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INHALT 4 Programmvereinbarungen zwischen Bund und K antonen zur Förderung der Biodiversität im Wald 2008 bis 2011 Markus Bolliger 6 Strategie N aturschutz im Wald des K antons Z ürich Alain Morier und Urs Kuhn 9 1000 ha L ichte W älder für den K anton Z ürich René Bertiller und Andreas Keel 13 W ie L ichter Wald entsteht Andreas Keel und René Bertiller 15 L ichte W älder für Schmetterlinge Andé Hofmann 17 L icht und Totholz – D as Paradies für holzbewohnende K äfer Adrienne Frei 20 G raslilien und O rchideen im L ichten Wald Andreas Keel und René Bertiller 23 N utzen eines L iWa-Projekts für den Forstbetrieb Roland Steiner 25 L ichter Wald im Privatwald W ila-Sternenberg Rolf Stricker 28 A ustragsnutzungen im Wald Matthias Bürgi, Thomas Wohlgemuth, Stefan Zimmermann 30 V ier E xponenten der Schweizer H olzwirtschaft im Interview: R eicht das R undholz aus dem Schweizer Wald? 33 Stadt Z ürich: 30 M illionen Franken für die Erholung im Wald 35 Wald und W ild: keine K urskorrektur nötig 36 Überarbeitetes L ehrmittel Forstwarte 2006 Ruedi Weilenmann 38 DV D « Berufskunde Forstwart/Forstwartin» Ruedi Weilenmann 39 Der Abteilungsleiter geht in Pension Ruedi Weilenmann 41 A us dem W V Z -Vorstand 42 E inladung zur G eneralversammlung W V Z 42 W V S: Z ukünftige M itgliederbeiträge auf Basis von Waldfläche und H olznutzung? 43 « Z ukunft Privatwald Z ürich» : Impulsveranstaltung im Stammertal 44 SH F-Jahresrechung 2005 belastet durch Berner Verluste 45 Bahnwagenverfügbarkeit im H erbst 2006 45 W V Z -Vorstand: Weiterbildungsreise in den K anton Freiburg 46 G ottfried Bossi ist neuer Präsident des V SF 47 A us dem V Z F Vorstand 47 Wald – W ild an der W interthurer M esse 2006 48 51 L ichter Wald in der G emeinde D achsen (l.), Foto: R ené B ertiller; G rosser Schillerfalter (r.o.), Foto: E mil Stierli/Z W; Ästige G raslilie (r.m.), Foto: R ené Bertiller/Z W; Schrot-Z angenbock (r.u.), Foto: B eat Wermelinger/Z W 2 ZÜRCHER WALD 5/2006 Naturschutz im W ald Lichter Wald Holzwirtschaft Erholungswald Wald und Wild Ausbildung Nachrichten WVZ Nachrichten VZF Mitteilungen Agenda/Vorschau Titelbild: Sonderdruck aus Zürcher Wald 5/2006 mit Themenschwerpunkt "Lichter Wald"

S o n d e rd ru c k a u s Z rc h e r W a ld 5 /2 0 0 6 m ... · 4 P ro gram m verein b aru n gen zw isch en B u n d u n d K an to n en zu r F ... 3 0 M illio n en F ran k en f r d

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INHALT

4 Programmvereinbarungen zwischen Bund und K antonen zur Förderungder Biodiversität im Wald 2008 bis 2011 Markus Bolliger

6 Strategie N aturschutz im Wald des K antons Z ürich Alain Morier und Urs K uhn

9 1000 ha L ichte W älder für den K anton Z ürich René Bertiller und Andreas K eel

13 W ie L ichter Wald entsteht Andreas K eel und René Bertiller

15 L ichte W älder für Schmetterlinge Andé Hofmann

17 L icht und Totholz – Das Paradies für holzbewohnende K äfer Adrienne Frei

20 G raslilien und O rchideen im L ichten Wald Andreas K eel und René Bertiller

23 N utzen eines L iWa-Projekts für den Forstbetrieb Roland Steiner

25 L ichter Wald im Privatwald W ila-Sternenberg Rolf Stricker

28 Austragsnutzungen im Wald Matthias Bürgi, Thomas Wohlgemuth, Stefan Zimmermann

30 V ier E xponenten der Schweizer H olzwirtschaft im Interview:R eicht das R undholz aus dem Schweizer Wald?

33 Stadt Z ürich: 30 M illionen Franken für die E rholung im Wald

35 Wald und W ild: keine K urskorrektur nötig

36 Überarbeitetes L ehrmittel Forstwarte 2006 Ruedi W eilenmann

38 DV D « Berufskunde Forstwart/Forstwartin» Ruedi Weilenmann

39 D er A bteilungsleiter geht in Pension Ruedi W eilenmann

41 Aus dem W V Z -Vorstand42 E inladung zur G eneralversammlung W V Z42 W V S: Z ukünftige M itgliederbeiträge auf Basis von Waldfläche und

H olznutzung?43 « Z ukunft Privatwald Z ürich» : Impulsveranstaltung im Stammertal44 SH F-Jahresrechung 2005 belastet durch Berner Verluste45 Bahnwagenverfügbarkeit im H erbst 200645 W V Z -Vorstand: Weiterbildungsreise in den K anton Freiburg

46 G ottfried Bossi ist neuer Präsident des V SF47 Aus dem V Z F Vorstand47 Wald – W ild an der W interthurer M esse 2006

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L ichter Wald in der G emeinde D achsen (l.), Foto: R ené B ertiller;G rosser Schillerfalter (r.o.), Foto: E mil Stierli/Z W;Ä stige G raslilie (r.m.), Foto: R ené B ertiller/Z W;Schrot-Z angenbock (r.u.), Foto: B eat Wermelinger/Z W2 ZÜR C H E R W A LD 5/2006

N aturschutzim W ald

Lichter W ald

Holzwirtschaft

Erholungswald

W ald und W ild

Ausbildung

N achrichten W VZ

N achrichten VZF

Mitteilungen

Agenda/Vorschau

Titelbild:

Sonderdruck aus Zürcher Wald 5/2006 mit Themenschwerpunkt "Lichter Wald"

ZÜRCHER WALD 5/2006 3

EDITORIAL

38. Jahrgang, erscheint jeden zweiten Monat

HerausgeberHerausgeberHerausgeberHerausgeberHerausgeberVerband Zürcher Forstpersonal

RedaktionskommissionRedaktionskommissionRedaktionskommissionRedaktionskommissionRedaktionskommissionNathalie Barengo, August Erni, Ruedi Keller,Georg Kunz (Präs.), Ruedi Weilenmann

RedaktionRedaktionRedaktionRedaktionRedaktionUrs RutishauserFelix Keller (Stv.)

Gestaltung und SatzGestaltung und SatzGestaltung und SatzGestaltung und SatzGestaltung und SatzIWA – Wald und Landschaft

RedaktionsadrRedaktionsadrRedaktionsadrRedaktionsadrRedaktionsadresseesseesseesseesseIWA – Wald und Landschaft AG,Hintergasse 19, Postfach 159, 8353 ElggTel. 052 364 02 22 Fax 052 364 03 43E-Mail: [email protected]

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InserateInserateInserateInserateInserateGeorg Kunz, Riedholzstrasse 9a8605 Richterswil, Tel. 01 784 82 71

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VERBAND

ZÜRCHER FORSTPERSONAL

Lichte Wälder an der Thurmün-dung – sinnvoll oder sinnlos?

Im Mündungsgebiet der Thur liegtdas grösste inventarisierte Auenge-biet der Schweiz. Hier finden wirsehr trockene, äusserst nasse, starkbesonnte und auch recht dunkleStandorte. Es ist nicht zuletzt dieseVielfalt, welche eine Aue auszeich-net.

Lichte Wälder gehören in eineAue. Da aber zur Zeit die Thurihre Dynamik nicht mehr auslebenkann, verschwinden insbesonderedie besonnten, warmen Standorte.Genau hier setzen die Projekte zurVerbesserung der Auenstandortean. Sie bewahren übrigens nichtnur die licht- und wärmebedürfti-gen, seltenen Tier- und Pflanzenar-ten, sondern auch Arbeitsplätze.Ein grosser Teil der Bevölkerungbeurteilt die Lichten Wälder heuteals sinnvoll und auch sehr schön;diese Leute haben die LichtenWälder akzeptiert. Einige wenigesprechen immer noch von Geldver-schleuderung, Parkanlagen odervon Waldpflege ohne Sinn. Es istwichtig, solche kritische Stimmenernst zu nehmen.

Ich als Förster bin überzeugt, dassin der heutigen Zeit auch Geld fürArterhaltung ausgegeben werdenmuss. Nur so können wir unsereVerantwortung dem Wald und derNatur gegenüber wahrnehmen.Unser oberstes Ziel muss aber sein,die Thur so zu revitalisieren, dasssie die lichten Waldformen baldwieder selber schafft. UnsereEingriffe können dann auf einMinimum reduziert werden. Diesist die Stossrichtung des Thurauen-projektes.

Ich finde meine Arbeit sehr span-nend und würde etwas vermissen,wenn ich nur Waldbau im klassi-schen Sinn betreiben könnte. Durchmeine Arbeit in den Lichten Wäl-dern kann ich attraktive Waldbil-der schaffen, seltene Tier- undPflanzenarten erhalten und erstnoch meinen Arbeitsplatz sichern.

Beat Gisler,Förster Revier Flaachtal

4 ZÜRCHER WALD 5/2006

NATURSCHUTZ IM WALD

Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonenzur Förderung der Biodiversität im Wald 2008 bis 2011von Dr. Markus Bolliger, Bundesamt für Umwelt BAFU, Abteilung Artenmanagement, 3003 Bern

Mit der Einführung von NFA (Re-formprojekt «Neugestaltung des Fi-nanzausgleichs und der Aufgabentei-lung») wird die Zusammenarbeit zwi-schen Bund und Kantonen neu gere-gelt. In Zukunft wird der Bund nichtmehr einzelne kantonale Projekte un-terstützen, sondern mit den Kantonenvierjährige Programme über bestimm-te Produkte vereinbaren. Damit ziehtsich der Bund auf die strategische Ebe-ne zurück, während die Kantone fürdie operative Umsetzung in Form vonEinzelprojekten zuständig sind.Eines der Produkte ist die Erhaltungund Förderung der biologischen Viel-falt im Wald. Obwohl die SchweizerWälder dank ihrer relativen Naturnä-he nicht so viel Rote Liste-Arten auf-weisen wie andere Ökosysteme, gibtes auch im Wald ökologische Defiziteund grosse Aufwertungspotenziale.Mit seinen beschränkten finanziellenMitteln versucht der Bund, diese Po-tenziale effektiv zu nutzen. Das ist nurmöglich, wenn die Gelder nicht mitder Giesskanne verteilt, sondern ge-zielt für regionale Schwerpunkte ein-gesetzt werden.Insgesamt werden Bund und Kantonefür dieses Vierjahresprogramm 75 MioFranken (18,8 Mio pro Jahr) einset-zen. Der Bund beteiligt sich daran mit40% – die restlichen 60% sind von denKantonen und Dritten zu finanzieren.

Vorbereitung der Programmver-einbarungen für 2008Gegenwärtig bereiten Bund und Kan-tone die Programme für die Vertrags-periode 2008-11 vor. Ende Juli 2006hat der Bund den Kantonen dafür sei-

ne Vorstellungen eröffnet – als Reak-tion darauf erwartet er bis Frühling2007 von jedem Kanton einen kon-kreten Programmvorschlag. Auf die-ser Grundlage sollen dann bis Ende2007 die definitiven Programme aus-gehandelt und auf Anfang 2008 inKraft gesetzt werden. Der Bundesvor-schlag vom Juli 2006 umfasst folgen-de zwei Dokumente:

1. Das Produktblatt «Biodiversitätim Wald»Es definiert die Leistungen, die verein-bart werden können (z.B. Hektare Na-turwaldresevat), mit den entsprechen-den Qualitätsanforderungen (z.B. Kri-terien, die ein Naturwaldreservat er-füllen muss, u.a. in der Regel 20hagross), sowie die Bundespauschale proLeistungseinheit (z.B. in der RegionJura 18 Franken für eine Hektare Na-turwaldreservat pro Vertragsjahr).

2. Der ProgrammvorschlagIn vier Kapiteln erläutert das BAFUjedem Kanton, wie es seine besonde-ren Naturwerte und seine bisherigeNaturschutzpolitik im Wald ein-schätzt, welche Mittelfristziele undwelchen Handlungsbedarf es darausund vor dem Hintergrund nationalerStrategien ableitet, und wieviel Geldes dem Kanton für die Periode 2008-11 für definierte Leistungen ungefährzur Verfügung stellen will.Kernpunkt des Vorschlages ist eine Ta-belle, in der die drei Programmzielemit Bundesbeiträgen dotiert werden:1) «Natürliche Entwicklung ermögli-chen», 2) «Artenförderung und Bio-topschutz», und 3) «Landschaftliche

Der Bund erwartet bisFrühling 2007 vonjedem Kanton einenkonkreten Programm-vorschlag.

Die drei Programmzie-le mit Bundesbeiträ-gen sind «NatürlicheEntwicklung ermögli-chen», «Artenförde-rung und Biotop-schutz» und «Land-schaftliche Vielfalt undVernetzung».

ZÜRCHER WALD 5/2006 5

NATURSCHUTZ IM WALD

Vielfalt und Vernetzung». Zu jedemdieser Programmziele werden ausser-dem die vom Kanton gewünschtenLeistungen aufgezählt: z.B. ein gros-ses Naturwaldreservat über 500haausscheiden, Förderung von Eiche undMittelspecht, Erhaltung von lichtenWaldstandorten für Insekten und Rep-tilien, Waldrandpflege.

Steuerung durch den BundMit diesen Vorgaben will der Bund ei-nerseits seine nationale strategische Füh-rungsrolle verstärkt wahrnehmen, undandererseits den Kantonen bei der Um-setzung in Fo0rm von Einzelprojektengrösstmöglichen Spielraum lassen.Zusammenfassend steuert der Bundsomit mit folgenden Instrumenten:

1.BudgetverteilungDie beschränkten Bundesmittel von30 Mio Franken für das Gesamtpro-gramm (7,5 Mio pro Jahr) werdennach objektiven leistungsbezogenenKriterien auf die Kantone und die dreiHauptziele des Programmes verteilt.Die Kriterien berücksichtigen die be-sonderen Naturwerte und die ökolo-gischen Aufwertungspotenziale imWald. Damit wird sichergestellt, dassdie Bundesgelder gezielt dort einge-setzt werden, wo der grösste Hand-lungsbedarf besteht und die grösstenachhaltige Wirkung für die Biodiver-sität erreicht werden kann.

2.Inhaltliche VorgabenMit den Programmvorschlägen ver-sucht der Bund, inhaltliche und regio-nale Schwerpunkte zu setzen. Für diekommende Programmperiode stehenz.B. u.a. im Vordergrund: GrosseWaldreservate, Erhöhung des Alt- undTotholzanteils in bestimmten Gebie-ten, Förderung von Auerhuhn, Eicheund Mittelspecht, interdisziplinäreProgramme zur Erhalung der pâtura-

ges boisés im Jura, Erhaltung bzw.Wiederherstellung von lichten Wald-biotopen, Aufwertung von Waldrän-dern im Rahmen von ökologischenVernetzungskonzepten.

3.Aktionsprogramme, VollzugshilfenDer Bund erarbeitet für einzelne Orga-nismen und Lebensräume wissenschaft-lich fundierten Förderungsstrategienund Vollzugshilfen: z.B. die Aktionspro-gramme für Auerhuhn und Mittel-specht, das Strategiepapier zur Förde-rung der Eiche, die Merkblätter zur För-derung seltener Baumarten. Damit wirdauch sichergestellt, dass die eingesetz-ten Massnahmen neueste wissenschaft-liche Erkenntnisse berücksichtigen.

4.Leistungs- und WirkungskontrolleDer Bund definiert die Qualtitätsanfor-derungen an die Leistungen der Kan-tone, und überwacht deren Einhaltungmit Stichproben. Themenweise baut erauch eine Wirkungskontrolle auf.

Partnerschaft Bund – Kantone: Die Rollenverteilungim ÜberblickAufgaben Bund

Wissenschaftliche Grundlagen undInventare: Ökologische Defiziteund Potenziale bestimmen

Nationale Strategie entwickeln –daraus regionale Handlungs-schwerpunkte ableiten.

Programmvorschläge an dieKantone formulieren

Verteilschlüssel: Budget proKanton nach objektiven, lei-stungsbezogenen Kriterienfestlegen (ca. 40% der Kosten).

Qualtitätsanforderungen anLeistungen der Kantone definieren

Vollzugshilfen, Aktionspläne fürbestimmte Arten und Lebensräu-me erarbeiten

Leistungs- und Qualitätskontrolle,Entwickeln einer Wirkungskon-trolle

Aufgaben Kantone

Kantonale Biodiversitätsstrate-gie für den Wald entwickeln -unter Berücksichtigung nationa-ler und internationaler Anforde-rungen

Konkrete zeitlich etappierteProgramme planen, inkl. Budget-planung und -Genehmigung

Einzelprojekte umsetzen,Verträge mit Waldeigentümernabschliessen

Finanzierung der Projekte zu60%

Leistungs- und Finanzkontrolleim Projektwesen

Vertretung der Programmegegenüber der Politik undÖffentlichkeit, Öffentlichkeitsar-beit

Die beschränktenBundesmittel von 30Mio Franken für dasGesamtprogramm (7,5Mio pro Jahr) werdennach objektivenleistungsorientiertenKriterien auf dieKantone und die dreiHauptziele desProgrammes verteilt.

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6 ZÜRCHER WALD 5/2006

NATURSCHUTZ IM WALD

Strategie Naturschutz im Wald des Kantons ZürichEin grosser Prozentsatz aller in der Schweiz vorkommenden Tiere und Pflanzen leben imWald. Daher spielt die Waldbewirtschaftung eine sehr wichtige Rolle für die Erhaltung derbiologischen Vielfalt. Im Kanton Zürich wird eine differenzierte Strategie verfolgt: Standort-gerechte Bewirtschaftung auf der gesamten Waldfläche, spezielle Waldbehandlung auf Son-derstandorten und Verzicht auf jegliche waldbaulichen Eingriffe in Naturwaldreservaten.

von Alain Morier, Kantonsforstingenieur und Urs Kuhn, Leiter Fachstelle Naturschutz

1. AusgangslageDer Wald erbringt hochwertige Lei-stungen für Mensch und Natur. Diesfindet bereits in der Bundesverfas-sung (BV) entsprechende Beachtung.Gemäss Art. 77 BV sorgt der Bunddafür, dass der Wald seine Schutz-,Nutz- und Wohlfahrtsfunktionen er-füllen kann. Wohlfahrtsfunktionenerfüllt der Wald sowohl als Erho-lungsraum für den Menschen, alsauch als naturnaher Lebensraum fürTiere und Pflanzen. Gemäss Art. 78BV sind zudem die Kantone für denNatur- und Heimatschutz zuständig.Naturschutz im Wald ist daher eine

öffentliche Aufgabe. Die Rahmenbe-dingungen dazu sind sowohl in derWald- als auch in der Naturschutz-gesetzgebung von Bund und Kantonfestgelegt. Der Regierungsrat desKantons Zürich hat seine Strategie imLeitbild für den Wald1 und im Na-turschutzgesamtkonzept2 formuliert.Der folgende Beitrag fasst die wesent-lichen Elemente dieser Strategie zu-sammen.

2. ÜbersichtFolgende strategischen Leitlinien sindfür den Naturschutz im ZürcherWald von Bedeutung:

BundesverfassungWaldgesetzgebungNatur- & Heimatschutz-gesetzgebung

GesetzlicherAuftrag

Ziele

FachlicheGrundlagen

Umsetzungs-instrumente

standortgerechte Bewirt-schaftung auf der gesamtenWaldfläche

Vegetationskarte 50‘000 ha

WaldentwicklungspläneBetriebs- & Massnahmen-plänewaldbauliche Beratung

keine Bewirtschaftung mehr

Waldreservatskonzept(WRK), 1‘700 ha

Verträge

Naturschutz im Wald

spezielle Bewirtschaftungauf Sonderstandorten

Inventare, insbesondereWaldstandorte mit natur-kundlicher Bedeutung(WNB), 6‘200 ha

Programm Lichter Waldweitere Biotop-ProgrammeArtenschutz-ProgrammePflegeverträgez.T. Schutzverordnungen

Zusammenhang zwischen gesetzlichem Auftrag, Naturschutzzielen im Wald, fachlichen Grundlagen undUmsetzungsinstrumenten

ZÜRCHER WALD 5/2006 7

NATURSCHUTZ IM WALD

- Auf der Hauptfläche des Waldessollen strukturreiche, gesunde undwertvolle Mischwälder mit stand-ortgerechten Baumarten wachsen(naturnaher Waldbau). Zudem sol-len einzelne Baumarten besondersgefördert werden (Eichen- und Ei-benförderung).

- Auf Sonderflächen sollen spezifi-sche Leistungen für den Arten undBiotopschutz erbracht werden (u.a.lichte Waldformen).

- In Waldreservaten soll eine Wald-entwicklung ohne waldbaulicheEingriffe möglich sein (Naturwald-reservate).

- Die Wälder sollen mit dem angren-zenden Kulturland verzahnt wer-den (Waldrandpflege).

Die nebenstehende Graphik veran-schaulicht den Zusammenhang zwi-schen dem gesetzlichen Auftrag, denNaturschutzzielen im Wald, denfachlichen Grundlagen und den Um-setzungsinstrumenten.

3. StrategieumsetzungDie verschiedenen Naturschutzlei-stungen lassen sich nur selten auf dergleichen Waldfläche erbringen. Des-halb wird nicht ein einheitlicherWald, sondern ein vielfältiges Mo-saik angestrebt. Dazu sind allgemei-ne Massnahmen genau so wichtigwie konkrete Umsetzungsprogram-me. Um mit den beschränkten Mit-teln eine möglichst hohe Wirkung zuerzielen, müssen klare Prioritäten ge-setzt werden.

Allgemein- Mehraufwand für Sondermassnah-

men des Naturschutzes entschädi-gen oder Anreize durch Beiträgeschaffen.

- Zielerreichung durch geeigneteVersuche und Erfolgskontrolle pe-

riodisch überprüfen.- Verwertung von Holz fördern: Ver-

mehrt energieintensive Rohstoffeund fossile Energieträger durch dasnachwachsende und dauernd liefer-bare Holz ersetzen.

Auf Sonderflächen des Waldes- Naturkundlich bedeutende Wald-

objekte erhalten und fördern: Be-hördenverbindliches Inventar fest-setzen und entsprechend demSchutzziel bewirtschaften und pfle-gen.

- Lichte Wälder fördern: Flächendurch periodische Nutzungseingrif-fe dauernd licht halten (Flächenziel1000 ha). Vorübergehende, imWaldbestand wandernde lichte Flä-chen ausgestalten (Flächenziel4500 ha).

- Naturwaldreservate zur Erhaltungder Artenvielfalt und für eine freie,von der Bewirtschaftung unbeein-flusste Waldentwicklung einrichtenund langfristig sichern (Flächenziel1200 ha).

Auf der Hauptfläche des Waldes- Wald als Lebensraum erhalten und

aufwerten: Den naturnahen Wald-bau fördern und auf geeignetenStandorten eichenreiche Waldbe-stände und seltene Baumarten för-dern.

Zwischen Wald und Kulturland- Wald und Kulturland durch Hek-

ken, aufgelockerte und vielfältigeWaldränder vernetzen.

- Aufforstungen gezielt zur Biotop-vernetzung einsetzen.

4. Fazit und AusblickDie langjährige, gemeinsame Umset-zungsarbeit von Waldeigentümern,Forstdienst und Naturschutz zeigt,dass sich die bisherige Strategie be-

Die verschiedenenNaturschutzleistungenlassen sich nur seltenauf der gleichenWaldfläche erbringen.

Um mit den be-schränkten Mittelneine möglichst hoheWirkung zu erzielen,müssen klare Prioritä-ten gesetzt werden.

8 ZÜRCHER WALD 5/2006

NATURSCHUTZ IM WALD

In Zukunft gilt es, diePflegemassnahmenweiter zu optimierenund die Vermarktungder anfallendenProdukte zu fördern.

währt hat. Trotz beschränkten, per-sonellen und finanziellen Ressourcenkonnte Beachtliches erreicht werden:- Das Inventar der Waldstandorte

von naturkundlicher Bedeutung(WNB) weist 6’200 Hektaren be-sonders wertvolle Waldstandorteaus und wurde im Jahre 2000 fest-gesetzt.

- Auf 400 Hektaren wurden dauerndlichte Wälder geschaffen.

- Waldreservate wurden auf 1142Hektaren eingerichtet.

- Zwei Drittel des Zürcher Waldessind naturnah aufgebaut. Das fürdie Artenvielfalt wichtige Totholzist im Umfang von 6 Kubikmeternpro Hektare vorhanden (Zielwert6,9 Kubikmeter pro Hektare).

- Knapp 200 der rund 1600 Kilome-ter aufwertungswürdigen Waldrän-der konnten gepflegt werden.

In den letzten Jahren wurden vieleNaturschutzprojekte erfolgreich rea-lisiert. Weitere Anstrengungen sindnötig, um die gesetzten Ziele zu er-reichen. In Zukunft gilt es, die Pfle-gemassnahmen weiter zu optimierenund die Vermarktung der anfallendenProdukte zu fördern. Die Leistungenvon Waldeigentümern, Forstdienstund Naturschutz für die biologischeVielfalt im Wald sollen der breitenBevölkerung bewusst gemacht wer-den.

Weitere Angaben zur Umsetzung derNaturschutzmassnahmen im Waldsind in der Broschüre «Wie nachhal-tig entwickelt sich der ZürcherWald?»3 und «10 Jahre Naturschutz– Gesamtkonzept 1995 – 2005»4 auf-geführt.

Quellen1 Leitbild für den Wald im KantonZürich. Vom Regierungsrat am

13. August 1997 festgesetzt.2 Naturschutz – Gesamtkonzept fürden Kanton Zürich. Festgesetzt durchden Regierungsrat 20. Dezember1995.3 Wie nachhaltig entwickelt sich derZürcher Wald, Zürcher Umweltpra-xis, Februar 2006.4 10 Jahre Naturschutzgesamtkon-zept 1995 – 2005, Stand der Umset-zung, Handlungsbedarf, Baudirekti-on, Entwurf 29. Juli 2006. !

ZÜRCHER WALD 5/2006 9

LICHTER WALD

1000 ha Lichte Wälder für den Kanton ZürichLichte Wälder sind für die Biodiversität im Wald von grosser Bedeutung und Lebensraumvon vielen Licht und Wärme liebenden Tier- und Pflanzenarten. Viele davon gelten alsselten und gefährdet. Im Kanton Zürich sollen 1000 ha dauernd Lichte Wälder auf wenigwüchsigen Standorten geschaffen werden. Damit die seltenen Arten sich ausbreiten kön-nen, braucht es nach der Auflichtung eine kontinuierliche und angepasste Pflege.

von René Bertiller, Forstingenieur ETH, Zürich, und Andreas Keel, Ökologe, ALN, Fachstelle Naturschutz

Im Kanton Zürich wurden seit 1980lediglich etwa drei Viertel des Holz-zuwachses genutzt. Die geringe Nut-zung (vor allem im Privatwald) undhohe Stickstoffeinträge sind Gründefür den stetig wachsenden Holzvor-rat, einen verringerten Lichteinfallauf die Kraut- und Strauchschichtund den zunehmenden Nährstoffge-halt des Bodens. Darunter leidenTier- und Pflanzenarten, die bis Mit-te 20. Jahrhundert von einer intensi-ven Waldnutzung profitiert haben.Ein Vergleich der heutigen Waldflo-

ra an der Lägeren mit jener vor 100Jahren zeigte, dass 13 Waldpflanzenverschwunden sind und für 10 wei-tere ein starker Populationsrückgangzu verzeichnen war. Als Hauptgrundfür diese Entwicklung gilt die Ver-dunklung der Wälder.Kulturbedingt offene Wälder gibt esseit Jahrhunderten (Abbildung 1).Wie im Gründland die Ried- undMagerwiesen sind sie für die Biodi-versität im Wald von grosser Bedeu-tung. Unter Lichten Wäldern sindWaldflächen zu verstehen, die auf-

Abbildung 1: Mittelwälder – früher weit verbreitet – gehören ebenfalls zu den lich-ten Waldformen. Die Mittelwälder im Niderholz (Gemeinden Rheinau und Martha-len) zählen zu den wertvollsten Objekten des Lichten Waldes im ganzen Kanton undin der Schweiz.

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Wie im Gründland dieRied- und Magerwie-sen sind Lichte Wälderfür die Biodiversität imWald von grosserBedeutung.

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LICHTER WALD

grund natürlicher Gegebenheiten(z.B. Felsen, Hangrutsche) oder durchforstliche Eingriffe am selben Ort lan-ge licht bleiben (Abbildung 2). Siesind Lebensraum für seltene und ge-fährdete, auf Licht angewiesene,Pflanzen- und Tierarten. Haupt-zweck von Lichten Wäldern ist dieFörderung von seltenen und gefähr-deten Arten (Zielarten). Lichte Wäl-der sind aber auch attraktiv für dieErholungssuchenden. Der angestreb-te Deckungsgrad von Baum- undStrauchschicht kann variieren undwird aufgrund der Lebensrauman-sprüche der zu fördernden Zielartenbestimmt.

Der Aktionsplan «Lichte Wälderim Kanton Zürich»Lichte Wälder waren bis etwa 1990im Kanton Zürich auf wenige Stel-len reduziert. Da sie eine besondershohe Artenvielfalt aufweisen, gilt dasSchaffen und Erhalten von Lichten

Wäldern als ein wichtiges Natur-schutzziel. Das Naturschutz-Gesamt-konzept des Kantons Zürich sieht alsZiel die Schaffung von 1000 ha dau-ernd Lichtem Wald im gesamtenKanton vor. Dies entspricht etwa 2%der Zürcher Waldfläche.Der Aktionsplan «Lichte Wälder imKanton Zürich» wurde im Sommer2005 von der Abteilung Wald und derFachstelle Naturschutz genehmigt. Erbezweckt die effektive Umsetzung desZieles aus dem Naturschutz-Gesamt-konzept. Im Aktionsplan sind dieZielarten und ein Prioritätensystemdefiniert und die Projektabwicklungfestgelegt. Als besonders geeignet fürLichten Wald gelten gemäss Aktions-plan die folgenden, wenig wüchsigenWaldgesellschaften: Blaugras-Bu-chenwald (16), Waldlabkraut-Hain-buchenmischwald (35), Kronwicken-Eichenmischwald (39), Pfeifengras-Föhrenwald (61), Orchideen-Föhren-wald (62) und Schneeheide-Föhren-wald (65).

Stand der Umsetzung des Akti-onsplanesBis Ende 2004 konnten 376 ha auf-gelichtet und damit 38% der Zielflä-che erreicht werden. Die am häufig-sten vertreten Zielarten sind die Els-beere Sorbus torminalis, die Buchs-blättrige Kreuzblume Polygala cha-maebuxus, die Langstielige DistelCarduus defloratus und die ÄstigeGraslilie Anthericum ramosum. Bis-her zu wenig gefördert wurden bei-spielsweise das Berg-TäschelkrautThlaspi montanum, das Weisse Fin-gerkraut Potentilla alba oder die Bie-nen-Ragwurz Ophrys apifera. Eini-ge der Zielarten dürften im KantonZürich auch ausgestorben oder ver-schollen sein, z.B. der LeinblättrigeBergflachs Thesium linophyllon.Schwerpunkt-Gebiete für Lichten

Abbildung 2: Parkartig aufgelichteter Föhrenwald in den Thurauen(Gemeinde Flaach). Dank starker Auflichtung des Kronendachesund regelmässigem Mähen bleibt der Wald offen und die Kraut-schicht erhält genügend Licht.

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Im Aktionsplan sinddie Zielarten und einPrioritätensystemdefiniert und dieProjektabwicklungfestgelegt.

ZÜRCHER WALD 5/2006 11

LICHTER WALD

Wald im Kanton Zürich sind dasZürcher Oberland mit dem Tösstalbis Winterthur, das Zürcher Wein-land, der Irchel-Südhang, das Unter-land und die Üetliberg-Albiskette.Die wertvollsten Objekte liegen imZürcher Weinland, im Tössbergland,im Unterland und an der Lägeren(Abbildung 3).Für die Erhaltung von Pflanzenartensind auch kleinere Objekte sinnvoll.Einige Arten, z.B. Tagfalter, benöti-gen jedoch grössere Zusammenhän-gende Objekte, wie es sie in denThurauen gibt (Abbildung 2).

Vom Antrag über Auftrag undPflege zum BeitragDank einer einheitlichen Kartierungvon Pflanzenarten aller LichtenWald-Objekte im Kanton konnte einesystematische Bewertung erfolgen.Jedem Objekt ist aufgrund der vor-kommenden Arten ein Wert zugeord-net, der eine Prioritätensetzung derObjekte erlaubt. Zudem weiss mannun, in welchem Objekt welche Ziel-arten vorkommen.Jedes Jahr reichen die Förster dieAnträge für die Pflege der Objekteein. Die Arbeitsgruppe Lichter Wald,bestehend aus je zwei Mitarbeiternder Abteilung Wald und der Fachstel-le Naturschutz, beurteilt diese Anträ-ge. Ob ein Eingriff in einem Objektfinanziell unterstützt wird, hängt ne-ben der erreichten Punktzahl davonab, wie viele Mittel jährlich insge-samt zur Verfügung stehen und wiewertvoll die Objekte der anderenAnträge sind. Grundsätzlich soll diePflege der kantonsweit besten Objek-te sichergestellt sein.Für die Finanzierung der Pflege vonneuen LiWa-Objekten gilt einSchwellenwert von 40 Punkten. Da-mit werden Objekte von guter Qua-lität gegründet. In bewerteten Flä-

chen mit weniger als 40 Punktenwerden keine Ersteingriffe finanziert.Bereits geförderte Objekte könnenweiter unterstützt werden, falls sie 25Punkte oder mehr erreichen. Damitwerden die getätigten Vorinvestitio-nen geschützt.Nach der Ausführung der Massnah-men liefern die Projektverantwortli-chen eine definitive Abrechnung.Dazu ist auch ein Planausschnitt mit

Abbildung 3: Übersicht über Lage und Bewertung der Objektedes Lichten Waldes im Kanton Zürich. Je dunkler der Punkt,desto wertvoller ist das Objekt bezüglich dem Vorkommen selte-ner und gefährdeter Arten.

12 ZÜRCHER WALD 5/2006

LICHTER WALD

Angaben zu den ausgeführten Mass-nahmen mitzuliefern. Gleichzeitigkann der Bedarf für das Folgejahrangemeldet werden.

Erste ErfolgeEine botanische Erfolgskontrolle ander Hohflue in Bachs ergab eine er-freuliche Zunahme der Artenzahlennach der erfolgten Auflichtung: In-nerhalb von drei Jahren hat die Ar-tenzahl auf einer Untersuchungsflä-che von 38 Arten (vor dem Eingriff)auf 101 Pflanzenarten zugenommen.Von der Massnahme profitiert hatz.B. der Flügelginster Genista sagita-lis. Mit einer extremen Zunahme anblühenden Exemplaren hat die Ast-lose Graslilie Anthericum liliago amauffälligsten reagiert. Sie kommt nurnoch an ganz wenigen Stellen im rest-lichen Kanton vor.Um diese Erfolge sichern zu können,ist eine spezifische langfristige Pflege

Abbildung 4: Lichter Wald im Gfellacher (Gemeinde Sternenberg).Soll eine Fläche artenreich sein und lange offen bleiben, so sindeine Schlagräumung und das Anhäufen des Astmaterials sehr wich-tig. Beim flächigen Liegenlassen des Astmaterials akkumulierensich Blätter und anderes organische Material, welches das Auf-wachsen von seltenen Arten behindert und eine üppige artenarmeVegetation aufkommen lässt.

sicherzustellen. Es gilt, eine zuneh-mende Nährstoffanreicherung unddamit die weitere Ausbreitung vonProblemarten wie der Brombeere zuverhindern. Dazu sind periodischeEingriffe, z.B. Entbuschen oder Mä-hen notwendig.Untersuchungen in den Thurauen inFlaach (Abbildung 2) haben gezeigt,dass Tagfalter bereits ein Jahr nachdem Eingriff positiv auf die Öffnungdes Kronendachs reagieren. In deraufgelichteten Fläche konnten 12Tagfalterarten beobachtet werden.Auf einer vergleichbaren, nicht be-handelten Fläche waren es nur 5 Ar-ten. Zudem kamen doppelt so vieleIndividuen im aufgelichteten Bereichvor.

AusblickTrotz einiger Pilotprojekte zur Er-folgskontrolle weiss man über denErfolg der Massnahmen im LichtenWald noch zu wenig. In Zukunft sollvor allem dem Erfahrungsaustauschzwischen den Beteiligten eine wich-tige Rolle zukommen. Welche Mass-nahmen ist wie erfolgreich, wie kannman die Problempflanzen in den Griffbekommen und welche Technikensind besonders kostengünstig? Dabeiwerden die Erfahrungen der Förstervon grosser Wichtigkeit sein.

«Aktionsplan Lichter Wald im Kan-ton Zürich»- www.naturschutz.zh.ch > Biotop-

förderung > Lichter Wald > Akti-onsplan

- www.wald.kanton.zh.ch > Unter-lagen

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Um die Erfolgesichern zu können, isteine spezifischelangfristige Pflegesicherzustellen.

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LICHTER WALD

Wie Lichter Wald entstehtDie Artenzusammensetzung der Lichten Wälder wurde und wird einerseits durch die Stand-ortbedingungen und andererseits durch den Einfluss des Menschen beeinflusst und geprägt.Je extremer (sehr trocken, sehr nährstoffarm, sehr nass) umso stärker bewirkten die natürli-chen Faktoren eine geringe Biomasse und damit eine artenreiche Lebensgemeinschaft derKraut- und Strauchschicht. Je «wüchsiger» der Standort, umso wichtiger waren und sind dieanthropogenen Faktoren für die Entstehung und die Erhaltung von Lichten Wäldern.

von Andreas Keel, Ökologe, ALN, Fachstelle Naturschutz und René Bertiller, Forstingenieur ETH, Zürich

Natürlicherweise Lichte WälderNatürlich Lichte Wälder bestanden imKanton Zürich v.a. in Bereichen vonFelsen, Rutschgebieten und Auen. Diemeisten Felsen sind jedoch sehr kleinund werden von angrenzenden Bäu-men beschattet. Ohne Pflegeeingriffegibt es nur wenige Felsflächen, die aus-reichend gross für überlebensfähigePopulationen von lichtbedürftigen Ar-ten sind. Über die langfristige Arten-dynamik von Hangrutschen wissenwir nur wenig. Vermutlich mussten dieFlächen sehr gross sein (z.B. Fallät-sche) und verschiedene Sukzessions-stadien enthalten, um einer wesentli-chen Anzahl Lichtwaldarten langfri-stig einen Lebensraum zu bieten. DieAuen wiesen vermutlich die grössteAnzahl von Lichtwaldarten auf. Aberauch hier waren grosse und vernetzteFlächen mit sehr vielen verschiedenenSukzessionsstadien erforderlich, umdas Überleben vieler Arten zu ermög-lichen. Dies zeigt sich am Beispiel desKleinen Rohrkolbens, einer typischenAuenart offener Standorte, mit früherzahlreichen, heute noch drei Vorkom-men. Die gesamten heutigen Auen derSchweiz reichen nicht aus, um dieseArt zu erhalten. Das Aussterben in derSchweiz und in Mitteleuropa ist ohnemanuelle Erhaltungsmassnahmen ab-sehbar. Es ist davon auszugehen, dassin den nächsten Jahrzehnten im Mit-telland für viele Arten kaum mehr aus-reichend grosse natürliche Lichte Wäl-

der entstehen werden. Selbst grosseAuen-Renaturierungsprojekte werdennicht ausreichen, genügend grosse undvernetzte lichte Auenwälder zu schaffen.

Der Einfluss des MenschenDurch die Austragsnutzung (vgl. Ar-tikel von Bürgi et al., S. 28 in diesemHeft), z.B. Niederwaldbetrieb, ent-standen für einen Teil der Arten opti-male Bedingungen. Dies vor allemdann, wenn dieselben Flächen fort-dauernd gleichartig («traditionell»)genutzt wurden. Selbst auf kleinenFlächen entwickelten sich von den ambesten an die jeweilige Nutzung an-gepassten Arten überlebensfähige Po-pulationen. Für die Erhaltung der Bio-diversität in der stark gewandeltenKulturlandschaft mit den wenigen Na-turschutzflächen ist es deshalb auf lan-ge Zeit nötig, diese kulturbedingtenWaldbiotope durch Nutzung undPflege in einem optimalen Zustand zuerhalten (klein aber artenreich durchoptimale Biotopeigenschaften).In den vergangenen Jahrhundertenwurde fast die gesamte Landschaftgenutzt. Wir können uns heute kaummehr ein Bild von den unterschiedlich-sten Nutzungsformen und der gros-sen Vielfalt von Kulturbiotopen ma-chen. Selbst die steilsten Felsen undHangrutsche wurden von Ziegen be-weidet, auch Auen wurden in vielfäl-tiger Weise genutzt. Nutzungseinflüs-se und natürliche Faktoren wie Über-

Natürlich LichteWälder bestanden imKanton Zürich v.a. inBereichen von Felsen,Rutschgebieten undAuen.

Für die Erhaltung derBiodiversität in derstark gewandeltenKulturlandschaft ist esauf lange Zeit nötig,die kulturbedingtenWaldbiotope durchNutzung und Pflege ineinem optimalenZustand zu erhalten.

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LICHTER WALD

schwemmungen überlagerten sich. Jenach Kombination dieser Faktorenergaben sich andere Biotope und Le-bensgemeinschaften. Beispielsweisesahen beweidete Auenwälder andersaus als nicht beweidete und enthiel-ten zum Teil andere Arten. Die LiWa-Lebensgemeinschaften setzen sich zu-sammen aus Arten der ursprünglichen(heute weitgehend verschwunden)natürlichen Lichten Wälder und derArten, die nur durch die Waldnutzungüberlebten. Aus heutiger Sicht ist esdas Naturschutzziel, die gesamte Ar-tenvielfalt zu erhalten. Dazu müssendie seltenen und gefährdeten Artenund v.a. die Zielarten (vgl. Aktions-plan Lichter Wald) gefördert werden.Und deshalb braucht es unterschied-liche Typen der Lichten Wälder.

Heutige Typen und Formen derLichten WälderEine festgelegte Typisierung der LiWa-Objekte gibt es noch nicht. Grund-sätzlich werden im Kanton ZürichLiWa-Projekte auf Standorten gemässTabelle 1 realisiert. Ebenso wichtig fürdie Artenvielfalt ist die Vielfalt derNutzungen und Pflegemassnahmen,die je nach Bewirtschaftungstyp (Mit-telwald, Niederwald, Weidewald, Pio-nierwald, durchforsteter Hochwald)angewendet werden. Hierzu einigeBeispiele in Tabelle 2.Lichter Wald ist also sehr vielseitig undkann vom Waldbild stark variieren.Es ist gerade die Vielfalt von Bewirt-schaftungstypen, Pflegemassnahmenund Standorten, die die Artenvielfaltin Lichten Wäldern ausmacht.

Standorttyp

Felsen

Durchlässige Kieseund Sande v.a. intieferen Lagen

Kalkreiche wechsel-trockene Mergel undLehme

Saure trockene Böden

Nasse Standorte

Untertyp

in tieferen Lagenin höheren Lagen

eben, in (Grund-)Wassernähe

eben, trocken

in Hanglagen

Häufigkeit

sehr selteneinige

einzelne grössereObjekte

einzelne grössereObjekteeinige

zahlreich

Vorkommen

UnterlandOberland

Weinland

Weinland

Unterland, Weinland

Irchel, Albis,Oberland

Beispiele

Bachs, WeiachFischenthal

Thurauen

Niderholz

Glattfelden

Dättlikon

sehr selten, noch keine grösseren Objekte

abgesehen von Hochmoorregerationen fehlen noch Projekte

Tabelle 1: Standorte, auf denen im Kanton Zürich LiWa-Projekte realisiert werden.

LiWa-Massnahme

Durchforstung

Freistellen

Entbuschung

Mahd

Beweidung

Ringeln

Abbrennen der Krautschicht

Auslese

Anwendung

fast immer erforderlich, häufigste Massnahme

für Felsen erforderlich, die von benachbarten Beständen beschattet werden

meist erforderlich; dieser Folgepflege ist vermehrt Beachtung zu schenken

oft erforderlich (z.B. grossflächig in den Thurauen), wichtig für die verringerteVerfügbarkeit an Nährstoffen der Krautschicht

in bewilligten Ausnahmefällen (z.B. Pilotprojekte am Irchel)

z.T. angewendet, anstelle von Durchforstungen

verpönt, aber für Artenzusammensetzung interessant

z.B. Eichen, Wald-Föhren, Elsbeere etc. fördern

Tabelle 2: Nutzungen und Pflegemassnahmen in LiWa-Projekten des Kantons Zürich.

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ZÜRCHER WALD 5/2006 15

LICHTER WALD

Lichte Wälder für SchmetterlingeWer an Schmetterlinge denkt, stellt sich meist eine bunte Sommerwiese vor, wo Falter vonBlume zu Blume gaukeln. Aber wer weiss schon, dass Wälder zu den artenreichsten Schmetter-lingslebensräumen gehören. Allerdings nicht die holzreichen, schattigen Wirtschaftswälder.

von André Hofmann, Fachstelle Naturschutz

Die Tagfalter sind Sonnenanbeter!Was sie brauchen sind lückige, helle,gebüschreiche, vielfältig strukturierteOffenwälder mit eingestreuten Wald-blössen. Hier gedeihen neben Föhrenverschiedene Lichtbaumarten wie Sal-weide, Zitterpappel, Wacholder, Wild-obst und viele Blütenpflanzen. Je ma-gerer der Standort ist und je mehrLicht in den Wald eindringt, umsogrössere Artenvielfalt herrscht.Solche holzarme lichte Wälder warenfrüher verbreiteter, gefördert durch diedamals üblichen bäuerlichen Wald-nutzungen wie weiden, holzen, Walds-treu mähen, Laubheu machen. Allesirgendwie Brauchbare wurde aus demWald geholt. Die dadurch entstande-nen lichten Wälder waren überausartenreich. So beobachtete FriedrichRis anfangs des 20. Jahrhunderts inden Flaacher Thurauen nicht wenigerals 80 Tagfalterarten.Heute entstehen wieder durch geziel-te Pflege neue lichte Wälder. Diese lei-sten einen wertvollen Beitrag zur Er-haltung unserer Tagfalterfauna.Denn viele Tagfalter benötigen eineKombination von verschiedenen Le-bensraumstrukturen, die im lichtenWald auf engem Raum vorhandensind. Bei den meisten Arten speziali-sieren sich die Raupen auf eine ein-zige oder wenige Futterpflanzen. Er-wachsene Falter saugen Nektar vonBlütenpflanzen. Dazu kommen Bäu-me und Büsche als Sonnen- oder Ren-dezvousplätze für Männchen undWeibchen. Ich möchte dies an Bei-spielen veranschaulichen.

Grosser Schillerfalter (Apaturairis) und Kleiner Schillerfalter(Apatura ilia)Beide Arten sind im Kanton Zürichselten geworden. Aktuelle Vorkom-men des Kleinen Schillerfalters sindbekannt von den Thurauen, demNiderholz, vom Irchel und den Glatt-altläufen. Der Grosse Schillerfalter istnoch etwas verbreiteter.

Die Schillerfalter bevorzugen aufge-lichtete Waldpartien, wo im UmkreisSalweiden bzw. Zitter- und Schwarz-pappeln (Lichtbaumarten) vorkom-men. Im Sommer legt das Weibchendes grossen Schillerfalters seine Eiervorwiegend auf Salweide, das Weib-chen des Kleinen Schillerfalters seineauf Pappeln ab. Die Falter saugen aufbesonnten Waldwegen gerne an Pfüt-zen, Exkrementen und toten Klein-tieren. Zur Fortpflanzung benötigendie Falter markante Einzelbäume,meist Eichen als sogenannte Rendez-vousplätze, wo sich Männchen undWeibchen treffen. Werden solcheBäume entfernt, kann dies zum lo-kalen Verschwinden der Schillerfal-

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Grosser Schillerfalter

Viele Tagfalterbenötigen eineKombination vonverschiedenenLebensraumstruktu-ren, die im lichtenWald auf engem Raumvorhanden sind.

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LICHTER WALD

ter beitragen. Überdies gilt es, Salwei-den und Pappeln zu erhalten.

Brauner Eichenzipfelfalter(Satyrium ilicis)Dieser Zipfelfalter besiedelt aus-schliesslich Eichenwälder in warmenLagen. Die Weibchen legen ihre Eierbodennah an Stämmchen von Eichen-büschen und jungen Eichen. Im Stan-genholzalter sind Eichen nicht mehrnutzbar. Die Falter saugen gerne anDisteln, Thymian und weiteren Blü-tenpflanzen. Der Braune Eichenzipfel-falter kommt nur vor, wenn nebenoffenen, blütenreichen Waldstellenjederzeit genügend Jungeichen vor-handen sind, und dies über Jahrzehn-te. Ideal für ihn ist die Nieder- undMittelwaldbewirtschaftung. Dankperiodischen Schlägen der Hauschichtsind für ihn jederzeit blütenreicheSchlagflächen und Saumbiotope sowieim aufkommenden Buschstadium jun-ge Eichen verfügbar.

Offensichtlich werden seine Lebensbe-dürfnisse heute im Kanton Zürich nurnoch im Niderholz (Gemeinden Rhein-au und Marthalen) erfüllt. Jedenfallskonnten wir ihn nur noch dort fest-stellen. In jenen Eichenwäldern fliegter aber stellenweise noch häufig.

Gelbringfalter (Lopinga achine)Schwerpunktgebiet zur Förderungdes Gelbringfalters sind heute im

Kanton Zürich die Albiskette und dasobere Tösstal ab Winterthur. Dortbesiedelt er offene, grasige Waldbe-reiche an eher wechseltrockenenSteilhängen. Günstig für ihn ist einMosaik aus Bäumen, Büschen undMagerwiesen und -weiden. Blütensind weniger wichtig als bei anderenSchmetterlingen. Meist kommt inseinem Lebensraum aber Pfeifengrasvor, welches die bevorzugte Raupen-futterpflanze ist. Bei aller Offenheitdes Lebensraumes dürfen aber Bäu-me nicht fehlen. Die Männchen setz-ten sich häufig in einigen MeternHöhe auf Einzelbäume und innereWaldränder und warten oft gruppen-weise auf Weibchen.Mit folgenden Massnahmen lässt sichder Gelbringfalter fördern: 1) Aus-lichten von mageren Wäldern, 2) in-nere und äussere Waldränder breitund offen gestalten und 3) Extensi-vieren von Waldwiesen und -weiden.

Diese Beispiele liessen sich beliebigfortsetzen. Auf einen kurzen Nennergebracht bedeutet Schmetterlings-schutz im Wald in vielen Fällen: Ent-buschen und Auslichten, bevorzugtauf bereits mageren Standorten, so-wie Stehen lassen von Pionier-Baum-arten wie Weiden, Birken und Pap-peln. Von den Schmetterlingen ge-fragt sind vielfältige, gemischte Le-bensräume im Übergang zwischenFeld und Wald.

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Brauner Eichenzipfelfalter

Gelbringfalter

Auf einen kurzenNenner gebrachtbedeutet Schmetter-lingsschutz im Wald invielen Fällen: Entbu-schen und Auslichten,bevorzugt auf bereitsmageren Standorten,sowie Stehen lassenvon Pionier-Baumartenwie Weiden, Birkenund Pappeln.

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LICHTER WALD

Licht und Totholz –Das Paradies für holzbewohnende Käfer

In den letzten drei Jahrzehnten wurde eine intensive Diskussion um das Totholz im Waldzu Naturschutzzwecken geführt. Dass mehr Totholz in den Wäldern liegen gelassen wer-den muss, wenn die Artenvielfalt erhöht werden soll, ist bekannt. Wird der Wald zusätz-lich noch aufgelichtet, entstehen Lebensräume, in denen viele auch seltene Arten lebenkönnen.

von Adrienne Frei, Forstingenieurin ETH, Zürich

Ein grosser Teil der Artenvielfalt inLichten Wäldern sind die holzbewoh-nenden Käfer. Sie übernehmen imÖkosystem wichtige Funktionen. Sotragen sie einen wesentlichen Teilzum Holzabbau bei, schaffen durchihre Frasstätigkeit neue Nistmöglich-keiten für verschiedene Vogelartenund bilden für Vögel, Fledermäuseund Eidechsen einen wichtigen Nah-rungsbestandteil.

Was sind holzbewohnendeKäfer?Zu den holzbewohnenden (= xylobi-onten) Käfern gehören alle Käfer, diein irgendeiner ihrer Lebensphasen aufHolzsubstrat angewiesen sind. Dabeigehören die Borkenkäfer die das Holzdirekt zersetzen genauso dazu, wieder Ameisenbuntkäfer (Thanasimusformicarius, Buntkäfer), welcher sichvon den Borkenkäfern ernährt, sowieauch die kleinen Arten, die auf holz-wachsende Pilze fressen.In Mitteleuropa wurden bis heute ca.8’000 Käferarten nachgewiesen, wo-von 1’340 Arten xylobiont sind. Inder Schweiz sind ca. 6’400 Käferar-ten bekannt, davon leben rund einFünftel auf und im Holz. Die Hälfteder xylobionten Käfer stehen auf derroten Liste Deutschlands. In derSchweiz ist eine rote Liste der xylo-bionten Käfer (Familien der Bock-,Pracht-, Hirsch- und Rosenkäfer) in

Bearbeitung. Dass so viele holzbe-wohnende Käfer als gefährdet gelten,deutet darauf hin, dass die benötig-ten Strukturen und Lebensräumestark gefährdet sind.

Totholz – eine MangelwareTotholz ist ein wichtiges Strukturele-ment in unseren Wäldern. Es dientvielen Organismen als Nahrungsres-source. Ab einem Totholzanteil von30 m3/ha wird davon ausgegangen,dass der grösste Teil der im Gebietmöglichen xylobionten Arten mit ei-ner stabilen Population vorkommenkann. In den Wäldern des Mittellan-des wurden im letzten Landesforst-inventar durchschnittlich nur gerade4.9 m3/ha Totholz gemessen. Nicht

In der Schweiz sind ca.6’400 Käferartenbekannt, davon lebenrund ein Fünftel aufund im Holz.

Ameisenbuntkäfer mit einem erbeuteten Borkenkäfer

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nur die Menge an Totholz spielt fürdie Biodiversität eine Rolle, sondernauch der Standort, die Lage (stehend,liegend) und der Zersetzungsgrad. Jenach Baumart schwankt die Arten-zahl der xylobionten Käfer. Die Ei-che gilt als die «artenreichste» Baum-art. Sie beherbergt ungefähr 650holzbewohnende Käferarten, wäh-rend es auf der Buche «nur» 240 undauf der Fichte gerade noch 60 Käfer-arten sind.Eine abgestorbene Buche bietet in denersten beiden Jahren für den Schrot-Zangenbock (Rhagium mordax,Bockkäfer) ideale Entwicklungsbe-dingungen. Dieselbe Buche ist für denBalkenschröter (Dorcus parallelopi-pedus, Hirschkäfer) erst Jahre spä-ter, wenn der Zersetzungsprozess be-reits fortgeschritten ist, eine optimalnutzbare Ressource.

Licht im Wald – die Käferlieben’sEin reiches Totholzangebot genügtaber nicht, um eine vielfältige Kä-

ferfauna zu erreichen. Licht und Be-sonnung spielen im ganzen Systemeine genau so wichtige Rolle. EineUntersuchung im Arlesheimer Wald(nahe Basel) zeigte, dass das Totholz-oder das Blütenangebot alleine kei-ne Erhöhung der Käfervielfalt zurFolge hatte. Totholz und Blüten mit-einander kombiniert, ergaben jedocheine Verdoppelung der Anzahl Ar-ten der roten Liste. Die Erklärungdafür ist einfach: viele Bock- undPrachtkäfer fressen sich als Larvedurch Totholz. Nach der Entwick-lung zum adulten Käfer stehen oftBlütenpollen und Nektar zu oberstauf der Speisekarte und bevorzugenganz bestimmte Blütenfarben. DerPrachtkäfer Anthaxia salicis liebtzum Beispiel gelbe Hahnenfussblü-ten.

EmpfehlungenUm für die holzbewohnenden Käferoptimale Lebensräume zu schaffen,sollten folgende Empfehlungen be-rücksichtigt werden:

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Schrot-Zangenbock

Die Eiche beherbergtungefähr 650 holzbe-wohnende Käferarten,während es auf derBuche «nur» 240 undauf der Fichte geradenoch 60 Käferartensind.

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- Totholzanteil in Form von Wurzel-stöcken, Astmaterial, liegendenund stehenden Stammstücken er-höhen. Eine Menge von mindestens30 m3/ha Totholz ist erstrebens-wert.

- Stehendes Totholz erhalten undeventuell durch Ringeln von Bäu-men vermehrt fördern.

- Liegendes Totholz wenn immermöglich an besonnten oder halb-schattigen Stellen (Waldlichtungen,Waldränder) deponieren/lagern. Istdas Holz zu Beigen aufgeschichtet,sollten diese nicht mit Plastikpla-nen, die das Holz gegen oben ganzeinschliessen, abgedeckt werden.Auch sollten diese nicht mit Streuzugedeckt werden. Solche Abdek-kungen werden zu Käferfallen.Ebenfalls wichtig sind die Nutz-holzbeigen. Auch hier: keine ab-schliessenden Abdeckungen ausPlastik, sondern solche aus Well-blech oder Brettern verwenden.

- Alle drei bis fünf Jahre «neues»Totholz zuführen, damit verschie-

dene Zersetzungsgrade vorhandensind.

- Bestandesauflichtungen: Dadurchwird das Blütenangebot in derKrautschicht erhöht. Diese Blüten-vielfalt muss durch periodischesSchneiden des aufkommendenJungwuchses erhalten werden.

- Schaffung artenreicher Wald- undWegränder. Das Blütenangebot sollüber eine möglichst lange Zeitdau-er erhalten werden. Dazu tragenKräuter und Sträucher bei. DasMähen von Wald- und Wegrändersollten auf dieses Ziel ausgerichtetsein. Solche Arbeiten sind erst imWinter auszuführen.

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Graslilien und Orchideen im Lichten WaldZielarten sind diejenigen Arten, die mit dem Aktionsplan «Lichter Wald im Kanton Zü-rich» besonders gefördert werden sollen. Es handelt sich um seltene und gefährdete Arten,die stark auf den Lebensraum Lichter Wald angewiesen sind. Sie sollen mit geeignetenMassnahmen begünstigt werden. Die Ansprüche von je zwei Graslilien und Orchideenwerden hier als Beispiele vorgestellt.

von Andreas Keel, Ökologe, ALN, Fachstelle Naturschutz, und René Bertiller, Forstingenieur ETH, Zürich

Durchschnittlich weist ein LiWa-Objekt im Kanton Zürich zwischen5 und 6 Zielarten der Flora auf(Stand 2005). Häufig vertreten sindzum Beispiel die Ästige Graslilie (in25 von 172 Objekten) und das Pur-pur-Knabenkraut (in 19 Objekten).Gesamtkantonal sind die Arten alsselten einzuschätzen. Es ist davonauszugehen, dass diese beiden Artenim 19. Jahrhundert relativ häufigwaren und seither stark abnahmen.Sehr selten sind die verwandten Ar-

ten Astlose Graslilie (in 6 Objekten)und das Blasse Knabenkraut (imMoment in keinem LiWa-Objekt).Die Astlose Graslilie hat im KantonZürich in den letzten Jahrzehntensehr stark abgenommen, da kaummehr geeignete Waldbiotope vorhan-den sind. Vom Blassen Knabenkrautist aktuell lediglich ein Standort imZürcher Oberland bekannt. Es warschon immer sehr selten, wurde aberfrüher vielleicht übersehen.

Abbildung 1: Die Ästige Graslilie (Anthericum ramosum, links) und die im KantonZürich sehr seltene Astlose Graslilie (Anthericum liliago, rechts) sind beide auf lich-te Waldstrukturen auf unterschiedlichen Standorten angewiesen.

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LICHTER WALD

Ästige und Astlose GraslilieBeide Graslilien sind Zielarten, die relativ gut auf eine Auflichtung des Kronendaches reagierenkönnen.

Purpur-Knabenkraut und Blasses KnabenkrautDas Purpur-Knabenkraut hat sein Hauptverbreitungsgebiet innerhalb der Schweiz im Kanton Zü-rich.

Ansprüche (im KantonZürich)

Standort

Pflege

Erhaltung undFörderung

Ästige Graslilie (Anthericum ramosum)

wenig beschattet

kalkreich, nährstoffarm, wechseltrocken

warme Lagen

geringe Verbuschung, im Wald, amWaldrand

nicht zu dichte Krautschicht

auflichten, entbuschen

wenn Krautschicht allzu dicht, dannjahreszeitlich spät mähen und Schnittgutentfernen

Erhaltung bestehender Vorkommenrelativ problemlos

Astlose Graslilie (Anthericum liliago)

sehr wenig beschattet

trocken, nährstoffarm, kalkarm (deshalbmeist nur an der Hangoberkante)

sehr warme Lagen (nur im Norden desKantons)

sehr geringe Verbuschung, aktuelleVorkommen nur im Wald

lückige Krautschicht

auflichten, entbuschen

wenn Krautschicht noch dicht und nurwenige Individuen, dann jahreszeitlichspät mähen und Schnittgut entfernen

unbedingt bald die letzten kleinenverbliebenen Populationen fördern (dientauch anderen Zielarten); die Wiederbe-siedlung ist schwieriger

Tabelle 1: Die Ansprüche der Ästigen und Astlosen Graslilie im Vergleich.

Ansprüche (im KantonZürich)

Standort

Pflege

Erhaltung undFörderung

Purpur-Knabenkraut (Orchis purpurea)

wenig bis mittel beschattet

vor starken Spätfrösten geschützt(deshalb im Waldbereich)

kalkreiche, wechseltrockene, lehmigeBöden

warme, eher tiefere Lagen

geringe Verbuschung, fast nur im Waldund am Waldrand

nicht zu dichte Krautschicht

auflichten, entbuschen

Erhaltung bestehender Vorkommenrelativ problemlos

Blasses Knabenkraut (Orchis pallens)

sehr wenig beschattet

vor starken Spätfrösten geschützt(deshalb im Waldbereich)

kalkreiche, nährstoffarme, trockene biswechseltrockene, lehmige Böden

warme, aber auch höhere Lagen (nur imOberland, evtl. im Norden des Kantons)

sehr geringe Verbuschung, Vorkommennur im Wald und am Waldrand

lückige niedrige Krautschicht

auflichten, entbuschen

wenn Krautschicht dicht, dann im Augustmähen und Schnittgut entfernen

Erhaltung und dringliche Förderung istschwierig

Tabelle 2: Die Ansprüche des Purpur-Knabenkrauts und des Blassen Knabenkrauts im Vergleich.

22 ZÜRCHER WALD 5/2006

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AusblickDie Zürcher Förster haben heute dieBereitschaft und das Know-how, mitdifferenzierten Massnahmen LichteWälder zu erhalten und zu regene-rieren und damit seltenen Arten zufördern. Aktuell gilt es nun, Erfah-rungen auszutauschen und noch spe-zifischer und effizienter die Ziele fürdie einzelnen Objekte umzusetzen.Mit den bisherigen Projekten wurdeder Bestand von zahlreichen Zielar-ten erhalten und teilweise vergrössert(z.B. Ästige Graslilie). Nun sollenauch die in den bisherigen Projektendes Lichten Waldes noch wenig ver-tretenen Arten verstärkt gefördertwerden (z.B. Astlose Graslilie). Da-mit soll das generelle Ziel des Akti-onsplanes «Lichter Wald» erfülltwerden, alle Zielarten in langfristigüberlebensfähigen Populationen zusichern.

Abbildung 2: Das Purpur-Knabenkraut (Orchis purpurea, links) und das sehr selte-ne Blasse Knabenkraut (Orchis pallens, rechts) sind attraktive Orchideenarten desLichten Waldes.

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Aktuell gilt es nun,Erfahrungen auszutau-schen und nochspezifischer undeffizienter die Ziele fürdie einzelnen Objekteumzusetzen.

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Nutzen eines LiWa-Projekts für den Forstbetriebvon Roland Steiner, Förster, Forstrevier Egg-Ost/Stadlerberg

Lichter Wald Hohflue BachsertalDer Lichte Wald Hohflue befindet sich2.7 km nordwestlich des Dorfes Bachs.Das Zentrum des Projekts ist eine ca.300 m lange und bis zu 30 m hoheNagelfluhwand. In den kargen Nischenund Plattformen konnten verschiede-ne Pflanzen die lichtarme Zeit überle-ben. Der nährstoffarme Steilhang undder stark besonnte Rand der Decken-schotterwand sind heute noch Lebens-raum für Mauereidechsen, den Brom-beerzipfelfalter, die Astlose Graslilie,den Rauhen Alant, das Gefleckte Fer-kelkraut und weitere seltene Pflanzenund Tiere.Nach einer Begehung mit der FachstelleNaturschutz wurden 1992 die erstenMassnahmen geplant und ausgeführt.Durch ein Monitoring über die Ent-wicklung der Pflanzen und Tiere (durchRegula Dickenmann) konnten diePflegeeingriffe laufend den Bedürfnis-sen der Zielarten angepasst werden.

Die Aufgaben des ForstbetriebsDas LiWa-Projekt umfasst heute 16Hektaren Wald im Forstrevier Egg-Ost/Stadlerberg. Die Wälder sind imBesitz von öffentlichen und privatenEigentümern. Die Arbeitsintensitätauf den verschiedenen Standorten istsehr unterschiedlich. Die Arbeitsbe-reiche des Forstbetriebs sind:- Alle Holzerntearbeiten in Zusam-

menarbeit mit der Fachstelle Na-turschutz planen und ausführen.

- Sommerarbeiten: Im vorgegebenenZeitrahmen mähen und das Mate-rial zu Haufen deponieren oderentfernen; in Zusammenarbeit mitden Zivildienstleistenden Pflegear-beiten durchführen; Führungenmitorganisieren.

Nutzen für den ForstbetriebDie intensiven Arbeiten in diesemLiWa-Projekt sind für uns in verschie-denen Bereichen eine spezielle Her-ausforderung.Nach zwei schweren Unfällen wäh-rend den aufwändigen und gefährli-chen Pflegearbeiten im steinigen, stei-len Gelände müssen neue Lösungengesucht werden.Es werden Wege angestrebt, die denUnterhalt des lichten Waldes auf einerationelle und doch ungefährliche Artgewährleisten.Damit wir die anfallenden Pflege-

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Die Arbeitsintensitätauf den verschiedenenStandorten des 16Hektaren grossenProjektes ist sehrunterschiedlich.

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und Holzerntarbeiten ausführen kön-nen, müssen wir uns mit Mitteln aus-einandersetzen, mit denen wir sonstin unserem Revier weniger arbeitenwürden:- Zur Entbuschung der steilen Fels-

wände müssen Arbeiten am Seil inden Felsen ausgeführt werden.

- Da eine Erschliessung des Gelän-des an verschiedenen Orten mitdem Forstfahrzeug nicht möglichist, müssen Seilbahnen eingesetztwerden.

- In unbefahrbarem Gelände wo ein-zelne Bäume genutzt werden, wirdein Raupenschlepper eingesetzt.

Die Sommerarbeiten im forstlichenBereich werden langfristig durch dieDauerwaldbewirtschaftung redu-

ziert. Der Unterhalt in den LichtenWäldern aber erfordert im Sommerund den Herbstmonaten verschiede-ne Eingriffe, die zu einer besserenAuslastung des Forstbetriebs führen.Die Resultate der Pflegearbeiten inder Forstwirtschaft sind oft erst nachJahren erkennbar. Bei den Eingriffenzugunsten der Astlosen Graslilie, desFlügelginsters, des Berg-Täschel-krauts, etc. sind die Ergebnisse oft in-nert wenigen Jahren ersichtlich.Diese langfristigen Aufgaben habendem Forstdienst ein neues Arbeitsfelderschlossen, in dem wir Eingriffe aus-führen, mit denen wir in der her-kömmlichen Waldbewirtschaftungkaum in Berührung kommen. DieEinnahmen aus den Arbeiten fürDritte helfen uns die Forstrechnungzu verbessern.Da der Forstdienst vor Ort ist, wirder auch häufig mit den Kritiken oderden positiven Eindrücken der Bevöl-kerung konfrontiert. Oft sind ent-sprechende Informationen oder Auf-klärungen notwendig damit das Ver-ständnis gefördert werden kann.

SchlussfolgerungenDas LiWald-Projekt ist für uns einsinnvoller und erfolgreicher Aufga-benbereich. Obwohl die Arbeiten oftÜberwindung und Engagement brau-chen, zeigen uns die Resultate, dasswir auf dem richtigen Weg sind.Durch den Flyer «Lichter Wald Hoh-flue Bachsertal» hoffen wir einer wei-teren breiten Öffentlichkeit die Eigen-heiten und die Schönheit dieser Ge-gend zu zeigen. Ab Mitte Mai bisEnde Juni können der weisse Teppichaus Astlosen Graslilien oder dieleuchtend gelben Blüten des Flügel-ginsters beobachtet werden.

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Rundflue mit Astlosen Graslilien

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Der Unterhalt in denLichten Wäldernerfordert im Sommerund den Herbstmona-ten verschiedeneEingriffe, die zu einerbesseren Auslastungdes Forstbetriebsführen.

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LICHTER WALD

Lichter Wald im Privatwald Wila-SternenbergAuf rund 49 Hektaren des Forstreviers wird nach den Zielen des Lichten Waldes gewirt-schaftet. Damit dies möglich wurde musste einerseits der Nachweis erbracht werden, dasses wertvolle Flächen sind. Andererseits galt es auch mit verstärkter Information der Wald-besitzer anfängliche Skepsis zu überwinden.

von Rolf Stricker, Förster Forstrevier Wila-Sternenberg

Die «Geburt» des Lichten Waldesim RevierVor 10 Jahren konnten wir für einePrivatwaldbesitzerin einen grösserenHolzschlag ausführen. Auf vier Lini-en wurden mit dem Kurzstreckenseil-kran rund 1000 m3 Holz genutzt.Dazu gehörten auch eine Krete undein südexponierter Hang. Diese Wald-partie sprang mir förmlich ins Auge.Grasiger Bewuchs und Buchenstock-ausschläge im Durchmesser von 20bis 50 cm, die allesamt von einemWaldbrand im 1952 auf der oberenSeite aufgerissen waren, prägten dasBild. Da für mich dieser Wald einenso speziellen Charakter hatte, wollteich ihn auch speziell pflegen. DieWaldbesitzerin hatte nichts dagegen,wollte aber natürlich von Kostennichts wissen. Die Beiträge für SteileWälder reichten aber nicht aus, umeine aufwändige Asträumung zu fi-nanzieren. So musste ich die Fachstel-le Naturschutz überzeugen, damit siehier ausserhalb eines SchutzgebietesUnterstützung gewährte. Mit einemArbeitslosenprojekt wurden die Ästedann vom oberen Bereich der Kretenach unten geräumt. Dann überliessman den Wald wieder sich selbst.Durch das höhere Lichtangebotwuchsen so an einzelnen Stellen nunSträucher auf. Besonders der Ligusterbegann sich auszubreiten, aber aucheine intensive Eschenverjüngungdrängte allmählich von den Rändernder geräumten Fläche vor. Im Jahre2002 sah ich dann das erste Mal die

Lichten Wälder in den Thurauen.Dabei wurden bis zu vier Meter hoheStrauchschichten entfernt und dieFlächen anschliessend gemäht. Dawuchs in mir die Überzeugung, dassich in meinem Revier auch geeigneteStellen für ähnliche Massnahmenhatte. Als dann im Forstkreis LiWa-Flächen gesucht wurden, meldete ichmich sofort.

Gibt es im Tösstal wertvolleFlächen?In der folgenden Diskussion wurdeimmer wieder in Zweifel gezogen,dass es im Tösstal wertvolle Flächengibt. Gegenüber den wärmeren La-gen des Kantons habe es leider nichtviel zu bieten. Dem hielt ich entge-gen, dass unser Nachteil vor allemdarin liege, dass bei uns weniger Bio-logen zu Hause seien und die Fach-exkursionen der Schulen vorwiegendim nördlichen Teil des Kantons statt-fänden. So wurden dann auch bei unserste Aufnahmen durch Spezialistendurchgeführt. Da ich aus anderenInventaren wusste, dass ein einmali-ger Besuch nie die ganze Fülle einesStandortes erfassen konnte, begannich mich selbst intensiver mit denZiel- und Indikatorarten des LiWa zubeschäftigen. So konnte ich durchmeine Beobachtungen auch zu ande-ren Jahreszeiten noch einige zusätz-liche Zielarten nachweisen. Laut ei-ner Zwischenbilanz im 2004 befin-det sich in Sternenberg die Fläche mitder neunt höchsten Punktzahl. Von

Da wuchs in mir dieÜberzeugung, dass ichin meinem Revier auchgeeignete Stellen fürähnliche Massnahmen,wie sie in den Thurau-en ausgeführt werden,hatte.

Ich konnte durchmeine Beobachtungenauch zu anderenJahreszeiten nocheinige zusätzlicheZielarten nachweisen.

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den übrigen Flächen des Reviersschnitt keine unter der gefordertenMindestpunktzahl von 40 ab. In derZwischenzeit habe ich meine «priva-ten» Inventuren weitergeführt undnoch etliche Ergänzungen gefunden.Diese halte ich mittels GIS-Eintragfest. Bei ausgewählten Arten (z.B.Frauenschuh) trage ich zudem dasBlühverhalten ein, um längerfristigeAussagen über die Entwicklung ma-chen zu können.Das Hörnligebiet ist der letzte Vorpo-sten der alpinen Arten. So finden sichhier noch Bestände der bewimpertenAlpenrosen, des Clusius Enzian, derSilberwurz und – als voralpine Art aufNagelfluh – der Safrangelbe Stein-brech. Rund 22 verschiedene Orchi-deenarten kommen im Revier vor.

Der Start der LiWa-Pflegearbei-tenAb 2004 starteten wir mit den geziel-ten Pflegearbeiten wie entbuschenoder mähen. Zuvor wurden einzelneMassnahmen zur Auflichtung derBaumschicht unterstützt.

Im Privatwald hat man ja Kunden(Waldbesitzer) aller Gattungen. Eini-ge möchten aus einem einseitigen Ver-ständnis des Naturschutzes gar nichtsmachen, andern ist alles völlig egal,solange es keine Kosten verursacht. Esgibt aber auch die Auffassung, dassman doch nicht den Wald gratis undfranko zur Verfügung stelle, damit sichirgendwelche Staatsstellen darauftummeln können. Auch das WortBaummord ist mir bereits zu Ohrengekommen. Verständnis habe ich fürdiejenigen Waldbesitzer oder Jagdver-treter, die argumentieren, dass mandoch überall nach Verjüngung rufe.Diese wird gehätschelt und das Wildgebrandmarkt, wenn es sich daranvergreift und nun kommt der Forst-dienst und vernichtet selbst flächen-weise aufkommende Verjüngung. Insolchen Fällen helfen schöne Worteüber mögliche seltene Pflanzen undTiere nicht viel. Da ist es notwendigdies vor Ort zeigen zu können. Wennsie dann die Blüten der Orchideen be-staunen, schmilzt in der Regel dieSkepsis dahin. Wenn auch noch er-kannt wird, dass sich das Wild sehrgerne auf diesen Flächen aufhält, ver-fliegen auch die letzten Bedenken.

Bedeutung der Arbeiten für eineRandregionIn Zeiten, in denen im schlecht er-schlossenen Teil des Reviers keine ge-winnbringenden Holzschläge mehrmöglich sind, erhalten solche Arbei-ten eine besondere Bedeutung. Umnicht zu Schlafgemeinden zu verkom-men oder das Gebiet noch mehr zuentvölkern, ist es absolut notwendig,Arbeiten vor Ort zu generieren, wel-che ihrerseits im nachgelagerten Ge-werbe wieder Verdienstmöglichkeitenergeben. Somit haben diese Projektedurchaus regionalpolitischen Cha-rakter.

Die ehemalige Waldbrandfläche mit viel Pfeifengras wird peri-odisch gemäht

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In Zeiten, in denen imschlecht erschlossenenTeil des Reviers keinegewinnbringendenHolzschläge mehrmöglich sind, erhaltensolche Arbeiten einebesondere Bedeutung.

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Beobachtung nötig. Keine Fläche istwie die andere. Exposition, Steilheit,Beschirmungsgrad, Nährstoffversor-gung, Pflanzen und Tiere sind immerwieder anders. Schon neun Monatevor dem Eingriff muss für die Kre-ditbeantragung eine Schätzung ge-macht werden. Dies bedingt eine ge-wisse Flexibilität bei der Ausführung.

Eine gute Sache für den Privat-waldInsgesamt denke ich, dass der LichteWald für den Privatwald eine gute Sa-che ist. Die anfängliche Unsicherheit,ob solche Projekte auch längerfristigBestand haben, war etwas schwierig.Mit der Zeit wächst das gegenseitigeVertrauen und mit den ersten sicht-baren Erfolgen in der Pflanzenweltauch die Begeisterung für die Sache.Vergleicht man die Aufwendungenmit denen auf den Landwirtschafts-flächen, so werden – auf die Flächegerechnet – auch grosse Beträge wie-der sehr relativiert. Sollte der Boomdes Energieholzes auch noch das Tös-stal im grösseren Stil erreichen, sowerden viele Arbeiten noch wirt-schaftlicher ausgeführt werden kön-nen.Aus zuverlässigen Beobachtungenvon heute Achzigjährigen weiss ich,dass leider schon einiges an speziel-len Pflanzen durch die stete Verdunk-lung der Wälder verloren gegangenist. Das LiWa-Projekt ist die Möglich-keit, noch Vorhandenes für die näch-sten Generationen zu erhalten. Viel-leicht keimen ja aus noch vorhande-nen Samen bei verbesserten Bedin-gungen verschwundene Arten.

Mit Vorteil werden für solche Auf-gaben Arbeiter mit einem gewissenVerständnis für die Sache eingesetzt.Ich konnte aber beobachten, dass sichdie zu Beginn leichten Skeptiker mitder Zeit immer mehr für die Beson-derheiten der Gebiete zu interessie-ren begannen. Auch die Waldbilderinsgesamt, mit den lockeren Baum-beständen, scheinen viele anzuspre-chen.

Die Differenzierung der PflegeSo schön und «gäbig» Tabellen, Sy-steme und Pauschalen sind, so wenighilfreich sind sie in einem so vielfäl-tigen Gebiet. Die Arbeiten werdenvon verschiedenen land- und forst-wirtschaftlichen Unternehmern undPrivatwaldeigentümern ausgeführt.Da möchte verständlicherweise kei-ner derjenige sein, der halt die«schlechte» Pauschale erwischt hat.Da der Förster seine Leute kennt, istes möglich, im gegenseitigen Vertrau-en solche Arbeiten in Regie zu verge-ben. Sicher ist eine Kontrolle notwen-dig. Diese wird von den Ausführen-den sogar begrüsst, da es immer wie-der Fragen gibt, wo was sinnvoll ist,oder wo man auch mal was stehenlassen soll. Solche Anweisungen be-dingen aber, dass der Förster seineGebiete und deren Besonderheitenkennt. Hinweise wie «dort hat esnoch Orchideen oder den Bitterling,lass sie dieses Jahr stehen, damit siesicher Absamen können», werdengeschätzt.Will man die Verbuschung möglichstlange hinauszögern, so ist die Asträu-mung (und das Entfernen des Mäh-guts) unumgänglich. Ansonsten ver-fängt sich das Laub darin und berei-tet so ein ideales Keimbeet für Bäu-me und Sträucher vor. Um mit demMinimum das Maximum zu errei-chen, ist eine dauernde sorgfältige

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Will man die Verbu-schung möglichstlange hinauszögern,so ist die Asträumung(und das Entfernendes Mähguts) unum-gänglich.

Sollte der Boom desEnergieholzes auchnoch das Tösstal imgrösseren Stilerreichen, so werdenviele Arbeiten nochwirtschaftlicherausgeführt werdenkönnen.

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Austragsnutzungen im WaldViele Wälder waren noch vor 150 Jahren stark durch weitgehend verschwundene Waldty-pen wie Niederwälder und Mittelwälder, aber auch agrarische Nutzungen wie Waldweideoder Streunutzung geprägt. Durch diese Austragsnutzungen wurden Lebensraumtypengefördert, die heute selten geworden sind.

von Matthias Bürgi, Thomas Wohlgemuth, Stefan Zimmermann, Eidg. Forschungsanstalt WSL

Wald als Teil der KulturlandschaftDie Bewirtschaftung beeinflusst dieArtenvielfalt in der Kulturlandschaft.Entsprechend wirken sich Verände-rungen in der Landwirtschaft auf dieArtenvielfalt im Offenland aus, undebenso hat die Entwicklung derForstwirtschaft Folgen für die Arten-vielfalt im Wald. Vielerorts war derWald während langer Zeit nicht inerster Linie durch forstliche, sonderndurch landwirtschaftliche Nutzungs-weisen geprägt – Beispiele dafür sinddie Waldweide, die Waldheunutzung,das Sammeln von Streue, Nadel- undLaubfutter, der Waldfeldbau und dieSammelwirtschaft. Da bei diesenNutzungsweisen den Wäldern Bio-masse und Nährstoffe ersatzlos ent-nommen werden, bezeichnet man sieauch als Austragsnutzungen.Auch der durch Menschen genutzteWald gehört zur Kulturlandschaft.Heute stellt sich die Frage nach derBedeutung früherer Nutzungen fürdie Entwicklung der Artenvielfalt imWald. Im folgenden führen wir aus,wie Wissen über Effekte früherer undheutiger Waldnutzungsformen zu ei-nem optimierten Artenschutz imWald beitragen kann.

Veränderungen der Artenvielfaltim WaldDie Veränderung der Vegetation undder Artenvielfalt in Schweizer Wäl-dern ist Thema mehrerer neuererPublikationen. Dokumentiert ist u.a.ein Rückgang von Magerkeitszei-

gern, eine Zunahme von Nährstoff-zeigern und ein Rückgang von Halb-schattenpflanzen. Eine generelle Ver-dunkelung der Wälder in den vergan-genen 200 Jahren ist durch vegetati-onskundliche und historisch-ökologi-sche Untersuchungen zu den Verän-derungen der Waldstruktur gut be-legt.Als eine der Ursachen für die Verän-derungen kommen erhöhte Nähr-stoffeinträge aus der Luft in Frage.Sicherlich wurden aber auch durch

Buchenlaub wurde auch zum Füllen derMatrazen verwendet. Diese Photogra-phie zeigt eine Familie beim Bettlaubenim Gonzenwald (um 1940).

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Vielerorts war derWald während langerZeit nicht in ersterLinie durch forstliche,sondern durchlandwirtschaftlicheNutzungsweisengeprägt.

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die verschiedenen Austragsnutzun-gen beträchtliche Mengen an Biomas-se und damit Nährstoffe aus denWäldern entfernt. Die Aufgabe die-ser Austragsnutzungen könnte daherzu der Artenverschiebung in derKrautschicht der Wälder beigetragenhaben.Zur Förderung der Artenvielfalt imWald wurden im Kanton Zürich undin verschiedenen anderen SchweizerKantonen klein- und grossflächigeAuflichtungen vorgenommen. Diesebeeinflussen natürlich in erster Linieden Faktor «Licht». Wie verhält essich aber mit dem Faktor «Nähr-stoff»? Könnte die gezielte Wieder-einführung von Austragsnutzungen,beziehungsweise der damit verbun-dene Austrag an Nährstoffen, eben-falls der Artenvielfalt förderlich sein?Im Kanton Zürich wurden im Rah-men einer Erfolgskontrolle die Effek-te von regelmässigem Entfernen vonLaubstreue bei einer Auflichtungs-massnahme seit 1994 als positiv fürdie Waldpflanzen beurteilt. Weitere,systematische Untersuchungen fehlenallerdings noch.

Ein Experiment im Zürcher WaldMit dieser Ausgangslage beschlosseine Forschungsgruppe an der Eidg.Forschungsanstalt WSL in Birmens-dorf, die Auswirkung der Entfernungder Laubstreu auf unterschiedlichenStandorten zu untersuchen.In 15 verschiedenen Buchenbestän-den an der Lägern, am Irchel und amSanzerberg bei Bachs wurden Paarevon 100 m2 grossen Dauerflächeneingerichtet. Jeweils auf der Experi-mentfläche (E) wird am Ende desWinters alles Laub aus der Flächegerecht. Die benachbarte, rund 3 mentfernte Kontrollfläche (K) bleibtdagegen unbehandelt, bzw. das an-fallende Laub bleibt dort liegen. Alle

Dauerflächen wurden 2003, vor demersten Laubaustrag, vegetations-kundlich erhoben. Seither werden dieExperimentflächen jedes Jahr ge-recht, und die Vegetation aller Dau-erquadrate (E und K) jeweils im Som-mer erhoben. Die Häufigkeiten allerPflanzen- und Moosarten wird für dieGesamtfläche pflanzensoziologischgeschätzt.Drei Paare der Dauerflächen werdenbodenkundlich untersucht. Vor demersten Laubaustrag wurden Oberbo-denproben zur Charakterisierung desSäuregrades und des Nährstoffzu-standes entnommen. Diese Bepro-bung wird noch zwei Mal wiederholt.Zusätzlich wurden Entnahmestellenfür Bodenwasser installiert, an wel-chen vier Mal im Jahr Bodenwassergewonnen und die darin enthaltenenNährstoffe analysiert werden.

Das Konzept «Lichte Wälder»weiterdenkenHeute sind weder die rechtlichennoch die ökonomischen Vorausset-zungen gegeben, um Austragsnutzun-gen grossflächig wieder einzuführen.Wir sind jedoch der Ansicht, dass essich bei der Ausgestaltung modernerNaturschutzmassnahmen im Waldlohnt, die Auswirkungen frühererNutzungsformen zu bedenken. Gros-se Artenvielfalt im Wald war oftmalsmit agrarischer Nutzungsweise ver-bunden. Die regelmässige Mahd vonTrocken- und Feuchtwiesen – eineheute akzeptierte Naturschutzmass-nahme im Offenland – entsprichtvom Prinzip her einer regelmässigenLaubentfernung in Mittellandwäl-dern. Nach unserer Ansicht eine an-regende Analogie!

Heute sind weder dierechtlichen noch dieökonomischenVoraussetzungengegeben, um Aus-tragsnutzungengrossflächig wiedereinzuführen.

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