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Konstruktionselemente aus Kunststoff Rollwiderstand von Laufrollen Der Rollwiderstand von Kunststoff-Laufrollen lässt sich – bei entsprechendem Aufwand – mit der Fini- te Elemente Methode berechnen (Abb.1). Für die Praxis interessant ist zudem, dass der Rollwider- stand auch anhand einer einfachen Formel recht gut abgeschätzt werden kann, die sich auf zwei Werkstoffkennwerte stützt: den Kurzzeit-Elastizitätsmodul und den mechanischen Verlustfaktor. Dies sind die wichtigsten Erkenntnisse aus einem aF + E-Projekt am Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung (IWK) der HSR Hochschule für Technik Rapperswil. Bei der Auslegung von Kunststoff- rollen interessieren nicht nur die kontaktmechanischen Grössen bei statischer Belastung, sondern auch das dynamische Verhalten. Hiezu zählt vor allem auch der Rollwider- stand, der massgebend den Energie- bedarf für den Rollvorgang be- stimmt. Die Konstruktionspraxis braucht Methoden für die Voraus- sage des Rollwiderstands, die keiner aufwändigen Versuche bedürfen und eine ordentlich treffsichere Berech- nung aufgrund der gegebenen Geo- metriedaten und Werkstoffeigen- schaften ermöglichen. Die Literaturrecherche zum The- ma führt zu einer langen Liste wis- senschaftlicher Publikationen (u. a. [1]), deren Ergebnisse aber dem Prak- tiker zumeist verborgen bleiben. Da- mit war es naheliegend, zu unter- suchen, mit welchem Aufwand und wie gut der Rollwiderstand mit der Finite Elemente Methode (FEM) simu- liert werden kann, und ob sich aus den Ergebnissen eine Formel zur Be- rechnung bzw. zur einfachen Ab- schätzung des Rollwiderstands ablei- ten lässt. Im Vordergrund stand die Kon- taktsituation einer zylindrischen Rolle aus viskoelastischem Werkstoff mit einer Unterlage von vergleichs- weise sehr hoher Steifigkeit. Der Untersuchung zugrunde gelegt wur- den Laufrollen mit Kugellagern und zylindrischem Laufmantel (theore- tische Linienberührung) aus POM (Tecaform AH TF, Kundert AG, 8640 Jona) und PP (PP-DWU AlphaPlus, Si- mona AG, 4313 Möhlin) und Aussen- durchmessern d R = 40 und 60 mm. Als Unterlage diente in der Messung ein ebenes Stahlband, das in der FEM- Simulation durch einen starren Kör- per abgebildet werden sollte. Die Rollgeschwindigkeit sollte zwischen 0,5 und 2,0 m/s betragen. Die übrigen Grössen wurden jeweils in realisti- schen Wertebereichen variiert. Grundlagen Unter der radialen Belastung F einer Rolle entsteht im Kontaktbereich eine lokale Deformation (Abplat- tung), die beim Rollvorgang durch ein entsprechendes Rollmoment M R überwunden werden muss (Abb. 2). Die Breite der statischen Kontaktflä- che der zylindrischen Rolle vom Durchmesser d R und Auflagelänge l a auf der ebenen Unterlage beträgt [2] (1) mit = 0,3 für die Poissonzahl und dem Vergleichs-Elastizitätsmodul (E R : Rolle; E U : Unterlage). (2) Sie definiert zusammen mit der Um- fangsgeschwindigkeit v u der Rolle die Schwingperiode T und somit die cha- rakteristische Kreisfrequenz des Belastungszyklus beim Abrollen zu Der Rollwiderstand wird massge- bend vom mechanischen Verlustfak- tor des Rollenwerkstoffs bestimmt. Die zu dessen Messung im Torsions- schwingversuch der Thermisch-Me- chanischen Analyse (TMA) verwende- ten Kreisfrequenzen von 0,63 bis 63 rad/s entsprechend 0,1 bis 10 Hz lie- gen deutlich unterhalb des mit (3) und den gegebenen Daten berechne- ten Kreisfrequenzspektrums (Tab. 1). Die erforderliche Extrapolation stützt sich auf die Tatsache, dass die Abhängigkeit des mechanischen Ver- lustfaktors von der Frequenz mit de- ren Zunahme kaum mehr in Erschei- nung tritt. Damit kann bei höheren Kreisfrequenzen vom selben me- chanischen Verlustfaktor wie bei 63 rad/s ausgegangen werden. Simulation mit FEM Die Simulation mittels FEM erfordert ein geeignetes viskoelastisches Mate- rialmodell. In der Evaluation erwies sich ein n-Parameter-Maxwell-Modell (Abb. 3) als zweckmässig. Für dessen Kalibrierung anhand des mechani- schen Verlustfaktors und des Kurz- zeit-Elastizitätsmoduls wurden Tor- sionsschwingversuche im Tempera- turbereich von 25 bis 75°C durchge- führt. Mit 17 Parametern (9 Federn, 8 Dämpfer) gelang eine gute Approxi- mation im Kreisfrequenzbereich FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Prof. Dipl.-Ing. Johannes Kunz, Institut für Werkstoff- technik und Kunststoffverar- beitung (IWK) an der HSR Hochschule für Technik Rap- perswil, Dozent für Berech- nen und Gestalten von Kunststoffteilen im MAS- Studiengang Kunststofftech- nik an der Hochschule für Technik der FH Nordwest- schweiz Dipl.-Ing. Mario Studer, ETH Zürich, zeitweilig wis- senschaftlicher Mitarbeiter am IWK Rapperswil Abb. 1: Simulation des Rollverhaltens mit der Finite Elemente Metho- de (IWK Rapperswil). Abb. 2: Abplattung und Rollmoment beim Roll- vorgang. 10/2009 SwissPlastics 71 (3)

Rollwiderstand von Laufrollen - IWK: Institut

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Konstruktionselemente aus Kunststoff

Rollwiderstand von LaufrollenDer Rollwiderstand von Kunststoff-Laufrollen lässt sich – bei entsprechendem Aufwand – mit der Fini-te Elemente Methode berechnen (Abb.1). Für die Praxis interessant ist zudem, dass der Rollwider-stand auch anhand einer einfachen Formel recht gut abgeschätzt werden kann, die sich auf zweiWerkstoffkennwerte stützt: den Kurzzeit-Elastizitätsmodul und den mechanischen Verlustfaktor. Diessind die wichtigsten Erkenntnisse aus einem aF + E-Projekt am Institut für Werkstofftechnik undKunststoffverarbeitung (IWK) der HSR Hochschule für Technik Rapperswil.

Bei der Auslegung von Kunststoff-rollen interessieren nicht nur diekontaktmechanischen Grössen beistatischer Belastung, sondern auchdas dynamische Verhalten. Hiezuzählt vor allem auch der Rollwider-stand, der massgebend den Energie-bedarf für den Rollvorgang be-stimmt. Die Konstruktionspraxisbraucht Methoden für die Voraus-sage des Rollwiderstands, die keineraufwändigen Versuche bedürfen und eine ordentlich treffsichere Berech-nung aufgrund der gegebenen Geo-metriedaten und Werkstoffeigen-schaften ermöglichen.

Die Literaturrecherche zum The-ma führt zu einer langen Liste wis-senschaftlicher Publikationen (u.a.[1]), deren Ergebnisse aber dem Prak-tiker zumeist verborgen bleiben. Da-mit war es naheliegend, zu unter-suchen, mit welchem Aufwand undwie gut der Rollwiderstand mit derFinite Elemente Methode (FEM) simu-liert werden kann, und ob sich ausden Ergebnissen eine Formel zur Be-rechnung bzw. zur einfachen Ab-schätzung des Rollwiderstands ablei-ten lässt.

Im Vordergrund stand die Kon-taktsituation einer zylindrischenRolle aus viskoelastischem Werkstoffmit einer Unterlage von vergleichs-weise sehr hoher Steifigkeit. DerUntersuchung zugrunde gelegt wur-den Laufrollen mit Kugellagern undzylindrischem Laufmantel (theore-tische Linienberührung) aus POM(Tecaform AH TF, Kundert AG, 8640Jona) und PP (PP-DWU AlphaPlus, Si-mona AG, 4313 Möhlin) und Aussen-durchmessern dR = 40 und 60 mm.Als Unterlage diente in der Messungein ebenes Stahlband, das in der FEM-Simulation durch einen starren Kör-

per abgebildet werden sollte. DieRollgeschwindigkeit sollte zwischen0,5 und 2,0 m/s betragen. Die übrigenGrössen wurden jeweils in realisti-schen Wertebereichen variiert.

GrundlagenUnter der radialen Belastung F einerRolle entsteht im Kontaktbereich eine lokale Deformation (Abplat-tung), die beim Rollvorgang durchein entsprechendes Rollmoment MR

überwunden werden muss (Abb. 2).Die Breite der statischen Kontaktflä-che der zylindrischen Rolle vomDurchmesser dR und Auflagelänge laauf der ebenen Unterlage beträgt [2]

(1)

mit � = 0,3 für die Poissonzahl unddem Vergleichs-Elastizitätsmodul(ER: Rolle; EU: Unterlage).

(2)

Sie definiert zusammen mit der Um-fangsgeschwindigkeit vu der Rolle dieSchwingperiode T und somit die cha-rakteristische Kreisfrequenz � desBelastungszyklus beim Abrollen zu

Der Rollwiderstand wird massge-bend vom mechanischen Verlustfak-tor des Rollenwerkstoffs bestimmt.Die zu dessen Messung im Torsions-schwingversuch der Thermisch-Me-chanischen Analyse (TMA) verwende-ten Kreisfrequenzen von 0,63 bis 63rad/s entsprechend 0,1 bis 10 Hz lie-gen deutlich unterhalb des mit (3)und den gegebenen Daten berechne-ten Kreisfrequenzspektrums (Tab. 1).Die erforderliche Extrapolationstützt sich auf die Tatsache, dass dieAbhängigkeit des mechanischen Ver-lustfaktors von der Frequenz mit de-ren Zunahme kaum mehr in Erschei-nung tritt. Damit kann bei höherenKreisfrequenzen vom selben me-chanischen Verlustfaktor wie bei 63 rad/s ausgegangen werden.

Simulation mit FEMDie Simulation mittels FEM erfordertein geeignetes viskoelastisches Mate-rialmodell. In der Evaluation erwiessich ein n-Parameter-Maxwell-Modell(Abb. 3) als zweckmässig. Für dessenKalibrierung anhand des mechani-schen Verlustfaktors und des Kurz-zeit-Elastizitätsmoduls wurden Tor-sionsschwingversuche im Tempera-turbereich von 25 bis 75°C durchge-führt. Mit 17 Parametern (9 Federn, 8 Dämpfer) gelang eine gute Approxi-mation im Kreisfrequenzbereich

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG

Prof. Dipl.-Ing. JohannesKunz, Institut für Werkstoff-technik und Kunststoffverar-beitung (IWK) an der HSRHochschule für Technik Rap-perswil, Dozent für Berech-nen und Gestalten vonKunststoffteilen im MAS-Studiengang Kunststofftech-nik an der Hochschule fürTechnik der FH Nordwest-schweiz

Dipl.-Ing. Mario Studer,ETH Zürich, zeitweilig wis-senschaftlicher Mitarbeiteram IWK Rapperswil

Abb.1: Simulation desRollverhaltens mit derFinite Elemente Metho-de (IWK Rapperswil).

Abb.2: Abplattung undRollmoment beim Roll-vorgang.

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0,63 rad/s bis 10000 rad/s. Ausserhalbdieses Bereichs werden die mechani-schen Verlustfaktoren verschwin-dend klein, was aber angesichts desrelevanten Kreisfrequenzspektrums(Abb. 4) belanglos ist.

Für die FEM-Analyse wurde dasProgrammpaket MSC.Marc in derVersion 2008 verwendet. Modelliertwurde die Rolle mit dem Elementtyp11 mit linearen Ansatzfunktionender Verschiebungen für einen ebe-nen Verformungszustand, das heisstdass Querverformungen zur Rollen-ebene unterdrückt werden, was derSituation in der Mittelebene der Rol-le entspricht. Die optimale Diskreti-sierungsgüte bzw. Netzfeinheit wur-de in Pilotversuchen ermittelt mitdem Ergebnis, dass die FEM-Resultategegenüber der Hertzschen Theorieum weniger als 1 Prozent differier-ten. Es erwies sich als wichtig, dassmöglichst viele Elemente im Kontaktmit der Unterlage sind. Die optimaleElementgrösse im Kontaktbereichlag bei 0,0245 mm Kantenlänge bzw.Knotenabstand (Abb. 5). Zwecks Ver-meidung extremen Rechenaufwan-des wurde das verfeinerte Netz auf einen Drittel des Rollenumfanges be-schränkt. Für die Rolle mit 40 mmAussen- und 22 mm Innendurchmes-ser waren dennoch rund 45000 Ele-mente erforderlich. Aus demselbenGrund wurde die ebene Unterlage alsstarrer Körper angenommen – eineIdealisierung, die bei entsprechen-der Modellbildung keine Einschrän-kung bedeutet. Dieses Vorgehen hat-te sich bereits bei der Untersuchungeiner neuartigen 2K-Rolle mit stei-fem Laufmantel und weichem Rad-körper als tauglich erwiesen [3].

Die Simulation wurde mit zweiLastfällen vorgenommen: Der ersteLastfall umfasst die Phase des Last-aufbaus und der Beschleunigung,der zweite das Rollen bei konstantenWerten von Geschwindigkeit und Be-lastung (Abb. 6). Mit der adaptivenZeitschrittsteuerung werden die

Zeitinkremente automatisch an dieLösungskonvergenz angepasst. Mitden so aufgebauten und gesteuertenFEM-Modellen konnte der Rollwider-stand sehr schön berechnet werden.Es zeigte sich, dass das Rollmomentabgesehen von der Beschleunigungs-phase praktisch unabhängig ist vonder Rollgeschwindigkeit, was im na-hezu konstanten mechanischen Ver-

lustfaktor begründet ist. Bei PP ergabsich ein deutlich höheres Rollmo-ment als bei POM. Dies ist auf dieunterschiedlichen Werte von mecha-nischem Verlustfaktor und Speicher-modul zurückzuführen. Die grösse-ren Rollen wiesen einen merklich höheren Rollwiderstand auf als diekleinen Rollen unter sonst gleichenBedingungen.

VergleichsmessungenZur Gegenüberstellung dieser Ergeb-nisse mit der Praxis wurden auf einem Rollenprüfstand der DeniproAG, Weinfelden, entsprechende Mes-sungen durchgeführt (Abb. 7). Auchwenn dieser nicht einem wissen-schaftlichen Versuchsaufbau ent-spricht, bestätigten die Messresulta-te doch die grundsätzliche Brauch-barkeit der FEM-Simulation (Abb 8).Ein Problem bei der Auswertung botvor allem die Tatsache, dass im Expe-riment der Gesamtwiderstand beimRollen einschliesslich Reibung inden Lagern mit Einfluss des Lager-schmierstoffes gemessen wird, wäh-rend die FEM-Simulation lediglichden Rollwiderstand infolge Verfor-mung in der Kontaktzone erfasst. So-mit war die Lagerreibung durch eineKompensationsrechnung zu berück-sichtigen, was mithilfe einer Online-Applikation des Kugellagerherstel-lers SKS erfolgte. Die so ermitteltenLagerreibmomente liegen in dersel-ben Grössenordnung wie die mitFEM berechneten Rollmomente, undsie nehmen in Funktion der Rollge-schwindigkeit ab. Die Resultate zei-gen zudem auch auf, dass bei kleinenRollmomenten, wie sie vor allem beider kleinen POM-Rolle auftreten, die

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG

Abb. 3: Schema des vis-koelastischen n-Para-meter-Maxwellmodells.

Abb. 4: Nachbildung desgemessenen mechani-schen Verlustfaktors inFunktion der Frequenzmit dem 17-Parameter-Maxwellmodell.

Abb.5: Extrem feine Dis-kretisierung der Rollen-geometrie im Kontakt-bereich [4].

Tab.1: Verwendete Belastungs-, Geometrie- und Werkstoffdaten Symbol Bezeichnung PP POM Einheit

F Rollenbelastung 500 500 [N]

dR Rollendurchmesser 0,04 / 0,06 0,04 / 0,06 [m]

la Rollenbreite 0,01 0,01 [m]

vu Umfangsgeschwindigkeit 0,5�2,0 0,5�2,0 [m/s]

� Kreisfrequenzspektrum 719�3527 973�4470 [rad/s]

E Kurzzeit-Elastizitätsmodul 2400≈106 [N/m2]

EV Vergleichs-Elastizitätsmodul 4800≈106 [N/m2]

E’ Speichermodul 1470·106 2690·106 [N/m2]

� Poissonzahl 0,35 0,35 [--]

tan� Mechanischer Verlustfaktor 0.0466 0,0192 [--]

Fortsetzung Seite 75

10/2009 SwissPlastics 75

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG

Auflösung der Messeinrichtung fürdie vorliegende Problemstellung zugering ist.

VerallgemeinerungenNachdem die Simulationen mit 2D-Modellen zylindrischer Rollen undmit starrer Unterlage erfolgreich ver-laufen waren, wurden verallgemein-ernde Überlegungen in Richtungnachgiebige Unterlage und 3D-Mo-delle angestellt.

Zur Klärung der Frage, wie sich eine viskoelastisch nachgiebigeUnterlage auf die Ergebnisse aus-wirkt, wurden entsprechende FEM-Simulationen durchgeführt. Variiertwurden nicht nur die Steifigkeitenund die mechanischen Verlustfakto-ren, sondern auch die Dicke derUnterlage mit 5 bzw. 15 mm. Bei derdickeren Unterlage führte die Ver-tauschung der Werkstoffeigenschaf-ten zwischen Rolle und Unterlagezum selben Rollmoment. Unterschie-de ergaben sich nur bei der dünnenUnterlage mit hoher Dämpfung, in-dem das Rollmoment um 15 bis 20Prozent reduziert wird. Weiter zeigtesich, dass die Kombination hohe Steifigkeit/hohe Dämpfung ein ge-ringeres Rollmoment bewirkt als dieKombination geringe Steifigkeit/hohe Dämpfung.

Die Möglichkeit, die Werkstoff-eigenschaften zwischen Rolle undausreichend dicker Unterlage ohnewesentlichen Einfluss auf die Ergeb-nisse vertauschen zu können, ergibtsich aus der Hertzschen Theorie derKontaktprobleme [5, 6]. Diese Tatsa-che bietet dann Vorteile, wenn wie inder vorliegenden Untersuchung derSteifigkeitsunterschied der beidenKontaktkörper sehr hoch ist, sodassder eine Körper – hier die Unterlage– als Starrkörper modelliert werdenkann. Mit der Vertauschung der Ei-genschaften kann nämlich die kom-plizierter gestaltete Rolle als Starr-körper und die einfacher geformteUnterlage mit viskoelastischen Eigenschaften abgebildet werden,was den Modellierungsaufwand re-duziert.

Um auch Querdehnungen undräumlich gekrümmte Rollenprofileerfassen zu können, sind FEM-Model-

le mit 3D-Elementen erforderlich.Diesbezügliche Untersuchungen anzylindrischen und balligen Rollenmit kugelförmiger Oberfläche bestä-tigten die grundsätzliche Machbar-keit. Um den Aufwand für Modellie-rung und Rechnung einigermassenin Grenzen zu halten, wurde von dererwähnten Möglichkeit des Eigen-

dell für den Rollwiderstand bei sta-tionärem Rollen abgeleitet werden.Ausgangspunkt war die Erkenntnis,dass der Rollwiderstand zylindri-scher Rollen zur Hauptsache von derBelastung, der Geometrie von Rolleund Unterlage sowie der Steifigkeitund dem Dämpfungsverhalten derWerkstoffe bestimmt ist. Die Unter-suchung der Einflüsse der einzelnenParameter (Abb. 9) ergab eine lineareAbhängigkeit des Rollmoments MRvon Belastung, mechanischem Ver-lustfaktor und Abplattungsbreiteentsprechend Beziehung (1), unddass sich diese Einflüsse multiplika-tiv überlagern in der Form

(4)

Die Kalibrierung der Konstanten Cerfolgte durch Auswertung einer Rei-he von FEM-Rechnungen mit 11 ver-schiedenen Parameterkombinatio-nen. Den Rollwiderstand als Kraft er-hält man aus dem Rollmoment (4)und dem Rollradius gemäss

(5)

Dieser Ausdruck kommt einem Re-sultat von Lütkebohle [1] nahe, unter-scheidet sich von diesem allerdingsin der relevanten halben Kontaktflä-chenbreite b. Der Grund liegt darin,dass Lütkebohle bei deren Herlei-tung den Übergang vom ebenen Ver-formungszustand zum ebenen Span-nungszustand auf eine nicht ganzkorrekte Weise vollzieht [4]. DieUntersuchung des dynamischen Fal-les Abrollen ergab beim Kontaktzweier paralleler Zylinderflächen(theoretische Linienberührung) fürdie halbe dynamische Breite derrechteckigen Kontaktfläche die Be-ziehung

(6)

Damit lässt sich (4) auch auf Fälle anwenden, bei denen die Unterlageebenfalls nachgiebig ist und/oder dieForm eines Zylinders hat. Dabei be-deuten E’ den Speichermodul und � die Poissonzahl der Werkstoffe (Index R: Rolle; U: Unterlage) sowie

Abb.6: Rollmoment inFunktion der Simula-tionszeit in Gegenüber-stellung zum Belastungs-verlauf [4].

Abb. 7: SchematischerAufbau des Rollenprüf-standes der Denipro AGmit Messeinrichtung fürden Rollwiderstand [4].

schaftstausches Gebrauch gemacht.Demnach wurde die Rolle als Starr-körper modelliert und die Unterlageals FE-Modell mit 8-Knoten-Volumen-elemenen diskretisiert. Trotzdemkonnte zur Vermeidung exorbitanterRechenzeiten die Unterlage mit 0,25mm gewählter Elementlänge nichtso fein vernetzt werden wie bei den2D-Modellen mit rund 0,025 mm.Dies wirkte sich dahingehend aus,dass die Resultate zwar weniger ge-nau als jene der 2D-Modelle waren,aber immerhin noch als brauchbareNäherung gelten können.

Einfaches RechenmodellAus dem umfangreichen Datenmate-rial konnte ein einfaches Rechenmo-

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(7)

einen Vergleichskrümmungsradiuszur gemeinsamen Erfassung beiderKrümmungsradien. Entsprechendist dann der mechanische Verlustfak-tor in (4) durch einen Vergleichswert

(8)

zu ersetzen [4].Für den Rollwiderstand von räum-

lich gekrümmten Rollen sind die Be-ziehungen (4) und (5) direkt nicht an-wendbar. Sie können jedoch für gro-be Abschätzungen beigezogen wer-den, wenn die halbe Kontaktflächen-breite b durch einen Mittelwert b– er-setzt wird. Dieser entspricht demQuotienten aus der Hälfte der Kon-taktfläche AK und deren maximalerAusdehnung lQ quer zur Rollrich-tung, also

(9)

Dieses Rechenmodell erlaubt die Be-rechnung des Rollmomentes MR bzw.des Rollwiderstands FR ganz ohneFEM, setzt aber die Kenntnis der Spei-chermoduln und der mechanischenVerlustfaktoren voraus, die beide fre-quenzabhängig sind. Die Verfügbar-keit dieser Werte ist daher alles ande-re als eine Selbstverständlichkeit,weshalb es eher selten anwendbarsein dürfte.

Einfache Abschätzung mitEin-Punkt-DatenAuf der Suche nach einer Möglich-keit, das Rollmoment einfach undrasch bestimmen zu können, wurdedas analytische Rechenmodell (4) mitEin-Punkt-Daten angewendet [Tab. 1],wie sie üblicherweise in Datenban-ken [7] und Handbüchern [8] aufge-führt sind. Dies betrifft insbesondereden Ersatz der Speichermoduln in (6)durch die Elastizitätsmoduln ausdem Kurzzeit-Zugversuch. Mit derNäherung �R = �U = 0,35 folgt so dieBeziehung

Zum Vergleich mit Ergebnissen aus

der FEM-Simulation wurden die Roll-momente von je einer POM-Rolle derDurchmesser 40 mm und 60 mm aufebener, starrer Unterlage berechnet,also mit tan �V = tan �, RV = dR /2 undEV = 2 ·E. Die Übereinstimmung derResultate war mit 3,3 bzw. 2,7 Pro-zent überraschend gut. Auch wenndiesbezüglich keine weiteren, syste-matischen Untersuchungen ange-

mit entsprechender Abplattung si-muliert werden, was allerdings ent-sprechende Speicherkapazität erfor-dert.

Darüber hinaus konnte mit demhier vorgestellten Rechenmodell einpraxistaugliches Instrument zur Be-rechnung bzw. Abschätzung des Roll-widerstandes von Kunststoff-Lauf-mantelrollen geschaffen werden.Dies allerdings mit der Einschrän-kung, dass damit nur der Wider-stand bei stationärem Abrollen er-fasst werden kann und kein Anrollennach längerer, vorausgehender stati-scher Belastung.

Die grösste Schwierigkeit bei derBerechnung bzw. Abschätzung desRollwiderstandes liegt darin, dassdie erforderlichen Angaben über dasDämpfungsverhalten der Werkstoffeselbst in renommierten Datenban-ken [7] nur sehr spärlich gestreutsind oder gar fehlen. Als Ausweg bie-tet sich an, diese Angaben bei denWerkstoffproduzenten zu erfragen.

DankDie vorliegende Arbeit entstand im Rahmendes Forschungsprojekts «Grundlagen für dieAuslegung von Kunststoffkonstruktionen».Für dessen Förderung danken die Verfasserdem Forschungsfonds der HSR Hochschulefür Technik Rapperswil. Gedankt sei auchder Denipro AG, Weinfelden, für die Durch-führung der Versuche und dem IKT Institutfür Kunststofftechnik (FHNW), Brugg-Win-disch, für die Thermo-Mechanische Analyse(TMA) zur Ermittlung der dynamischenWerkstoffdaten.

Literatur[1] Lütkebohle, H.: Roll- und Wälzreibung zy-lindrischer Räder aus thermoplastischenKunststoffen. Diss. TU Berlin, 1984[2] Kunz, J., Studer, M.: Zylindrische Laufman-telrolle mit partieller Abstützung. Kunststof-fe-Synthetics 53 (2006) 1, S. 18–21[3] Kunz, J., Studer, M.: Neuartige 2K-Laufrol-len und ihre Kontaktmechanik. SwissPlas-tics 30(2008)3, S. 17–20[4] Kunz, J., Studer, M.: Forschungsprojekt Aus-legung von Kunststoff-Laufrollen. Diverseinterne, unveröffentlichte Dokumente. HSRHochschule für Technik Rapperswil, 2005–2009[5] Grothe, K.-H., Feldhusen, J. (Hrsg.): Dubbel-Ta-schenbuch für den Maschinenbau. SpringerVerlag Berlin, 22. Aufl., 2007[6] Czichos, H., Hennecke, M. (Hrsg.): Hütte –Das Ingenieurwissen. Springer Verlag Berlin,33. Aufl., 2008[7] Campus 5.1 Werkstoffdatenbank. CWFGGmbH, Frankfurt/Main[8] Elsner, P., Eyerer, P., Hirth, T. (Hrsg.): Domi-ninghaus – Springer Verlag Berlin, 7. Aufl.,2008

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG

Abb.8: Gegenüberstel-lung der Rollmomenteaus Simulation und Versuch [4].

Abb.9: Linearer Zusam-menhang zwischen Roll-moment und mechani-schem Verlustfaktor [4].

stellt wurden, kann (10) dennoch alsbrauchbare Formel für Abschätzun-gen in der Praxis gelten.

SchlussbemerkungenDie Möglichkeit, das Rollverhaltenvon Kunststoff-Laufmantelrollen miteinem viskoelastischen n-Parameter-Maxwell-Modell in einer FEM-Analy-se zu simulieren und daraus denRollwiderstand zu bestimmen, istein wichtiges Ergebnis des Projekts.Obwohl hier die Beschleunigung ausdem Stillstand gleichzeitig mit demAufbau der Belastung erfolgte, kanngrundsätzlich auch ein Anrollennach längerer statischer Belastung

(10)