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MATERIALIEN ZUR DURCHGÄNGIGEN SPRACHBILDUNG Die Schatzkiste Wie Kinder ihr Lernen sichtbar machen Eine Handreichung für die Schulanfangsphase zur Unterstützung der Sprachentwicklung lanfangsphase

Schatzkiste U1 U4 2010-11-05foermig-berlin.de/materialien/Schatzkiste.pdf · 1 Weitere Informationen über Ziele und Schwerpunkte der Arbeit mit dem Portfolio werden im Anhang gegeben

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MATERIALIEN ZUR DURCHGÄNGIGEN SPRACHBILDUNG

Die SchatzkisteWie Kinder ihr Lernen sichtbar machen

Eine Handreichung für die Schulanfangsphasezur Unterstützung der Sprachentwicklung

lanfangsphase

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Impressum

Herausgeber Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Otto-Braun-Straße 27 10178 Berlin-Mitte www.berlin.de/sen/bwf

AutorinnenEvelin Lubig-Fohsel Gudrun Carls [email protected]

V.i.S.d.P. Ulrike Grassau Migration und IntegrationTelefon: (030) 90227-5693 E-Mail: [email protected]

Grafik: Matthia Lux Fotos: Björn Reißmann Gestaltung: Volker Busse Druck: Oktoberdruck

Berlin, Oktober 2010 Auflage: 500

Diese Broschüre ist ein Ergebnis des Modellprogramms FörMig – Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. www.foermig-berlin.de Sie ist nicht zum Verkauf bestimmt und darf nicht zur Werbung für politische Parteien verwendet werden.

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Die Schatzkiste Wie Kinder ihr Lernen sichtbar machen

Eine Handreichung für die Schulanfangsphasezur Unterstützung der Sprachentwicklung

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Inhalt

Was ist die Schatzkiste?

1. Ergänzung der Lerndokumentation Sprache ………………………………………... 6

2. Ein individueller Ort zum Schätze sammeln ………………………………………… 6

3. Vom Sprachlerntagebuch zum Portfolio ……………………………………………... 7

Was Kinder mit der Schatzkiste erleben und lernen können

1. Auch nicht so Gelungenes als Schatz wahrnehmen ……………………………….. 9

2. Schätze als Sprechimpuls nutzen ……………………………………………………. 9

3. Präsentieren will gelernt sein …………………………………………………………. 9

4. Lernen als Prozess verstehen ………………………………………………………. 10

5. Arbeitsergebnisse reflektieren ………………………………………………………. 10

6. Schätze ordnen ……………………………………………………………………….. 11

7. Wertschätzung und Anerkennung erfahren ………………………………………... 12

8. Selbstbewusstsein entwickeln ………………………………………………………. 12

9. Jeder ist anders – Vielfalt in der Lerngruppe wahrnehmen ……………………… 12

Eltern entdecken die Schätze ihrer Kinder

1. Kinder beim Lernen unterstützen und stärken …………………………………….. 13

2. Die Lernentwicklung in den Blick rücken …………………………………………... 13

3. Fehlertoleranz entwickeln ……………………………………………………………. 13

4. Wie heute in der Schule gelernt wird …………………..…………………………… 14

Fragen zum Einsatz der Schatzkiste

1. Präsentation der gesammelten Objekte - wann und wie? ……………………….. 14

2. Wo werden die Schatzkisten aufbewahrt? …………………………………………. 15

3. Was passiert, wenn die Schatzkiste voll ist? ………………………………………. 15

4. Kann die Schatzkiste mit nach Hause genommen werden? …………………….. 16

Fazit ……………………………...…………………………………………………………… 16

Anhang

1. Portfolio – Reisebegleiter fürs Lernen ……………………………………………… 17

2. Vergleich: Goldenes Buch – Schatzkiste …………………………………………... 18

3. Was alles gesammelt werden kann – Vorschläge aus der ………………………. 19 Lerndokumentation Sprache

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Was ist die Schatzkiste?

Die Schatzkiste ist ein von Kindern gestalteter Karton, in dem sie während der Schulanfangs-phase Arbeitsergebnisse sammeln, die ihnen wichtig sind und die ihr Lernen „sichtbar“ machen. Die Produkte der Schatzkiste visualisieren die Lernentwicklung des einzelnen Kindes und heben seine individuellen Stärken hervor.

Die Schatzkiste, eine kind- und altersgemäße Form des Portfolios, ist ein Medium, das die Kin-der in besonderer Weise anspricht. 1 Die Kinder erschließen sich mit der Auswahl von Materia-lien für ihre Schatzkiste einen persönlichen lustbetonten Zugang zu den Themen der Schulan-fangsphase. Die ersten Buchstaben, Wörter, kleinen Sätze, aber auch Gegenstände und Bilder, die zum Erfinden einer Geschichte oder zum Nacherzählen stimulieren, markieren Etappen im Prozess des Sprachlernens. Arbeitsergebnisse als Schätze zu bezeichnen, sie zu sammeln, im-mer wieder zu begutachten, miteinander zu vergleichen und zu ordnen, heißt, dass die Aufmerk-samkeit auf sie gerichtet ist und sie eine besondere Bedeutung erhalten.

In der Auseinandersetzung mit den Lernergebnissen geht es nicht um den Vergleich der Kinder untereinander und das Einordnen in eine Bewertungsskala, sondern um die Lernleistungen des einzelnen Kindes, die sich individuell abbilden und gezielt unterstützen lassen. Über ihre Schät-ze kommen die Kinder auch mit den Eltern ins Gespräch. Die Eltern erfahren, welche Lernfort-schritte ihre Kinder machen, wo sie noch Probleme haben und wie sie ihre Kinder unterstützen können.

1. Ergänzung der Lerndokumentation Sprache

Die Schatzkiste ist kein Aufbewahrungsort im Sinne eines „Sammelsuriums“. Was hineinkommt, steht im Zusammenhang mit dem Unterricht. Das schließt nicht aus, dass Kinder auch die Ob-jekte hineinlegen, die ihnen unabhängig vom Spracherwerb wichtig sind.2

Die gezielte Beobachtung des Sprachlernprozesses in der Schulanfangsphase durch die Lehr-kraft ist wesentliche Voraussetzung, um die individuelle Sprachentwicklung der Kinder zu unter-stützen. Kenntnisse über die Lernentwicklung der Kinder sind die Grundlage für die Planung dif-ferenzierter Angebote sowie die Begleitung der Kinder beim Lernen und die Beratung der El-tern. Die Beobachtung der Lernentwicklung in der Schulanfangsphase, wie sie in der „Lerndo-kumentation Sprache“3 angeregt wird, erfährt durch die Arbeitsergebnisse in der Schatzkiste ei-ne sinnvolle Ergänzung. Die Lehrkraft erhält wichtige Hinweise:

o Was kann das Kind bereits? o Welches Lernergebnis hält es für wichtig? o Welche Vorlieben hat es entwickelt? o Wie schätzt es die eigene Leistung ein? o Welche Konsequenzen zieht es daraus für die weitere Arbeit?

1 Weitere Informationen über Ziele und Schwerpunkte der Arbeit mit dem Portfolio werden im Anhang gegeben. 2 Die Aussagen von Lehrkräften (kursiv) stammen aus Interviews, die von Kathrin Friederici und Evelin Lubig-Fohsel mit Lehrkräften der Galilei-Grundschule, E.O. Plauen-Grundschule und Franz-Schubert-Grundschule geführt wurden. Die Aussagen wurden bearbeitet. 3 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport (Hg.): Bildung für Berlin. Materialien zum Sprachlernen in Kitas und Grundschulen. Lerndokumentation Sprache. Berlin 2006. Siehe Vorschläge für die Schatzkiste aus der „Lerndokumenta-tion Sprache“ im Anhang.

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2. Ein individueller Ort zum Schätze sammeln

Die Arbeitsergebnisse der Kinder erfahren mit den Schatzkisten sehr viel mehr Beachtung, als wenn sie im Regal abgelegt oder im Ordner abgeheftet werden. Zu Hause wird der Wert der Arbeitsergebnisse der Kinder oft nicht erkannt.

Für Lernergebnisse ist, insbesondere wenn es sich um Zwischenergebnisse und kleine Werk-stücke oder Bastelarbeiten handelt, zu Hause oft kein Platz, um diese zu sammeln und auszu-stellen. Werden die Lernergebnisse nicht beachtet und gewürdigt und verschwinden sie nach der Fertigstellung oder landen sogar im Müll, erfahren die Kinder, dass sie unwichtig sind und keine oder nur marginale Bedeutung für ihre Lernentwicklung haben. Das hat Konsequenzen für ihre Bereitschaft, sich auf neue Aufgaben und Herausforderungen einzulassen. Mit der Schatzkiste erhalten Kinder einen Platz für ihre Arbeitsergebnisse, der nur ihnen gehört und an ihre Person gebunden ist. Sie übernehmen selbst für das Sammeln von Objekten die Verantwortung und machen sich dadurch weitgehend unabhängig von der Einschätzung der El-tern oder anderer familiärer Bezugspersonen, wie mit ihren Lernergebnissen umgegangen wird und wo sie hingehören.

3. Vom Sprachlerntagebuch zum Portfolio

Wenn die Kinder in die Schule kommen, erhalten sie von mir viel Aufmerksamkeit für die Doku-mente, die sie in ihren Sprachlerntagebüchern gesammelt haben. Das Sprachlerntagebuch wirkt wie ein roter Faden, der den Übergang vom vorschulischen zum schulischen Lernen markiert. Mit dem Einsatz der Schatzkiste erfahren die Kinder, dass zwischen der Kita und der Schule ei-ne enge Verbindung besteht.

Mit der Schatzkiste wird an die Erfahrungen der Kinder mit dem Sprachlerntagebuch angeknüpft, das sie in der Kindertagesstätte begleitet hat. Das Sprachlerntagebuch wird als Instrument zur Beobachtung und Dokumentation der sprachlichen Entwicklung in der Kita eingesetzt. Die Er-zieherin/der Erzieher trägt ihre/seine Beobachtungen ein und „das Kind leistet einen wichtigen

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Beitrag, indem es ´Dokumente` hinzufügt, die seine sprachliche und kommunikative Entwicklung sowie die ersten Ansätze in der Schriftsprache nachvollziehbar machen.“4

Die Schatzkiste greift Elemente des Sprachlerntagebuches auf, indem die Kinder ihre Lerner-gebnisse als Schätze über einen längeren Zeitraum sammeln und damit ihren Lernprozess do-kumentieren. Mit der Portfolioarbeit ab Jahrgangsstufe 3 kommen stärker fächerspezifische As-pekte zum Tragen.

Kita Sprachlerntagebuch

SAPHSchatzkiste

ab Jahrgangsstufe 3 Portfolio

Das Kind

� diktiert z.B. zu Fotos, Zeichnungen, Collagen der pädagogischen Fach-kraft seine Texte;

� äußert sich in Interviews zu seinen sozialen Bezie-hungen und gibt Interes-sen und Vorlieben wider;

• „schreibt“ eigene Texte;

� nimmt erworbene Kenntnisse und Fähigkei-ten wahr und ist darauf stolz.

Das Kind

� wählt selbstständig Arbeits-ergebnisse aus, die ihm wich-tig sind;

� präsentiert seine Arbeitser-gebnisse und begründet die Auswahl;

� nimmt seinen Kompetenz-zuwachs wahr;

� beginnt, seine Leistungen einzuschätzen und weitere Arbeitsschritte zu planen; � begreift allmählich, wie es lernt und verfolgt seine Lern-entwicklung.

Das Kind

� dokumentiert seine Kompeten-zen in einzelnen Fächern;

� präsentiert seine Arbeitsergeb-nisse und kommentiert sie hin-sichtlich der fachspezifischen Ziel-setzung;

� setzt sich kritisch mit den Ar-beitsergebnissen auseinander und zieht daraus Schlüsse für weitere Lernschritte;

� reflektiert seine Lernentwicklung, entwickelt Lernstrategien und steuert Lernprozesse zunehmend selbstständig.

4 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin (Hg.): Sprachlerntagebuch für Kindertagesstätten – Handrei-chung für Erzieherinnen und Erzieher. Berlin 2006. S.5

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Was Kinder mit der Schatzkiste erleben und lernen können

Auch wenn die Schatzkiste zunächst die spielerischen und lustbetonten Elemente in den Blick rückt, geht mit dem kontinuierlichen Sammeln, Präsentieren, Vergleichen und Ordnen der Objek-te die Entwicklung von Kompetenzen einher, durch die die Kinder zunehmend in die Lage ver-setzt werden, ihre Lernprozesse zu reflektieren und zu steuern.

1. Auch nicht so Gelungenes als Schatz wahrnehmenSchwächere Kinder legen eher wenig rein, weil sie vielleicht der Meinung sind, sie haben es für die Schatzkiste nicht gut genug gemacht, obwohl sie sich ebenso Mühe gegeben haben, wie je-der andere auch und es ihnen Spaß gemacht hat.

Um den Lernweg und den Lernprozess in den Blick zu rücken, ist es wichtig, auch zu den Lern-ergebnissen zu stehen, die nicht so vollkommen sind und Hinweise auf Lernumwege, -barrieren oder Fehler geben. In dem Gespräch über die Lernergebnisse kommt es darauf an, die Kinder in ihrem Lernfortschritt zu bestätigen und ihre Leistung zu würdigen, aber ggf. auch zu thematisie-ren, welche Maßnahmen zu besseren Ergebnissen führen können und neue Lernwege eröffnen. Erfahren Kinder, dass auch Fehler zum Lernprozess gehören und dass sie wichtig sind, um dar-aus zu lernen, kann der Einstellung entgegengewirkt werden, Fehler zu verbergen und zu leug-nen. Auch Lernergebnisse, die nicht perfekt sind und vielleicht auch nicht den eigenen Ansprü-chen genügen, gehören als Dokumente eines längeren Lern- und Entwicklungsprozesses in die Schatzkiste.

2. Schätze als Sprechimpuls nutzenWenn die Kinder in ihrer Schatzkiste stöbern und sich ihre Schätze zeigen, bin ich eigentlich ü-berflüssig. Ich bin immer wieder erstaunt, wie Kinder, die sonst wenig sprechen, plötzlich moti-viert sind, ihre Schätze vorzustellen und zu erklären.

Die Objekte in den Schatzkisten erregen Aufmerksamkeit und stimulieren vielfältige sprachliche Interaktionen. Sie bieten den Kindern Sprechanlässe und Möglichkeiten, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen. Die Kinder lernen sich so zu äußern, dass die anderen sie verstehen, sie entwickeln und erproben ihren Sprachschatz und schulen ihre Aus-drucksfähigkeit. Vor allem sprachlich unsichere Kinder profitieren in den jahrgangsübergreifen-den Gruppen von der Heterogenität, indem sie sich an Sprachvorbildern orientieren und Aus-drucksmittel und Sprachmuster erproben können.

3. Präsentieren will gelernt sein Arbeitsergebnisse so präsentieren zu lernen, dass es auch für die anderen Kinder zu einer span-nenden Sache wird, ist ein langer Prozess. Zunächst interessieren sich die Kinder mehr dafür, was die Freundin/der Freund oder die Eltern zu dem Arbeitsergebnis sagen, die Meinung der ganzen Klasse ist erst einmal nicht so wichtig.

Kinder brauchen eine Atmosphäre des Vertrauens und der gegenseitigen Wertschätzung, um sich zu öffnen und ihre Arbeitsergebnisse vorzustellen. Die Präsentation hilft den Kindern, ihr Ausdrucksvermögen zu schulen und zu erweitern, indem sie die Arbeitsergebnisse und den Weg ihrer Erarbeitung beschreiben sowie die Auswahl für die Schatzkiste begründen. In der Schulan-fangsphase trägt das Präsentieren wesentlich zur Entwicklung von Kompetenzen bei, die auch in anderen Lernfeldern und -zusammenhängen von großer Bedeutung sind.

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4. Lernen als Prozess verstehenWenn die Kinder wieder etwas Neues in die Schatzkiste legen, das bietet dann oft einen Anlass, die Schätze rauszunehmen und anzuschauen. Die Kinder vergleichen und erkennen, wie sie angefangen haben, was sie bereits besser machen und wie sie fortschreiten.

Der Blick in die eigene Schatzkiste und die des Nachbarn fördert immer wieder Überraschungen zutage. Die Kinder stöbern darin und erinnern sich an fast schon vergessene Erlebnisse und Er-fahrungen, entdecken Objekte, die ihnen neue Lernmöglichkeiten und -wege eröffnen und ord-nen die Fundstücke in einen zeitlichen Rahmen des „Damals – Jetzt – Später“ ein: „Da habe ich noch komisch geschrieben – alles durcheinander. Jetzt würde ich es anders schreiben.“

Auch wenn die Produkte das Beherrschen von Kompetenzen (z.B. Lieblingswörter lesen kön-nen) dokumentieren, die einen Endpunkt im Lernprozess zu markieren scheinen, wird dem Kind durch das darauf aufbauende Lernen, das zu neuen weiterführenden Ergebnissen führt (z.B. kleine Texte lesen können) bewusst, dass Lernen fortschreitet und Kompetenzen immer wieder erweitert, vertieft und gefestigt werden. Sie entwickeln ein Verständnis von Lernen als langfristi-gen Prozess, in dem sie zunehmend Verantwortung für die eigene Lernentwicklung, für Ergeb-nisse, Erfolge und Misserfolge übernehmen.

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5. Arbeitsergebnisse reflektierenDie Kinder kommen zu mir und sagen: „Das soll in die Schatzkiste“ oder ich rege es an. Dann reden wir über ihr Lernergebnis, ob sie damit zufrieden sind, wie sie es hergestellt haben und was sie das nächste Mal vielleicht besser machen könnten.

Mit der Auswahl von Objekten für die Schatzkiste geht für die Kinder ein Bewertungs- und Ent-scheidungsprozess einher. Welches Arbeitsergebnis wähle ich aus, was spricht für eine Bewer-tung als „Schatz“, was dagegen? Wird dieser Reflexionsprozess zunächst durch die Lehrerin beeinflusst und gesteuert, kommen die Kinder zunehmend in die Lage, ihre Arbeitsergebnisse selbst zu bewerten. Sie entscheiden, welche Produkte sie in ihrer Schatzkiste sammeln wollen und übernehmen Verantwortung für die Auswahl. Stehen am Anfang noch oft subjektive Kriterien (z.B. es hat Spaß gemacht, das gefällt mir) nach denen Kinder Arbeitsergebnisse auswählen, so werden diese zunehmend von Kriterien abgelöst, die sich an der Aufgabenstellung, ihrer Umset-zung und Zielsetzung orientieren. Das bedeutet für die Kinder, dass sie zunehmend eine distan-zierte und kritische Haltung ihren Arbeitsergebnissen gegenüber einnehmen.

Die Auswertung der Lernergebnisse ist auch deshalb so wichtig, weil die Kinder allmählich be-ginnen, ihre individuellen Lernwege zu erkennen und ihren Lernprozess selbst zu steuern. Als Ergebnis der Auswertung stehen Erkenntnisse wie z.B.: „Ich bin auf dem richtigen Weg und ge-he weiter - Das würde ich jetzt anders machen - Das nächste Mal …“

6. Schätze ordnen Wenn die Kinder die Schätze in der Kiste sortieren, dann erkennen sie: „Aha, das war davor, das kam später.“ Das Verständnis von Ordnung und Reihenfolge lässt sich mit der Kiste sehr gut an-bahnen.

Es entspricht dem Prinzip der Schatzkiste, dass die Schätze nicht geordnet und systematisiert in der Kiste liegen, sondern im Laufe der Arbeit durcheinandergeraten. Es ist dieses „Durcheinan-der“, das zur Schatzsuche motiviert und zum Entdecken auffordert. Die Überraschung, in ihrem

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„Archiv der Erinnerungen“ schon fast Vergessenes wieder zutage zu fördern, macht die Arbeit mit der Schatzkiste spannend. Je nach Aufgaben- und Themenstellung können die Schätze im-mer wieder neu geordnet und sortiert werden. Allmählich kann sich daraus ein Verständnis ent-wickeln, was es bedeutet, nach bestimmten Kriterien Objekte zu ordnen und sie in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen. Begriffe wie „Reihenfolge“ und „Ordnung“ werden konkret erfahrbar und lassen sich spielerisch entwickeln.

7. Wertschätzung und Anerkennung erfahren Wenn die Kinder wieder etwas in die Schatzkiste gelegt haben, dann ist da dieser Ausdruck in ihren Gesichtern: „Ich hab wieder ein Teil Lernen geschafft!“ Die Schatzkiste macht das Ergebnis für die Kinder noch wichtiger, macht sie stolz auf die eigene Leistung und sie erfahren durch die Reaktionen der Mitschüler und von mir Wertschätzung und Anerkennung.

Wenn die Kinder sich ihre Schätze gegenseitig zeigen, teilen sie auch etwas Persönliches von sich mit und öffnen sich. Umgekehrt lernen sie den anderen Kindern zuzuhören, sich für ihre Schätze zu interessieren und darauf zu konzentrieren. Dabei lernen sich die Kinder besser ken-nen und verstehen und können sich in die Situation des jeweils anderen versetzen; sie erfahren selbst Wertschätzung und Anerkennung und bringen sie den anderen gegenüber zum Ausdruck. Dieser Perspektivwechsel ist wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung von Empathie und solidarischem Handeln, für Kompetenzen, die in allen Lern- und Handlungsfeldern wichtig sind.

8. Selbstbewusstsein entwickeln „Ich kann das, ich bin wichtig, ich bin auf dem richtigen Weg“, das sind die Bausteine eines Selbstvertrauens, das die Kinder brauchen, um sich auf ihre Stärken und Fähigkeiten zu besin-nen, um neue Herausforderungen anzunehmen und Probleme zu überwinden.

Jedes Kind ist Experte/-in für seine/ihre Schatzkiste. Es kennt den Inhalt und kann der Lehrkraft, anderen Kindern und auch den Eltern ausgewählte Objekte präsentieren. Die Kinder lernen all-mählich ihre Arbeitsergebnisse zu vertreten, sich argumentativ zu behaupten und werden da-durch selbstbewusster. Die regelmäßigen unterstützenden Rückmeldungen durch die Lehrkraft, die Mitschüler/-innen und die Eltern wecken die Lernbereitschaft, stärken das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit und tragen dazu bei, die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung weiter zu entwickeln. Indem die Kinder zunehmend sicherer und selbstbewusster ihre Lernergebnisse präsentieren und zur Diskussion stellen, lernen sie auch mit Kritik konstruktiv umzugehen und Anregungen aufzugreifen.

9. Jeder ist anders – Vielfalt in der Lerngruppe wahrnehmen Wenn die Kinder sehen, wie unterschiedlich ihre Schätze sind, erkennen sie, wie einmalig jeder/ jede von ihnen ist.

Da die Schatzkisten je nach Wichtigkeit und Bedeutsamkeit für das einzelne Kind sehr unter-schiedlich mit Objekten ausgestattet sind, werden die individuellen Präferenzen und Handschrif-ten, die Interessen und Vorlieben sichtbar - der Inhalt bildet die Individualität jedes Kindes ab. Die Einzelergebnisse bleiben aber nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern werden in den Arbeitszusammenhang der Gruppe gestellt, wenn die Kinder ihre Arbeitsergebnisse präsen-tieren, auf eine gemeinsame Aufgabenstellung beziehen oder einem Thema zuordnen, das die Lerngruppe als Ganzes beschäftigt hat. So nehmen die Kinder die Vielfalt der Lernwege und -ergebnisse in der Lerngruppe als Reichtum wahr, zu dem sie mit ihrem Arbeitsergebnis beige-tragen haben.

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Eltern entdecken die Schätze ihrer Kinder 5

Die Arbeit mit der Schatzkiste bietet vielfältige Möglichkeiten, um Eltern über Inhalte und Me-thoden des Anfangsunterrichts zu informieren, sie für ihre Verantwortung als Begleiter der Lern-entwicklung ihres Kindes zu sensibilisieren und ihnen konkret zu zeigen, wie sie ihre Kinder un-terstützen können.5

Welche Ziele die Arbeit mit der Schatzkiste verfolgt und welche Mitwirkungsmöglichkeiten sie den Eltern eröffnet, lässt sich nicht durch eine einmalige punktuelle Information, z.B. auf der El-ternversammlung, vermitteln. Informationen und Erfahrungen in unterschiedlichen Kontexten ermöglichen den Eltern Sinn und Funktion der Schatzkiste konkret zu erfassen, und ihre Rolle zu reflektieren.

1. Kinder beim Lernen unterstützen und stärkenIch habe die Schatzkiste auf dem Elternabend vorgestellt und die Eltern waren begeistert. Ich habe ihnen den Inhalt gezeigt und erklärt, welche Lernleistung hinter den einzelnen Schätzen steckt und wie sie ihren Kindern ihr Interesse und ihre Anerkennung zeigen können.

Die Schatzkiste macht auch Eltern den Lernweg ihres Kindes sichtbar. Sie erkennen, wie ihr Kind lernt und welchen Stellenwert die gesammelten Objekte für seine Lernentwicklung haben. Am Beispiel der Schatzkiste können sie Möglichkeiten der Unterstützung und Hilfestellung er-proben. Sie lernen durch Nachfragen, ihr Interesse an den Arbeitsergebnissen ihres Kindes aus-zudrücken und es durch motivierende Kommentare im Lernen zu bestärken. Sie erfahren, dass die Lernbegleitung ihres Kindes ein langfristiger Prozess ist, der durch Kontinuität und Nachhal-tigkeit in der Interaktion zwischen ihnen und ihrem Kind gekennzeichnet ist. Sie würdigen seine Fortschritte und vermitteln ihm ihre Wertschätzung und Anerkennung.

2. Die Lernentwicklung in den Blick rückenEine Präsentation der Lernergebnisse der Schatzkiste bringt oft viel mehr, als wenn ich mit ei-nem Test oder Arbeitsheft komme und den Eltern die Noten erkläre. Sie erfahren, dass die Schatzkiste, die sie möglicherweise erst einmal nur als Spielerei abtun, viel über die Lernent-wicklung ihrer Kinder aussagt.

Viele Eltern sind daran gewöhnt, dass es bei einer Lernleistung auf das möglichst perfekte End-ergebnis ankommt, das durch eine Note bewertet wird. Allein die Note als Ausdruck der Lernleis-tung anzusehen und die Anerkennung darauf auszurichten, verhindert, dass der Lernprozess als Ganzes in den Blick gerät. Anhand der Schatzkiste erfahren Eltern, dass auch Teil-ergebnisse, die nicht so perfekt sind, Fortschritte darstellen können, die für die Lernentwicklung ihres Kindes wichtig sind und Beachtung und Würdigung verdienen.

3. Fehlertoleranz entwickeln Es hat lange gedauert, bis die Eltern angefangen haben auch die nicht so perfekten Arbeiten ih-rer Kinder mit anderen Augen zu sehen.

In ihrer eigenen schulischen Sozialisation haben Eltern oft erfahren, dass es gilt, Fehler zu ver-meiden oder zu verbergen. Der Arbeit mit der Schatzkiste liegt ein Verständnis zugrunde, Lern-umwege und Fehler als Bestandteil des Lernprozesses zu verstehen und als Chance zu begrei-

5 Vielfältige Anregungen zur Kooperation mit Eltern werden gegeben in: FörMig-Berlin (Hg.): Kooperation von Schule und Eltern mit Migrationshintergrund – Wie kann sie gelingen? Berlin 2010

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fen, um daraus zu lernen. Eltern werden in der Schatzkiste mit Lernergebnissen konfrontiert, die auch Fehler enthalten können. Sie erfahren, dass es nicht allein von Interesse ist, wie viele Feh-ler ihr Kind macht, sondern welche es macht, wie die Fehler sich aus dem Lernprozess heraus erklären lassen und was sie über die Lernentwicklung aussagen. Im Vordergrund der Fehlertole-ranz steht die Frage, welche Fehler in einer Lernphase toleriert werden können und in einer an-deren Lernphase Anlass für spezifische Förder- und Unterstützungsmaßnahmen sind. Für die-sen Perspektivwechsel gilt es die Eltern zu öffnen.

4. Wie heute in der Schule gelernt wird Mit der Schatzkiste kann ich den Eltern ganz konkret wichtige Prinzipien der Schulanfangsphase erklären.

Die Eltern werden über die Schatzkiste mit Medien und Lernmethoden vertraut gemacht, die sie aus ihrer eigenen Schulzeit nicht kennen. Sie werden sensibilisiert für die Bedeutung motivie-render Lernangebote und einer anregenden Lernumgebung und lernen Formen spielerischen Lernens kennen.

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Fragen zum Einsatz der Schatzkiste

In der konkreten Arbeit mit der Schatzkiste wurden von den Lehrkräften im Rahmen des FörMig-Programms vielfältige Erfahrungen gesammelt, die eine Einschätzung der pädagogischen Wirk-samkeit ermöglichen, aber auch Fragen aufwerfen.

1. Präsentation der gesammelten Objekte – wann und wie? Bei mir gibt es zwei Phasen: Wenn Arbeitsprozesse abgeschlossen sind und Arbeitsergebnisse vorliegen, werden sie in die Schatzkiste gelegt. Dabei zeigen sich die Kinder ihre Objekte ge-genseitig, der Austausch untereinander geschieht aber eher informell. Ungefähr zwei-, dreimal im Jahr präsentiert jedes Kind dann seine Schatzkiste mit den Ergebnissen in einer mehr „offi-ziellen“ Runde im Stuhlkreis.

In der Praxis haben sich verschiedene Möglichkeiten der Präsentation bewährt.

Wann? - In regelmäßigen zeitlichen Abständen, - wenn ein Thema abgeschlossen ist, - wenn sich genügend Material angesammelt hat.

Wie?- Im Stuhlkreis stellt jedes Kind 1-3 Objekte vor oder Kinder präsentieren ausgewählte Ar-

beitsergebnisse (z.B. besonders Gelungenes). - In kleinen Gruppen oder in Partnerarbeit stellen sich die Kinder gegenseitig ausgewählte

Objekte vor. - Zunächst findet die Präsentation im Kreis mit allen Kindern statt (anhand ausgewählter

Beispiele, themenbezogen …). Anschließend stellen die Kinder in Gruppen- oder Part-nerarbeit differenziert ihre Arbeitsergebnisse vor.

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2. Wo werden die Schatzkisten aufbewahrt?Die Kinder können bei mir jederzeit ihre Schatzkisten benutzen. Deswegen stehen sie auch griffbereit für alle Kinder in ihren Fächern zur Verfügung, in denen sie auch andere persönliche Arbeitsmaterialien aufbewahren.

Die Lagerung der Schatzkisten an Plätzen, die den Kindern nicht zugänglich sind, macht sie von der Lehrkraft abhängig. Sie entscheidet, wann welches Kind die Schatzkiste benutzen kann. Sol-len die Schatzkisten als Instrument, das den Schulalltag begleitet, den Kindern immer zur Verfü-gung stehen, müssen sie so platziert sein, dass sie für die Kinder jederzeit zu erreichen sind. Dadurch wird ein offenes Arbeiten möglich, das die Entscheidungs- und Handlungsspielräume der Kinder vergrößert.

3. Was tun, wenn die Schatzkiste voll ist?Wir haben früher auch schon mal in Schuhkartons oder in der Schublade gesammelt, aber nicht so systematisch wie mit der Schatzkiste. Es entwickelt sich die Tendenz, immer mehr zu sam-meln, weil wir wissen, dass das sonst gleich irgendwo verschwindet. Im Sommer sind unsere Schatzkisten voll.

Um Platz für neue Objekte zu schaffen, muss die Schatzkiste geleert werden oder es wird eine begründete Auswahl getroffen, welche Objekte in der Schatzkiste verbleiben sollen, die z.B. ei-nen besonderen Erinnerungswert besitzen oder erworbene Kompetenzen visualisieren, auf die die Kinder stolz sind. Die Objekte können systematisiert und in einer Inventarliste in eine zeitli-che Reihenfolge gebracht werden. Die Kinder vergleichen ihre Lernergebnisse, die sie zu ver-schiedenen Zeitpunkten erzielt haben, und entnehmen der „Bilanz“ ihre Lernentwicklung und ih-ren Lernzuwachs. Bestärkt und ermutigt können sie weitere Lernschritte ins Auge fassen, für de-ren Ergebnisse in der „aufgeräumten“ Schatzkiste Platz geschaffen worden ist.

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4. Kann die Schatzkiste mit nach Hause genommen werden? Nachdem ich den Eltern immer wieder in unterschiedlichen Situationen erklärt habe, was es mit der Schatzkiste auf sich hat und was ich von ihnen erwarte, gebe ich jetzt die Schatzkisten vor den Sommerferien mit nach Hause. Die meisten Kinder bringen sie nach den Ferien wieder voll-ständig zurück. Einige berichten auch, dass sie sich in den Ferien ihre Schätze noch einmal an-geschaut haben.

So pädagogisch wünschenswert es auch ist, dass die Kinder ihre Schätze mit nach Hause neh-men und dort den Eltern und Geschwistern zeigen, steht diesem Wunsch oft die Erfahrung ent-gegen, dass die Schatzkisten nicht wieder vollständig in die Schule zurückgebracht werden. Das Verständnis für den Wert der gesammelten Produkte kann nicht bei allen Familien vorausgesetzt werden. Um Eltern die pädagogische Bedeutung der Schatzkiste zu vermitteln und ihnen ihre Verantwortung im Umgang mit den gesammelten Lernergebnissen der Kinder bewusst zu ma-chen, ist eine intensive Kooperation mit ihnen nötig.

Fazit

Der Wert der Schatzkiste liegt für mich auch darin, dass sie nicht wieder irgendetwas Zusätzli-ches ist, in das ich ungeheuer viel Arbeit und Zeit investieren muss. Die Arbeit mit der Schatzkis-te bedeutet keine Mehrarbeit, sie erzielt ohne großen Aufwand eine große Wirkung. Das ist für mich das Bestechende.

Die Erfahrungen der Lehrkräfte des FörMig - Programms bestätigen übereinstimmend, dass die Arbeit mit der Schatzkiste geeignet ist, Kindern, Lehrkräften und Eltern Lernprozesse im Bereich des Sprachlernens sichtbar zu machen und die Kinder spielerisch und fantasievoll an die Arbeit mit einem Portfolio heranzuführen. Im Laufe der Grundschulzeit werden die Kinder zunehmend sicherer im Einsatz dieses Instrumentes. Die mit der Schatzkiste in der Schulanfangsphase er-worbenen Kompetenzen werden im weiteren Verlauf der Grundschulzeit in der Arbeit mit Portfo-lios in verschiedenen Fächern eingesetzt und weiterentwickelt. Orientiert an dem übergeordne-ten Ziel der Übernahme von Verantwortung für die eigene Lernentwicklung, lernen die Kinder zunehmend selbstständiger und souveräner ihre Lernprozesse zu dokumentieren, auszuwerten und zu steuern.

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Anhang

1. Portfolio – Reisebegleiter fürs Lernen Ursprünglich aus der Finanzwelt stammend (Ordner für Wertpapiere), wurde der Begriff Portfolio von Journalisten und Künstlern aufgegriffen und für eine Sammelmappe verwendet, in der sie ihre besten Arbeiten präsentieren und ihre Arbeitsqualität nachweisen. Auf schulisches Lernen in der Grundschule übertragen werden im Portfolio Arbeitsergebnisse gesammelt, die kennzeich-nend für die Lernbiografie des Kindes sind. Im Unterschied zu verschiedenen Sammlungen von Arbeitsergebnissen (z.B. Arbeits-, Beurteilungs-, Themenportfolio) ermöglicht das Entwick-lungsportfolio, Kindern

o Lernergebnisse zu dokumentieren, zu präsentieren und auszuwerten;

o in prozessbegleitenden Gesprächen mit der Lehrkraft den Mitschüler/-innen und den Eltern ihre Lernergebnisse und -schritte zu reflektieren;

o sich ihres individuellen Lernstils bewusst zu werden;

o Arbeitsschritte selbstorganisiert zu planen und ihre Lernprozesse zunehmend selbst zu steuern.

„Im Portfolio sammeln sich Beweise für erworbene Kompetenzen und damit wird eine persönli-che Handschrift deutlich. Das Kind soll selbst erkennen, was es kann, was es gelernt hat und wie es Dinge lernt. Es soll so seinen eigenen Weg, seine Stärken und individuellen Besonderhei-ten wertschätzen lernen. Ein Portfolio soll beim Kind Stolz und Zuversicht wachsen lassen. Stolz und Zuversicht als Begleiter auf der Reise ins Großwerden.“6

In diesem Verständnis gehen von dem Portfolio zwei Reformimpulse aus.

Zum einen wird eine veränderte Perspektive auf die Leistungsbewertung eingenommen. No-ten als traditionelle Instrumente der Leistungsermittlung und -beurteilung informieren nur unzu-reichend über die Lernentwicklung eines Kindes und die Qualität der individuellen Lernleistung verschwindet hinter einer Zahl. Das Portfolio ermöglicht eine erweiterte Leistungsermittlung und -bewertung, indem es nicht nur Lernergebnisse sondern auch Lernprozesse sichtbar macht. „Portfolios können in diesem Sinne als Dreh- und Angelpunkt einer individuumszentrierten Lern-diagnose und Leistungsbewertung fungieren.“7

Zum anderen wirkt das Portfolio als Impulsgeber einer didaktischen Reform, die Schülerinnen und Schüler zu erhöhter Selbstständigkeit und Eigensteuerung führt. Als „Lernbegleiter“ lie-fert es ein Entwicklungsinstrument für selbstbestimmtes Lernen, indem es den Schüler/-innen die Reflexion und Evaluation ihrer Lernergebnisse und ihres Lernprozesses ermöglicht, um dar-aus individuelle Lernstrategien zu entwickeln. Mit dieser Zielsetzung steht das Portfolio für eine neue Lernkultur, die eigenständiges und selbstgesteuertes Lernen zum Ziel hat. Die Anforderun-gen, die an die Entscheidungsfähigkeit, das Planungsverhalten und das Reflexionsvermögen der Schüler/-innen gestellt werden, sind hoch. „Diese Fähigkeiten können bei den Kindern nicht vor-ausgesetzt werden, sondern werden von der ersten Jahrgangsstufe an schrittweise entwickelt durch Rituale, Arbeitsformen und Arbeitsmittel, die die Selbstständigkeit und Selbstwahrneh-mung im Lernprozess nicht nur gelegentlich, sondern kontinuierlich unterstützen.“ 8

6 Bostelmann Antje (Hg.): Das Portfolio-Konzept für Kita und Kindergarten. Mühlheim an der Ruhr 2007. S. 16 7 Winter, F.: Mit dem Portfolio in heterogenen Gruppen lernen. In: Heyer,P ./ Sack,L. / Preuss-Lausitz,U. (Hg.): Länger gemeinsam lernen. Frankfurt. 2003. S. 285 8 Pieler, M.: Was ist ein Portfolio? Informationsbrief für die Grundschule. Hg. Landesinstitut für Schule und Medien Ber-lin-Brandenburg. 2008. S. 9

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2. Vergleich: Goldenes Buch – SchatzkisteDas Goldene Buch, ein DIN-A4-Heft oder Ordner, ist mit Goldpapier eingeschlagen und verziert und lässt ebenso wie die Schatzkiste Assoziationen von „Reichtum“, etwas „Wertvollem“ und „Kostbaren“ entstehen. Es spricht die Kinder an und vermittelt ihnen das Gefühl, dass ihre Lern-ergebnisse wertvoll sind und sie darauf stolz sein können. Das Goldene Buch bietet ebenso wie die Schatzkiste vielfältige Möglichkeiten der Dokumentation von Lernprozessen im Bereich Sprache und lädt zum Reflektieren der Arbeitsergebnisse ein. Sein Einsatz im Unterricht, anstel-le der Schatzkiste, wird von den Lehrkräften weniger mit didaktischen als vielmehr mit pragmati-schen Argumenten begründet: Es nimmt nicht so viel Platz ein, der Einsatz ist organisatorisch einfacher.

Gemeinsamkeiten Unterschiede Schatzkiste Goldenes Buch

Die Schatzkiste und das gol-dene Buch sind attraktive In-strumente, die mit Reichtum und Geheimnis assoziiert werden und eine lustbetonte und motivierende Arbeit er-möglichen.

Sammeln von Lernergebnis-sen über einen längeren Zeit-raum, die den Lernprozess sichtbar machen, Reflexion der Lernergebnisse.

Austausch mit den Mitschü-ler/-innen, den Lehrkräften und den Eltern über die ge-sammelten Lernergebnisse.

Die Kiste/der Karton als Be-hältnis zum Verstauen von Gegenständen ist zwar be-kannt, aber als Schatzkiste im schulischen Lernkontext ein neues und attraktives Medi-um.

Die Schatzkisten nehmen in der Klasse viel Raum ein. Für die Arbeit mit allen Kindern werden Zeit und Platz benö-tigt.

Die Lernergebnisse geraten in der Schatzkiste durcheinan-der. Das Ordnen und Syste-matisieren erfolgt im Nachhi-nein anhand konkreter Aufga-ben- und Fragestellungen und gehört mit zum Lernprozess.

Die Schatzkiste fordert zum „Entdecken“ der Schätze her-aus. Für das Verstehen der Lernentwicklung werden die Objekte herausgesucht und zusammengestellt.

In der Schatzkiste können auch mehrdimensionale Ob-jekte untergebracht werden.

Ordner und Heft sind auch aus anderen schulischen Zusam-menhängen als Medien be-kannt, die goldene Einbindung und die Verzierung verleihen dagegen eine neue Qualität.

Ordner oder Heft sind relativ einfach zu verstauen, der Ein-satz ist unkompliziert.

Die Dokumentation erfolgt übersichtlich und strukturiert, die Lernobjekte geraten nicht durcheinander.

Durch die vorgegebene Rei-henfolge der Seiten werden die Lernergebnisse und die Ent-wicklungsschritte der Kinder chronologisch und systema-tisch visualisiert.

Die Unterbringung von mehr-dimensionalen Objekten ist nicht möglich.

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3. Was alles gesammelt werden kann – Vorschläge aus der „Lerndokumen-tation Sprache“ 9

Die Dokumente und Lernergebnisse für seine Schatzkiste sucht das Kind selbst aus, auch wenn zunächst die Lehrkraft anregen und empfehlen wird, welche Objekte sich für die Aufnahme in die Schatzkiste besonders eignen. Im weiteren Verlauf entscheiden die Kinder zunehmend selbst und übernehmen Verantwortung für die Auswahl. Die Entscheidung für oder gegen ein Arbeits-ergebnis als Schatz setzt eine Auseinandersetzung voraus, die den Kindern eine erste eigene Bewertung ihrer Arbeitsergebnisse ermöglicht. Indem Kinder mit ihrer Entscheidung einen per-sönlichen Bezug zu ihrem „Schatz“ herstellen, erfährt Lernen eine positive emotionale Konnota-tion und fördert dadurch die weitere Lernentwicklung.

Werden die Objekte, die von der Lehrkraft oder auch den Eltern empfohlen wurden, gekenn-zeichnet, erhält die Lehrkraft wichtige Hinweise, welche Objekte das Kind, im Unterschied zu den Erwachsenen, für den Lernprozess als wesentlich erachtet und womit es seine erworbenen Kompetenzen ausdrücken möchte.

Ganz Persönliches o Lieblingswörter o Lieblingsgedichte und -lieder o Bücher, die ich gern gelesen und in der Klasse vorgestellt habe o die Geschichte, die ich am liebsten geschrieben habe

Bestleistungeno die Geschichte, die mir am besten gelungen ist o mein längster Abschreibtext o der schwierigste Lesetext

Erstausgaben o Der erste selbst geschriebene Text o Die ersten fünf Buchstaben o Die ersten Schreibschriftwörter o Der erste Lesetext o Das erste Partnerdiktat

Lernausweise o Schreibproben o Lesepass o Buchstabenpass

Spezielles o Lieblingsthema o Ergebnisse von Forscheraufträgen o Fotos von Dingen, die ich mitgebracht und vorgestellt habe

9 aus: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport (Hg.): Bildung für Berlin. Materialien zum Sprachenlernen in Ki-tas und Grundschulen. Lerndokumentation Sprache. Berlin 2006. S. 3 (leicht bearbeitet)

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1Senatsverwaltung für Bildung,Wissenschaft und Forschung

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