52
Dokumentation einer Qualifizierungsreihe in Kooperation mit dem Jugendamt Tempelhof -Schöneberg von Berlin ISSN 0940-8665 39. Jahrg. / Mai 2003 5,00.- € Nachbarschaftsheime, Bürgerzentren, Soziale Arbeit Gemeinwesenarbeit Rundbrief 1-2003 Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe

Rundbrief 1-2003

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe Dokumentation einer Qualifizierungsreihe in Kooperation mit dem Jugendamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin

Citation preview

Page 1: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 1

Dokumentation einer Qualifizierungsreihein Kooperation mit dem JugendamtTempelhof -Schöneberg von Berlin

ISSN 0940-866539. Jahrg. / Mai 2003

5,00.- €

Nachbarschaftsheime,

Bürgerzentren, Soziale Arbeit

Gemeinwesenarbeit

Rundbrief 1-2003

Sozialraumorientierungin der Jugendhilfe

Page 2: Rundbrief 1-2003

2 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Menschen, Mythen, MöglichkeitenDokumentation einer Qualifizierungsreihe zurSozialraumorientierung in der Jugendhilfe

Intro..................................... 3

Grußworte:.......................... 4

Wie alles begann................ 6

Der Ort:............................... 8

Die Themen........................ 10

Die Methoden..................... 11

Der Ablauf (Teil1)............... 13

Textesammlung.................. 19

Der Ablauf (Teil2)............... 36

Evaluation & Doku.............. 43

Ausblicke............................ 44

Materialsammlung.............. 45

Das Moderationsteam........ 51

Inhalt SeiteImpressum

Der Rundbrief wird herausgegeben vomVerband für sozial-kulturelle Arbeit e.V.Slabystr. 11, 50735 Köln

fon: 0221 / 760 69 59fax: 0221 / 778 70 95

e-mail: [email protected]: www.vska.de

Büro Berlin:Tucholskystr. 11, 10117 Berlin

fon: 030 / 280 96 106fax: 030 / 862 11 55e-mail: [email protected]

Redaktion: Oliver Ginsberg & Birgit WeberGestaltung: Oliver GinsbergDruck: trigger offset, Berlin

Der Rundbrief erscheint halbjährlichEinzelheft: 5,00 € incl. VersandDoppelheft: 9,00 € incl. Versand

ISSN 0940-8665

Diese Ausgabe wurdeerstelt in Kooperation mit:

BezirksamtTempelhof-Schönebergvon BerlinJohn-F.-Kennedy Platz

10820 Berlin

Bei Nachfragen und für Informationen stehen imJugendamt Tempelhof-Schöneberg gerne zurVerfügung:

Hennung Till, Jugendamtsdirektor03o/[email protected]

Beate Lubitz, Jugend-Familienförderungund Sport030/[email protected]

Antonia Volk, Jugendhilfeplanung030/[email protected]

Page 3: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 3

IntroDas Wissen, dass ohne die Menschen vor Ort nichts läuft, der Wunsch,Mythen, die sich um das Thema Sozialraumorientierung ranken, zu lichtenund die Wahrnehmung von Möglichkeiten, die sich beim Blick über denTellerrand offenbaren, haben uns zu diesem plakativen Titel der Fortbildungs-reihe inspiriert.

Als wir den Auftrag des Jugendamtes Tempelhof-Schöneberg von Berlin über-nahmen, eine Qualifizierungsreihe zur Sozialraumorientierung im OrtsteilSchöneberg-Nord zu organisieren, hatten wir noch keine konkrete Vorstellung,wohin uns die Beschäftigung mit diesem Thema führen würde.

Weder kannten wir die Akteure vor Ort und ihre spezifischen Interessen, nochhatten wir „Erfolgsrezepte“ aus gelungenen Umstrukturierungsmaßnahmen derJugendhilfe in Richtung Sozialraumorientierung anzubieten. Unsere eigene lang-jährige Verwurzelung in unterschiedlichen Feldern der Gemeinwesenarbeit warjedoch eine solide Basis auf der wir aufbauen konnten.

Themenschwerpunkte und Methoden erschlossen wir im Dialog mit Kollegin-nen und Kollegen sowie engagierten Menschen vor Ort. Aus unserer eigenenEinbindung in Berlin und auf Bundesebene ergaben sich zusätzlich Möglich-keiten externe Fachkräfte als Impulsgeber in den Prozess der Fortbildung ein-zubinden.

Herausgekommen ist eine Veranstaltungsreihe, die nach eigenem BekundenTeilnehmerinnen und Teilnehmer (im Weiteren der Einfachheit halber neutralals „Teilnehmende“ bezeichnet) zufrieden stellte und der Sozialraumorientierungim Ortsteil Schöneberg-Nord darüber hinaus weiteren Schwung verlieh.

Eine kompakte Dokumentation der Veranstaltungsreihe liegt nun mit dieserSchrift vor und kann als Referenz oder auch praktische Methoden- und Text-sammlung genutzt werden.

Über Hintergründe, Rahmenbedingungen und Allgemeines zur Themen- undMethodenwahl gibt der erste Teil des Heftes Aufschluss.

Im mittleren Teil sind einzelne Veranstaltungselemente nebst einer kurzen me-thodischen Beschreibung in chronologischer Reihenfolge dargestellt.

Die Texte der zentralen Impulsreferate und ein Leitartikel von Professor Dr. Wolf-gang Hinte (Universität Gesamthochschule Essen) zum „Fall im Feld“ sind soim Innenteil des Heftes untergebracht, dass sie ohne großen Aufwand heraus-genommen und separat genutzt werden können.

Eine zusammenfassende Evaluation, ein perspektivischer Ausblick und eine Ma-terialsammlung runden das Heft ab und tragen hoffentlich mit dazu bei, die Sozial-raumorientierung als Arbeitshaltung, Organisationsstruktur und kooperative Me-thodik in der Jugendhilfe weiter voranzubringen.

In diesem Sinne wünschen wir eine anregende Lektüre

Birgit Weber & Oliver Ginsberg

Page 4: Rundbrief 1-2003

4 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Sehr geehrte Damen und Herren,liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Sie halten die Dokumentation der Veranstaltungsreihe ”Menschen, Mythen, Möglich-keiten” in Ihrer Hand. Mit den vier Veranstaltungen, die in der Zeit von November 2002bis Februar 2003 stattfanden, haben wir den Startschuss für die bezirksweite prakti-sche Umsetzung der Sozialraumorientierung gegeben, freilich nicht ohne theoretischeRückbezüge – denn grau ist zwar alle Theorie, aber ohne Theorie geht es eben nicht.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei all denen bedanken, die durch die Vorbe-reitung und Durchführung Anteil am Gelingen hatten, sowie bei allen, die durch ihreTeilnahme zu einem lebendigen Diskurs beigetragen haben. Erlauben Sie bitte, dassich mich an dieser Stelle besonders bei Frau Birgit Weber - Verband für sozial-kulturel-le Arbeit - bedanke. Sie war ein Garant dafür, uns vor Irrwegen zu schützen.

Eine Veränderung von Arbeitsansätzen und deren Anpassung an sozialräumliches Den-ken und Handeln erfordert ein solides Basiswissen darüber, wie die Stärkung der kom-munalen Infrastruktur durchsetzbar ist und durch multiprofessionelle Vernetzung (pro-jektbezogen und trägerübergreifend) sowie durch die Verknüpfung verschiedener Fel-der (z.B. Wohnen, Gesundheit, Schule) möglich wird. Wenn weiter die Lebensweisender Betroffenen zum Ausgangspunkt genommen werden und weniger der (subjektive)Wertekanon, dann kann Jugendhilfe das erforderliche Selbstverständnis entwickeln,nicht Reparaturbetrieb für missglückte Sozialisationsbemühungen zu sein, sondern indie Offensive zu gehen.

Begleitend dazu haben zwei weitere Veranstaltungen in Berlin stattgefunden: Am 16.und 17. Dezember 2002 eine Klausurtagung der öffentlichen Jugendhilfe und am 4.und 5. März 2003 der 2. Fachpolitische Diskurs zur Sozialraumorientierung in der Ber-liner Jugendhilfe. Der Fachaustausch zum Thema Sozialraumorientierung läuft somitstadtweit. Damit verbinde ich die berechtigte Hoffnung, dass noch viele weitere Bezirkesich den Leitgedanken der Sozialraumorientierung nähern und Umsetzungsstrategienentwickeln.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Berliner Jugendhilfe (-politik) in der Zukunftnicht mehr aus der Defensive zu betreiben ist, wir müssen fachliche und wirtschaftlicheLösungskompetenz nachweisen. Wir müssen aufhören, vergangene Ideale zu bewah-ren. Wir haben in unserem Prozess hoffentlich den Punkt überwunden, wo innerhalbdes Systems Jugendhilfe jeder Veränderungswunsch misstrauisch beäugt und mit derHoffnung verbunden wird, dass doch lieber nichts daraus wird.

Heute ist nicht mehr von einem nur versorgenden Staat mit umfassender Verantwor-tung für nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens auszugehen. Eine mündi-ge Bürgerkommune entwickelt vielmehr selbst und komplementär zur öffentlichenDaseinsvorsorge aktive Netzwerke, die den sozialen Zusammenhalt stärken.

Die vorliegende Dokumentation soll dazu beitragen, bei Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern in der Jugendhilfe Neugier zu wecken, den eigenen Berufsalltag erkenntnisgeleitetneu zu orientieren, entsprechend zu beleben und zu erfolgreichen Arbeitsergebnissenzu gelangen.

Henning Till

Leiter des Jugendamtes Tempelhof-Schöneberg

Page 5: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 5

ist entstanden, nicht nur in der Struktur des Jugendamtes unseres Bezirkes.Auch die jeweiligen Fachkräfte stellen sich den damit verbundenen inhaltlichenund methodischen Anforderungen einer sozialraumorientierten Handlungsweise.

Die Entsäulung der Jugendhilfe sowie die Umorientierung des Jugendamtes (weg vonder Durchführungsverantwortung – hin zu der Gewährleistungsverantwortung) zeigen,dass wir sowohl abteilungs- als auch fachbereichsübergreifend verstärkt in die Zu-sammenarbeit kommen. Die Sozialraumorientierung als weiter zu entwickelndes ge-meinsames Handlungsinstrument wird darüber hinaus zunehmend lokale Leistungs-träger und Akteure an einen gemeinsamen Tisch bringen.

Die Zielvorgabe ist, in den Sozialräumen die Kooperation der verschiedenen öffentli-chen und freien Träger, Einrichtungen und Institutionen, die mit Kindern, Jugendli-chen und deren Familien arbeiten, zu fördern und zu unterstützen. Eine weitere Aufga-be besteht darin, die Leistungsträger in ein lebenswelt- und sozialraumbezogenes Mit-einander zu bringen. Dies wurde für den Sozialraum Schöneberg – Nord (einen voninsgesamt sieben Sozialräumen des Bezirkes) modellhaft in der gemeinsamenQualifizierungsreihe entwickelt.

Um den Prozess der konsequenten Umsteuerung der bezirklichen Jugendhilfe kom-petent zu gestalten, ist es zwingend erforderlich, die Mitarbeitenden zu qualifizieren.Denn mit entscheidend für den Erfolg eines Konzeptes der sozialraumorientiertenJugendhilfe ist, dass auf der Basis eines gemeinsamen Grundverständnisses und nacheinem einheitlichen Konzept mit qualifizierten Handlungsinstrumenten und Methodenkonstruktiv zusammen gearbeitet wird.

So ist es erforderlich, auf der sozialräumlichen Ebene konkrete Ansätze der Vernet-zung sozialer Dienste zu entwickeln. Dies bezieht sich sowohl auf zielgruppenüber-greifende als auch auf bereichübergreifende Ansätze der Vernetzung von Fachkräftenaus den Bereichen Schule, Stadtentwicklung, Bauwesen, Sozialwesen, Wirtschaft,Arbeitsamt u.a..

Es muss eine verbindliche und strukturierte Form der Zusammenarbeit zwischen denzuständigen Ämtern und Institutionen einerseits und den freien Trägern der Kinder-und Jugendhilfe, sowie weiterer sozialer Leistungsbereiche andererseits entwickeltwerden. Nur so können auf den entsprechenden Entscheidungsebenen konkrete Maß-nahmen entwickelt und abgestimmt werden, die den Bedürfnissen der Kinder undJugendlichen und ihrer Familien in deren jeweiligen Lebensräumen auch tatsächlichRechnung tragen.

Es war uns möglich, aus der Programmplattform ‚Entwicklung und Chancen für jungeMenschen – E & C des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju-gend‘ im Teilprogramm ‚K & Q – Kompetenz und Qualifikation für junge Menschen‘diese Qualifizierung zu finanzieren. Diese wurde in hoher Fachkompetenz durch denVerband für sozial-kulturelle Arbeit, Landesgruppe Berlin realisiert. Die gemeinsameinhaltliche Vorbereitung lief in enger Abstimmung mit dem Gesamtprozess der struk-turellen Veränderungen unseres Jugendamtes - ich bedanke mich herzlich.

Beate Lubitz

Vertretung Fachbereichsleitung Jugend-, Familienförderung und Sport

Bewegung...

Page 6: Rundbrief 1-2003

6 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Die Veranstaltungsreihe „Menschen-My-then-Möglichkeiten“ war Bestandteil desBeschlusses zur Neuorientierung und Um-strukturierung des Jugendamtes Tempel-hof-Schöneberg. Diese Hinwendung zurSozialraumorientierung implizierte die Ein-beziehung der Mitarbeiterinnen von Ver-waltung, kommunalen Einrichtungen undfreien Trägern durch gezielteFortbildungsangebote.

Der Entschluss zur Einführung der Sozial-raumorientierung stieß nicht nur auf ein-hellige Zustimmung. Zu vage schien dasKonzept, zu undurchschaubar waren zudiesem Zeitpunkt auch die organisatori-schen und strukturellen Veränderungen,die durch die Umstrukturierung zu erwar-ten waren. Bemängelt wurde nicht zuletztdie zentrale Entscheidung für das Konzept.

In dieser Situation fiel die Entscheidung,im Rahmen des Programmes „Entwick-lung und Chancen junger Menschen –E&C“ (Teilprogramm Kompetenz undQualifikation für junge Menschen) in ei-nem Sozialraum (Programmgebiet „ So-ziale Stadt“) eine Qualifizierungsreihe fürMitarbeiterinnen und Mitarbeiter in derJugendhilfe zu beantragen.

Der Verband für sozial - kulturelle Arbeit e.V.wurde beauftragt, die Konzeption für einesolche Fortbildungsreihe zu entwickeln.

Die Konzeption lag im September 2002 vorund wurde nach Abstimmung mit demJugendamt und nach Bewilligung durchdie Regiestelle des BundesprogrammesE&C als Grundlage für die Fortbildungs-reihe festgelegt

Als Orientierung für die konkrete Umset-zung wurden folgende Zielsetzungen for-muliert:

Die zentralen Themen derFortbildungsreihe solltengemeinsam mit der Ziel-gruppe ermittelt und abge-stimmt werden.

Da „Sozialraumorientierung“ noch keineindeutig festgeschriebenes Konzept dar-

stellt, war eine gemeinsame Erarbeitungder Themen mit den betroffenen Akteurenunabdingbar. Schwerpunkte mussten sichdarüber hinaus am Wissensstand der Ak-teure und an den konkreten Bedarfslagenim Ortsteil orientieren. Eine gemeinsameAusarbeitung der zentralen Themen soll-te darüber hinaus auch zu erwartende Pro-bleme und Widerstände klären und somitdie Akzeptanz für die Qualifizierungsreiheerhöhen.

Die Qualifizierungsreihesollte mit dem laufendenProzess der Umstruktu-rierung der Jugendhilfedurch das Jugendamtabgestimmt werden

Durch die Abstimmung war eine größt-mögliche Unterstützung des Um-strukturierungsprozesses gewährleistet.Dieser abgestimmte Prozess erlaubte eineklare Bestimmung des Wechsel-verhältnisses zwischen konzeptionellenInhalten und organisatorischen Schrittenund war insbesondere von Bedeutung fürdie Frage der Festlegung des Teilnehmer-kreises.

Die zentralen Themen derFortbildung sollten die we-sentlichen inhaltlichenAspekte der Sozialraum-orientierung widerspiegeln.

Schwerpunkt bildete dabei die fall-unspezifische Arbeit. Bis zum Zeitpunkt derVertrags hatte es noch keine umfassendeEinführung in die Sozialraumorientierunggegeben. Eine Beschränkung auf einzel-ne Aspekte war daher nicht zweckmäßig.

Durchführung, Auswertungund Dokumentation der Ver-anstaltung sollten die Über-tragbarkeit auf andere Orts-teile gewährleisten. Insbe-sondere soll auch eine brei-te Öffentlichkeit Zugang zuArbeitsergebnissen haben.

Eine effiziente Nutzung von Ressourcenmuss sich auch in der Weiter-verwertbarkeit der Ergebnisse und Er-kenntnisse aus der Qualifizierungsreiheniederschlagen.

Entstehung, Ausweitungund Verstetigung vonfachbereichsüber-greifenden Kooperations-beziehungen sollte geför-dert werden

Durch konkrete Kooperations-beziehungen ist am ehesten eine Verzah-nung von Qualifizierung und dem Um-strukturierungsvorhaben gewährleistet.

In Gesprächen mit Schlüsselfiguren derJugendhilfe im Ortsteil wurden Kenntnis-stand der Akteure in Bezug auf „Sozial-raumorientierung“, Besonderheiten desOrtsteils sowie Arbeitsansatz der Ge-sprächspartner eruiert. Außerdem wurdenBedenken hinsichtlich der Qualifizierungs-reihe ausgeräumt.

Die Umsetzung erfolgte auf der Basis ei-nes offenen Fragebogens in zehn Einzel-gesprächen und zwar

• mit MitarbeiterInnen des Quartiers-managements

• mit dem Fachbereichsleiter Fachbe-reich 1: Jugend-, Familienförderungund Sport

• mit MitarbeiterInnen des RSD (regiona-ler sozialer Dienst)

• mit einem Mitarbeiter des freien Trä-gers „Jugendwohnen im Kiez“

• mit der Leitung: Amt für evangelischeKinder- und Jugendarbeit

• mit der Leitung: Spreewald - Grund-schule

• mit der Fachbereichsleiterin Fachbe-reich 4: Familienunterstützende Hilfe

• mit der Leitung des freien Trägers:Stadtteil VHS

• mit dem Fachbereichsleiter: Fachbe-reich 2: Tagesbetreuung für Kinder

• mit der Leitung des freien Trägers:„Kiez-Oase“

Wie alles begann...

Page 7: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 7

Die meisten Bedenken und Bemerkungenbezogen sich auf die Art und Weise derUmsetzung des Konzeptbeschlusses zurUmstrukturierung der Jugendhilfe inTempelhof-Schöneberg. Kritik bezog sichauf die Vorgehensweise „von oben nachunten“ und „mangelnde Transparenz“.Darüber hinaus wurden Fragen formuliert,wie:

Was ist Sozialraumorientierung über-haupt und was soll damit erreichtwerden?

Ist es nicht nur ein weiterer Versuch,Sparen mit inhaltlichen Floskeln zuumschreiben?Was ist an der bisherigen Struktur, so-wie Arbeits- und Handlungsweisefalsch?

Im Gespräch wurden aber auch Hoffnun-gen in Bezug auf die Dynamik durch Er-weiterung des Blickes deutlich. Es wurdenChancen für die Umsetzung von Projek-ten erkannt, die bisher aus formalen„fachbereichsbeschränkenden Gründen“nicht möglich waren.

Die Gesprächsatmosphäre wurde jeweilsin dem Moment entspannt, als deutlichwurde, dass es bei der Fortbildung nochnicht um konkrete organisatorische Schrit-te, Stellenbeschreibungen und die finan-zielle Ausstattung gehen sollte.

Insgesamt konnte eine positive Erwar-tungshaltung in Bezug auf dieQualifizierungsreihe erreicht werden. DieThemenschwerpunkte wurden modifiziertbzw. erhielten eine neue Gewichtung. DenThemen „Mobilisierung und Beteiligung“und „Kooperation und Vernetzung“ wurdeneigenständige Veranstaltungen gewidmet.Dadurch sollten u.a. mehr Freiraum für dieEntwicklung fachbereichsübergreifenderProjekte geschaffen und Kristallisations-punkte für Kooperation der beteiligten Trä-ger angeboten werden. Fragestellungenzur konkreten Umsetzung der Umstruktu-rierung wurden dagegen in Absprache mitdem Jugendamt aus der Qualifizierungs-reihe herausgenommen

Die Abstimmung mit dem laufendenProzess der Umstrukturierung erfolgte imRahmen von Einzelgesprächen mit demJugendamt und mit Prof. Hinte, der vom

Jugendamt mit der fachlichen Begleitungdes Umstrukturierungsprozesses beauf-tragt worden ist.

Die Veranstaltung einer Jugendhilfe-konferenz („Der Ortsteil als Sozialraum –eine Herausforderung für meine Arbeit“)war Teil des Abstimmungsprozesses.Während der Jugendhilfekonferenz erläu-terte Jugendamtsleiter Henning Till denStand zum Veränderungsprozess „Sozial-raumorientierung im Bezirk Tempelhof-Schöneberg“. Birgit Weber stellte dieQualifizierungsreihe vor und skizzierte da-bei die vier Themenschwerpunkte. Prof.Hinte begründete grundsätzlich das Kon-zept der Sozialraumorientierung und be-nannte Konsequenzen für die öffentlicheund die freie Jugendhilfe. Darüber hinausstellten sich die sieben Ortsteile (Sozial-räume) des Bezirkes vor. Im Rahmen ei-nes „Open Space“ konnten die Teilneh-menden der Jugendhilfekonferenz eigeneFragestellungen und Vorschläge einbrin-gen.

12. 11. 2002: Planungsräume & Lebenswelten

11. 12. 2002: Ressourcen & Potenziale

15. 01. 2003: Mobilisierung & Beteiligung

13. 01. 2003: Kooperation & Vernetzung

Die Jugendhilfekonferenz trug maßgeb-lich zur Aufgeschlossenheit gegenüberdem Thema al lgemein und derFortbildungsreihe im Besonderen bei undsorgte für eine Verzahnung zwischen Fort-bildung und Umstrukturierungsprozess. Inder Konsequenz war die FortbildungsreiheAuftakt zur inhaltlichen Umstrukturierung.Es konnte nun ein konkreter Terminplanfür die Veranstaltungen und ein Kreis vonpotenziellen Teilnehmer/innen bestimmtwerden. Um eine arbeitsfähige Größe undgleichzeitig eine heterogene Zusammen-setzung zu erreichen, wurde die Zahl derTeilnehmer/innen auf insgesamt 40 Per-sonen (pro Einrichtung eine) begrenzt.

Die Reihenfolge der vier zu behandeln-den Themen der Fortbildungsreihe wur-den folgendermaßen festgelegt:

Page 8: Rundbrief 1-2003

8 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Zur städtebaulichen Entwicklung

Schöneberg, verschiedene andere Ge-meinden und „Alt-Berlin“ wurden 1920 zurEinheitsgemeinde Großberlinzusammengefasst. Dem ehemaligen Be-zirk Schöneberg wurden dabei Teile desalten Berlin (nordöstlicher Teil mit ehergeringerwertiger Bausubstanz – Arbeiter-quartier) zugeschlagen, im westlichenBereich schloss sich das bürgerlicheWohnquartier „Bayerisches Viertel“ (ge-prägt durch weitgehend assimilierte Be-völkerungskreise jüdischer Herkunft) anund im Süden die bis dahin eigenständi-ge Gemeinde Schöneberg. Diese Grob-einteilung prägt bis heute die soziale, wirt-schaftliche und Wohnqualität des Sozial-raums.

Während sich im nordöstlichen Bereicheine stark durch MigrantInnen und„bildungsschwächere“ Schichten gepräg-te Bevölkerung findet, mit entsprechendschwacher Kaufkraft und Gewerbe-struktur, finden sich im Westen viele aka-demische Dienstleistungen undwohngebietstypische gewerbliche Ange-bote (Antiquitäten, Reformhäuser etc.)

Dazwischen hat sich im BereichNollendorfplatz-Winterfeldtplatz ein multi-kultureller Kiez herausgebildet, der vonalternativer und Berlins homosexuellerSzene geprägt ist.

Große Spuren haben die verschiedenenPhasen städtebaulicher Sanierung imGebiet hinterlassen, die sich überwiegendauf den nordöstlichen Bereich des Quar-tiers bezogen. Einerseits hinterließ dieKahlschlag-Sanierung monofunktionale

Wohnkomplexeim Bereich desBülowbogens alsstädtebaul iche„Fremdkörper“moderner Archi-tektur, anderer-seits verbesser-ten Sanierungs-b e m ü h u n g e n

durch Entkernung klassischer Blöcke dieWohnsituation innerhalb des Altbau-bestandes. Ein Teil der Bevölkerung folg-te dem Angebot an vermeintlich qualitativhöherwertigem Wohnraum in die typi-schen Wohn-quartiere der 60er und 70erJahre.

Die Potsdamer Straße hat sich als zentra-le Gewerbestraße erhalten. Prostitution,Unterhaltungsgewerbe und Glücksspiel,die schon Ende des 19. Jahrhunderts undAnfang des 20sten Jahrhunderts blühten,haben nach wie vor einen starken Einfluss.Die Gegend um den Winterfeldtplatz unddie Goltzstraße haben sich als neuer, starkdurch gastronomische Angebote gepräg-ter Gewerbebereich entwickelt. In unmit-telbarer Nachbarschaft befindet sich einegroße Bahnfläche (das sogenannte„Gleisdreieck“), die seit Kriegsende brachliegt.

Wirtschaftliche Struktur

Die Wirtschaftsstruktur des Bezirks ist sehrheterogen. Einerseits befindet sich imQuartier das KaDeWe als größtes Kauf-haus Europas und mit dem Winterfeldt-Markt einer der größten WochenmärkteBerlins. Auch die Potsdamer Straße hatmit der Entwicklung am Potsdamer Platzein großes Entwicklungspotenzial. Ande-rerseits führen Betriebsschließungen undRationalisierungen im produktiven wieauch im Dienstleistungsbereich seit 1989zu einem wachsenden Arbeitskräfte-überschuss. Das Problem verschärft sichnoch durch eine Abwanderung vonKaufkraftpotenzialen ins Umland in Verbin-dung mit sinkenden Steuereinnahmen,was den Handlungsspielraum der Wirt-schaftsförderung einschränkt.

Der Ort

Kurzprofil in Schlüsseldaten

Page 9: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 9

Mit einem Anteil von 45% wird dieser Kiezbesonders stark von Dienstleistungen ge-prägt. Der Einzelhandel stellt mit 27% daszweitstärkste Segment dar. Immerhinknapp 10% des Gewerbes sind noch imhandwerklichen Bereich zu finden. Insge-samt ist die Situation stabil, auch wenn einÜbergreifen des Negativimages befürch-tet wird. Besondere Bedeutung kommt derkaufkräftigen schwul-lesbischen„Community“ für das Quartier zu. Es han-delt sich um eine der größten in Europaund die zweitgrößte in der BRD (nachKöln).

Unter Familien mit Migrationshintergrundgibt es überproportional viele Arbeitslose(in einigen Bereichen fast 40%) aber auchüberproportional viele Existenz-gründungen. Jedoch können sich nurwenige davon auf Dauer halten und dieSchulabbrecherquote unter Jugendlichenmit Migrationshintergrund ist besondershoch. Hier erhoffte man sich durch För-derung der Fähigkeit zur Ausbildung un-ter ansässigen Gewerbetreibenden eineVerbesserung der Situation. Die bisheri-gen Bemühungen haben angesichts dra-matischer Rückgänge im Ausbildungs-platzbereich (nur noch 1/3 der Heran-wachsenden mit Migrationshintergrundsind als Auszubildende beschäftigt) aller-dings nur zu bescheidenen Ergebnissengeführt.

Die Multikulturalität des Ortsteils wird bis-her eher als Chance, denn als Belastungverstanden. In kaum einer anderen Groß-stadt identifizieren sich so viele Zugewan-derte mehr mit der Stadt als mit ihrer frü-heren Heimat. Die ethnische Konzentrati-on in einigen Stadtteilen steht dazu nichtgrundsätzlich im Widerspruch.

Soziale Entwicklung undQuartiersmanagement

Im Zuge früherer, einseitig baulicher Sa-nierungsmaßnahmen hat sich eine Ablö-sung des ehemaligen Arbeitermilieusdurch Migrantinnen unterschiedlicherHerkunftsländer ergeben. Dabei verlief dieIntegration neuer Bevölkerungskreisenicht reibungsfrei. Spannungen gibt esnicht nur zwischen der angestammtenBevölkerung und zugewanderten Famili-en, sondern auch unter den verschiede-

nen ethnischen Gruppen – insbesonderezwischen türkischen und arabischen Fa-milien.

Im Rahmen des Quartiersmanagementswurde versucht, die städtebauliche Sanie-rung durch soziale, ökologische undarbeitsmarktbezogene Maßnahmen zuergänzen.

Es sind erhebliche finanzielle Mittel ausdem Programm „Soziale Stadt“ in dasFördergebiet geflossen. Die Lebensqua-lität wurde durch Maßnahmen derWohnumfeldverbesserung deutlich ver-bessert. Bei den Planungen und bei derVergabe von Fördermitteln wurden dieBewohner/innen des Stadtteils beteiligt.Eine Quartiersfondsjury diskutierte undentschied 2001 und 2002 die Vergabe vonrund 500.000.- € für Projekte im Gebiet.Gefördert wurden u.a. Projekte der Kinderund Jugendarbeit, Projekte zur Entwick-lung und Stärkung von Nachbarschaftenund Antigewaltprojekte sowie Projekte,welche die lokale Ökonomie stärken soll-ten.

Die Entwicklung im Bildungs-bereich

Die Schulen im Quartier konnten langeZeit nur wenig zum Ausgleich sozialerUngleichgewichte beitragen. Sie wareneher selbst Spiegelbild einer zunehmen-den sozialen Polarisierung. So verschärf-te sich insbesondere im Grundschul-bereich von Schönebergs Norden überviele Jahre das Problem dadurch, dassbildungsorientierte Eltern deutscher undnichtdeutscher Herkunftssprache ihre Kin-der bewusst nicht in Schulen anmeldeten,die stark durch Migrationund soziale Benachteili-gung geprägt sind.

Erschwerend kam hinzu,dass sich der schulischeKonkurrenzdruck allge-mein in den vergangenenJahren verschärft hat.

Die Entscheidungen derEltern sind aus subjektiverSicht in Sorge um die Ent-faltungsmöglichkeiten dereigenen Kinder verständ-lich, reduzieren aber um

so mehr die Chancen einer Integration derbenachteiligten Kinder, bzw. solcher mitMigrationshintergrund und lassen dieChancen interkultureller Lernprozesseweitgehend ungenutzt.

Durch gezielte Anstrengungen und Profi-lierung der Schulen wurde in den letztenJahren versucht, dieser Entwicklung ent-gegen zu steuern. Erste Erfolge sind be-merkbar: So entscheiden sich mittlerwei-le wieder vermehrt deutsche Eltern mit ei-nem relativ hohen Bildungsgrad, ihre Kin-der in multikulturellen Klassen anzumel-den. Voraussetzung ist allerdings, dass dieKlassenzüge nicht homogen sind, son-dern dass es einzelne Klassen gibt, in de-nen der Anteil der muttersprachlich deut-schen Kinder 50% oder mehr beträgt. DieLeistungsdifferenzierung, die auf dieseWeise zwischen den Klassenstattfindet,wird hingenommen.

Theaterarbeit bildet in diesem Zusam-menhang ein wichtiges Angebot, da hierdie Sprache als zentrales Ausdrucks-medium eine besondere Rolle spielt undim Sinne einer Integrationsförderung ein-gesetzt werden kann. Auchselbstbewusstes Auftreten und die Ent-wicklung sozialer Kompetenzen in derGruppenarbeit spielen eine wichtige Rol-le. Zusätzlich sollen Schulen durchverlässliche Halbtagsbetreuung attraktivgemacht werden. Sie soll in Zukunft zueiner ganztägigen Betreuung ausgebautwerden. Weitere Elemente in der Weiter-entwicklung von Schulkonzeptionen sindteilweise zweisprachige Unterrichts-modelle sowie die Ausbildung von Konflikt-lotsen.

Page 10: Rundbrief 1-2003

10 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Bereits in den Vorgesprächen wurde deut-lich, dass es Sinn macht, die organisato-rischen, strukturellen und finanziellenAspekte der sozialräumlichen Umstruktu-rierung von Jugendhilfeleistungen inTempelhof-Schöneberg von den konzep-tionellen und methodischen zu trennen.Über letztere lässt sich autonom ein fach-licher Konsens und ein gemeinsamesSelbstverständnis herstellen.

Eine entsprechend strukturierte Fortbil-dung bleibt von eventuellen Streitigkeitenum Zuständig-keitszuschnitte, personelleVerantwortung und die Verteilung knapperwerdender Haushaltsmittel unbelastet undschafft damit konstruktive Rahmenbedin-gungen.

Die Themenbausteine für die Qualif-izierungsreihe entwickelten sich aus derVielschichtigkeit des Begriffes Sozialraum,der einerseits ein festgelegtes geo-grafi-sches Planungsgebiet für die Entwicklungsozialer Infrastruktur darstellt, andererseits- und noch weit bedeutungsvoller - einHandlungs- und (Er)Lebensraum, der

auch als Netzwerk von gewachsenenBeziehungen im Stadtteil und darüber hin-aus verstanden werden muss, sowie so-ziales und professionelles Interaktionsfeldist.

Wir haben versucht, mit unsererSchwerpunktsetzung Schlüsselthemender Sozialraumorientierung aufzugreifen.Dabei spiegelte die Titelwahl, bei der je-weils zwei - zum Teil kontrastierende -Begriffe verknüpft wurden, keine zufälligeRolle. Zum einen spiegelte sich darin derGedanke, dass widersprüchliche oder inder praktischen Arbeit zumindest gele-gentlich als Widersprüche erlebte Reali-täten, wenn sie als zwei Seiten einer Me-daille (an-)erkannt werden, emotionaleBlockierungen überwinden und neueDenk- und Handlungshorizonte eröffnenhelfen. Zum anderen weisen die Titel dar-auf hin, dass kein Thema für sich alleinbetrachtet, sondern immer in Bezug aufandere begriffen werden sollte. Das „und“markiert sozusagen eine Öffnung derWahrnehmung für Zusammenhänge.

Mit dem Themenschwerpunkt„Planungsräume und Lebenswelten“wurde der Sozialraum zunächst aus Sichtunterschiedlicher Akteure im Stadtteil be-leuchtet, sowohl aus lebensweltlicher alsauch aus der Perspektive der Verwaltung.Andererseits wurden die Teilnehmendenzu einer aktiven Erkundung unterschiedli-cher „Kieze“ (kleinräumiger Quartiere) ani-miert. Der Leitgedanke dabei war: „Nurwer den Sozialraum, seine Menschen unddie Geschichten dort kennt und versteht,wird Verantwortung dafür übernehmen“.Unter den Stichworten „Probleme“, „Res-sourcen“ und „Potenziale“ wurde eine er-ste strukturierte „Gedankensortierung“ vor-genommen.

Unter dem Titel „Ressourcen undPotenziale“ wurde einerseits die umfas-sende Wahrnehmung verschiedener indi-vidueller, materieller, räumlicher und im-materieller Ressourcen und Potenzialedes Sozialraums geschärft, andererseits –schon mit Blick auf eine zu erstellendeInternet-Datenbank von sozialen Einrich-tungen und Diensten im Stadtteil – eineaktive Recherche dazu initiiert.

Mit „Mobilisierung und Beteiligung“wurde der Blick auf die Interessen der Be-troffenen im Stadtteil gelenkt, die als „Ko-produzenten“ einer gelingenden Jugend-hilfeleistung betrachtet werden sollen.Mobilisierung zur Erhaltung und Entwick-lung von positiven Lebensbedingungenmuss an vorhandenen Interessen, Aktivi-täten und Bedürfnislagen anknüpfen unddiese für den Sozialraum nutzbar machen.Sie muss die Motivation bei den Men-schen suchen, denn Motivation kann nichtvon außen „gemacht“ werden. Um heraus-zufinden, welche Motivationen die Men-schen haben und wo sie bereits aktiv sind,muss das Gespräch gesucht werden,denn nur selten liegen die Themen auf derStraße und gelegentlich gelangen sie erstim Verlauf zahlreicher Kontakte ans Ta-geslicht und erhalten eine greifbare Form.Dementsprechend wurden einerseits ziel-gruppenspezifische Beteiligungsformenvorgestellt – von Praktikern für Praktiker –andererseits auch konkrete Techniken derMobilisierung und Gesprächsführung be-handelt und eingeübt.

„Kooperation und Vernetzung“ wardas Thema der Abschlussveranstaltung.Kooperation und Vernetzung gelten alsZauberformeln „modernen“ sozial-arbeiterischen Denkens und Handelns.Insbesondere im Kontext einer Sozial-

Die Themen

Page 11: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 11

raumorientierung soll durch die Zusam-menarbeit verschiedener Akteure imStadtteil der Wirkungsgrad der Hilfen beigleichem oder geringerem Ressourcen-einsatz erhöht werden. Mit dieser Veran-staltung wurde der Bogen wieder zum ver-netzten System der sozialen Infrastrukturgeschlagen und für den Sozialraum trans-parent gemacht. Kooperationsorgane und–beziehungen wurden einer klar struktu-rierten, nachvollziehbaren Analyse unter-zogen. Kooperationsspiele und eingruppendynamisch aktivierendes Sozial-raumquiz rundeten die Veranstaltung ab.

Die methodische Herausforderung lag inder Vielfalt und Komplexität der an dieQualifizierungsreihe gestellten Erwartun-gen.

Einerseits sollte hier für MitarbeiterInnenund Leitungskräfte aus unterschiedlichenArbeitsfeldern der Jugendhilfe ein theore-tisch fundierter und anhand praktischerBeispiele und Methoden vermittelter ersterEinstieg in die Sozialraumorientierungermöglicht werden. Andererseits ging esauch darum, das vorhandene (Experten-)Wissen um den Stadtteil bei den Teilneh-menden zu aktivieren bzw. zu erweitern.

Schließlich sollte die Veranstaltungsreiheauch dem persönlichen Austausch undKennenlernen der Teilnehmer/-innen un-tereinander und der Stärkung bzw. Weiter-entwicklung bereits vorhandenerKooperationsstrukturen dienen.

Unausgesprochen war mit derFortbildungsreihe ebenso die Hoffnungverknüpft, unter den Teilnehmenden Inter-esse für die notwendigen Strukturreformenzu wecken und die Akzeptanz dafür zu er-höhen.

Für den Erfolg der Veranstaltungen schienuns entscheidend, dass sich aktive undreflektive Elemente ablösten.

Vorträge und Austausch in einer großenRunde wechselten sich mit kleinteiligerenArbeitsgruppen und der Möglichkeit zu in-dividuell selbstinitiierten Gesprächen ab.

Über körperbetonte Aktivitäten sollte „Be-wegung in die Sache kommen“.

Die Behandlung ein und desselben The-mas aus verschiedenen Blickwinkeln und

unter Nutzung unterschiedlicher Sinneund methodischer Ansätze sollte einenachhaltige Wirkung erzielen. Über einangenehmes „Drumherum“ (Raum-organisation, gemeinsames Mittagessen,Getränke/Snacks in allenPausen) sollte der gegensei-tige Austausch belebt unddie Bereitschaft zu einemkonstruktiven Miteinandernoch erhöht werden.

Die zeitnahe und optisch an-regende Dokumentation al-ler Veranstaltungen und derArbeitsergebnisse sollte da-bei den „Gedankenfluss“aufrecht erhalten und denAppetit auf die jeweils näch-ste Veranstaltung erhöhenDie detaillierten Einzel-dokumentationen wurdenjeweils zeitnah zu den Veran-staltungen - in der Regel in-nerhalb von zwei Wochen -als Printversion verschickt.Sie können mittlerweileauch über das Internet her-untergeladen werden:

Wir haben uns bemüht, keine Standard-methoden aus dem Methodenkoffer zu zie-hen, sondern „maß-geschneiderte“ d.h.auf die konkrete Situation vor Ort bezoge-ne Methoden zu entwickeln. Dabei wur-den die in den Vorgesprächen formulier-ten Bedürfnisse und Interessen der Teil-nehmenden ebenso berücksichtigt wiedie sich aus der Dynamik der Veran-staltungsreihe selbst heraus ergebendenImpulse.

Durch den Methodenmix sollte ein Ablaufgewährleistet werden, der für alle Teilneh-menden weder eine Überforderung dar-stellte, noch langweilig wurde.

Wie die regelmäßige Evaluation derVeranstaltungsreihe durch die Teilneh-menden zeigte, ist uns das weitgehendgelungen.

Die Methoden werden zusammen mit ex-emplarischen Ergebnissen in der folgen-den Ablaufbeschreibung dargestellt.

Die Methoden

http://datenbank.spinnenwerk.de/vska/fortbildung_sozialraumorientierung/

Page 12: Rundbrief 1-2003

12 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Page 13: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 13

PanoramaFür das Panorama werden Fachkräfte ausverschiedenen Bereichen gebeten, in kur-zen Impulsreferaten von jeweils 10-15 Mi-nuten Dauer ihr Sicht des Sozialraumsdarzustellen. Es geht darum, den Teilneh-menden, sozusagen aus einer „Weit-winkelperspektive“, den SchönebergerNorden als Sozialraum zu erschließen undzwar unter dem jeweiligen thematischenAspekt, den die Referentinnen und Refe-renten aus ihrem praktischen Wirkungs-feld vor Ort einbringen können. Die Dar-stellungen haben dabei einerseits die Le-bensbedingungen junger Menschen undihrer Familien im Blick, beinhalten aberauch die jeweilige fachspezifische Sicht.Probleme kommen dabei genauso zurSprache wie Ressourcen und Potenzialedes Sozialraums. Eine detaillierte Fein-analyse wird nicht verlangt. Vielmehr gehtes darum, den Fachkräften der Kinder-und Jugendhilfe, die ihre Arbeit künftigstärker sozialräumlich orientieren sollen,den Einstieg in eine erweiterte Wahrneh-mung des Ortsteils zu ermöglichen.

In zwei Blöcken von je einerStunde kamen zur Sprache:

• Siegmund Kroll für den Bereich Stadtent-wicklung

• Andreas Schwager für den Bereich Wirt-schaftsberatung, -förderung

• Henry Maiwald aus dem Polizei-Ab-schnitt 41

• Elke Berg aus der Plan- und LeitstelleGesundheit

• Erhard Laube, Rektor der SpreewaldGrundschule

• Günter Gieseler von der WIR -Woh-nungsbaugesellschaft

• Serap Savas Ulus als engagierte Anwoh-nerin in Vertretung der Ausländer-beauftragten

• Gisela Gut vom Quartiersmanagement

Der Ablauf (Teil1)

GedankenspeicherIn den Pausen wird den Teilnehmer/innenGelegenheit gegeben, sogenannte„Gedankenspeicher“ zu füllen. Diese be-stehen aus drei thematischen Zielschei-ben mit den Überschriften „Ressourcen“,„Potenziale“, „Probleme & Herausforde-rungen“. Auf farbigen Karten (grün, gelb,rot) können dazu jeweils Stichworte notiertund auf die Zielscheibe gelegt werden.Dabei sollen die Teilnehmenden ihre ei-genen Beitrag jeweils auf den äußerstenRing plazieren. Sie können aber auch be-reits dort plazierte, die sie für wichtig hal-ten durch Verschieben um jeweils einenRing weiter ins Zentrum schieben. DieseMethode bietet sich immer dann an, wennes darum geht in größeren Gruppenschnell Ideen und Vorschläge zu sammelnund Prioritäten zu identifizieren. Dabei wirddie Wichtigkeit der Beiträge nicht vom rhe-torischen Geschick der Teilnehmendenabhängig gemacht.

Die einzelnen Veranstaltungen wurden im Verlauf der Qualifizierungsmaßnahme aus-führlich dokumentiert. An dieser Stelle sollen lediglich methodische Elemente in ihremchronologischen Ablauf dargestellt und durch ausgewählte Ergebnisse (grau hinter-legt) illustriert werden.

Stichworte aus dem Gedankenspeicher zum Thema Potenziale

• Traditionen• Individuelle Stärken• Soziale Bindungen (Jeder kennt jeden)• Ur-Schöneberger• Nähe zum Potsdamer Platz (Nachfrage nach hochwertigen Dienstleistungen)• Transkulturelle Netzwerke• Multi-Kulti als Chance

Page 14: Rundbrief 1-2003

14 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Zunächst werden die TeilnehmerInnenaufgefordert, sich ausgehend von zentra-len Platzsituationen im SchönebergerNorden Expeditionsgebiete abzustecken.Bei der Aufteilung der Gruppen wird dar-auf geachtet, dass einerseits in jederGruppe Ortskundige dabei sind, anderer-seits die verschiedenen Tätigkeitsberei-che (RSD/HZE, Tagesbetreuung, OffeneJugendarbeit) in den Expeditionsteamsrepräsentiert sind.Zur Aufteilung der Gebiete wird ein aufStyropor aufgeklebter Plan des Ortsteils imMaßstab 1:1.500 (ca 1m x 1.80m Seiten-länge), Stecknadeln und farbiger Fadenverwendet. In Expeditionsmappen (Logbü-chern) sind vergrößerte Ausschnitte derverschiedenen Bereiche und ein Gesamt-plan zur Orientierung eingelegt. Des wei-teren befinden sich darin eine Beschrei-bung des Expeditionsauftrags, verschie-denfarbige Protokollbögen zur Notierungvon Problemen (rot), Ressourcen (grüne)

Kiezexpedition

Ergebnisse des Teams Dennewitzplatz

Es wurde das Gebiet zwischen Kurfürstenstraße im Norden und Goeben-/Yorckstraße im Süden, Potsdamer Straße im Westen und den Gleisanla-gen im Osten ausgewählt. Das Gebiet umfasst zehn Blöcke die sich alle imBereich des Quartiersmanagements befinden.Festgestellte Probleme:• Unwirtliche Straße (Goeben-/Potsdamer Straße)• Wohnsilo (Bülow/Kulmer/Goebenstraße)• Drogenstrich (Alvensleben-/Kirchbachstraße), Drogen-

handel (Nelly-Sachs-Park)Identifizierte Ressourcen:• Alternatives Leben (Potsdamer/Alvenslebenstraße)• Türkisches Bad (Hamam Bülowstraße 56)• Spielplatz mit Kletterfelsen (Alvensleben/

Kirchbachstraße)• Große grüne Innenhöfe (Goeben-/Steinmetz-/ Bülow-/

Yorckstraße)• Nelly-Sachs-Park, Kirche

Zu entwickelnde Potenziale:• Zugang zum „Gleisdreieck“ (Verlängerung der Bülow-/

Dennewitzstraße)• Gewerbehof (Bülowstraße 65)• Dennewitzplatz• Leerstehendes Parkhaus (Kirchbachstraße)

Fundstücke:• Kleinpflastersteine (Granit)• abgerissener Arm einer Plastikpuppe

und Potenzialen im Sinne noch nicht er-schlossener Ressourcen (gelb) und zu-sätzliche Blätter für weitere Notizen. DerExpeditionsauftrag besteht aus drei Teilen:1. Räumliche Situationen zu beschrei-

ben, welche die Lebensbedingungenvon Kindern, jungen Menschen undihren Familien positiv oder negativ be-einflussen. Dabei sollen nicht offiziel-le Angebote und Einrichtungen im Vor-dergrund stehen, sondern eher infor-melle Ressourcen, wie Freiflächenund leerstehende Gebäude, kinder-freundliches Gewerbe,Treffpunkte etc.

2. Kleinräumige Kieze innerhalb desExpeditionsgebietes zu identifizierenund zu charakterisieren

3. Fundstück(e) aus dem Gebiet mitzu-bringen, welche das Gebiet besondersgut symbolisieren

Die Aufteilung wird noch vor der Mittags-pause vorgenommen, damit die Gruppendanach zügig mit ihren Expeditionen be-ginnen können. Zusätzlich wird jede Grup-pe mit einer Kamera und mit Stofftaschenfür die Fundstücke ausgestattet. Es stehenetwa 2 Stunden für die Expedition zur Ver-fügung.In der Zwischenzeit wird der Raum für dieAbschlussrunde vorbereitet. Rund um dieTische, auf denen sich der Ortsteilplanbefindet, wird ein Stuhlkreis aufgebaut.Auf den Tischen werden Fähnchen in denentsprechenden Farben (rot, grün, gelb –siehe Expeditionsauftrag) plaziert. NachRückkehr der Teams werden diese auf-gefordert, die Ergebnisse ihrer Arbeit vonden Protokollbögen stichwortartig auf dieKarten zu übertragen und entsprechendihrer Lage im Untersuchungsgebiet aufdem Stadtplan zu plazieren. Dazu wird dieKaffeepause genutzt, so dass sich nichtgleichzeitig alle Teilnehmerinnen um denPlan drängeln. Außerdem erhalten dieTeilnehmerinnen Gelegenheit, dieEvaluationsbögen zur Veranstaltung aus-zufüllen. Im Anschluss stellen die Teamsihre Ergebnisse und die Fundstücke in derRunde vor.

Page 15: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 15

Aufbau einerInternet-Datenbank

Dem Aufbau einer internetgestützten Da-tenbank sozialer Einrichtungen und Pro-jekte im Stadtteil kommt unter dem Aspektder nachhaltigen Vernetzung besondereBedeutung zu. Die Arbeit daran sollte be-reits vor Beginn der Veranstaltungsreihemit einer Bestandsaufnahme beginnen.Aus den zur Verfügung stehenden Datenzur sozialen Infrastruktur wird eineRessourcenliste erstellt, in der Einrich-tungen, Projekte, Verbände usw. zunächstalphabetisch sortiert sind. Parallel wirdeine grafische Plattform auf der Basiseines sozialraumbezogenen Stadtplanserarbeitet. Des weiteren werden Themen-bereiche festgelegt, die farblich definiertsind. Die in die Liste aufgenommenenAkteure werden anschließend den The-menbereichen zugeordnet und als ent-sprechender Farbpunkt in den Stadtplaneingearbeitet.Um auch Laien einen unkomplizierten Zu-gang zu ermöglichen, wird dabei nicht dieSystematik des Jugendhilferechts zuGrunde gelegt, sondern eine Zuordnungentsprechend zentraler Lebens-themen und (vermuteter) Interessens-lagen künftiger Nutzer/-innen. So wird bei-spielsweise eine Einrichtung betreutenWohnens für Jugendliche nicht dem Stich-wort „Erzieherische Hilfen“ zugeordnet,sondern dem Thema „Wohnen & Unter-kunft“. Auf die Kategorie „Jugendliche“wird verzichtet, weil wir davon ausgehen,dass Jugendliche sich weniger selbst alsThema verorten (wollen), sondern eherauf der Suche nach spezifischen Angebo-ten die Datenbank nutzen werden usw. VorBeginn der Veranstaltung liegt somit be-reits ein Rohentwurf für die Gestaltung vor.

Der Rohentwurf für das Webdesign wirdim Rahmen einer Arbeitsgruppe diskutiertund verfeinert. Es erfolgt zunächst eineSichtung bestehender sozialraum-orientierter Datenbanken. Dazu wird dasörtliche Internet-Café genutzt. Im zweitenSchritt wird der Rohentwurf einerTauglichkeitsprüfung unterworfen. Die Er-gebnisse der Diskussion werden protokol-liert. Entsprechend den Anregungen derTeilnehmenden erfolgt die Programmie-rung und das Schlusslayout der Daten-bank durch IT-Spezialisten.

Am letzten Veranstaltungstag wird die Da-tenbank im Rahmen einer Online-Prä-sentation vorgestellt. Bei der Präsentati-on werden die wesentlichenGestaltungselemente und Nutzungs-optionen der Internet-Datenbank vermit-telt, wie: Zuordnung von Einrichtungen zubestimmten Themengruppen, Darstel-lung von Flächen (Spielplätze, Grünanla-gen, QM-Gebiet), intuitive und textbasierteSuchfunktionen sowie passwort-gesi-cherte Eintrags- und Aktualisierungs-möglichkeiten. Die Präsentation erfolgt„live“, also direkt über Serverzugang zurentsprechenden Webadresse, die für dieÖffentlichkeit nutzbar ist:

http://datenbank.spinnenwerk.de/schoeneberg-nord

Überlegungen zur Gestaltung einer InternetdatenbankVerschiedene Nutzer/innen des Internets haben auch verschiedene Herangehens-weisen an die Nutzung von Online-Datenbanken. Diesem Umstand kann dadurchRechnung getragen werden, dass es sowohl einen textbasierten Zugang, via Ein-gabemaske gibt, als auch einen grafikbasierten Zugang in Form einer Gebietskartemit Informationen, die beim Überfahren bzw. beim intuitiven Anklicken erscheinen.

In Bezug auf die textbasierte Suche wird von den Teilnehmenden als wichtig ange-sehen, dass sich Suchbegriffe verknüpfen lassen. So lassen sich die Ressourcen-profile der Sozialraumakteure beispielsweise über Namens- oder Adressangabe,aber auch über Themen oder Zielgruppen „herausfiltern“

Die laufende Pflege und Aktualisierung der Datenbank ist von entscheidender Be-deutung. Veraltete Informationen, besonders im Internet, vergraulen potenzielle Nut-zer/innen nachhaltig. Eine Lösung des Problems besteht darin, dass alle Akteureein, auf ihren jeweiligen Datensatz beschränktes, Zugangsrecht zur Datenbankerhalten. So können Eintragungen dezentral zeitnah aktualisiert werden. Eine zen-trale Betreuung ist lediglich für Neuzugänge notwendig. (grafische Einbindung, Ver-gabe eines Passwortes)

Erarbeitung desWebdesigns

Page 16: Rundbrief 1-2003

16 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Parallel zur Diskussion des Webdesignserfolgt auf der Basis der genanntenRessourcenliste und teilstandard-isierter Erfassungsbögen (siehe Mate-rialien) die Erstellung von Ressourcen-profilen.Um Doppelungen auszuschließen, wer-den jeweils nur einzelne Teile der voll-ständigen Liste an die verschiedenenTeilnehmerInnen ausgegeben. Die Ge-staltung der Kontaktaufnahme bleibtden Teilnehmer/innen überlassen.

Es werden Telefone und internetfähigeComputer in ausreichender Zahl zur Ver-fügung gestellt. Für die Erstellung der Pro-file werden zwischen 10 und 15 Minutenpro Einrichtung veranschlagt .Mit dem Fragebogen werden Grund-daten (Name, Adresse, Ansprechpartner,Öffnungszeiten etc.) erfasst, sowie Stich-worte zum Profil wie Altersgruppen/Ziel-gruppen und Art der Angebote. Darüberhinaus gibt es Platz für Anmerkungen zurAngebotspolitik (Kosten, erwartete Ge-genleistungen, Nutzungsbedingungen...).Bei der Recherche geht es im übrigenkeineswegs nur um die Sammlung vonInformation für eine sozialraumbezogeneRessourcen-Datenbank, sondern auchdarum, Kontakte zu solchen Akteuren zuknüpfen, mit denen die Teilnehmendenbisher nichts oder nur wenig zu tun hat-ten. Kurz gesagt: Die Recherche ist einSchritt zur Förderung von Vernetzung undKooperation im Stadtteil.

Erstellung von Ressourcen-Profilen

Recherchierte Einrichtungen und Projekte

Akteur im Bereich Freizeit & Nachbarschaft:· Schulstation in der Neumark-GrundschuleAkteur im Bereich Senioren:· GroßelterndienstAkteur im Bereich Leben mit Behinderung:· Mosaik e.V.Akteur im Bereich Kunst und Kultur:· Galerie in der VolkshochschuleAkteur im Bereich Wohnung und Unterkunft:· Treberhilfe e.V.Akteur im Bereich akute Notlagen:· DrogennotdienstAkteur im Bereich Kinderbetreuung:· Evangelische Kita der Silas-GemeindeAkteur im Bereich Frauen, Männer, Lebensstile:· Frauen unterwegs e.V.

Einführung ins Ressourcen-Sharing

Die Teilnehmenden tauschen sich zu-nächst über ihre eigenen Ressourcenaus. Sie stellen dar, über welche Ressour-cen (fachlich, materiell, räumlich etc.) sieverfügen und an welchen Ressourcen sieihrerseits Interesse haben.

Beispiel: FAB e.V.Der Verein FAB e.V. bietet Fachwissen in der Arbeit mit Jugendlichen, jun-gen Menschen und Erwachsenen mit und ohne Behinderungen an - insbe-sondere zu ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) sowie Trauer- und Ster-be begleitung. Er verfügt über Kontakte und Informationen zu Fachkräften invielen verschiedenen Berufssparten sowie zu Praktikumsplätzen. FAB e.V.verfügt über diverse barrierefreie Räume (Fahrstuhlzugang), behinderten-gerechte Toiletten, Podeste für Theaterprojekte, Ausstellungszubehör sowieComputer.

Der Verein ist seinerseits interessiert an einer Intensivierung der Kooperati-on mit Schulen, Kitas und Freizeitprojekten, sucht gelegentlich spezielle Fach-kräfte aus anderen Bereichen, finanzielle Unterstützung und verschiedeneNutzer/innen.

In einem weiteren Schritt werden mögli-che Medien bzw. Organisationsformen fürdas Ressourcen-Sharing diskutiert. Vor-und Nachteile bzw. Aufwand-Nutzen-Re-lation kommen zur Sprache.

Medien für das Ressourcen-Sharing• Homepage / Internet-Tauschbörse• Informationsstände auf den Wochenmärkten im Schöneberger Norden• Nutzung der Stadtbücherei als Marktplatz / schwarzes Brett

Page 17: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 17

Entwicklung einer PR-Strategie für den Stadtteil

Der Arbeitsauftrag zur Entwicklung einerPR-Strategie für den Stadtteil verfolgt denSinn, materiellen wie immateriellen Res-sourcen im Stadtteil nachzuspüren. Ge-schichte und Geschichten, Persönlich-keiten und Prominenz, aber auch der be-liebte Spätkauf an der Ecke können Ge-genstände eines PR-Konzepts sein. Da-bei können die Teilnehmenden die Formfrei wählen. Angeregt werden: ein Skriptfür einen Werbefilm, ein Werbeprospekt,ein Plakatentwurf, eine Postkartenserie...

Die Teilnehmenden setzen sich nicht nurmit dem Stadtteil auseinander sondernauch mit der Frage, welche Zielgruppe

Beispiel: Postkartenserie

Die Idee basiert auf dem Prinzip der sogenannten Freecards, die in Kneipen, Ki-nos und anderen öffentlichen Räumen kostenfrei ausliegen bzw. in speziellen Stän-dern angeboten werden, eine Mischung aus künstlerischem Medium und Werbe-träger. Die Gruppe erarbeitete dazu 6 Vorschläge, die jeweils ein Bildmotiv, einenTitel und einen Begleittext bzw. Stichworte dazu beinhalteten. Sie wurden in derAbschlussrunde vorgestellt und stießen durchweg auf positive Resonanz.

Recherche zu Entwicklungspotenzialen (AG Rohdiamanten)

Beispiel: Brachflächen

In der Nähe einer Kindertagesstätte (Kurfürstenstraße) befinden sich zweiBrachflächen, die – teilweise mit wildem Baumbestand – ein hohesSpielflächenentwicklungspotenzial aufweisen. Die Recherche ergibt, dass bei-de Grundstücke aus dem Vermögen früherer diplomatischer Vertretungenstammen. Ein Grundstück ist in polnischem Besitz, ein Grundstück mit Birken-wäldchen gehört Litauen.

Die Recherche beim Grundstücksamt ergibt, dass für das polnische Grund-stück ein konkretes Bauinteresse vorliegt, jedoch noch kein Bauantrag. DasBezirksamt steht diesbezüglich in Verhandlung mit einem polnischen Planungs-büro. Für das andere Grundstück liegt keine konkrete Planung vor, da essich aber ebenfalls um ein attraktives Baugrundstück handelt, wird wohl eben-falls nur eine vorübergehende Nutzung in Frage kommen. Bei der Recher-che stellt sich auch heraus, dass sich ein weiteres Grundstück mit einem öf-fentlichen Spielplatz in Bundesbesitz befindet. Es wurde dem Bezirk Tempel-hof-Schöneberg zum Kauf angeboten. Da der Bezirk kein Geld für den Er-werb hat, steht zu befürchten, dass der Bund das Grundstück an einen an-deren Interessenten verkauft. Wie der Status in der Bauleitplanung ist und obdiese Befürchtung gerechtfertigt ist, kann nicht mehr geklärt werden.

Ein Teil der Gruppe entscheidet sich dafür, sich auch nach der Veranstaltungweiter mit dem Thema zu befassen. Unter anderem soll Kontakt zum Bau-stadtrat aufgenommen werden.

mit der PR-Strategie erreicht werden soll.Macht es Sinn, belastete Familien imStadtteil anzusprechen oder doch eherjunge Menschen als künftigeEntwicklungsträger?

Hier geht es darum, die während der Kiez-expedition identifizierten Potenziale ge-nauer unter die Lupe zu nehmen. Daskönnen beispielsweise Brachflächenoder leerstehende Gebäude sein. Im Vor-feld werden relevante Ansprechpartner inder Verwaltung (Grünplanung, Stadtpla-nung, Katasteramt, Denkmalschutz-behörde etc.), Bürgerinitiativen, universi-täre Arbeitsgruppen etc. recherchiert bzw.als Ansprechpartner gewonnen. Für dieentsprechende Arbeitsgruppe werdenanalog zu den Ressourcen-ProfilenRechercheaufträge in Form von Frage-bögen erstellt. Eine Aufstellung relevan-ter Kontaktstellen und Telefonnummernwird mitgeliefert. Die Teilnehmenden ei-nigen sich über die Potenziale, die sienäher untersuchen wollen und bearbei-ten dann gemeinsam die Fragestellun-gen:

Wie sind die Eigentumsverhältnisse? Gibtes Grundbucheintragungen dazu? Wel-che anderen Bedingungen sind für dieFrage einer Zwischennutzung oderDauernutzung des Objekts/der Flächevon Interesse? Falls es sich um ein lan-deseigenes Grundstück handelt: Wer istfür die Bewirtschaftung/Pflege zuständig?Welche Pläne gibt es für das Geländebzw. für das Objekt? Was steht beispiels-

weise im Flächennutzungsplan, Bebau-ungsplan, Grünplan, Spielplatent-wicklungsplan? Untersteht das Objektdem Denkmalschutz? Gibt es Verdacht aufAltlasten? Gibt es besondere Interessen zurEntwicklung des Geländes von dritter Sei-te? Gibt es bereits Projektgruppen anHochschulen oder Initiativen, die sich da-mit beschäftigen?

Page 18: Rundbrief 1-2003

18 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Page 19: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 19

Das Konzept der Sozialraumorientierung

Prof. Dr. Wolfgang Hinte

Soziale Arbeit wird derzeit vorrangig über folgende Dimensionengesteuert:

• über den Einzelfall: Über ihn ist der Anspruch in denLeistungsgesetzen (KJHG/BSHG) festgeschrieben; erstdurch die Existenz eines bedürftigen oder eines als bedürf-tig definierten Menschen ist in den meisten Fällen eine Fi-nanzierung möglich. Angesichts der geltenden Gesetzes-lage, aber auch fachlicher Schwerpunktsetzungen, ist derFall – offen oder verdeckt – die entscheidende Steuerungs-größe in der sozialen Arbeit. Dies bildet sich in der Regel abüber Finanzierungsstränge, Auslastungsberechnungen undvor allen Dingen über die oft sehr einseitig auf Einzelfallarbeitausgerichtete Handlungskompetenz der Fachkräfte.

• über die Immobilie: Über sie werden Hintergrundressourcenbereit gestellt, die sich nicht für jeden Fall spezifisch schaf-fen lassen (stationäre Einrichtungen, Jugendzentren usw.).Immobilien bedürfen ständiger Auslastung und einer entspre-chenden Pflege, die häufig darin ausartet, dass die Immobi-lie zum zentralen Identifikationsobjekt für die Arbeit einesTrägers wird.

• über die Abteilung / den Fachdienst: Sie dient u.a. dazu, spe-zialisiertes Fachwissen zu bündeln, bereitzuhalten und zuerweitern, das regelmäßig in den Alltag der Fachkräfte ein-gespeist wird. Auch Abteilungen neigen dazu, sich zu ver-selbständigen, und häufig ist die Identifizierung einzelnerFachkräfte mit ihrer Abteilung erheblich höher als mit ihremAmt oder ihrem Träger.

• über die Zielgruppe: Sie stellt den bürokratieseitig vorgenom-menen Versuch dar, über die (oft etikettierende) Bündelungvon bestimmten Einzelfällen eine kollektive Betroffenheitabzubilden, über die Ressourcen gesteuert werden (gewalt-bereite Jugendliche, geschlagene Frauen, alleinerziehen-de Mütter usw.). Die Zielgruppe ist immerhin eineSteuerungsgröße, in deren Zentrum die identifizierte Betrof-fenheit bestimmter Bevölkerungsgruppen steht.

Innerhalb dieser Steuerungsdimensionen finden wir - in unter-schiedlichem Ausmaß - durchaus kompetentes Management,aber eben sektorenbezogen und durch Partialinteressen konta-miniert. Das Personal in den sozialen Institutionen wird immerwieder auf die o.g. Ordnungskategorien orientiert und hält –verzeihlicherweise - etwa die Abteilung oder die Immobilie fürdie wesentliche identitätsbildende Orientierungsgröße.

Was ein „Sozialraum“ ist

Wenn sich jedoch ein Träger sozialer Arbeit respektvoll und mitdem Willen, im Interesse der Betroffenen im Sozialraum gestal-tend zu wirken, als anschlussfähig an die Lebenswelt erweisenwill, muß er als sinnstiftende Folie eine Steuerungsdimensionwählen, die wesentlich durch die Lebenswelt und weniger durch

Fall im Feld

die Bürokratie bestimmt wird. Eine bedeutende Dimension imAlltag vieler (gerade benachteiligter) Menschen ist der sozialeRaum, also der Ort, an dem die Menschen leben, einen Teil ih-rer Freizeit verbringen, den sie auf ihre je eigenartige Weise ge-stalten, wo sie einkaufen, Kontakte pflegen oder ihr Auto abstel-len (s. dazu Springer 1995). Wer sich als Motor einer anregungs-reichen Lebenswelt im Sinne der Interessen von Kindern, Jugend-lichen und Familien versteht, muß in Struktur und Managementden Erfordernissen der Lebenswelt folgen – nicht denen der Ab-teilung, der Immobilie oder der Finanzierungslogik. Dazu bedarfes einer Organisation, die zum einen im Kern straff ist und imbesten Sinne bürokratisch funktioniert, zum anderen aber an denRändern so offen und flexibel ist, dass sie sich den wechseln-den Bedarfen der Lebenswelt im sozialen Raum anschmiegenkann. Es muß folglich auch in einer flexibel auf Veränderungenim Wohnquartier reagierenden Verwaltung geordnete Verfahren,Aufgabenkataloge und abgesicherte Handlungsroutinen geben.Auch fachliche Spezialisierungen sind in bestimmten Bereichensinnvoll. Vorrang indes müßte der Bezug auf den sozialen Raumhaben. Aktivierende Arbeit, Ressourcenmobilisierung mit denMenschen im Wohnquartier, Nutzung der Sozialraumressourcenetwa bei der Fallbearbeitung, fallunspezifische Arbeit in Koope-ration mit anderen Bereichen usw. sind zentrale methodischePrinzipien, die heute noch häufig zurückstehen hinter der Kon-zentration auf den Einzelfall, die Auslastung des Hauses oder diesture Einhaltung überzogener bürokratischer Verfahren.

Der soziale Raum ist als Steuerungsdimension zweifach bedeut-sam. Zum einen hat soziale Arbeit immer auch die Funktion,soziale Räume zu gestalten und Menschen in ihrem Lebensraumzu unterstützen, zum anderen dient es der Qualität der Einzelfall-arbeit, wenn Ressourcen des sozialen Raumes genutzt bzw. sy-stematisch solche Ressourcen aufgebaut werden, die bei derAusübung des gesetzlichen Auftrags den sozialen Diensten nut-zen können. Der soziale Raum kann zudem ein integrierendesBezugselement für verschiedene Abteilungen, Träger und Ziel-gruppen darstellen. Insofern muß sich der soziale Raum auch inder Struktur einer Organisation abbilden (s. dazu Hinte 2000).

Wie man einen Sozialraum managt

Die Kunst eines klugen Managements besteht nun darin, dieverschiedenen Steuerungsdimensionen auf eine Art und Weisein der jeweiligen Organisation abzubilden, dass sie sich ergän-zen, und zwar immer mit Blick auf den originären fachlichen Auf-trag. Eine übermäßige Dominanz einer der Steuerungs-dimensionen wird immer dazu führen, dass diese eine Eigendy-namik entwickelt: Sie wird zum Selbstzweck gepflegt und derAuftrag dabei aus den Augen verloren. Eine zu starke Immobilien-orientierung etwa verführt dazu, den Erhalt des Hauses als Zieljedweder Tätigkeit in den Vordergrund zu stellen; eine zu starke

Page 20: Rundbrief 1-2003

20 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Fallorientierung macht unsensibel für die Eingebundenheit desFalls in sein Feld und die dort vorhandenen Chancen und Ab-hängigkeiten; eine zu starke Abteilungsorientierung führt zu Team-und Fachegoismen jenseits des fachlichen Auftrags; und einezu starke Zielgruppenorientierung isoliert die als bedürftig erkann-te Randgruppe von ihren vielfältigen Bezügen innerhalb derLebenswelt und zu anderen Akteuren.

Wenn der soziale Raum als zentrale Steuerungsdimension ak-zeptiert wird, kann sich dies z.B. in einer Matrixorganisation ab-bilden oder in der Konstruktion von regionalen Einheiten oderTeamzuständigkeiten, auch über Trägergrenzen hinweg (Bei-spiele in Liebig 2001). Die jeweiligen Steuerungsdimensionenstehen dabei nicht in Konkurrenz zueinander. Jede Dimensionkann ihre Qualität nur in enger Kooperation mit den anderenentfalten. Folglich ist etwa der Fall nicht wichtiger als das Feld,die Immobilie nicht bedeutsamer als der Fall. Doch da derzeitdie Steuerungsgrößen Fall, Abteilung und Immobilie die sozialeArbeit stark dominieren, wird es für eine begrenzte Zeit notwen-dig sein, dem sozialen Raum sowohl innerhalb der Organisati-on als auch in der Alltagspraxis im Quartier verstärkte Aufmerk-samkeit zu schenken. Er wird sonst immer wieder verdrängt vonder historisch gewachsenen Dominanz der anderen Bereiche,und vor allem geht er unter angesichts einer betriebswirtschaft-lich äußerst problematischen Finanzierungsstruktur, die die Kon-zentration auf den Fall und allenfalls noch das Vorhalten von Plät-zen in einer Immobilie belohnt. Regionale Budgets anstelle deroder ergänzend zur Fallfinanzierung werden deshalb derzeit starkdiskutiert (etwa Hinte 2000b; Früchtel u.a. 2001).

Für einzelne Fachkräfte kann es auch in einem Raumkonzeptdurchaus Schwerpunktzuständigkeiten innerhalb der anderenSteuerungsdimensionen geben: eine Immobilie muß gepflegtwerden, und dazu braucht man vielleicht einen Hausmanageroder Einrichtungsleiter; es wird auch weiterhin Mitarbeiter ge-ben, die sich schwerpunktmäßig um die Fälle kümmern, diegelegentlich auch eine Immobilie nutzen oder sich im sozialenRaum tummeln; und außerdem wird es Fachkräfte geben, dieinnerhalb des sozialen Raums bestimmte fachliche Spezial-kenntnisse (etwa wirtschaftliche Jugendhilfe, Schuldnerberatungusw.) einbringen.

Der Sozialraum als Kulisse und Ressource

Management im Sozialraum erkennt die konstruktiv funktionie-renden Teile eines Quartiers. Dazu benötigen die FachkräfteKenntnisse über Machtströme, informelle Netzwerke und Infra-Struktur, sie müssen sich auskennen im lokalen Einzelhandel,auf den Hinterhöfen, den Straßen und Plätzen, in den Vereinen,Unternehmen und religiösen Organisationen. All diese Elemen-te müssen nicht „gemanagt“ werden, sie funktionieren ohnehinauf ihre eigentümliche Art und Weise, aber sie können durchsoziale Arbeit unterstützt, erweitert, verbunden und angereichertwerden. Sie sind gleichsam Kulisse und Ressource für sozialeArbeit, doch es bedarf der ernsthaften Absicht aller Akteure, denSozialraum als Dreh- und Angelpunkt ihrer Arbeit zu sehen undzu nutzen.

Dabei muß soziale Arbeit indes darauf achten, dass sie nichtüberengagiert die Aufgaben anderer Sektoren übernimmt. Stadt-entwicklung und andere Sektoren der kommunalen Verwaltungsind mindestens ebenso zuständig für die Gestaltung sozialerRäume wie die Jugendhilfe. Kluges Management im sozialenRaum wird deshalb systematisch Allianzen und sektorenüber-greifende Kooperationen bilden und die Schnittstellen zu ande-ren Bereichen erkunden und kreativ ausnutzen (s. etwa Eberz/Neuhaus/Wermker 2001). Ob dabei die allerorts aus dem Bo-den schießenden Stadtteilarbeitskreise hilfreich sind, wage ichmittlerweile zu bezweifeln, da sie die Fachkräfte häufig eher ab-lenken vom Leben im Quartier und mehr darauf orientieren, sichin Konkurrenz zu anderen Institutionen zu behaupten. MancherStadtteilarbeitskreis ist inzwischen Mitverursacher des Problems,das zu lösen er vorgibt.

Die Einrichtungen des Sozialwesens stärker quartierbezogenauszurichten und zu verzahnen, scheint sich angesichts der ge-wachsenen traditionellen Strukturen in der sozialen Arbeitschwierig zu gestalten. Aus zahlreichen Forschungs- undBegleitprozessen in regionalisierten Systemen wissen wir, dasses selbst bei ausgewiesenen Innovationsträgern immer wiederzu einem Abgleiten in die alte Logik kommt. Dann stehen dochwieder der Erhalt der Immobilie, die Zuteilung von (finanzierungs-sichernden) Fällen oder der interne Teamfrieden im Vordergrund.

Management im sozialen Raum fordert deshalb von vielen Insti-tutionen erst mal ein ordentliches Management der eigenen Ein-richtung im sozialen Raum, und zwar in ihren Bezügen zu denMenschen und Institutionen des Stadtteils, insbesondere zu un-mittelbaren Bezugseinrichtungen (etwa zwischen Trägern derHilfen zur Erziehung und dem ASD). Jeder Einrichtung wird folg-lich eine Öffnung auf mehreren Ebenen abverlangt: zum einenin das Wohnquartier hinein und zum anderen hin zu den übrigenInstitutionen, die sich vielleicht in einem ähnlichen Prozeß be-finden. Nicht zu unterschätzen sind dabei die allerorts wirken-den Beharrungskräfte : Die Unberechenbarkeit desWohnquartiers bringt zahlreiche der in vielen Jahren entwickel-ten Abläufe und Rituale durcheinander, und die Transparenz dereigenen Arbeit ist angesichts der kritischen Blicke anderer Ein-richtungen nicht gerade Anlaß für institutionellen Frieden. BeiStörungen von außen entwickelt jedes System auch solche Kräf-te, die den Rückzug auf Gewohntes fördern und dazu führen, sichin bewährter Weise abzuschließen, auch um sich vor allzuvielInnovation zu schützen. Insofern kann es durchaus sinnvoll sein,in manchen Phasen des Prozesses „das Gas rauszunehmen“,um die jeweiligen Akteure nicht unnötig zu überfordern.

Stetiger Wandel als Konstante

Die zentralistische Fach- und Zielgruppensortierung wie auchdie Steuerung über Produkte erweist sich gerade in der sozialenArbeit als völlig unangemessene Organisationsform, weil eineEinrichtung nur dann lebensweltbezogen wirken kann, wenn sieüber eine Organisation verfügt, aus der heraus die Fachkräftemöglichst direkt auf nicht-bürokratisch sortierte Anfragen vonLeistungsberechtigten wie auch auf relevante Vorfälle und Pro-

Page 21: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 21

zesse innerhalb des sozialen Raums reagieren können. Produkt-beschreibungen à la KGSt sind (abgesehen von Rasenmäher-Kürzungen) so ziemlich die dümmste Variante zur Steuerungsozialer Arbeit. Denn dabei hat man mehr die bürokratischenOrdnungsbedarfe und die Kostentransparenz im Auge als dieBedarfe der Menschen in ihren Lebenswelten und die nachhal-tige Wirksamkeit sozialer Arbeit. Wer aber im Sinne einer kinder-und familienfreundlichen Umwelt stärker wirksam werden will,muß über eine Binnenstruktur verfügen, die möglichst durchläs-sig ist und die Vielfalt der Lebenslagen in den Wohnquartierennicht zergliedert, sondern sich auf Brüchiges, Unvorhersehba-res und Chaotisches einläßt. Wohnquartiere besitzen die für kon-servativ-bürokratisch agierende Fachkräfte unangenehme Eigen-schaft, einem steinigen, kaum berechenbaren und oft nur nach-gängig durchschaubaren Wandel zu unterliegen. Einem unflexi-blen und auf die eigene Systemlogik fixierten Träger mag daslästig erscheinen - für ein lernendes, auf die Lebenswelt derMenschen ausgerichtetes System ist dieser ständige Wandelindes eine interessante Herausforderung. Er mutet der Organi-sation immer wieder neu zu erbringende Ankopplungs-Leistun-gen zu, was insbesondere für die Bequemlichkeits-Kohorte un-ter den Professionellen geradezu eine Drohung ist: Man hat nieRuhe. Ein Wohnquartier ist eine nur lose verkoppelte Anarchie,nicht steuerbar und scheinbar chaotisch: „Der Stadtteil als Wes-pennest“ (Preis 1990).

Die Konzepte für Management im sozialen Raum müssen nichtneu erfunden werden. Gemeinwesenarbeit, stadtteilbezogenesoziale Arbeit, Quartiermanagement und zahlreiche verwandteAnsätze bieten dazu wertvolle Erfahrungen und Anregungen (etwaHinte/Karas 1989; Alisch 1998; Hinte/Litges/Springer 1999; Lütt-ringhaus 2000).

Wir stehen derzeit vor der Herausforderung, Managementfragenmit fachlichen Konzepten so zu verbinden, dass den Zielen ei-ner gestaltenden sozialen Arbeit wirkungsvoll und nachvollzieh-bar Rechnung getragen wird. Die Prozesse, die beim Umbauder Systeme auf die sozialen Einrichtungen zu kommen, werdenlangfristig und phasenweise schmerzhaft sein, aber sie sind un-vermeidlich, wenn wir die gesetzlichen Aufträge und fachlichenKonzepte ernstnehmen und die Stagnation in der Organisationund Praxis der sozialen Arbeit überwinden wollen.

Literatur:

Alisch, M. (Hrsg.): Stadtteilmanagement, Opladen 1998Eberz, W./Neuhaus, K./Wermker,K., Kooperation von Stadt -

Wohnungswirtschaft - Intermediärer Instanz in einemStadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf, in: vhw Fo-rum Wohneigentum 2/2001

Früchtel, F./Lude, W./Scheffer, T./Weißenstein, R. (Hrsg.), Um-bau der Erziehungshilfen, Weinheim/München 2001

Hinte, W., Jugendhilfe im Sozialraum, in: Der Amtsvormund 11/2000 (b)

Hinte, W./Karas, F.: Studienbuch Gruppen- und Gemeinwesen-arbeit, Neuwied/Frankfurt a.M. 1989

Hinte, W./Litges, G./Springer, W., Soziale Dienste: Vom Fall zumFeld. Soziale Räume statt Verwaltungsbezirke, Berlin 1999

Hinte, W., Das Jugendamt als Steuerungsinstrument im sozialenRaum, in: Thole, W. u.a. (Hrsg.), Zukunft des Jugendam-tes, Neuwied/Kriftel 2000 (a)

Liebig, R., Strukturveränderungen des Jugendamts, Weinheim/München 2001

Lüttringhaus, M., Stadtentwicklung und Partizipation. Fallstudi-en aus Essen Katernberg und der Dresdner Äußeren Neu-stadt, Bonn 2000

Preis, M., Der Stadtteil als Wepsennest, in: sozial extra 2/1990Springer, W., Alltag und sozialer Raum als Focus sozialpädago-

gischen Handelns, in: Neue Praxis 3/1995

Page 22: Rundbrief 1-2003

22 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Hille Richers, Düren

Geht es Ihnen wie mir, dass Ihnen der inflationäre Gebrauch dieses Wortesziemlich auf den Geist geht?- Vor allem der schale Beigeschmack, der damitverbunden ist, dass immer dann von Ressourcenorientierung gesprochenzu werden scheint, wenn klar ist, dass die staatlichen Mittel, insbesondereim sozialen Bereich knapper werden, gespart werden soll, Arbeits-verdichtung, zusätzliche Aufgaben, weniger Personal, keine Gehaltserhö-hungen..... dann ballt sich die Faust in der Tasche- denn dann scheintRessourcenorientierung nur eine Kaschierung von Einsparung – für einvon oben beschlossenes, neues Sparkonzept zu sein. Und Sie, mit IhrerArbeit im Stadtteil sollen das umsetzen: noch die letzten Ressourcen ausfin-dig machen, mobilisieren, ausquetschen, ausnutzen....nein, da wollen Sienicht mitmachen – geschweige denn sich auch noch persönlich engagie-ren!

Auch wenn ich glaube, dass dies die Sichtweise mancher Entscheider ausdem politischen Raum realistisch widerspiegelt- möchte ich heute den Blickrichten auf die Möglichkeiten dieses Konzeptes. Auf neue Möglichkeiten undGestaltungsspielräume die Ihnen dieses Konzept gibt. Was können Sie-außer „mehr Arbeit“ davon haben, wenn Sie das Konzept der Ressourcen-orientierung in Ihre Arbeit integrieren?

Zunächst einmal möchte ich voran stellen, dass nach meiner Einschätzungressourcenorientiertes Arbeiten nicht nur „einfach so“ nebenher und zu-sätzlich zur bisherigen Arbeit gemacht werden kann. Es erfordert neueSchwerpunktsetzungen, Fortbildungen und ggfs Umstrukturierungen. Aberich glaube schon, dass Sie neue Sichtweisen und Elemente in Ihren Ar-beitsstil integrieren können. – Die Neuorientierung wird ein Gewinn für IhreEinrichtung und auch für Ihre persönliche, berufliche Arbeit sein können.Dann nämlich, wenn Ihr Fokus nicht mehr nur die Probleme sind, sondernSie bewusst den Blick auf die Stärken, auf das was gut läuft, auf andereAkteure und ihre Ressourcen und Potenziale richten.

Außerdem sehe ich Sie nicht als Erfüllungsgehilfinnen und Gehilfen einesausgefeilten Konzeptes, sondern als MitgestalterInnen eines interessanten,offenen Prozesses, in dem es ganz wesentlich auf Ihre Ideen und Erfahrun-gen ankommt. Sozialraumorientierung heißt vor allem: eine neue Kultur derZusammenarbeit entwickeln. Sowohl mit Kollegen und Kolleginnen, als auchmit anderen interessanten Personen, Betroffenen, Jugendlichen, Erwach-senen sowie Initiativen, die Sie bisher noch nicht (so gut) kannten, die aberauf ihre Art Experten und Expertinnen verschiedener Lebenswelten im Stadt-teil sind. Öffnung hin zu neuen, demokratischen Prozessen. Das wird auchauf Ihre Institution oder Einrichtung ausstrahlen - und da können Sie letztlichnur gewinnen!

Die sozialen Probleme und Zusammenhänge - nicht nur im SchönebergerNorden sind komplex. Die Spaltung der Gesellschaft nimmt zu. Die Proble-me können mit den herkömmlichen hierarchischen, flächendeckenden Mo-dellen nicht mehr bearbeitet werden. Wohlgemeinte Planungen erreichendie Menschen, - die Kinder – und Jugendlichen die erreicht werden sollen- u.a. deshalb nicht, weil man die Sprache ihrer Lebenswelt nicht spricht -ihr Denken nicht versteht. Man hat keinen oder zuwenig Zugang gefundenzu den bereits funktionierenden Netzen, die es ja schließlich gibt. KeinenZugang auch zu den ihnen innewohnenden selbstregulativen Kräften, zuihren Ressourcen und Potenzialen. Man erahnt, dass dort viele Ressour-cen und Potenziale sind - aber der Kontakt dazu fehlt, oft nicht erkannt,isoliert, nicht vernetzt, deshalb können sie auch nicht weiterentwickelt wer-den.

Entdecke die Möglichkeiten

„Für den Einzelnen und erst recht für Gruppen gilt: dort, wo vielschichtigesoziale Netzwerke vorhanden sind, kann Armut und Verwundbarkeitenbesser begegnet, Konflikte gelöst und Vorteile aus neuen Möglichkeitengezogen werden“1 .

Diese Erkenntnis stellt der renommierte US- Sozialwissenschaftler RobertPutnam seinem neuen Buch mit dem Titel „Gesellschaft und Gemeinsinn“voraus. Aber er weist auch darauf hin, dass Gemeinsinn, dass die Erschlie-ßung von Ressourcen nicht angeordnet werden kann. Da sind neue Zu-gänge, neue Wege, hin zu den Ressourcen und Potenzialen notwendig.

Damit ergeben sich folgende Leitfragen:

• Was können Ressourcen und Potenziale sein?• Wie können Ressourcen erschlossen und entwickelt werden ?• Welche Bedingungen fördern die Kooperation und die Gestaltungs-

kraft verschiedener Ressourcen im Sozialraum?

Was ist überhaupt eine Ressource ?Was gehört zum Wesen einer Ressource?

Eine Ressource ist eine source (engl.= Quelle), die durch das Re- nochverstärkt wird, sozusagen eine Unterstützung einer Quelle, ein dauerhafter,kontinuierlicher, verläßlicher Zufluß, nicht versiegend, sich selbst erneu-ernd - zumindest solange die Rahmenbedingungen stimmen - und es zwi-schendurch mal wieder regnet..... Eine Quelle gibt nicht nur etwas - sie mußauch was kriegen, damit sie weiter fließen kann. Aus der ökologischenNachhaltigkeitsdebatte ist Ihnen vertraut, dass nicht die weitestgehendeAusbeutung sondern nur ein schonender Umgang mit unseren natürlichenRessourcen, das dauerhafte Überleben der Menschheit sichern wird.

Und noch ein weiteres Bild: Um aus einer Quelle trinken zu können, brau-chen Sie ein Trinkgefäß oder Sie müssen Ihre Hände zu einer Schale öff-nen. Zurückliegende Quellen, Ressourcen brauchen offene Hände, einenoffenen Geist, wirklich offene Fragen um sie wahrzunehmen und um ausihnen zu schöpfen.

An welche Quellen denke ich denn, wenn ich in diesem Sinne vonRessourcenorientierung spreche? Sie haben auf Ihren Exkursionen beidem letzen Workshop bereits viele benannt. Ich habe Ihre Auflistung er-gänzt und nach Typen sortiert. Ich will die lange Aufstellung nicht im Einzel-nen durchgehen.

Nehmen Sie das mit und sehen Sie es als mögliche Anregung für dieRessourcensuche. Schon jetzt, nachdem ich heute Vormittag hier noch et-was durch den Schöneberger Norden gestreift bin, hatte ich viele Ideen,was man noch alles hier einfügen könnte. Ich erhebe also keinen Anspruchauf Vollständigkeit und bin sicher, dass noch viele Ressourcen und auchRubriken ergänzt werden können. Nur einiges Grundsätzliches möchte ichdazu sagen.

Sie sehen, dass ich immer wieder differenziert habe zwischen den 3 ver-schiedenen Ebenen: staatlich, wirtschaftlich und zivilgesellschaftlich. Dasentspricht meiner Erfahrung und Überzeugung: dort, wo es gelingt, Res-sourcen aus verschiedenen Bereichen zu mobilisieren und miteinander inproduktive Auseinandersetzung zu bringen, da entsteht eine neue Qualität.

Lassen Sie mich dazu noch ein Bild aus der Nachhaltigkeitsdebatte einfü-gen: Ökosysteme mit hoher Artenvielfalt - mit Biodiversität - sind stabiler,leistungs- und widerstandsfähiger als Monokulturen. Vielleicht ist das tröst-

Ressourcen entdecken – Potenziale entwickeln

Page 23: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 23

lich, wenn Ihnen die Vielfalt und die Unterschiedlichkeit der Interessengrup-pen des Schöneberger Nordens so unüberschaubar erscheinen. Geradedarin liegen die Chancen. Außerdem werden Sie bemerken, dass ich ganzan den Anfang der Aufstellung die persönlichen Ressourcen gestellt habe.

Nach meiner Erfahrung können all die genannten Ressourcen nur er-schlossen werden, wenn Sie auch Zugang finden zu den ganz persönli-chen Ressourcen der beteiligten Personen: nicht zu allen dort genannten -aber Sie brauchen sozusagen eine Anknüpfungsstelle: zur Motivation oderzur Kreativität oder zur Wut, zum Ärger, zur Treue, zum Vertrauen ... letzt-lich zum Eigensinn, zum Eigeninteresse dieser Person! Deshalb ist die per-sönlich- professionelle Kontaktpflege sehr wichtig!

Lassen Sie mich kurz unterbrechen für ein Experiment: Fragen Sie sich malselber. Es gibt bestimmt Bereiche, wo Sie sich als Privatperson von ganzemHerzen engagiert haben; Stellen Sie sich eine Situation vor. Wie kam das,warum haben Sie das getan?

War das, weil Sie gemerkt haben, wenn ich mich da nicht einmische, geht esin die falsche Richtung? Ein Ärger, eine Empörung über etwas? Vielleichtging es um ihre Kinder ? Da lag Ihnen wirklich was am Herzen ? Vermutlichsind Sie nur über eine längeren Zeitraum dabeigeblieben, wenn es Ihnenauch irgendwie was gebracht hat, Sie Ihr Ziel erreichen konnten und au-ßerdem Spaß, Begegnung mit neuen interessanten Menschen hatten, in-teressante Einblicke in neue Lebensbereiche oder sonst zumindest Aner-kennung erfuhren. Wenn nichts davon mit diesem Engagement verbundenwar, werden Sie vermutlich versucht haben, es schnell wieder zu been-den.

Damit sind wir bei der Frage:

Wie können Ressourcen erschlossen und ent-wickelt werden?

Ganz sicher nur in einem offenen Prozess! Ressourcenmobilisierung undpersönliches Engagement kann nicht von oben verordnet oder vom Zielher vorgegeben werden. Es muß von unten, aus eigenem Wollen, auseigenem Interesse entspringen und auch von dort gespeist werden- wieeine QUELLE !

Ich möchte anhand eines etwas vereinfachten Beispiels aufzeigen, wie esgelingen kann, verschiedenste Ressourcen in einem Stadtteil zu mobilisie-ren und zusammenzubringen. Vermutlich haben Sie hier bereits ähnlicheErfahrungen machen können:

• In einem Stadtviertel gab es große Probleme mit ‘rumhängenden, ri-valisierenden Jugendlichen, Schlägereien zwischen Aussiedler- undtürkischen Jugendlichen, Zerstörungen an Straßenlaternen , Glas-scherben auf Spielplätzen....„das Problem“

• In einer informellen, professionellen Netzwerkrunde mit Mitarbeiten-den aus der ev. und kath. Jugendarbeit, dem SKF( Sozialdienst katho-lischer Frauen- die „Aussiedler-Spezialisten in NRW)“, Kita-Leitung,Mitarbeitende vom Jugendamt und aus der örtlichen Gemeinwesen-arbeit eines freien Trägers, wurde über mögliche Gründe und Hin-tergründe beraten. Die Analyse hatte den Kern: Die Kids braucheneinfach mehr Platz und etwas zu tun. Es gab auch eine Idee: Da istnoch eine freie Fläche im Stadtteil - was ist mit der ? (die Ressource:fachliches, kollegiales Netzwerk- und die Ressource: Freiflä-che ...)

• Mitarbeiter vom Jugendamt warnten: das haben wir schon vor langemvorgeschlagen, aber da sollen Wohnhäuser gebaut werden - auf städ-tischen Grund und Boden - eine gute Einnahmequelle; da ist nix zumachen. (die Ressource: Interne Infos aus der Verwaltung)

• Gespräche mit jugendpolitisch verantwortlichen Politikern ergaben gro-

ße finanzielle Bedenken aber auch Nachdenklichkeit, grundsätzlicheUnterstützungsbereitschaft - wenn es denn “wirklich so dringend“ sei.Der Fraktionsvorsitzende der Mehrheitsfraktion - ein alter Juso - konnteüberzeugt werden.(die Ressource: Politik und persönliche Kon-takte - wissen, was wem wichtig ist...)

• Mit einer konzertierten Spielaktion auf dem Platz wurde Aufmerksam-keit erregt - Kinder befragt zu ihren Wünschen, Jugendliche an ihrenTreffpunkte zu verschiedenen Tageszeiten aufgesucht und vor allemviele aktivierende Gespräche - auch mit Erwachsenen - geführt: Wassind hier die Probleme? Was meinen Sie, wird hier im Viertel gebraucht?Was meinen Sie, soll mit diesem Platz passieren? Wären Sie bereit sichweiter hier zu engagieren? (die Ressource: Fachkräfte mit ihrenspeziellen Kenntnissen arbeiten projektbezogen zusammenund stellen sich auch ihre materiellen Ressourcen gegensei-tig zur Verfügung (Werkzeug, Kameras, Spiel-/Bastelmaterial...)

• Bei einer Anwohnerversammlung - zu der vielfältig mobilisiert wurde,wurde beschlossen, dass dieses Anliegen unbedingt weiter verfolgtwerden sollte. Die Versammlung beriet über nächste Schritte und wählteVertreterInnen.(neue Ressource: Verständigungsprozess zwi-schen BürgerInnen/ Anwohnern bei einer BürgerInnen-Ver-sammlung; danach sogar gewählte VertreterInnen/AnsprechpartnerInnen)

• Über die Heinrich-Böll-Stiftung / NRW konnte eine Landschafts-architektin bezahlt werden, die aus den Ideen und Vorschlägen ersteEntwürfe machte.(finanzielle Ressource: Politische Parteien-Stif-tung/ Fachliche Ressource)

• Über viele Einzelgespräche und die gemeinsame Betroffenheit war esgelungen, sehr verschiedene, örtlich verankerte Schlüsselpersonenzu begeistern und zusammen zu bringen.(die Ressource: Schlüssel-personen vor Ort)

• Nach diversen Konflikten und guten Medienkontakten konnte ein poli-tischer Beschluss zum Bau eines großen Spielgeländes erreichtwerden.(die Ressourcen: Wut. Ärger, Konflikt, Medien, Politik)

• Eine Beschäftigungsgesellschaft - mit einigen Beschäftigten aus demStadtteil, die sich besonders mit dem Projekt identifizierten, machte ko-stengünstig die Bauarbeiten (die Ressourcen: Verwaltung /Beschäftigungsinitiative / engagierte Personen)

• Die genaue Beplanung der Flächen, z.B.: Skaterbahn, Auswahl vonSpielgeräten wurde mit Jugendlichen und Planern vor Ort vorgenom-men (die Ressource: Jugendliche und ihre Ideen; örtliche Ju-gendarbeit der Kirchen)

• Die Initiative blieb bestehen, wurde ein Verein, organisiert Feste undTurniere auf dem Platz. Inzwischen wendet sie sich – in Kooperationmit anderen Organisationen - auch anderen, stadtteilbezogenen The-men zu: z.B. Verbesserung der Einkaufsmöglichkeiten und hat sich alseigenständiger Akteur, sowohl im Stadtteil als auch bei den PolitikernRespekt und Ansehen verschafft. (die Ressource : Neuerzivilgesellschafticher Akteur bringt Bewegung ins Machtgefügeund ist für die Jugendlichen vor Ort ein wichtiges Gegenüber)

Ein bisschen zu rosig ? Damit konnten sicher nicht alle Probleme der Kinderund Jugendlichen des Stadtteils bearbeitet werden - aber für sie und dieübrigen Beteiligten hat sich qualitativ etwas verbessert und es sind vor allemneue zivilgesellschaftliche Akteure entstanden, die sich mit ihren eigenenMöglichkeiten einbringen, für konkrete Verbesserungen vor Ort sorgen unddafür auf Augenhöhe mit Politikern verhandeln. Es wurde Bewegung insMachtgefüge der Stadt(teil)politik gebracht und darüber haben die Kinderund Jugendlichen mit ihren Familien konkret gewonnen !

Damit dies so möglich war, brauchten die Bürgerinnen und Bürger Unter-stützung und Beratung beim Aufbau und bei der Begleitung ihrer eigenenOrganisation.

Page 24: Rundbrief 1-2003

24 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Gerade in sog. “schwierigen Wohngebieten“ ist dies möglich, aber es gehtnicht „einfach so nebenbei“ und braucht neben speziellem fachlichen Know-how einen besonderen Arbeitsauftrag an Fachkräfte.

Welche Bedingungen fördern die Kooperations-fähigkeit und Gestaltungskraft verschiedenerRessourcen im Sozialraum ?• Gute kollegiale, fachliche Netzwerkstrukturen! - Damit werden Sie sich

in einer der folgenden Werkstätten ja noch genauer befassen.• Bilden Sie Netzwerke, in denen Sie die verschiedenen Stärken und

Verbindungen der Beteiligten nutzen können: BürgerInnen-Initiativenoder Organisationen können besser politischen Druck für die Belangevon Kindern und Jugendlichen machen als Mitarbeitende des Jugend-amtes; Aktive aus Migranten-Organisationen haben andere Möglich-keiten und Einblicke als Leute aus der Schwulen- und Lesben-Szene,Freiwillig-Tätige oder Mitarbeitende freier Träger sehen anderes alsLeute aus dem Handel oder Handwerk. usw....

• Keine Angst vor Unterschieden und Konflikten - die sind das Salz inder Suppe - und können oft ungeahnte Kräfte mobilisieren. Wenn Un-terschiede deutlich werden - und ausgehandelt werden, steigt meistdie Qualität der Ergebnisse und der Kooperationsbeziehungen!

• Überprüfen Sie Ihre Netzwerkstrukturen immer wieder auf ihren Nut-zen. Welche gemeinsamen Ziele haben Sie ? Passt die Arbeitsformnoch zur Zielsetzung? Es gibt viele andere Möglichkeiten der Koope-ration als gemeinsame Sitzungen!

• Wenn Sie neue Wege gehen, brauchen Sie eine strukturierte kollegia-le Beratung zur Reflexion dessen, was Sie tun. Es gibt keine 100%igrichtigen, vorgeschriebenen Wege - aber sie können das, was Sietun, auswerten und für die Zukunft daraus lernen.

• Größere Zusammenschlüsse und Netzwerke sind komplizierte Gebil-de. Sie brauchen immer mal wieder externe Beratung oder Moderati-on z.B. bei wichtigen Sitzungen, für Reflexion oder Strategieentwicklung,um zielorientiert und erfolgreich arbeiten zu können.

• Sorgen Sie für Schwerpunktsetzungen in Arbeitsbereichen, wenn z.B.in schwierigen Gebieten, wo keine Strukturen oder Netzwerke erkenn-bar sind, neue Schlüsselpersonen gefunden und gestärkt werden sol-len, dann muss dies auch ein echter Schwerpunkt der Arbeit sein kön-nen. Entdeckte Potenziale, also interessierte und aktiv gewordeneMenschen in neuen Zusammenschlüssen oder in bestehenden Orga-nisationen können selbstbewusste und wirkungsvolle zivil-gesellschaftliche Akteure werden und bleiben. Dafür brauchen sie aberBeratung und Unterstützung von Fachleuten bei freien Trägern.

Nach der politischen Entscheidung „von oben“( top-down), sozialraum-und ressourcenorientiert arbeiten zu wollen, gilt es nun, dies mit Inhalt zufüllen. Die Mobilisierung der Ressourcen aus dem Sozialraum können, wiezuvor beschrieben, nicht angeordnet sondern nur von unten - sozusagen„bottom up“ - entdeckt und aktiviert werden.

Ich bin überzeugt davon, dass dies nur gelingen kann, wenn die Artikulati-on von Veränderungswünschen und die Selbstorganisation zivil-gesellschaftlicher Gruppen glaubwürdig gefördert werden. Dann nämlich,wenn die Menschen mit ihren ureigensten Interessen, Sichtweisen undVeränderungswünschen angesprochen sind und sich mit ihren ganz ver-schiedenen Organisationen in den Prozess einbringen können. Es gibt diewechselseitige Bedingtheit - die Komplementarität von „top down“ und„bottom-up“ bei diesem Weg. Das eine geht nicht ohne das andere.Daran wird glaubwürdiges, sozialräumliches Arbeiten zu erkennensein: ob es gelingt Entscheidungskompetenz zu verlagern, ob derStaat tatsächlich einen Teil seiner Macht abgibt an die Akteure imSozialraum und zu fairen Aushandlungsprozessen auf diesem Wegbereit ist!

Eine Chequeliste für die Ressourcen-Suche

Es ist jeweils zu prüfen: Wirken sie mit in informellen oder formellen Netz-werken? Wirken sie ausschließlich im Sozialraum? Wirken sie über denSozialraum hinaus?

Fußnote:1 In Putnam, Robert; Gesellschaft und Gemeinsinn, S. 20 zitiert auseinem Artikel in: “The World Bank Observer“,15.8.2000, von MichaelWoolcock und Deepa Naranyan, Zitat S.226

Page 25: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 25

Page 26: Rundbrief 1-2003

26 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Gisela Renner

Wenn wir mit Menschen an ihren Interessen arbeiten wollen,müssen wir uns Klarheit verschaffen über unsere eigenen Inter-essen. Der Ansatz, Menschen, Jugendliche dort abzuholen, wosie stehen, ist nicht neu – Angebote zu machen, orientiert an denInteressen des Klientels, ist ebenfalls nicht neu. Doch allzu oft istder Sozialarbeiter in der Situation, diese Angebote für die Men-schen zu machen. Es war und ist seine Aufgabe, eben dieses zutun. Es wird von ihm erwartet. Wir sind darauf geeicht, für anderemit zu denken und jeder, der länger in diesem Beruf gearbeitethat, weiß, wie mühevoll und Kräfte raubend dieses Mitdenkensein kann.

Community Organizing ist Beziehungsarbeit

Das Unwort „Beziehungsarbeit“ ist schon lange ein Schlagwortin unserer Arbeit. Tagtäglich gehen wir mit Menschen um, tag-täglich sind wir gefordert, auf Problemstellungen einzugehen,tagtäglich ist geboten, zu reparieren, zu kompensieren und Lö-sungsmöglichkeiten anzubieten. Wollen wir für und mit den Men-schen, mit denen wir arbeiten, etwas erreichen, müssen wir unsin Beziehung mit diesen begeben, ansonsten bleiben all unsereBemühungen leer.

Es wird also um „Beziehungsarbeit“ gehen und dabei wird dieKommunikation im Mittelpunkt stehen, denn wie bereits in derEinladung steht: „Der einzige Weg um Menschen zu motivierenist, mit ihnen zu kommunizieren.“ Lido Anthony.

Diese Kommunikation soll allerdings kein Selbstzweck sein, son-dern es wird darum gehen, wie durch aktivierende Gesprächedie viel beschworene Bürgerbeteiligung zu erreichen ist, wie manalso von einem Tun für andere zu einem Tun mit anderen kom-men kann.

Beteiligung heißt auch: Machtverhältnisse inFrage stellen!

Bürgermitverantwortung, Bürgerbeteiligung und bürgerschaftli-ches Engagement stehen wiederum in Verbindung mit der Sozial-raumorientierung. Gerade in den letzten Jahren werden dieseBegriffe oft als Zielsetzung von Sozialarbeit und kommunalerPolitik formuliert, wobei sich folgende kritische Fragen stellen:

• Ist die Politik wirklich bereit, den Bürger als selbst-verantwortlichen Menschen wahr und ernst zu nehmen?

• Ist Sozialarbeit bereit, zu einem Kontakt auf gleicher Au-genhöhe zu kommen?

• Ist es möglich, von der Sicht auf Problemgruppen zur Sichtauf Menschen mit eigenen Interessen und Beweggründenzu kommen?

Auch Wohlfahrtsverbände und soziale Einrichtungen sind nichtimmer frei von beschränkten Eigeninteressen: Sie brauchenBürger und Bürgerinnen als Legitimation für die eigene Arbeit,sie benötigen sie als Klientel. Ehrenamtliche werden gesucht,

Was bewegen ?!Grundsätze und Methodik des „Community Organizing“

aber oft nur für schon vorher bestimmte Aufgaben und Diensteusw...

Politiker und führende Funktionäre nehmen die BegriffeBürgerbeteiligung und Bürgermitverantwortung gerne in denMund. Doch was heißt das eigentlich? Steht hier nur die Frageim Raum: „Wie sollen sich Bürger beteiligen, damit einge-spart werden kann?“ Oder ist auch die Rede von: „Wie wol-len sich Bürger beteiligen, damit sie Zustände, die sie är-gern und unzufrieden machen, verändern bzw. verbes-sern können?“

Community organizing als Methode

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Gesellschaft als Ganzes.In dieser Gesellschaft gibt es 3 Machtfaktoren, die unser Le-ben beeinflussen:

• die Politik, die die Bürger und Bürgerinnen alsWählerpotenzial sieht

• die Wirtschaft, die Bürger und Bürgerinnen als Konsumen-ten braucht

• die Medien, die Meinungen beeinflussen und Trends be-günstigen

Beim Community organizing stehen nun folgende Fragen imMittelpunkt:

• Welche Möglichkeit der Einflussnahme haben Bürger undBürgerinnen?

• Wie kommt man vom Status des Wählers, des Verbrau-chers, des Konsumenten zum eigenverantwortlichen, poli-tisch orientierten Menschen, der mit denkt und mit ent-scheidet?

• Wie kommt man zu einer Macht der Zivilgesellschaft, denndas würde für mich Bürgerbeteiligung heißen – nicht vonoben bestimmt, sondern aus dem Volk heraus, wie erreichtman Basisdemokratie?

Die Antwort des Community Organizing darauf heißt ganz kon-kret: Bildungsarbeit, Schulung von Menschen !

Das Community Organizing hat dabei in Problemvierteln in ca.60 Städten in den USA schon zu guten Erfolgen geführt. NebenMethoden von aktivierender Bürgerbefragung ist das eine Me-thode, die mir erfolgversprechend scheint, auch wenn nochÜbertragungsmöglichkeiten auf die Bedingungen in Deutschlandentwickelt werden müssen. Die ganze Methode hier ausführlichzu erläutern, wäre zu viel, deshalb hier nur ein paar Grundzüge:

Organizing will Menschen in ihren Fähigkeiten und Stärken her-ausfordern, sie dahingehend begleiten, dass sie die Dinge, diesie betreffen, selbst angehen können und zwar machtvoll, effek-tiv und erfolgreich. Organizing will eine Vierte Macht in der Ge-sellschaft etablieren, es will Bürgerplattformen gründen, wel-che aktiv ins politische Geschehen vor Ort eingreifen. Es sind

Page 27: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 27

keine Ein-Thema-Bürgerinitiativen, keine Vereine, keine Bewe-gungen, sondern Gruppen von Menschen, die aktiv und selbst-bewusst an den aktuellen Themen in ihrem Quartier arbeiten.Organizing beherzigt den Grundsatz des „Gemeinsam sind wirstark“ und zwar sehr strukturiert und gut durchorganisiert.

Die Initiierung gemeinsamer Lernprozesse von und mit Men-schen vor Ort im Blick auf die eigene Situation, auf die eigenenund gemeinschaftlichen Handlungsspielräume, auf gesellschaft-liche Hintergründe und Notwendigkeiten stehen im Mittelpunktdieser Arbeit.

Die sechs Schritte des CommunityOrganizing

Dabei geht das Community organizing in folgenden Schrittenvor:

1. Beziehungsgespräche: Diese sind der zentrale Be-standteil der Arbeit und Voraussetzung für alles Folgen-de. In Einzelgesprächen mit interessierten Menschenwird ein Beziehungsnetz aufgebaut. Im Vordergrund ste-hen die Interessen und Motivationen, die Probleman-sichten und mögliche Lösungswege der Gesprächs-partner. Es wird nach Menschen gesucht, die Energieund Visionen haben und bereit sind, sich hierfür ehren-amtlich zu engagieren.

2. Schulungen: Durch kontinuierliche Schulungen undFortbildungen werden Schlüsselpersonen aus den In-stitutionen und Familien angeleitet auf andere Men-schen zuzugehen, um auf die oben beschriebene Wei-se mit ihnen in Kontakt zu kommen und ein immer en-geres Netz von Beziehung zu flechten.

3. Haus bzw. Bürgerversammlungen: Das sind Ver-sammlungen von ca. 13 – 15 Menschen, die annähernddie gleichen Interessenlagen haben. Diese Versamm-lungen dauern nicht länger als 1 bis 1 ½ Stunden. Indiesen Versammlungen werden die Interessen ausge-tauscht und festgestellt, ob man gemeinsam in Aktiontreten möchte.

4. Recherche und Planung: In den Gesprächen undSchulungen treten zunehmend die Probleme zutage, dieeinen großen Teil der Bevölkerung betreffen. Um dieseThemen und Interessen herum werden Aktionsgruppengebildet, die zunächst die Hintergründe der Problemerecherchieren und dann gemeinsame, öffentliche Ak-tionen planen.

5. Öffentliche Aktionen: Ein Ziel der Organisationsarbeitsind öffentliche Aktionen. Diese geschehen jedoch nichtum ihrer selbst willen, sondern sind Ergebnis diesessystematischen Weges der Erkundung und Vorberei-tung. Ziel der Aktionen ist es, Reaktionen auf Seiten derpolitisch Verantwortlichen auszulösen und Veränderun-gen zu bewirken. Durch die intensive Vorarbeit und dieVerbindlichkeit, die aus den persönlichen Beziehungenentsteht, beziehen diese Aktionen einen breiten und re-präsentativen Teil der betroffenen Bevölkerung mit ein.

Inhalt der Aktionen ist immer, über Verhandlungen undGesprächen mit politisch Verantwortlichen gemeinsamLösungswege zu suchen und neue Wege zu beschrei-ten. Die Einhaltung der demokratischen Werte ist hier-bei ein wichtige und unerlässliche Voraussetzung.

6. Auswertung: Die Auswertung ist ein wichtiger Bestand-teil des Zyklus und zugleich Analyse der durchgeführ-ten Aktionen so wie Anstoß zu neuen, weiterreichendenAktionen. Damit wird ein kontinuierlicher Prozess derBürgeraktivierung betrieben. In der Auswertung werdenoft wichtige Grundprinzipien deutlich, die für die Arbeiteiner Gruppe grundlegende Orientierung und Hilfe ge-ben. Nicht zuletzt gibt sie Gelegenheit zur kritischenFeststellung, wo der Einzelne und die Gesamtgruppesteht (z.B. im Hinblick auf ihre Konfliktfähigkeit, Unter-stützung durch die Bevölkerung, erfolgreiche Durchset-zung von Zielen usw.).

Hierbei gilt vor allem und immer die eiserne Regel: „Tue nie-mals für eine/n andere/n, was sie/er für sich selbst tun kann!“ DasLernen durch Versuch und Irrtum ist ein Kernpunkt der Ausbil-dung von sogenannten „Leadern“.

Da die Einzelgespräche, der Aufbau von Beziehungen, das Knüp-fen eines Beziehungsnetzes die Basis des Aufbaus einer Bürger-plattform ist, habe ich mich entschlossen, intensiver auf dieseThematik einzugehen. Auf Menschen zu zu gehen schafft schonBewegung, mit Menschen in Kontakt zu treten, schafft Verbind-lichkeit, die zum Aufbau einer Bürgerplattform gebraucht wird.

Es geht nicht um Sympathie, sondern um ge-meinsame Interessen

Wichtig ist es hierbei, dass es um Beziehung im öffentlichenRahmen geht, nicht um „private“ Beziehungen. Sie werden sa-gen, das ist uns doch ohnehin klar, aber all zu oft werden dieEbenen „privat“ und „öffentlich“ durcheinander geworfen undschaffen Verwirrungen und Abgrenzungsprobleme.

Kern der privaten Beziehungen ist das Mögen, die Liebe, dasanerkannt Werden als Mensch, der gehalten und gemocht wer-den will. Kern der öffentlichen Beziehungen ist Respekt und Wert-schätzung. Im öffentlichen Rahmen agiert man anders als in pri-vaten Beziehungen. Gemocht werden ist nicht die Hauptsache,sondern ernst genommen werden, respektiert und wert geschätztwerden. Es geht nicht um Sympathie oder Antipathie, sondernum die Möglichkeit des gemeinsamen Handelns und Arbeitensan einem Thema bzw. des Aushandelns von Lösungsmöglich-keiten.

Warum ist es so wichtig, sich damit auseinander zu setzen? Wirhaben alle die Tendenz, uns mit Menschen zu umgeben, die glei-cher Meinung sind, die uns sympathisch sind. Menschen, mitdenen wir von Anfang an nicht viel anfangen können, gehen wirgerne aus dem Weg. Aber gerade die Vielfältigkeit kann berei-chernd sein und zum Erfolg führen. Einseitigkeit kann eine Ge-fahr dar stellen, da man zu sehr im eigenen Saft schmort. Auchein gutes Orchester braucht viele Instrumente, um gute Musik zumachen.

Page 28: Rundbrief 1-2003

28 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Wie Einzelgespräche geführt werden

Mit dieser Voraussetzung in der Wahrnehmung geht man in dieEinzelgespräche. Es sind Gespräche, die nicht länger als einehalbe bis eine dreiviertel Stunde dauern. Sie sind nichts Ominö-ses, nicht geheimnisvoll – nichts, was wir nicht unbewusst inunserem täglichen Leben tun. Nehmen wir einmal an, sie ler-nen einen Menschen kennen (auf einer Party, im Schwimmbad,bei einem Treffen), den sie interessant finden. Sie möchten et-was über ihn erfahren – wie läuft so ein Gespräch ab, welcheFragen stellen sie?

Der Unterschied zu einem Einzelgespräch in Sinne von„Community Organizing“ ist lediglich, dass es bewusst geführtwird. Es hat seinen Zweck in sich, es ist der erste Schritt zumBeziehungsaufbau auf öffentlicher Ebene, es hat ebenfalls denZweck, interessante und interessierte Menschen zu finden, dieÄrger empfinden und Visionen für das Viertel und ihr Leben ha-ben, Menschen mit einem sogenannten „erweiterten Interesse“.Innere Voraussetzung für das Führen eines solchen Gesprächesist die Neugierde auf die Geschichte von Menschen. Was be-wegt das Gegenüber? Was ärgert sie/ihn und warum? WelcheSorgen macht sie/er sich? Was sind ihre/seine Visionen? Waskann sie/er sich selbst vorstellen, zur Veränderung beizutragen?Es geht darum, die richtigen Fragen zu stellen, damit das Ge-genüber sich öffnet. Es geht um „aktives Zuhören“. Es geht eben-falls um die Fähigkeit, sich zu öffnen, um die Bereitschaft, vonsich selbst etwas zu geben, es geht um das Teilen von Geschich-ten. Es geht also um die Motive, die Impulse, die Werte, den Hin-tergrund und die Energiequellen des Menschen, mit dem ichrede. Deshalb eignen sich am besten Fragen nach dem Wie unddem Warum.

Vom Bekannten zum Unbekannten

Wie kommt man nun an diese Kontakte, an Termine für Einzel-gespräche, wenn man sie führen will. Man nimmt das Prinzip:Vom Bekannten zum Unbekannten. In jedem Berufsumfeld gibtes Menschen, die man nicht näher kennt, aber die einem inter-essant erscheinen. Diese kann man ansprechen und sie um ei-nen Termin bitten, bzw. telefonisch einen Termin vereinbaren.Über diese Menschen kann man Kontakte zu anderen knüpfen,in dem man sich am Ende für das Gespräch bedankt und nachKontakten fragt. Günstig ist dabei, wenn man gleich die Telefon-nummer bekommt.

Über das Führen von Einzelgesprächen bekommt man einenEinblick über die Themen, die im jeweiligen Viertel aktuell sind,das kann der Müll an der Straßenecke sein, Probleme mitJugendbanden oder aber auch Hausverwaltungen, die nicht rea-gieren. Hat man den Eindruck, es gibt genügend Menschen, diebereit wären, an einem Thema, das sie bewegt zu arbeiten, lädtman diese zu einem Treffen ein. Hierbei ist es immer wichtig,telefonisch an das Treffen zu erinnern. Das erhöht die Verbind-lichkeit. Wichtig ist aber auch, ein klares „Nein“ zu akzeptieren.

Einzelgespräche sind die Basis für alles Weitere, es kostet Über-windung, sie im oben genannten Sinne zu führen, sie könnenaber sehr bereichernd und auch Energie gebend sein.

Page 29: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 29

Monika Schneider

„Das Hauptziel einer Aktionsuntersuchung ist die Veränderungder Situation im Gemeinwesen im Sinne der dort lebenden undbetroffenen Bürger durch deren Aktion.“1 Die aktivierende Befra-gung ist ein echter Klassiker der Gemeinwesenarbeit und dabeidoch ein wahres Meisterstück. Sie ist ein guter Einstieg in dieStadtteilarbeit und eine Methode, die nur wohldosiert angewen-det werden darf. Nichts ist ermüdender als immer wieder befragtzu werden, ohne dass sich die Verhältnisse im Stadtteil nachhal-tig ändern. Es handelt sich um eine sehr zeitaufwendige und in-tensive Methode. Dennoch lassen sich auch Teile davon auf denArbeitsalltag in Institutionen übertragen. Sie ist immer dann an-gesagt wenn es darum geht, nicht nur Meinungen einzuholen,sondern etwas im Stadtteil mit den Menschen bewegen zu wol-len.

Leitende Fragen für die aktivierende BefragungDie objektiven Faktoren zum Stadtteil: Die Meinungen von Bür-gern und Experten, sas emotionale Klima, d. h.• Welche Kommunikationskultur(en) gibt es? Wie laufen die

formellen und informellen Kommunikationswege?• Was regt die Menschen wirklich auf?• Was interessiert die Menschen, was macht sie neugierig?• Wo sind sie bereit sich zu engagieren?• Gibt es Themen die verbrannt sind?• Gibt es bei bestimmten Themen / Menschen oder zum

Stadtteil insgesamt eine demoralisierte Haltung / Enttäu-schung?

• Wer sind die formellen und informellen örtlichen Führer?(Anm.: formelle Führer sind gewählte oder beauftragteMenschen: Schulleiterin, Kindergärtnerinen, Pfarrer, Politi-ker, Vorsitzende von Vereinen, Bezirkspolizisten, informelleFührer sind Menschen, die allgemein anerkannt sind,deren Meinung geschätzt wird, das kann z.B. ein Kiosk-besitzer sein, ein Familien oder Clanoberhaupt, ein ausge-schiedener Politiker etc.)

• Örtliche Gruppen oder potentielle Interessenten• Mehrheiten und Minderheiten• Ideen zur Veränderung der Situation

Ablauf der aktivierenden Befragung1. AnliegensstadiumHier gilt es in erster Linie die Ressourcen und Spielräume deran der Befragung der Beteiligten zu klären:• Die Handlungsspielräume der Beteiligten erfragen• Ihre Ziel und Motive• Welche Vorannahmen zum Stadtteil und den Menschen gibt es bei den Befragern?2. Voruntersuchung• Welche empirischen Daten sind über den Stadtteil bereits

vorhanden? Welche Veröffentlichungen gibt es in den Me-dien über den Stadtteil

Die aktivierende BefragungEin Klassiker der Gemeinwesenarbeit

3. Expertenbefragung

• Experten sind Menschen die sich professionell mit demGemeinwesen beschäftigen

• Priester, Allgemeiner sozialer Dienst, bezirkliche Sozialar-beit, gewählte Vertreter, Interessensvertreter, etc.

• Die Befrager stellen sich und ihre Intention vor. Dabei ist eswichtig, zu verdeutlichen, dass es nicht das Interesse ist,die Probleme für die Menschen zu lösen, sondern mitihnen.

• Die Befragung findet in Form eines Gespräches statt• Es werden offene Fragen gestellt• Ein Ziel der Expertenbefragung ist es, diese als Berater /

Informanten zu gewinnen.

4. Befragung der BewohnerTüröffner: Eine schriftliche Ankündigung der Befragung bietet sichan. Dabei sollten alle notwendigen Informationen vermittelt wer-den (Gesprächssituation, Anliegen, die Dauer des Gespräches)und Photos von den Befragern eingearbeitet werden. Sehr hilf-reich ist es, wenn die Gespräche über andere vermittelt werdenz. B. über vorher Befragte oder Experten. Mundöffner: Das sindFragen die einfach zu beantworten sind, z.B. Wie lange lebenSie schon im Stadtteil / in diesem Haus? Problemfragen: Wassind die Probleme im Stadtteil? Es bietet sich an diese Fragennicht komplett offen zu gestalten. Man könnte z. B. fragen: Mansagt der Stadtteil sei besonders arm, was ist ihr Eindruck? Oder:Was denken die Menschen über die Situation von Familien mitKindern, Wichtig ist es, sich Begründungen für diese Einschät-zungen einzuholen. Warum ist das so? Ideenkomplex: Da die Be-fragung einen aktivierenden Charakter hat und nicht der bloßenSammlung von Informationen dient ist es wichtig, die potentiel-len Lösungsansätze der Bewohner zu ermitteln. Wie kann mandie Situation verbessern aus Ihrer Sicht? Aktivierungsfrage: Ist derBefragte bereit, sich selber zu engagieren? Einladung zur Ver-sammlung: Die anschließende Bürgerversammlung sollte be-reits bei der Befragung genau angekündigt werden.

5. Versammlung und GruppenbildungDie Versammlung ist wirkungsvoll, wenn sie möglichst zeitnah,an einem zentralen und für alle Bürger akzeptablen Ort unter pro-fessioneller Moderation stattfindet. Die Position der Befrager sollteauch bei der Versammlung vorab verdeutlicht werden – sie wer-den nichts für sondern mit den Menschen im Stadtteil tun. Da-nach werden die Ergebnisse vorgestellt. Entscheidend zum Ge-lingen der Versammlung ist es, genügend Raum für den unmit-telbaren Austausch über die Ergebnisse zu geben. Anschließenderfolgt die Organisation von Gruppen und Initiativen zu bestimm-ten Themenkomplexen. Die Ergebnisse der Versammlung wer-den protokolliert und in den gängigen Informationskanälen ver-öffentlicht. Es schließt sich die Arbeit mit den unterschiedlichenGruppen und Initiativen an.1 Hinte, W. Karas, F., Studienbuch Gruppen- und Gemeinwesenarbeit, Luchterhand 1989

Page 30: Rundbrief 1-2003

30 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Heinz Altena, Dinslaken

Mit den Begriffen Vernetzung und Kooperation sind strukturelleund i. d. R. immaterielle Ressourcen und Potentiale zur „Bewäl-tigung“ der jeweiligen Aufgabenstellung angesprochen. Geradeim Bereich einer lebensweltlichen bzw. sozialräumlichen Orien-tierung gehören diese Stichworte zum Standard einer professio-nellen Arbeitshaltung. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass Ko-operation und Vernetzung bei den drei vorangegangenenVeranstaltungssequenzen (Planungsräume u. Lebenswelten,Ressourcen u. Potentiale, Beteiligung u. Mobilisierung) bereitsunter den unterschiedlichsten Aspekten angesprochen und be-arbeitet wurden.

Aus der Literatur und Ihrem Arbeitsalltag haben Sie Kooperationund Vernetzung kennen gelernt. Die Begriffe – und insbesonde-re die praktische Ableitung - sind jedoch so schillernd, dass, wennwir heute morgen eine Gruppendiskussion zu diesem Themavornehmen würden, 25 unterschiedliche Definitionen und diegesamte Bandbreite an euphorisch zustimmenden Befürworternbis radikal ablehnenden Skeptikern zu hören bekommen wür-den. Diese Diskussion machen wir jetzt nicht (vielleicht lassensie sich in den Arbeitsgruppen nicht verhindern). Vielmehr möchteich die Begriffe beleuchten, einige Zusammenhänge und Bezü-ge darstellen und insbesondere auf die Möglichkeiten von Ko-operation und Vernetzung im Kontext sozialräumlicher Orientie-rung, versäulter Zuständigkeit und institutioneller Einbindung ein-gehen.

1. Definitionen und synonyme Begriffe

KooperationZusammenschluss von Bürgern, Fachleuten und Institutions-vertretern zum gemeinsamen Erreichen gemeinschaftlicher undmiteinander abgestimmter und vereinbarter Ziele. (Gött/Pogrzeba Landesjugendamt Westfalem-Lippe, 1998)

VernetzungInterdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Partner zur bes-seren Nutzung der Kompetenzen und Ressourcen.Strategische Allianz bzw. strategische Partnerschaft(anglo-amerikanischer Sprachgebrauch)Freiwilliger Zusammenschluss von zwei oder mehreren Partnern,um ein bestimmtes Ziel mit den individuellen Stärken des jewei-ligen Partners zu erreichen. (Rabeneck: Kooperation in derJugendhilfe unter dem Focus der Neuen Steuerungsmodelle -2001)

NetzwerkZiel- oder zweckgerichtete Organisationsform, deren Akteureuntereinander über spezifische Beziehungen miteinander verbun-den sind. (Lo/Rentmeister: Konzepte lokaler Netzwerke in derWirtschaftsgeographie)

Von sozialen Netzwerken zur institutionellen KooperationÜber die Leichtigkeit von Begriffen und die Schwierigkeit des Handelns

Aus den Definitionen lassen sich mehrere Merkmale von Koope-ration u. Vernetzung ableiten:- die Freiwilligkeit der Kooperationsentscheidung- die Unabhängigkeit bzw. Selbständigkeit der Beteiligten- die Abstimmung der Partner- die Beziehung (-struktur) zwischen den Kooperationspart-

nern und- die bessere Zielerreichung als Zweck der Kooperation.

2. Bezugesebenen von Netzwerken

Kooperation und Vernetzung lässt sich noch differenzierter dar-stellen. Ich möchte Ihnen drei Zugänge näher erläutern.

a) Primäre, sekundäre und tertiäre Netzwerke

Primäre Netzwerke: persönliche, natürliche Netzwerke(Familie, Freunde, Nachbarn, Arbeits-kolleg/innen)

Sekundäre Netzwerke: Netzwerke aufgrund individueller oderbesonderer Problem- und Interessen-lagen (Selbsthilfegruppen, Initiativen)

Tertiäre Netzwerke: Institutionelle Netzwerke (professionel-le Hilfen, Beratung, Unterstützung,Case-Management)

b) Globale und lokale Netzwerke

Netzwerke haben jeweils auch eine räumliche Dimension. (sie-he Grafik: Raumbezüge sozialer Netzwerke)

c) Kategoriale, funktionale und sozialräumliche Vernet-zung

Netzwerke können auf der Basis unterschiedlicher Bezugs-ebenen entstehen. Die zweite Grafik zeigt Ihnen drei verschiede-ne Zugriffe bzw. Handlungsansätze unter denen jeweilige „Anlie-gen“ thematisiert werden können. An drei Beispielen können diejeweiligen Netzwerkbezüge verdeutlicht werden:

Page 31: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 31

Zielgruppenorientierte Netzwerke(z.B. Seniorinnen und Senioren)

Funktionen: Wohnen, Feizeit, Gesundheit, Bildung, usw.Raum: kommunal, regional

- zentrale Service- und Beratungsstellen- kommunale Dienststellen- Freiwilligenzentren- Selbsthilfegruppen- Senioren- und Pflegeeinrichtungen- Einrichtungen der offenen Altenhilfe- Spezielle Dienstleister- Fahrten- und Reiseveranstalter- ...

Funktionale bzw. sektorale Netzwerke(z. B. Arbeit / Qualifizierung)

Zielgruppen: arbeitslose Asylanten, Aussiedler, Jugendliche,Frauen, Behinderte, usw.Raum: kommunal, regional, überregional- EU- Bundes- und/oder Landesministerien- Arbeitsamt- Sozialamt- Beschäftigungs- /Qualifizierungsträger- Bildungseinrichtung- Unternehmen

Lokale, sozialräumliche Netzwerke(z. B. Umzugsmanagement)

Zielgruppen: grundsätzlich alleSektoren: grundsätzlich alleDer mehr oder weniger klar definierte soziale Raum- mit seiner historischen Tradition- mit den Wohnungen und dem Wohnumfeld- mit den Nachbarschaften, Milieus und Cliquen- mit der Infrastruktur- mit den ansässigen Vereinen, Institutionen, religiösen Ge-

meinschaften, sozialen und anderen Trägern- mit den Formen der Kommunikation und Auseinanderset-

zung...Der sozialräumliche Focus bedeutet, dass Kooperation und Ver-netzung unter sehr heterogenen und komplexen Bedingungenstattfinden muss

- mit unterschiedlichen Menschen und Themen (Kinder, Ju-gendliche, Senioren, Gesundheit, Bildung, Sport usw.)

- mit unterschiedlichen Trägern (Größe, Rechtsform, Hierar-chie, Tradition,...)

- mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen (Streetwork,Schule, Sportverein, Polizei, ASD, Lokale Agenda Gruppen...)

Im Alltag kann die Wahrnehmung ein und derselben SituationBearbeitungen in den unterschiedlichen Kontexten hervorrufenund dadurch unterschiedliche Netze aktivieren. Ich möchte dasan einem Beispiel erläutern. Im Stadtteil xy ist es mehrfach zu

Page 32: Rundbrief 1-2003

32 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Unfällen von Kindern auf dem Schulweg gekommen. Die Ziel-gruppe sind primär Kinder, im weiteren Sinne die Eltern. Durchdie funktionale Zuordnung Verkehr, Bildung und Infrastruktur kom-men die Schulen (Schulaufsicht), die Polizei, das Tiefbauamt,die Ordnungsbehörde, die Politik usw. ins Spiel. Im Rahmen ei-ner sozialräumlichen Betrachtung wird das Gefahrenpotential vonden betreffenden Eltern der Grundschule, der Rektorin bzw. denLehrern, dem „Dorfsheriff“, dem Verein „Kindgerecht“ und demOrtspolitiker aufgegriffen.

Jede Betrachtungsweise kann Handlungen auslösen, die imExtremfall die gleichen Ergebnisse zur Folge haben. Bei diesemBeispiel wird jedoch deutlich, welche Betrachtungsweise dengrößten, schnellsten und effektivsten Erfolg erzielen wird. Undwas Erfolgsstrategien in diesem Fall etwas mit Netzwerken zutun haben, erschließt sich von selbst.

3. Qualitätssicherung und Zielorientierung beisozialräumlicher Kooperation und Vernetzung

a) Kooperation und Vernetzung im Rahmen vonQualitätssicherung

Eine qualitätssteigernde Wirkung von Kooperation und Vernet-zung kann gelingen, wenn Kooperation und Vernetzung selbstunter Qualitätsgesichtspunkten im Unternehmen verankert sind.Das heißt für

- die Eingangs- /Konzeptqualität

Kooperation und Vernetzung werden als adäquate Mittel zur Ziel-erreichung angesehen. Partnerschaft und Zusammenarbeit sindim Leitbild der Unternehmen / Träger verankert. Im Rahmen ei-nes konkreten Projektentwurfes bzw. Arbeitskonzeptes sind Ko-operation und Vernetzung als unverzichtbare Strategie hinrei-chend dargestellt.- die StrukturqualitätDie Rahmenbedingungen für eine kooperative Arbeit (Art/Zahldes Personals, Räumlichkeiten, Ausstattung, Kompetenz) müs-sen gewährleistet sein.- die ProzessqualitätUmfang und Formen der Leistungserbringung müssen abge-stimmt sein. Verhalten und Einstellungen der Mitarbeiter und dieArt und Weise des Kundenkontaktes müssen „stimmen“.- die ErgebnisqualitätDas vereinbarte Ziel (Verbesserung von..., Hilfen zu...) konntedurch die Zusammenarbeit besser erreicht werden.

b) Kooperation und Vernetzung im Rahmen vonZielorientierung

Kooperation und Vernetzung ist in der Regel kein eigenständi-ges Ziel, sondern eine Strategie zur Erreichung von definiertenZielen. Beispiel:

Leitbild/Grundsatzziel

Verbesserung der Wohn- und Lebenssituation im StadtteilRahmenziele (unter anderem)

Im Rahmen der Jugendarbeit sollen Instrumente/Konzepte ent-wickelt und umgesetzt werden, die die Chancen aller Jugendli-chen zur gesellschaftlichen Integration erhöhen.Ergebnisziele (unter anderem)Beim Übergang von Schule zum Beruf/Ausbildung sollen ab 200495% aller Schulabgänger unter Berücksichtigung ihrer Interes-sen und Möglichkeiten versorgt sein.Strategien (unter anderem)Enge und verbindliche Zusammenarbeit von weiterführendenSchulen, Unternehmen, Arbeitsamt, Qualifizierungs- undBeschäftigungsträgern,.......Aufgaben (unter anderem)

· Konzepterstellung· Finanzierung sicherstellen· Kontaktaufnahmen zu Partnern· Abstimmungen· Formulierung von Zielvereinbarung· Kontraktabschluss

Kooperation und Vernetzung kann jedoch auch Ziel einer Institu-tion sein. Beispiel: Im Rahmen einer integrierten Stadtteil-entwicklung soll die Beteiligung und Kooperation aller vor Ortansässigen oder arbeitenden Träger und Akteure sichergestelltwerden.

4. Motive, Formen, Elemente, Gefahren undRahmenbedingungen für Vernetzung undKooperation

a) Warum werden Kooperationen und Netzwerkeaugebaut?

· normative (gesetzliche) Vorgaben· ökonomische Erwägungen (Spareffekte)· fachliche/inhaltliche Überlegungen (Synergien)· Optimierung des Gesamthilfesystems· Sozialraumorientierte Ansätze implizieren vernetzte und

kooperative Arbeitsformen (Ganzheitlichkeit)b) Welche Formen von Kooperation und Vernet-zung gibt es?

· Punktuelle/s Kooperation/Netzwerk, die eher den Cha-rakter einer „Überweisung-Weiterleitung-Vermittlung“haben

· Zeitlich befristete oder kleinere Kooperation oder Ver-netzung (z.B. gemeinsame Feste, Veranstaltungen,Workshops)

· Längerfristige, eher verbindliche Zusammenarbeit, diesich auf bestimmte Zielgruppen (Kinder, Jugendliche,Aussiedler, Frauen...) oder Handlungsfelder (Arbeitslo-sigkeit, Ökologie, Sauberkeit, Integration...) beziehen

· Vertraglich geregelte Zusammenarbeit zweier odermehrerer Einrichtungen / Institutionen

· Sonderform: Stadtteilkonferenz, Stadtteilforum

c) Wie kommen Kooperationen und Vernetzungzustande?

Page 33: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 33

d) Was sind nützliche Elemente von Kooperationund Vernetzung?

• Finanzielle Ressourcen• Personelle Ressourcen• Fachliche Kenntnisse, Fähigkeiten, Talente• Räume• Ausstattung, Inventar• Kontakte, Reputation

e) Was sind Gefahren und mögliche Gründe fürein Scheitern?

• Wegbrechen wesentlicher Voraussetzungen(Ressourcen)

• Rückzug eines institutionellen Partners• Weggang eines wichtigen Akteurs• Konflikte zwischen den Partnern• Erledigung bzw. Relevanz der Aufgabenstellung

f) Wie können Kooperationsbeziehungen erfolg-reich gestaltet werden?*

1. Sozialraumprojekte leben von der Gestaltung erfolgreicherKooperationsbeziehungen. Die Qualität der Kooperations-beziehungen ist ausschlaggebend für das Gelingen einesProjektes.

2. Kooperation bezeichnet den Zusammenschluss von Bür-gern, Fachleuten und Institutionsvertretern zum gemeinsa-men Erreichen gemeinsamer und miteinander abgestimm-ter und vereinbarter Ziele.

3. Grundlage der Koope-ration ist die unbedingteFreiwilligkeit der Beteili-gung bzw. Nichtbeteiligung.Keiner kann zur Kooperati-on gezwungen werden.

4. Kooperation ist dauer-haft nur dann erfolgreich,wenn alle Kooperations-partner das Gefühl haben,davon zu profitieren. Diessetzt voraus, dass jederPartner wahrnimmt, das erdem anderen wichtig undvon diesem akzeptiert ist.

5 . K o o p e r a t i o n s -beziehungen sind von emo-tionalen Faktoren geprägt.Je angenehmer die betei-l igten Personen dasKooperationsklima (Men-schen, Umgehensweisen,räumliche Gestaltung, Ver-bindlichkeiten undVerlässlichkeit) erleben, de-sto trag- und belastungs-fähiger ist die Kooperation.

6 . K o o p e r a t i o n s -beziehungen müssen gepflegt und immer wieder neu belebtwerden. Dazu gehört die Prüfung, ob noch die gemeinsamenZiele gelten, die gegenseitige Akzeptanz gegeben ist und dergegenseitige Nutzen gesehen wird.

7. Zur Anbahnung von erfolgreichen Kooperationsbeziehungengehören

- Bestimmung eigener Problemdefinition, Zielsetzung undwünschenswerte Partner,

- das Hineinversetzen in die Kooperationspartner, ihre Ziele,Interessen und mögliche Widersprüche,

- die Entwicklung einer Handlungsstrategie, die ressourcen-orientiert an den Zielen und Interessen der Partner ansetztund die Attraktivität einer Kooperation für alle Beteiligten inden Vordergrund stellt.

Page 34: Rundbrief 1-2003

34 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

5. Stadtteilkonferenz (Möglichkeitsskizze)

Funktion/Aufgabe: Die Stadtteilkonferenz will die im Ortsteilansässigen und tätigen Netzwerke, Einrich-tungen, Initiativen und Bürger/innen unter-stützen, einen wechselseitigen Informati-onsaustausch ermöglichen und die im Rah-men der kommunaler Verantwortung mögli-che Unterstützung sicherstellen. Hierzu wirdeine enge Zusammenarbeit mit den politi-schen Gremien und der Verwaltung ange-strebt.

Termin, Ort: Die Stadtteilkonferenz wird zweimal proJahr (im April und November) im Saal des/der................zusammenkommen.

Leitung: Die Stadtteilkonferenz tagt grundsätzlichöffentlich. Die Termine und Beratungspunk-te werden in der Tagespresse bekannt ge-geben. Darüber hinaus erhalten die örtli-chen Akteure und Institutionen eine schriftli-che Einladung.

Teilnehmer : Die Stadtteilkonferenz bestimmt eine/nVersammlungsleiter/in und eine/n stellvertre-tende/n Versammlungsleiter/in, die für zweiJahre die Konferenzen moderieren.

Beschlüsse: Die Stadtteilkonferenz fasst ihre Beschlüssegrundsätzlich einvernehmlich. Kann zu be-stimmten Punkten kein Konsens erzielt wer-den, entscheidet die einfache Mehrheit deranwesenden Teilnehmer/innen. Die Be-schlüsse haben ausschließlich empfehlen-den Charakter.

Protokoll: Über die Sitzungen wird ein Protokoll ange-fertigt.

Geschäftsführung: Zur Organisation, Vorbereitung und Nach-bereitung der Stadtteilkonferenzen wird eingeschäftsführender Ausschuss eingesetzt.Mitglieder des Ausschusses sind der/dieVersammlungsleiter/in, der/die stellvertre-tende Versammlungsleiter/in, ein geschäfts-führendes Mitglied der Stadtteilkonferenz.oder: Die Einrichtung x, y, z übernimmt diegeschäftsführenden Aufgaben (Einladung,Organisation, Protokoll)

Page 35: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 35

Page 36: Rundbrief 1-2003

36 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Einführung in Beteiligungsmethodenund Gesprächstechniken

Der Ablauf (Teil 2)

Beispiel: Beteiligung an der BauleitplanungKatja Niggemeier stellte Beteiligungsmaßnahmen im Rahmen der Bauleitplanung anhand des ReichsbahnAusbesserungsWerkes „FranzStenzer“ (RAW) in Berlin-Friedrichshain dar.

Die 10 ha große Fläche nördlich des S-Bahnhofes Warschauerstrasse liegt seit 1994 brach. Im Juli 1998 wurde von einer GruppeFriedrichshainer Anwohner und anderen Interessierten der „RAW-tempel e.V“ gegründet, um Gebäude und Freiflächen durch vorwie-gend kulturelle Zwischennutzung zu beleben und zu erhalten. Einer der ca. 30 Projektpartner des RAW-tempel e.V. ist die workstationIdeenwerkstatt Berlin e.V., die sich inhaltlich u.a. mit neuen Formen von Beschäftigung und nachhaltiger Stadtentwicklung auseinander-setzt.

Im Frühjahr 2001 rief die workstation e.V. auf ehrenamtlicher Basis einen Ideenaufruf ins Leben, um die Öffentlichkeit für die Entwicklungdes Geländes zu interessieren und zu einer Beteiligung an der Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Gelände zu motivieren, demein diskursiver Wettbwerb mehrerer Planungsbüros voranging.Der Verein bediente sich dazu einer Mischung unterschiedlichster Methoden wie „Planing for Real“, künstlerisch-theatralischer Techni-ken, kultureller Happenings sowie regelmäßiger Informationsstände an belebten öffentlichen Orten im Stadtteil und Planungswerkstätten.Gastvorträge von engagierten Akteuren aus den Bereichen Architektur, Stadt- und Freiraumplanung, in deren Rahmen auch allgemeineFragen zeitgemäßer und nachhaltiger Stadtentwicklung, temporäre Nutzung von Stadtbrachen etc. thematisiert wurden, ergänzten dasSetting. Darüber hinaus beteiligte sich der Verein an einer Vielzahl von Gremien und Arbeitskreisen auf Bezirks- und Senatsebene undkooperierte mit universitären Forschungsprojekten.

Insgesamt wurden rund 2.000 Inputs zu Gestaltungsvorschlägen gesammelt. Wesentlich bedeutungsvoller als die Sammlung vonGestaltungsvorschlägen war nach Ansicht von Katja Niggemeier jedoch der Prozess der Aktivierung und Vernetzung von Menschenauf dem Gelände selbst und im Stadtteil, der auch über den Planungsprozess hinaus zur Entwicklung von Projektideen und teilweisewirtschaftlich tragfähigen Strukturen geführt hat.

Konkrete Gestaltungsmöglichkeiten stellen dabei den stärksten Motivationsfaktor für die Beteiligung dar. Um den notwendigen langenAtem zu behalten, bedarf es eines Netzwerkes von engagierten und idealistischen Menschen ebenso wie der Gewährleistung vonInteressensvielfalt. Entscheidend für die Tragfähigkeit und den Erfolg von Beteiligung ist die Offenheit und Transparenz des Prozesses.

Auch wenn der Beteiligungsrahmen nur bedingt auf Schöneberg Nord übertragbar ist, ergeben sich aufgrund der Nähe zu einembrachliegenden Eisenbahngelände doch interessante Anknüpfungspunkte für einen weiteren Austausch zumal ein wesentlicher Akteurbeim Gleisdreieck (Vivico Real Estate) identisch ist. Es wurde in der AG ein weiterer Informationsaustausch vereinbart.

In fünf Arbeitsgruppen wirddas Thema Mobilisierungund Beteiligung durch Vor-träge, Präsentationen undGespräche vertieft. Die Dif-ferenzierung der Themenerfolgt vor dem Hintergrund,dass die Teilnehmendenjeweils mit sehr unter-schiedlichen Zielgruppenarbeiten bzw. unterschiedli-chen Interessens-schwerpunkten an der Ver-anstaltung teilnehmen.

Es werden folgende Themen-schwerpunkte gewählt:

· Die aktivierende Befragung - EinKlassiker der Gemeinwesenarbeit

· Intensivtraining Gesprächsführung· Beteiligung von Kindern· Mobilisierung von Jugendlichen· Bürgerbeteiligung im Rahmen der

Bauleitplanung

Page 37: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 37

Die Netzwerkanalyse verfolgt das Ziel, Kooperationsbeziehungen und Vernetzung im Stadtteil durch Visualisierung transparenterund mittels nachvollziehbarer Parameter einer Evaluation zugänglich zu machen. Die Analyse erfolgt in zwei Schritten. Im ersten wirdeine Netzwerkkarte erstellt, in der die wesentlichsten sozialen Akteure im Sozialraum festgehalten sind. Im zweiten Schritt erfolgt dieBewertung bestehender Netzwerkorgane (Arbeitskreise, Gremien, Räte).

Netzwerkanalyse

Zunächst werden die Teilnehmenden auf-gefordert, in den ausgeteilten Arbeits-blättern anhand von unterschiedlichen Li-nien die eigenen Beziehungen und ihrejeweilige Qualität darzustellen. Dazu wer-den in Anlehnung an den Vortrag von HeinzAltena vier Kategorien angeboten:

• Punktuelle Kooperationen, die eherden Charakter einer Vermittlung ha-ben.

• Zeitlich befristete projektorientierteKooperation (gemeinsame Feste,Veranstaltungen, Workshops etc.).

• Längerfristige, eher verbindliche Zu-sammenarbeit, die sich z.B. auf be-stimmte Zielgruppen (Kinder, Jugend-liche, Aussiedler, Frauen,...) oderHandlungsfelder (Arbeitslosigkeit,Ökologie, Sauberkeit, Integration...)beziehen.

• Vertraglich geregelte Zusammenar-beit zweier oder mehrerer Einrichtun-gen / Institutionen.

Die Ergebnisse werden dann in eine vor-bereitete Netzwerkkarte (Format ca.1,80x1,20m ) übertragen. Hier sind allebisher an der Veranstaltungsreihe beteilig-ten Einrichtungen, Dienste und Verwal-tungsstellen bereits eingetragen (nachArbeitsfeldern und Trägerschaft sortiert,um die Orientierung zu erleichtern). Die-se können mittels weiterer Blankokartenergänzt werden. Über die Qualität der Be-ziehung müssen sich die Akteure (soweitanwesend) einigen. In kürzester Zeit ent-steht so ein zwar nicht vollständiger aberdoch umfassender und vielschichtigerBlick auf die Beziehungen und Netzwerkeim Stadtteil.

Die Erstellung der Netzwerkkarte

Page 38: Rundbrief 1-2003

38 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Evaluation der KooperationsbeziehungenErfahrungsgemäß können nicht alle Teil-nehmenden gleichzeitig Eintragungen indie Netzwerkkarte vornehmen. Deshalbwird ihnen parallel dazu Gelegenheit ge-geben, sich Gedanken über dieKooperationsbeziehung zu machen. Hilfe-stellung bietet dabei ein tabellarisches

Evaluationsraster mit den Parametern„praktische Wirksamkeit“ (Effektivität),„strategische Bedeutung“ (Wichtigkeit)und „Aufwand-Nutzen-Verhältnis“ (Effizi-enz). Diese Evaluation dient der individu-ellen Reflektion. Sie ist nicht Teil der ge-meinsamen Analyse.

Nachdem Kooperationspartner undKooperationsbeziehungen transparentergeworden sind, werden die Kooperations-organe im Sozialraum unter die Lupe ge-nommen. Das können Gremien, Arbeits-kreise, Räte usw. sein. Zunächst werdendie Teilnehmenden aufgefordert,Kooperationsorgane zu nennen, die für sievon Bedeutung sind. In vorbereiteten Po-stern, die an Wänden bzw. Pin-Wänden imRaum verteilt sind (Format ca 1.20x1m)werden die Namen eingetragen. Die Teil-nehmenden werden aufgefordert, sich fürdie Analyse jeweils eines Kooperations-organs zu entscheiden.

Analyse der Kooperationsorgane Anhand von ausgeteilten Arbeitsblätternwerden diese Organe qualitativ analysiertund bewertet. Folgende Parameter stehenfür die qualitative Analyse zur Verfügung:

• Die Bedeutung des Informationsaus-tauschs

• Die Bedeutung des Zugangs zu ma-teriellen Ressourcen

• Die Bedeutung der Beteiligung anstrategisch wichtigen Entscheidun-gen

• Die Bedeutung kreativer Prozesse(Ideenschmiede, Projektentwicklungetc.)

• Die Bedeutung sonstiger Aspekte(Zielfindung, Organisatorisches etc.)

Auf einer Tortengrafik mit 12 Feldern kanndie Bedeutung der verschiedenen Aspek-te farblich dargestellt werden. Diese „Tor-ten“ werden anschließend auf die Posterder entsprechenden Kooperationsorganegeklebt und erlauben einen Überblicküber die Qualität aus Sicht der Akteure.

In einer ebenfalls auf dem Poster ange-brachten Tabelle werden mittels Klebe-punkten die Einschätzungen bezüglichEffektivität, Wichtigkeit und Effizienz (ana-log zur individuellen Evaluation derKooperations-beziehungen) dargestellt.

In einer abschließenden Runde werdendie einzelnen Organe kurz vorgestellt unddie Ergebnisse interpretiert.

Beispiel: Analyse der Ortsteil AG nach §78 SGB VIII

Die Ortsteil AG soll die Kooperation zwischen allen im Jugendhilfebereich tätigen Akteuren des Sozial-raums fördern und zu einer Abstimmung der Angebote beitragen. Gesetzliche Grundlage bildet der §78SGB VIII. Die meisten Teilnehmenden entschieden sich für eine Analyse dieses Organs.

Interpretation auf der Basis von 13 Beiträgen:

Dem Informationsaustausch kommt in der OAG am meisten Bedeutung zu. Die Einschätzung der übrigen Aspekte istsehr heterogen, was auf unterschiedliche Ansprüche und Erwartungen hindeutet und darauf, dass sich noch keingemeinsames Verständnis herausgebildet hat, möglicherweise, weil die Kompetenzen des Organs noch nicht klardefiniert sind. Darauf deuten auch die vielen „weißen Flecken“ auf den Tortengrafiken. Dem entsprechend ist auch dieEinschätzung von Effektivität und Effizienz dieses Organs eher niedrig angesetzt. Der strategischen Bedeutung wirddagegen hohes Gewicht beigemessen.

Page 39: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 39

Projektbörse

Beispiel: Wie projektorientiert neue Kooperationsbeziehungenentstehen können

In einer kommunalen Kita (Hochkirchstraße) gibt es seit geraumer Zeit Überlegungen, die relativgroße Freifläche der Einrichtung für die verschiedenen Altersgruppen interessanter zu gestalten.Einerseits war an ein Gartenprojekt gedacht, andererseits an einen Abenteuerspielbereich für dieälteren Kinder. Eine Landschaftsplanerin hat dazu Gestaltungsvorschläge erarbeitet und es konntenverschiedene Materialien akquiriert werden. Außerdem stehen eine Werkstatt bzw. ein umfangrei-ches Kontingent an Werkzeugen zur Verfügung. Allerdings fehlt es an handwerklichen Fachkräftenund einer verantwortlichen und fachlich erfahrenen kontinuierlichen Koordination der Maßnahme.

Die Arbeit des freien Trägervereins „Welt MIR e.V.“ ist akut gefährdet. Eine ABM-Maßnahme für 9Arbeitskräfte läuft in absehbarer Zeit aus. Die umfangreiche z.T. drogenprophylaktische Arbeit mitAussiedler-Familien aus Russland kann durch ehrenamtliche Arbeit allein nicht bewältigt werden. Fürdie Arbeit im zentralen Aufnahmelager stehen dort immerhin kostenlos Wohnungen zur Verfügungund es ist auch eine punktuelle Arbeit auf Honorarbasis denkbar. Der Verein verfügt über großekulturelle und handwerkliche Ressourcen, Improvisationsvermögen in Bezug auf den Umgang mitknappen Ressourcen und einen Zugang zu jungen Menschen, die bereit sind, sich im Stadtteil zuengagieren Gesucht wird Unterstützung für die Befürwortung einer Verlängerung der ABM-Maß-nahme und ebenso die Antragstellung bei Stiftungen sowie Akquisition von Honorarmitteln im Rah-men von Dienstleistungen im Stadtteil.

Im weiteren Gespräch wird angeregt zu prüfen, in wieweit beispielsweise junge Menschen aus demProjekt für Suchtprophylaxe für die künstlerische und garten-gestalterische Entwicklung der Kita-Freifläche eingesetzt werden können. Über einen entsprechenden Leistungsvertrag mit dem Vereinkönnten diesem in gewissem Umfang Mittel zur Verfügung gelangen, die er wiederum für Honorar-tätigkeiten im zentralen Aufnahmelager für Aussiedlerfamilien mit nutzen kann. Die Betreuung derjungen Menschen für befristete Maßnahmen könnte der Verein über eine Mischung aus ehrenamtli-cher Tätigkeit und Stiftungsmitteln gewährleisten.

Bei der Projektbörse steht die Arbeit an kon-kreten Projekten im Vordergrund, für dieeine Kooperation im Stadtteil notwendig ist:Ein gemeinsames Straßenfest, die Einrich-tung einer Tauschbörse, der Aufbau einesnachbarschaftlichen Dienstleistungsunter-nehmens oder die Belebung von „langwei-ligen“ Freiflächen.... Hier stellen die Teil-nehmenden Projekte vor, für die sie nochKooperationspartner suchen und entwik-keln ausgehend von konkreten Problemengemeinsam Projektideen.

In einer Vorstellungsrunde stellen die Teil-nehmer/innen sich und ihre Arbeit vor. Imnächsten Schritt werden Probleme bzw.Projektvorschläge dargestellt. Schließlichwerden die jeweils vorhandenen Ressour-cen identifiziert und Kooperationsmöglich-keiten ausgelotet.

Beispiel: Kooperation innerhalb eines Wohnumfeldprojektes

· Eine Brachfläche mit einschränkenden Nutzungsbestimmungen soll belebt werden· Die Federführung übernimmt ein Institut· Finanzielle Ausstattung durch das Grünflächenamt· Eine breite Bürgerbeteiligung ist gewollt· Mitarbeiter aus dem Institut nimmt Kontakt zu Multiplikatoren und zu den zuständigen Ämtern

auf und gewinnt Kooperationspartner (den Mitarbeiter einer Wohnungsbaugesellschaft,eine engagierte Lehrerin, Mitarbeiter der Naturschutzstation, einen freien Träger)

· Da auf der Brachfläche das Wasser nicht versickert, schlägt der Landschaftsplaner denBau eines Teiches als Projekt vor. Dieser Vorschlag wird aufgegriffen

· Die Schule übernimmt die Patenschaft für den Teich· Die Wohnungsbaugesellschaft übernimmt die Reinigung des Teiches· Der ansässige Verein nutzt die „Wassersäule“ als Kinderspielecke· Der Verein kann zunächst seine Arbeit vor Ort weiterführen· Das Ganze wurde bei einem Pizza-Essen als Idee entwickelt und ins Leben geschickt

Vermittlung von Best-Practice-Erfahrungen

In der Arbeitsgruppe werden von den Teilneh-menden Beispiele einer gelungenen Zusam-menarbeit bzw. von Kooperationen im Sozial-raum vorgestellt. Die Palette der Beispiele kön-nen von punktuellen bis zu vertraglich besiegel-ten Formen reichen. In der anschließenden Dis-kussion werden Gemeinsamkeiten heraus ge-arbeitet:

Page 40: Rundbrief 1-2003

40 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Sozialraum-Quiz

Ein Teil der letzten Veranstaltung dient derReflexion über die gesamte Ver-anstaltungsreihe. Dazu sollen wesentlicheThemen und Fragestellungen wachgeru-fen werden. Um ein bloßes Repetierenund passives Zuhören zu vermeiden wirddie Form eines Sozialraumquiz gewählt.

Aus der umfangreichen Sammlung an In-puts während der Veranstaltungen werdenSchlüsselfragen ausgewählt. Die Fragenbeziehen sich sowohl auf Referate alsauch auf die dokumentierten Ergebnisseder Arbeitsgruppen. Es werden Fragen zu

allen Veran-staltungsteilender Qualifi-zierungsreihegestellt. Dabeiwird die Veran-staltung sozusa-gen in umge-kehrt chronolo-gischer Reihen-folge durchwan-dert, so dass dieFragen nachund nach im-mer schwierigerzu beantwortensind.

Bei der Beant-wortung kommt es nicht nur auf Schnel-ligkeit, sondern auch auf Exaktheit derAntwort an. Jede Gruppe erhält ein Glöck-

chen. Die Gruppe, die zuerst klingelt hatVorrang bei der Antwort. Ist die Antwort je-doch falsch, bekommt eine andere Grup-pe die Chance zur Antwort usw. Gäste bzw.neutrale Personen übernehmen die Rol-len der Schiedsrichter bzw. des Bewertensam Punktezähler

Dieser „kognitive“ Teil wird durch weiterespielerische und körperbetonte Elemen-te aufgelockert. Den Auftakt bildet eineKooperationsübung mit Hula-Hup-Reifen:Die Aufgabe besteht darin, den Reifen, derzunächst auf Bauchhöhe und in der Mitteeiner Gruppe jeweils auf einem Finger derlinken Hand balanciert wird, gemeinsamauf den Boden zu legen ohne den Finger-kontakt zum Reifen zu verlieren – einescheinbar leichte Aufgabe, die sich aberdurchaus als große Herausforderung fürdie Gruppen entpuppen kann. WeitereElemente sind die Zusammensetzung vonPuzzleteilen des Sozialraum-Stadtplansund ein Zuordnungsspiel.

Den Abschluss bildet die Siegerehrung.Das Gewinnerteam erhält jeweils einenJonglierball (symbolisch für die verschie-denen Aspekte der Sozialraum-orientierung: sich den Ball zuspielen, zumMitspielen mobilisieren, als tauschbareRessource...) und eine gerahmte kolorier-te Miniaturversion des Sozialraum-Stadt-plans, der uns während der Veranstaltungimmer wieder begleitet hat.

Page 41: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 41

Page 42: Rundbrief 1-2003

42 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Die Qualität der Veranstaltung aus Sicht der Teilnehmenden

Evaluation und Dokumentation

Jede Einzelveranstaltung war von einemEvaluationsprozess begleitet. Dazu wur-den den Teilnehmenden jeweils teil-standardisierte Fragebögen ausgehän-digt, die vor Ort ausgefüllt oder nachge-reicht werden konnten. Aufgrund der un-terschiedlichen Themen und organisato-rischen Rahmenbedingungen (teilweiseganztägige, teilweise halbtägige Veran-

staltungen) mussten die Fragebögen je-weils modifiziert werden. Die Ergebnissewaren nicht nur bei den weiteren Vorbe-reitungen hilfreich, sie wurden auch inzeitnahe Zwischendokumentationen auf-genommen, die zusammen mit der Einla-dung zur jeweils nächsten Veranstaltungverschickt wurden.

Beispiel: Bewertung der Veranstaltung vom 13.02.2003

Bewertung der Veranstaltungsreihe insgesamt

Der Evaluationsprozess und die zeitnaheDokumentation waren als Elemente einesQualitätssicherungsprozesses angedacht,wurden ihrerseits aber von den Teilneh-menden auch als besondere Qualitätwahrgenommen. In sofern hatte die Qua-litätssicherung auch qualitätssteigerndenCharakter.

Wenn wir auch nicht allen Erwartungengleichermaßen gerecht werden konnten,so haben angesichts der Heterogenität der

Teilnehmenden die Rückmeldungen (ins-besondere hinsichtlich der Moderationselbst) doch unsere eigenen Erwartungenübertroffen.

Wir wollten uns aber auf standardisierteund schriftliche Rückmeldungen alleinenicht verlassen. Deshalb fand zusätzlicham Ende der Abschlussveranstaltung einegemeinsame mündliche Auswertung statt,die in Stichworten protokolliert wurde.

Page 43: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 43

Kommentare und mündliche Auswertung:

Das hat mir gefehlt / ist zu kurz gekommen:

• Experten/innen, welche die Umstellung auf Sozialraum-orientierung schon mitgemacht haben

• Genauere räumliche Definition des Sozialraums Nord – Blickauf alle Besucher des Ortsteils

• Erweiterung des Teilnehmerkreises um Tagespflegestellenund freie Träger im KITA-Bereich

• Die üblichen Abwesenden waren auch wieder abwesend

Das hat mir gut gefallen / hat mir am meisten gebracht:

• Die professionelle Organisation der Veranstaltungsreihe - diegute Vorbereitung und Dokumentation

• Die Exkursionen in den Stadtteil• Gut verständliche und knappe Referate in der ersten Veran-

staltung• Der lebendige Ablauf• Die ersten zwei sehr praktisch orientierten Veranstaltungen• Das Kennenlernen anderer Träger• Die Hinwendung zum Sozialraum Schöneberg Nord• Die praktische Orientierung• Die Arbeit in den Kleingruppen• Dass kommunale und freie Träger zusammenkamen• Dass auch „Externe“ dabei waren• Die Recherche / Interviews im Vorfeld• Dass der politische Verteilungskampf draußen vor blieb

Die Qualität der Veranstaltung aus Sicht des Moderationsteams

Wesentliche Voraussetzung für die nachunserer Einschätzung gelungeneVeranstaltungsreihe war der Vor-Ort-Be-zug. Dieser machte sich nicht nur durchdie Wahl des Veranstaltungsortes imSozialraum selbst fest, sondern auchdurch die logistische Zusammenarbeit mitdem Nachbarschaftsheim „Kiezoase“.Das Prinzip der Ressourcenorientierung,das ein wesentliches Element der Sozial-raumorientierung darstellt, haben wir prak-tisch auf die Rahmenbedingungen über-tragen.

Die große Bereitschaft vieler Akteure derJugendhilfe, uns im Rahmen der Vorge-spräche Orientierung für die sinnvolleGestaltung der Veranstaltungsreihe zugeben, und die Offenheit auch hinsichtlichder Äußerung unterschiedlicher Beden-ken hat ebenfalls erheblich zur späterenQualität beigetragen.

Die Kooperationsbereitschaft und aktiveUnterstützung von verschiedenen Ver-waltungsfachkräften und Expertinnen aus

anderen Fachbereichen half uns, denBlick für den Sozialraum zu erweitern. DieBeiträge dieser Fachleute im Rahmen desPanoramas waren eine große Bereiche-rung.

Die Einbeziehung von Akteuren des Wirt-schaftslebens jenseits der Wirtschaftsför-derung und die stärkere Repräsentanz voninterkulturellen Kompetenzen im Bereichder allgemeinen sozialen Dienste hätteder Reihe vermutlich noch weitere hilfrei-che Impulse gegeben. Eine größereAltersmischung unter den Teilnehmendenwäre ebenfalls wünschenswert gewesen.(Dies lässt sich freilich kaum steuern –vorhandenes Personal ist so alt bzw. jungwie es ist).

Die Mischung an unterschiedlichen Blick-winkeln und inhaltlichen Beiträgen, die imRahmen der Möglichkeiten zu erreichenwar, bedeutete nach unserer Einschät-zung jedoch bereits einen deutlichenQualitätssprung gegenüber klassischenFortbildungsmaßnahmen.

Die Bewertung, die sich aus den Rückmel-dungen in Bezug auf die zeitliche Dimen-sion der Veranstaltungsteile ergab, decktsich mit unseren eigenen Einschätzun-gen: Es macht Sinn, Veranstaltungenganztägig anzulegen, um dadurch Raumfür intensive Inputs mit anschließenderDiskussion, eigenen praktischen Übun-gen und Lernschritten verbunden mit grö-ßerer Methodenvielfalt sowie Zeiten fürmehr individuell gesteuerten Austausch zuschaffen.

Die interdisziplinäre und gemischte Zu-sammensetzung des Moderationsteams(eine Sozialpädagogin, ein Landschafts-planer) wirkte sich ebenfalls befruchtendauf die prozesshafte Gestaltung derQualifizierungsreihe aus. Dass der jewei-lige Kenntnisstand über den Sozialraumunterschiedlich ausgeprägt war, erwiessich für uns keineswegs als Belastung,sondern beförderte die ausgewogene Mi-schung aus Vertrautheit und Unvoreinge-nommenheit.

Page 44: Rundbrief 1-2003

44 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Mit der Veranstaltungsreihe „Menschen-Mythen-Möglichkeiten“ sollten exemplarisch Bausteine fürFortbildungen in anderen Ortsteilen des Bezirks ent-wickelt werden. Einige der angewandten Methodenbzw. Module lassen sich ohne weiteres übertragenund sind auch über den Bezirk bzw. Berlin hinausanwendbar. Die entsprechenden Arbeitsunterlagenhaben wir in der Materialsammlung dokumentiert.Die Abschlussdokumentation lässt sich in diesemSinne nicht nur als Anregung, sondern auch alsMaterialmappe gebrauchen. Durch die ausführli-chen Einzeldokumentationen der vier Veranstaltun-gen liegt auch genügend Anschauungsmaterial vor,wie sich mit diesen Elementen ein sinnvollerVeranstaltungsablauf gestalten lässt.

Andere Elemente müssen den örtlichen Gegeben-heiten angepasst werden. Die Zusammenarbeit unddie gewonnenen Erfahrungen von Mitarbeiter/innenaus der kommunalen Verwaltung und der freien Trä-ger in Schöneberg-Nord lassen sich nicht ohne wei-teres theoretisch auf andere Ortsteile übertragen.Bestimmte Arbeitsschwerpunkte und Themen sinddarüber hinaus ortsteiltypisch und müssen im Rah-men von Interviews jeweils im Vorfeld eruiert wer-den. Soll der wesentliche Effekt einer vertrauensvol-len Zusammenarbeit von Mitarbeitenden aus unter-schiedlichen Arbeitsbereichen sowohl freier alsauch kommunaler Träger erreicht werden, sind Ver-anstaltungen vor Ort unumgänglich. Unabhängig da-von schafft die Einrichtung von Internet-Datenban-ken auch Verknüpfungsmöglichkeiten über dieSozialraumgrenzen hinweg und sorgt somit dafür,dass sozialraumorientierte Jugendhilfe „an den Rän-dern offen bleibt“..

Ausblicke...Die Datenbank zum Sozialraum Schöne-berg-Nord ist so angelegt dass die einge-tragenen Institutionen ihre Stammdaten ei-genständig ergänzen und aktualisierenkönnen. In den nächsten Monaten wird esdarauf ankommen, alle Akteure über die-se Möglichkeiten zu unterrichten. DieAlltagstauglichkeit wird sich im Laufe derZeit erweisen. Die Mitglieder der Ortsteil-arbeitsgruppe (nach §78 SGB VIII) habenin der letzten Veranstaltung erste Überle-gungen formuliert, wie sich die Sozial-raumorientierung in ihrer konkreten Arbeitmanifestieren wird.

Besonders die fallunspezifische Arbeit istin vielen Bereichen noch lange nicht alsKerngeschäft selbstverständlich und be-darf weiterhin erhöhter Aufmerksamkeit.

Im Hinblick auf die Übertragung unsererErfahrungen auf andere Ortsteile er-scheint uns wichtig, einen Aspekt beson-ders hervorzuheben: Es ist sinnvoll, einegemeinsame Fortbildung für Akteure ausallen Bereichen der Jugendhilfe der Bil-dung und Qualifizierung von Sozialraum-teams (Fachteams für die „Falleingangs-phase“) vorausgehen zu lassen. Damitkann eine gesunde Basis gelegt werden,um trotz unterschiedlicher Anpassungs-wege innerhalb und außerhalb der Verwal-tung zu einem gemeinsamen Grund-verständnis und einer abgestimmten Pra-xis zu kommen.

Page 45: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 45

Materialien

Page 46: Rundbrief 1-2003

46 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Materialien

Page 47: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 47

Materialien

Page 48: Rundbrief 1-2003

48 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Materialien

Page 49: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 49

Materialien

Page 50: Rundbrief 1-2003

50 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Materialien

Page 51: Rundbrief 1-2003

VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003 51

Das Moderationsteam

Birgit Weber, Dipl. Sozialpädagogin,Sozialmanagerin. langjährige Ge-schäftsführerin des Bundesverbandesfür sozial-kulturelle Arbeit e.V. Seit 2001freiberuflich tätig in der Fort- und Wei-terbildung, Konzept- und Strategiebe-ratung in NGO‘s; Schwerpunkte:inderdisziplinäre Vernetzung, sozial-kulturelle Arbeit, bürgerschaftliches En-gagement (nicht erst seit Menschen,Mythen, Möglichkeiten auch Sozial-raumorientierung)

Oliver Ginsberg, Landschaftsplaner,Sozialmanager und freier Autor, lang-jährige Tätigkeit in der offenen Kinder-und Jugendarbeit von Abenteuerspiel-plätzen und Kinderbauernhöfen, Ver-bandsarbeit und Erwachsenenbildung,seit 2003 tätig für den Verband für sozi-al-kulturelle Arbeit e.V., LV Berlin.

Page 52: Rundbrief 1-2003

52 VERBAND FÜR SOZIAL-KULTUELLE ARBEIT Rundbrief 1/2003

Der Rundbrief erscheint mitfinanzieller Unterstützung der

Glücksspirale