich ein Summen - sehen konnte ich nichts - fnfMinuten spter lag mein schner Vogel etwas verbogen

    vor mir.

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    Erste Zeit als Pilot

    Am Weihnachtstage 1915 machte ich mein drittesExamen. Ich verband damit einen Flug nach Schwerinund sah mir dort die Fokkerwerke an. Als Beobachternahm ich mir meinen Monteur mit und flog dann sptermit ihm von Berlin nach Breslau, von Breslau nachSchweidnitz, von Schweidnitz nach Lben, von Lben

    nach Berlin, berall zwischenlandend, Bekannte undVerwandte aufsuchend. Das Orientieren im Flugzeug fielmir als altem Beobachter nicht schwer.

    Mrz war ich beim Kampfgeschwader 2 vor Verdunund lernte nun den Luftkampf als Flugzeugfhrer, d. h.ich lernte, das Flugzeug im Kampfe zu beherrschen. Ich

    flog dazu einen Zweisitzer.

    *

    Im Heeresbericht vom 26. April 1916 bin ich zumersten Male, wenn auch nicht persnlich genannt, so

    doch durch eine meiner Taten erwhnt. Ich hatte mir aufmeine Maschine ein Gewehr oben zwischen dieTragdecks im Geschmack wie es der Nieuport hat,aufgebaut und war auf diese Konstruktion allein schonsehr stolz. Man lachte wohl etwas darber, denn sie sahsehr primitiv aus. Ich schwor natrlich darauf und hattebald Gelegenheit, sie praktisch zu verwerten.

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    Ich begegnete einem Nieuport, der scheinbar auchAnfnger war, denn er benahm sich furchtbar tricht. Ichflog auf ihn zu, worauf er ausri. Offenbar hatte er eine

    Ladehemmung. Ich hatte nicht das Gefhl, als ob ichkmpfen wrde, vielmehr: Was wird jetzt erfolgen, wenndu auf ihn schiet? Ich fliege 'ran, zum erstenmal aufeine ganz, ganz nahe Entfernung, drcke auf den Knopfdes Maschinengewehrs, eine kurze Serie wohlgezielterSchsse, mein Nieuport bumt sich auf und berschlgt

    sich. Anfangs glaubten wir, mein Beobachter und ich, essei eins der vielen Kunststcke, die einem dieFranzosen vorzumachen pflegen. Dieses Kunststckwollte aber nicht aufhren, es ging immer tiefer, immertiefer; da klopft mir mein Franz auf den Kopf und ruftmir zu: Ich gratuliere, der fllt! Tatschlich fiel er in

    einen Wald hinter dem Fort Douaumont und verschwandzwischen den Bumen. Den hast du abgeschossen,das war mir klar. Aber jenseits! Ich flog nach Hause,meldete weiter nichts als: Ein Luftkamps, ein Nieuportabgeschossen. Einen Tag darauf las ich diese meineHeldentat im Heeresbericht. Ich war nicht schlecht stolzdarauf, aber zu meinen zweiundfnfzig zhlt dieserNieuport nicht.

    *

    Heeresbericht von 26. April 1916Zwei feindliche Flugzeuge find ber Fleury, sdlich

    von Douaumont und westlich davon, im Luftkampfabgeschossen.

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    Holck

    (30. April 1916)

    As junger Flugzeugfhrer flog ich mal bei einemJagdfluge ber das Fort Douaumont hinweg, auf demgerade heftiges Trommelfeuer lag. Da sah ich, wie eindeutscher Fokker drei Caudrons angriff. Zu seinem Pech

    war aber sehr starker Westwind. Also ungnstiger Wind.Er wurde im Laufe des Kampfes ber die Stadt Verdunhinausgetrieben. Ich machte meinen Beobachter daraufaufmerksam, der auch meinte, das mu ein ganzschneidiger Kerl sein. Wir berlegten, ob es Boelckesein knnte, und wollten uns nachher danach

    erkundigen. Da sah ich aber zu meinem Schrecken, wieaus dem Angreifer ein Verteidiger wurde. Der Deutschewurde von den Franzosen, die sich mittlerweile aufmindestens zehn Flugzeuge verstrkt hatten, immermehr heruntergedrckt. Ihm zu Hilfe kommen, konnte ichnicht. Ich war zu weit ab von den Kmpfenden und kam

    zudem in meiner schweren Maschine nicht gegen denWind an. Der Fokker wehrte sich verzweifelt. Jetzthatten ihn die Feinde schon mindestens aufsechshundert Meter heruntergedrckt. Da wurde erpltzlich von einem seiner Verfolger erneut angegriffen.Er verschwand in einem Sturzflug in einer

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    Kumuluswolke. Ich atmete auf, denn das war meinerAnsicht nach seine Rettung.

    Zu Hause angekommen, erzhlte ich, was ich

    gesehen hatte, und erfuhr, da es Holck, mein alterKampfgenosse aus dem Osten, war, der vor kurzem vorVerdun Jagdflieger geworden war.

    Mit Kopfschu war Graf Holck senkrecht abgestrzt.Es ging mir sehr nahe, denn er war nicht blo ein Vorbildan Schneid, er war eben auch als Mensch eine

    Persnlichkeit, wie es nur wenige gibt.

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    Ein Gewitterflug

    Unsere Ttigkeit vor Verdun im Sommer 1916 wurdedurch hufige Gewitterstrme gestrt. NichtsUnangenehmeres gibt es fr einen Flieger, als durch einGewitter hindurch zu mssen. whrend der Somme-Schlacht zum Beispiel landete ein ganzes englischesGeschwader hinter unseren Linien, weil es durch ein

    Gewitter berrascht wurde. Es geriet so inGefangenschaft.

    Ich hatte noch nie den Versuch gemacht, durch einGewitter hindurchzufliegen, und konnte es mir nichtverkneifen, das doch mal auszuprobieren. In der Luftwar den ganzen Tag eine richtige Gewitterstimmung.

    Von meinem Flughafen Mont war ich nach dem nahenMetz hinbergeflogen, um dort einiges zu erledigen. Daereignete sich bei meinem Nachhauseflug folgendes:

    Ich war auf dem Flugplatz in Metz und wollte nachmeinem Flughafen zurck. Wie ich meine Maschine ausder Halle zog, machten sich die ersten Anzeichen eines

    nahen Gewittersturmes bemerkbar. Der Wind kruselteden Sand, und eine pechschwarze Wand zog vonNorden her heran. Alte, erfahrene Piloten rieten mirdringend ab, zu fliegen. Ich hatte aber fest versprochenzu kommen, und es wre mir furchtsam erschienen,wenn ich wegen eines dummen Gewitters ausgeblieben

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    wre. Also, Gas gegeben und mal probiert. Schon beimStart fing's an zu regnen. Die Brille mute ichwegwerfen, um berhaupt etwas sehen zu knnen. Das

    ble war, da ich ber die Moselberge wegmute, durchderen Tler gerade der Gewittersturm brauste. Ichdachte mir: Nur zu, es wird schon glcken, und nhertemich mehr und mehr der schwarzen Wolke, die bis aufdie Erde herunterreichte. Ich flog so niedrig wie mglich.ber Huser und Baumreihen mute ich teilweise

    hinwegspringen. Wo ich war, wute ich schon langenicht mehr. Der Sturm erfate meinen Apparat wie einStck Papier und trieb ihn vor sich her. Mir sa das Herzdoch etwas tiefer. Landen konnte ich nicht mehr in denBergen, also mute durchgehalten werden.

    Um mich herum war es schwarz, unter mir bogen sich

    die Bume im Sturm. Pltzlich lag vor mir einebewaldete Hhe. Ich mute auf sie zu, mein guterAlbatros schaffte es und ri mich darber hinweg. Ichkonnte nur noch geradeaus fliegen; jedes Hindernis, daskam, mute genommen werden. Es war die reineSpringkonkurrenz ber Bume, Drfer, besondersKirchtrme und Schornsteine, da ich hchstens nochfnf Meter hoch fliegen konnte, um in der schwarzenGewitterwolke berhaupt noch etwas zu sehen. Ummich herum zuckten die Blitze. Ich wute damals nochnicht, da der Blitz nicht in das Flugzeug schlagen kann.

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    Ich glaubte den sicheren Tod vor Augen zu haben, dennder Sturm mute mich bei der nchsten Gelegenheit inein Dorf oder in einen Wald werfen. Htte der Motor

    ausgesetzt, so wre ich erledigt gewesen.Da sah ich mit einem Male vor mir eine helle Stelle am

    Horizont. Dort hrte das Gewitter auf; erreichte ichdiesen Punkt, so war ich gerettet. Die ganze Energiezusammennehmend, die ein junger, leichtsinnigerMensch haben kann, steuerte ich darauf zu.

    Pltzlich, wie abgerissen, war ich aus derGewitterwolke heraus, flog zwar noch im strmendenRegen, aber fhlte mich im brigen geborgen.

    Noch immer bei strmendem Regen landete ich inmeinem Heimathafen, wo schon alles auf mich wartete,da von Metz bereits die Nachricht eingetroffen war, ich

    sei in einer Gewitterwolke, Richtung dorthin,verschwunden.Nie wieder werde ich, wenn es nicht mein Vaterland

    von mir fordert, durch einen Gewittersturmhindurchfliegen.

    In der Erinnerung ist alles schn, so gab es auchdabei schne Momente, die ich nicht in meinemFliegerdasein missen mchte.

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    Das erstemal auf einem Fokker

    Von Anfang meiner Pilotenlaufbahn an hatte ich nurein Streben, und das war, in einem einzigenKampfflugzeug fliegen zu drfen. Nach langem Qulenbei meinem Kommandeur hatte ich die Erlaubnis'rausgeschunden, einen Fokker zu schaukeln. DerMotor, der sich um sich selbst drehte, war mir etwas

    ganz Neues. Auch so allein in einem kleinen Flugzeugzu schaukeln, war mir fremd.

    Ich besa mit einem Freund, der jetzt schon lange totist, zusammen diesen einen Fokker. Vormittags flog ichihn, nachmittags er. Jeder hatte Angst, der andereknne die Kiste eher zerschmeien. Am zweiten Tage

    flogen wir gegen den Feinde Mir war vormittags keinFranzose begegnet, nachmittags kam der andere an dieReihe. Er kam nicht wieder, keine Nachricht, nichts.Sptabends meldete die Infanterie einen Luftkampfzwischen einem Nieuport und einem deutschen Fokker,nach dessen Verlauf der Deutsche scheinbar jenseits

    auf dem Toten Mann gelandet wre. Es konnte nurReimann sein, denn alle anderen warenzurckgekommen. Wir bedauerten unseren khnenKameraden, da pltzlich kam nachts die telephonischeNachricht, ein deutscher Fliegeroffizier sei mit einemMale im vorderen Sappenkopf der Infanteriestellung auf

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