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I Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter unter rechtsvergleichender Betrachtung der Erwachsenenschutzrechte und deren Entwicklung in Österreich und der Schweiz Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen vorgelegt von Florian Schiefer Bad Bramstedt/Holstein Göttingen 2008 Erstgutachter: Professor Dr. jur. Volker Lipp Zweitgutachter: Professor Dr. jur. Barbara Veit Dekan: Professor Dr. Alexander Bruns Tag der mündlichen Prüfung: 05. März 2008

Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

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Page 1: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

I

Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter unter rechtsvergleichender Betrachtung der

Erwachsenenschutzrechte und deren Entwicklung

in Österreich und der Schweiz

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades

der Juristischen Fakultät

der Georg-August-Universität Göttingen

vorgelegt von

Florian Schiefer

Bad Bramstedt/Holstein

Göttingen 2008

Erstgutachter: Professor Dr. jur. Volker Lipp

Zweitgutachter: Professor Dr. jur. Barbara Veit

Dekan: Professor Dr. Alexander Bruns

Tag der mündlichen Prüfung: 05. März 2008

Page 2: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

II

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Professor Dr. Volker Lipp, der diese Arbeit

anregte und während des relativ langen Entstehenszeitraumes stets konstruktiv begleitete. Frau

Professor Dr. Barbara Veit danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens.

Die Arbeit widme ich meiner Familie für die jahrelange Unterstützung.

Bad Bramstedt, im Juni 2008 Florian Schiefer

Page 3: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

Inhaltsverzeichnis

III

§ 1 Einleitung...............................................................................................................................1

§ 2 Zum Gang der Untersuchung..............................................................................................5

§ 3 Erwachsenenschutz vor den Reformen...............................................................................7

I. Deutschland ...........................................................................................................................7

1. Entmündigung und Vormundschaft..................................................................................7

Wunsch und Wohl des Betroffenen ..................................................................................8

2. Pflegschaft.........................................................................................................................9

3. Schutz des Betroffenen ...................................................................................................10

a. Aufsicht und Genehmigungsvorbehalt des

Vormundschaftsgerichts .................................................................................................10

b. Verbot von Insichgeschäften.......................................................................................12

c. Haftung des Vormunds ...............................................................................................12

4. Schenkungen...................................................................................................................12

a. Die Regelung des § 1804 BGB ...................................................................................13

(1) Begriff der „Schenkung“.......................................................................................13

(2) Vertretungshandlung i.S.d. § 1804 BGB...............................................................14

(3) „Sitten-“ und „Anstandsschenkungen“ i.S.d. § 1804 BGB...................................15

(4) Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 1804 BGB.....................................................16

(5) Anwendbarkeit des Schenkungsverbots auf die Pflegschaft.................................17

b. Möglichkeiten einer Schenkung aus dem Mündelvermögen......................................17

c. Sinn und Zweck des Schenkungsverbots ....................................................................18

5. Zwischenergebnis ...........................................................................................................20

II. Österreich ...........................................................................................................................22

1. Vormundschaft................................................................................................................22

Wunsch und Wohl des Betroffenen ................................................................................23

2. Schutz des Betroffenen vor Missbrauch der Vertretungsmacht .....................................23

3. Schenkungen...................................................................................................................24

Die Regelung des § 154 III ABGB.................................................................................24

a. Vermögensangelegenheiten ....................................................................................24

b. Ordentlicher Wirtschaftbetrieb ...............................................................................25

c. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 154 III ABGB..............................................26

d. Prüfungsgegenstand bei der gerichtlichen Genehmigung.......................................26

e. Schenkungen ...........................................................................................................27

4. Zwischenergebnis ...........................................................................................................28

Page 4: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

Inhaltsverzeichnis

IV

III. Schweiz .............................................................................................................................29

1. Vormundschaft................................................................................................................29

Wunsch und Wohl des Betroffenen ................................................................................32

2. Beistandschaft .................................................................................................................33

a. Beiratschaft .................................................................................................................35

(1) Verwaltungsbeiratschaft........................................................................................36

(2) Mitwirkungsbeiratschaft........................................................................................36

(3) Kombinierte Beiratschaft ......................................................................................37

b. Beistandschaft im engeren Sinn..................................................................................37

3. Schutz des Betroffenen vor Missbrauch der Vertretungsmacht .....................................38

4. Schenkungen (Art. 408 ZGB) .........................................................................................38

a. Begriff der Schenkung ................................................................................................39

b. Erheblichkeit ...............................................................................................................40

c. Rechtsfolge des Verstoßes gegen Art. 408 ZGB ........................................................41

(1) Im Rahmen einer Vormundschaft .........................................................................41

(2) Im Rahmen einer Beiratschaft...............................................................................42

aa. Mitwirkungsbeiratschaft, Art. 395 I ZGB.........................................................42

bb. Verwaltungsbeiratschaft ...................................................................................43

cc. Kombinierte Beiratschaft ..................................................................................44

dd. Beiratschaft auf eigenes Begehren....................................................................44

(3) Im Rahmen einer Beistandschaft...........................................................................45

aa. Vertretungsbeistandschaft .................................................................................45

bb. Verwaltungsbeistandschaft, Art. 393 ZGB.......................................................47

cc. Beistandschaft auf eigenes Begehren ................................................................48

5. Zwischenergebnis: Schenkungen aus dem Mündelvermögen nach

geltendem Schweizer Recht................................................................................................48

IV. Vergleich...........................................................................................................................50

1. Die einzelnen fürsorgerischen Maßnahmen....................................................................50

2. Die Grundsätze des Vertreterhandelns............................................................................52

3. Schutz vor Missbrauch der Vertretungsmacht................................................................53

4. Schenkungen nach altem Recht ......................................................................................54

§ 4 Reformen der Vormundschaftsrechte...............................................................................58

I. Deutschland .........................................................................................................................58

1. BtG, Ziele der Reform ....................................................................................................58

Page 5: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

Inhaltsverzeichnis

V

2. Umsetzung ......................................................................................................................60

a. Voraussetzungen und Grenzen des Betreuerhandelns – Der

Erforderlichkeitsgrundsatz..............................................................................................62

b. Wunsch und Wohl des Betroffenen ............................................................................63

(1) „Wunsch“ des Betreuten .......................................................................................63

(2) Begriff des „Wohls“ ..............................................................................................64

aa. Objektive Bestimmung......................................................................................65

bb. Subjektive Bestimmung....................................................................................68

c. Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen durch das

Betreuungsrecht ..............................................................................................................69

(1) Schutz vor sich selbst – der Einwilligungsvorbehalt ............................................69

(2) Schutz vor Fremdbestimmung ..............................................................................70

aa. Der vormundschaftsgerichtliche Genehmigungsvorbehalt ...............................71

bb. Das Verbot von Insichgeschäften und Geschäften mit

Verwandten.............................................................................................................71

cc. Schadensersatzansprüche des Betroffenen, Strafbarkeit des

Betreuers .................................................................................................................71

3. Schenkungen nach neuem Recht ....................................................................................72

a. Gelegenheitsschenkung...............................................................................................72

b. Üblichkeit nach den Lebensverhältnissen...................................................................73

c. Wunsch des Betroffenen .............................................................................................74

d. Die „vorsichtige Erweiterung“ der Schenkungsmöglichkeit ......................................74

e. Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 1908i BGB .........................................................76

f. Praktische Möglichkeiten von Schenkungen aus dem

Betroffenenvermögen .....................................................................................................76

(1) Schenkungen durch den Betreuten, der nicht unter

Einwilligungsvorbehalt steht ......................................................................................77

(2) Schenkungen des Betroffenen an seinen Betreuer ................................................77

aa. Annahmeverbot durch §§ 1908i I 1, 1795 II, 181 BGB?..................................77

bb. Annahmeverbot durch § 14 I, V HeimG?.........................................................78

cc. Annahmeverbot durch Öffentliches Dienstrecht...............................................80

dd. Sittenwidrigkeit.................................................................................................81

ee. Zwischenergebnis..............................................................................................82

(3) Schenkungen durch den Betreuten, der unter

Page 6: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

Inhaltsverzeichnis

VI

Einwilligungsvorbehalt steht ......................................................................................82

(4) Schenkungen durch den Betreuer..........................................................................83

g. Sinn und Zweck des Schenkungsverbots....................................................................84

4. Zwischenergebnis ...........................................................................................................85

II. Österreich ...........................................................................................................................86

1. Ziele des Sachwalterrechts..............................................................................................86

2. Grundzüge des Sachwalterrechts ....................................................................................87

a. Der Sachwalter als Vertreter des Betroffenen.............................................................87

b. Gerichtlich eingeräumte Handlungsfähigkeit .............................................................88

c. Wunsch und Wohl des Betroffenen ............................................................................89

d. Geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens ....................................................91

e. Schutz der Betroffeneninteressen im Sachwalterrecht................................................91

(1) Interessenkollision.................................................................................................91

(2) Vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungsvorbehalt ........................................92

(3) Schadensersatzansprüche des Betroffenen, Strafbarkeit des

Sachwalters .................................................................................................................92

3. Schenkungen nach neuem Recht ....................................................................................92

a. Schenkungen durch den Betroffenen ..........................................................................93

b. Schenkungen durch den Sachwalter ...........................................................................94

c. Praktische Möglichkeiten von Schenkungen aus dem

Betroffenenvermögen .....................................................................................................95

(1) Schenkungen durch den Betroffenen selbst ..........................................................95

(2) Schenkungen durch den Sachwalter......................................................................96

4. Zwischenergebnis ...........................................................................................................97

III. Schweiz .............................................................................................................................98

1. Bisheriges Gesetzgebungsverfahren ...............................................................................98

2. Ziele des neuen Rechts....................................................................................................99

3. Grundzüge des neuen Beistandschaftsrechts ..................................................................99

a. Die Beistandschaften.................................................................................................100

(1) Begleitbeistandschaft (Art. 393 ZGB-E).............................................................100

(2) Vertretungsbeistandschaft (Art. 394, 395 ZGB-E).............................................100

(3) Mitwirkungsbeistandschaft (Art. 396 ZGB-E)....................................................101

(4) Umfassende Beistandschaft (Art. 398 ZGB-E)...................................................102

b. Einflussmöglichkeiten des Betroffenen ....................................................................102

Page 7: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

Inhaltsverzeichnis

VII

c. Schutz des Betroffenen im neuen Recht ...................................................................103

(1) Interessenkollision...............................................................................................103

(2) Genehmigungsvorbehalte....................................................................................103

(3) Schadensersatzansprüche des Betroffenen, Strafbarkeit des

Beistandes .................................................................................................................104

4. Schenkungen nach neuem Recht ..................................................................................104

a. Übliche Gelegenheitsgeschenke................................................................................105

b. Betroffener Personenkreis.........................................................................................106

c. Praktische Möglichkeiten von Schenkungen aus dem

Betroffenenvermögen ...................................................................................................109

(1) Begleitbeistandschaft ..........................................................................................109

(2) Mitwirkungsbeistandschaft .................................................................................110

(3) Vertretungsbeistandschaft ...................................................................................110

(4) Umfassende Beistandschaft.................................................................................111

5. Zwischenergebnis .........................................................................................................111

IV. Vergleich.........................................................................................................................112

1. Die neuen Systeme des Erwachsenenschutzes .............................................................112

2. Schenkungen nach neuem Recht ..................................................................................115

3. Zwischenergebnis .........................................................................................................116

§ 5 Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands .......................................118

I. Betreuungsrechtlicher Systembruch durch das Schenkungsverbot ? ................................119

1. Das Schenkungsverbot im Lichte der Ziele des BtG....................................................119

a. Stärkung der Selbstbestimmung der Betroffenen .....................................................119

b. Subsidiaritätsgrundsatz .............................................................................................120

c. Abschaffung der rechtlichen Gleichbehandlung mit Kindern ..................................121

2. Vereinbarkeit des Schenkungsverbots mit dem Grundsatz der

subjektiven Wohlbestimmung ..........................................................................................124

II. Systematische Begründung des Schenkungsverbots........................................................125

1. Verstoß gegen den Zweck der Vermögensverwaltung .................................................125

2. Verstoß gegen das Betroffenenwohl.............................................................................126

3. Schutz des Betroffenen .................................................................................................127

III. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Schenkungsverbot.....................................129

IV. Positivistische Lösungsansätze.......................................................................................131

§ 6 Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG.........................................134

Page 8: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

Inhaltsverzeichnis

VIII

I. Schutzbereich des Art. 14 GG ...........................................................................................134

II. Eingriff in den Schutzbereich...........................................................................................134

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung............................................................................137

1. Verfolgung eines legitimen Zwecks .............................................................................138

2. Eignung des Verbots für die Erreichung des Zwecks...................................................140

3. Verhältnismäßigkeit ......................................................................................................141

a. Notwendiger Sicherungsumfang...............................................................................141

b. Schutz durch Einwilligungsvorbehalt .......................................................................143

c. Schutz durch gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt................................................144

(1) Geschäfte, die einem gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt

unterliegen.................................................................................................................144

(2) Geschäfte, die keinem gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt

unterliegen.................................................................................................................146

d. Zwischenergebnis .....................................................................................................148

§ 7 Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit dem allgemeinen

und dem speziellen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I und 3 III 2 GG..............................150

I. Rechtliche Ungleichbehandlung........................................................................................150

II. Sachlicher Grund für Ungleichbehandlung......................................................................151

1. Höchstpersönlichkeit von Schenkungsgeschäften? ......................................................151

2. Schutz vor Fremdbestimmung ......................................................................................152

III. Verhältnismäßigkeit des Schenkungsverbots .................................................................152

1. Schutz durch § 1795 BGB ............................................................................................153

2. Gerichtlicher Genehmigungsvorbehalt .........................................................................153

3. Schutz durch Schadensersatzpflicht und Strafgesetze ..................................................155

4. Zwischenergebnis .........................................................................................................155

§ 8 Folgen der Verfassungswidrigkeit des Schenkungsverbots ..........................................156

I. Eigene Schenkungen des Betroffenen ...............................................................................156

II. Schenkungen durch den Betreuer.....................................................................................159

§ 9 Zusammenfassung der Ergebnisse ..................................................................................161

Page 9: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

IX

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Page 16: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

XVI

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http://www.ejpd.admin.ch/etc/medialib/data/gesellschaft/gesetzgebung/vormund-

schaft.Par.0001.File.tmp/entw-zgb-d.pdf, Juni 2003 (zit.: VE ZGB)

Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht), Entwurf

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Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches

(Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht)

http://www.admin.ch/ch/d/ff/2006/7001.pdf, BBl 2006, 7001, Juni 2006 (zit.:

Botschaft)

Page 17: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 1 Einleitung

1

§ 1 Einleitung

Schenkungen aus dem Vermögen eines Betreuten erscheinen auf den

ersten Blick stets ausschließlich mit Nachteilen für den Betroffenen

behaftet, wird sein Vermögen doch ohne entsprechende Gegenleistung

vermindert. Bei näherem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass nicht nur ein

persönliches, ideelles und praktisches Bedürfnis der Betroffenen an der

Möglichkeit zu Schenkungen besteht, sondern dass diese darüber hinaus

auch wirtschaftlich von Vorteil für den Schenker selbst sein können.

So sei zunächst der Abschluss einer schenkweise vorgenommenen

Überlassung des Eigenheims1 oder landwirtschaftlichen Hofes2 an die

nächste Generation im Wege der vorweggenommenen Erbfolge genannt.

Hierbei wird regelmäßig etwa ein Nießbrauchsrecht vorbehalten und eine

Vereinbarung einer Pflegepflicht3 und/oder einer monatlichen

Ratenzahlung geschlossen („Altenteil“), wodurch die persönliche und

wirtschaftliche Versorgung des Betroffenen sichergestellt wird4.

Hierdurch reduzieren sich die vom Überlasser zu tragenden laufenden

Kosten, was zu einem wirtschaftlichen Vorteil beim Schenker selbst führt.

Im Übrigen können durch die lebzeitige Überlassung die

Vermögensverhältnisse bereits vor Eintritt des Erbfalls für alle Beteiligten

geklärt werden. Darüber hinaus lassen sich auftretende Ungleichheiten

durch die Vereinbarung von Zahlungen an weichende Erben ausgleichen.

Dies zusammen trägt zum Schutz des familiären Zusammenhalts bei.

Hinzu kommen noch etwaige steuerliche Vorteile dadurch, dass ggf. ein

Steuerfreibetrag mehrfach genutzt werden kann5.

Aber es sind auch Fälle denkbar, in denen der erkennbare Wille des

Betroffenen auf die Vornahme bestimmter Schenkungen gerichtet ist, auch

1 vgl. BayObLG FamRZ 1996, 1359f. 2 vgl. etwa OLG Stuttgart v. 04.10.2000 – 8 W 590/99, BWNotZ 2001, 64f.; OLG

Stuttgart v. 30.06.2004 – 8 W 495/03, FamRZ 2005, 62f.; LG Traunstein v. 07.04.2004 –

4 T 1365/04, MittBayNot 2005, 231f. 3 LG Kiel, MDR 1955, 37 4 Böhmer, MittBayNot 1996, 405ff. 5 Böhmer, MittBayNot 1996, 405ff.

Page 18: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 1 Einleitung

2

wenn er aufgrund einer inzwischen eingetretenen Erkrankung diese nicht

mehr selbst vornehmen kann6. Etwa wenn jemand für den Fall seiner

erforderlich werdenden Betreuung vor deren Anordnung eine Reihe von

Entscheidungen schriftlich fixiert hatte – darunter auch der Hinweis, dass

im Falle einer notwendigen Heimunterbringung sein Eigenheim

schenkweise einer dritten Person überlassen werden soll. Auch

Anordnungen, dass im vorgenannten Fall etwa wertvolle Gemälde oder

das Tafelsilber an eine bestimmte Person zu schenken seien, sind genauso

denkbar wie schriftliche Schenkungsversprechen, die zwar den

eigenverantwortlichen Willen des Betroffenen zur Vornahme der

Schenkungen eindeutig erkennen lassen, in ihrer Wirksamkeit jedoch an

der fehlenden notariellen Form scheitern (§ 518 I BGB)7.

In solchen Fällen kann der Betroffene häufig wegen mittlerweile

eingetretener Geschäftsunfähigkeit im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB die

Schenkung nicht mehr selbst vornehmen. Die Tatsache, dass der

Betroffene ggf. die Schenkung nicht mehr selbst vornehmen kann, ändert

aber nichts daran, dass sie seinem eigenverantwortlichen Willen

entsprechen würde und somit nicht sein Selbstbestimmungsrecht verletzen

kann. Die Möglichkeit, diese Schenkung im Rahmen einer angeordneten

Betreuung zu vollziehen, erscheint nicht von vornherein unbillig, sondern

vielmehr wünschenswert, weil sie im Sinne des Betroffenen ist.

Ein ähnliches Beispiel ließe sich für jemanden anführen, der zeitlebens

alljährlich großzügige Spenden an gemeinnützige Vereine oder Kirchen

getätigt hatte, später jedoch so hochgradig an Demenz erkrankt, dass er zu

eigenen freien Entschlüssen nicht mehr in der Lage ist8. Auch hier

erscheint die Fortführung seiner bisherigen Spendenpraxis als

wünschenswert, da sie offenkundig dem Wunsch des Betroffenen

entspricht, auch wenn dieser einen entsprechenden eigenverantwortlichen

Willen oder möglicherweise nicht einmal mehr einen solchen Wunsch

äußern kann. Ebenso kommen in der Praxis Fälle vor, in denen die 6 für das Schweizer Recht: Sauter, S. 16 7 vgl. Bobenhausen, BtPrax 1994, 158, 160 8 vgl. Canaris, JZ 1987, 993, 998; Holzhauer, FamRZ 2000, 1063, 1065

Page 19: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 1 Einleitung

3

Betroffenen – zum Teil über Jahre hinweg – Freunde oder Angehörige

regelmäßig finanziell unterstützt haben9. Schließlich ist an den Fall zu

denken, in dem die einzige Verwandte des Betroffenen Geld zur

Finanzierung eines Kfz benötigt, um damit regelmäßig den Betroffenen zu

besuchen10.

Aber natürlich ergibt sich auch ein persönliches Bedürfnis der

Betroffenen, insbesondere Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke

vornehmen zu können, da diese so allgemein üblich sind, dass deren

Ausbleiben das soziale Ansehen des Betroffenen beschädigen könnte11.

Seit Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde zunächst in

Österreich und dann in Deutschland das Rechtsinstitut der Entmündigung

abgeschafft und durch flexiblere Lösungen ersetzt. Gleiches soll nun auch

in der Schweiz geschehen. Nach übereinstimmender Vorstellung in

Rechtswissenschaft und Politik war vor allem der Selbstbestimmung der

Betroffenen wesentlich breiterer Raum zu lassen12. An die Stelle der

pauschalen Entmündigung wurden daher Rechtsinstitute gesetzt, die eine

Betreuung nach den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen

gewährleisten sollte. Ziel war es, auf diese Weise insbesondere die

Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen zu berücksichtigen und

dadurch deren Selbstbestimmungsrecht zu sichern13.

9 vgl. OLG Karlsruhe, BtPrax 2000, 177f.; Bobenhausen, BtPrax 1994, 158, 161;

BayObLG, FamRZ 2004, 1229f. 10 Jurgeleit/Meier, § 1908i BGB Rn. 8 11 Staudinger/Engler, § 1804 BGB Rn. 16 12 Deutschland: BT-Drs. 11/4528, S. 49; Schwab, Referat, K 9, K 42-43, Kollmer, S. 6;

Österreich: Schauer, ÖNotZ 1983, 49, 50; Ent/Hopf, Einführung, S. 25; Schwind, in:

Ehrenzweig, S. 207; Schweiz: Botschaft, S. 7011f.; Bericht 2003, S. 2; vgl. auch Art. 21

ZGB-VE 1998; Bericht 1995, S. 49; Reusser, ZVW 2003, 179, 180; Schnyder, ZVW

1992, 156, 165 13 Deutschland: BT-Drs. 11/4528, S. 67; Lipp, S. 14, 17; Damrau, in: Damrau/

Zimmermann, Vor § 1896 BGB Rn. 11; Schwab, in: MünchKommBGB Vor § 1896 BGB

Rn. 12; Österreich: EB 19 zu § 273a ABGB; Kremzow, S. 66; Schweiz: vgl. Art. 406

ZGB-E und hierzu Botschaft, S. 7052; Bericht 2003, S. 47; Bericht 1998, S. 26; Bericht

1995, S. 107

Page 20: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 1 Einleitung

4

Nur bei den Regelungen zu Schenkungen aus dem Vermögen der

Betroffenen des Erwachsenenschutzes blieb anscheinend alles beim Alten:

Deutschland ordnete weiterhin die Anwendbarkeit des § 1804 BGB an

(§ 1908i II 1 BGB n.F.), der einen Großteil möglicher Schenkungen

ausschloss. In Österreich blieb es bei der Regelung des § 154 III ABGB.

Die Schweiz will bislang ebenfalls inhaltlich die bisherige Regelung des

Art. 408 ZGB ins neue Recht übernehmen, Art. 412 I ZGB-E.

Es ist nicht auszuschließen, dass ein solches Festhalten an alten

Regelungen bei einem Wechsel des übrigen Systems des

Erwachsenenschutzes zu Problemen führt. Im Rahmen dieser Arbeit soll

daher untersucht werden, ob und inwieweit sich tatsächlich ein

Systemwechsel in Bezug auf die Vermögensverwaltung der Betroffenen

ergeben hat und welche Möglichkeiten der Schenkungen aus dem

Vermögen der Betroffenen nach altem und nach neuem Recht möglich

waren bzw. sind. Darüber hinaus sollen etwaige Wertungswidersprüche

sowie systematische und verfassungsrechtliche Probleme im

Zusammenhang mit Schenkungen im deutschen Betreuungsrecht, die sich

aus der Beibehaltung der alten Schenkungsvorschriften ergeben,

aufgezeigt werden. Schließlich sollen aus der vergleichenden Betrachtung

der Erwachsenenschutzrechte der deutschsprachigen Nachbarländer

Österreich und Schweiz Lösungswege für die im deutschen Recht

aufgezeigten Probleme herausgearbeitet werden.

Page 21: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 2 Zum Gang der Untersuchung

5

§ 2 Zum Gang der Untersuchung

Um eine rechtliche Regelung richtig interpretieren zu können, ist es nicht

nur erforderlich, ihre Stellung innerhalb des übrigen Rechtssystems zu

beleuchten, sondern auch die historische Entwicklung zu untersuchen, die

zu dieser Regelung geführt hat.

Für eine vollständige systematische Darstellung der

Schenkungsmöglichkeiten innerhalb der nationalen Erwachsenenschutz-

rechte ist somit zunächst eine Darstellung der vor den Reformen

existierenden Rechtslagen erforderlich. In einem ersten Schritt werden

daher die nationalen Erwachsenenschutzrechte vor den Reformen

dargestellt und untersucht14. Nach einer Aufarbeitung der

Gesetzessystematik schließt sich jeweils eine konkrete Prüfung an, welche

Möglichkeiten der Vornahme von Schenkungen aus dem Vermögen der

Betroffenen bestanden bzw. wo und aus welchen Gründen solchen

Schenkungen Grenzen gesetzt waren. Von diesen so gewonnenen

Erkenntnissen ausgehend wird dann in einem zweiten Schritt dargestellt,

welche Mängel und Unzulänglichkeiten des alten Rechts schließlich zu

den durchgeführten Reformen geführt haben bzw. welche Ziele und

Leitbilder mit den Reformen verwirklicht werden sollten15.

Auf diese Weise soll aufgezeigt werden, welche strukturellen

Veränderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage eingetreten sind und

welche Folgen dies für die rechtlichen und tatsächlichen

Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen und ihrer Betreuer insbesondere

im Hinblick auf Schenkungen hat. In dem dann folgenden Schritt wird

untersucht, inwieweit die neue Gesetzeslage diese

Handlungsmöglichkeiten auch tatsächlich eröffnet16. So weit hier

Diskrepanzen auftreten, führt dies schließlich in einem letzten Schritt zu

einer kritischen Überprüfung der jeweiligen Regelung im Hinblick auf die

14 § 3 15 § 4 16 § 5

Page 22: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 2 Zum Gang der Untersuchung

6

Wahrung der Grundrechte der Betroffenen17. Diese Überprüfung soll sich

jedoch nicht in einer reinen Kritik an der geltenden Rechtslage erschöpfen,

sondern Wege aufzeigen, wie den o.g. Verstößen rechtlich begegnet

werden kann. Ziel soll insbesondere sein, aus dem Vergleich der

verschiedenen Rechtssysteme Lösungsmöglichkeiten für die Probleme, die

für das deutsche Recht aufgezeigt wurden, herauszuarbeiten. Zum

Abschluss werden die so erarbeiteten Ergebnisse noch einmal

zusammenfassend dargestellt.

17 §§ 6, 7

Page 23: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

7

§ 3 Erwachsenenschutz vor den Reformen

I. Deutschland

Vor Einführung des Betreuungsrechts in Deutschland im Jahre 1992

standen an seiner Stelle zum einen die Entmündigung und die

Vormundschaft über Erwachsene, auf die gem. § 1897 BGB a.F. im

wesentlichen die Vorschriften über die Vormundschaft über Minderjährige

Anwendung fanden, sowie zum anderen die Gebrechlichkeitspflegschaft.

1. Entmündigung und Vormundschaft

Voraussetzung für eine Vormundschaft über einen Erwachsenen war

dessen vorherige Entmündigung, § 1896 BGB a.F.. Gem. § 6 BGB a.F.

konnte entmündigt werden, wer infolge von Geisteskrankheit oder Gei-

stesschwäche, Trunk- oder Rauschgiftsucht seine Angelegenheiten nicht

zu besorgen vermochte oder durch Verschwendung sich oder seine

Familie der Gefahr des Notstandes aussetzte. Wer als Erwachsener

entmündigt war, bekam einen Vormund bestellt, § 1896 BGB a.F.. Der

Vormund war dann gemäß §§ 1897, 1793 BGB a.F. der gesetzliche

Vertreter des Mündels und somit insbesondere zur Vermögenssorge

berufen. Dem Mündel hingegen war durch die Entmündigung die ihm dem

Alter nach zustehende Geschäftsfähigkeit entzogen, wenn diese wegen

Geisteskrankheit erfolgt war, § 104 Nr. 3 BGB a.F.. Mit der

Entmündigungsentscheidung und der daraus resultierenden

Geschäftsunfähigkeit konnte der voll Entmündigte somit keinerlei

Rechtsgeschäfte mehr abschließen, §§ 6, 104 Nr. 3 BGB a.F.. Ansonsten

war er fortan nur noch beschränkt geschäftsfähig, § 114 BGB a.F.. Hieraus

folgte, dass die von ihm geschlossenen Rechtsgeschäfte bis zur

Genehmigung durch den Vormund schwebend unwirksam waren.

Dem beschränkt Entmündigten war dies immerhin noch möglich.

Allerdings bedurften seine Rechtsgeschäfte für ihre Wirksamkeit der

Genehmigung durch den Vormund, soweit sie ihm nicht lediglich einen

rechtlichen Vorteil brachten, §§ 114, 107 BGB a.F..

Page 24: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

8

Der Vormund handelte bei der ihm obliegenden Sorge für die Person und

das Vermögen des Mündels selbstständig18, wobei er vor allem bei der

Vermögensverwaltung gewisse Vorschriften zu beachten hatte

(§§ 1804ff.)19.

Wunsch und Wohl des Betroffenen

Der Vormund musste Wünsche und Vorstellungen des Betroffenen bei

seinen Entscheidungen nicht berücksichtigen, auch wenn er gehalten war,

Mündelwünsche anzuhören und möglichst zu respektieren20. Allerdings

war durch die Anordnung der Entmündigung dem Betroffenen die

Fähigkeit zu eigenverantwortlichen Entscheidungen konstitutiv

abgesprochen worden21, so dass letztlich jegliche Entscheidungen

nunmehr ausschließlich der Vormund für ihn traf22.

Dabei war oberster Grundsatz jeder Vormundstätigkeit die Wahrung des

„Mündelwohls“23, welches vom Standpunkt und der Person des jeweiligen

Mündels aus gesehen bestimmt wurde24. Trotz der begrifflichen

Übereinstimmung mit dem Begriff des „Kindeswohls“ des

Minderjährigenrechts waren die beiden Begriffe jedoch nicht

deckungsgleich, da dem Vormund insbesondere keine Erziehungsaufgabe

zukam25. Der Inhalt des Betroffenenwohls wurde vielmehr anhand des

jeweiligen Entmündigungsgrundes bestimmt26. Wie bei einer

18 Palandt/Diederichsen [50. Aufl.] § 1837 BGB Rn. 1; Staudinger [10./11. Aufl.]

Vorbem. § 1900 ff. Rn. 14 19 Staudinger [10./11. Aufl.] Vorbem. § 1900 ff. Rn. 15 20 Möhring, S. 56 21 Kollmer, S. 28 22 Mot., in: Mugdan IV, 1235, 1238; Erman/Holzhauer [8. Aufl.], § 1901 BGB Rn. 2;

Kollmer, S. 88; Staudinger/Engler [10./11. Aufl.] § 1901 BGB Rn. 1, § 1793 BGB Rn.

14; Soergel/Damrau [12. Aufl.] 1901 BGB Rn. 4 23 Schwab in: MünchKommBGB [2. Aufl.] § 1793 Rn. 1 24 Erman/Holzhauer [8. Aufl.] § 1901 BGB Rn. 2; Soergel/Damrau [12.Aufl.] § 1901

BGB Rn. 4 25 Erman/Holzhauer [8. Aufl.] § 1901 BGB Rn. 1 26 Erman/Holzhauer [8. Aufl.] § 1901 BGB Rn. 2; Soergel/Damrau [12.Aufl.] § 1901

BGB Rn. 4

Page 25: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

9

Geschäftsführung i.S.d. § 675 BGB sollte das objektive Interesse des

Mündels entscheidendes inhaltliches Kriterium sein27. Beim Geistes-

kranken oder süchtigen Mündel standen bei der Tätigkeit des Vormunds

somit Sicherung, Pflege, Heilung und Integration im Vordergrund, beim

Verschwender demgegenüber die Vermögenssorge28. Die Vormundschaft

über Erwachsene diente also in erster Linie dem Zweck, den Mündel

gegen die ihm infolge seines Zustandes drohenden Gefahren zu schützen.

Beim Verschwender und Rauschgiftsüchtigen galt der Schutz auch seiner

Familie gegen die Gefahr des Notstandes29. Ferner sollten beim Trunk-

und Rauschgiftsüchtigen Dritte gegen die vom Entmündigten ausgehenden

Gefahren geschützt werden30.

Dem Vormund kam daher stets die Aufgabe zu, den Mündel zu

überwachen31.

2. Pflegschaft

Solange die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen nicht so weit ging, dass

eine Entmündigung, also der Entzug oder die Beschränkung der

Geschäftsfähigkeit für alle Angelegenheiten, notwendig erschien, bestand

weiterhin die Möglichkeit, eine sog. Pflegschaft anzuordnen. Hier

erhielten die Betroffenen zwar durch vormundschaftsgerichtliche

Anordnung für einen fest umschriebenen Wirkungskreis einen Pfleger zur

Seite gestellt, waren selbst aber nicht in ihrer Geschäftsfähigkeit

beschränkt32. Eine solche Pflegschaft war für den Fall, dass es sich um

eine sog. Gebrechlichkeitspflegschaft handelte, nur unter der Bedingung

zulässig, dass der Betroffene in die Anordnung einwilligte; es sei denn,

27 Möhring, S. 56 28 Erman/Holzhauer [8. Aufl.] § 1901 BGB Rn. 6; Scheffler, in: RGRK [10./11. Aufl.] §

1901 BGB Anm. 1 29 Soergel/Fahse [12. Aufl.], § 6 BGB Rn. 24; Jauernig, § 6 BGB Rn. 1 30 Palandt/Heinrichs [50. Aufl.] § 6 BGB Rn. 1; Soergel/Fahse [12. Aufl.] § 6 BGB Rn.

33 31 Erman/Holzhauer [8. Aufl.] § 1901 BGB Rn. 3; Scheffler, in: RGRK [10./11. Aufl.] §

1901 BGB Anm. 4 32 BVerfGE 19, 83, 98; RGZ 145, 284, 288; BGHZ 35, 1, 5

Page 26: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

10

eine Verständigung mit ihm war nicht oder nicht mehr möglich, § 1910 III

BGB a.F.. Eine solche Gebrechlichkeitspflegschaft bedeutete daher im

Allgemeinen eine sog. „Zwangspflegschaft“. Denn bei ganz oder partiell

geschäftsunfähigen Geisteskranken und Geistesschwachen, deren

Willenserklärungen schon gem. § 105 I BGB nichtig waren, schloss sich

zumindest für den Bereich, in dem die geistigen Defizite vorlagen, in der

Regel eine Verständigung aus33. Die Einwilligung der Betroffenen in die

Einrichtung der Pflegschaft wurde daher für entbehrlich erachtet und die

Pflegschaft erforderlichenfalls zwangsweise angeordnet34. So weit eine

Zwangspflegschaft bestand, war der Pflegling damit in seiner

Geschäftsfähigkeit beschränkt, da die Anordnung einer solchen seine

Geschäftsunfähigkeit bereits voraussetzte35.

Der Pfleger übernahm innerhalb seines ihm übertragenen Wirkungskreises

die Aufgabe des gesetzlichen Vertreters des Betroffenen36. Im Gegensatz

zum Vormund oblag dem Pfleger jedoch nicht die Fürsorge in allen

Angelegenheiten des Betroffenen, sondern lediglich für einzelne oder

einen beschränkten Kreis von Angelegenheiten37. Soweit seine Bestellung

reichte, entsprachen seine Rechte und Pflichten dabei im Wesentlichen

denen eines Vormunds, § 1915 I BGB a.F.. Die diesbezüglichen

Ausführungen zur Vormundschaft gelten somit ebenso für Pflegschaften.

3. Schutz des Betroffenen

a. Aufsicht und Genehmigungsvorbehalt des Vormundschaftsgerichts

Um die Wahrung des Mündelwohls auch gegenüber dem Vormund

sicherzustellen, unterstand dieser der Aufsicht des

Vormundschaftsgerichts, das auf die Wahrung der Interessen des Mündels

achtete und das den Vormund bei Pflichtwidrigkeiten mit Geboten und

Verboten belegen konnte, § 1837 BGB a.F.. Dabei war das 33 Soergel/Damrau [12. Aufl.] § 1910 BGB Rn. 6 34 BVerfGE 19, 95, 98f. 35 BGHZ 35, 1, 6; 48, 147, 159; 70, 252, 258f. 36 BGHZ 48, 147, 159 37 Erman/Holzhauer [8. Aufl.] Vor § 1909 BGB Rn. 1

Page 27: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

11

Vormundschaftsgericht aber nicht befugt, sich über die Entscheidungen

des Vormundes hinwegzusetzen38, in Zweckmäßigkeitsfragen bindende

Anordnungen zu erteilen oder seine eigene Ansicht an die Stelle der

Ansicht des Vormundes zu setzen39. Es durfte daher auch nicht etwa selbst

anstelle des Vormunds handeln40. Dem Vormund allein waren

Vertretungshandlungen für den Mündel vorbehalten.

Diese Freiheit in der Amtsführung barg selbstverständlich die Gefahr, dass

ein Vormund in bestimmten Angelegenheiten missbräuchlich das

Mündelwohl hintanstellte, um sich oder seine Angehörigen auf Kosten des

Betroffenen zu bereichern. Der Gesetzgeber hatte daher eine Reihe von

Schutzmechanismen gegen den Missbrauch der Vertretungsmacht durch

den Vormund vorgesehen. So wurde für bestimmte, von ihm als gefährlich

eingestufte Geschäfte die Wirksamkeit der Vormundshandlung von der

Genehmigung des Vormundschaftsgerichts abhängig gemacht41. Hierunter

fielen z.B. das Anlegen von Mündelgeld, § 1810 i.V.m. §§ 1806-1808

BGB a.F., die Verfügungen über Forderungen und Wertpapiere des

Mündels, § 1812 BGB a.F., und insbesondere Grundstücksgeschäfte,

§ 1821 BGB42.

Das Gericht überprüfte in solchen Fällen nicht etwa die Zweckmäßigkeit

des jeweiligen Geschäfts, da ein solches Vorgehen gegen die

Selbstständigkeit des Vormunds verstoßen hätte43; sondern es prüfte für

die Genehmigungsentscheidung lediglich, ob das jeweilige Geschäft mit

den gesetzlichen Vorschriften übereinstimmte, also dem Mündelinteresse

38 Mot., in: Mugdan IV, 1025; Staudinger [10./11. Aufl.] Vorbem. § 1901 BGB Rn. 14 39 Mot., in: Mugdan IV, 1025; BayObLG Recht 1902 Nr. 2585; BayObLGZ 19, 285; LG

Berlin JR 1963, 346; Josef, AcP 97, 108, 116 40 BayObLG Recht 1903 Nr. 2297 41 z.B. §§ 1810, 1812, 1821, 1822 BGB a.F.; Soergel/Damrau [12. Aufl.] Vor §§ 1821,

1822 BGB Rn. 1 42 wobei die Aufzählung in den Fällen der §§ 1821, 1822 BGB a.F. nicht erschöpfend

war. Es bestanden eine ganze Reihe weiterer genehmigungsbedürftiger Geschäfte, vgl.

Soergel/Damrau [12. Aufl.] vor §§ 1821, 1822 BGB Rn. 1 m.w.N. 43 Mot., in: Mugdan IV, 1025; BayObLG Recht 1902 Nr. 2585; BayObLGZ 19, 285; LG

Berlin JR 1963, 346; Josef AcP 97, 108, 116

Page 28: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

12

entsprach und in körperlicher, geistiger und moralischer Hinsicht dem

persönlichen Wohl des Betroffenen zu dienen geeignet war44.

b. Verbot von Insichgeschäften

Da aber auch die enumerativ aufgeführten vormundschaftsgerichtlichen

Genehmigungsvorbehalte die Gefahr von Missbrauch der

Vertretungsmacht durch den Vormund bei Geschäften außerhalb dieser

genehmigungspflichtigen Geschäfte nicht verhindern konnten, war der

weitgehenden Selbstständigkeit des Vormunds eine zusätzliche Grenze

gesetzt: Für Insichgeschäfte und Geschäfte mit nahen Angehörigen und

dem Ehegatten des Vormunds war dem Vormund die Vertretungsmacht

durch § 1795 BGB entzogen. Hierdurch sollten Interessenkonflikte des

Vormunds wegen mittelbaren oder unmittelbaren Eigeninteresses

verhindert werden45.

c. Haftung des Vormunds

Den Kreis von Schutzmechanismen gegen den Missbrauch der

Vertretungsmacht schlossen schließlich die §§ 1833, 1848 BGB a.F. und

§§ 266, 246 StGB. Sie sahen eine Haftung des Vormunds und des Vor-

mundschaftsrichters bei schuldhaften Pflichtverletzungen und eine

Strafbarkeit bei Untreue und Unterschlagungen vor.

4. Schenkungen

Für Schenkungen aus dem Mündelvermögen hatte der Gesetzgeber eigens

ausdrückliche Sondervorschriften geschaffen. Gem. §§ 1897, 1804 BGB

a.F. waren dem Vormund in Vertretung des Mündels Schenkungen nur

möglich, so weit durch diese einer „sittlichen Pflicht“ oder einer „auf den

Anstand zu nehmenden Rücksicht“ entsprochen wurde.

44 Staudinger/Engler [10./11. Aufl.] §§ 1821, 1822 BGB Rn. 151 45 Schwab, in: MünchKommBGB [2. Aufl.] § 1795 Rn. 1

Page 29: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

13

Die Vorschrift ging auf das römische Recht zurück. Schon nach

klassischem Recht durfte der Vormund46 Schenkungen aus dem

Mündelvermögen weder vornehmen noch genehmigen. Ausgenommen

hiervon waren Schenkungen, die gesellschaftlich oder sittlich geboten

waren47. Vom gemeinen Recht48 über das Recht der Vormundschaft über

Erwachsene und Kinder, §§ 1897, 1804 BGB a.F., erhielt sich die

Regelung bis heute49.

a. Die Regelung des § 1804 BGB

(1) Begriff der „Schenkung“

Von dem Begriff der Schenkung i.S.d. § 1804 BGB sollten nicht jegliche

Formen von Freigiebigkeiten50 oder etwa das Unterlassen eines Erwerbs51

erfasst sein. Gegen einen Missbrauch der Vertretungsmacht des

Vormundes bei „sonstigen Liberalitäten“ wie der Ausschlagung einer

Erbschaft, des Erbverzichts, der Aufgabe oder Minderung einer

Sicherheit52 und der Aufhebung eines vertragsmäßigen Erbrechts sei

46 das römische Recht sah zwei Arten der Vormundschaft vor, die tutela (Schutzgewalt

über einen Unmündigen) und die cura (Schutzgewalt über einen pflegebedürftigen

Mündigen), vgl. Kaser/Knütel, § 62 I 1; Staudinger/Engler [10./11. Aufl.] Vorbem. §

1901 BGB a.F. Rn. 1 47 Kaser/Knütel, § 62 III 3 48 Die Motive zu § 1661 des BGB-Entwurfes verweisen insoweit u.a. auf das preußische

(vgl. § 38 preuß. VormO), sächsische und bayerische Recht, Mot., in: Mugdan IV, S.

1106. Das Vormundschaftsrecht des BGB war in der Hauptsache der preußischen

Vormundschaftsordnung vom 5.7.1875 nachgebildet, vgl. Staudinger/Engler [10./11.

Aufl.] Vorbem. § 1901 BGB a.F. Rn. 7 49 Holzhauer FamRZ 2000, 1063, 1066; Im Gesetzgebungsverfahren wurde § 1804 BGB

ohne Diskussion angenommen, vgl. Stenographische Berichte, S. 712 50 Mot., in: Mugdan IV, S. 1106; Soergel/Damrau [12. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 1; Meyer

in: RGRK [10./11. Aufl.] § 1641 BGB Anm. 1; 51 Soergel/Damrau [12. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 1; Erman/Holzhauer [8. Aufl.] § 1804

BGB Rn. 2; 52 Die Aufhebung oder Minderung einer für eine Forderung des Mündels bestehenden

Forderung kann Schenkung sein, KG JW 37, 2597; über den Verzicht auf den Rang einer

Hypothek als Schenkung s. KG DNotZ 27, 530; OLG Celle, OLGE 8, 75

Page 30: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

14

nämlich der Betroffene ausreichend dadurch geschützt, dass die

Wirksamkeit jener Rechtsgeschäfte von der Genehmigung des

Vormundschaftsgerichts abhängig sei53, so dass ein Verbot solcher

Geschäfte vom Gesetzgeber für unnötig gehalten wurde.

Von § 1804 BGB sollten deshalb nur Schenkungen im juristischen Sinne

erfasst sein54. Nach einhelliger Meinung galten für den Begriff der

„Schenkungen“ in diesem Zusammenhang somit keine Besonderheiten:

Hierunter waren ausschließlich Schenkungen i.S.d. § 516 BGB zu

verstehen55. Danach bestand eine Schenkung aus der Bereicherung des

Empfängers durch die Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers und

der Einigung der beiden über die Unentgeltlichkeit dieser Zuwendung56.

Hierunter fielen auch gemischte Schenkungen57.

Demgegenüber stellte die Zuwendung einer Ausstattung aus dem

Elternvermögen an das Kind keine Schenkung dar, § 1624 BGB, so dass

§ 1804 BGB auf sie auch nicht anwendbar war. Auch Verzichte fielen

nicht unter das Verbot des § 1804 BGB58.

(2) Vertretungshandlung i.S.d. § 1804 BGB

Nach dem Wortlaut des § 1804 BGB sollte der Vormund „in Vertretung“

des Mündels keine Schenkungen vornehmen können. Dies spricht auf den

ersten Blick dafür, dass hiermit nur Geschäfte gemeint waren, die der

Vormund für das Mündel vornahm, dass also Genehmigungshandlungen

des Vormundes zu Geschäften des Betroffenen hiervon nicht erfasst

waren. Im Vorentwurf zum BGB war in der dem § 1804 BGB

53 so ausdrücklich: Mot., in: Mugdan IV, S. 1106 54 Soergel/Damrau [12. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 1; Staudinger/Engler [10./11. Aufl.] §

1804 BGB Rn. 3 55 Mot., in: Mugdan IV, S. 1106f.; Meyer in: RGRK [10./11. Aufl.] § 1804 BGB;

Soergel/Damrau [12. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 1; Erman/Holzhauer [8. Aufl.] § 1804 Rn. 2 56 Palandt/Putzo [50. Aufl.] § 516 BGB Rn. 1 57 Schwab, in: MünchKommBGB [2. Aufl.] § 1804 Rn. 8 58 Meyer, in: RGRK [10./11. Aufl.] § 1641 BGB Anm. 1; Soergel/Damrau [12. Aufl.] §

1804 BGB Rn. 1; Erman/Holzhauer [8. Aufl.] § 1804 Rn. 2

Page 31: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

15

entsprechenden Norm (§ 1661 VE-BGB59) diese Frage noch ausdrücklich

geklärt, indem dort „von dem Vormunde für den Mündel oder von dem

Mündel mit Einwilligung oder Genehmigung des Vormundes“

vorgenommene Schenkungen untersagt waren60. § 38 der preußischen

Vormundschaftsordnung, dem der § 1804 BGB nachgebildet war, hatte

insoweit nämlich zu Zweifeln Anlass geboten61. Da aber im BGB der

gesetzlichen Vertretungsmacht das Prinzip zugrunde liegen sollte, dass sie

auch das Recht des gesetzlichen Vertreters, zu Rechtsgeschäften des

Vertretenen die erforderliche Einwilligung oder Genehmigung zu erteilen,

umfasst62, wurde die ausdrückliche Klarstellung nicht für erforderlich

gehalten und durch die kürzere Form des § 1804 BGB ersetzt. Die

herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht deshalb

seither davon aus, dass sich § 1804 BGB auf beides bezieht: auf Geschäfte

des Vormundes für den Betroffenen und auf Genehmigungen des

Vormundes zu eigenen Geschäften des Betroffenen63.

(3) „Sitten-“ und „Anstandsschenkungen“ i.S.d. § 1804 BGB

Die einhellige Meinung64 legte bei der Frage, was unter „Sitte“ und

„Anstand“ zu verstehen war, ausschließlich einen objektiven Maßstab, den

Maßstab der „Normalität“65, an.

Der Begriff der Anstandsschenkung sollte daher auf kulturelle und soziale

Schenksitten verweisen. Hierzu gehörten vor allem die Jahresgaben zu

allgemeinen (Weihnachten, Ostern) und persönlichen (Geburtstag)

Feiertagen sowie zu Lebenshöhepunkten wie Taufe, Firmung,

59 Entwurf zur ersten Lesung des BGB 60 Staudinger/Engler [10./11. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 1 61 vgl. Mot., in: Mugdan IV, S. 1106 m.w.N. 62 Mot., in: Mugdan IV, S. 1106 63 RGZ 91, 40; OLG Stuttgart, FamRZ 1969, 39, 40; Schwab, in: MünchKommBGB [2.

Aufl.] § 1804 BGB Rn. 7; Soergel/Damrau [12. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 1; Staudinger/

Engler [10./11. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 1 m.w.N.; a. A.: OLG Colmar, OLGE 24, 35 64 Schwab, in: MünchKommBGB [2. Aufl.] § 1804 Rn. 10; Staudinger/Engler [10./11.

Aufl.] § 1804 BGB Rn. 17 65 Fegeler § 13 B IV 2 d

Page 32: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

16

Konfirmation, Hochzeit, etc.66. Einer auf den Anstand zu nehmenden

Rücksicht sollte die Schenkung entsprechen, wenn ihr Unterbleiben nach

den Anschauungen der mit dem Schenkenden sozial gleichgestellten

Kreise nicht unterbleiben konnte, ohne dass der Schenkende eine Einbuße

in der Achtung und Anerkennung dieser Kreise erleiden würde67.

Der Begriff der sittlichen Pflicht sollte auf die Moral verweisen, wobei

jedoch einschränkend entweder gefordert wurde, dass das allgemeine

Gebot der Nächstenliebe nicht ausreichte, sondern vielmehr eine

besondere Pflicht des Schenkers gegenüber dem Beschenkten vorliegen

musste68 oder aber dass nicht nur die Schenkung sittlich anerkennenswert

war, sondern darüber hinaus ihr Ausbleiben eine sittliche Pflicht

verletzte69. Als Beispiele für Pflichtschenkungen wurden vor allem

Unterstützungszahlungen an nahe Angehörige, die keinen rechtlichen

Unterhaltsanspruch gegen den Betroffenen hatten, angeführt70.

Wohltätige Spenden oder die Schenkung im Wege vorweggenommener

Erbfolge fielen ebenso wenig unter den Tatbestand der Sitten- oder

Anstandsschenkung wie größere Schenkungen aus dem Vermögen des

Betroffenen.

(4) Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 1804 BGB

Solange bei einer Schenkung aus dem Vermögen des Mündels durch den

Vormund nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 1804 S. 2 BGB griff,

war die Schenkung gem. § 1804 S.1 BGB unheilbar nichtig71 und zwar

sowohl die schuldrechtliche Abrede (§§ 516, 518 BGB), als auch das

66 Holzhauer, FamRZ 2000, 1063, 1064 67 BGH NJW 1981, 111 68 Staudinger/Engler [10./11. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 10; Erman/Seiler [8. Aufl.] § 534

Rn. 2, m. w. N. 69 BGHZ 91, 273, 277 = FamRZ 1984, 580, 581; FamRZ 1986, 1079, 1080 = NJW 1986,

1926 70 BGH NJW 1986, 1926; BayObLG OLGE 32, 19; Schwab in: MünchKommBGB [2.

Aufl.] § 1804 Rn. 10 71 Staudinger/Engler [10./11. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 20; Erman/Holzhauer [8. Aufl.] §

1804 BGB Rn. 1; Soergel/Damrau [12. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 1

Page 33: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

17

dingliche Vollzugsgeschäft72. Das bedeutete, dass die jeweilige

Schenkung von Anfang an unwirksam war. Ebenso unwirksam waren

Genehmigungshandlungen des Vormunds, die sich auf eine Schenkung

außerhalb des § 1804 BGB bezogen. Die Genehmigung einer Schenkung

des Mündels durch den Vormund und somit die Schenkung selbst waren

damit ebenfalls nichtig73.

(5) Anwendbarkeit des Schenkungsverbots auf die Pflegschaft

Gem. § 1915 I BGB a.F. waren die für die Vormundschaft geltenden

Vorschriften auch auf die Pflegschaft anzuwenden, so dass insbesondere

§ 1804 BGB auch für die Tätigkeit eines Pflegers galt74. Da der Betroffene

durch die Anordnung der Pflegschaft nicht in seiner Handlungsfähigkeit

eingeschränkt wurde, konnte er selbst somit weiterhin Schenkungen

beliebigen Umfangs tätigen. Etwas anderes galt allerdings bei der

Zwangspflegschaft. Da für deren Anordnung das Vorliegen der

Geschäftsunfähigkeit in dem anzuordnenden Wirkungskreis des Pflegers

Voraussetzung war, konnte der Betroffene hier keinerlei Rechtsgeschäfte

tätigen; der Pfleger konnte Schenkungen jedoch nur innerhalb der von

§ 1804 BGB vorgegebenen Grenzen vornehmen.

b. Möglichkeiten einer Schenkung aus dem Mündelvermögen

Mit der Entmündigung des Betroffenen hatte dieser seine volle

Geschäftsfähigkeit verloren und konnte somit allenfalls mit Hilfe des

Vormunds wirksam Rechtsgeschäfte tätigen. Der Vormund wiederum war

an die Vorschrift des § 1804 BGB gebunden, sodass Schenkungen aus

dem Mündelvermögen nur wirksam getätigt werden konnten, wenn und

soweit es sich um Pflicht- oder Anstandsschenkungen handelte.

An diesen Ergebnissen änderte sich auch nichts, wenn der Entmündigte

noch beschränkt geschäftsfähig war, da die Wirksamkeit der von ihm

72 Staudinger/Engler [10./11. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 7; Erman/Holzhauer [8. Aufl.] §

1804 BGB Rn. 1; Soergel/Damrau [12. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 1 73 Mot., in: Mugdan IV, 1106; Erman/Holzhauer [8. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 1 74 Erman/Holzhauer [8. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 1

Page 34: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

18

getätigten Geschäfte von der Genehmigung des Vormunds abhing. Ohne

die Zustimmung des Vormunds konnte er keine wirksamen

Rechtsgeschäfte vornehmen. Dieser wiederum war auch bei der Erteilung

von Genehmigungen an die Vorschrift des § 1804 BGB gebunden75, so

dass auch in diesen Fällen keine Schenkungen über das Maß des § 1804

BGB hinaus wirksam getätigt werden konnten.

Wenn also etwa eine Hofübergabe zu Lebzeiten an den Sohn erfolgen

sollte oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge sonstige größere

Vermögensgegenstände auf die künftigen Erben übertragen werden

sollten, etwa um den gesetzlichen Freibetrag bei der Erbschaft- und

Schenkungsteuer mehrfach auszunutzen, so war der entmündigte

Übergeber hieran gehindert. Er konnte weder selbst noch mit Hilfe seines

Vormundes diese Geschäfte tätigen. Selbst wenn man eindeutige Hinweise

darauf hatte, dass der selbstbestimmte eigenverantwortliche Wille des

Betroffenen auf Vornahme des jeweiligen Geschäfts gerichtet gewesen

wäre, etwa in dem Eingangsbeispiel der schriftlichen

Schenkungsanordnung, verhinderte § 1804 BGB die Vornahme solcher

Schenkungen.

Auch karitative Schenkungen oder Parteispenden waren somit nicht mehr

möglich. Hierbei war es auch irrelevant, dass der Betroffene

möglicherweise zeitlebens entsprechende Geschenke regelmäßig getätigt

hatte. § 1804 BGB stand derartigen Schenkungen unabhängig vom

Vorleben des Betroffenen ab dem Moment der Entmündigung bzw. der

Anordnung einer Zwangspflegschaft entgegen.

c. Sinn und Zweck des Schenkungsverbots

Nach allgemeiner Auffassung bestand die Aufgabe bei der Verwaltung

fremden Vermögens darin, dieses zu erhalten und zu vermehren76. Dieses

Grundprinzip müsse auch bei der Verwaltung des Mündelvermögens

75 siehe oben, § 3 I 4 a (2) 76 Möhring, S. 72; Dölle, § 124 II, S. 699f.; Meyer, in: RGRK [10./11. Aufl.] § 1641

BGB Anm. 1

Page 35: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

19

durch den Vormund angewendet werden77 und die Verkleinerung des

Vermögens des Betroffenen lag grundsätzlich nicht in seinem

wohlverstandenen Interesse78. Sie verletzte damit sein Wohl79.

Schenkungsgeschäfte gingen stets mit solchen Vermögensminderungen

einher, ohne dass ein entsprechender vermögensrechtlicher Gegenwert

zurückfließe, so dass sie letztlich stets eine Verletzung des Mündelwohls

darstellten. Die Regelung des § 1804 BGB sollte somit das Mündelwohl

sicherstellen, indem sie ein Verbot von Schenkungen anordnete. Der

Vormund sollte das Vermögen des Betroffenen erhalten und vermehren

und es nicht etwa durch unentgeltliche Zuwendungen vermindern80. Etwas

anderes gelte freilich für die im Rahmen des § 1804 BGB zulässigen

Ausnahmen, da Schenkungen, welche durch eine sittliche Pflicht oder die

auf den Anstand zu nehmende Rücksicht gerechtfertigt werden, nicht

außerhalb des Zwecks der Vermögensverwaltung und auch im eigenen

Interesse des Mündels lägen81. Denn eine unterbleibende

Anstandsschenkung hätte für das Mündel nach der Definition82 einen

Ansehensverlust innerhalb seiner sozial gleichgestellten Kreise zur Folge.

Gleiches gälte im Falle einer ausbleibenden Schenkung trotz

entsprechender sozialer Pflicht. Eine Verletzung von sittlichen Pflichten

oder auf den Anstand zu nehmenden Rücksichtnahmen hätte somit dem

Ansehen des Betroffen geschadet und somit wiederum sein Wohl

gefährdet und damit insbesondere gegen den Schutzgedanken des

Vormundschaftsrechts83 verstoßen.

77 Erman/Holzhauer, § 1804 BGB [8. Aufl.] Rn. 1 78 Meyer, in: RGRK [10./11. Aufl] § 1641 BGB Anm. 1 79 zum Wohlbegriff, siehe oben, § 3 I 1 80 Hinz, in: MünchKommBGB [2. Aufl.] § 1641 Rn. 1; Möhring, S. 72; Dölle, § 124 II,

S. 699f. 81 Mot., in: Mugdan IV, S. 1107; KG JW 1936, 393; Meyer, in: RGRK [10./11. Aufl.] §

1641 BGB Anm. 1 82 oben, § 3 I 4 a (3) 83 oben, § 3 I 1

Page 36: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

20

In den Gesetzesmaterialien84 findet sich noch ein weiterer Gesichtspunkt

für die Anordnung des Verbots: Der Vormund war – wie bereits gesehen –

bei seiner Amtsführung weitgehend selbständig und es bestand deshalb die

Gefahr, dass er diese Stellung unter Missbrauch seiner Vertretungsmacht

für eigene Zwecke ausnutzte85. Der Betroffene war daher mithilfe des

Schenkungsverbots vor einem möglichen Missbrauch der

Vertretungsmacht durch den Vormund zu schützen86. Wie bereits gesehen

hielt das Vormundschaftsrecht für den Schutz des Mündels zwar eine

Reihe von Schutzmechanismen wie Genehmigungsvorbehalte und

Schadensersatzansprüche bereit87, bei Schenkungen wurden diese

Schutzmechanismen jedoch nicht für ausreichend gehalten88.

Das Schenkungsverbot diente somit im Wesentlichen zwei Zielen: dem

Schutz der Vermögensinteressen des Mündels und dem Schutz des

Mündels vor Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Vormund. Mit

anderen Worten betrachtete man Schenkungen, die über die Grenzen des

§ 1804 BGB hinausgingen, als einen Verstoß gegen das Mündelwohl und

hielt sie überdies für gefährlich im Hinblick auf möglichen Missbrauch der

Vertretungsmacht durch den Vormund.

5. Zwischenergebnis

Wer aufgrund geistiger Defizite seine Angelegenheiten nicht (mehr)

eigenverantwortlich wahrnehmen konnte, wurde ganz oder teilweise

84 Mot., in: Mugdan IV, S. 1106 85 oben, § 3 I 3 a 86 so auch indirekt: Staudinger/Engler [10./11. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 3 87 oben, § 3 I 3 88 Staudinger/Engler [10./11. Aufl.] § 1804 BGB Rn. 3; Die Motive weisen ausdrücklich

darauf hin, dass in den Fällen der „Aufgabe oder Minderung der für einen Anspruch des

Mündels bestellten Sicherheit, des Erbverzichtes, der Aufhebung eines vertragsmäßigen

Erbrechtes, sowie der Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses“ dem

Schutz des Mündel bereits ausreichend durch die Anordnung eines

Genehmigungsvorbehaltes Rechnung getragen worden sei. Eine Ausdehnung des

Schenkungsverbots auf diese Geschäfte sei aus Gründen der Verkehrssicherheit

abzulehnen (Mugdan IV, S. 1106f.)

Page 37: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

21

entmündigt und erhielt einen Vormund89. Dieser handelte künftig anstelle

des Betroffenen als dessen Vertreter. Nur dem teilweise Entmündigten

blieb noch die Möglichkeit, selbst Rechtsgeschäfte zu tätigen; für deren

Wirksamkeit benötigte er dann jedoch die Genehmigung des Vormunds.

Wenn der Entzug der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen nicht für

notwendig erachtet wurde, konnte zum Schutz des Betroffenen auch eine

Pflegschaft90 angeordnet werden, die sich dann nur auf das jeweilige

Geschäft bzw. den jeweiligen Geschäftskreis bezog und den Betroffenen

nicht in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkte. Etwas anderes galt nur bei

der „Zwangspflegschaft“, deren Anordnung die fehlende

Geschäftsfähigkeit voraussetzte.

Mit der Entmündigung wurde dem Betroffenen die Fähigkeit zu

eigenverantwortlichen Entscheidungen konstitutiv abgesprochen91. Der

Vormund seinerseits war bei der Führung seines Amtes weitgehend

selbstständig und nur bei einigen wichtigen und gefährlichen Geschäften

zum Schutz des Betroffenen auf die zusätzliche Genehmigung des

Vormundschaftsgerichtes angewiesen92. Insichgeschäfte waren dem

Vormund nicht möglich93.

Der Vormund hatte die objektiven Interessen des Betroffenen zu wahren;

er hatte dessen Vermögen zu erhalten und zu vermehren. Schenkungen aus

dem Vermögen des Mündels durfte der Vormund deshalb nur tätigen,

soweit es sich hierbei um Pflicht- oder Anstandsschenkungen handelte.

Gleiches galt für Genehmigungen des Vormunds zu eigenen Schenkungen

des Betroffenen94.

89 oben, § 3 I 1 90 oben, § 3 I 2 91 oben, § 3 I 1 92 oben, § 3 I 3 a 93 oben, § 3 I 3 b 94 oben, § 3 I 4

Page 38: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

22

II. Österreich

1. Vormundschaft

Vor Einführung der Sachwalterschaft im Jahre 1983 galt in Österreich die

kaiserliche Entmündigungsordnung aus dem Jahre 191695. Danach

konnten Personen wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche

beschränkt oder voll entmündigt werden, § 1 EntmO. Weiter konnte

entmündigt werden, wer durch Verschwendung oder

gewohnheitsmäßigem Missbrauch von Alkohol oder Nervengiften sich

oder seine Familie der Gefahr des Notstandes preisgab oder die Sicherheit

anderer gefährdete, § 2 EntmO.

Wer voll entmündigt war, stand rechtlich Kindern unter sieben Jahren

gleich und erhielt einen Kurator, § 3 EntmO. Das bedeutete, dass der

Betroffene selbst keine Geschäfte mehr tätigen konnte; er war vielmehr

geschäftsunfähig. Wer hingegen beschränkt entmündigt war, erhielt einen

Beistand und wurde rechtlich Minderjährigen zwischen dem 14. und 19.

Lebensjahr gleichgestellt, § 4 I EntmO. Dies hatte zur Folge, dass der

Betroffene für nur berechtigende Geschäfte voll, ansonsten beschränkt

geschäftsfähig war. Für die Vornahme solcher Geschäfte benötigte der

beschränkt Entmündigte jeweils die Genehmigung des Vormunds.

Darüber hinaus durfte der Betroffene selbstständig wirksam

Arbeitsverträge (aber keine Ausbildungsverträge!) abschließen, § 152

ABGB a.F.. Über die ihm vom Vormund zur freien Verfügung

überlassenen Sachen und über sein Arbeitseinkommen konnte er verfügen.

Beim Arbeitseinkommen galt dies allerdings nur so weit, wie dadurch

nicht die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gefährdet wurde, § 151 II

ABGB a.F.. Es bestand jedoch die Möglichkeit, dass das

Pflegschaftsgericht dem Vormund auch das Verfügungsrecht über das

Arbeitseinkommen des Betroffenen übertrug, § 4 III EntmO, und der

Betroffene dann hierüber nicht mehr verfügen konnte.

95 Kaiserliche Verordnung vom 28.06.1916 über die Entmündigung

(Entmündigungsordnung), RGBl. 1916, Nr. 207, im folgenden: EntmO

Page 39: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

23

Wunsch und Wohl des Betroffenen

Sowohl Kurator als auch Beistand waren gesetzliche Vertreter des

Betroffenen. Sie hatten im Wesentlichen die gleichen Rechte und

Pflichten. Beide waren - wie der deutsche Vormund - in ihrer

Amtsführung selbstständig. Dies galt insbesondere bei der Entscheidung,

was im Einzelfall im Mündelinteresse lag und was nicht. Kurator und

Beistand waren dem Mündelwohl verpflichtet. Was im Einzelnen vom

Mündelwohl umfasst war, wurde nicht über eine allgemeine Definition des

Begriffs hergeleitet, sondern jeweils anhand des Entmündigungsgrundes

und des Zwecks der Entmündigung bestimmt. Hierbei war ein objektiver

Maßstab des „wohlverstandenen Interesses“ des Betroffenen anzulegen96.

Vorrangige Aufgabe der Kuratel und der Beistandschaft war dabei der

Schutz des Betroffenen, wobei auch der jeweilige Schutzbedarf primär aus

den Gründen für seine Unterschutzstellung abzuleiten war97. In diesem

Rahmen oblag es ausschließlich dem Vormund bzw. Beistand, einem

Wunsch des Betroffenen nachzukommen oder nicht98.

2. Schutz des Betroffenen vor Missbrauch der Vertretungsmacht

Auch das österreichische Vormundschaftsrecht sah vor, dass zum Schutz

des Mündelwohls Vormund und Beistand bei der Vornahme bestimmter

Geschäfte99 auf die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts

angewiesen waren. Das Vormundschaftsgericht prüfte dabei allerdings

lediglich, ob das Geschäft zu genehmigen war oder nicht100. Es durfte die

Erteilung seiner Genehmigung jedoch nicht von Änderungen abhängig

96 Knell, S. 158 97 Knell, S. 157 98 Knell, S. 158 99 Diese waren in §§ 154 II und III ABGB a. F. aufgeführt. Hierzu zählten insbesondere

der Eintritt in eine Religionsgesellschaft und der Austritt aus einer solchen, die vorzeitige

Lösung eines Ausbildungs- oder Dienstvertrages, Anerkennung einer Vaterschaft zu

einem unehelichen Kind sowie alle Vermögensangelegenheiten, die nicht zum

„ordentlichen Wirtschaftsbetrieb“ gehörten. 100 OGH EvBl. 1971 Nr. 33; EFSlg 22.445; Feil, S. 256

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§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

24

machen101 oder eigene Entscheidungen für den Betroffenen fällen102. Bei

seiner Tätigkeit war auch das Vormundschaftsgericht wie der Vormund

und der Beistand ausschließlich dem Wohl des Betroffenen verpflichtet103.

Ein Selbstkontrahieren (Insichgeschäft) war sowohl dem Vormund als

auch dem Beistand verboten104.

Bei schuldhaften Pflichtverletzungen des Vormunds haftete dieser

gegenüber dem Betroffenen, § 228 ABGB a.F.105. Darüber hinaus machte

er sich ggf. strafbar, §§ 133, 134 II StGB.

3. Schenkungen

Eine spezielle Vorschrift, die sich ausdrücklich auf Schenkungen bei einer

angeordneten Vormundschaft bezog, gab es im österreichischen Recht

nicht. § 154 III ABGB ordnete vielmehr allgemein an, dass der Kurator für

alle Entscheidungen in „Vermögensangelegenheiten“, die nicht zum

„ordentlichen Wirtschaftbetriebe“ gehörten, der gerichtlichen

Genehmigung bedurfte. Hierunter konnten auch Schenkungen fallen106.

Die Regelung des § 154 III ABGB

a. Vermögensangelegenheiten

101 OGH JBl. 1973, S. 214, 215 102 Klang/Wentzel-Piegler, noch zu § 233 ABGB a.F. IV, S. 411; § 154 III ABGB hat den

Begriff des „ordentlichen Wirtschaftsbetriebes“ dem 1977 ersatzlos aufgehobenen § 233

ABGB a.F. entnommen, vgl. Kremzow, S. 102; für die Auslegung des Begriffs des

„ordentlichen Wirtschaftsbetriebes“ kann die frühere Rechtsprechung und Lehre hierzu

herangezogen werden, Rummel/Pichler, §§ 154, 154a ABGB Rn. 13 103 Kremzow, S. 96 104 Entsch. MietSlg. 26002 105 Beispiele für die Haftung eines Kurators: Mangelhafte Überwachung des

Wertpapierbesitzes, Entsch. GIU. 15104; unwirtschaftliche Führung des Unternehmens

der behinderten Person, Entsch. 2 Ob 153/53; Unterlassung der grundbuchlichen

Sicherung einer Forderung, Entsch. GIU. 613; Prozessverlust infolge mangelhafter

Rechtskenntnis, Entsch. RIZ. 1956, S. 171; Entsch. EvBl. 1972, Nr. 124 106 Klang/Wentzel-Piegler, noch zu § 233 ABGB a.F., S. 414

Page 41: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

25

„Angelegenheit“ bezeichnete einen bestimmten Lebensbereich, der für ein

Handeln oder Unterlassen der betroffenen Person rechtlich oder

tatsächlich erheblich war107. Vermögensangelegenheiten waren diejenigen

Angelegenheiten, die sich auf das Vermögen, nicht aber auf das

Einkommen des Betroffenen bezogen108.

b. Ordentlicher Wirtschaftbetrieb

Die Regelung des § 154 III ABGB hatte den Begriff des „ordentlichen

Wirtschaftsbetriebes“ dem ersatzlos gestrichenen § 233 ABGB a. F.

entnommen109. Zum „Wirtschaftbetrieb“ gehörten nicht nur der

landwirtschaftliche Betrieb, sondern vor allem auch der Betrieb eines

jeden Unternehmens und die Führung einer Hauswirtschaft110 oder

Vermögensverwaltung111. Wirtschaftsbetrieb war danach insbesondere

jede selbstständige, regelmäßig ausgeübte, gewinnorientierte Tätigkeit112.

Aber es sollte bei der Auslegung des § 154 III ABGB letztlich nicht auf

die Frage ankommen, ob der Betroffene einen solchen Betrieb besaß oder

betrieb, sondern der Begriff des „ordentlichen Wirtschaftsbetriebes“ sollte

lediglich einen objektiven und einheitlichen Maßstab dafür abgeben,

welche Geschäfte des Kurators unter den Genehmigungsvorbehalt des

Vormundschaftsgerichts fielen113. Für die Frage, ob die jeweilige

Angelegenheit zum „ordentlichen Wirtschaftsbetrieb“ gehörte, wurde eine

Betrachtung des jeweiligen Gegenstands und seines Umfanges angestellt.

Als ordentlich galt das der „Regel des Lebens entsprechende“, das

Normale, Gewöhnliche im Gegensatz zum Außergewöhnlichen114.

Ordentlich war die Tätigkeit jedenfalls dann, wenn sie üblicherweise im

107 Kremzow, S. 35 108 Kremzow, S. 102 109 Kremzow, S. 102 110 Klang/Wentzel-Piegler, noch zu § 233 ABGB a.F. IV, S. 411 111 Knell, S. 197; Schwimann, § 154 ABGB Rn. 18 112 Kremzow, S. 103 113 Kremzow, S. 103 114 Knell, S. 197; Klang/Wentzel-Piegler, noch zu § 233 ABGB a.F. IV, S. 411 Fn. 6

unter Hinweis auf weitere vergleichbare Gesetzesstellen

Page 42: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

26

Rahmen eines Wirtschaftsbetriebes vorgenommen wurde115. Hierzu

zählten insbesondere der Betrieb eines Unternehmens116, die Eröffnung

eines Girokontos, soweit dieses der Zahlungsabwicklung diente117, die

Ausschlagung einer Erbschaft geringen Werts118 und

Unterhaltsvereinbarungen im Rahmen der in der Rechtsprechung üblichen

Sätze119.

Als Beispiele für genehmigungspflichtige Geschäfte nannte § 154 III 2

ABGB ausdrücklich insbesondere die Annahme einer mit Belastungen

verbundenen Schenkung, die Ablehnung eines Schenkungsangebots, die

Veräußerung oder Belastung von Liegenschaften, den Verzicht auf ein

Erbrecht, die unbedingte Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft

und die Anlegung von Geld außerhalb der gesetzlich vorgesehenen

Anlegungsarten.

c. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 154 III ABGB

Eine Vertretungshandlung eines Kurators, die nicht zum ordentlichen

Wirtschaftsbetrieb gehörte und die sich auf Vermögensangelegenheiten

des Betroffenen bezog, bedurfte zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung

des Vormundschaftsgerichts. Solange eine Entscheidung des Gerichts

noch nicht vorlag, war das Geschäft schwebend unwirksam120.

d. Prüfungsgegenstand bei der gerichtlichen Genehmigung

Bei der gerichtlichen Entscheidung über die Genehmigung hatte das

Gericht eine Einzelfallbetrachtung anzustellen. Es prüfte, ob die Erteilung

der Genehmigung im wohlverstandenen Interesse des Mündels lag121 oder

ob das beabsichtigte Geschäft dem Wohl des Betroffenen zuwiderliefe122.

115 Kremzow, S. 103 116 Klang/Wentzel-Piegler I/2, 411 117 Rummel/Pichler §§ 154, 154a ABGB Rn. 13 118 EF 48.365 119 Rummel/Pichler §§ 154, 154a ABGB Rn. 13 120 Rummel/Pichler § 154 ABGB Rn. 17 121 OGH 18.06.1986, 3 Ob 563/86; Knell, S. 210; Kremzow, S. 97 122 EF 51.231

Page 43: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

27

Bei einer beabsichtigten Klagführung etwa waren die rechtlichen und

wirtschaftlichen Erfolgsaussichten abzuschätzen123.

Das Gericht konnte das jeweilige Geschäft sodann lediglich genehmigen

oder nicht genehmigen, aber nicht etwa abändern124. Sollte das Gericht

also nach seiner Prüfung zu der Auffassung gelangt sein, dass ein

beabsichtigter Vertrag dem Betroffenenwohl zuwiderliefe, so hatte es

keine Möglichkeit, einzelne Klauseln des Vertrags abzuändern, sondern

konnte nur die gesamte gerichtliche Genehmigung verweigern125.

e. Schenkungen

Ob Schenkungen aus dem Vermögen des Betroffenen in den

Anwendungsbereich des § 154 III ABGB fielen, hing aufgrund des

Vorstehenden insbesondere von ihrem Umfang und von der Frage ab, ob

es sich bei den zu verschenkenden Gütern um solche handelte, die der

Betroffenen aus seinem Arbeitseinkommen erworben hatte126. Solange

sich Schenkungen ansonsten im Rahmen des beim Bevormundeten

Üblichen bewegten, zählten sie noch zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb

und unterlagen somit nicht dem Zustimmungserfordernis des

Vormundschaftsgerichts127. Geschenke des Betroffenen bzw. im Namen

des Betroffenen wie z.B. Weihnachtsgeschenke an die Ehefrau oder die

Kinder, Trinkgelder und ähnliches bedurften daher keiner

Genehmigung128. Eine Schenkung eines größeren Vermögensgegenstands

wie etwa eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge

war aber schon wegen der ausdrücklichen Nennung in

§ 154 III 2 ABGB129 genehmigungsbedürftig.

123 LGZ Wien EF 43.298; 45.802; weiter zum Inhalt der Prüfungspflicht: EF 51.231;

53.975; LGZ Wien EF 51.232; 51.233; 51.237 124 EF 33.556; LGZ Wien EF 1304; 22.445 125 Rummel/Pichler §§ 154, 154a ABGB Rn. 16 126 denn über sein Arbeitseinkommen konnte der Betroffene selbst verfügen, so dass §

154 II ABGB keine Anwendung fand, vgl. oben, § 3 II 1 127 Knell, noch zu § 233 ABGB a.F., S. 208 128 ebenda 129 vgl. oben, § 3 II 3 b

Page 44: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

28

4. Zwischenergebnis

Je nachdem ob der Betroffene voll oder beschränkt entmündigt war, hatte

er die Möglichkeit, ggf. auch ohne den Kurator bzw. Beistand wirksam

Rechtsgeschäfte zu tätigen. So weit er nämlich nur beschränkt entmündigt

war, konnte er noch über die Dinge, die ihm zur freien Verfügung

überlassen waren, und über sein Arbeitseinkommen frei verfügen, über

letzteres aber nur insoweit, als die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse

nicht gefährdet wurde130. Ihm waren daher im Rahmen dieser Grenzen

jegliche Geschäfte grundsätzlich möglich. Es konnte daher auch

Schenkungen an beliebige Empfänger vornehmen, sogar an den Vormund

selbst131. Denn dieser nahm bei der Annahme der Schenkung keinerlei

Vertreterbefugnisse wahr, die eingeschränkt oder ihm entzogen werden

konnten. Da dem Betroffenen für derartige Geschäfte die

Geschäftsfähigkeit nicht entzogen war, musste auch nicht etwa ein

Kollisionskurator bestellt werden132.

Auch der Vormund konnte wie das Mündel – im Rahmen der Üblichkeit –

kleinere Schenkungen in Vertretung für den Betroffenen aus dessen

Vermögen vornehmen, ohne dass er einem gerichtlichen

Genehmigungsvorbehalt unterworfen gewesen wäre133. Diese mussten

sich allerdings im Rahmen des Üblichen halten134, wobei hierzu auf die

individuellen Verhältnisse des Betroffenen abgestellt wurde135.

Wie oben gesehen136, konnte der Betroffene über sein Arbeitseinkommen

innerhalb gewisser Grenzen verfügen und er konnte vom Vormund

einzelne Gegenstände zur freien Verfügung erhalten. Jedoch umfasst das

Arbeitseinkommen gerade nicht das Stammvermögen und auch der

Vormund konnte dem Betroffenen nur insoweit Verfügungsrechte

130 § 151 II ABGB, vgl. oben, § 3 II 1 131 Knell, S. 239 132 Knell, S. 33 133 Knell, noch zu § 233 ABGB a.F., S. 208 134 Knell, a.a.O. 135 Klang/Wentzel-Piegler, noch zu § 233 ABGB a.F., S. 412 136 oben, § 3 II 1

Page 45: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

29

einräumen, als ihm selbst diese grundsätzlich als Vormund zustanden137.

Größere Schenkungen aus dem Stammvermögen konnte der

Bevormundete somit nicht tätigen, da ihm insoweit die Geschäftsfähigkeit

fehlte. Daher schieden auch größere Schenkungen im Wege der

vorweggenommenen Erbfolge, Hofübergaben und ähnliches durch den

Bevormundeten allein aus. Er war hierfür auf die Genehmigung durch

Kurator oder Beistand oder auf die Vornahme dieser Schenkungen durch

dieselben angewiesen138.

Sowohl Kurator als auch Beistand waren aber wiederum an § 154 III

ABGB gebunden: So weit die Schenkungen also nicht zum ordentlichen

Wirtschaftsbetrieb gehörten, waren sie vom Genehmigungserfordernis des

§ 154 III ABGB erfasst; die Zustimmung des Vormundschaftsgerichts war

also erforderlich. Dieses wiederum war – wie der Kurator auch – dem

Betroffenenwohl verpflichtet, so dass es noch einmal eigenständig prüfte,

ob dieses vorliegend gewahrt war oder nicht139.

Gänzlich rechtlich unmögliche Schenkungsgeschäfte gab es somit im

Österreichischen Entmündigungsrecht nicht.

III. Schweiz

In der Schweiz gilt seit dem 1. Januar 1912 weitgehend unverändert das

Vormundschaftsrecht der Artikel 360-455 ZGB140. Danach kann alternativ

entweder die Entmündigung einhergehend mit der Vormundschaft oder

aber die Beistandschaft bzw. – als Unterfall derselben141 – die

Beiratschaft angeordnet werden.

1. Vormundschaft

Eine Vormundschaft wird insbesondere angeordnet, wenn der Betroffene

infolge Geisteskrankheit oder Geistesschwäche seine Angelegenheiten

137 Klang/Wentzel-Piegler, S. 448f. 138 Klang/Wentzel-Piegler, S. 445, 542; Knell, S. 253 139 LGZ Wien EFSlg 38.308; EFSlg 51.232 140 Riemer, VormR, § 1 I Rn. 2 141 Riemer, VormR, § 3 III C Rn. 15

Page 46: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

30

nicht zu besorgen vermag, zu seinem Schutz dauernd des Beistandes und

der Fürsorge bedarf oder die Sicherheit anderer gefährdet, Art. 369

ZGB142. Dabei ist unter Geisteskrankheit und Geistesschwäche jeder

abnormale Geisteszustand dauernder Art zu verstehen143, wobei es sich bei

der Geistesschwäche um eine psychische Störung minderer Art im

Vergleich zur Geisteskrankheit handelt144.

Die gesetzlichen Tatbestände der Entmündigung (Entmündigungsgründe)

geben auch indirekt den Zweck der Entmündigung nach dem Schweizer

Recht wieder: Schutz des Betroffenen, Schutz von dessen Familie und der

Schutz Dritter145. Entsprechend sind in der Schweiz mit der Entmündigung

vor allem zwei Rechtsfolgen verbunden: Der Entzug der rechtlichen

Handlungsfähigkeit einerseits und die Unterstellung unter ein besonderes

Schutz- und Abhängigkeitsverhältnis andererseits146. Eine Entmündigung

darf daher nur angeordnet werden, wenn sowohl einer der

Entmündigungsgründe als auch eines der beschriebenen Schutzbedürfnisse

vorliegt147.

Wer entmündigt ist, verliert die Möglichkeit, selbstständig am

Rechtsverkehr teilzunehmen. Seine Geschäftsfähigkeit ist ihm mit der

Entmündigung entzogen. Er gilt von Gesetzes wegen als

handlungsunfähig, Art. 17 ZGB. An seine Stelle tritt ein Vormund, der

künftig gesetzlicher Vertreter des Betroffenen ist und statt seiner rechtlich

142 Weitere Entmündigungsgründe sind Verschwendung, Trunksucht und „lasterhafter

Lebenswandel“, Art. 370 ZGB, sowie die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr

als einem Jahr, Art. 371 ZGB. Schließlich kann einer mündigen Person auf ihr Begehren

ein Vormund gegeben werden, wenn sie dartut, dass sie infolge von Altersschwäche oder

anderen Gebrechen oder von Unerfahrenheit ihre Angelegenheiten nicht gehörig zu

besorgen vermag, Art. 372 ZGB. 143 BGE 62 II 263, 264; 85 II 457, 460; 117 II 231, 234 144 Bleuler SJZ 57 (1961), 1ff.; BGE v. 24.3.1959 in ZVW 15 (1960) Nr. 19 S. 148 145 Schnyder/Murer, Vorbem. zu Art. 369-375 ZGB Rn. 7 146 Müller, P., S. 12; Schnyder/Murer, Vorbem. zu Art. 369-375 ZGB Rn. 1, 6 147 Schnyder/Murer, Art. 369 ZGB Rn. 94

Page 47: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

31

handelt, Art. 367 I, 407 ZGB148. Dieser Grundsatz wird dadurch

abgemildert, dass urteilsfähige Betroffene sich gem. Art. 19 I, 410 I ZGB

vorbehaltlich der Zustimmung des Vormundes rechtsgültig verpflichten

können. Weiterhin kann gem. Art. 412 ZGB dem Bevormundeten die

Ausübung eines selbstständigen Berufes oder Gewerbes durch die

Vormundschaftsbehörde genehmigt werden; in diesem Bereich ist der

Bevormundete dann handlungsfähig149. Außerdem kann der

Bevormundete über sein sog. „freies Vermögen“ selbstständig verfügen150.

Hierbei handelt es sich um solches Vermögen, welches der Bevormundete

durch eigene Arbeit erworben hat und um solches, welches ihm die

Vormundschaftsbehörde zur freien Verfügung zugewiesen hat, Art. 414

ZGB.

Grundsätzlich vertritt der Vormund dabei das Mündel in allen rechtlichen

Angelegenheiten, Art. 407 ZGB. Die Vertretungsbefugnis erstreckt sich

jedoch nicht auf höchstpersönliche Rechtsgeschäfte, auch wenn der

Vormund teilweise solchen Geschäften zu deren Wirksamkeit seine

Zustimmung erteilen muss151.

Auch im Schweizer Recht ist der Vormund in seiner Amtsführung

grundsätzlich selbstständig, wobei er dabei ebenfalls unter Aufsicht der

Vormundschaftsbehörde steht152. Bestimmte Geschäfte bedürfen darüber

hinaus für ihre Wirksamkeit der Genehmigung durch die

Vormundschaftsbehörde, Art. 421, 422 ZGB153.

148 Süß, S. 23; Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich, ZVW

2000, 60, 63 149 Riemer, PersR, § 3 B 2 d 150 BGE 106 III 9/10 151 z.B. bei der Eheschließung, Art. 94 ZGB, oder bei der Vaterschaftsanerkennung, Art.

260 II ZGB 152 Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo § 46 I 153 Hierzu gehören insbesondere Grundstücksgeschäfte, Veräußerung von Vermögens-

werten, soweit dies nicht unter die Führung der „gewöhnlichen Verwaltung und

Bewirtschaftung“ fällt, Gewährung und Aufnahme von Darlehen, Prozessführung und

Abschluss eines Vergleichs und Ausbildungsverträge. Zusätzlich zur Genehmigung der

Vormundschaftsbehörde ist die Genehmigung der Aufsichtsbehörde insbesondere

Page 48: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

32

Wunsch und Wohl des Betroffenen

Der Vormund hat bei seiner Amtsführung das Mündelwohl, also die

gesamten persönlichen und vermögensrechtlichen Interessen des Mündels,

zu wahren, Art. 367 I ZGB. Er hat somit in allen Fragen, bei denen es in

der vormundschaftsrechtlichen Rechtsanwendung um die Interessen des

Mündels geht, das Mündelwohl zu berücksichtigen154.

Bei der Auslegung des Wohlbegriffs ist vor allem auf die Schutzfunktion

des Vormundschaftsrechts abzustellen155: Die persönliche Fürsorge hat

erst dort einzusetzen wo dies auch erforderlich ist; nämlich dort, wo das

Mündel zur Selbstständigkeit unfähig ist156. Sämtliche

vormundschaftlichen Maßnahmen sollen die Freiheit des Betroffenen

nicht mehr, aber auch nicht weniger beschränken als nötig157. Es findet

somit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit insbesondere der

Erforderlichkeitsgrundsatz Anwendung. Dieser ist nicht nur bei der

Anordnung und Auswahl der geeigneten vormundschaftlichen Maßnahme

und bei der Aufhebung derselben zu beachten, sondern auch bei der

Führung der amtsgebundenen Maßnahme durch den Amtsträger im

Rahmen der Mitwirkung bei der Führung durch die vormundschaftlichen

Behörden158. Das Mündelwohl zeigt insoweit das Ausmaß auf, in dessen

Umfang der Vormund die Interessen des ihm anvertrauten Unmündigen

wahren muss159.

Es ist Aufgabe des Vormunds, Umfang und Inhalt des Mündelwohls

auszulegen, so weit der Betroffene zu selbstbestimmten Entscheidungen

nicht (mehr) in der Lage ist. Dabei erfolgt die Bestimmung des

erforderlich bei der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft und bei Verträgen

zwischen Mündel und Vormund. 154 Honsell/Langenegger, Vor Art. 360-456 ZGB Rn. 3 155 Müller, St., § 6 II D 156 Müller, St., § 10 II C 157 BGE 96 II 369ff.; 97 II 302ff.; 108 II 94; 113 II 389; Verwaltungskommission des

Obergerichts des Kantons Zürich, ZVW 1990, 35; Riemer, VormR, § 3 II A; Bachmann,

S. 78 158 BGE 106 Ia 35ff. E 4; Honsell/Langenegger, Vor Art. 360-456 ZGB Rn. 7 159 Müller, St., § 10 II B

Page 49: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

33

Mündelwohls jeweils anhand der konkret betroffenen Person160. Dem

Betroffenen soll nur so viel Fremdbestimmung zugemutet werden, wie zur

Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins nötig ist161.

Darüber hinaus ist der Vormund gesetzlich verpflichtet, das Mündel

beizuziehen, bevor „wichtige Angelegenheiten“162 entschieden werden,

Art. 409 I ZGB163, so weit es urteilsfähig, also in der Lage ist, Sinn und

Bedeutung der vorzunehmenden Handlungen zu erkennen und zu

verstehen164. Das Mündel darf seine eigenen Vorstellungen einbringen und

muss insoweit an den Entscheidungen des Vormunds beteiligt werden. Es

hat somit in solchen Fällen einen Anspruch auf Anhörung gegenüber dem

Vormund165. Zwar soll der Vormund, soweit dies tunlich ist, auf die

Meinungen des Mündels Rücksicht nehmen166, eine Verpflichtung des

Vormunds, den Wünschen des Mündels zu entsprechen, besteht

gleichwohl nicht167. Der Vormund entscheidet vielmehr allein168.

2. Beistandschaft

Neben der Entmündigung sieht das ZGB noch die Möglichkeit der

Einrichtung einer sog. Beistandschaft, Art. 392f. ZGB vor. Hierbei handelt

es sich um ein Rechtsinstitut, das je nach Ausgestaltung im konkreten Fall

weniger einschneidend auf die Handlungsfähigkeit des Betroffenen wirkt.

160 Müller, St., § 10 C 161 Häfeli, N. 6.1.3 162 wichtige Angelegenheiten sind jene, die gem. Art. 421 und 433 ZGB die Zustimmung

der Vormundschafts- oder Aufsichtsbehörde erfordern, Entscheidungen über die

Berufswahl und allgemein Entscheidungen von großer persönlicher Tragweite für den

Betroffenen, Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, § 54 I a Fn. 2; Honsell/Leuba, Art. 409

ZGB Rn. 4; Egger, Art. 409 ZGB Rn. 6 163 darüber hinaus ausdrücklich auch bei der Inventarerrichtung, Art. 398 II ZGB sowie

bei der Rechnungslegung, Art. 413 III ZGB 164 Riemer, PersR, § 3 B 1 165 Honsell/Leuba, Art. 409 ZGB Rn. 7 166 Häfeli, N. 6.1.3 167 Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, § 54 I b; Honsell/Leuba, Art. 409 ZGB Rn. 7; Egger,

Art. 409 ZGB Rn. 2; Hefti, 178 168 Honsell/Leuba, Art. 409 ZGB Rn. 7

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§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

34

Hierdurch soll dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen

werden, damit Einschränkungen der Rechte des Betroffenen nur so weit

wie unbedingt nötig angeordnet werden169.

Die Beistandschaft stellt im ZGB jedoch kein einheitliches Rechtsinstitut

dar. Sie ist vielmehr vielfach unterteilt, als Beistandschaft im engeren Sinn

(nämlich als „Verwaltungs-“ und „Vertretungsbeistandschaft“) und als

sog. „Beiratschaft“ (nämlich als Vertretungs-, Verwaltungs- und

kombinierte Beiratschaft). Je nach Typ der angeordneten Beistandschaft

ist die Handlungsfähigkeit des Betroffenen mehr oder weniger

eingeschränkt bzw. die Vertretungsmacht des Beistandes ausgeweitet.

Aufgabe eines jeden Beistandes wie auch Vormundes ist die Wahrung der

Betroffeneninteressen. Gem. Art. 419 I ZGB hat der Beistand, soweit er

die Aufgabe der Vermögensverwaltung- oder -überwachung des

Betroffenen übertragen bekommen hat (also im Rahmen einer

Verwaltungsbeistandschaft170), das Betroffenenvermögen lediglich zu

verwalten und zu erhalten. Die Zielvorgabe für die Verwaltung des

Betroffenenvermögens liegt somit in der wirtschaftlichen Sicherheit und

der konservierenden Bewahrung der Vermögenssubstanz: das Vorhandene

soll nach Möglichkeit ungeschmälert erhalten bleiben, jede Schädigung

des Vermögens ist nach Möglichkeit zu verhindern171. Hierbei soll

allerdings in die Abwägung „auch eine gewisse individuelle, d.h. am

konkreten Fall resp. der Persönlichkeit des Betroffenen orientierte, Anlage

bzw. Verwaltung“ hineinspielen172. Für Geschäfte, die über die

Verwaltung und die Fürsorge für die Erhaltung des Vermögens

hinausgehen, sog. außerordentliche Verwaltungshandlungen173, bedarf der

Beistand der Genehmigung des urteilsfähigen Betroffenen oder, falls der

Betroffene hierzu nicht fähig ist, das der Vormundschaftsbehörde, Art.

419 II ZGB. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Verbeiständete

169 Schnyder, ZVW 1971, 41, 43; Häfeli, N. 5.2.1.; Geiser, ZVW 2003, 227, 228 170 Riemer, VormR, S. 145 171 Honsell/Biderbost, Art. 419 ZGB Rn. 9 172 so ausdrücklich: Honsell/Biderbost, Art. 419 ZGB Rn. 9 173 Vgl. Honsell/Biderbost, Art. 419 ZGB Rn. 10

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§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

35

seinen Beistand gem. Art. 419 II ZGB zur Vornahme solcher

außerordentlicher Vertretungshandlungen ermächtigen kann, wenn er

insoweit urteilsfähig und mündig ist. Unter diese „außerordentlichen

Vertretungshandlungen“ fallen z. B. eine Wohnungsliquidation, mit allen

Folgegeschäften, der Kauf und Verkauf von Liegenschaften174 sowie die

dingliche Belastung derselben und insbesondere die Gewährung und

Aufnahme von Darlehen und dergleichen175.

a. Beiratschaft

Wenn die Voraussetzungen für eine Entmündigung nicht vorliegen, zum

Schutze des Betroffenen jedoch eine Beschränkung der

Handlungsfähigkeit notwendig ist176, so besteht die Möglichkeit, eine

Beiratschaft einzurichten, Art. 395 ZGB. Dabei kennzeichnet alle drei

Unterarten der Beiratschaft, dass im Falle ihrer Anordnung dem

Betroffenen die Handlungsfähigkeit grundsätzlich belassen und nur in

bestimmten Bereichen beschränkt wird177.

Art. 395 ZGB zählt zwar nicht ausdrücklich Verbeiratungsgründe auf,

nennt aber als Voraussetzung für die Anordnung einer Beiratschaft zum

einen das Vorliegen eines Entmündigungsgrundes, welcher aber für eine

Entmündigung nicht ausreicht, und zum anderen die zusätzliche

Notwendigkeit einer (partiellen) Handlungsfähigkeitsbeschränkung des

Betroffenen. Hierdurch wird deutlich, dass es sich bei der Beiratschaft um

die im Vergleich zur Entmündigung weniger einschneidende Maßnahme

handelt178. Denn im Gegensatz zur Entmündigung verbleibt hier dem

Betroffenen ein mehr oder weniger großer Bereich – abhängig von der Art

der angeordneten Beiratschaft – innerhalb dessen er noch rechtlich

handlungsfähig ist.

174 BGE 59 II 103; 60 II 11 175 Honsell/Biderbost, Art. 419 ZGB Rn. 10 176 Hierbei hat der Gesetzgeber vor allem an den Anordnungsgrund der Verschwendung

gedacht, vgl. Bachmann, S. 64 177 Lardelli, SJZ 1915, 105f.; Bachmann, S. 5 178 Bachmann, S. 76

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§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

36

(1) Verwaltungsbeiratschaft

Im Falle der Anordnung einer Verwaltungsbeiratschaft wird dem

Betroffenen die Verwaltung seines Kapitalvermögens entzogen und dem

Verwaltungsbeirat übertragen. Dieser ist sodann gesetzlicher Vertreter des

Betroffenen179. Der Verbeiratete behält jedoch das Verfügungsrecht über

seine Einkünfte. Die Durchführung einer Einkommensverwaltung im

Rahmen einer Verwaltungsbeiratschaft ist daher unzulässig180.

(2) Mitwirkungsbeiratschaft

Bei Anordnung einer Mitwirkungsbeiratschaft ist der Verbeiratete in

seiner Handlungsfähigkeit insoweit beschränkt, als er eine Reihe von

Rechtsgeschäften nur noch unter Mitwirkung des Beirates vornehmen

kann181. Dabei ist der Mitwirkungsbeirat nicht etwa gesetzlicher Vertreter

des Betroffenen, denn eigenmächtig kann er kein Geschäft abschließen182.

Der Betroffene schließt das Geschäft vielmehr selbst ab, der Beirat wirkt

hieran nur durch Ermächtigung oder Genehmigung mit.

Der schweizerische Gesetzgeber hat im Falle einer

Mitwirkungsbeiratschaft eine ganze Reihe von Rechtsgeschäften, die er

als wichtig und ökonomisch gefährlich angesehen hat, unter das

Mitwirkungserfordernis des Beirates gestellt183. Das Schweizer

Bundesgericht nennt daher die Mitwirkungsbeiratschaft auch „Quasi-

Bevormundung“184.

179 BGE 80 II 14, 17f.; BGE 43 III 211; Egger, Art. 395 ZGB Rn. 24, 79; Riemer,

VormR, § 5 Rn. 28 180 BGE 108 II 92, 94; Riemer, VormR, § 5 Rn. 27 181 Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, § 44 III b 1 182 BGE 119 V 264, 268; Honsell/Langenegger, Art. 395 ZGB Rn. 7; Schnyder/Schmid

/Rumo-Jungo, § 44 III b 1; anders als im deutschen Recht (vgl. oben § 3 I 4 a 2) werden

Zustimmungshandlungen hier somit nicht als Vertretungshandlungen gesehen. 183 Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, § 44 III b 1; vgl. Art. 395 ZGB: darunter fallen insbe-

sondere die Prozessführung und der Abschluss von Vergleichen, Grundstücksgeschäfte,

Wertpapiergeschäfte, Darlehensgeschäfte und Schenkungen 184 BGE 54 II 77, 81

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§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

37

(3) Kombinierte Beiratschaft

Bei der kombinierten Beiratschaft werden die beiden Arten der

Beiratschaft miteinander verbunden: Dem Verbeirateten wird die

Vermögensverwaltung vollständig entzogen, bezüglich der Einkünfte kann

er nur diejenigen Geschäfte ohne Mitwirkung des Beirates selbständig

vornehmen, die nicht Art. 395 I ZGB unterfallen185, also insbesondere alle

Geschäfte des täglichen Lebens.

b. Beistandschaft im engeren Sinn

Auch die Beistandschaft im engeren Sinn bildet Unterarten, nämlich die

Verwaltungs- und die Vertretungsbeistandschaft. Beiden ist gemein, dass

sie an der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen nichts ändern, er bleibt

vielmehr neben dem Beistand rechtlich voll handlungsfähig186. Eine

Vertretungsbeistandschaft wird für die Besorgung einer oder mehrerer

bestimmter Angelegenheiten angeordnet, wenn nämlich der Betroffene

weder selbst noch durch einen Vertreter in diesen Angelegenheiten in der

Lage ist, seine Interessen wahrzunehmen, Art. 392 Nr. 1 ZGB, der

gesetzliche Vertreter in der Angelegenheit Interessen hat, die denen des

Vertretenen widersprechen, Art. 392 Nr. 2 ZGB, oder wenn der

gesetzliche Vertreter an der gesetzlichen Vertretung gehindert ist, Art. 392

Nr. 3 ZGB. Sobald die Angelegenheiten, für die der Beistand bestellt

wurde, erledigt sind, endet die Beistandschaft, ohne dass es hierzu eines

weiteren Rechtsaktes o.ä. bedarf187.

Demgegenüber wird gem. Art. 393 ZGB die Verwaltungsbeistandschaft

für die Verwaltung eines ganzen Vermögens angeordnet, wenn diesem die

nötige Verwaltung fehlt. Dies soll entsprechend Art. 393 Nr. 2 ZGB

insbesondere dann der Fall sein, wenn der Betroffene hierzu nicht in der

Lage ist, ohne dass im Übrigen die Voraussetzungen für eine

Entmündigung vorliegen.

185 Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, § 44 III b 3 186 Honsell/Langenegger, Art. 392 ZGB I 3 Rn. 1, Riemer, PersR, § 3 Rn. 106; Geiser,

ZVW 2003, 97, 103; Süß, S. 25 187 Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, § 44 II a

Page 54: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

38

3. Schutz des Betroffenen vor Missbrauch der Vertretungsmacht

Das Schweizer Recht sieht für eine Reihe von Geschäften, die der

Gesetzgeber für besonders wichtig, über die Grenzen der gewöhnlichen

Verwaltung hinausgehend, gehalten hat, eine Kontrolle des gesetzlichen

Vertreters durch die Vormundschafts- (Art. 421 ZGB) und durch die

Aufsichtsbehörde (Art. 422 ZGB) vor188.

Weiterhin besteht gegen vormundschaftliche Organe, die ihre

Fürsorgepflichten verletzen, ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen,

Art. 426 ZGB189. Außerdem macht sich der Vormund bzw. Beistand ggf.

strafbar, Art. 137, 138 StGB.

4. Schenkungen (Art. 408 ZGB)

Man findet bei näherer Betrachtung des Schweizer Rechts eine Reihe von

Rechtsgeschäften, die der Gesetzgeber als gefährdend oder „ganz unnötig“

eingestuft hat und die daher überhaupt nicht – weder vom Vormund noch

vom Bevormundeten – vorgenommen werden dürfen190. Bei diesen

verbotenen Geschäften handelt es sich um die Eingehung von

Bürgschaften, die Vornahme erheblicher Schenkungen und die Errichtung

von Stiftungen, Art. 408 ZGB.

In älteren schweizerischen Gesetzbüchern war eine derartige Vorschrift

nicht enthalten. Auch das kantonale Recht sah für die aufgezählten

Geschäfte lediglich die Mitwirkung der Vormundschaftsbehörde vor191.

Erstmalig mit Einführung des ZGB wurden diese Geschäfte dem Vormund

vollständig untersagt.

188 Benz, S. 97; Die Aufzählung in den Art. 421, 422 ZGB ist abschließend; ein weiterer

Fall des Zustimmungserfordernisses durch die Aufsichtsbehörde findet sich noch in Art.

404 III ZGB, vgl. Häfeli, N. 6.4.2.; für die Vertretungsbeistandschaft vgl. außerdem Art.

418 ZGB und für die Verwaltungsbeistandschaft und die Beistandschaft auf eigenes

Begehren Art. 419 ZGB 189 Wille, S. 130 190 Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo § 46 III b 2; Link, ZVW 1965, 1, 3 191 Egger, Art. 408 ZGB, Rn. 1

Page 55: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

39

a. Begriff der Schenkung

Schenkungen sind nach Schweizer Recht Zuwendungen, durch die jemand

aus seinem Vermögen einen anderen unentgeltlich bereichert, Art. 239 I

OR, und Schenker und Beschenkter sich darüber einig sind, dass die

Zuwendung eine unentgeltliche sein soll192. Unentgeltlichkeit liegt vor,

wenn für die Leistung keine oder keine entsprechende Gegenleistung zu

gewähren ist193. Unter den Begriff der Schenkung in diesem Sinne fallen

auch Schenkungen mit Rückfallklausel, Art. 247 OR, Schenkungen auf

den Todesfall, Art. 245 II ZGB194, und gemischte Schenkungen195. Ob

auch der unentgeltliche Verzicht auf eine Forderung gegen einen Dritten

hierunter fällt, ist dagegen strittig196.

Von dem Begriff der Schenkung wird jedoch die „Erfüllung einer

sittlichen Pflicht“ ausgenommen, Art. 239 III OR197. Hierbei handelt es

sich um Pflichten, die nicht auf dem Gesetz, sondern auf Recht und

Billigkeit beruhen, z.B. auf einer familien- oder arbeitsrechtlichen

Beziehung zwischen zwei Personen, die der einen eine besondere

Rücksichtnahme, eine Hilfeleistung oder einen Ausgleich auferlegt198.

Hierfür wird etwa der außereheliche Vater angeführt, der ohne rechtliche

Pflicht, zum Beispiel weil seine Anerkennung des Kindes sich als ungültig

erwiesen hat, Unterhaltsleistungen übernimmt199. Zum Schutz der

Mündelinteressen ist der Begriff der „sittlichen Pflichterfüllung“ im

Rahmen des Art. 408 jedoch eng auszulegen200. So werden die

192 Oser/Schönenberger, Art. 239 OR Rn. 23 193 Koeppel S. 115 194 Oser/Schönenberger Art. 239 OR Rn. 7 195 Oser/Schönenberger Art. 239 OR Rn. 31 196 dafür: Egger, Art. 408 ZGB Rn. 5; wohl ablehnend: Obergericht des Kantons Zürich

in SJZ 14, 194, 195 197 Specker, ZVW 1949, 81f.; Honsell/Leuba, Art. 408 ZGB Rn. 16 198 BGE 45 II 291, 297f.; Oser/Schönenberger Art. 239 OR Rn. 13; Hefti S. 157 f.;

Bucher S. 155; Guhl/Koller § 43 Rn. 4; Schmid S. 36ff.; v. Tuhr, SJZ 18, 201, 202;

Kober S. 67; Nehrwein S. 8; Fick vor Art. 239 OR Rn. 49ff.; Vischer, S. 186 199 Egger, Art. 408 ZGB Rn. 8, Art. 319 Rn. 30/31 200 Egger, Art. 408 ZGB Rn. 8

Page 56: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

40

Aussteuerung der Tochter bei der Heirat sowie die berufliche Ausstattung

der Kinder nach Maßgabe der elterlichen Leistungsfähigkeit als sittliche

Pflichten anerkannt, regelmäßige jährliche Zuschüsse, die darüber

hinausgehen, jedoch nicht201. Auch die Zahlung der Schulden der

verstorbenen Eltern durch das unmündige Kind fällt nicht mehr unter den

Begriff der sittlichen Pflicht, vielmehr muss in einem solchen Fall für das

Kind die Erbausschlagung erklärt werden202.

b. Erheblichkeit

Erheblich sind Schenkungen nur dann, wenn es sich nicht um kleine,

durch Sitte und Anstand geforderte Gaben des täglichen Lebens handelt,

wie Beiträge an Spendensammlungen, Weihnachts-, Neujahrs- und

sonstige Gelegenheitsgeschenke203. Dabei wird bei der Erheblichkeit auf

die finanzielle Situation und die Leistungsfähigkeit des Mündels

abgestellt204: Die Größe des Geschenks muss sich innerhalb der „üblichen

Grenzen“ bewegen205. Es muss für die Gelegenheit vorgenommen sein

und sowohl seinen Grund als auch seinen Zweck in der Gelegenheit

haben206. So bezwecken Gelegenheitsgeschenke in erster Linie nicht die

Verbesserung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation des

Beschenkten, sondern sind vielmehr Ausfluss der persönlichen Zuneigung

oder Aufmunterung207.

Von dem Schenkungsverbot ausgenommen sind auch übliche sog.

Anstandsschenkungen, also solche Schenkungen, bei deren Unterbleiben

der Schenker gegen das Empfinden der sozial Gleichgestellten verstoßen

würde, so dass er bei diesen eine Einbuße in der Achtung und

Anerkennung erfahren würde208.

201 BlZR 15 N. 175 202 BGE in SJZ 14, 256 N. 207 203 Egger, Art. 408 ZGB Rn. 6; Bachmann, S. 117; Curti-Forrer, Art. 408 ZGB Rn. 5 204 Häfeli, N. 6.4.3. 205 Koeppel, S. 127 206 Tuor/Picenoni, Art. 632 ZGB Rn. 3 207 BGE 76 II 188 ff., 194 208 Koeppel, S. 129

Page 57: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

41

Vom Tatbestand des Art. 408 ZGB wäre somit der Betroffene, der sein

Eigenheim oder den Hof im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu

Lebzeiten auf seinen gesetzlichen Erben übertragen wollte, erfasst – und

zwar unabhängig davon, ob der Betroffene eine anders lautende eigene

selbstbestimmte Entscheidung getroffen hat. Auch größere Schenkungen

aus dem Vermögen des zeitlebens geistig Behinderten fallen unter den

Tatbestand des Art. 408 ZGB. Gleiches gilt für die Schenkung von Geld

an die einzige Verwandte, damit diese sich ein Auto für Besuchszwecke

kaufen kann.

Kleinere Gelegenheitsgeschenke, Sittenschenkungen und kleine karitative

Spenden sind demgegenüber nicht vom Schenkungsverbot umfasst.

c. Rechtsfolge des Verstoßes gegen Art. 408 ZGB

(1) Im Rahmen einer Vormundschaft

Die ganz überwiegende Rechtsmeinung geht davon aus, dass

Schenkungen nach Art. 408 ZGB unheilbar nichtig seien, unabhängig

davon, ob die Schenkung vom Mündel selbst oder vom Vormund

vorgenommen wurde209, eine solche Rechtshandlung könne auch weder

vom Mündel210, vom Vormund noch durch die vormundschaftlichen

Behörden genehmigt werden211. Es wird aber auch vertreten, dass solche

Schenkungen „einseitig unverbindlich“ seien212. Der Mündel könne

demnach das Rechtsgeschäft anfechten oder aber auch nach (wieder-)er-

langter Mündigkeit genehmigen213. Schließlich wird vertreten, dass die

Wirkung des Schenkungsverbotes davon abhänge, wer das Geschäft

getätigt habe: Nähme das Mündel die Schenkung selbst vor, so hinge

deren Wirksamkeit von der Genehmigung des Vormunds ab; eine

erhebliche Schenkung durch den Vormund hingegen sei generell nichtig,

209 Kober S. 69ff.; v. Tuhr in SJZ 18, 203ff.; Hefti S. 153; Oser/Schönenberger, Art. 492

OR Rn. 80; Koeppel S. 236; Caviezel, S. 114 210 Curti-Forrer, Art. 408 ZGB Rn. 9 211 BGE 41 II 555f.; 69 II 65, 70; 63 II 129, 130-132 212 Egger, Art. 408 ZGB Rn. 2 213 Koeppel S. 234

Page 58: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

42

denn der Wortlaut des Art. 408 ZGB beziehe sich auf die

Vertretungsmacht des Vormundes, nicht aber auf das eigene

rechtsgeschäftliche Handeln des urteilsfähigen Mündels214.

(2) Im Rahmen einer Beiratschaft

aa. Mitwirkungsbeiratschaft, Art. 395 I ZGB

Auf die Mitwirkungsbeiratschaft findet der Art. 408 ZGB keine

Anwendung. Denn wie bereits festgestellt, ist der Verbeiratete bei einer

Mitwirkungsbeiratschaft grundsätzlich in seiner Handlungsfähigkeit nicht

beschränkt, abgesehen von den in Art. 395 I Ziff. 1-9 ZGB genannten

Geschäften. Nur für solche bedarf er zur wirksamen Vornahme der

Genehmigung des Beirats. Die Schenkung ist hierbei in Art. 395 I Ziff. 7

ZGB ausdrücklich auch genannt. Sie ist dem Betroffenen somit nicht

verboten, sondern bedarf vielmehr für ihre Wirksamkeit der Zustimmung

des Beirats215. Schenkungsgeschäfte sind dem Verbeirateten hier also

nicht verwehrt, sondern lediglich unter Vorbehalt der Zustimmung des

Beirats gestellt. Das Schenkungsverbot des Art. 408 ZGB wird somit

durch die Regelung des Art. 395 I Ziff. 1-9 ZGB als Spezialvorschrift

verdrängt. Dabei wird die Vorschrift des Art. 395 I Ziff. 7 ZGB aufgrund

des Art. 408 ZGB einschränkend dahingehend ausgelegt, dass unter den

Begriff der Schenkungen hier nur diejenigen Schenkungen fallen, die den

Rahmen des „Unerheblichen“ sprengen216, zulasten des Verbeirateten

gehen217 und nicht in Erfüllung einer sittlichen Pflicht erfolgen218. Für

sonstige Schenkungen bedarf der Betroffene somit nicht einmal der

Zustimmung des Beirats. Da der Mitwirkungsbeirat ohnehin keine eigenen

214 Kaufmann, Art. 408 ZGB Rn. 11; Rossel/Mentha S. 317 215 Koeppel S. 200 216 Schnyder/Murer, Art. 395 ZGB Rn. 94; Egger, Art. 395 ZGB Rn. 64; Kaufmann, Art.

395 ZGB Rn. 62; Frei S. 56; Bachmann, S. 117 217 Frei S. 56; Schnyder/Murer, Art. 395 ZGB Rn. 94 218 Kaufmann, Art. 395 ZGB Rn. 62; Schnyder/Murer, Art. 395 ZGB Rn. 94; Egger, Art.

395 ZGB Rn. 64; Lüscher S. 68; Trüeb S. 107; Frei S. 55 f.

Page 59: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

43

Vertretungsbefugnisse besitzt, kann er von dem Schenkungsverbot nicht

erfasst sein.

bb. Verwaltungsbeiratschaft

Anders ist dies bei der Verwaltungsbeiratschaft zu beurteilen. Denn der

Verbeiratete ist hier im Rahmen der Verwaltung seines Vermögens einem

Entmündigten gleichgestellt, und somit für diesen Bereich

handlungsunfähig219. Der Beirat tritt hier an seine Stelle und ist wie ein

Vormund alleiniger gesetzlicher Vertreter des Betroffenen220. Da sich

sowohl die rechtliche Stellung des Verwaltungsbeirats als auch die des

Verbeirateten nach den Regeln über die Führung der Vormundschaft

richtet221, greift somit insbesondere auch Art. 408 ZGB mit seinem

Schenkungsverbot222.

Soweit die Schenkung hingegen Vermögenserträgnisse und das

Einkommen des Verbeirateten betreffen, kann das Schenkungsverbot nicht

greifen. Denn in dieser Hinsicht ist der Betroffene durch die Errichtung

einer Verwaltungsbeiratschaft nicht in seiner rechtlichen

Handlungsfähigkeit beschränkt. Insoweit hat der Verwaltungsbeirat

keinerlei Vertretungsbefugnisse223. Gem. Art. 395 II ZGB behält der

Verbeiratete die volle Verfügungsgewalt über die Erträgnisse, so dass er

hierüber frei verfügen und somit auch Schenkungen tätigen kann, ohne

219 BGE 60 II 507, 509; 80 II 14, 17; 102 II 138, 139; Egger, Art. 395 ZGB Rn. 67;

Lüscher S. 71 220 BGE 56 II 239, 243; 58 III 85, 89f.; 80 II 14, 17; 85 II 464, 468; 96 II 369, 376;

Schnyder/Murer, Art. 395 ZGB Rn. 117; Egger, Art. 395 ZGB Rn. 67 221 BGE 60 II 11; 80 II 14; Schnyder/Murer Art.395 ZGB Rn. 124 222 BGE in ZVW 23 [1968] Nr. 38 S. 116; Koeppel, S. 204; Schnyder/Murer, Art. 395

ZGB Rn. 124; Honsell/Leuba, Art. 408 ZGB Rn. 4 (a.A.: Riemer, VormR, § 5 Rn. 19:

Die in Art. 395 Nr. 2 ZGB inhärente Beschränkung der Handlungsfähigkeit reiche nicht

aus, um auch die gesetzliche Grundlage für den Sonderfall des Art. 408 ZGB –

Beschränkung der Rechtsfähigkeit – zu bilden.) 223 BGE 56 II 243; Kaufmann, Art. 395 ZGB Rn. 68; Häfeli, N. 6.4.3.

Page 60: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

44

dass er hierbei in seiner rechtlichen Handlungsfähigkeit beschränkt

wäre224.

cc. Kombinierte Beiratschaft

Bei der kombinierten Beiratschaft handelt es sich um eine Kombination

aus der Beiratschaft gem. Art. 395 I ZGB und der gem. Art. 395 II

ZGB225. Ihre Wirkungen setzen sich entsprechend aus denen der

Mitwirkungsbeiratschaft einerseits und denen der Verwaltungsbeiratschaft

andererseits zusammen226, so dass sich die Frage nach der Geltung des

Schenkungsverbots des Art. 408 ZGB im Bereich der kombinierten

Beiratschaft danach beantwortet, welche der jeweiligen Beiratschaftsarten

jeweils Anwendung findet227.

Da im Bereich der Vermögensverwaltung die Regeln über die

Verwaltungsbeiratschaft und somit auch die über die Entmündigung

gelten, greift das Schenkungsverbot des Art. 408 ZGB hier Platz. Zu

Lasten der Vermögenssubstanz kann somit keine erhebliche Schenkung

getätigt werden228. Schenkungen aus den Vermögenserträgnissen und dem

übrigen Einkommen229 sind demgegenüber zwar möglich, es bedarf

hierfür jedoch der Mitwirkung des Beirats.

dd. Beiratschaft auf eigenes Begehren

Da bei der Beiratschaft auf eigenes Begehren eine der drei oben genannten

Beiratschaften angeordnet wird, richtet sich die Antwort auf die Frage der

Anwendbarkeit des Schenkungsverbots danach, welche Beiratschaft

angeordnet wird. Dass die Einleitung des Verfahrens auf ein eigenes

Begehren des Betroffenen zurückgeht, ändert nichts an den rechtlichen

Wirkungen der sodann angeordneten Beiratschaft230.

224 Schnyder/Murer, Art. 395 ZGB Rn. 119; Lüscher, S. 73f.; Frei, S. 70, 77f. 225 BGE 66 II 12; 81 II 264 226 BGE ZVW 23 S. 115 Nr. 38 227 Koeppel, S. 205 228 Koeppel, S. 206 229 Schnyder/Murer, Art. 395 ZGB Rn. 120 230 Schnyder/Murer Art. 395 ZGB Rn. 158; Riemer, VormR, § 5 N 6

Page 61: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

45

(3) Im Rahmen einer Beistandschaft

Gem. Art. 417 I ZGB hat die Verbeiständung keinen Einfluss auf die

rechtliche Handlungsfähigkeit des Betroffenen, so dass er selbst weiterhin

beliebig mit seinem Vermögen verfahren und insbesondere Schenkungen

vornehmen kann. Dies setzt selbstverständlich die natürliche

Handlungsfähigkeit des Betroffenen voraus, da mangels einer solchen der

Betroffene schon deshalb nicht zu rechtserheblichen Handlungen in der

Lage ist. Wenn der Betroffene bereits vor Anordnung einer Beistandschaft

rechtlich handlungsunfähig war, wird er durch die Anordnung einer

solchen nicht plötzlich handlungsfähig231.

aa. Vertretungsbeistandschaft

Ob das Schenkungsverbot auch im Rahmen einer

Vertretungsbeistandschaft Anwendung findet, ist umstritten.

Nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur

kommt Art. 408 ZGB bei sämtlichen Formen der Beistandschaft nicht zur

Anwendung, da der Wortlaut der Vorschrift gegen eine solche

Anwendung spreche. Denn der Verbeiständete sei weder unmündig noch

entmündigt, so dass er erst recht nicht bevormundet sei, wie es der

Wortlaut des Art. 408 ZGB voraussetze. Bei der Verbeiständung komme

noch hinzu, dass hierdurch nicht einmal die Handlungsfähigkeit des

Betroffenen beschränkt werde und somit das Schenkungsverbot erst recht

nicht greifen könne232.

Nach einer Gegenauffassung sollen jedenfalls die Handlungsunfähigen

und die beschränkt Handlungsunfähigen sowie deren gesetzliche Vertreter

generell unter das Schenkungsverbot fallen, da anderenfalls

entsprechenden Umgehungsgeschäften Tür und Tor geöffnet und der

Schutzzweck des Art. 408 ZGB konterkariert würde233. So weit der

231 BGE 60 II 11; Egger, Art. 417 ZGB Rn. 3; Kaufmann, Art. 417 ZGB Rn. 1, 4 232 BGE in ZVW 1952, 154, 155; BGE in SJZ 1955, 61; Riemer, VormR, § 5 Rn. 19, § 6

Rn. 59; Kaufmann Art. 419 ZGB Rn. 17; Häfeli, N. 6.4.3.; Honsell/Leuba Art. 408 ZGB

Rn. 6; Egger, Art. 408 ZGB Rn. 2, Art. 417 ZGB Rn. 7 233 Sauter, S. 16; Koeppel, S. 220

Page 62: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

46

Beistand als gesetzlicher Vertreter des in diesem Bereich

handlungsunfähigen Betroffenen handele, müsse für ihn auch Art. 408

ZGB gelten.

Diese Auffassung hätte zur Folge, dass bei Vertretungsbeistandschaften

nach Art. 392 Nr. 2 und 3 ZGB stets das Schenkungsverbot des Art. 408

ZGB zur Anwendung käme, denn in diesen Fällen ist der Betroffene stets

handlungsunfähig oder zumindest beschränkt handlungsunfähig234.

Die weitere Frage, ob Art. 408 ZGB auch auf den Vertretungsbeistand

eines handlungsfähigen Betroffenen Anwendung findet, ist ebenfalls

umstritten. Der größte Teil der Vertreter, die eine Anwendbarkeit des Art.

408 ZGB auf die Beistandschaften nicht grundsätzlich ablehnen, bejaht

dies235, wobei vor allem mit der Missbrauchsgefahr argumentiert wird.

Wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit der Vornahme solcher Geschäfte

durch den Beistand gewollt hätte, so die Befürworter, hätte er zumindest

ein Zustimmungserfordernis der Vormundschaftsbehörde (Art. 421 ZGB)

vorgesehen, da anderenfalls die Gefahr drohe, dass der Beistand im Wege

von Schenkungen das Vermögen des Betroffenen schädige, ohne dass dies

im Interesse des Betroffenen liege. Denn von erheblichen Schenkungen

gehe eine noch größere Gefahr aus als von den Geschäften nach Art. 421

ZGB, so dass der Gesetzgeber nicht nur ein Zustimmungserfordernis,

sondern sogar ein vollständiges Verbot angeordnet habe. Die Möglichkeit

von erheblichen Schenkungen sogar ohne Zustimmungserfordernis der

Vormundschaftsbehörde könne daher nicht im Sinne des Gesetzgebers

gewesen sein236.

Demgegenüber argumentiert die Gegenmeinung, dass Art. 419 II ZGB237

Anwendung finde, soweit der Betroffene aufgrund von Art. 392 Ziff. 1

ZGB zur Mitwirkung in der Lage sei. Nach Art. 419 II ZGB kann nämlich

der handlungsfähige Verbeiständete Geschäften des Beistandes, die über

die Verwaltung und Erhaltung des Vermögens hinausgehen, zustimmen

234 Koeppel, S. 220 235 Schnyder/Murer Art. 392 ZGB Rn. 65; Egger Art. 417 ZGB Rn. 9; Pfander, S. 45/46 236 Schnyder/Murer Art. 392 ZGB Rn. 65; Egger Art. 417 ZGB Rn. 9; Pfander, S. 45/46 237 siehe hierzu: oben, § 3 III 2

Page 63: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

47

und damit zur Wirksamkeit verhelfen238. Erhebliche Schenkungen durch

den Beistand wären somit bei Mitwirkung des handlungsfähigen

Betroffenen möglich. Denn wenn der handlungsfähige Betroffene an dem

Geschäft mitwirke, sei der Verwaltungsbeistand in genau derselben Rolle

wie ein privater Bevollmächtigter, der unstreitig ebenfalls dem

Schenkungsverbot des Art. 408 ZGB nicht unterliege239.

bb. Verwaltungsbeistandschaft, Art. 393 ZGB

Auch bei der Verwaltungsbeistandschaft ist strittig, ob das

Schenkungsverbot des Art. 408 ZGB Anwendung findet. Bei

handlungsunfähigen Betroffenen soll nach einer Auffassung das Verbot

des Art. 408 ZGB generell voll durchgreifen, mit der Folge, dass

erhebliche Schenkungen aus deren Vermögen weder durch sie selbst

(mangels rechtlicher Handlungsfähigkeit) noch durch den Beistand (Art.

408 ZGB) möglich wären240. Der Gesetzgeber habe mit Art. 408 ZGB

deutlich gemacht, dass er sowohl dem gesetzlichen Vertreter als auch den

Vormundschafts- und Aufsichtsbehörden im Hinblick auf erhebliche

Schenkungen Grenzen setze. Erhebliche Schenkungen dürften danach nur

unter Mitwirkung der Betroffenen241 vorgenommen werden. Somit wären

auch bei der Verwaltungsbeistandschaft erhebliche Schenkungen nur im

Falle der Mitwirkung des handlungsfähigen Verbeiständeten möglich.

Wenn dieser nicht mitwirke oder aber handlungsunfähig sei, seien

Schenkungen aus seinem Vermögen weder durch ihn selbst noch unter

Mithilfe des Beistands möglich242.

238 Vgl. oben, § 3 III 2 239 Koeppel S. 222; 240 Koeppel S. 225 241 entweder durch besondere Ermächtigung des Beistands durch den Betroffenen gem.

Art. 419 II ZGB oder durch eigene Vornahme des Betroffenen, wenn er insoweit

urteilsfähig und mündig ist 242 Koeppel S. 225

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§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

48

Die Gegenauffassung verneint – wie bereits gesehen – die Anwendbarkeit

des Art. 408 ZGB auf jegliche Form der Beistandschaft, da der Wortlaut

der Vorschrift gegen eine solche Anwendung spreche243.

cc. Beistandschaft auf eigenes Begehren

Nach herrschender Auffassung ist die Beistandschaft auf eigenes

Begehren wie die Vormundschaft nach Art. 372 ZGB zu behandeln, mit

dem Unterschied jedoch, dass die rechtliche Handlungsfähigkeit des

Betroffenen nicht beschränkt ist244. Ob aus dem Vermögen des

Verbeiständeten erhebliche Schenkungen vorgenommen werden können,

hängt somit – ebenso wie bei der Verwaltungsbeistandschaft - davon ab,

ob der Betroffene in der Lage ist, die aufgrund von Art. 419 II ZGB245

erforderliche Ermächtigung abzugeben oder nicht. Ist er etwa

handlungsunfähig, sind erhebliche Schenkungen aus seinem Vermögen

somit nicht mehr möglich. Ist er jedoch handlungsfähig, kann er entweder

die Schenkungen selbst vornehmen oder den Beistand hierzu gem. Art.

419 II ZGB ermächtigen. Der darf dann die Schenkung vornehmen, da er

behandelt wird wie ein rechtsgeschäftlich Bevollmächtigter246.

5. Zwischenergebnis: Schenkungen aus dem Mündelvermögen nach

geltendem Schweizer Recht

Sobald der Betroffene entmündigt ist, kann er ohne die Genehmigung

durch den Vormund keine wirksamen Rechtsgeschäfte mehr tätigen, es sei

denn, er ist urteilsfähig und verfügt über sein Arbeitseinkommen oder das

Vermögen, das die Vormundschaftsbehörde ihm zur freien Verfügung

belassen hat247. Der Vormund wiederum ist bei jeglichen

Vertretungshandlungen an Art. 408 ZGB gebunden, so dass er erhebliche

243 oben, § 3 III 4 c (3) aa 244 BGE in ZVW 7 S. 71 Nr. 21; Egger Art. 394 ZGB Rn. 2f.; Schnyder/Murer Art. 394

ZGB Rn. 12; Lüscher, S. 16; a.A.: Kaufmann Art. 394 ZGB Rn. 12; Trüeb, S. 43 245 zu Art. 419 II ZGB siehe oben, § 3 III 2 246 Pfander, S. 80 247 oben, § 3 III 1

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§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

49

Schenkungen aus dem Mündelvermögen nicht selbst vornehmen kann248.

Das Verbot gem. Art. 408 ZGB gilt darüber hinaus auch für die

Vormundschaftsbehörden249. Selbst wenn diese eine erhebliche

Schenkung aus dem Mündelvermögen genehmigen, bleiben solche

Rechtsgeschäfte unwirksam250. Ist der Betroffene entmündigt, sind

erhebliche Schenkungen somit nur noch möglich, wenn der Betroffene sie

selbst aus seinem Arbeitseinkommen oder dem freien Vermögen

vornimmt251.

Im Rahmen der Mitwirkungsbeiratschaft gilt das Verbot des Art. 408 ZGB

nicht. Schenkungen bleiben hier somit möglich252. Der Verbeiratete bedarf

für die Vornahme erheblicher Schenkungen jedoch der Mitwirkung des

Beirats in Form einer Genehmigung253.

So weit eine Verwaltungsbeiratschaft angeordnet ist, wird der Betroffene

wie ein Entmündigter behandelt, mit der Folge dass erhebliche

Schenkungen aus der Vermögenssubstanz des Betroffenen weder durch

ihn selbst noch durch den Beirat möglich sind254. Bei einer kombinierten

Beiratschaft ist ebenfalls eine Schenkung aus der Vermögenssubstanz

weder durch den Betroffenen noch durch den Beirat möglich.

Schenkungen aus den Vermögenserträgnissen und dem übrigen

Einkommen darf der Verbeiratete zwar selbst vornehmen, die

Schenkungen bedürfen für ihre Wirksamkeit jedoch ebenfalls der

Genehmigung des Beirats255.

Ist der Betroffene handlungsunfähig und wurde lediglich eine

Beistandschaft angeordnet, können Schenkungen weder durch den

248 Koeppel, S. 185 249 oben, § 3 III 4 a 250 Nehrwein, S. 8; Oser/Schönenberger Art. 492 OR Rn. 80; Bucher Art. 19 OR Rn. 17;

Kaufmann Art. 408 ZGB Rn. 1 251 oben, § 3 III 1 252 Koeppel, S. 201 253 oben, § 3 III 4 c 2 aa 254 Lüscher, S. 78; Schnyder/Murer Art. 395 ZGB Rn. 124; Egger Art. 408 ZGB Rn. 2;

BGE in ZVW 23, S. 115 Nr. 38; a.A.: Riemer, VormR, § 5 N 49 255 oben, § 3 III 4 c (2) cc

Page 66: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

50

Betroffenen noch durch den Beistand aus dem Betroffenenvermögen

vorgenommen werden256. Soweit der Verbeiständete jedoch noch zu

selbstbestimmten Entscheidungen in der Lage ist, kann er selbst beliebige

Schenkungen aus seinem Vermögen vornehmen. Strittig ist hingegen

jeweils, ob dies auch durch den Beistand möglich ist. Zum Teil wird bei

den einzelnen Beistandschaften vertreten, dass der Beistand mit

Genehmigung des Betroffenen gem. Art. 419 II ZGB erhebliche

Schenkungen vornehmen könne257. Ohne diese Genehmigung ist ihm

jedoch nach einhelliger Auffassung eine erhebliche Schenkung aus dem

Betroffenenvermögen nicht möglich258.

IV. Vergleich

1. Die einzelnen fürsorgerischen Maßnahmen

Alle hier untersuchten Vormundschaftsrechte verfolgten bzw. verfolgen

den Zweck, die Betroffenen vor den Folgen ihrer fehlenden

Eigenverantwortung zu schützen. Dieser Schutz sollte dadurch

gewährleistet werden, dass man wirksame Rechtsgeschäfte der

Betroffenen unterband, indem man ihnen die Geschäftsfähigkeit entzog.

Die Betroffenen verloren somit ihre rechtliche Handlungsfähigkeit. Um

diesen Verlust an rechtlicher Handlungsfähigkeit auszugleichen, wurde ein

entsprechender Vertreter in die Lage versetzt, rechtlich für den

Betroffenen dort handeln zu können, wo dies dem Bevormundeten versagt

blieb259. Nach den Entmündigungsrechten war deshalb dort, wo zum

Schutz des Betroffenen die Anordnung einer Entmündigung erforderlich

war, dies auch stets mit dem Verlust der rechtlichen

Handlungsmöglichkeit verbunden. Wer entmündigt war, konnte

selbstständig keine Rechtsgeschäfte mehr wirksam vornehmen260.

256 oben, § 3 III 4 c (2) cc 257 oben, § 3 III 4 c 3 258 oben, § 3 III 4 c 3 259 Deutschland: § 3 I 1; Österreich: § 3 II 1; Schweiz: § 3 III 1 260 Deutschland: § 3 I 1; Österreich: § 3 II 1; Schweiz: § 3 III 1

Page 67: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

51

Um dem Grundsatz des geringst möglichen Eingriffs in die Freiheitsrechte

des Betroffenen gerecht zu werden, waren jeweils neben der vollständigen

Entmündigung weitere Rechtsinstitute vorgesehen, die den Betroffenen

zwar Schutz gewährten, aber nicht so stark in ihre Freiheitsrechte

eingreifen sollten.

Besonders die Schweiz hält neben der Entmündigung eine Vielzahl

abgestufter Maßnahmen bereit, die eine möglichst individuelle Lösung für

die jeweiligen Probleme des Betroffenen ermöglichen sollten. Hier sei

etwa das Rechtsinstitut der Mitwirkungsbeiratschaft genannt261. In seinen

Wirkungen ist dieses mit der beschränkten Entmündigung nach den

Entmündigungsrechten Deutschlands262 und Österreichs263 vergleichbar:

Rechtsgeschäfte des Betroffenen waren nur noch mit Genehmigung des

gesetzlichen Vertreters wirksam, der jeweils sicherstellen sollte, dass die

Betroffeneninteressen gewahrt wurden.

Die Verwaltungsbeiratschaft264 hingegen, wonach der Betroffene nur noch

über sein Einkommen, nicht aber über sein Stammvermögen verfügen

kann, findet ihre Entsprechung im alten österreichischen Recht, wonach

der beschränkt Entmündigte über sein Arbeitseinkommen frei verfügen

konnte, solange die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gesichert

war265. Die Beistandschaft im engeren Sinne266 wiederum fand in der

Pflegschaft267 deutschen Rechts ihre Entsprechung: Der Betroffene erhielt

zwar einen Vertreter, der für ihn Geschäfte tätigen und ihn so unterstützen

konnte, jedoch wurde ihm nicht automatisch die Handlungsfähigkeit

entzogen, so dass er weiterhin auch neben dem Beistand Rechtsgeschäfte

tätigen konnte. Dies gilt im deutschen Recht freilich nicht, so weit eine

Zwangspflegschaft angeordnet war, da diese mit der Geschäftsunfähigkeit

261 oben, § 3 III 2 a (2) 262 oben, § 3 I 1 263 oben, § 3 II 1 264 oben, § 3 III 2 a (1) 265 oben, § 3 II 1 266 oben, § 3 III 2 b 267 oben, § 3 I 2

Page 68: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

52

des Betroffenen einherging, so dass er keine Geschäfte mehr selbst tätigen

konnte268.

Somit verfügten die Entmündigungsordnungen über mehr oder weniger

differenzierte vormundschaftliche Maßnahmemöglichkeiten neben der

Entmündigung, welche es erlaubten, je nach Bedarf die

Handlungsfähigkeit des Betroffenen mehr oder weniger deutlich zu

beschneiden oder ihm diese sogar ganz zu belassen. Hierbei verfügt die

Schweiz über das mit Abstand am weitesten abgestufte Bündel möglicher

Maßnahmen. Anders als es in Deutschland und Österreich der Fall war,

besteht hier die Möglichkeit, trotz typisierter Eingriffsarten die

Fürsorgemaßnahmen individuell an die jeweiligen Bedürfnisse des

Betroffenen anzupassen.

Allen diesen Rechtssystemen gemein war aber die Typisierung der

jeweiligen Maßnahmen in den Rechtsfolgen. Eine individuelle Anpassung

der Maßnahmen, etwa durch Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts

des gesetzlichen Vertreters für bestimmte einzelne Geschäfte, war nicht

vorgesehen. Die einzelnen Rechtsinstitute ließen insoweit keinen

Handlungsspielraum. Eine individuelle Anpassung der Maßnahmen an die

jeweiligen individuellen Bedürfnisse des einzelnen Betroffenen war daher

nicht möglich.

2. Die Grundsätze des Vertreterhandelns

Die Wünsche und Meinungen der Betroffenen wurden im Rahmen der

gesetzlichen Schutzinstrumente durch die Rechtssysteme Deutschlands

und Österreichs nicht als rechtlich bedeutsam anerkannt. So stand es dem

Vormund grundsätzlich frei, auf diese Rücksicht zu nehmen oder nicht.

Denn er bestimmte selbstständig, welche Maßnahme im Interesse des

Mündels lag und stand dabei nur eingeschränkt unter behördlicher oder

gar gerichtlicher Aufsicht269. Dies fand seine Begründung insbesondere

darin, dass mit der Entmündigung auch konstitutiv die

268 vgl. oben, § 3 I 2 269 Deutschland: § 3 I 1; Österreich: § 3 II 1

Page 69: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

53

Entscheidungsunfähigkeit des Betroffenen festgestellt worden war. Auf

die Entscheidungen des Bevormundeten kam es somit nicht an.

Das geltende Schweizer Recht bewertet demgegenüber die Wünsche und

Ansichten des Betroffenen nicht von vornherein als irrelevant. Vormund

und Beistand sind vielmehr gehalten, den Betroffenen die größtmögliche

persönliche Freiheit zu belassen und entsprechend ihren Vorstellungen

und Wünschen möglichst nachzukommen, soweit diese deren Wohl nicht

zuwiderlaufen. Der Begriff des Betroffenenwohls wird in allen hier

untersuchten Rechtssystemen anhand des konkret Betroffenen

ausgelegt270. Der Inhalt des Betroffenenwohls bestimmte sich allerdings

nach allgemeinen Kriterien. Hier wurde danach gefragt, was im

„wohlverstandenen Interesse“ des Betroffenen läge, was also ein

„durchschnittlich Vernünftiger“ an dessen Stelle getan hätte271. Im

Schweizer Recht ist bei wichtigen Entscheidungen des Beistandes von

diesem zunächst das Mündel insoweit an der Entscheidungsfindung zu

beteiligen, als es zuvor angehört werden soll. Nach Möglichkeit soll der

Vormund auf die Meinungen des Betroffenen sodann Rücksicht nehmen,

ohne dass hieraus freilich ein Anspruch des Mündels auf Befolgung seiner

Wünsche erwächst272.

3. Schutz vor Missbrauch der Vertretungsmacht

In allen drei Ländern waren diverse Schutzmechanismen gegen den

Missbrauch der Vertretungsmacht vorgesehen. Denn die weitgehende

Selbstständigkeit der gesetzlichen Vertreter beinhaltete stets auch die

Gefahr des Missbrauchs der Vertretungsmacht durch die Vertreter. Alle

Vormundschaftsrechte sahen daher einen vormundschaftsgerichtlichen

Genehmigungsvorbehalt für wichtige oder gefährliche Geschäfte des

Vormunds vor273. Bei drohenden Interessenkonflikten des Vormunds,

etwa bei Insichgeschäften oder Geschäften mit seinen Verwandten, waren

270 oben, § 3 III 1 271 Deutschland: § 3 I 1; Österreich: § 3 II 1 272 oben, § 3 III 1 273 Deutschland: § 3 I 3 a; Österreich: § 3 II 2; Schweiz: § 3 III 3

Page 70: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

54

dem Vormund kraft Gesetzes die Vertretungsbefugnisse entzogen274. In

solchen Fällen musste ein weiterer Vertreter bestellt werden, der in dieser

Angelegenheit für den Betroffenen handeln konnte. Es reichte dabei

bereits die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision beim Vertreter aus,

um die Vertretungsmacht des Vormunds entfallen zu lassen275.

Weiterhin ist in allen drei Rechtssystemen eine Schadensersatzpflicht des

Vertreters gegenüber dem Vertretenen für den Fall vorgesehen, dass er

schuldhaft seine Pflichten verletzte und dem Betroffenen dadurch ein

Schaden entstand276. Im Übrigen sahen die nationalen Rechte weiterhin

eine Strafbarkeit des Vertreters vor, wenn dieser sich aus dem Vermögen

des Betroffenen unrechtmäßig bereicherte277.

4. Schenkungen nach altem Recht

Das alte deutsche278 und das (noch) geltende Schweizer Recht279 weisen

im Hinblick auf Schenkungen aus dem Vermögen der Betroffenen viele

Ähnlichkeiten auf. Denn in beiden Kodifikationen gab es jeweils eine

Spezialvorschrift, die Schenkungen aus dem Betroffenenvermögen

weitestgehend ausschloss.

Da der deutsche, der schweizerische und auch der österreichische

Vormund den Inhalt des Betroffenenwohls weitgehend selbstständig

bestimmen konnten, waren ihnen Grenzen zu setzen, um auch

sicherzustellen, dass die Betroffeneninteressen gesichert waren. In

274 Deutschland: § 3 I 3 b; Österreich: § 3 II 2; Schweiz: § 3 III 3 275 Die schweizerische Rechtsprechung sieht bereits in der Geltendmachung des

Versorgerschadens eines tödlich verunfallten Vaters durch die Mutter für sich und das

Kind einen möglichen Interessenkonflikt, weil möglicherweise die Mutter versucht sein

könnte, für das Kind einen relativ geringen Schadensersatz geltend zu machen, um für

sich mehr herauszuholen, BGE 99 II 367; vgl. auch BGE 107 II 105; 118 II 101, 104f.;

Riemer, VormR, § 6 Rn. 9; Schnyder, ZVW 1999, 93, 96 276 Deutschland: § 3 I 3 c; Österreich: § 3 II 3; Schweiz: § 3 III 3 277 Deutschland: § 3 I 3 c; Österreich: § 3 II 2; Schweiz: § 3 III 3 278 oben, § 3 I 4 279 oben, § 3 III 4

Page 71: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

55

Deutschland280 und der Schweiz281 erfolgte dieser Schutz nicht nur durch

die Anordnung eines gerichtlichen oder behördlichen

Genehmigungsvorbehalts für bestimmte Vertretungshandlungen des

Vormunds, sondern auch durch das generelle Verbot bestimmter als

unnötig oder zu gefährlich angesehener Geschäfte. Hierzu wurden

insbesondere Schenkungen aus dem Vermögen der Betroffenen gezählt.

Während in Deutschland lediglich „Sitten- und Anstandsschenkungen“

möglich (und alle anderen Schenkungen somit verboten) waren, § 1804

BGB, erlaubte das Schweizer Recht nur „unerhebliche“ Schenkungen, Art.

408 ZGB, wobei Sittenschenkungen nicht unter den Begriff der

Schenkung fielen und somit weiterhin möglich waren. Nach der

Auffassung der Gesetzgeber der Vormundschaftsrechte Deutschlands und

der Schweiz verletzten demnach gerade größere Schenkungen generell die

wohlverstandenen Interessen des Betroffenen. Sie sollten nicht

vertretungsweise durch den Vormund vorgenommen werden können.

Denn dieser hatte das Vermögen des Betroffenen zu verwalten und zu

erhalten282, nicht aber durch Schenkungen zu dezimieren.

Die Schenkungsverbote fanden nicht nur bei der Entmündigung selbst,

sondern auch bei den weniger einschneidenden Maßnahmen wie Beirat-

und Beistandschaft283 sowie der Pflegschaft284 Anwendung, indem auch

die Pfleger bzw. Beistände und Beiräte dem Verbot unterfielen. Allerdings

konnte im Schweizer Recht in einem solchen Fall der mündige

urteilsfähige Betroffene seinen Beistand ermächtigen, auch erhebliche

Schenkungen vorzunehmen, Art. 419 II ZGB. In Deutschland285 wurden –

im Gegensatz zur Schweiz286 – Genehmigungen des Vormunds zu eigenen

280 oben, § 3 I 3 281 oben, § 3 III 3 282 So ausdrücklich Art. 419 I ZGB 283 oben, § 3 III 4 a (3) 284 oben, § 3 I 4 a (4) 285 oben, § 3 I 4 a (2) 286 oben, § 3 III 2 a (2)

Page 72: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

56

Geschäften des Betroffenen als eigene Vertretungshandlungen angesehen,

die somit ebenfalls dem Schenkungsverbot unterfielen.

In Österreich hingegen war keine ausdrückliche Regelung für

Schenkungen vorgesehen. Lediglich im Rahmen einer Generalklausel287

war die Vornahme von ungewöhnlichen Schenkungen aus dem

Mündelvermögen durch den Vormund unter Genehmigungsvorbehalt des

Vormundschaftsgerichtes gestellt288. Somit blieben alle denkbaren Formen

der Schenkung aus dem Mündelvermögen im Grundsatz möglich, auch

wenn hier eine weitere Prüfung durch das Vormundschaftsgericht

dahingehend stattfand, ob die jeweilige Schenkung im Mündelinteresse

lag oder nicht.

Dies hatte zur Folge, dass in Deutschland und der Schweiz nach Verlust

der Geschäftsfähigkeit Schenkungen nur noch in sehr engen Grenzen

möglich waren, während sie in Österreich grundsätzlich weiterhin

unbeschränkt getätigt werden konnten, wenn auch das

Vormundschaftsgericht die Schenkung jeweils genehmigen musste. Verlor

also beispielsweise jemand in Deutschland oder der Schweiz seine

Geschäftsfähigkeit (z.B. wegen Altersdemenz oder aufgrund von

Krankheit oder eines Unfalls) oder war er zu solchen noch nie in der Lage

(etwa bei von Geburt an geistig Behinderten), so hinterließ er sein

Vermögen unweigerlich seinen gesetzlichen Erben. Aber auch eine

lebzeitige Übertragung des Besitzes an die künftigen Erben zum Zwecke

der Steuerersparnis war nicht (mehr) möglich. Anders lag die Sache beim

österreichischen Recht: Hier wurde in solchen Fällen die Wahrung des

Mündelwohls zusätzlich durch das Vormundschaftsgericht geprüft und die

Genehmigung hiervon abhängig gemacht. Wenn jedoch kein Zweifel an

der Wahrung des Mündelwohls bei der Schenkung vorlag, war diese

zulässig.

287 In § 154 III 2 ABGB waren ausdrücklich insbesondere die Annahme einer mit Bela-

stungen verbundenen Schenkung und die Ablehnung eines Schenkungsangebots als

konkrete Beispiele von Geschäften genannt, die vom Genehmigungsvorbehalt umfasst

sein sollten, vgl. oben, § 3 II 3 b 288 oben, § 3 II 3

Page 73: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 3 Erwachsenenfürsorge vor den Reformen

57

Das österreichische Recht pflegte somit einen weit großzügigeren Umgang

mit Schenkungen aus dem Vermögen entmündigter Erwachsener als das

schweizerische oder das deutsche Recht. Grundsätzlich hatte das Mündel

weiterhin die Möglichkeit, entweder selbst oder über die Person seines

Kurators bzw. Beistands, Schenkungen vorzunehmen. Vor dem

Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Kurator sah das

österreichische Recht daher eine Reihe von Schutzmechanismen wie

insbesondere einen gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt bei allen

außergewöhnlichen Geschäften vor.

Durch die Verbotsregeln in Deutschland und der Schweiz waren solche

Schenkungsgeschäfte nicht möglich. Wer entmündigt war, konnte keine

Schenkungen über die Grenzen des § 1804 BGB bzw. Art. 408 ZGB

hinaus vornehmen. Nicht einmal eine gerichtliche oder vormundschafts-

bzw. aufsichtsbehördliche Genehmigung konnte den verbotenen

Schenkungen289 zur Wirksamkeit verhelfen. Zwar waren auch in

Deutschland und der Schweiz zusätzliche Schutzmechanismen gegen

Missbrauch der Vertretungsmacht vorgesehen, wie gerichtliche und

aufsichtsbehördliche Genehmigungsvorbehalte. Die verbotenen

Schenkungen wurden jedoch ganz allgemein als unnötig290 und

schädlich291 angesehen, was neben dem Betroffenenschutz als zusätzliche

Begründung für das generelle Verbot herangezogen wurde.

289 Für das deutsche Recht: BayObLG OLGE 32, 19; BayObLG RPfleger 1988, 22; für

das Schweizer Recht: Oser/Schönenberger Art. 492 OR Rn. 80; Egger Art. 408 ZGB Rn.

11; Koeppel S. 236 290 Meier, S. 559 291 Hinz, in: MünchKommBGB [2. Aufl.] § 1641 Rn. 1

Page 74: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

58

§ 4 Reformen der Vormundschaftsrechte

I. Deutschland

1. BtG, Ziele der Reform

Am 1. 1. 1992 wurde in Deutschland das neue Rechtsinstitut der

Betreuung eingeführt, das die Entmündigung und Vormundschaft über

Erwachsene ablöste. Es sollte die „persönlichen Integritäts- und

Entfaltungsinteressen des Betreuten“ in den Vordergrund rücken292, mit

dem Ziel, dass die einseitigen Bestimmungsbefugnisse des Betreuers auf

das „Erforderliche“ beschränkt blieben und die „Selbstbestimmung“ des

Betroffenen „maximal“ geachtet werde293.

Wenn Freiheit und Gleichheit in einer Rechtsordnung garantiert werden

sollen, ist es erforderlich, dass alle in ihr lebenden Menschen den gleichen

Zugang zum Rechtsverkehr eröffnet bekommen294. Ist aber ein Mensch

aus tatsächlichen Gründen, wie z. B. körperlicher oder geistiger Defizite,

am Zugang gehindert, so hat dies zur Folge, dass bei ungehindertem Lauf

der Dinge aus der tatsächlichen Benachteiligung dieser Menschen eine

rechtliche Benachteiligung erwächst295. Wenn nämlich jemand aus

tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Leben nach seinen

Wünschen und Interessen zu gestalten, ist er zwar nicht rechtlich, aber

doch tatsächlich darin beschränkt, seine Entscheidungen entsprechend

seinen Rechtsverhältnissen zu treffen und am Rechtsverkehr

teilzunehmen296. Soll eine Rechtsordnung alle Menschen rechtlich gleich

behandeln, muss sie deshalb tatsächlich vorhandene

Zugangsbeschränkungen zum Rechtsverkehr kompensieren, da sonst

tatsächliche Ungleichheit zu rechtlicher Ungleichheit führen würde297. Ist

292 Schwab, Referat, K 9, K 42-43 293 Schwab a.a.O.; Prütting/Bauer, § 1896 BGB Rn. 1 294 Lipp, S. 51; Dröge, S. 207 295 Windel, FamRZ 1997, 713, 717; John, S. 97; Lipp, S. 51 296 Lipp, S. 50 297 Kremzow, S. 87

Page 75: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

59

also jemand etwa durch gesundheitliche Gründe persönlich in seiner

Entscheidungsfreiheit beschränkt, so ist es Aufgabe des Rechtssystems,

hierfür einen Ausgleich zu schaffen und seine Defizite im Bereich der

Fähigkeit zu rechtserheblichen Handlungen dort ausgleichen, wo sie im

Verhältnis zum Mündigen gemindert sind. Um die rechtliche

Gleichbehandlung eines in seiner Eigenverantwortlichkeit Beschränkten

zu gewährleisten, ist also sicherzustellen, dass die Person wie jeder

Mündige am Rechtsverkehr teilnehmen kann.

Beim Entscheidungsunfähigen kann ein anderer sich für eine sofort zu

erledigende einzelne Entscheidung in die Dienste des Betroffenen stellen,

indem er zum Beispiel im Rahmen einer echten „Geschäftsführung ohne

Auftrag“ seine eigenen Fähigkeiten für den Betroffenen einbringt,

§§ 677ff. BGB. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, dass der Betroffene

selbst überhaupt nicht mehr entscheiden kann und ohne das Eingreifen des

anderen die Möglichkeit zur eigenen Entscheidung verliert. Weiterhin ist

grundsätzlich Voraussetzung für die Tätigkeit des anderen, dass der

Betroffene mit dessen Handeln einverstanden ist, §§ 677, 683 S. 1, 684 S.

2 BGB298. In Ermangelung eines erklärten eigenen Willens des

Betroffenen gilt dessen mutmaßlicher Wille299. Die Frage, worin dieser

mutmaßliche Wille besteht, wird danach beantwortet, wie der Betroffene

selbst entschieden hätte, wobei die früheren Äußerungen und

Einstellungen des Betroffenen heranzuziehen sind300. Hierdurch werden

im Rahmen der Tätigkeit des Dritten die Interessen des Betroffenen

gewahrt.

Soweit eine solche Tätigkeit eines Dritten aber nicht vorliegt, bleiben die

Möglichkeiten des Betroffenen zu rechtserheblichem Handeln ungenutzt.

So lange seine Entscheidungsunfähigkeit andauert, kann der Betroffene

nicht selbstständig am Rechtsverkehr teilnehmen301. Gleiches gilt für den

298 Staudinger/Bergmann, Vorbem. zu §§ 677ff. BGB Rn. 52 299 Staudinger/Bergmann, Vorbem. zu §§ 677ff. BGB Rn. 52; Soergel/Beuthien, § 682

BGB Rn. 5 300 OLG Stuttgart NJW 1947/48, 227, 228; BGH JZ 1972, 163, 164 301 Lipp, S. 50

Page 76: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

60

beschränkt Entscheidungsunfähigen. Solange und so weit er tatsächlich

nicht in der Lage ist, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen und

somit sein Leben nach seinen Interessen und Wünschen zu gestalten, ist

ihm der gleichberechtigte Zugang zum Rechtsverkehr tatsächlich

verwehrt.

Es ist demnach eine Organisation erforderlich, die dort, wo der Betroffene

nicht selbst handeln kann, für ihn handelt. Auf diese Art wird die

rechtliche Handlungsfähigkeit der Person (wieder) hergestellt. Der

Betroffene kann dann mit Hilfe dieser Handlungsorganisation am

Rechtsverkehr wie ein Mündiger teilnehmen.

Die Aufgabe des Betreuungsrechts liegt somit in der Herstellung einer

solchen Handlungsorganisation, die dem jeweiligen Menschen den

Zugang zum Rechtsverkehr als eigenverantwortlicher Entscheidungsträger

– unabhängig von seinem tatsächlichen Zustand – eröffnet302. Zwar „ist“

dann nicht der konkrete Mensch die Rechtsperson wie der Mündige, aber

Zentrum und Bezugspunkt dieser für ihn geschaffenen Rechtsperson. In

Form dieser Rechtsperson kann der Betroffene dann wie ein Mündiger am

Rechtsverkehr uneingeschränkt teilnehmen.

Ziel eines Betreuungsrechtes ist also zunächst die Herstellung einer freien

und gleichberechtigten Rechtsperson durch Errichtung dieser

Handlungsorganisation, also kurz gesagt: Sicherung des

Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen und Hilfe bei seiner

Ausübung303.

2. Umsetzung

Das neue Betreuungsrecht sieht daher vor, dass vom

Vormundschaftsgericht dann ein Betreuer bestellt wird, wenn ein

Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer

körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine

Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, § 1896 I BGB.

Dies kann entweder auf seinen Antrag hin oder von Amts wegen erfolgen.

302 Lipp, S. 59 303 Giesen, FamR, Rn. 757; Langenfeld, S. 108

Page 77: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

61

Der Betroffene muss also aufgrund seines Krankheitsbildes ganz oder

teilweise außerstande sein, die eigenen Angelegenheiten zu besorgen; sein

Krankheitsbild muss dafür einen solchen Grad erreicht haben, dass die

Fähigkeit des Betroffenen zur Wahrnehmung seines

Selbstbestimmungsrechts ausgeschlossen oder so eingeschränkt ist, dass er

zu eigenverantwortlichen Entscheidungen nicht mehr in der Lage ist304.

Der Betreuer wird dabei nicht etwa automatisch für sämtliche

Angelegenheiten des Betroffenen bestellt, sondern nur für einzelne

Aufgabenkreise bzw. Aufgaben, für die die Bestellung eines Betreuers

erforderlich ist, § 1896 II BGB. Der Umfang der zu errichtenden

Betreuung kann somit flexibel an das Maß der Beeinträchtigung und dem

Schutzbedürfnis des Betroffenen angepasst werden.

Gemäß § 1902 BGB ist der Betreuer dann in seinem jeweiligen

Aufgabenkreis gesetzlicher Vertreter des Betreuten. Er kann also

Willenserklärungen mit Wirkung für den Betroffenen abgeben. Er kann

aber auch sonstige Tätigkeiten für den Betroffenen vornehmen, soweit

diese erforderlich sind, um dessen rechtliche Angelegenheiten zu

besorgen, § 1901 I BGB. Allerdings geht die Betreuerbestellung nicht wie

bei der Vormundschaft automatisch mit einer Beschränkung der

Geschäftsfähigkeit des Betroffenen einher. Die Bestellung des Betreuers

hat vielmehr grundsätzlich keinerlei Auswirkungen auf die

Geschäftsfähigkeit des Betroffenen305. Dieser bleibt daher grundsätzlich

neben dem Betreuer handlungsfähig. Er kann weiterhin eigene wirksame

Willenserklärungen abgeben, so weit er die nötige natürliche

Geschäftsfähigkeit besitzt. Die §§ 104ff. BGB bleiben anwendbar. Der

Betroffene muss somit für die Wirksamkeit seiner Erklärungen im

Zeitpunkt der Abgabe der jeweiligen Willenserklärung geschäftsfähig

gewesen sein.

Es besteht allerdings die Möglichkeit, durch Anordnung eines sog.

Einwilligungsvorbehalts die Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte des

304 OLG Hamm FamRZ 1995, 433, 435; Schwab, in: MünchKommBGB, § 1896 Rn. 20 305 OLG Ffm FamRZ 96, 635

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

62

Betroffenen von der Einwilligung des Betreuers abhängig zu machen,

§ 1903 BGB.

a. Voraussetzungen und Grenzen des Betreuerhandelns – Der

Erforderlichkeitsgrundsatz

§ 1896 II BGB stellt klar, dass ein Betreuer nur dort bestellt werden darf,

wo dies erforderlich ist (Erforderlichkeitsgrundsatz). Dieser

Erforderlichkeitsgrundsatz ist Ausdruck des verfassungsmäßigen

Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 III GG)306: Die

Handlungsorganisation darf nur dort errichtet werden, wo der Betroffene

aufgrund von tatsächlich vorhandenen Defiziten nicht selbst

eigenverantwortlich handeln kann307. Das bedeutet wiederum, dass dem

Erforderlichkeitsgrundsatz in zweierlei Hinsicht zentrale Bedeutung

zukommt: Zum einen bei der Frage, ob überhaupt eine Betreuung

eingerichtet werden darf, zum anderen im Hinblick auf den dem Betreuer

zu übertragenden Aufgabenkreis308. Es muss also bereits bei Errichtung

der Betreuung geprüft werden, ob und in welchem Umfang dem

Betroffenen durch eine Handlungsorganisation geholfen werden muss309.

Die Erforderlichkeit liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Betroffene

selbst im Stande ist, sich eine ausreichende Handlungsorganisation zu

schaffen. So ist die Anordnung der Betreuung nicht erforderlich, wenn der

Betroffene wirksam eine Vorsorgevollmacht errichtet hat, § 1896 II BGB.

Die Entscheidung ob und ggf. in welchem Umfang eine

Handlungsorganisation erforderlich ist, trifft der Betroffene selbst in Form

306 BVerfGE 19, 342, 348f.; BayObLGZ 1994, 209=FamRZ 1994, 1551, 1552; BtPrax

1995, 64; FamRZ 1996, 897; Jürgens, § 1896 BGB Rn. 15; Waters, S. 78; Kollmer, S. 47 307 BayObLG FamRZ 1995, 1085; 1996, 897; 1997, 901, 902; 1997, 902, 903; FamRZ

2004, 1229, 1230; 308 Holzhauer/Reinicke, § 1896 BGB Rn. 48; Schwab, in: MünchKommBGB, § 1896 Rn.

38; Waters, S. 78 309 BayObLG FamRZ 1995, 1085 = BtPrax 1995, 64; Damrau, in: Damrau/Zimmermann,

§ 1896 BGB Rn. 40

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

63

der Vollmacht oder der Staat als Träger der Rechtsordnung und Garant der

Rechtsgleichheit310.

Übertrüge man jedoch den Erforderlichkeitsgrundsatz nicht auch auf die

Ausübung der Betreuertätigkeit, so würde eben dieser

Erforderlichkeitsgrundsatz leerlaufen. Denn Zweck desselben ist es, dass

der Betroffene dort selbst handelt, wo er auch dazu im Stande ist und die

Handlungsorganisation nur dort ins Spiel kommt, wo der Betroffene

aufgrund seiner Defizite dies gerade nicht kann. Um dem

Erforderlichkeitsgrundsatz also gerecht zu werden, darf der Betreuer nur

dann handeln, wenn der Betroffene dazu aufgrund seiner fehlenden

Eigenverantwortlichkeit nicht in der Lage ist. Der Betreuer muss sich

insofern bei seinen Entscheidungen stets fragen, ob der Betroffene die

vorzunehmende Handlung nicht auch selbst vornehmen kann. Handelt er

dennoch, so stellt dies eine Überkompensation der beim Betroffenen

vorhandenen Nachteile dar. Tätigkeiten des Betreuers sind demnach

gegenüber eigenen Maßnahmen durch den Betroffenen subsidiär311.

b. Wunsch und Wohl des Betroffenen

Um sicherzustellen, dass ausschließlich die Interessen des Betreuten

verwirklicht werden, ist der Betreuer an das „Wohl“ des Betroffenen

gebunden, § 1901 II 1 BGB. Darüber hinaus bestimmt § 1901 III BGB,

dass der Betreuer an die „Wünsche“ des Betroffenen gebunden ist, „soweit

dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft“. Zu klären sind daher der Inhalt der

Begriffe „Wunsch“ und „Wohl“ sowie deren Verhältnis zueinander und

somit letztlich die Frage, wann und wie der Betreuer überhaupt für den

Betroffenen handeln darf; wann der Betreuer Wünsche des Betroffenen zu

beachten und wann er deren Beachtung zu verweigern hat.

(1) „Wunsch“ des Betreuten

§ 1901 III BGB bestimmt, dass der Betreuer an die „Wünsche“ des

Betroffenen gebunden ist, „soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft“.

310 Lipp, S. 142 311 Bienwald, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Einf. Rn. 10

Page 80: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

64

Nach allgemeiner Auffassung sind diese „Wünsche“ nicht als

Willenserklärungen im technischen Sinne zu verstehen, denn auf die

Geschäftsfähigkeit kommt es hierbei nicht an, sondern nur auf

Äußerungsfähigkeit des Betroffenen312. Es handelt sich also um den

„natürlichen“ bzw. „psychologischen“ Willen313 des Betreuten. Da der

Betreuer an diesen natürlichen bzw. psychologischen Willen des

Betroffenen gebunden ist, kommt dem Wunsch des Betroffenen somit

grundsätzlich Vorrang vor allen anderen Gesichtspunkten zu, soweit er

nicht dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft. Dabei kann bei

fortgeschrittenem geistigen Verfall – so weit der Betroffene mittlerweile

nicht mehr äußerungsfähig ist – ein ggf. früher geäußerter Wunsch

ausreichen, § 1901 III 2 BGB.

(2) Begriff des „Wohls“

Der Begriff des „Wohls“ wird vom Gesetzgeber auch in anderen

Zusammenhängen verwendet, so etwa auch im Minderjährigenrecht (z.B.

§ 1697a BGB: „Kindeswohl“). Trotz der begrifflichen Übereinstimmung

des Wohls des Betreuten gem. § 1901 BGB mit dem Wohl des Kindes

i.S.d. § 1697a BGB können die beiden Begriffe nicht gleichgesetzt

werden, denn der Betreute ist, anders als das Kind, nicht minderjährig und

somit nicht erziehungsbedürftig314.

Auch im alten Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht war der Begriff des

Betroffenenwohls bereits der Handlungsmaßstab für die gesetzlichen

Vertreter315. Nach einhelliger Meinung wird das Wohl des Betroffenen

stets anhand der konkret betroffenen Person bestimmt316. Wie der genaue

Inhalt des Wohls jedoch im Einzelfall bestimmt wird, wann der Betreuer

den Wünschen des Betroffenen somit nachkommen muss und wann er die

312 Bienwald, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Anh. zu § 1908i Rn. 74 313 BT-Drucks. 11/4528, 67, 133; Schwab, in: MünchKommBGB, § 1901 Rn. 11 314 Fegeler § 13 315 oben, § 3 I 1 316 BGH Beschl. v. 17.03.2003, XII ZB 2/03; Schwab in: MünchKommBGB, § 1901 Rn.

10; Jürgens, in: Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein, § 1901 BGB Rn. 160

Page 81: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

65

Befolgung der Wünsche verweigern darf oder sogar muss, ist nach wie vor

in Rechtsprechung und Literatur heftig umstritten.

aa. Objektive Bestimmung

Zweck der Vormundschaft über Minderjährige ist die Erziehung und

Steuerung der Persönlichkeitsentwicklung des unselbstständigen Mündels,

so dass der Kindeswohlbegriff objektiv bestimmt wird. Der erwachsene

Betreute hingegen hat keinen Entwicklungsbedarf mehr, da seine

Persönlichkeit in der Regel bereits voll ausgeprägt ist. Entsprechend hat

der Betreuer – im Gegensatz zum Vormund Minderjähriger – keine

Erziehungsaufgabe317. Zum Teil wird dennoch versucht, auch das Wohl

des Betreuten objektiv zu bestimmen, als „auf den Betreuten bezogenen

Inbegriff seiner Integritäts-, Entfaltungs- und Vermögensinteressen gemäß

seiner jeweiligen Lebenssituation“318. Dem so verstandenen

Betroffenenwohl stünde der subjektive Wunsch des Betroffenen

gegenüber, so dass der Betreuer zwischen diesen beiden Alternativen

abzuwägen habe319: Selbstbestimmung des Betroffenen auf der einen,

Schutz der betroffenen Rechtsgüter des Betreuten auf der anderen Seite320.

Führt der Wunsch zu einer Selbstschädigung321 oder gefährdet er

höherrangige Rechtsgüter322, sei er danach unbeachtlich.

Gegen diese objektive Bestimmung des Wohls wird eingewandt, dass

durch diese Definition nicht deutlich werde, wann der Betreuer Wünsche

des Betroffenen zu beachten habe und wann er deren Befolgung

317 Palandt/Diederichsen, § 1837 Rn. 15 318 Schwab, in: MünchKommBGB, § 1901 BGB Rn. 4; Diercks, S. 62; Erman/Holzhauer

§ 1901 BGB Rn. 12; Kollmer, S. 124ff.; Coeppicus, FamRZ 1992, 741, 746 319 Damrau, in: Damrau/Zimmermann, § 1901 BGB Rn. 2; Kerkloh, S. 54ff.; Kollmer, S.

142; Schwab, in: MünchKommBGB, § 1901 BGB Rn. 8 320 Jürgens, § 1901 BGB Rn. 6; Mees-Jacobi/Stolz, BtPrax 1994, 85 321 Jürgens, § 1901 BGB Rn. 7; ders., in: Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein, Rn.

167; Mees-Jacobi/Stolz, BtPrax 1994, 85; auch die amtliche Begründung des BtG

verweist darauf, dass eine Betreuung nicht Hilfe zur Selbstschädigung leisten dürfe, BT-

Drs. 11/4528, S. 67 322 Schwab, in: MünchKommBGB, § 1901 BGB Rn. 10

Page 82: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

66

verweigern dürfe. Es fehlten klare rechtliche Kriterien für die Grenzen der

Beachtlichkeit von Wünschen des Betroffenen323, denn ein so

verstandener Wohlbegriff sei inhaltlich unscharf. Es bleibe völlig offen,

wie die objektiven Interessen des Betroffenen im konkreten Einzelfall zu

bestimmen seien und nach welchen Kriterien der Betreuer abzuwägen

habe324. Ein objektiver Wohlbegriff sei somit für die zu beantwortende

Frage nach der Beachtlichkeit von Wünschen des Betroffenen ungeeignet.

Es kommt aber noch ein weiterer Punkt hinzu, der ebenfalls gegen eine

solche objektive Bestimmung des Wohlbegriffs spricht: Ein Verbot einer

„Selbstschädigung“ oder der Gefährdung höherrangiger Rechtsgüter durch

den Betreuer setzt die Überprüfung des objektiven Inhalts des jeweiligen

Geschäfts voraus. Der Betreuer muss also für die Frage, ob er dem

jeweiligen Wunsch des Betroffenen nachkommen darf bzw. muss,

überprüfen, ob das jeweilige Geschäft den objektiven Interessen des

Betroffen zuwiderläuft. Jedoch liegt der Zweck der Betreuung darin, die

rechtliche Handlungsfähigkeit und damit die Entfaltung der Persönlichkeit

des Betreuten herzustellen325, nicht jedoch objektive Interessen des

Betroffenen sicherzustellen. Der Betreuer ist dafür bestellt, den

Betroffenen vor den Folgen seiner eingeschränkten

Eigenverantwortlichkeit zu schützen und nicht dafür, fremde (objektive)

Vorstellungen von „vernünftigem“ oder „vertretbarem“ Handeln dem

Betreuten aufzuzwingen326. Schließlich hat der Betreute wie jeder andere

Mensch auch das Recht, unvernünftige Dinge zu tun, sich einen

aufwendigen Lebensstil zu leisten, in seiner Wohnung Unordnung zu

halten und sein Vermögen oder die eigene Gesundheit zu gefährden und

sogar zu schädigen. Nicht die Eigengefährdung oder Selbstschädigung,

323 Lipp, S. 150ff. 324 Lipp, S. 151 325 oben, § 4 I 2; Lipp, S. 59 326 „Vernunfthoheit“ bzgl. des Wohls des Betreuten kraft derer sich der Betreuer oder das

Vormundschaftsgericht über die Vorstellungen des Betreuten hinwegsetzen können, gibt

es nicht (zutreffend: Giesen, Fn. 82; Lipp, S. 150 ff.)

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

67

sondern eine darin liegende fehlende Eigenverantwortlichkeit rechtfertigt

den Betreuer, einem Wunsch des Betroffenen nicht nachzukommen327.

Nötigte man einem Betreuten eine „objektiv richtige“ Entscheidung

trotzdem auf, so stellte dies nicht nur einen Eingriff in die

Gleichheitsrechte des Betroffenen dar, da im Gegensatz hierzu einem nicht

Betreuten eine solche (unvernünftige) Entscheidung offen stünde, sondern

auch eine Verletzung des Grundsatzes der geringst möglichen

Beeinträchtigung. Denn in der Regel hat jeder Betroffene eine eigene

Biographie, ein selbstbestimmtes Leben vor der Betreuung, in dem er

deutlich gemacht hat, wie er sein Leben zu gestalten wünscht. Nur weil

ihm nun (möglicherweise nur zum Teil) die Fähigkeit fehlt, einen freien

Willen zu bilden, darf der Gesetzgeber ihm nicht vorschreiben, wie sein

Leben nunmehr zu gestalten sei. Bestimmte man das Wohl nach den

Vorstellungen des Betreuers, des Vormundschaftsgerichts oder gar nach

denen eines „durchschnittlich Vernünftigen“ (nämlich gerade im Sinne des

„wohlverstandenen Interesses“328), so würden daher nicht die

Vorstellungen und Interessen des Betroffenen durchgesetzt, sondern die

anderer.

Nicht der objektiv schädliche Inhalt eines Geschäfts darf dem Betreuer

Anlass geben, dem Wunsch des Betroffenen nicht nachzukommen,

sondern allenfalls die in dem Wunsch liegende fehlende

Eigenverantwortlichkeit des Betroffenen.

Ein objektiver Ansatz ist daher ungeeignet, das Selbstbestimmungsrecht

des Betroffenen zu gewährleisten. Bei der Frage, wie sich das Wohl des

Betroffenen bestimmt, ist deshalb vielmehr ein rechtsdogmatischer Ansatz

nötig, bei dem von den Funktionen der Betreuung ausgegangen wird:

Herstellung der rechtlichen Handlungsfähigkeit des Betroffenen und der

327 So darf der Betreuer dem aufgrund seiner Alkoholsucht unter Betreuung stehenden

Alkoholiker den Wunsch nach Alkohol, nicht aber automatisch den nach Zigaretten

abschlagen, Lipp, S. 157 m.w.N. 328 so aber Erman/Holzhauer § 1901 BGB Rn. 9

Page 84: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

68

Schutz des Betroffenen vor seiner eingeschränkten

Eigenverantwortlichkeit329.

bb. Subjektive Bestimmung

Wie bereits gesehen330 ist beim Handeln für einen

Entscheidungsunfähigen im Rahmen seines mutmaßlichen Willens oder

im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag der mutmaßliche Wille

des Betroffenen zu erforschen. Diese Grundsätze sind beim

Äußerungsunfähigen ohne weiteres auf das Betreuerhandeln

übertragbar331. Es ist also danach zu fragen, wie der Betroffene selbst

entschieden hätte, wenn er denn könnte. Erst dann, wenn hieraus keine

eindeutige Entscheidung abzuleiten ist, sind allgemeine Kriterien

heranzuziehen332.

Wenn und soweit der Betroffene jedoch in der Lage sein sollte, sich zu

äußern, und eine eigene Entscheidung zu treffen bzw. er dies bereits getan

hat, § 1901 III 2 BGB, so bleibt zunächst für ein entgegenstehendes

Betreuerhandeln kein Raum. Gem. § 1901 II 2, IV, V BGB hat der

Betreuer die Betreuung nämlich so zu führen, dass dem Betroffenen die

tatsächliche Möglichkeit zum Handeln erhalten oder wieder verschafft

wird. Der Betreuer muss die Entscheidungen des Betroffenen lediglich

daraufhin kontrollieren, ob sie Folge und Ausdruck seiner fehlenden

Eigenverantwortung sind. Nur in diesem Fall darf er den Entscheidungen

des Betroffenen seine Anerkennung versagen und seine eigene

Entscheidung an die Stelle der des Betroffenen setzen. Dass er dabei auch

gegen den natürlichen Willen bzw. Wunsch des Betroffenen entscheiden

darf, leitet sich aus seiner Verpflichtung auf das Wohl des Betroffenen

her, § 1901 III 1 BGB. § 1901 II 2 BGB sagt nämlich nichts über die

rechtliche Bedeutung aktueller Wünsche des Betreuten aus, sondern stellt

329 Lipp, S. 152 330 oben § 4 I 2 331 Staudinger/Bienwald, § 1901 BGB Rn. 24 332 BGH, Beschl. v. 17.03.2003, XII ZB 2/03

Page 85: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

69

eine normative Zielvorgabe für den Fall dar, dass er keinen Wunsch äußert

oder äußern kann333.

c. Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen durch das

Betreuungsrecht

Soll das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen gesichert werden, so ist

der Betroffene sowohl vor Fremdbestimmung durch Dritte als auch vor

Selbstschädigungen infolge fehlender Eigenverantwortlichkeit zu

schützen. Dieser Schutz erfolgt zunächst durch die Person des Betreuers,

der den Wünschen des Betroffenen nach entsprechender Prüfung

nachkommt oder deren Umsetzung verweigert334. Die Betreuerbestellung

hat jedoch wie gesehen grundsätzlich keinen Einfluss auf die

Geschäftsfähigkeit des Betroffenen; er bleibt neben dem Betreuer rechtlich

voll handlungsfähig335. Außerdem kann, selbst wenn eine

Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen gem. § 104 Nr. 2 BGB vorliegen

sollte, diese nur auf den Einzelfall bezogen und nicht mit Wirkung für

zukünftige Rechtsgeschäfte festgestellt werden. Sie wird erst im Streitfalle

rückblickend vom Gericht festgestellt336.

(1) Schutz vor sich selbst – der Einwilligungsvorbehalt

Es besteht somit die Gefahr, dass der Betroffene sich über die

Entscheidungen des Betreuers hinwegsetzt und sich durch seine eigenen

Handlungen selbst schädigt. Ließe das Rechtssystem derartige – auf der

fehlenden Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen beruhende –

selbstschädigende Handlungen rechtlich bestehen, so führte die

tatsächliche Ungleichheit abermals zu rechtlicher Ungleichheit. Daher ist

ein Schutz des Betroffenen „vor sich selbst“, also vor seinen eigenen

rechtlichen Handlungen, die er aufgrund seiner eingeschränkten

Eigenverantwortlichkeit vornimmt, nötig337. Das deutsche

333 Lipp, S. 155 334 Lipp, S. 89 335 oben, § 4 I 3 336 Lipp, S. 146, 173f.; Palandt/Heinrichs, § 104 BGB Rn. 8 337 Mitko, S. 81; Lipp, S. 89

Page 86: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

70

Betreuungsrecht geht dabei ebenfalls den Weg über die im Rahmen der

Betreuung errichtete Handlungsorganisation, indem es die rechtliche

Wirksamkeit der Handlungen von der Zustimmung des Betreuers

abhängig macht: der sog. Einwilligungsvorbehalt, § 1903 BGB. Dieser

wird (so weit seine Anordnung überhaupt erforderlich ist338) ebenfalls

vom Vormundschaftsgericht angeordnet. Ein Geschäft des Betroffenen,

das unter den Wirkungsbereich des Einwilligungsvorbehalts fällt, ist

sodann gem. §§ 108 I, 1903 BGB bis zur Bestätigung durch den Betreuer

schwebend unwirksam339. Dies gilt freilich nicht für geringfügige

Geschäfte des täglichen Lebens, § 1903 III 2 BGB. Für höchstpersönliche

Rechtsgeschäfte darf ein Einwilligungsvorbehalt gar nicht erst angeordnet

werden, § 1903 II BGB. Wie der Aufgabenkreis des Betreuers kann auch

die Reichweite des Einwilligungsvorbehalts flexibel und individuell an

den Grad der Beeinträchtigung der Eigenverantwortlichkeit und das

Schutzbedürfnis des Betroffenen angepasst werden340, wobei je nach

Bedarf auch Schenkungsgeschäfte erfasst werden können, entweder weil

sie ausdrücklich genannt sind, oder weil die Grenzen des

Einwilligungsvorbehalts so weit gezogen wurden, dass das jeweilige

Schenkungsgeschäft erfasst wird.

(2) Schutz vor Fremdbestimmung

Da eine staatliche Organisation der Rechtsperson automatisch die Gefahr

einer staatlichen Fremdbestimmung des Betroffenen in sich birgt, eine

privatrechtliche Organisation die Gefahr privater Fremdbestimmung,

versucht das deutsche Betreuungsrecht, dieses Problem dadurch zu lösen,

dass die Handlungsorganisation so aufgeteilt wird, dass eine vom Staat

unabhängige Person (Betreuer) die konkreten Entscheidungen für den

Betroffenen trifft, hierbei aber staatlicher Kontrolle und Überwachung

ausgesetzt ist.

338 Mitko, S. 27 339 Palandt/Diederichsen, § 1903 BGB Rn. 15 340 BT-Drucks. 11/4528, 52, 63, 163; Damrau, in: Damrau/Zimmermann, § 1903 BGB

Rn. 6; vgl. auch § 69 I Nr. 4 FGG

Page 87: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

71

aa. Der vormundschaftsgerichtliche Genehmigungsvorbehalt

Damit diese staatliche Kontrolle aber von politischen und vor allem von

der Wahrnehmung anderer staatlicher Interessen unabhängig ist, wird sie

von einem unabhängigen Vormundschaftsgericht in justizförmiger Weise

vorgenommen341. So steht der Betreuer in seiner gesamten Tätigkeit gem.

§§ 1908i, 1837 II BGB unter Aufsicht des Vormundschaftsgerichts,

welches gegen Pflichtwidrigkeiten des Betreuers durch geeignete Ge- und

Verbote einzuschreiten hat. Nötigenfalls kann das Vormundschaftsgericht

auch den Betreuer entlassen und durch einen anderen ersetzen, §§ 1908i,

1837 II 1, 1908b I BGB.

Für die Vornahme bestimmter, vom Gesetzgeber als besonders wichtig

oder gefährlich angesehener Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, hat

der Betreuer dabei die vorherige Genehmigung des

Vormundschaftsgerichts einzuholen342. Dabei hat der Gesetzgeber zum

Zwecke der Rechtssicherheit die entsprechenden Fälle enumerativ

aufgeführt, anstatt eine entsprechende Generalklausel zu verwenden343.

bb. Das Verbot von Insichgeschäften und Geschäften mit Verwandten

Weiterhin hat der Gesetzgeber mit § 1795 BGB das Verbot des

Selbstkontrahierens und der Vertretung in Geschäften mit Ehegatten und

Verwandten des Betreuers beibehalten. Interessenkonflikten des Betreuers

wegen mittelbaren oder unmittelbaren Eigeninteresses sollte hierdurch

weiterhin vorgebeugt werden.

cc. Schadensersatzansprüche des Betroffenen, Strafbarkeit des Betreuers

Um den Betroffenen vor schuldhaften Pflichtwidrigkeiten des Betreuers

(und damit auch vor Fremdbestimmung) zu schützen, sieht das

Betreuungsrecht weiterhin in einem solchen Fall einen

Schadensersatzanspruch des Betroffenen gegen seinen Betreuer vor,

341 Lipp, S. 57 342 §§ 1904 – 1907, 1908i, 1810, 1811, 1812 III, 1814 – 1816, 1819-1821, 1822 Nr. 1-4,

6-13, 1823, 1825 BGB 343 Palandt/Diederichsen, § 1821 BGB Rn. 2

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

72

§§ 1908i I, 1837, 1833 BGB. Eine mögliche Strafbarkeit des Betreuers

nach dem StGB344, wenn er wegen Beeinträchtigung des Betreutenwohls

pflichtwidrig handelt, sowie eine daraus resultierende

Schadensersatzpflicht gem. § 823 II BGB runden die vorhandenen

Schutzmechanismen gegen Fremdbestimmung ab.

3. Schenkungen nach neuem Recht

Das Schenkungsverbot des § 1804 BGB wurde bei Schaffung des

Betreuungsrechts als zu eng empfunden345. Anstatt jedoch auf ein solches

Verbot gänzlich zu verzichten, sollte der Kreis möglicher Schenkungen

„vorsichtig erweitert“ werden346.

Es wurde daher in § 1908i II BGB bestimmt, dass der unveränderte § 1804

BGB weiterhin auch für den Betreuer Anwendung findet. Darüber hinaus

kann der Betreuer in Vertretung des Betreuten „Gelegenheitsgeschenke“

auch dann machen, wenn „dies dem Wunsch des Betreuten entspricht und

nach seinen Lebensverhältnissen üblich ist“. Wann ein Wunsch des

Betroffenen vorliegt und wann dieser grundsätzlich beachtet werden muss,

wurde bereits erörtert347.

a. Gelegenheitsschenkung

Augenscheinlich muss sich eine „Gelegenheitsschenkung“ auf bestimmte

„Gelegenheiten“ beziehen. Im Einzelnen wird der Begriff der

„Gelegenheitsgeschenke“ dennoch unterschiedlich definiert: teilweise

werden darunter die unter Verwandten und Freunden üblichen Gaben zu

bestimmten Gelegenheiten (z.B. Geburtstag, Namenstag, Festtage,

Silberhochzeit, Betriebszugehörigkeit, Dienstjubiläum) verstanden, die

keine Wertgegenstände sind348. Teilweise werden zu solchen

Gelegenheitsgeschenken aber nicht nur die allgemein üblichen Geschenke

344 etwa §§ 266, 246 oder 242 StGB 345 BT-Drucks. 11/4528, S. 160 346 BT-Drucks. 11/4528, S. 160; Palandt/Diederichsen § 1908i BGB Rn. 18 347 oben, § 4 I 3 b 348 Staudinger/Bienwald, § 1908i BGB Rn. 123; Schwab, in: MünchKommBGB, § 1908i

Rn. 41; Jurgeleit/Meier, § 1908i BGB Rn. 7

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

73

gezählt, sondern auch Zuwendungen, die zu einem besonderen Anlass wie

einem besonderen Ereignis im Leben des Schenkers oder Beschenkten

erfolgen (z. B. Examensgeschenk, eigene Erbschaft oder

Lotteriegewinn349) oder als kleine Anerkennung für geleistete freiwillige

Dienste. Weiterhin werden hierunter insbesondere Zuwendungen an

fürsorgliche Bekannte, Nachbarn oder Pflegepersonal verstanden350. Der

Wortlaut setzt letztendlich lediglich eine besondere Situation voraus, die

ein Geschenk als angebracht erscheinen lässt, eine Gelegenheit zum

Schenken eben.

Feste Wertgrenzen lassen sich demgegenüber weder aus dem Wortlaut

noch aus dem sonstigen Zusammenhang ersehen. Als Empfänger der

Schenkungen ergeben sich ebenfalls aus dem Wortlaut der Vorschrift

keine Einschränkungen: neben Freunden, Verwandten und Bekannten

kommen auch Pflegepersonal und Dienstleister351 sowie Arbeitskollegen,

Mitarbeiter und andere Personen in Betracht352.

b. Üblichkeit nach den Lebensverhältnissen

Ob eine Schenkung nach den Lebensverhältnissen des Betroffenen üblich

ist, wird allgemein danach bemessen, ob sie sich im Rahmen dessen hält,

was sich der Betroffene für diesen Zweck leisten konnte und leisten kann

und was bei seinem Einkommen und Vermögen sowie seinem

Lebenszuschnitt typisch ist353. Ausgangspunkt ist demnach das bisherige

Schenkungsverhalten des jeweiligen Betroffenen selbst. Die

Lebensverhältnisse des Betroffenen bilden somit nicht nur den Maßstab

für den Gegenstand und die Höhe des Werts des Geschenkten, sondern

sind auch bei der Beurteilung des Anlasses von Bedeutung354.

349 Bienwald, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Anh. zu § 1908i BGB Rn. 66 350 Palandt/Diederichsen, § 1908i BGB Rn. 18 351 Jurgeleit/Meier, § 1908i BGB Rn. 7 352 Staudinger/Bienwald, § 1908i BGB Rn. 123 353 Schwab in: MünchKommBGB, § 1908i Rn. 41; Staudinger/Bienwald, § 1908i BGB

Rn. 124 354 Staudinger/Bienwald, § 1908i BGB Rn. 124

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

74

c. Wunsch des Betroffenen

Weiterhin muss die Schenkung dem Wunsch des Betroffenen entsprechen.

Der Begriff des Wunsches entspricht dabei dem des § 1901 III BGB355.

d. Die „vorsichtige Erweiterung“ der Schenkungsmöglichkeit

Durch § 1908i II 1 BGB sollte der Kreis der möglichen Schenkungen

vorsichtig erweitert werden. Es fragt sich aber, worin diese beabsichtigte

Erweiterung gegenüber den Schenkungsmöglichkeiten des § 1804 BGB

liegen soll. Denn in aller Regel sind bei Vorliegen einer

„Gelegenheitsschenkung“ ohnehin schon die Voraussetzungen einer

Anstandsschenkung gegeben356, schließlich sind Geschenke zu Festtagen

so allgemein üblich, dass bei Ausbleiben eines derartigen Geschenks eine

„Einbuße an Achtung in den sozial gleichgestellten Kreisen“ iSd. § 1804

BGB kaum zu vermeiden sein wird357. Auch Geschenke an fürsorgliche

Bekannte, Nachbarn oder Pflegepersonal dürften in aller Regel hierunter

fallen358.

Die Erweiterung der Schenkungsmöglichkeiten dürfte sich jedoch daraus

ergeben, dass Schenkungen nicht größenmäßig durch allgemeine

Sittlichkeitsmaßstäbe wie bei § 1804 BGB beschränkt sind und sich somit

jedenfalls nicht der Wert des Geschenks nach objektiven, von der Person

des Betroffenen losgelösten, Kriterien richtet359. Denn nach dem Wortlaut

355 Erman/Holzhauer, § 1908i BGB Rn. 37; zum Begriff des Wunsches siehe oben, § 4 I 2

b (1) 356 Jürgens/Klüsener, § 1804 BGB Rn. 11; Schwab in: MünchKommBGB, § 1908i Rn.

41; Jurgeleit/Meyer, § 1908i BGB Rn. 7 357 Kollmer (§ 8 B I 1) sieht die größere Spannweite des § 1908i II 1 BGB schon darin,

dass die Schenkung auf Veranlassung des Betreuten vorgenommen wird. Diese

Einschätzung kann jedoch nicht überzeugen, da der Wunsch des Betroffenen i.R.d. §

1908i II 1 BGB (im Gegensatz zu § 1804 BGB) ein zusätzliches Tatbestandserfordernis

darstellt und den Anwendungsbereich des § 1908i BGB insofern schwerlich erweitern

kann – das Gegenteil ist der Fall. Grundsätzlich skeptisch, ob der Begriff umfassender ist,

als der der Anstandsschenkung: Bobenhausen, BtPrax 1994, 158, 160 358 a.A. Palandt/Diederichsen, § 1908i BGB Rn. 18 359 ebenfalls in diesem Sinne: Böhmer, MittBayNot 1996, 405, 406; Soergel/Zimmer-

mann, § 1908i BGB Rn. 17

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

75

des § 1908i II BGB ist in dieser Hinsicht nur die Üblichkeit nach den

Lebensverhältnissen des konkret Betroffenen notwendig. Wenn die

Bestimmung der Üblichkeit nach den Lebensverhältnissen des konkret

Betroffenen ergibt, dass eine sehr großzügige Schenkung sich hier im

Rahmen des beim Betroffenen Üblichen hält, so ist die Vornahme einer

solchen Schenkung jedenfalls vom neugeschaffenen § 1908i II 1 BGB

gedeckt.

Für die eingangs genannten Beispielsfälle360 ändert sich jedoch mit der

„vorsichtigen Erweiterung“ der Schenkungsmöglichkeiten durch

§ 1908i II 1 BGB nichts. Denn sowohl bei Schenkungen im Wege der

vorweggenommenen Erbfolge361 als auch bei anlasslosen karitativen

Schenkungen handelt es sich nicht um Gelegenheitsschenkungen. Selbst

die Fälle, in denen der Betroffene für den Fall seiner notwendigen

Heimunterbringung die Schenkung von Tafelsilber oder Bildern

angeordnet hat, sind von § 1908i II 1 BGB nicht umfasst. Denn sie

könnten zwar mit etwas gutem Willen unter den Begriff der

Gelegenheitsschenkungen subsumiert werden. Da die Heimunterbringung

jedoch in der Regel ein einmaliges Ereignis darstellt, dürfte hier –

jedenfalls in aller Regel – das Merkmal der Üblichkeit nach den

Lebensverhältnissen fehlen, so dass dem Betreuer die Schenkungen gem.

§§ 1908i II 1, 1804 BGB untersagt wären. Auch die Schenkung von Geld

an die einzige Verwandte, damit diese sich für Besuchszwecke ein Auto

kaufen kann, dürfte wohl schwerlich als Gelegenheitsschenkung

anzusehen sein.

Der Kreis der möglichen Schenkungen wurde somit durch die Einführung

des § 1908i II 1 BGB in der Tat nur sehr vorsichtig, nämlich für nur sehr

wenige Fälle erweitert.

360 oben, § 1 361 BayObLG FamRZ 2003, 1967; Sonnenfeld FamRZ 2004, 1685, 1691

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

76

e. Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 1908i BGB

Sollte der Ausnahmetatbestand des § 1908i II 1 BGB nicht greifen, so ist

die Schenkung gem. § 1804 S.1 unheilbar nichtig362 und zwar sowohl die

schuldrechtliche Abrede (§§ 516, 518 BGB), als auch das dingliche

Vollzugsgeschäft363.

f. Praktische Möglichkeiten von Schenkungen aus dem

Betroffenenvermögen

Die Frage, wann und wie innerhalb einer eingerichteten Betreuung

Schenkungen aus dem Betreutenvermögen rechtlich vorgenommen

werden dürfen, hängt davon ab, welche Person handelt – der Betreute

selbst oder der Betreuer –, ob der Betroffene geschäftsfähig i.S.d. § 104

Nr. 2 BGB ist und ob ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wurde.

Gem. § 1897 V BGB sind bei der Auswahl des Betreuers

verwandtschaftliche und sonstige persönliche Bindungen des Betroffenen

zu berücksichtigen. Wenn der Betroffene niemanden als Betreuer

vorschlägt, sind somit Eltern, Kinder, Ehegatten bzw. Lebenspartner und

andere Personen, zu denen der Betroffene besondere persönliche

Beziehungen unterhält, wie Lebensgefährten364, Nachbarn365, Bekannte366

und Freunde367, als Betreuer vorrangig in Betracht zu ziehen368. Nun liegt

es aber in der Natur der Sache, dass der Betroffene regelmäßig gerade

Verwandte und solche Personen, zu denen er besondere persönliche

Bindungen unterhält, beschenken möchte. Durch die Übernahme des

Betreueramtes ändert sich im Regelfall nichts daran, dass der Betroffene

dieser – nunmehr als Betreuer eingesetzten – ihm nahe stehenden Person

ebenfalls Schenkungen machen möchte. Der Wunsch des Betroffenen,

362 Staudinger/Engler, § 1804 BGB Rn. 20; BayObLG, FamRZ 1996, 1359, 1360,

FamRZ 1999, 47 363Jürgens/Klüsener, § 1804 BGB Rn. 2; Schwab, in: MünchKommBGB, § 1908i Rn. 39 364 OLG Köln FamRZ 2000, 116f. 365 Staudinger/Bienwald, § 1897 BGB Rn. 28 366 Soergel/Zimmermann, § 1897 BGB Rn. 44 367 Schwab, in: MünchKommBGB, § 1897 BGB Rn. 26 368 Palandt/Diederichsen, § 1897 BGB Rn. 22

Page 93: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

77

solche Personen zu beschenken, wird vielmehr größer werden, wenn diese

ihm aufgrund des übernommenen Betreueramtes zusätzliche Fürsorge

zuteil werden lassen.

Es ist daher zu untersuchen, innerhalb welcher Grenzen solche

Schenkungen an den Betreuer möglich sind. Dabei ist zu unterscheiden,

welche der Personen die Schenkung vornimmt: der Betroffene selbst oder

der Betreuer. Weiterhin ist zu untersuchen, ob bei Schenkungen des

Betroffenen an seinen Betreuer dieser eine evtl. erforderliche

Genehmigung erteilen darf.

(1) Schenkungen durch den Betreuten, der nicht unter

Einwilligungsvorbehalt steht

Ein Betreuter ist grundsätzlich in seiner Geschäftsfähigkeit nicht

beschränkt369. Soweit er nicht unter Einwilligungsvorbehalt steht oder

geschäftsunfähig im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB ist, kann er daher

rechtlich über sein gesamtes Vermögen frei verfügen, ohne dass er

irgendwelchen Einschränkungen unterworfen wäre. Auch kann er Dritten

Vollmachten erteilen, die das Recht zur Schenkung außerhalb der §§ 1804,

1908i II 1 BGB beinhalten370.

(2) Schenkungen des Betroffenen an seinen Betreuer

Von Seiten des Betroffenen werden daher Schenkungen an den Betreuer

nicht scheitern. Fraglich ist allerdings, ob auch der Betreuer frei ist, solche

Geschenke anzunehmen, oder ob er aufgrund seines Betreueramtes hieran

gehindert ist.

aa. Annahmeverbot durch §§ 1908i I 1, 1795 II, 181 BGB?

Eine spezialgesetzliche Regelung innerhalb des Betreuungsrechts findet

sich zu dieser Frage nicht. Insbesondere ist der Betreuer nicht aufgrund

der §§ 1908i I 1, 1795 II, 181 BGB an der Annahme der Schenkung

gehindert371. Denn durch § 1795 BGB wird dem Betreuer die

369 oben, § 4 I 3 370 BayObLG, FamRZ 2004, 1229, 1231; Bobenhausen, BtPrax 1994, 158, 160 Fn. 22 371 Müller, ZEV 1998, 219, 220; Schwab, FamRZ 1990, 681, 688

Page 94: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

78

Vertretungsmacht für Insichgeschäfte, also solche, bei denen der Betreuer

auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts handelt, entzogen372. Wenn der

Betroffene aber auf seiner Seite des Rechtsgeschäfts dieses wirksam

vorgenommen hat, benötigt der Betreuer keinerlei Vertretungsbefugnisse

für die Annahme der Schenkung, die ihm durch § 1795 BGB entzogen

werden könnten373. Er handelt bei der Annahme der Schenkung nämlich

im eigenen Namen und nicht im Namen des Betroffenen374.

Mit anderen Worten kann die Regelung des § 1795 BGB keine Wirkung

entfalten, da hierdurch lediglich dem Betreuer die Vertretungsmacht

entzogen wird, für den Betroffenen zu handeln. Diese benötigt er für die

Annahme einer solchen Schenkung aber gar nicht, da der Betroffene selbst

alles auf seiner Seite Notwendige getan hat. § 1795 BGB bezieht sich

nicht auf Eigengeschäfte des Betreuers, sondern auf Vertretungsgeschäfte

des Betreuers für den Betroffenen.

bb. Annahmeverbot durch § 14 I, V HeimG?

Nach § 14 I HeimG ist es Heimträgern untersagt, sich vom Bewohner

Geld oder geldwerte Leistungen über das Heimentgelt hinaus versprechen

oder gewähren zu lassen. Gleiches gilt gem. § 14 V HeimG ebenfalls für

die Heimleitung, die Beschäftigten und sonstige Mitarbeiter des Heims.

Unter dieses Verbot fallen neben Verträgen375 auch letztwillige

Verfügungen376.

Eine direkte Anwendung dieses Schenkungsannahmeverbots scheidet

schon deshalb aus, weil gem. § 1897 III BGB ein Mitarbeiter eines

Heimes, in dem der Betroffene wohnt, nicht zum Betreuer bestellt werden

darf. Hinzu kommt, dass der Heimbegriff des § 14 HeimG eine

372 Wagenitz, in: MünchKommBGB, § 1795 BGB Rn. 10 373 Klüsener, in: Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein, § 1804 BGB Rn. 3; Schwab,

FamRZ 1990, 681,688 374 Schwab in: MünchKommBGB, § 1908i Rn. 44 375 BGHZ 110, 235ff. = NJW 1990, 1603; zu Schenkungen: BVerwGE 78, 357, 363 =

NJW 1988, 984 376 BVerwG, NJW 1990, 2268; KG, Beschl. v. 29.10.1979 – AR [B] 103/79 – 2 Ws [B]

121/79; OVG Berlin v. 28.3.1989 – 4 B 7/89

Page 95: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

79

Einrichtung voraussetzt, die in ihrem Bestand unabhängig von Wechsel

und Zahl der Bewohner ist377, so dass die rechtliche Betreuung innerhalb

der Familie oder sonstigen persönlichen Bezugspersonen schon begrifflich

nicht unter den Anwendungsbereich des HeimG fällt378. Es stellt sich aber

die Frage, ob die Vorschrift analog auf Schenkungen des Betroffenen an

seinen Betreuer angewandt werden kann.

Eine analoge Anwendung einer Vorschrift setzt aber neben dem Vorliegen

einer planwidrigen Regelungslücke379 voraus, dass entweder sich aus

mehreren Rechtssätzen ein allgemeines Prinzip ergibt, das auf weitere

Regelungen angewandt werden kann (Rechtsanalogie)380 oder dass

vergleichbare Interessenlagen bestehen und somit die Rechtsfolge einer

Regelung auf einen vergleichbaren Fall übertragen wird

(Einzelanalogie)381.

Schon das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke wird jedoch von

der Rechtsprechung verneint382, da § 1897 III BGB einerseits den

Heimmitarbeiter von einer Betreuerbestellung ausschließe, jedoch der

Betreuungsgesetzgeber bewusst davon abgesehen habe, die

Erbberechtigung generell als Ausschlussgrund zu normieren383. Hinzu

komme aber noch, dass eine analoge Anwendung des § 14 HeimG zu

einer unzulässigen Einschränkung der Testierfreiheit des Betroffenen

führe, da allein der Gesetzgeber deren Inhalt und Schranken bestimme384.

377 BayObLGZ 1998, Nr. 6 = ZEV 1998, 234; Krahmer, in: Krahmer/Richter, § 1 HeimG

Rn. 6; Kunz, in: Kunz/Butz/Wiedemann, § 1 HeimG Rn. 2 378 Müller, ZEV 1998, 219, 221 379 BGHZ 149, 165, 174; NJW 2003, 1932; 2005, 2142; BAG NJW 2003, 2473; BFH

NJW 2006, 1837 380 vgl. Palandt/Heinrichs, Vor § 1 BGB Rn. 48 381 BGHZ 105, 140, 143 382 BayObLGZ 1998, Nr. 6 = ZEV 1998, 234 383 BayObLGZ, a.a.O. 384 BayObLGZ, a.a.O.

Page 96: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

80

Die insofern notwendige enge Auslegung385 der Norm des § 14 I, V

HeimG stünde daher einem erweiterndem Analogieschluss entgegen.

Es kommt aber noch ein weiteres Argument gegen eine analoge

Anwendung des § 14 I, V HeimG auf Schenkungen zwischen Betreutem

und Betreuer hinzu: Die Vorschrift des § 14 I, V HeimG dient vor allem

dem Zweck, eine Gleichbehandlung der Heimbewohner sicherzustellen386.

Dieser Gesetzeszweck ist im Betreuungsrecht überhaupt nicht berührt, so

dass es jedenfalls an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt387. Bei

§ 14 HeimG handelt es sich somit um eine Sonderregelung, die auf das

Betreuungsrecht nicht entsprechend angewandt werden kann388.

cc. Annahmeverbot durch Öffentliches Dienstrecht

Weiterhin kommt ein Annahmeverbot für den Betreuer aufgrund

öffentlichen Dienstrechts gem. § 70 BBG bzw. § 43 BRRG i.V.m. den

jeweiligen Landesbeamtengesetzen in Betracht. Danach dürfen Beamte

Belohnungen und Geschenke in Bezug auf das Amt nur mit Zustimmung

der Dienstbehörde annehmen. Ähnliches gilt für Angestellte im

öffentlichen Dienst gem. § 10 I BAT bzw. § 3 II TVöD. Allerdings gelten

diese Regelungen nur, wenn der Betreuer einerseits Beamter oder

Angestellter im öffentlichen Dienst ist und das Geschenk in Bezug auf das

Amt des Beamten oder in Bezug auf die dienstliche Tätigkeit des

Angestellten erfolgt389. Der Betreuer müsste sein Amt also als Beamter

oder Angestellter des öffentlichen Dienstes führen, was nur bei

Behördenbetreuern der Fall ist390. Eine solche Dienstbezogenheit des

Geschenks liegt aber schon dann nicht vor, wenn die Zuwendung auch

ohne das Bestehen des Dienstverhältnisses erbracht worden wäre, etwa

385 BGH, ZEV 1996, 145, 146; BayObLG, NJW 1992, 55, 56; Kunz, in: Kunz/Butz

/Wiedemann, § 14 HeimG Rn. 3; Rossak, ZEV 1996, 41, 44 386 Müller, ZEV 1998, 119, 222 387 Müller, a.a.O. 388 BayObLG FamRZ 1998, 702, 703; Damrau, in: Damrau/Zimmermann, § 1908i BGB

Rn. 18; Schwab, in: MünchKommBGB, § 1908i Rn. 44 m.w.N. 389 Müller, ZEV 1998, 219, 223 390 Bienwald, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Vor § 1 BtBG Rn. 36

Page 97: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

81

weil die Schenkung aufgrund daneben bestehender privater Beziehungen

der Beteiligten erfolgte391. In aller Regel ist der Betreuer somit auch nicht

aufgrund öffentlichen Dienstrechts an der Annahme einer Schenkung

gehindert.

dd. Sittenwidrigkeit

Schließlich kann die Wirksamkeit einer Schenkung des Betreuten an

seinen Betreuer an § 138 I BGB392 scheitern. Die Sittenwidrigkeit der

Schenkung muss sich dabei aus dem Gesamtcharakter der Zuwendung

ergeben, also aus einer zusammenfassenden Würdigung von Inhalt,

Beweggrund und Zweck der Schenkung393. Dabei sind die jeweiligen

Umstände des Einzelfalls maßgebend. Die Rechtsprechung hat nämlich

darauf hingewiesen, dass eine Zuwendung eines Betroffenen an seinen

Betreuer nicht per se sittenwidrig sei394, da es zum einen an einer

entsprechenden Wertung des Gesetzgebers fehle und es zum anderen

keine allgemeine Auffassung gebe, wonach eine Schenkung nur deshalb

nichtig wäre, weil der Betreuer vom Gericht zur Wahrung der

Betroffeneninteressen eingesetzt sei395. Die Sittenwidrigkeit bemesse sich

vor allem nach den Motiven des Beschenkten und der Art und Weise

seines Vorgehens396.

Die Rechtsprechung hat vor allem solche Schenkungen für sittenwidrig

erachtet, die den Zweck verfolgten, die Vermögensverhältnisse des

Betroffenen zu Lasten eines Dritten – insbesondere des Sozialhilfeträgers

– zu regeln397.

391 BayObLG, RPfleger 1990, 56; NJW 1995, 3260; BVerwG, ZEV 1996, 343, 344 392 Eine Unwirksamkeit aufgrund von § 138 II BGB scheidet schon deshalb aus, weil

dieser nur Austauschgeschäfte betrifft, BGHZ 106, 269, 271; NJW 1982, 2767, 2768;

FamRZ 1990, 1343, 1344 393 BGHZ 86, 82, 88; 107, 92, 97 394 so auch: Damrau/Zimmermann, § 1908i BGB Rn. 10 395 BayObLGZ 1998, Nr. 6 = ZEV 1998, 234 396 BGH FamRZ 1990, 1343, 1344 397 BGHZ 86, 82, 86ff.; NJW 1992, 3164, 3165; VGH Mannheim, NJW 1993, 2953;

OVG Münster, NJW 1997, 2901, 2902

Page 98: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

82

ee. Zwischenergebnis

Der Betreute, der nicht unter Einwilligungsvorbehalt steht, ist somit

weitgehend frei, beliebige Schenkungen – auch an den Betreuer398 –

eigenhändig vorzunehmen, soweit er insoweit geschäftsfähig ist399. Die

Möglichkeiten des Betreuers, solche Schenkungen wirksam anzunehmen,

finden ihre Grenzen jedoch vor allem in der Sittenwidrigkeit, welche

jedoch nur ausnahmsweise gegeben sein dürfte400.

Dieses Ergebnis darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der

Praxis die Möglichkeiten eines Betreuten, Schenkungen vorzunehmen, in

faktischer Hinsicht begrenzt sind. Denn schließlich dürfen Betreuungen

nur dann angeordnet werden, wenn dieses erforderlich ist. Das bedeutet,

dass die körperlichen und geistigen Fähigkeiten eines Betreuten häufig

bereits erheblich eingeschränkt sind. Wenn der Betroffene aber aufgrund

körperlicher Gebrechen nicht mehr äußerungsfähig ist, kann er jegliche

Rechtsgeschäfte einschließlich Schenkungen nicht mehr selbst tätigen.

Das gleiche gilt für Betroffene, die sich in einem die freie Willensbildung

ausschließenden Zustand befinden. Denn in diesem Fall sind sie nicht in

der Lage, wirksam Willenserklärungen abzugeben, da ihnen gem.

§ 104 Nr. 2 BGB die Geschäftsfähigkeit fehlt. Über diese Hindernisse

aufgrund körperlicher bzw. geistiger Gebrechen kann ihnen der Betreuer

jedoch aus vorstehenden Gründen in Bezug auf Schenkungen nur begrenzt

hinweghelfen, da er in seiner Tätigkeit an die §§ 1804, 1908i II 1 BGB

gebunden ist, über deren Rahmen hinaus – wie gesehen401 – keine

Schenkungen möglich sind.

(3) Schenkungen durch den Betreuten, der unter

Einwilligungsvorbehalt steht

398 Schwab, FamRZ 1990, 681, 688; Klüsener, in: Jürgens/Kröger/Marschner/Winter-

stein, § 1804 BGB Rn. 3 399 LG Ansbach, NJW 1988, 2387 400 Müller, ZEV 1998, 219, 223 401 oben, § 4 I 4 c

Page 99: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

83

Ein Betreuter, der unter Einwilligungsvorbehalt steht, kann für Geschäfte,

die vom Einwilligungsvorbehalt erfasst sind, ohne die Genehmigung des

Betreuers keine wirksamen Willenserklärungen abgeben402. Ein solches

Geschäft des Betroffenen ist demnach gem. §§ 108 I, 1903 BGB

schwebend unwirksam. Eine Schenkung durch den Betroffenen wäre also

von der Zustimmung des Betreuers abhängig. Die Wirksamkeit einer

Zustimmung des Betreuers wiederum ist nach §§ 1804, 1908i II 1 BGB zu

beurteilen. Diese dürfte sich also nur auf Sitten-, Anstands- oder

Gelegenheitsschenkungen beziehen.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass gem. § 1908i I 1 i.V.m. § 1795 BGB

die Genehmigung einer Schenkung vom Betreuten an den Betreuer nicht

zulässig ist403. Jegliche Schenkung des geschäftsfähigen Betreuten an den

Betreuer ist im Rahmen eines angeordneten Einwilligungsvorbehalts somit

ausgeschlossen404.

Somit beschränkt sich die „Schenkungsfähigkeit“ auch eines unter

Einwilligungsvorbehalt stehenden Betreuten, der imstande ist, (schwebend

unwirksame) Willenserklärungen abzugeben, auf die von §§ 1908i II 1,

1804 BGB zugelassenen Ausnahmen. Die für ihn geschaffene

Handlungsorganisation vermag ihm über diese Einschränkung seiner

Handlungsfreiheit nicht hinwegzuhelfen.

(4) Schenkungen durch den Betreuer

Die Wirksamkeit einer Schenkung eines Betreuers richtet sich nach den

§§ 1804, 1908i II 1 BGB, einerlei ob der Betroffene unter

Einwilligungsvorbehalt steht oder nicht. Der Betreuer kann daher

allenfalls Sitten-, Anstands- und Gelegenheitsschenkungen für den

Betreuten vornehmen.

402 oben, § 4 I 3 c (1) 403 Erman/Holzhauer § 1902 BGB Rn. 12 404 Hierfür wäre die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers notwendig, für den die

Erteilung der Genehmigung dann kein Insichgeschäft wäre (Palandt/Diederichsen, § 1795

BGB Rn. 1). Bei der Erteilung dieser Genehmigung ist der Ergänzungsbetreuer dann aber

ebenfalls an die §§ 1908i II 1, 1804 BGB gebunden.

Page 100: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

84

So weit der Betroffene demnach nicht selbst Schenkungen, die nicht

Pflicht-, Anstands- oder Gelegenheitsschenkungen sind, vornehmen kann,

sei es weil er hierzu aus körperlichen oder geistigen Defiziten heraus nicht

in der Lage ist oder weil er unter Einwilligungsvorbehalt steht, ist ihm die

Vornahme dieser Schenkungen aus seinem Vermögen verwehrt. Auch der

Betreuer kann ihm aus diesem Dilemma nicht heraushelfen, da für jegliche

seiner Handlungen im Rahmen seines Betreueramtes die §§ 1804,

1908i II 1 BGB greifen.

g. Sinn und Zweck des Schenkungsverbots

Im Rahmen der Reform des Vormundschaftsrechts wurde eine

Begründung für die Beibehaltung der Regelung des § 1804 nicht gegeben.

Es wurde vielmehr eingeräumt, dass die Regelung für Erwachsene als zu

eng empfunden werde und daher nunmehr gelockert würde405. Dies lässt

darauf schließen, dass man im Übrigen der Ansicht war, dass Sinn und

Zweck des Schenkungsverbots auch innerhalb des neuen Rechts

unverändert weiter bestünden. Nach altem Recht widersprachen

Schenkungen dem wohlverstandenen Interesse des Betroffenen, weil sie

sein Vermögen verminderten. Aufgabe der Vermögensverwaltung bestand

darin, das Vermögen zu erhalten und zu vermehren406.

In den Materialien zum BtG findet sich kein Hinweis darauf, dass sich im

neuen Recht Sinn und Zweck des Schenkungsverbots gegenüber dem alten

Recht ändern sollten. Es ist auch ansonsten nicht ersichtlich, dass im

neuen Recht mit dem Schenkungsverbot mehr bezweckt wird, als die

Sicherung des Betroffenenwohls und der Schutz des Betroffenen vor

Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Betreuer407.

Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Schenkungsverbots kann daher

auf die Ausführungen zum alten Recht verwiesen werden408. 405 BT-Drucks. 11/4528, S. 160 406 zum Sinn und Zweck des Schenkungsverbots im alten Recht, siehe oben, § 3 I 4 c 407Böhmer betont ausdrücklich, dass es auch nach neuem Recht Sinn des

Schenkungsverbots sei, den Bestand des Betroffenenvermögens zu schützen (MittBayNot

2005, 232, 232) 408 oben, § 3 I 4 c

Page 101: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

85

4. Zwischenergebnis

Das neue Betreuungsrecht bezweckt die Sicherung des

Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen und die Hilfe bei seiner

Ausübung409. Wenn und soweit ein Betroffener somit aufgrund

körperlicher oder geistiger Defizite nicht in der Lage ist,

eigenverantwortlich am Rechtsverkehr teilzunehmen, wird für ihn eine

Handlungsorganisation errichtet, vermittels derer er in die Lage versetzt

wird, vollumfänglich am Rechtsverkehr teilzunehmen410. Es wird ihm

somit ein Betreuer zur Seite gestellt, der dort, wo es erforderlich ist und

der Betroffene aufgrund seiner eingeschränkten Eigenverantwortlichkeit

nicht selbst handeln kann, für ihn tätig wird. Dabei hat der Betreuer das

(subjektiv zu bestimmende411) Betroffenenwohl sicherzustellen und in

diesem Rahmen auch die Wünsche des Betroffenen zu beachten.

Zum Schutz des Betroffenen hält das Betreuungsrecht eine Reihe von

Schutzinstrumenten bereit, die ihn vor Fremdbestimmung und

Selbstschädigungen infolge seiner eingeschränkten Eigenverantwortlich-

keit schützen sollen. Eine Reihe von Geschäften des Betreuers bedarf

deshalb für ihre Wirksamkeit der vormundschaftsgerichtlichen

Genehmigung412. Selbstschädigungen des Betroffenen werden dadurch

verhindert, dass ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wird, der bewirkt,

dass die Wirksamkeit von Eigengeschäften des Betroffenen von der

Einwilligung des Betreuers abhängt413.

Am Schenkungsverbot hält auch das Betreuungsrecht fest, sieht allerdings

eine „vorsichtige Erweiterung“ vor. Über die zulässigen Sitten- und

Anstandsschenkungen des § 1804 BGB hinaus sind nunmehr auch

Gelegenheitsschenkungen zulässig, soweit sie dem Wunsch des

Betroffenen entsprechen und nach seinen Lebensverhältnissen üblich sind,

§ 1908i II 1 BGB. Schenkungen des Betroffenen selbst, so weit er nicht

409 oben, § 4 I 1 410 oben, § 4 I 1 411 oben, § 4 I 2 b (2) bb 412 oben, § 4 I 2 c (2) aa 413 oben, § 4 I 2 c (1)

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

86

unter Einwilligungsvorbehalt steht und auch insoweit die nötige

Geschäftsfähigkeit besitzt, sind im Betreuungsrecht unbeschränkt

möglich414. Soweit er aber unter Einwilligungsvorbehalt steht, bedarf der

Betroffene für die Wirksamkeit seiner Schenkungen der Einwilligung des

Betreuers, der wiederum bei der Erteilung der Genehmigung – genau wie

bei eigenen Schenkungen im Namen des Betroffenen – an das

Schenkungsverbot gebunden ist415. Das Schenkungsverbot erfasst somit

alle Fälle, in denen entweder der Betreuer selbst im Namen des

Betroffenen handelt oder in denen der Betroffene unter

Einwilligungsvorbehalt steht.

II. Österreich

1. Ziele des Sachwalterrechts

Österreich hat am 1. Juli 1984 durch das am 2. Februar 1983 vom

Nationalrat verabschiedete „Bundesgesetz über die Sachwalterschaft für

behinderte Personen“ die alte EntmO aus dem Jahr 1916 aufgehoben und

durch ein neues Sachwalterrecht ersetzt. Ziel war die Verwirklichung

eines möglichst stufenlosen, jeweils auf den Einzelfall abgestimmten

Systems der Beschränkung der Hilfe für die betroffenen Personen416.

„Entmündigung“ und „Unter-Kuratel-gestellt-Werden“ wurde als

stigmatisierend und diskriminierend empfunden. Schon die im alten Recht

verwendeten Begriffe wie „Entmündigung“, „Geisteskrankheit“,

„Geistesschwäche“ und „Kuratel“ seien geeignet, den Betroffenen in der

Einschätzung durch seine Umgebung herabzusetzen und sein Fortkommen

zu erschweren417. Gerade die Entmündigung alter und gebrechlicher

Menschen habe sich als untaugliches Mittel der Fürsorge erwiesen, es

helfe den Betroffenen wenig und werde vielmehr als peinlich

empfunden418.

414 oben, § 4 I 3 d (1) 415 oben, § 4 I 3 d (2), (3) 416 Ent/Hopf, Einführung, S. 25 417 Forster/Pelikan, S. 159 418 Ent/Hopf, § 273 ABGB S. 33; Forster/Pelikan, S. 311

Page 103: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

87

Stattdessen sollte deshalb ein stufenloses System geschaffen werden, das

die Freiheit der Betroffenen nicht mehr als nötig beschränkt, also ein

System, in dem vor allem die Hilfestellung für die Betroffenen im

Mittelpunkt stünde und nicht die Beschränkung ihrer

Geschäftsfähigkeit419.

2. Grundzüge des Sachwalterrechts

Ein Betreuer, das ABGB nennt ihn „Sachwalter“, muss bestellt werden,

wenn und soweit eine volljährige Person, die an einer psychischen

Krankheit leidet oder geistig behindert ist420, nicht im Stande ist, alle oder

einzelne ihrer Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst

zu besorgen, § 273 I ABGB421. Im Hinblick auf den Begriff

„Angelegenheiten“ knüpft das Gesetz an die Formulierung der alten

Entmündigungsordnung an422. Es sind auch hier die rechtlichen

Angelegenheiten gemeint423. Die Gerichte haben den Wirkungskreis des

Sachwalters im einzelnen nach den konkreten Bedürfnissen des

Betroffenen festzulegen; der Sachwalter kann demnach mit der Besorgung

einzelner Angelegenheiten, eines bestimmten Kreises von

Angelegenheiten oder aller Angelegenheiten des Betroffenen betraut

werden, § 273 III ABGB.

a. Der Sachwalter als Vertreter des Betroffenen

Der Sachwalter ist innerhalb seines Wirkungskreises gesetzlicher Vertreter

des Betroffenen424. Auch nach dem neuen Sachwalterrecht wird dabei die

Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen als zwangsläufige

419 Ent/Hopf, Einführung, S. 25; Maurer, Einführung, S. 11 420 Wenn im folgenden beim Sachwalterrecht von „Behinderten“ oder „behinderter

Person“ die Rede ist, bezieht sich dies lediglich auf die psychische Krankheit oder

geistige Behinderung, nicht auf die körperliche Behinderung, die durch die Streichung

des § 273b der Regierungsvorlage vom Sachwalterrecht nicht erfasst wird. 421 Vyslouzil/Forster, S. 21 422 siehe oben, § 3 II 1 423 JAB 1420 BlgNR 15. GP zu § 273 ABGB 424 Schauer, ÖNotZ 1983, 49

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

88

Folge der Sachwalterschaft betrachtet: Der Betroffene ist innerhalb des

Wirkungskreises des Sachwalters daher nur noch beschränkt

geschäftsfähig425. Im Wirkungskreis des Sachwalters kann der psychisch

Kranke oder Behinderte ohne Genehmigung des Sachwalters gem.

§ 273a I 1 i.V.m. § 865 ABGB weder verfügen noch sich verpflichten.

Hier obliegt es somit dem Sachwalter zu entscheiden, ob einem Geschäft

des Betroffenen zur rechtlichen Wirksamkeit verholfen werden soll oder

nicht.

Die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit soll bei der gerichtlichen

Entscheidung jedoch nicht im Vordergrund stehen, sondern die Bestellung

eines Sachwalters und die Umschreibung seines Aufgabenkreises. Auch

die Sachwalterschaft soll nämlich nur so weit gehen, wie das Wohl des

Betroffenen es erfordert426. Der Betroffene untersteht somit in all seinen

rechtlichen Handlungen innerhalb des Aufgabenkreises des Sachwalters

einem Genehmigungsvorbehalt.

b. Gerichtlich eingeräumte Handlungsfähigkeit

Allerdings sieht das Sachwalterrecht vom Genehmigungserfordernis des

Sachwalters zwei Ausnahmen vor: Das Vormundschaftsgericht kann

schon bei der Anordnung der Sachwalterschaft der betroffenen Person –

soweit ihr Wohl dem nicht entgegensteht – innerhalb des Wirkungskreises

des Sachwalters die rechtliche Handlungsfähigkeit „hinsichtlich

bestimmter Sachen oder ihres Einkommens oder eines bestimmten Teiles

davon“ einräumen, § 273a I 2 ABGB. Insoweit hat sich das

Sachwalterrecht zum Teil an die entsprechende Regelung aus dem alten

Recht angelehnt, wonach ein beschränkt Entmündigter über sein

Arbeitseinkommen eigenständig verfügen konnte, solange die

Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gesichert war (§ 151 II ABGB

a.F.) 427.

425 Ent/Hopf, Einführung, S. 26 426 Röthel, FamRZ 2004, 999, 1001 427 oben, § 3 II 1

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

89

Der österreichische Gesetzgeber ging diesbezüglich im Verhältnis zu

Deutschland den umgekehrten Weg: Grundsätzlich geht mit der

Anordnung der Sachwalterschaft die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit

einher, hiervon kann das Vormundschaftsgericht jedoch Ausnahmen

machen.

c. Wunsch und Wohl des Betroffenen

Der Sachwalter ist bei der Führung seines Amtes und somit bei all seinen

Handlungen dem Wohl des Betroffenen verpflichtet428. Was dem Wohl

der betroffenen Person entspricht, wird anhand der konkret betroffenen

Person selbst bestimmt. Die sachwalterischen Maßnahmen müssen sich

darauf beschränken, die aus der psychischen Störung resultierende

schwächere Stellung des Betroffenen gegenüber nicht behinderten

Personen gerecht auszugleichen429. Eine Maßnahme darf somit nur dann

vom Sachwalter getroffen werden, wenn diese für die Beseitigung eines

auf der psychischen Störung basierenden Nachteils erforderlich ist430. Der

Sachwalter hat hierbei danach zu urteilen, welche Handlungen im Sinne

des Betroffenen liegen und sich entsprechend zu entscheiden431. So darf

der Sachwalter ein Grundstück des Betroffenen nicht nur deshalb

veräußern, weil hierfür ein günstiger Preis geboten wird432. Auch hat der

Sachwalter bei der Frage von Anschaffungen oder Auslagen danach zu

urteilen, ob sie dem Betroffenen Freude bereiten und somit seinem Wohl

dienen, und nicht etwa danach, ob sie – bei objektiver Beurteilung –

überflüssig oder unnötig sind433.

Der Betroffene hat darüber hinaus das Recht, über alle wichtigen

Angelegenheiten seine Person und sein Vermögen betreffend informiert zu

werden; er kann sich zu sämtlichen Maßnahmen des Sachwalters äußern,

§ 273a III 1. HS ABGB. Der vom Betroffenen geäußerte Wunsch ist vom 428 Ent/Hopf, § 281 ABGB RV 20 429 Kremzow S. 87 430 Schwind, S. 207 431 Kremzow S. 121 432 Entsch. NotZ 1977, 57 433 Kremzow S. 121

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

90

Sachwalter zu befolgen, wenn der Wunsch seinem Wohl nicht weniger

entspricht, § 273a III 2. HS ABGB. Dies bedeutet, dass der Sachwalter

schon dann verpflichtet ist, dem Wunsch des Betroffenen nachzukommen,

wenn dessen Ansicht – vom Wohl des Betroffenen aus gesehen – ebenso

viel für sich hat wie die des Sachwalters434. Dieser Vorrang des Wunsches

des Betroffenen bezieht sich dabei auf alle Angelegenheiten. Hierbei sind

sowohl wichtige als auch unwichtige Angelegenheiten gemeint435, denn

die Beschränkung auf „wichtige Angelegenheiten“ im ersten Halbsatz des

§ 273a III ABGB bezieht sich lediglich auf die Verständigungspflicht des

Sachwalters, also seine Pflicht, den Betroffenen vor Durchführung der

Maßnahme zu informieren436. Der Betroffene kann sich somit zu

beliebigen Maßnahmen des Sachwalters äußern und eine bestimmte

Vorgehensweise bei von ihm zu besorgenden Angelegenheiten verlangen,

soweit diese in seinen Wirkungskreis fallen. Auf die Gewichtigkeit der

Maßnahme oder Angelegenheit kommt es hierbei nicht an. Differieren

somit der Wunsch des Betroffenen und die „objektive“ Interessenlage, so

ist dennoch i.S.d. Vorstellungen des Betroffenen vorzugehen, wenn die

Erfüllung des Wunsches nicht seinem Wohl zuwiderläuft und seinen

subjektiven Interessen entspricht437. Der Sachwalter hat beispielsweise den

Wunsch des Betroffenen nach Beschaffung einer bequemeren

Wohnungseinrichtung stets zu befolgen, wenn die finanziellen

Möglichkeiten des Betroffenen dies ohne weiteres zulassen.

Demgegenüber muss der Wunsch des Betroffenen abgelehnt werden,

wenn die Gefahr besteht, dass sich die Lebens- und

Vermögensverhältnisse des Betroffenen objektiv und subjektiv hierdurch

verschlechtern könnten438.

434 Waters, S. 184; Steinbauer, ÖJZ 1985, 385, 392 435 Kremzow S. 63 436 Kremzow S. 65 437 Kremzow S. 66 438 Kremzow S. 66

Page 107: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

91

d. Geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens

Weiterhin können „geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens“

vom Betroffenen selbst getätigt werden, § 273a II ABGB, sie werden mit

der Erfüllung durch ihn rückwirkend wirksam439. Eine geringfügige

Angelegenheit des täglichen Lebens ist dabei ein Rechtsgeschäft, das von

einem Durchschnittsmenschen bei Besorgung der eigenen

Angelegenheiten, üblicherweise im Alltagsverlauf, insbesondere zur

Bestreitung der gewöhnlich das Durchschnittsmaß nicht übersteigenden

eigenen oder der Lebensbedürfnisse seiner Familie, getätigt wird440. Dabei

wird die Frage, ob eine „geringfügige Angelegenheit“ vorliegt, nicht nach

objektiven Wertmaßstäben oder festen Wertgrenzen beurteilt, sondern

richtet sich nach den individuellen Verhältnissen des Betroffenen,

insbesondere nach der Höhe der für den Lebensunterhalt zur Verfügung

stehenden Mittel441.

e. Schutz der Betroffeneninteressen im Sachwalterrecht

Auch nach dem neuen Sachwalterrecht sieht das ABGB einige

Instrumente zum Schutz des Betroffenen vor Fremdbestimmung vor. Sie

kann insbesondere daraus resultieren, dass der Sachwalter aufgrund von

Interessenkonflikten nicht ausschließlich das Wohl des Betroffenen

verfolgt.

(1) Interessenkollision

Widerstreiten in einer bestimmten Angelegenheit die Interessen des

Betroffenen mit denen des Sachwalters, etwa bei Insichgeschäften oder bei

Geschäften mit nahen Angehörigen oder Freunden des Sachwalters, so hat

das Vormundschaftsgericht in dieser Angelegenheit einen

Kollisionssachwalter zu bestellen, § 271 I ABGB. Er vertritt den

Betroffenen in dieser Angelegenheit. Dem Sachwalter selbst ist in dieser

Angelegenheit die Vertretungsmacht entzogen, der Wirkungsbereich

439 Schauer, ÖNotZ, 1983, 49, 50 440 Knell, S. 239 441 Kremzow, S. 62

Page 108: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

92

scheidet aus seiner Vertretungsbefugnis aus442. Gleiches gilt für

Genehmigungen solcher Geschäfte.

(2) Vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungsvorbehalt

Gem. §§ 282 I, 154 III ABGB kann der Sachwalter jegliche Geschäfte, die

außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes fallen, nur mit

Genehmigung des Gerichtes vornehmen, so dass bei allen

außergewöhnlichen Geschäften eine zusätzliche gerichtliche Kontrolle

stattfindet. Das Gericht überprüft die Rechtmäßigkeit des beabsichtigten

Geschäfts und ist hierbei selbstverständlich in seiner Entscheidung

ebenfalls an das Betroffenenwohl gebunden443.

(3) Schadensersatzansprüche des Betroffenen, Strafbarkeit des

Sachwalters

Sollte der Sachwalter schuldhaft seine Pflichten verletzen, so haftet er dem

Betroffenen für den entstandenen Schaden, § 264 ABGB444.

Weiterhin macht sich der Sachwalter bei vorsätzlichen Pflichtverstößen

ggf. strafbar, §§ 133, 134 II StGB.

3. Schenkungen nach neuem Recht

Bezüglich Schenkungen existiert auch nach reformiertem ABGB keine

ausdrückliche Regelung. Vielmehr ist die Regelung des § 154 III ABGB

auch nach Einführung des Sachwalterrechts beibehalten worden445. Sie

findet über § 282 I ABGB auch auf den Sachwalter Anwendung. Der

Sachwalter bedarf somit für Geschäfte und Genehmigungen außerhalb des

ordentlichen Wirtschaftsbetriebs der Genehmigung des

Vormundschaftsgerichts.

442 SZ 25/242; 36/163; EF 45.921; 51.375; Rummel/Pichler § 271 ABGB Rn. 4 443 EFSlg 22.445; JBl 1993, 106; Feil, S. 256; Schwimann, § 154 ABGB Rn. 22 444 Insoweit ist gegenüber dem alten Entmündigungsrecht keine Veränderung eingetreten,

so dass die bisherige Rechtsprechung vollständig übertragbar ist, Kremzow, S. 126f., vgl.

daher zum Schadensersatzanspruch: oben, § 3 II 2 445 Vgl. oben, § 3 II 3

Page 109: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

93

In der österreichischen Rechtsprechung und Literatur werden die Fragen,

ob und in welchem Rahmen Schenkungen aus dem Vermögen des

Betroffenen vorgenommen werden dürfen, nur sehr spärlich behandelt.

Dies dürfte vor allem daran liegen, dass in § 154 III ABGB als

Regelbeispiele für genehmigungspflichtige Geschäfte sogar die Annahme

einer mit Belastungen verbundenen Schenkung und die Ablehnung eines

Schenkungsangebots aufgeführt werden. Wenn aber schon die Ablehnung

der Annahme einer Schenkung genehmigungspflichtig ist, so muss der

umgekehrte Fall der Vornahme einer Schenkung aus dem

Betroffenenvermögen erst recht genehmigungspflichtig i.S.d. § 154 III

ABGB sein.

a. Schenkungen durch den Betroffenen

Selbstverständlich kann der Betroffene außerhalb des Wirkungskreises des

Sachwalters selbst Schenkungen vornehmen, da er insofern in seiner

Geschäftsfähigkeit nicht beschränkt ist446. Schenkungen durch den

Betroffenen sind weiterhin im Rahmen der Ausnahmen der §§ 273a I 2

und 273a II ABGB möglich: Soweit das Pflegschaftsgericht gem.

§ 273a I 2 ABGB dem Betroffenen innerhalb des Wirkungskreises des

Sachwalters die rechtliche Handlungsfähigkeit eingeräumt hat und die

vorgesehene Schenkung von dem Sachbereich der gerichtlichen

Anordnung umfasst ist, kann der Betroffene nämlich selbst Schenkungen

vornehmen. Darüber hinaus kann der Betroffene Schenkungen alleine

vornehmen, soweit es sich hierbei um eine geringfügige Angelegenheit

des täglichen Lebens iSd. § 273a II ABGB handelt447. Vor allem

Geschenke an Freunde und Verwandte zu Geburtstagen oder Weihnachten

dürften, soweit sie das eigene Durchschnittsmaß des Betroffenen nicht

überschreiten, unter diese Regelung fallen.

446 Es sei denn seine Geschäftsunfähigkeit ergibt sich aus der allgemeinen Regel des §

865 S.1 ABGB 447 siehe oben, § 3 II 3 b

Page 110: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

94

Der Betroffene dürfte sogar – außerhalb des Wirkungskreises des

Sachwalters und im Rahmen der §§ 273a I 2 und 273a II ABGB –

Schenkungen an den Sachwalter selbst vornehmen448.

Der Betroffene selbst kann also alle kleineren Gelegenheitsschenkungen

selbst vornehmen, ohne auf die Mitwirkung des Sachwalters angewiesen

zu sein, da solche Geschenke sofort vollzogen werden, § 273a II ABGB.

Auch große Schenkungen außerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters

kann der Betroffene wirksam vornehmen, da er insoweit in seiner

Geschäftsfähigkeit nicht beschränkt ist, § 273a ABGB e contrario. Sobald

eine Schenkung jedoch nicht mehr zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb

gehört und außerdem in den Wirkungskreis des Sachwalters fällt, bedarf

sie auch der Genehmigung des Sachwalters und weiterhin der

Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, § 154 III ABGB. Denn

innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters ist der Betroffene nicht

mehr uneingeschränkt geschäftsfähig, § 273a I 1 ABGB. Der Sachwalter

wiederum ist insbesondere an die Vorschriften der §§ 282 I, 154 III

ABGB gebunden.

b. Schenkungen durch den Sachwalter

Da der Sachwalter innerhalb seines Wirkungskreises gesetzlicher Vertreter

des Betroffenen ist, kann er in diesem Bereich wirksam für ihn handeln.

Der Sachwalter darf somit grundsätzlich auch Schenkungen aus dem

Vermögen des Betroffenen tätigen. Dies findet allerdings seine Grenze

insbesondere in § 154 III ABGB, wonach er sowohl für

Vertretungshandlungen als auch für Einwilligungen in

Vermögensangelegenheiten außerhalb des ordentlichen

Wirtschaftsbetriebes der Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes

bedarf. 448 vgl. insoweit die Ausführungen zum Deutschen Recht: oben, § 4 I 3 d (1); die dortigen

Argumente dürften im Österreichischen Recht ebenso greifen, zumal gem. § 281 I ABGB

zum Sachwalter nach Möglichkeit ein naher Angehöriger (Kinder, Eltern, etc., vgl. RV

20 zu § 281 ABGB) bestellt werden soll. Auch hier wäre es widersinnig, den Sachwalter

in Bezug auf Schenkungen gegenüber den übrigen nahen Verwandten schlechter zu

stellen und dem Betroffenen selbst kleine Weihnachtsgeschenke an ihn zu untersagen.

Page 111: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

95

Gewöhnliche Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke an Freunde und

Verwandte des Betroffenen gehören zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb,

da sie üblicherweise im Alltagsverlauf alljährlich getätigt werden449. Eine

vormundschaftsgerichtliche Genehmigung ist für deren Wirksamkeit daher

nicht erforderlich. Selbst die Ausschlagung einer Erbschaft geringen

Werts ist genehmigungsfrei450. Außergewöhnliche Schenkungen,

insbesondere wenn es sich um Grundstücksgeschäfte und ähnliches

handelt, bedürfen hingegen stets einer solchen Genehmigung des

Vormundschaftsgerichtes.

c. Praktische Möglichkeiten von Schenkungen aus dem

Betroffenenvermögen

Die Möglichkeiten von Schenkungen aus dem Betroffenenvermögen

richten sich insbesondere nach den handelnden Personen.

(1) Schenkungen durch den Betroffenen selbst

Für die in der Einleitung genannten Beispielsfälle ergibt sich nach

österreichischem Recht für Schenkungen durch den Betroffenen innerhalb

des Wirkungskreises des Sachwalters folgendes:

Kleine karitative Schenkungen kann der Betroffene wirksam tätigen, ohne

dass er einer Genehmigung des Sachwalters bedarf. Denn hierbei handelt

es sich um geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens gem.

§ 273a II ABGB, die sofort vollzogen werden, so dass sie sofort wirksam

sind451. Auch kleinere Schenkungen an den Sachwalter selbst kann der

Betroffene aus vorgenannten Gründen wirksam vornehmen.

Größere Schenkungen hingegen unterliegen nicht mehr dem § 273a II

ABGB. Die Schenkungen bedürfen demnach für ihre Wirksamkeit der

Genehmigung durch den Sachwalter. Dieser wiederum ist nunmehr bei

seiner Genehmigung an § 154 III ABGB gebunden, was bedeutet, dass

nicht nur seine Zustimmung erforderlich ist, sondern auch die des

449 vgl. Knell, S. 239 450 Rummel/Pichler, § 154 ABGB Rn. 13 451 siehe oben, § 3 II 3 b

Page 112: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

96

Vormundschaftsgerichts. Dies ist insbesondere der Fall bei größeren

Schenkungen im Rahmen vorweggenommener Erbfolge und den sonstigen

Beispielen, die in der Einleitung aufgeführt wurden.

(2) Schenkungen durch den Sachwalter

Bei kleinen karitativen Schenkungen und sonstigen

Gelegenheitsschenkungen, die sich im Rahmen des beim Betroffenen

üblichen halten, handelt es sich um Vermögensangelegenheiten, die noch

zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb iSd. § 154 III ABGB gehören, so

dass kein Genehmigungserfordernis durch das Vormundschaftsgericht

gegeben ist. Der Sachwalter kann diese daher in Vertretung des

Betroffenen vornehmen. Sämtliche übrigen Schenkungen fallen jedoch –

wie bereits dargestellt – stets unter den Regelungsbereich des § 154 III

ABGB. Dies hat zur Folge, dass die Schenkungen für ihre Wirksamkeit

zusätzlich der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedürfen.

Der Sachwalter kann keinerlei Schenkungen aus dem Vermögen des

Betroffenen an sich selbst vornehmen, da für solche Insichgeschäfte gem.

§ 271 I ABGB ein Kollisionskurator zu bestellen ist. Hierbei kommt es

auch nicht darauf an, ob es sich um kleine oder große Schenkungen

handelt oder ob diese zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zu zählen sind

oder nicht. Denn § 271 I ABGB trifft hier keinerlei Unterscheidung: So

weit widerstreitende Interessen bestehen, wie beim Insichgeschäft stets der

Fall, ist dem Sachwalter die Vertretungsmacht entzogen. Soll eine solche

Schenkung in Vertretung des Betroffenen getätigt werden, ist dies somit

nur über die Bestellung eines Kollisionssachwalters möglich. So weit

dieser dann die beabsichtigte Schenkung aus dem Vermögen des

Betroffenen vornimmt, gelten hierfür wiederum die gleichen

Voraussetzungen wie für alle sonstigen Schenkungen durch Sachwalter.

Stellt die Schenkung somit einen Fall des ordentlichen

Wirtschaftsbetriebes dar, kann der Kollisionssachwalter die Schenkung

ohne weiteres vornehmen, wenn nicht, ist auch er auf die Genehmigung

Page 113: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

97

des Vormundschaftsgerichtes angewiesen, welches überprüft, ob die

Schenkung dem Wohl des Betroffenen dient oder nicht452.

4. Zwischenergebnis

Der österreichische Gesetzgeber bezweckte mit der Einführung des

Sachwalterrechts, den einzelnen Betroffenen nicht über das notwendige

Maß hinaus zu beschränken. Die fürsorgerischen Maßnahmen sollten sich

möglichst auf jeden Einzelfall individuell anpassen lassen453. Wenn und

soweit der Betroffene geistig oder körperlich nicht in der Lage ist, seine

eigenen Angelegenheiten ohne Schaden für sich zu besorgen, ist für ihn

ein Sachwalter zu bestellen454. So weit der Aufgabenkreis des Sachwalters

reicht, ist der Betroffene fortan in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt455.

Der Sachwalter hat bei seiner Tätigkeit die Wünsche des Betroffenen

zwingend zu beachten, soweit diese dem Wohl des Betroffenen nicht

weniger entsprechen, § 273a III ABGB. Um den Betroffenen zu schützen,

wird bei Interessenkonflikten des Sachwalters diesem die

Vertretungsmacht durch die Bestellung eines Kollisionssachwalters

entzogen456. Außerdem bedarf der Sachwalter für alle Geschäfte, die nicht

zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, der

vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, § 154 III ABGB.

„Verbotene Geschäfte“ sieht das Sachwalterrecht nicht vor, so dass auch

Schenkungen grundsätzlich uneingeschränkt getätigt werden können.

Außerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters kann der Betroffene

selbst Schenkungen beliebigen Umfangs vornehmen; innerhalb des

Wirkungskreises bedarf er der Genehmigung des Sachwalters oder dieser

muss die Schenkung vornehmen457. Bei solchen Schenkungen innerhalb

des Wirkungskreises des Sachwalters bedürfen jedoch Schenkungen, die

452 vgl. oben, § 4 II 3 b 453 oben, § 4 II 1 454 oben, § 4 II 2 455 oben, § 4 II 2 a 456 oben, § 4 II 2 e (1) 457 oben, § 4 II 3 c

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

98

nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, für ihre Wirksamkeit

der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.

III. Schweiz

1. Bisheriges Gesetzgebungsverfahren

Das Schweizer Vormundschaftsrecht wird zurzeit noch revidiert. Der

Bundesrat hatte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement

(EJPD) ermächtigt, den durch eine Expertenkommission gefertigten

Vorentwurf und Bericht in die Vernehmlassung zu schicken, wo die

Reform von einer großen Mehrheit begrüßt wurde458. Neben der

grundsätzlichen Zustimmung wurde hier jedoch auch vielfältige Kritik an

einzelnen Punkten geübt, weshalb der Bundesrat das EJPD beauftragte, bis

2006 eine Botschaft zu erarbeiten. Diese wurde am 28.06.2006 vom

Bundesrat verabschiedet und an den National- und Ständerat übergeben.

Ziel der Totalrevision soll nach deutschem und österreichischem Vorbild

die Abkehr von der Fixierung auf bestimmte Typen behördlicher

Maßnahmen (Entmündigung, Beiratschaft, Beistandschaft) und die

Hinwendung zu einem System „maßgeschneiderter Maßnahmen“ sein459.

Die Selbstbestimmung der Betroffenen soll einen möglichst breiten Raum

einnehmen460.

Da das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, beziehen

sich die folgenden Ausführungen auf den Entwurf und den Bericht aus

dem Jahre 1995461, den Vorentwurf und Bericht der o.g.

Expertenkommission aus dem Juni 2003462, die Ergebnisse des

458 http://www.ofj.admin.ch/bj/de/home/dokumentation/medieninformationen/2004/7.

html, Pressemitteilung vom 27.10.2004, Eidg. Justiz- und Polizeidepartement 459 ebenda 460 Geiser, ZVW 2003, 227, 231 461 im folgenden: „Bericht 1995“ 462 http://www.ofj.admin.ch/etc/medialib/data/gesellschaft/gesetzgebung/vormundschaft.

Par.0015.File.tmp/vn-ber-d.pdf; im folgenden: „VE-ZGB“ bzw. „Bericht ZGB“

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

99

Vernehmlassungsverfahrens463 sowie die Botschaft464 nebst

Gesetzesentwurf465 des Schweizerischen Bundesrates.

2. Ziele des neuen Rechts

Ähnlich wie schon bei dem österreichischen und dem deutschen

Reformvorhaben soll einerseits das Selbstbestimmungsrecht der

Betroffenen stärker als bisher geachtet466 und zum anderen

stigmatisierende Wirkungen von fürsorgerischen Maßnahmen vermieden

werden467. So versucht man insbesondere, Begriffe wie „Geisteskranke“,

„Entmündigung“ und „Bevormundung“ aus dem Recht zu eliminieren468.

Ein flexibles Maßnahmenpaket soll an die Stelle der als zu starr

empfundenen Rechtsinstitute des bisherigen Rechts treten469.

3. Grundzüge des neuen Beistandschaftsrechts

Der neue Entwurf unterscheidet vier Arten von Beistandschaften: Die

Begleitbeistandschaft, die Vertretungsbeistandschaft, die

Mitwirkungsbeistandschaft und die umfassende Beistandschaft, Art. 393 -

398 ZGB-E. Diese neuen Beistandschaften knüpfen in modernisierter

Form an die bisherigen behördlichen Maßnahmen an470, wobei die

Begleit-, die Vertretungs- und die Mitwirkungsbeistandschaft miteinander

kombiniert werden können, Art. 397 ZGB-E.

463 http://www.ejpd.admin.ch/etc/medialib/data/gesellschaft/gesetzgebung/vormundschaft

.Par.0004.File.tmp/ve-ber.pdf; im folgenden: „Vernehmlassung“ 464 BBl 2006, 7001; im folgenden: „Botschaft“ 465 BBl 2006, 7139; im folgenden: „ZGB-E“ 466 Schnyder, ZVW 1995, 171, 174 467 Bericht ZGB, S. 12, 15; Reusser, ZVW 2003, 179, 180 468 In Anlehnung an das deutsche Betreuungsrecht wollte der Vorentwurf von 1995 statt-

dessen die Begriffe „Betreuer“, „Betreuung“, etc. verwenden. Da es jedoch keine

befriedigende Übersetzung hierfür ins Italienische und Französische gibt, hat die

Expertenkommission den Begriffen Beistandschaft, Beistand und Beiständin des

bisherigen Rechts den Vorzug gegeben, Bericht 1998, S. 15 469 Bericht ZGB, S. 13; Botschaft, S. 7016f. 470 Bericht ZGB, S. 12

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

100

Anordnungsvoraussetzung ist danach, dass eine volljährige Person wegen

einer geistigen Behinderung, einer psychischen Störung oder eines

ähnlichen in der Person liegenden Schwächezustands ihre

Angelegenheiten nur teilweise oder gar nicht besorgen kann oder wegen

vorübergehender Urteilsunfähigkeit oder Abwesenheit in

Angelegenheiten, die erledigt werden müssen, weder selber handeln noch

eine zur Stellvertretung befugte Person bezeichnen kann, Art. 390 I ZGB-

E. Dabei soll die Erwachsenenschutzbehörde eine Maßnahme nur

anordnen dürfen, wenn die Unterstützung durch die Familie, andere nahe

stehende Personen oder private oder öffentliche Dienste nicht ausreicht

oder von vornherein als ungenügend erscheint, Art. 389 I ZGB-E.

a. Die Beistandschaften

Wie bereits im geltenden Schweizer Recht, sind auch nach dem

Vorentwurf eine Reihe unterschiedlicher Beistandschaften vorgesehen, die

jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des

Betroffenen haben und den Beiständen unterschiedlichste Kompetenzen

einräumen.

(1) Begleitbeistandschaft (Art. 393 ZGB-E)

Durch die Begleitbeistandschaft würde die betroffene Person nicht in ihrer

Handlungsfähigkeit beschränkt, Art. 393 II ZGB-E471. Ihr würde lediglich

zur Unterstützung ein Beistand zur Seite gestellt, der jedoch keinerlei

eigene Vertretungs-, Verwaltungs- oder Mitwirkungskompetenzen

hätte472. Er unterstützte und begleitete den Betroffenen und schaute ihm

lediglich „über die Schultern“473. Die Begleitbeistandschaft ist somit die

niedrigste Stufe der fürsorgerischen Maßnahmen des ZGB-E.

(2) Vertretungsbeistandschaft (Art. 394, 395 ZGB-E)

Wenn eine hilfsbedürftige Person bestimmte Angelegenheiten nicht

erledigen kann und daher vertreten werden muss, würde gem. Art. 394 I

471 Geiser, ZVW 2003, 227, 231 472 Bericht ZGB, S. 35; Botschaft, S. 7045 473 Bericht ZGB, S. 35

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

101

ZGB-E für diese Angelegenheiten eine Vertretungsbeistandschaft

angeordnet. Im Rahmen der Vertretungsbeistandschaft wäre der Beistand

der gesetzliche Vertreter des Betroffenen, ohne dass automatisch eine

Einschränkung der Handlungsfähigkeit desselben mit der Anordnung

einhergehen müsste474. Die Erwachsenenschutzbehörde könnte jedoch

gem. Art. 393 II ZGB-E die Handlungsfähigkeit des Betroffenen

entsprechend punktuell einschränken. Der Betroffene wäre sodann für

diese Geschäfte nicht mehr handlungsfähig, er hätte keine Verpflichtungs-

oder Verfügungsbefugnis mehr475. Gem. Art. 395 ZGB-E soll sich die

Vertretungsbeistandschaft insbesondere auf Vermögenswerte beziehen

können, wobei „Vermögen“ in einem weiten Sinn zu verstehen sein soll

und auch das Einkommen umfasste476. Die Begleit- und die

Vertretungsbeistandschaft sollen insoweit die nach momentan geltendem

Recht bestehende Beistandschaft modifizieren. Während bislang die

Verwaltungsbeistandschaft das gesamte Vermögen betrifft, Art. 393 Ziff.

2 ZGB477, soll sich die Vertretungsbeistandschaft des geplanten Rechts nur

auf einzelne Teile des Einkommens oder Vermögens oder auch auf deren

Gesamtheit beziehen478.

(3) Mitwirkungsbeistandschaft (Art. 396 ZGB-E)

Die Mitwirkungsbeistandschaft wäre eng an das geltende Recht zur

Mitwirkungsbeiratschaft angelehnt479. Im Gegensatz zu dieser, nach der

sämtliche unter Art. 395 Ziffern 1-9 ZGB genannten Geschäfte fortan nur

noch mit Genehmigung des Beirates wirksam werden, hätte die

Erwachsenenschutzbehörde nunmehr die Möglichkeit, je nach

Schutzbedürftigkeit einzelne Geschäfte unter das Zustimmungserfordernis

zu stellen480. Die verbeiständete Person wäre dann für diese Geschäfte

474 Geiser, ZVW 2003, 227, 232 475 Bericht ZGB, S. 36; Botschaft, S. 7046 476 Bericht ZGB, S. 37; Botschaft, S. 7046 477 vgl. oben, § 3 III 2 b 478 Bericht ZGB, S. 37; Botschaft, S. 7047 479 Bericht ZGB, S. 39; Botschaft, S. 7048 480 Bericht ZGB, S. 39; Botschaft, S. 7048; Geiser, ZVW 2003, 227, 232

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

102

insoweit in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt, als sie nicht mehr ohne

den Beistand wirksam handeln könnte, Art. 396 II ZGB-E. Angeordnet

würde die Mitwirkungsbeistandschaft in den Fällen, in denen bestimmte

Handlungen des Betroffenen zu seinem Schutz der Zustimmung des

Beistands bedürften. Der Beistand wäre dabei jedoch nicht etwa Vertreter

der verbeiständeten Person, denn er könnte eigenständig keine Geschäfte

für den Betroffenen tätigen. Seine Handlungsfähigkeit beschränkte sich

auf die Befugnis, den Geschäften des Betroffenen durch Erteilung der

Genehmigung bzw. Einwilligung zur Wirksamkeit zu verhelfen481.

(4) Umfassende Beistandschaft (Art. 398 ZGB-E)

Die umfassende Beistandschaft wäre das Nachfolgeinstitut und Äquivalent

zur Entmündigung. Sie bezöge sich auf alle Angelegenheiten der

Personen- und Vermögenssorge und hätte die völlige

Handlungsunfähigkeit des Betroffenen zur Folge482. Der Beistand wäre

dann in allen Angelegenheiten gesetzlicher Vertreter des Betroffenen, Art.

398 II ZGB-E. Die umfassende Beistandschaft soll nur als ultima ratio

angeordnet werden, wenn entweder nicht verantwortet werden könnte,

dass eine Person Rechtshandlungen vornähme, oder wenn die Person

ohnehin aufgrund ihres Zustandes nicht mehr handeln könnte und der

somit eigentlich die Handlungsfähigkeit gar nicht entzogen werden

müsste483.

b. Einflussmöglichkeiten des Betroffenen

Der Beistand soll gehalten sein, die ihm übertragenen Aufgaben im

Interesse der verbeiständeten Person zu erfüllen484 und möglichst auf

deren Meinung Rücksicht zu nehmen. Weiterhin hätte er den Willen des

Betroffenen zu achten, sein Leben entsprechend dessen Fähigkeiten und

eigenen Wünschen bzw. Vorstellungen zu gestalten, Art. 406 I ZGB-E.

481 Bericht ZGB, S. 39; Botschaft, S. 7048 482 Bericht ZGB, S. 40; Botschaft, S. 7048 483 Botschaft, S. 7048 484 Die „Interessen der verbeiständeten Person“ sollen letztlich nur ein anderer Begriff für

„Betroffenenwohl“ sein, vgl. Bericht ZGB zu Art. 394 VE ZGB; Botschaft, S. 7052

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

103

Gem. Art. 388 I ZGB-E hätten die Maßnahmen des Erwachsenenschutzes

das Wohl und den Schutz des Betroffenen sicherzustellen. Die

Selbstbestimmung der Betroffenen wäre zu erhalten und zu fördern, Art.

388 II ZGB-E. Das Wohl des Betroffenen, wozu insbesondere sein

Selbstbestimmungsrecht gehörte, stünde somit im Mittelpunkt aller

Bemühungen und Tätigkeiten der Organe des Erwachsenenschutzes485.

Wo immer Entscheidungen zu treffen wären, müssten die Lösungen am

Wohl des Betroffenen ausgerichtet sein486. Wie sich aus Art. 406 I und

388 II ZGB-E ergibt, wäre auch im neuen Schweizer Recht der

Wohlbegriff anhand der jeweils betroffenen Person auszulegen, denn

ebenso wie im deutschen Recht487 würde auch im geplanten Schweizer

Recht dem Betreuer ausdrücklich aufgegeben, die Interessen des

Betroffenen zu wahren und, soweit tunlich, auf dessen Meinungen

Rücksicht zu nehmen und seinen Willen zu achten.

Höchstpersönliche Rechte könnte der Betroffene weiterhin – unabhängig

davon, ob ihm die Handlungsfähigkeit entzogen wurde oder nicht – allein

wahrnehmen, vorausgesetzt er wäre urteilsfähig, Art. 407 ZGB-E.

c. Schutz des Betroffenen im neuen Recht

Auch im neuen Beistandschaftsrecht wäre eine Reihe von

Schutzmechanismen vorgesehen, die den Betroffenen vor

Fremdbestimmung schützen soll.

(1) Interessenkollision

Der Beistand könnte keinerlei Geschäfte in Vertretung des Betroffenen

mit sich selbst vornehmen, da ihm Art. 403 II ZGB-E insoweit jegliche

Vertretungsmacht entzöge. Hier wäre nötigenfalls ein Ersatzbeistand zu

bestellen, Art. 403 I ZGB-E.

(2) Genehmigungsvorbehalte

485 Bericht ZGB zu Art. 394 VE ZGB; Botschaft, S. 7042 486 Bericht 1995, S. 38; Botschaft, S. 7042 487 oben, § 4 I 3 b 2

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§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

104

Gem. Art. 416 ZGB-E bedürfte der Beistand für eine Reihe von

Geschäften der Genehmigung der Erwachsenenschutzbehörde488. Die

Vorschrift entspräche im Wesentlichen den bisherigen Art. 421, 422

ZGB489. Dabei wäre eine Mitwirkung der Erwachsenenschutzbehörde

dann nicht erforderlich, wenn der urteilsfähige Betroffene, dessen

Handlungsfähigkeit nicht durch die Beistandschaft eingeschränkt ist, dem

Geschäft zustimmte, Art. 416 II ZGB-E.

(3) Schadensersatzansprüche des Betroffenen, Strafbarkeit des

Beistandes

Weiterhin stünde dem Betroffenen ein Schadensersatzanspruch gegen den

Beistand und gegen den Kanton zu, wenn er durch widerrechtliches

Handeln oder Unterlassen des Beistandes oder der

Erwachsenenschutzbehörde in seinen Rechten verletzt würde, Art. 454,

455 ZGB-E. Hinzu kommt eine mögliche Strafbarkeit bei vorsätzlichem

Handeln, Art. 137, 138 StGB.

4. Schenkungen nach neuem Recht

Auch die Schweiz wird aller Voraussicht nach inhaltlich ihre bisherige

Regelung hinsichtlich der Schenkungsmöglichkeit des gesetzlichen

Vertreters beibehalten. Gem. Art. 412 I ZGB-E dürfte ein Beistand in

Vertretung des Betroffenen keine Bürgschaften eingehen, keine Stiftungen

errichten und keine Schenkungen vornehmen, mit Ausnahme der

„üblichen Gelegenheitsgeschenke“.

488 Hierzu sollen insbesondere Grundstücksgeschäfte, Veräußerung und Erwerb von

Vermögenswerten, wenn dies nicht unter die „gewöhnliche Verwaltung und

Bewirtschaftung“ fällt, Aufnahme und Gewährung von Darlehen, Prozessführung und

Abschluss eines Vergleichs, u.a. gehören. Ein Geschäft zwischen Beistand und

Betroffenen bedürfte immer der Genehmigung der Erwachsenenschutzbehörde, es sei

denn es handelte sich um einen unentgeltlichen Auftrag des Verbeiständeten, Art. 416 III

ZGB-E 489 Bericht ZGB, S. 51; Botschaft S. 7056

Page 121: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

105

a. Übliche Gelegenheitsgeschenke

Im Gegensatz zur bisherigen Regelung wären nach Art. 412 ZGB-E

sämtliche Schenkungen vom Schenkungsverbot erfasst, mit Ausnahme

von „üblichen Gelegenheitsschenkungen“. Die Abkehr vom Begriff der

„erheblichen“ Schenkung des alten Rechts erfolgte erst im

Vernehmlassungsverfahren auf Anregung des Schweizerischen

Anwaltverbandes490; der vorhergehende Entwurf untersagte lediglich

„erhebliche“ Schenkungen491. Durch diese Änderung wurden ausdrücklich

nur klarstellende Ziele verfolgt, denn mit der bisherigen Regelung seien

auch schon nur solche Schenkungen vom Verbot ausgenommen gewesen,

die nach ihrer Natur und ihrem Umfang üblich waren, z.B. Weihnachts-

und Geburtstagsgeschenke. Der Entwurf solle dies nun stärker zum

Ausdruck bringen492.

Ein Gelegenheitsgeschenk würde seinem Begriff nach bei Gelegenheiten

gemacht, welche die Überreichung eines Geschenks als angebracht

erscheinen lassen. Hierunter fielen also neben allgemeinen Feiertagen wie

Ostern und Weihnachten auch persönliche Festtage wie Taufe, Geburts-

oder Hochzeitstage493. Aber auch persönliche Lebenshöhepunkte wie z.B.

bestandene Prüfungen dürften darunter zu subsumieren sein.

Zweifelhaft könnte sein, ob karitative Schenkungen noch unter den Begriff

des Gelegenheitsgeschenks fielen. Nach dem bisherigen Schweizer Recht

werden sie hierzu gezählt, soweit sie anlässlich von Feiertagen erfolgen494.

Durch die Abkehr vom Begriff der „erheblichen“ Schenkung soll sich aber

inhaltlich nichts an der bisherigen Praxis ändern, so dass diese auch

weiterhin möglich bleiben dürften, auch wenn der Wortlaut dies nicht

unbedingt nahe legt. Anlasslose karitative Schenkungen oder gar

490 Vernehmlassung, S. 228 491 Vgl. Art. 399 VE-ZGB 492 Botschaft, S. 7054 493 Die Botschaft erwähnt ausdrücklich Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke,

Botschaft, S. 7054; vgl. Stellungnahme des Schweizerischen Seniorenrats im

Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassung, S. 229) 494 oben, § 3 III 4 a (1)

Page 122: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

106

Parteispenden fielen aber wohl nicht mehr unter den Begriff der

Gelegenheitsschenkung, sodass diese künftig ausgeschlossen sind.

Die „Üblichkeit“ richtete sich auch im geplanten Schweizer Recht nach

den persönlichen Verhältnissen des jeweiligen Betroffenen. Zwar ergibt

sich diese Auslegung hier – im Gegensatz zum deutschen § 1908i II 2

BGB („nach seinen Lebensverhältnissen üblich“) – nicht zwingend aus

dem Wortlaut der Regelung, aber der Grundsatz des Betroffenenwohls,

der für sämtliche Handlungen des Beistandes anzuwenden wäre495, legte

eine solche Auslegung nahe. Gem. Art. 406 ZGB-E hätte der Beistand

nämlich seine Aufgaben ausschließlich im Interesse der betroffenen

Person wahrzunehmen. Da der Beistand überhaupt nur dann für den

Betroffenen handeln dürfte, wenn dies zu seinen Aufgaben gehört und

diese Aufgaben dann nur im Interesse des Betroffenen erledigt werden

dürften, dürfte zwangsläufig auch eine Schenkung nur dann erfolgen,

wenn sie dem Betroffenenwohl dienlich wäre. Dies bedeutet aber

gleichzeitig, dass der Begriff der Üblichkeit ebenfalls nach den

persönlichen Verhältnissen des Betroffenen bestimmt werden müsste. So

wird auch in der Gesetzesbegründung darauf verwiesen, dass mit der

Vorschrift den individuellen Verhältnissen der verbeiständeten Person

optimal Rechnung getragen werden solle496, so dass sich der Begriff der

„Üblichkeit“ nur anhand der persönlichen Verhältnisse des jeweils

Betroffenen bestimmen ließe.

b. Betroffener Personenkreis

Die Möglichkeiten des Betroffenen, selbstständig wirksam (Schenkungs-)

Geschäfte zu tätigen, hingen davon ab, inwieweit seine

Handlungsfähigkeit eingeschränkt würde. Dies wiederum hinge davon ab,

für welche Rechtskreise die Beistandschaft angeordnet und welche Form

der Beistandschaft gewählt würde. Wenn die Handlungsfähigkeit des

Betroffenen in Bezug auf die vorzunehmende Schenkung nicht

eingeschränkt würde, wäre auch kein Grund ersichtlich, warum ein

495 oben, § 4 III 3 b 496 Botschaft zu Art. 412, S. 7054

Page 123: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

107

solches Geschäft dann an Art. 412 ZGB-E scheitern sollte. Denn dieser

Artikel bezöge sich nach dem Wortlaut ausschließlich auf den Beistand

und nicht auf den Betroffenen selbst. Auch die Fassung des Art. 399 II des

Vorentwurfs, der nur deshalb nicht in den Botschaftsentwurf übernommen

wurde, weil er für überflüssig gehalten wurde, spricht für eine solche

Auslegung. Hiernach sollte im Rahmen einer Mitwirkungsbeistandschaft

angeordnet werden können, dass die „verbotenen Geschäfte“497 der

Zustimmung des Beistands unterliegen498. Denn wenn angeordnet werden

könnte, dass die in § 412 ZGB-E genannten Geschäfte unter den

Wirkungsbereich der Mitwirkungsbeistandschaft fallen sollten, muss dies

im Umkehrschluss bedeuten, dass dies ohne eine solche ausdrückliche

Anordnung nicht der Fall wäre499. Der Betroffene selbst wäre somit,

soweit seine Handlungsfähigkeit nicht beschränkt sein sollte, auch in

Bezug auf die Tätigung beliebiger Schenkungen frei.

Bei der Begleit- und bei der Vertretungsbeistandschaft, soweit bei dieser

nicht die Handlungsfähigkeit des Betroffenen eingeschränkt wird, könnte

der Betroffene weiterhin selbst über sein Vermögen bestimmen. Der

Betroffene könnte somit wirksam – soweit seine Handlungsfähigkeit nicht

beschränkt wurde – uneingeschränkt Schenkungen tätigen, ohne hierfür

der Zustimmung des Beistandes zu bedürfen.

Gem. Art. 416 III ZGB-E bedürften allerdings alle Verträge zwischen der

verbeiständeten Person und ihrem Beistand – mit Ausnahme

unentgeltlicher Aufträge an den Beistand – der Zustimmung der

Erwachsenenschutzbehörde. Schenkungen an den Beistand selbst wären

somit nur mit Genehmigung der Erwachsenenschutzbehörde möglich,

denn das Zustimmungserfordernis würde auch unentgeltliche Verträge

497 so ausdrücklich der Bericht ZGB, S. 49 498 Botschaft, S. 7054; dies war noch im Vorentwurf ausdrücklich in Art. 399 II

festgehalten, wurde jedoch aufgrund der Kritik des Schweizerischen Anwaltsverbandes

im Vernehmlassungsverfahren gestrichen, da eine ausdrückliche Regelung für überflüssig

gehalten wurde (vgl. Vernehmlassung, S. 228). 499 Anderenfalls wäre die Vorschrift des Art. 399 II VE ZGB ohne Relevanz, wie bereits

im Vernehmlassungsverfahren vom Schweizer Anwaltsverein bemängelt, vgl.

Vernehmlassung, S. 228

Page 124: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

108

umfassen500 wie Schenkungen, da es sich bei diesen schon begrifflich

nicht um Aufträge handelte. Andererseits wäre der Beistand nicht etwa

durch Art. 403 II ZGB-E an der Annahme einer solchen Schenkung

gehindert. Denn bei der Annahme der Schenkung handelte er nicht in

seiner Eigenschaft als Beistand, da er hierbei keinerlei

Erwachsenenschutzaufgaben wahrnähme. Außerdem bedürfte er für die

Annahme einer Schenkung keiner Befugnisse als Beistand, die ihm durch

Art. 403 II ZGB-E entzogen werden könnten501.

Der Beistand wäre seinerseits bei Geschäften, die er vertretungsweise für

den Betroffenen vornimmt, in vollem Umfang an Art. 412 I ZGB

gebunden, so dass er nur übliche Gelegenheitsschenkungen wirksam

vornehmen könnte.

Die Frage, ob sich auch Art. 412 ZGB-E nur auf Vertretungshandlungen

oder zusätzlich auch auf Zustimmungserklärungen zu Geschäften des

Betroffenen bezieht, stellt sich im neuen Recht nicht mehr. Denn im neuen

Recht ist ein Zustimmungserfordernis des Beistandes lediglich im Rahmen

einer Mitwirkungsbeistandschaft vorgesehen. Bei allen anderen Formen

der Beistandschaft könnten entweder der Betroffene selbst oder der

Beistand an seiner Stelle allein handeln, so dass eine

Mitwirkungshandlung des Beistandes hier nicht notwendig wäre.

Wie sich aus Art. 399 II des Vorentwurfs ausdrücklich ergab und woran

sich auch durch dessen Streichung in der Sache nichts ändern sollte502,

könnten im Rahmen einer solchen Mitwirkungsbeistandschaft Geschäfte

nach Art. 412 ZGB-E durch einen entsprechend gefassten

Maßnahmebescheid unter Zustimmungsvorbehalt des Beistandes gestellt

werden. Die an sich verbotenen Geschäfte sollten dem Betroffenen damit

durch einen entsprechend gefassten Maßnahmebescheid ermöglicht

werden503. E contrario bedeutet dies aber, dass der Beistand solchen

Geschäften nach entsprechender Prüfung auch seine Zustimmung erteilen

500 Bericht ZGB zu Art. 404 VE-ZGB, S. 54 501 vgl. zum dt. Recht: oben, § 4 I 3 d (1) aa 502 Botschaft, S. 7054 503 Bericht 1998, S. 36

Page 125: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

109

dürfte, denn anderenfalls wären die – nach dem Maßnahmebescheid und

der Regelung des Art. 399 II VE ZGB, wenn auch mit Zustimmung des

Beistandes erlaubten – Geschäfte faktisch doch nicht möglich, da die für

ihre Wirksamkeit notwendige Genehmigung des Beistandes von diesem

nicht erteilt werden könnte.

Wenn die jeweilige Mitwirkungsbeistandschaft sich also auch auf die

verbotenen Geschäfte bezöge, könnte der der Beistand diesen zustimmen;

wenn sich die Beistandschaft jedoch nicht darauf bezöge, stellt sich die

Frage nach der Erlaubnis zur Mitwirkung nicht, weil der Beistand hier gar

nicht zustimmen müsste, damit das Geschäft wirksam würde. Das Verbot

des Art. 412 ZGB-E bezöge sich somit nur auf Vertretungshandlungen des

Beistandes, nicht jedoch auf seine Genehmigungen.

c. Praktische Möglichkeiten von Schenkungen aus dem

Betroffenenvermögen

Der Beistand wäre bei der Vornahme einer Schenkung insbesondere an die

Grenzen des Art. 412 I ZGB-E gebunden. Hieraus resultiert, dass er

unübliche Schenkungen oder solche, die keine Gelegenheitsschenkungen

sind, aus dem Vermögen des Betroffenen nicht wirksam tätigen könnte.

Dies hat zur Folge, dass aus dem Vermögen des Betroffenen nur dann

Schenkungen über die Grenzen des Art. 412 I ZGB-E hinaus getätigt

werden könnten, wenn der Betroffene hierzu selbst in der Lage sein sollte.

(1) Begleitbeistandschaft

Der äußerungsfähige Betroffene, der zu eigenverantwortlichem Handeln in

der Lage ist, könnte sämtliche Geschäfte und damit auch Schenkungen

tätigen, die ihm beliebten. Selbst umfangreiche Schenkungen an seinen

Beistand wären rechtlich möglich, allerdings müsste dann die

Erwachsenenschutzbehörde ihre Zustimmung erteilen, Art. 416 III ZGB.

Soweit der Betroffene allerdings nicht äußerungsfähig oder nicht in der

Lage ist, eigenverantwortlich zu handeln, böte die Begleitbeistandschaft

keinerlei Hilfestellung; eine Schenkung, gleich welchen Umfangs und

welcher Natur, wäre schlicht nicht (mehr) möglich. Für solche Fälle wäre

dann allerdings eine andere Form der Beistandschaft anzuordnen, da der

Betroffene sonst nicht mehr am Rechtsverkehr teilnehmen könnte.

Page 126: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

110

(2) Mitwirkungsbeistandschaft

Soweit eine vorzunehmende Schenkung dem Anordnungsbereich der

Mitwirkungsbeistandschaft unterfiele, wäre diese nur noch mit Hilfe des

Beistandes möglich. Wie der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung

noch einmal klargestellt hat504, könnte sich nämlich die

Mitwirkungsbeistandschaft auch auf Geschäfte nach Art. 412 I ZGB-E

beziehen. Wenn der Maßnahmebescheid sich somit auch auf die

vorzunehmende Schenkung bezöge, wäre der Beistand nicht daran

gehindert, auch unüblichen Schenkungen oder solchen Schenkungen, die

keine Gelegenheitsschenkungen sind, durch seine Genehmigung zur

Wirksamkeit zu verhelfen505; es sei denn, ihm wäre wegen

Interessenkollision durch Art. 403 II ZGB-E die Handlungsbefugnis

entzogen. Zusammen mit seinem Beistand könnte der Betroffene somit

grundsätzlich beliebige Schenkungen tätigen, ohne dass er etwa durch Art.

412 ZGB-E daran gehindert wäre.

Wäre der Betroffene jedoch urteilsunfähig oder könnte er aus

tatsächlichen Gründen keine Rechtsgeschäfte vornehmen, könnte auch der

Mitwirkungsbeistand nicht für die Vornahme einer Schenkung sorgen.

Seine Vertretungsbefugnis beschränkte sich nämlich auf

Zustimmungshandlungen zu Geschäften des Betroffenen. Eine eigene

Vertretungsbefugnis besäße er nicht506. Auch in diesem Fall wäre jedoch

eine andere Form der Beistandschaft anzuordnen, da anderenfalls der

Betroffene nicht (mehr) am Rechtsverkehr teilnehmen könnte.

(3) Vertretungsbeistandschaft

Auch im Rahmen der Vertretungsbeistandschaft wäre der Betroffene nicht

in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt, so dass er grundsätzlich selbst

alle ihm beliebenden Schenkungen wirksam vornehmen könnte, soweit er

504 Botschaft, S. 7054 505 vgl. oben § 4 III 4 c; auch erhebliche Schenkungen sollen dem Betroffenen zugänglich

sein, wenn dies im Maßnahmebescheid ausdrücklich vorgesehen ist, vgl. Bericht 1998,

S. 36 506 vgl. oben § 4 III 3 a (3)

Page 127: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

111

hierzu tatsächlich in der Lage sein sollte. Fehlte dem Betroffenen jedoch

die notwendige Fähigkeit, eigenverantwortlich zu handeln, so müsste

insoweit der Beistand für ihn tätig werden. Dieser wäre jedoch an Art. 412

I ZGB-E gebunden.

Kleine karitative Schenkungen etwa oder unerhebliche

Gelegenheitsschenkungen könnte der Beistand dabei jederzeit vornehmen,

da hierin lediglich eine kleine, durch Sitte und Anstand geforderte Gabe

des täglichen Lebens zu sehen wäre, die nicht unter das Verbot des

Art. 412 I ZGB-E fiele. Große karitative Schenkungen (so weit sie beim

Betroffenen nicht üblich waren), Hofübergaben und sonstige größere

Schenkungen im Wege vorweggenommener Erbfolge wären jedoch nicht

möglich, da dem das Schenkungsverbot entgegenstünde. Auch könnte der

Beistand keinerlei Schenkungen – auch keine üblichen

Gelegenheitsschenkungen – aus dem Vermögen des Betroffenen an sich

selbst vornehmen, da ihm Art. 403 II ZGB-E insoweit jegliche Befugnisse

entzöge. Hier wäre nötigenfalls ein Ersatzbeistand zu bestellen, Art. 403 I

ZGB-E.

(4) Umfassende Beistandschaft

Bei der umfassenden Beistandschaft wären nur noch Schenkungen

innerhalb der Grenzen des Art. 412 I ZGB-E möglich. Denn die

verbeiständete Person selbst wäre kraft Gesetzes handlungsunfähig, Art.

398 III ZGB-E, nur noch der Beistand könnte wirksam für sie handeln.

Dessen Handlungsspielraum wäre aber durch das Schenkungsverbot

beschränkt. Es bliebe daher allenfalls die Möglichkeit von üblichen

Gelegenheitsschenkungen durch den Beistand.

5. Zwischenergebnis

Auch der schweizerische Gesetzgeber will mit der Reform seines

Vormundschaftsrechts der Selbstbestimmung der Betroffenen möglichst

breiten Raum lassen. Es soll daher ein flexibles Maßnahmenpaket an die

Stelle starrer Rechtsinstitute treten507. Im neuen Recht sind vier Arten der

507 oben, § 4 III 2

Page 128: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

112

Beistandschaft vorgesehen, die die rechtliche Handlungsfähigkeit der

Betroffenen unterschiedlich stark beschränken: die Begleitbeistandschaft,

die Vertretungsbeistandschaft, die Mitwirkungsbeistandschaft und die

umfassende Beistandschaft. Der Beistand hätte die Aufgabe, das Wohl

und den Schutz des Betroffenen sicherzustellen. Dabei hätte er möglichst

auf die Meinungen und die Wünsche des Betroffenen Rücksicht zu

nehmen508.

Wie im Deutschen und im Österreichischen Recht bedürfte auch der

Beistand – zum Schutz des Betroffenen vor Missbrauch – für die

Wirksamkeit einer Reihe von Geschäften der zusätzlichen Genehmigung

der Aufsichtsbehörde509. Auch Rechtsgeschäfte zwischen Betroffenem

und Beistand bedürften einer solchen Genehmigung, Art. 416 III ZGB-E.

Insichgeschäfte wären dem Beistand verboten510. Auch Schenkungen

wären dem Beistand untersagt, soweit es sich nicht um übliche

Gelegenheitsschenkungen handelte511.

Dies hätte zur Folge, dass Schenkungen aus dem Vermögen des

Verbeiständeten nur vorgenommen werden könnten, wenn es übliche

Gelegenheitsschenkungen sein sollten oder der Betroffene insoweit

rechtlich handlungsfähig wäre und sie selbst vornähme512.

IV. Vergleich

1. Die neuen Systeme des Erwachsenenschutzes

Die Beweggründe für die Abschaffung der Vormundschaft und

Einrichtung neuer Rechtsinstitute an ihrer Stelle waren in Deutschland,

Österreich und der Schweiz übereinstimmend vor allem die

diskriminierende und stigmatisierende Wirkung der Entmündigung

insbesondere aufgrund der rechtlichen Gleichbehandlung der erwachsenen

Betroffenen mit Kindern und die fehlende Flexibilität dieses

508 oben, § 4 III 3 b 509 oben, § 4 III 3 c 510 oben, § 4 III 3 c 511 oben, § 4 III 4 512 oben, § 4 III 4 c

Page 129: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

113

Rechtsinstituts. Statt individueller Maßnahmen, die sich an den

Problemen, aber auch an den verbliebenen Fähigkeiten der Betroffenen

orientierten, standen lediglich die Beschränkung der Handlungsfähigkeit

der Entmündigten und Bestellung eines Vormunds, der künftig mehr oder

weniger selbstständig anstelle der Betroffenen für diese handelte. Gerade

im Hinblick auf die Freiheits- und Menschenrechte der Betroffenen wurde

diese weitgehende Entrechtung der Betroffenen als nicht mehr zeitgemäß

und damit als unhaltbar erkannt.

Die neuen Rechtsinstitute sollten daher der persönlichen Freiheit der

Betroffenen möglichst breiten Raum lassen und nur dort deren Rechte

beschneiden, wo es im Hinblick auf deren eingeschränkte

Eigenverantwortlichkeit zu deren Schutz unvermeidlich war513. Anstatt

dem Vormund weitgehende Bestimmungsbefugnisse einzuräumen, sollte

den Wünschen der Betroffenen wesentlich breiterer Raum gelassen

werden. Wo ein eigener Wille514 des Betroffenen feststellbar war, sollte

kein Platz für entgegenstehendes Betreuerhandeln sein. Der Betreuer hatte

selbst Wünsche des Betroffenen stets zu beachten, soweit das

Betroffenwohl einem solchen Vorgehen nicht entgegenstand. Dabei sollte

in Deutschland das Betroffenenwohl künftig subjektiv bestimmt werden.

Der Betreuer musste den Betroffenenwünschen somit nachkommen, so

lange diese nicht Folge und Ausdruck der eingeschränkten

Eigenverantwortlichkeit des Betroffenen waren. Nur wenn das so

verstandene Betroffenenwohl dem Wunsch entgegenstand, durfte der

Betreuer sich über diesen hinwegsetzen und eine andere Entscheidung

treffen. An die Stelle der weitgehenden Selbstständigkeit des Vormunds

513 Deutschland: BT-Drs. 11/4528, S. 49; Schwab, Referat, K 9, K 42-43, Kollmer, S. 6;

Österreich: Schauer, ÖNotZ 1983, 49, 50; Ent/Hopf, Einführung, S. 25; Schwind, in:

Ehrenzweig, S. 207; Schweiz: Botschaft, S. 7011f.; Bericht 2003, S. 2; vgl. auch Art. 21

ZGB-VE 1998; Bericht 1995, S. 49; Reusser, ZVW 2003, 179, 180; Schnyder, ZVW

1992, 156, 165 514 nicht zu verwechseln mit dem „Wunsch“ des Betroffenen, der möglicherweise gerade

nicht dem eigenverantworteten Willen des Betroffenen entspricht und deshalb nicht in

jedem Fall beachtet zu werden braucht, für das deutsche Recht: § 1901 III BGB, für das

österreichische Recht: § 273a III ABGB und für das schweizer Recht: Art. 406 I ZGB-E

Page 130: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

114

trat somit die Bindung des Betreuers an den Willen und die Wünsche des

Betroffenen.

Der Betroffene hat somit nunmehr grundsätzlich auch das Recht,

unvernünftige Dinge zu tun, da sein Handeln nicht mehr auf seinen Inhalt

hin überprüft wird, sondern nur noch im Hinblick auf die Frage, ob es

seinem selbstbestimmten Willen entspricht.

Während in Deutschland und der Schweiz mit der Einrichtung einer

Betreuung nicht automatisch der Verlust der Handlungsfähigkeit

verbunden ist - diese muss erst durch zusätzliche Anordnungen beschränkt

werden - geht in Österreich mit der Anordnung der Sachwalterschaft auch

stets die Einschränkung der Handlungsfähigkeit einher. Begründet wird

diese Regelung mit dem Sicherheitsbedürfnis des Rechtsverkehrs515. Die

Schweiz sieht demgegenüber ähnlich wie das deutsche Recht die

Möglichkeit vor, dem Betroffenen trotz Anordnung eines Beistandes die

Handlungsfähigkeit vollständig oder teilweise zu belassen.

Das deutsche und das geplante Schweizer Recht belassen den Betroffenen

trotz angeordneter Betreuung daher grundsätzlich den weitesten

Handlungsspielraum: Solange kein Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB)

bzw. die Einschränkung der Handlungsfähigkeit (Art. 394 II ZGB-E bzw.

Art. 396 II, 398 III ZGB-E) ausdrücklich angeordnet ist, kann der

Betroffene, soweit er nicht natürlich handlungsunfähig ist, in vollem

Umfang wirksam neben dem Betreuer Rechtsgeschäfte tätigen. Wenn aber

ein Einwilligungsvorbehalt bzw. die Beschränkung der

Handlungsfähigkeit angeordnet ist, so ergeben sich praktisch keine

Unterschiede mehr zwischen den hier untersuchten nationalen

Erwachsenenschutzrechten.

Weitere Gemeinsamkeit der drei Rechtsordnungen sind die übrigen

Kontrollinstrumente, mit denen ein Missbrauch der Vertretungsmacht

verhindert werden soll. Für Geschäfte, die als wichtig oder gefährlich

eingestuft werden, ist ein zusätzlicher gerichtlicher bzw.

aufsichtsbehördlicher Genehmigungsvorbehalt angeordnet516. Ein

515 Ent/Hopf, § 273a ABGB RV 18f. 516 Deutschland: § 4 I 3 c (2) aa; Österreich: § 4 II 2 e (2); Schweiz: § 4 III 3 c

Page 131: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

115

Kontrahieren mit sich selbst oder nahen Angehörigen ist den Betreuern

jeweils untersagt517, Schadensersatzansprüche des Betroffenen gegen den

Betreuer bei dessen Pflichtverletzungen und dessen mögliche Strafbarkeit

runden den Kreis der Schutzinstrumente ab518.

2. Schenkungen nach neuem Recht

So großzügig Deutschland und die Schweiz den Betroffenen im Gegensatz

zu Österreich Handlungsspielräume zubilligen, so streng sind beide

Länder bei der Behandlung von Schenkungen. Im Grunde haben nämlich

diesbezüglich alle hier untersuchten Rechtsordnungen ihre bisherigen

Regelungen im Wesentlichen beibehalten. In Österreich ist für

Schenkungen außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes weiterhin

lediglich die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich,

während in Deutschland und der Schweiz die Schenkungsverbote des

§ 1804 BGB und Art. 408 ZGB mit leichten Abwandlungen ins neue

Recht übernommen wurden bzw. werden. Allerdings ergäbe sich in der

Schweiz ein Unterschied zur alten Rechtslage. Denn nunmehr wäre, so

weit durch den Maßnahmebescheid ein Zustimmungserfordernis des

Beistands begründet wird, dieser nicht mehr an das Schenkungsverbot

gebunden, sondern könnte jeglichen Schenkungsgeschäften seine

Zustimmung erteilen. Der Spielraum für Schenkungen aus dem Vermögen

der Betroffenen würde somit in der Schweiz größer, während er in

Deutschland im Wesentlichen gleich geblieben ist. Während der deutsche

Betreuer auch bei Genehmigungshandlungen im Rahmen eines

angeordneten Einwilligungsvorbehalts an die §§ 1804, 1908i II BGB

gebunden ist und somit Schenkungen, die keine Gelegenheits-, Sitten oder

Anstandsschenkungen sind, nicht zur Wirksamkeit verhelfen kann, wäre

es dem Schweizer Beistand auch bei beliebigen Schenkungen möglich,

seine Zustimmung zu erteilen, ohne insoweit durch das Schenkungsverbot

betroffen zu sein.

517 Deutschland: § 4 I 3 c (2) bb; Österreich: § 4 II 2 e (1); Schweiz: § 4 III 3 c 518 Deutschland: § 4 I 3 c (2) cc; Österreich: § 4 II 2 e; Schweiz: § 4 III 3 c

Page 132: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

116

In Österreich sind dagegen grundsätzlich sämtliche denkbaren

Schenkungsgeschäfte möglich. Diese519 bedürfen allenfalls der

vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, so weit sie über den

ordentlichen Wirtschaftsbetrieb hinausgehen. In der Schweiz wären

Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter nur dann uneingeschränkt

möglich, wenn sie von den urteilsfähigen Betroffenen selbst

vorgenommen würden. Gegebenenfalls wäre zusätzlich die Genehmigung

des Beistands erforderlich und bei einigen – vom Gesetzgeber als wichtig

oder gefährlich angesehenen – Geschäften außerdem die weitere

Genehmigung der Vormundschaftsbehörde einzuholen. Schenkungen

allein durch den Beistand, die keine üblichen Gelegenheitsschenkungen

sind, wären demgegenüber nicht möglich.

In Deutschland schließlich sind Schenkungen aus dem

Betroffenenvermögen nur dann möglich, wenn die Betroffenen hierfür die

notwendige Geschäftsfähigkeit besitzen und kein Einwilligungsvorbehalt

angeordnet ist. Sobald jedoch ein solcher Einwilligungsvorbehalt

angeordnet ist, die Handlungsfähigkeit des Betroffenen also beschränkt

wurde, sind aus seinem Vermögen nur noch Gelegenheits-, Anstands- und

Sittenschenkungen möglich. Gleiches gilt für den Fall, dass der Betroffene

nicht mehr äußerungsfähig oder aus sonstigen Gründen daran gehindert

ist, die Schenkungen selbst vorzunehmen.

3. Zwischenergebnis

Die persönliche Freiheit der Betroffenen wird in den untersuchten

Rechtssystemen bei Anordnung einer Fürsorgemaßnahme unterschiedlich

stark beschränkt. Während in Österreich mit der Anordnung einer

Sachwalterschaft stets die Beschränkung der Handlungsfähigkeit des

Betroffenen einhergeht, ist dies in der Schweiz nicht automatisch

vorgesehen, sondern bedürfte der ausdrücklichen Anordnung, wobei dies

sogar so weit gehen könnte, dass dem Betroffenen die rechtliche

Handlungsfähigkeit durch Anordnung einer umfassenden Beistandschaft

519 und auch die Genehmigungen des Sachwalters zu solchen des Betroffenen selbst, vgl.

§ 154 III 1 ABGB

Page 133: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 4 – Reformen der Vormundschaftsrechte

117

gänzlich entzogen wird. In Deutschland hingegen ist allenfalls die

Beschränkung der Handlungsfähigkeit durch gesonderte Anordnung eines

Einwilligungsvorbehalts möglich. Ein vollständiger Entzug ist hier nicht

vorgesehen. Verkürzt gesagt sind die Betroffenen in den drei

Rechtsordnungen somit unterschiedlich stark in ihrer allgemeinen

rechtlichen Handlungsfähigkeit beschränkt, in Österreich am stärksten, in

Deutschland am schwächsten.

Die Regelungen zu Schenkungen aus dem Vermögen der Betroffenen

erfolgten demgegenüber genau in die jeweils umgekehrte Richtung.

Österreich gewährt hier insoweit den größten Spielraum, indem es zwar

dem Betroffenen bei Anordnung einer Sachwalterschaft stets die

Handlungsfähigkeit beschränkt, aber im Hinblick auf Schenkungen

sowohl durch den Betroffenen selbst als auch durch den Sachwalter nur

für bestimmte Schenkungen einen gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt

anordnet. Demgegenüber zieht Deutschland den Kreis möglicher

Schenkungen am engsten, indem es den Großteil erheblicher Schenkungen

durch den Betreuer gänzlich verhindert. Je großzügiger die

Rechtsordnungen somit den Betroffenen ihre allgemeine rechtliche

Handlungsfähigkeit belassen, desto rigider sind die Verbotsvorschriften im

Hinblick auf Schenkungen aus ihrem Vermögen durch die gesetzlichen

Vertreter. Es stellt sich somit die Frage, ob das Festhalten des deutschen

Gesetzgebers am bisherigen Schenkungsverbot eine systembedingte

Notwendigkeit oder lediglich ein überflüssiges Beibehalten einer

überholten Regelung darstellt.

Page 134: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

118

§ 5 Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

Seit einiger Zeit wird an dem Schenkungsverbot von verschiedenen Seiten

Kritik geübt. Es sei unnötig und überholt und werde den Interessen der

Betroffenen nicht gerecht520. Holzhauer521 verweist darauf, dass es wegen

des Rückgangs und des Funktionsverlusts der Familie nicht mehr so

selbstverständlich wie früher mit der Familienerbfolge gerechtfertigt

werden könne, wenn der alte Mensch, der rechtlich an Dispositionen über

sein Vermögen gehindert sei, es aufgrund des Schenkungsverbotes

unabänderlich seinen gesetzlichen Erben hinterlasse. Die Vermutung, dass

die gesetzliche Erbfolge dem Willen des Erblassers entspreche, sei mit

zunehmender verwandtschaftlicher Entfernung außerdem immer weniger

begründet. Das Verbot müsse daher etwa dadurch gelockert werden, dass

die tatbestandlichen Voraussetzungen des Schenkungsverbots enger

ausgelegt werden522.

Canaris523 sieht vor allem beim Verbot von karitativen oder religiösen

Spenden einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht als

gegeben an. Auch in geschichtlicher Hinsicht bilde dieses Verbot einen

Kontrast zur früheren europäischen Rechtssitte des Seelgeräts524, wonach

ein Teil des Nachlasses ad pias causas bestimmt wurde525.

Lipp526 sieht in seiner Kritik am Schenkungsverbot vor allem einen

Verstoß gegen das Gleichheitsgrundrecht als gegeben an, da das

Schenkungsverbot dem Betroffenen sein durch Art. 1 I 2, 3 I GG 520 Böhmer, MittBayNot 1996, 405, 410 521 Holzhauer, FamRZ 2000, 1063, 1065 522 Erman/Holzhauer, § 1908i BGB Rn. 38; dieser schlägt hierzu vor, Schenkungen im

Rahmen der vorweggenommene Erbfolge sowie Zuwendungen an Angehörige und

karitative Zuwendungen vom Schenkungsverbot auszunehmen. Dies soll insbesondere

dann erfolgen, wenn der geschäftsunfähige Betroffene das jeweilige wirtschaftliche Ziel

seinem Betreuer deutlich machte. Wie diese Auslegung jedoch mit dem Wortlaut der §§

1804, 1908i II 1 BGB in Einklang gebracht werden soll, wird nicht erläutert. 523 Canaris, JZ 1987, 993, 999 524 Hattenhauer, S. 132 525 Holzhauer, FamRZ 2000, 1063, 1065; Erman/Holzhauer, § 1908i BGB Rn. 38 526 Lipp, S. 163f.

Page 135: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

119

garantierten Anspruch auf vollständige Herstellung seiner Rechtsperson

verwehre.

Das Schenkungsverbot der §§ 1804, 1908i II BGB nimmt innerhalb des

übrigen Betreuungsrechts eine Sonderstellung ein. Denn dieses entzieht

dem Betroffenen im Falle der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts

die Möglichkeit, einen bestimmten Kreis von Geschäften überhaupt noch

vornehmen zu können – weder durch eigenes Handeln, noch durch eine

Vertretungshandlung seines Betreuers sind diese Geschäfte fortan

möglich. Schenkungen aus seinem Vermögen, die keine Pflicht-,

Anstands- oder Gelegenheitsschenkungen sind, sind gänzlich verboten. Es

stellt sich daher zunächst die Frage, inwieweit ein solches Verbot mit der

Gesetzessystematik des neuen Betreuungsrechtes im Einklang steht. Dies

wird daher im Folgenden zuerst untersucht.

Darüber hinaus stellt ein solches Verbot bestimmter Geschäfte zweifelsfrei

einen erheblichen Eingriff in die Freiheitsrechte des Betroffenen dar.

Dieser Eingriff soll daher in einem zweiten Schritt auf seine

verfassungsrechtliche Zulässigkeit überprüft werden. Im Rahmen der

Prüfung wird dabei insbesondere auf die Frage einzugehen sein, warum

ausgerechnet die Schenkung einer solchen Sonderbehandlung des

Gesetzgebers bedarf, während sämtliche anderen denkbaren

Rechtsgeschäfte nicht mit einem derartigen Verbot belegt sind.

I. Betreuungsrechtlicher Systembruch durch das Schenkungsverbot ?

Das Schenkungsverbot wurde unverändert aus dem alten

Vormundschaftsrecht übernommen. Die unveränderte Beibehaltung einer

solchen Regelung bei einem umfassenden Systemwechsel im Übrigen

führt naturgemäß zu Problemen. Denn die dogmatische Struktur der

Betreuung unterscheidet sich – wie gesehen – nicht unerheblich von der

der Vormundschaft.

1. Das Schenkungsverbot im Lichte der Ziele des BtG

a. Stärkung der Selbstbestimmung der Betroffenen

Mit dem Schenkungsverbot wird einem Teil der Betroffenen weiterhin die

Möglichkeit vorenthalten, Schenkungen aus ihrem Vermögen

Page 136: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

120

vorzunehmen. Soweit nämlich ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist,

sind Schenkungen über die Grenzen der §§ 1908i I 2, 1804 BGB hinaus

nicht möglich, selbst wenn die Betroffenen – z.B. im Zuge eines sog.

„lichten Moments“ – einen entsprechenden selbstbestimmten Willen

äußern527.

Aber auch wenn die Betroffenen den – an sich beachtlichen – Wunsch

nach der Vornahme der Schenkung äußern oder bereits vor der Anordnung

der Betreuung geäußert haben, ist der Betreuer daran gehindert, diesem

Wunsch über die Grenzen der §§ 1908i II 1, 1804 BGB hinaus

nachzukommen. Bestimmte Rechtsgeschäfte (Schenkungen, die keine

Sitten-, Anstands- oder Gelegenheitsschenkungen sind) sind den

Betroffenen auch im neuen Betreuungsrecht verwehrt.

Vor dem Hintergrund, dass das Hauptziel der Reform die Stärkung der

Selbstbestimmung der Betroffenen war, überrascht das Festhalten am

Verbot einer bestimmten Form von Rechtsgeschäften. Für die Betroffenen

geht die Reform somit in punkto Schenkungsgeschäften nicht mit einer

Stärkung ihrer Selbstbestimmung einher. Denn das Recht auf

Selbstbestimmung muss selbstverständlich auch das Recht umfassen,

beliebige Rechtsgeschäfte vornehmen zu dürfen. Das Recht der

Betroffenen auf Selbstbestimmung wird aber weiterhin dadurch

beschränkt, dass ihnen in vielen Fällen weiterhin Schenkungsgeschäfte

nicht offen stehen.

Das Hauptziel der Reform, der Stärkung der Selbstbestimmung, wird in

punkto Schenkungen somit nicht erreicht.

b. Subsidiaritätsgrundsatz

Ein weiteres Ziel des neuen Betreuungsrechts war die Einführung des

Subsidiaritätsprinzips. Betreuung sollte nicht an die Stelle noch

vorhandener Fähigkeiten treten, sondern vielmehr auf den jeweiligen

Hilfe- bzw. Betreuungsbedarf flexibel reagieren528.

527 oben, § 4 I 3 d (2) 528 Bienwald, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Einführung Rn. 6

Page 137: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

121

Das Schenkungsverbot ist in seiner Anwendung jedoch weitestgehend

starr, da unabhängig von den jeweiligen individuellen Verhältnissen des

konkret Betroffenen ein Großteil grundsätzlich möglicher Schenkungen

untersagt wird. Hierüber vermag auch die neu eingeführte Regelung des

§ 1908i II 1 BGB nicht hinwegzuhelfen, da diese lediglich

Gelegenheitsschenkungen vom Verbot ausnimmt529. Das

Schenkungsverbot vermag mithin nicht, auf den konkreten Hilfebedarf des

jeweils Betroffenen flexibel zu reagieren.

Aber auch im Hinblick auf die Achtung verbliebener Fähigkeiten des

Betroffenen stellt das Schenkungsverbot eine problematische Regelung

dar. Denn nicht einmal ein eigenverantwortlicher Wille des Betroffenen

kann bei gleichzeitiger Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts etwas

am Verbot einer Schenkung ändern, die keine Pflicht-, Anstands- oder

Gelegenheitsschenkung ist. Nun ist aber erkennbar bei Vorliegen eines

eigenverantwortlichen Willens des Betroffenen allenfalls Hilfebedarf bei

der Durchführung der Schenkung vorhanden, nicht aber bei ihrer

Vornahme. Die Verhinderung einer solchen Schenkung stellt

demgegenüber nicht die Kompensation eines tatsächlich vorhandenen

Hilfe- oder Betreuungsbedarfs dar, sondern deren Gegenteil. Die noch

vorhandene Fähigkeit des Betroffenen zur Vornahme der gewollten

Schenkung läuft vielmehr leer. Betreuung tritt nicht nur an die Stelle noch

vorhandener Fähigkeiten, sie unterbindet vielmehr Geschäfte gänzlich, zu

denen der Betroffene eigentlich noch fähig ist.

Das Schenkungsverbot ist mithin im Wesentlichen unflexibel und

schneidet noch vorhandene Fähigkeiten der Betroffenen ab.

c. Abschaffung der rechtlichen Gleichbehandlung mit Kindern

Die betreuungsrechtliche Vorschrift des § 1908i II 1 BGB verweist auf

§ 1804 BGB – der unverändert gebliebenen Schenkungsvorschrift für die

Vormundschaft über Minderjährige530.

529 oben, § 4 I 3 530 oben, § 3 I 4 a

Page 138: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

122

Ein weiteres Reformziel war die Abschaffung der im Entmündigungsrecht

praktizierten rechtlichen Gleichbehandlung von hilfebedürftigen

Erwachsenen mit erziehungsbedürftigen Kindern, da diese von den

Betroffenen als entwürdigend empfunden wurde. Mit dem Verweis des

§ 1908i II 1 BGB auf den § 1804 BGB, der Schenkungsvorschrift des

Vormundschaftsrechts über Minderjährige, behält auch das reformierte

Recht in dieser Hinsicht die Gleichstellung von erwachsenen

Hilfebedürftigen mit erziehungsbedürftigen Kindern bei – und dies

obwohl im Minderjährigenrecht bei der Vermögenssorge die Grundsätze

von Vermögenserhaltung und -mehrung im Vordergrund stehen531. Denn

im Sinne des Förderungsprinzips gilt es, die Schaffung bestmöglicher

Startchancen des Minderjährigen beim Eintritt in die Volljährigkeit zu

gewährleisten; sein Vermögen soll dem Vertretenen dann möglichst

ungeschmälert zur Verfügung stehen532. Schließlich ist bei einem Kind

absehbar, dass es eines Tages im Hinblick auf vermögensrechtliche Fragen

zu selbstbestimmten Entscheidungen in der Lage ist – aus Sicht des

Gesetzgebers mit der Volljährigkeit. Entscheidungen gerade in

vermögensrechtlicher Hinsicht sollen dem Kind – dem später zur

Selbstbestimmung fähigen Erwachsenen – möglichst nicht aus der Hand

genommen, sondern für die spätere Zeit der Selbstbestimmung

aufgehoben werden, so dass es dann die ihm beliebenden Entscheidungen

frei treffen kann. Anders liegt die Sache nur bei den von § 1804 BGB

vorgesehenen Ausnahmen. Denn hier gebietet die Erziehungs- und

Förderungsfunktion gerade die Schenkung, da anderenfalls – im Fall der

nicht erfolgenden Schenkung - dem Mündel ein Nachteil erwachsen

würde. Denn etwa im Fall der nicht erfolgenden Anstandsschenkung wäre

für das Mündel ein Ansehensverlust seiner sozial gleichgestellten Kreise

die drohende Folge. Das Mündel würde also eines Tages mit geringem

öffentlichen Ansehen in die Volljährigkeit entlassen.

Alle diese Gründe für die Einführung eines Schenkungsverbots im

Rahmen der Altersvormundschaft gelten jedoch nicht für die

531 RGZ 137, 320, 323 532 Staudinger/Engler § 1793 BGB Rn. 17

Page 139: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

123

Vermögensverwaltung im Rahmen einer Betreuung. Denn im Gegensatz

zum Minderjährigen muss der Erwachsene nicht mehr erzogen werden. Er

hat häufig bereits ein selbstbestimmtes Leben hinter sich, eine eigene

Biographie sowie eigene Ansichten und Vorstellungen davon entwickelt,

wie er sein Leben gestalten möchte. Ob er Wert auf Achtung und

Anerkennung innerhalb seiner sozial gleichgestellten Kreise legt, hängt

allein von ihm und seiner Persönlichkeit ab.

Es entspricht vielmehr regelmäßig dem Willen und dem Wunsch gerade

der älteren Betroffenen, ihren Lebensabend zu genießen. In Anbetracht

dessen, dass die verbliebene Lebenserwartung in solchen Fällen nicht

übermäßig groß ist, besteht überhaupt kein Grund, das Vermögen um

jeden Preis zu verwalten und zu mehren. Der Betroffene hat vielmehr allen

Grund, sein eigenes Vermögen für sich so zu verwenden, wie es ihm

beliebt. Gute Gründe für die Vornahme von Schenkungen wurden

außerdem bereits in der Einleitung genannt533. So weit der mögliche

Pflegebedarf des älteren Betroffenen gesichert ist, ist somit kein Grund

ersichtlich, warum sein Vermögen ihm um jeden Preis erhalten werden

muss534.

So sinnvoll und notwendig das Schenkungsverbot innerhalb einer

Vormundschaft über Erwachsene und einer solchen über Minderjährige

daher auch war bzw. immer noch ist, so wenig taugen die hierfür

gefundenen Begründungen im Rahmen einer Betreuung über einen

Erwachsenen.

Obwohl bei der Einführung des Betreuungsrechts erkannt wurde, dass die

Gleichbehandlung von erwachsenen Hilfebedürftigen mit

erziehungsbedürftigen Kindern von ersteren als demütigend empfunden

wird, behielt man eine solche rechtliche Gleichbehandlung von

Erwachsenen und Kindern bei Schenkungen weiterhin bei.

533 oben, § 1 534 Erman/Holzhauer, § 1908i BGB Rn. 38

Page 140: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

124

2. Vereinbarkeit des Schenkungsverbots mit dem Grundsatz der

subjektiven Wohlbestimmung

Es tritt hier noch ein weiterer, schwererwiegender Systembruch hinzu.

Denn die (objektive) Regelung des Schenkungsverbots der §§ 1908i II,

1804 BGB steht im Widerspruch zu den bereits dargestellten535

Grundsätzen der subjektiven Bestimmung des Betreutenwohls. Während

nämlich ansonsten bei allen Maßnahmen des Betreuers auf das subjektiv

zu bestimmende Betreutenwohl abzustellen ist, entscheiden bei der

Zulässigkeit von Schenkungen weiterhin objektive Kriterien wie „Sitte“

und „Anstand“. Auf den ausdrücklich geäußerten oder mutmaßlichen

Wunsch des Betroffenen kommt es insoweit nicht an. Es ist schlicht

irrelevant, ob der Betroffene die vorzunehmende Schenkung selbst

vorgenommen hätte, wenn er denn könnte536. Selbst der frei bestimmte

Wille, der in einem lichten Moment vom Betroffenen geäußert wird, spielt

bei einem angeordneten Einwilligungsvorbehalt keine Rolle mehr.

Daran vermag auch die Lockerung des Schenkungsverbots durch die

Regelung des § 1908i II 1 BGB nichts zu ändern, wonach der Wunsch des

Betroffenen immerhin bei Gelegenheitsgeschenken Beachtung findet. Wie

oben gesehen537 ist nämlich der Kreis möglicher Gelegenheitsgeschenke

objektiv begrenzt, so dass der Wunsch des Betroffenen lediglich dann

beachtet wird, wenn er sich innerhalb des objektiven Rahmens des § 1908i

II 1 BGB hält. Geht er darüber hinaus – indem er auf ein Geschenk,

welches kein Gelegenheitsgeschenk ist, oder welches den Rahmen der

beim Betroffenen üblichen Lebensverhältnisse sprengt – so ist er

unbeachtlich.

Die Wirksamkeit der Schenkung des Betreuers aus dem

Betreutenvermögen bzw. dessen Zustimmung zu einer solchen des

Betroffenen selbst hängt somit nur davon ab, ob es sich um eine Sitten-,

Anstands- oder Gelegenheitsschenkung handelt. Liegt eine solche nicht

vor, ist die Schenkung unheilbar nichtig. Die vom Betreuten

535 oben, § 4 I 3 b (2) bb 536 Bobenhausen, BtPrax 1994, 158, 161 537 oben, § 4 I 3 b

Page 141: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

125

möglicherweise im Laufe seines Lebens entwickelten Vorstellungen von

Sitte und Anstand sind dabei ebenfalls unbeachtlich.

Das Selbstbestimmungsrecht, welches mit Einführung des

Betreuungsrechts gesichert werden sollte, wird durch das

Schenkungsverbot somit eingeschränkt.

II. Systematische Begründung des Schenkungsverbots

Solche Ausnahmen bzw. Systembrüche durch die Beibehaltung des

Schenkungsverbots wird der Gesetzgeber des BtG zweifelsfrei nicht

grundlos in Kauf genommen haben. Eine ausdrückliche Begründung des

Schenkungsverbots im Rahmen des Erwachsenenschutzes liefern die

Gesetzesmaterialien zum BtG gleichwohl nicht. Vielmehr wird

eingeräumt, dass das Schenkungsverbot bereits unter dem alten

Entmündigungsrecht vielfach als zu eng empfunden wurde538. Anstatt es

jedoch abzuschaffen, entschied man sich für eine „vorsichtige

Erweiterung“ der Schenkungsmöglichkeiten539. Es muss daher zunächst

auf den Normzweck innerhalb des alten Vormundschaftsrechts

zurückgegriffen werden.

Schenkungen lägen zum einen außerhalb des Zwecks der

Vermögensverwaltung des Mündels, zum anderen gälte es, den Mündel zu

schützen540. Für das Betreuungsrecht wird über diese Gründe hinaus

vertreten, dass die fraglichen Schenkungen generell gegen das Wohl der

Betroffenen verstießen541.

1. Verstoß gegen den Zweck der Vermögensverwaltung

Für das Vormundschaftsrecht wurde begründet, dass es Aufgabe des

gesetzlichen Vertreters sei, das Betroffenenvermögen zu erhalten und

nicht zu verschenken542. Diese Begründung wird zum Teil auch für das

Betreuungsrecht aufrechterhalten543.

538 BT-Drucks. 11/4528, S. 160 539 ebenda 540 Mot., in: Mugdan IV, S. 1106f. 541 Böhmer MittBayNot 1996, 405 542 Mot., in: Mugdan IV, S. 1106f.

Page 142: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

126

Im Betreuungsrecht kann der Zweck der Vermögensverwaltung jedoch

nicht losgelöst vom Zweck der Betreuung selbst gesehen werden. Oberstes

Ziel der Betreuung ist die Sicherung des Selbstbestimmungsrechts des

Betroffenen und Hilfe bei seiner Ausübung544. Die Vermögensverwaltung

dient somit ebenfalls diesen Zielen. Nun kann jedoch nicht gesagt werden,

dass Schenkungen generell das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen

gefährdeten oder gar verletzten und deshalb außerhalb des Zwecks der

Vermögensverwaltung des Betroffenen lägen. Wenn der selbstbestimmte

Wille des Betroffenen auf die Vornahme einer Schenkung gerichtet ist,

entspricht deren Vornahme gerade der Verwirklichung seines

Selbstbestimmungsrechts. Wenn mit einer Maßnahme aber das

Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen verwirklicht wird, so kann dies

nicht außerhalb des Zwecks der Vermögensverwaltung liegen. Denn die

Vermögensverwaltung hat ebenfalls lediglich die Aufgabe, dem

Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen zu dienen. Nur wenn eine

Schenkung eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen

darstellt – etwa wenn der wirkliche oder der mutmaßliche Wille des

Betroffenen entgegensteht – entspricht die Nichtvornahme der Schenkung

dem Zweck der Vermögensverwaltung.

Die verbotenen Schenkungen widersprechen somit nicht per se dem

Zweck der Vermögensverwaltung, so dass diese Begründung hier

ausscheidet.

2. Verstoß gegen das Betroffenenwohl

Da das Wohl des Betroffenen subjektiv bestimmt wird, kann auch die

Frage, ob ein bestimmtes Geschäft seinem Wohl dient oder nicht,

schwerlich generell und objektiv nach der Rechtsnatur des Geschäfts

beantwortet werden. Während eine objektive Wohlbestimmung sich im

Vormundschaftsrecht noch damit begründen ließ, dass mit der

Entmündigung konstitutiv festgestellt worden war, der Betroffene sei

entscheidungsunfähig und es käme somit auf seinen Willen nicht mehr an,

543 Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR, § 61 II 1 (982) 544 oben, § 4 I 2

Page 143: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

127

liegt die Sache im Betreuungsrecht deutlich anders. Denn eine

konstitutive, generell für die Zukunft geltende Entscheidung, wonach der

Wille des Betroffenen unbeachtlich sei, wird nun nicht mehr getroffen. Es

ist vielmehr individuell für jeden Einzelfall zu prüfen, ob ein bestimmtes

Geschäft vorzunehmen ist. Die Beantwortung dieser Frage richtet sich

jedoch – wie gesehen545 –wiederum nach subjektiven Kriterien anhand der

Person des jeweils Betroffenen. Dies bedeutet aber wiederum, dass

pauschale Verbote von bestimmten Geschäften nicht in das übrige System

des Betreuungsrechts passen und schon gar nicht dem Betroffenenwohl

dienen.

Auch ein Verstoß gegen das Betroffenenwohl scheidet somit als

Begründung für das Schenkungsverbot aus.

3. Schutz des Betroffenen

Als mögliche Begründung verbleibt somit nur noch die Schutzfunktion,

die seit jeher zur Begründung des Schenkungsverbots angeführt wurde546.

Ein Verbot der fraglichen Schenkungen diene dem Schutz des Betroffenen

und seines Vermögens und damit letztlich seinen Interessen547. Der

Betroffene wird insbesondere vor einem Missbrauch der Vertretungsmacht

durch den Betreuer beschützt548.

Dem ist zwar zugute zu halten, dass das Verbot von

Schenkungsgeschäften ausschließt, dass bei deren Vornahme der Betreuer

gegen seine Pflichten verstößt. Auch wird stets das Vermögen des

Betroffenen erhalten. Allerdings wurde bereits festgestellt, dass der Erhalt

des Betroffenenvermögens nicht stets dessen Wohl entspricht549. Zweck

des Betreuungsrechts ist es gerade nicht, das Betroffenenvermögen

möglichst zu erhalten und zu vermehren, sondern das Betroffenenwohl zu

545 oben, § 4 I 3 b (2) bb 546 Mot., in: Mugdan IV, S. 1106f. 547 Mot., in: Mugdan IV (nicht Protokolle, wie Holzhauer, FamRZ 2000, 1063, 1066, zu

Unrecht bei Böhmer, MittBayNot 1996, 405, 409, bemängelt), S. 1107; Prütting/Bauer, §

1804 BGB Rn. 1 548 BayObLG FamRZ 1996, 1359, 1360; Böhmer, MittBayNot 1996, 405, 410 Fn. 71 549 oben, § 5 II 2

Page 144: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

128

sichern, indem insbesondere das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen

geachtet wird.

Der Missbrauch der Vertretungsmacht wird zwar durch das Verbot

bestimmter Geschäfte ausgeschlossen, dies erfolgt aber um den Preis, dass

das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen nicht unerheblich

eingeschränkt wird, da aus seinem Vermögen keine Schenkungen mehr

vorgenommen werden können. Wollte man jegliche Gefahr durch

Missbrauch von Vertretungsmacht ausschließen müsste man letztlich

jegliche gesetzliche Stellvertretung abschaffen. Dies könnte freilich nur

um den Preis erfolgen, dass eine rechtliche Betreuung nicht mehr möglich

wäre, so dass die Teilhabe kranker und behinderter Menschen am

Rechtsverkehr nicht mehr gewährleistet wäre. Ein Verbot eines

bestimmten Rechtsgeschäfts darf daher nur als ultima ratio dienen, wenn

der beabsichtigte Schutz vor einem Missbrauch der Vertretungsmacht

nicht anders erreicht werden kann.

Das Betreuungsrecht hält aber wie gesehen550 eine Fülle an

Schutzmechanismen bereit, die die Betroffenen vor einem Missbrauch der

Vertretungsmacht durch den Betreuer schützen. Es wäre insbesondere

denkbar, anstelle des Verbots einen vormundschaftsgerichtlichen

Genehmigungsvorbehalt vorzusehen.

Vorliegend ist der Schutz des Betroffenen vor einem Missbrauch der

Vertretungsmacht darüber hinaus bereits bei einem Großteil der

verbotenen Schenkungen durch die übrigen Schutzmechanismen des

Betreuungsrechts ausreichend gesichert. Denn dem Betroffenen stehen

Schadensersatzansprüche gegen den Betreuer zu, wenn dieser seine

Pflichten verletzt, ganz zu schweigen von der Strafbarkeit des Betreuers

gem. § 265 StGB. Darüber hinaus kann der Betreuer ohnehin alle vom

Gesetzgeber für gefährlich oder wichtig gehaltenen Rechtsgeschäfte nicht

allein vornehmen, da hierfür ein vormundschaftsgerichtlicher

Genehmigungsvorbehalt angeordnet ist551. Es sind nur wenige Fälle

denkbar, bei denen die Gefahr von größeren Vermögensnachteilen beim

550 oben, § 4 I 2 c 551 oben, § 4 I 3 c (2) aa

Page 145: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

129

Betreuten gegeben ist und gleichwohl kein vormundschaftsgerichtlicher

Genehmigungsvorbehalt besteht: so etwa bei der Schenkung größerer

Summen Bargelds oder von wertvollen Kunstgegenständen. Es wäre aber

für den Schutz des Betroffenen völlig ausreichend, auch diese Geschäfte

unter einen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt zu

stellen, anstatt sie gänzlich zu untersagen552. Bei Lichte betrachtet stellt

der Schutz des Betroffenen vor Missbrauch der Vertretungsmacht zwar

einen Schutz vor Fremdbestimmung dar553, nimmt aber gleichzeitig stets

rechtliche Handlungsmöglichkeiten und stellt somit eine Einschränkung

der Selbstbestimmung dar. Der beabsichtigte Schutz ließe sich jedoch

ohne weiteres auch durch andere Mittel herbeiführen, die nicht ihrerseits

zu einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen führen.

Der beabsichtigte Schutz des Betroffenen vor einem Missbrauch der

Vertretungsmacht durch den Betreuer bildet somit zusammenfassend zwar

eine legitime systematische Begründung für das Schenkungsverbot,

überzeugen kann diese Begründung gleichwohl nicht. Die Sicherung des

Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen wird – unnötigerweise –

rechtlich mit der Einschränkung eben dieses Selbstbestimmungsrechts an

anderer Stelle bezahlt, obwohl ebenso wirksame Schutzmechanismen

bereitstehen, die das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen nicht so

stark einschränken wie das Verbot.

III. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Schenkungsverbot

Es mag grundsätzlich noch unproblematisch sein, dass die

Schenkungsverbote sowohl Systembrüche innerhalb der neuen

Erwachsenenschutzrechte darstellen als auch gegen den Grundsatz der

subjektiven Wohlbestimmung verstoßen und somit das

Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen beschränken.

Während die ersten beiden Einwände gegen das Schenkungsverbot noch

rechtspolitischer Art sein mögen, ist allerdings zu beachten, dass gerade

552 Bobenhausen, BtPrax 1994, 160f.; Canaris, JZ 1987, 999; Lipp, S. 163; Böhmer,

MittBayNot 1996, 410 553 oben, § 4 I 2 c (2)

Page 146: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

130

der dritte Einwand auch verfassungsrechtliche Qualität hat554. Denn

Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen berühren

ihn in seinen Grundrechten. Somit ist im Folgenden die Frage zu klären,

ob und in welcher Hinsicht das Schenkungsverbot in seiner jetzigen Form

möglicherweise gegen das Grundgesetz verstößt.

Wie bereits gesehen, hat ein Betroffener, der zu selbstbestimmten

Entscheidungen nicht (mehr) in der Lage ist oder unter

Einwilligungsvorbehalt steht, keine Möglichkeit mehr, zu Lebzeiten über

sein Vermögen außerhalb der Grenzen der §§ 1804, 1908i II 1 BGB

unentgeltlich zu verfügen. Denn der geschäftsunfähige Betroffene kann

ohne die Hilfe des Betreuers keine wirksamen Geschäfte tätigen, dieser

vermag Schenkungen jedoch nur innerhalb der Grenzen der §§ 1804,

1908i II 1 BGB vorzunehmen. Auch ein angeordneter

Einwilligungsvorbehalt führt dazu, dass der Betroffene insoweit nur noch

unter Mithilfe des Betreuers Rechtsgeschäfte tätigen kann. Dass der

Betroffene in diesem Fall möglicherweise – etwa in sog. „lichten

Momenten“ – zu selbstbestimmten und selbstverantworteten

Entscheidungen in der Lage ist oder diese vor Anordnung des

Einwilligungsvorbehalts bzw. vor Eintritt seiner Geschäftsunfähigkeit

getroffen hat, ändert hieran – wie dargestellt – nichts. Der Betreuer

wiederum ist auch bei der Erteilung der Zustimmung an das

Schenkungsverbot gebunden, so dass auch hier wesentliche Schenkungen

ausscheiden. Der Betroffene ist in seiner Verfügungsgewalt über sein

Vermögen beschränkt, so dass sein Grundrecht aus Art. 14 I GG betroffen

sein könnte.

Ein Einwilligungsvorbehalt kann sich gem. § 1903 II BGB nicht auf

Verfügungen von Todes wegen erstrecken. So weit der Betroffene aber

wegen psychischer Krankheit oder wegen geistiger oder seelischer

Behinderung unter Betreuung gestellt wurde, wird aufgrund der

Überschneidungen in den Tatbeständen der §§ 104 Nr. 2 BGB bzw. §

2229 IV BGB und § 1896 I BGB häufig auch Geschäfts- und

554 OLG Karlsruhe, BtPrax 2000, 177

Page 147: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

131

Testierunfähigkeit vorliegen555, so dass er selbst weder durch Testament

noch durch Erbvertrag seine Rechtsnachfolge regeln kann. Auch sein

Betreuer hat nicht die Möglichkeit, ihm zu helfen, führen doch die

§§ 2064, 2275 BGB dazu, dass eine letztwillige Verfügung durch den

Betreuer unwirksam ist. In solchen Fällen kann über größere

Vermögensgegenstände damit auch nicht im Wege der letztwilligen

Verfügung unentgeltlich verfügt werden. Derjenige, der bis zum Verlust

seiner Fähigkeit zu selbstbestimmten Handlungen keine letztwillige

Verfügung getroffen hat, hinterlässt sein Vermögen somit unweigerlich

seinen gesetzlichen Erben. Durch das Verbot der lebzeitigen Schenkungen

über die Grenzen der §§ 1804, 1908i II 1 BGB steht damit schon zu seinen

Lebzeiten fest, wer im Todesfall sein Vermögen erhalten wird, ohne dass

der Betroffene durch lebzeitige oder letztwillige Verfügungen hieran

etwas ändern könnte. Er ist somit letztlich auch in der letztwilligen

Verfügungsgewalt beschränkt. Hieraus folgt, dass auch sein Grundrecht

aus Art. 14 III GG betroffen sein könnte.

Schließlich ist zu beachten, dass der Betreute gem. Art. 1 I 2, 3 I GG

Anspruch auf vollständige Herstellung seiner Rechtsperson hat, also

Anspruch auf vollständigen Zugang zum Rechtsverkehr. Wenn ihm aber

bestimmte Geschäfte, nämlich Schenkungen außerhalb der §§ 1804, 1908i

II BGB, verwehrt sind, so ist seine Rechtsperson gerade nicht vollständig

hergestellt und sein Gleichheitsgrundrecht betroffen556. Denn im

Gegensatz zu ihm steht es Gesunden frei, derartige Geschäfte zu tätigen.

IV. Positivistische Lösungsansätze

Einzelne Gerichte haben daher versucht, dieses Ergebnis dadurch

abzuwenden, dass sie den Anwendungsbereich der Sittenschenkung

erheblich erweiterten, indem sie diese für den Fall bejahten, dass die

Schenkung „im Sinne des Betreuten“ liege557. Zwar hat das LG Traunstein

hierbei zutreffend festgestellt, dass anderenfalls die übliche

555 Müller, ZEV 1998, 219, 220 556 vgl. oben, § 4 I 2 557 LG Traunstein MittBayNot 2005, 231, 232; OLG Hamm FamRZ 1987, 751

Page 148: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

132

Nachfolgeregelung für landwirtschaftliche Betriebe unmöglich gemacht

würde und daher ein praktisches Bedürfnis für Schenkungen außerhalb des

Schenkungsverbots bestünde. Jedoch kann diese Interpretation des § 1804

BGB schon deshalb nicht überzeugen, weil sie am Wortlaut der Norm

vorbei geht558. Das Betroffenenwohl wird in § 1804 BGB ebenso wenig

erwähnt wie die Interessen des Betroffenen. Entsprechend kann auch nicht

der Begriff der sittlichen Pflicht derartig ausgedehnt werden. Denn es

besteht keine sittliche Pflicht, wirtschaftlich vernünftige Geschäfte

vorzunehmen559. Das OLG Hamm und das LG Traunstein sind mit ihrer

Auffassung daher allein geblieben560.

Einen anderen Weg, die Folgen des Schenkungsverbots abzumildern ist

das OLG Stuttgart gegangen, indem es bei Hofübergabeverträgen den

Begriff der „angemessenen Ausstattung“ gem. §§ 1624, 1908 BGB

dadurch ausdehnte, dass Angemessenheit bereits dann vorläge, wenn die

Übergabe dem Betroffeneninteresse entspräche561. Dem ist zuzugeben,

dass sich diese Auslegung im Rahmen des Gesetzeswortlauts hält und

somit keine grundsätzlichen Bedenken entgegenstehen562. Allerdings

stellen Hofübergabe- bzw. Ausstattungsverträge nur einen sehr kleinen

Teil der Geschäfte dar, in denen unentgeltlich Vermögen übertragen wird.

Soweit aber klassische Schenkungen vorliegen, ist dieser Lösungsweg

nicht gangbar. Damit ist das grundsätzliche Problem, dass diverse

Rechtsgeschäfte Kranken und Behinderten – im Gegensatz zu Gesunden –

nicht offen stehen, nicht beseitigt. Hinzu kommt, dass auch nach der

vorgenannten Auslegungsvariante der Grat zwischen erlaubtem

Hofübergabevertrag und verbotener Schenkung sehr schmal ist563. Denn

jedenfalls liegt die Angemessenheit der Ausstattung nur dann vor, wenn

zumindest die Altersversorgung des Übergebers entsprechend seinen

558 Dies kritisiert zutreffend Böhmer, MittBayNot 2005, 232, 233 559 BayObLG NJW-RR 1997, 452 560 BayObLG, RPfleger 2003, 643, 650f.; Böhmer, MittBayNot 2005, 232, 233 561 OLG Stuttgart, MittBayNot 2005, 229, 231 562 ebenfalls zustimmend: Böhmer, MittBayNot 2005, 232, 233 563 Böhmer, MittBayNot 2005, 232, 233

Page 149: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 5 – Kritische Würdigung des Schenkungsverbots Deutschlands

133

konkreten Vermögensverhältnissen möglichst umfassend durch die im

Gegenzug erhaltenen Leistungen und Rechte abgedeckt sind564. Sollte dies

– auch nur teilweise – nicht der Fall sein, so liegt eine (ggf. gemischte)

Schenkung vor, deren Wirksamkeit sich wiederum nach den §§ 1908i II 1,

1804 BGB richtet.

564 BGH NJW 1995, 1349; OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1170; OLG Stuttgart,

MittBayNot 2005, 229, 231

Page 150: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

134

§ 6 Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

Es stellt sich daher die Frage nach der Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II

1 BGB mit dem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG. Denn die Freiheit

des Betroffenen, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren, ist –

zumindest faktisch – eingeschränkt. Denn auch wenn das

Schenkungsverbot sich nur auf den Betreuer bezieht, so wirkt es sich

gleichwohl unmittelbar beschränkend auf den Betroffenen selbst aus, da er

weder durch eigene Handlungen noch mit Hilfe seines Betreuers die

fraglichen Geschäfte vornehmen kann. Aus seinem Vermögen können

keinerlei Schenkungen mehr über die Grenzen des Schenkungsverbots

hinaus getätigt werden. Der Betroffene hat somit seine

„Schenkungsfähigkeit“ insoweit verloren. Er hat damit auch nicht die

Freiheit, mit seinem Eigentum in vollem Umfang nach Belieben zu

verfahren.

I. Schutzbereich des Art. 14 GG

Das Grundrecht aus Art. 14 I GG schützt nicht nur den Bestand des

Eigentums, sondern insbesondere auch das Nutzungsrecht des

Eigentümers am Eigentum565. Der Eigentümer hat die Freiheit, sein

Eigentum nicht nur schlicht zu behalten, sondern auch es nach Belieben zu

verwenden566. Bei der Frage, ob aus dem Vermögen eines Betroffenen

Schenkungen vorgenommen werden können oder nicht, ist dieses

Nutzungsrecht betroffen, steht doch gerade in Frage, ob der Betroffene –

selbst oder durch seinen Betreuer – sein Eigentum uneingeschränkt

verschenken darf oder nicht. Der Schutzbereich des Art. 14 I GG ist somit

grundsätzlich betroffen.

II. Eingriff in den Schutzbereich

In den Schutzbereich von Art. 14 GG kann wie bei allen anderen

Freiheitsgrundrechten konkret nur dann eingegriffen sein, wenn der

jeweilige Grundrechtsinhaber überhaupt in der Lage ist, sein grundsätzlich 565 v. Münch/Bryde, Art. 14 GG Rn. 13; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 1007 566 BVerfGE 42, 229, 232; Stein, StaatsR, § 42 III 1 a

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§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

135

bestehendes Grundrecht überhaupt auszuüben. Denn als spezielles

Freiheitsgrundrecht dient Art. 14 GG dem Selbstbestimmungsrecht des

Einzelnen567. Ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht kann jedoch nur

dann vorliegen, wenn und so weit der Betroffene überhaupt in der Lage

ist, von seinem Freiheitsrecht selbstbestimmt Gebrauch zu machen. Denn

Selbstbestimmung setzt Selbstbestimmungsfähigkeit voraus568.

Das Schenkungsverbot schränkt aber nur vordergründig den Betreuer, und

nicht den Betreuten ein, denn es muss hierbei berücksichtigt werden, dass

es sich auch unmittelbar beschränkend auf den Betreuten selbst auswirkt.

Denn so weit ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wurde, hängt die

Wirksamkeit der eigenen Rechtsgeschäfte des Betreuten von der

Genehmigung des Betreuers ab, der wiederum bei der Erteilung der

Genehmigung an das Schenkungsverbot gebunden ist. Dadurch hängt

letztlich die Wirksamkeit der Schenkung, die vom Betroffenen

vorgenommen wurde, davon ab, ob sie sich innerhalb oder außerhalb der

Grenzen der §§ 1908i II 1, 1804 BGB bewegt. Der eigenverantwortliche

Betroffene selbst wird somit durch das Schenkungsverbot in seiner

Freiheit eingeschränkt. Das Schenkungsverbot stellt folglich bei eigenen

Geschäften des Betroffenen, der unter Einwilligungsvorbehalt steht, einen

Eingriff in sein Eigentumsgrundrecht dar, wenn der Betroffene bei

Vornahme der Schenkung eigenverantwortlich und selbstbestimmt

handelte, hieran aber durch das Schenkungsverbot gehindert wird. Denn

wie gesehen stellt eine Einschränkung ohne oder gegen seinen Willen nur

dann keinen Eingriff in seine Freiheit dar, soweit und solange ihm die

Eigenverantwortlichkeit tatsächlich fehlt569, was im vorgenannten Fall

aber gerade nicht gegeben ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass der

Einwilligungsvorbehalt nur dann angeordnet werden darf, wenn der

Betroffene aufgrund seiner fehlenden Eigenverantwortlichkeit sich zu

schädigen droht, mithin also die fehlende Eigenverantwortlichkeit bei

Errichtung des Einwilligungsvorbehalts geprüft werden muss. Denn bei

567 BVerfGE 70, 191, 201; Stein, StaatsR, § 42 II 2 d 568 BVerfG FamRZ 1999, 985, 987 569 Lipp, S. 131

Page 152: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

136

der Errichtung eines Einwilligungsvorbehalts wird nicht etwa für die

Zukunft konstitutiv festgestellt, dass dem Betroffenen für die fraglichen

Geschäfte stets die nötige Eigenverantwortlichkeit fehlt. Die Frage, ob sie

ihm bei Vornahme des jeweils geschlossenen Geschäfts gefehlt hat und

ihm aufgrund dessen ein Schaden droht, soll gerade durch den Betreuer

überprüft werden. Es ist ohne weiteres möglich, dass ein Betroffener, der

unter Einwilligungsvorbehalt steht, etwa im Zuge eines lichten Moments,

die volle Tragweite des vorzunehmenden Geschäfts überblickt und daher

über die nötige Eigenverantwortlichkeit verfügt. Gerade bei Krankheiten,

die schubweise verlaufen, kann zum Schutz der Betroffenen die

Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts notwendig sein, obgleich ihnen

nicht ständig und dauerhaft die Eigenverantwortlichkeit fehlt570.

Zwar stellt nach dem oben Gesagten streng genommen die Anordnung des

Einwilligungsvorbehalts den eigentlichen Grundrechtseingriff für die

momentan untersuchten Fälle dar. Gegenstand der Prüfung bleibt aber

gleichwohl das Schenkungsverbot der §§ 1908i II 1, 1804 BGB, da die

Geltung desselben nach allgemeiner Auffassung mit der Anordnung des

Einwilligungsvorbehalts einhergeht, so dass sich hier auch die weitere

Prüfung auf die Verfassungsmäßigkeit des Schenkungsverbots

beschränken kann.

Soweit Vertretungshandlungen des Betreuers vom Schenkungsverbot

erfasst sind, kann nach dem oben Gesagten ein Eingriff in den

Schutzbereich des Art. 14 GG nur dann vorliegen, wenn der

eigenverantwortliche Wille des Betroffenen auf die Vornahme der

Schenkung gerichtet ist. Denn anderenfalls, wenn kein

eigenverantwortlicher Wille des Betroffenen vorliegt, ist es ausschließlich

der Betreuer, der durch das Schenkungsverbot beschränkt wird. Zwar

wirkt sich das Verbot in diesem Zusammenhang auch beschränkend auf

den Betroffenen selbst aus, denn soweit er entsprechende Geschäfte

insbesondere aufgrund seines gesundheitlichen Zustands nicht selbst

vornehmen kann, wird ihm mit der Beschränkung des Betreuers auch die

letzte Möglichkeit zur Vornahme entsprechender Schenkungen 570 Mitko, S. 27

Page 153: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

137

genommen. Hieraus resultiert, dass keine Schenkungsmöglichkeit über die

Grenzen der §§ 1908i II 1, 1804 BGB aus seinem Vermögen besteht.

Allerdings liegt hier die Ursache der Unmöglichkeit zur Vornahme der

Schenkung im gesundheitlichen Zustand des Betroffenen. Der Betreute

wird durch seine eingeschränkte tatsächliche Fähigkeit zu

rechtserheblichen Handlungen an der Schenkung gehindert. Mit dem

Schenkungsverbot stellt der Gesetzgeber lediglich keine Kompensation für

diese tatsächliche Beschränkung zur Verfügung. Die Frage, ob der

Gesetzgeber zur Schaffung einer solchen Kompensation verpflichtet wäre,

ist eine Frage der Herstellung der Rechtsperson des Betroffenen. Also geht

es um die Frage seiner Rechtsgleichheit gegenüber Gesunden und daher ist

sie im Zusammenhang mit einem möglichen Verstoß gegen seine

Gleichheitsrechte zu stellen. Ein Eingriff in die Freiheitsrechte des

Betroffenen kann durch die Beschränkung des Betreuers hierbei jedoch

aus vorgenannten Gründen nicht eintreten. Aus dem gleichen Grund

scheidet auch ein Eingriff in die Erbrechtsfreiheit aus.

Lediglich so weit ein eigenverantwortlich handelnder Betroffener, der

unter Einwilligungsvorbehalt steht, durch das Schenkungsverbot an

eigenen Schenkungen gehindert wird, liegt also ein Eingriff in sein

Grundrecht aus Art. 14 I GG vor.

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Gem. Art. 14 I 2 GG legt der Gesetzgeber den Inhalt und die Schranken

des Eigentums fest. Hierbei muss es sich um generelle abstrakte

Festlegungen der Rechte und Pflichten des Eigentümers handeln571, wobei

dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht572.

Bei den §§ 1804, 1908i II 1 BGB handelt es sich um solche generellen

abstrakten Festlegungen, die für eine unbestimmte Zahl von Personen

gelten, so dass es sich beim Schenkungsverbot um eine solche Inhalts- und

Schrankenbestimmung des Eigentums handelt.

571 BVerfGE 52, 1, 27; 58, 137, 144; 58, 300, 330; 70, 191, 200; 72, 66, 76; 100, 226, 240 572 BVerfGE 8, 71, 80; 21, 73, 83; 53, 257, 293; v. Münch/Bryde, Art. 14 GG Rn. 63

Page 154: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

138

Diesem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind allerdings Grenzen

gesetzt, denn er muss sich innerhalb des grundlegenden Gehalts der

verfassungsrechtlichen Gewährleistung bewegen und darf sich nicht in

Widerspruch zu anderen Verfassungsnormen setzen573. Insbesondere darf

der Gesetzgeber Elemente des Eigentumsrechts, die Bestandteile der

verfassungsrechtlichen Gewährleistung sind, nur in Verfolgung eines

verfassungsrechtlich legitimen Zwecks und nur unter Wahrung des

Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einschränken574. Die Inhalts- und

Schrankenbestimmung muss somit ihrerseits geeignet, erforderlich und

angemessen sein, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen575.

Insbesondere darf sie damit nicht etwa schlechthin ungeeignet576,

eindeutig nicht erforderlich577 oder auch bei Anerkennung eines

Bewertungsspielraums unzumutbar578 sein.

1. Verfolgung eines legitimen Zwecks

Die Zwecke, die mit dem Schenkungsverbot verfolgt werden, wurden im

Rahmen dieser Arbeit bereits erarbeitet579: Schenkungen aus dem

Vermögen Betreuter außerhalb der §§ 1804, 1908i II BGB sollen

grundsätzlich deren Wohl widersprechen580 und außerhalb des Zwecks der

Vermögensverwaltung und daher nicht im Interesse des Mündels liegen581.

Der Betreute soll vor Missbrauch der Vertretungsmacht des Betreuers und

das Betreutenvermögen vor Verlusten geschützt werden582.

573 BVerfGE 31, 229, 242; 70, 191, 201; 100, 226, 240; FamRZ 1999, 985, 988 574 BVerfGE 52, 1, 29; 91, 346, 360; FamRZ 1999, 985, 987 575 BVerfGE 8, 71, 80; 21, 150, 155; 74, 203, 214f. 576 BVerfGE 47, 109, 117 577 BVerfGE 53, 135, 145 578 BVerfGE 77, 84, 111f. 579 oben, § 3 I 4 c; § 4 I 4 e 580 Böhmer, MittBayNot 1996, 405 581 Mot., in: Mugdan IV, S. 1106; 582 Staudinger/Engler, § 1804 BGB Rn. 1; Boehmer, MittBayNot 1996, 405, 409

Page 155: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

139

Wie bereits erörtert wurde583, ist das Verbot jedoch schon nicht geeignet,

das Wohl der Betroffenen sicherzustellen. Schenkungen widersprechen

nicht per se dem Wohl der Betroffenen, da dieses nur subjektiv für den

Einzelfall bestimmt wird. Schenkungen verstoßen daher auch nicht gegen

den Zweck der Vermögensverwaltung im Rahmen einer Betreuung.

Zum Teil wird für das Schweizer Recht vertreten, dass der Gesetzgeber

Schenkungen aus dem Vermögen der Betroffenen generell für „unnötig“

gehalten habe584, so dass ihr Verbot zu keinerlei Nachteil beim

Betroffenen führen würde. Die Einstufung der fraglichen Schenkungen als

„unnötige Rechtsgeschäfte“ vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass

das Recht der Betroffenen, nach Belieben mit ihrem Eigentum zu

verfahren, beschnitten wird. Schenkungen mögen zwar das Vermögen des

Schenkers verkleinern und wirtschaftlich somit ggf. nachteilig sein, aber

der grundgesetzliche Schutz des Eigentums umfasst gerade auch das

Recht, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren, ohne dass der

Gesetzgeber ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung diese Rechte

beschneiden dürfte. Der Grundrechtsinhaber hat das Recht, auch

„Unnötiges“ mit seinem Eigentum anzufangen. Die Begründung, dass der

Gesetzgeber ein bestimmtes Geschäft für „unnötig“ hält, genügt den

Anforderungen an eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung somit nicht.

Einzig der Zweck des Schutzes des Betroffenen vermag daher einen

legitimen Zweck für einen Eingriff in den grundrechtlichen Schutzbereich

zu liefern. Allerdings ist hierbei darauf hinzuweisen, dass nur die

Erhaltung von Vermögen für sich allein genommen keine legitime

Begründung zur Rechtfertigung eines rechtlichen Eingriffs in die

Freiheitsrechte darstellen kann. Es ist vielmehr auch hier die Freiheit des

Vermögensinhabers, mit seinem Vermögen nach eigenem Gutdünken zu

verfahren, auf die abzustellen ist. Nicht das Vermögen ist Träger von

Grundrechten, sondern sein Inhaber. Zu schützen ist demnach allenfalls

der Inhaber des Vermögens und sein Recht, über dieses frei verfügen bzw.

es erhalten zu können. Legitimer Schutzzweck im Hinblick auf das

583 oben, § 4 V 1 b 584 Meier, S. 559

Page 156: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

140

Betreutenvermögen kann also allenfalls lauten, den Betroffenen vor

Schäden zu schützen, die aufgrund seiner fehlenden

Eigenverantwortlichkeit entstehen. Darüber hinaus gilt es, ihn auch vor

Fremdbestimmung zu schützen.

Ein solcher Schutz des Betroffenen vor fehlender Eigenverantwortlichkeit

und vor Fremdbestimmung ist nicht nur rechtspolitisch wünschenswert,

sondern auch verfassungsrechtlich geboten, da jedenfalls

Fremdbestimmung wiederum die Freiheitsrechte des Betroffenen verletzen

würde.

2. Eignung des Verbots für die Erreichung des Zwecks

Da durch die §§ 1804, 1908i II 1 BGB letztlich ein Großteil eigentlich

möglicher Schenkungen rechtlich gänzlich unterbunden wird, stellen sie

ein geeignetes Mittel dar, um die Vermögensinteressen des Betroffenen

vor seiner eingeschränkten oder fehlenden Eigenverantwortlichkeit zu

schützen. Denn wenn ein Betroffener bestimmte Schenkungen weder

selbst noch mit Hilfe seines Betreuers vornehmen kann, werden insoweit

auch nicht seine Vermögensinteressen verletzt. Vereinfacht gesagt: Wo

keine Handlungsfähigkeit vorliegt, kann diese auch nicht zu Schäden

führen. Für die Erreichung dieses Zwecks ist das Schenkungsverbot somit

geeignet. Die Gefahren, die dem Betroffenen durch seine eingeschränkte

oder fehlende Eigenverantwortlichkeit drohen, werden durch das

Schenkungsverbot im Hinblick auf die untersagten Geschäfte somit

gebannt.

Ein Schutz vor Fremdbestimmung durch Pflichtverletzungen des

Betreuers kann demgegenüber bei eigenen Schenkungen des Betroffenen

mit einem Schenkungsverbot nur für einen Teil der denkbaren Geschäfte

erreicht werden. Denn die Vertretungsmacht des Betreuers beschränkt sich

in solchen Fällen auf die Erteilung oder Versagung der Genehmigung zur

Schenkung. Da sich das Schenkungsverbot nur auf die Erteilung der

Genehmigung, nicht aber auf deren Versagung bezieht, können hierdurch

auch nur die Gefahren gebannt werden, die aus einer pflichtwidrigen

Genehmigungserteilung des Betreuers resultieren.

Das Schenkungsverbot ist somit geeignet, den Betroffenen, der unter

Page 157: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

141

Einwilligungsvorbehalt steht, vor Schäden zu bewahren, die darauf

beruhen, dass er im Zustand eingeschränkter oder fehlender

Eigenverantwortlichkeit dem Schenkungsverbot unterliegende

Schenkungen vornimmt. Gleichzeitig ist es damit geeignet, einen solchen

Betroffenen vor Schäden zu bewahren, die darauf beruhen, dass der

Betreuer solchen Schenkungen unter Verletzung des Betroffenenwohls

pflichtwidrig seine Zustimmung erteilt.

3. Verhältnismäßigkeit

Weiterhin müsste das Schenkungsverbot aber auch erforderlich sein, um

den Schutz des Betroffenen vor solchen Schäden sicherzustellen. Ein

ausdrückliches Schenkungsverbot kann insbesondere nur dann erforderlich

sein, wenn es für die Sicherung der Betroffeneninteressen notwendig ist,

wenn also die übrigen Schutzmechanismen des Betreuungsrechts nicht

ausreichend sind. Anders betrachtet ist es gerade nicht Aufgabe des

Schenkungsverbots – und auch nicht des übrigen Betreuungsrechts –, den

Betroffenen vor jedweden Schäden zu schützen. Soweit nämlich Schäden

auf Entscheidungen beruhen, die im subjektiven Betroffeneninteresse

liegen und damit von seinem „Wohl“ umfasst sind, so müssen diese

Schäden als notwendige Folge hingenommen werden585. Der Schutz kann

erst dort einsetzen, wo die zugrunde liegenden Entscheidungen nicht im

subjektiven Betroffeneninteresse liegen, wo sein Wohl verletzt wird. Es

fragt sich also, welcher Umfang von Sicherungsmaßnahmen überhaupt

notwendig ist, um den Betroffenen ausreichend zu schützen.

a. Notwendiger Sicherungsumfang

Der Betreuer hat bei Geschäften des Betroffenen, der unter

Einwilligungsvorbehalt steht, die Möglichkeit, diesen zuzustimmen, oder

die Zustimmung zu verweigern und eine andere Entscheidung als

gesetzlicher Vertreter vorzunehmen. Bei dieser Entscheidung ist der

Betreuer aber nicht etwa frei. Denn anders als noch im

585 oben, § 4 I 3 b (2) bb

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§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

142

Vormundschaftsrecht mit der Entmündigung586 wird durch die Anordnung

einer Betreuung gerade nicht konstitutiv für die Zukunft festgestellt, dass

es auf eigene Entscheidungen des Betroffenen nicht mehr ankomme und

der Betreuer dessen Wohl selbstständig zu konkretisieren habe587.

Betreuung soll nicht an die Stelle eigener Fähigkeiten des Betroffenen

treten, und ist somit nicht als disqualifizierendes sondern unterstützendes

Rechtsverhältnis konzipiert588. Im Rahmen des Betreuungsrechts soll der

Betreuer den Betroffenen lediglich vor den negativen Folgen seiner

eingeschränkten oder fehlenden Eigenverantwortlichkeit schützen. So

weit der Betreute jedoch eigenverantwortlich entschieden hat oder

entscheiden kann, ist für eigene Entscheidungen des Betreuers kein Raum

mehr.

Wie gesehen ist bei eigenen Rechtsgeschäften des Betroffenen der durch

das Schenkungsverbot beabsichtigte Zweck des Schutzes vor seiner

eingeschränkten oder fehlenden Eigenverantwortlichkeit somit bereits

dann vollständig erreicht, wenn sichergestellt ist, dass der Betroffene auch

wirklich eigenverantwortlich gehandelt hat. Dann nämlich bedarf er keines

weiteren Schutzes mehr. Mit anderen Worten: der Betroffene bedarf

keines Schutzes vor seiner fehlenden Eigenverantwortlichkeit, wenn

sichergestellt ist, dass er eine eigenverantwortliche Entscheidung getroffen

hat.

Es ist also im Folgenden zu untersuchen, ob auch durch weniger

einschneidende Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass die

Schenkung des Betroffenen auf seinem eigenverantwortlichen Entschluss

beruht oder ob sie gerade Ausdruck bzw. Folge seiner eingeschränkten

Eigenverantwortlichkeit ist. So weit somit anders als durch ein Verbot

sichergestellt werden kann, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der

Vornahme der Schenkung – z.B. im Zuge eines „lichten Moments“ – in

der Lage ist, hierüber eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen,

586 oben, § 3 I 1 587 oben, § 4 I 3; Lipp, S. 163 588 Staudinger/Coester, § 1673 Rn. 8; Bienwald, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann,

Einf. Rn. 6

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§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

143

so ist für ein Verbot des Geschäfts nach dem verfassungsrechtlichen

Verhältnismäßigkeitsgebot kein Raum. Es ist somit vorliegend zu prüfen,

ob gegenüber dem Schenkungsverbot der §§ 1908i II 1, 1804 BGB

alternative Regelungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die auf der

einen Seite die Freiheitsrechte der Betroffenen weniger beschränken, auf

der anderen Seite aber mindestens genauso wirksam sicherstellen, dass die

Schenkung durch den Betroffenen auf seinem eigenverantwortlichen

Entschluss beruht. Denn wenn eine solche eigenverantwortliche

Entscheidung des Betroffenen vorliegt, besteht weder ein

betreuungsrechtlicher noch ein verfassungsrechtlicher Grund, ihn (z.B.

über die §§ 1908i II 1, 1804 BGB) hieran zu hindern. Die Anordnung

eines solchen Verbots wäre in diesen Fällen nicht erforderlich, um den

beabsichtigten Schutzzweck zu erreichen, sie wäre vielmehr eine

Überkompensation seiner Defizite, die nicht mehr von Art. 14 I 2 GG

gedeckt ist.

b. Schutz durch Einwilligungsvorbehalt

So weit die konkrete Schenkung vom Betroffenen im Zustand fehlender

Eigenverantwortlichkeit vorgenommen wurde, ist diese bereits gem. § 105

I BGB bzw. gem. § 105 II BGB nichtig. Die Rechtsordnung versagt

solchen Geschäften somit bereits unabhängig von den §§ 1908i II 1, 1804

BGB die Wirksamkeit, wobei damit allerdings keine Entscheidung über

die Rechtsstellung des Betroffenen für die Zukunft verbunden ist. Im

Streitfalle kann eine solche Nichtigkeitsfeststellung daher verbindlich erst

rückblickend vom Gericht für das jeweils betroffene Geschäft getroffen

werden. Dabei liegt die Beweislast für das Nichtvorliegen der

Geschäftsfähigkeit bei dem Betroffenen589. Die Anordnung des

Einwilligungsvorbehalts erfolgt daher zu dem Zweck, den Betroffenen

künftig vor den Folgen seiner eingeschränkten bzw. fehlenden

Eigenverantwortlichkeit zu schützen. Der gerichtlich bestellte Betreuer

überprüft fortan, ob das Rechtsgeschäft des Betroffenen auf einem

eigenverantwortlich getroffenen Entschluss basiert, falls nicht, ob es

589 Lipp, S. 45

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§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

144

seinem Wohl zuwiderläuft590. Ein Einwilligungsvorbehalt stellt somit

sicher, dass der Betroffene sein eigenes Wohl nicht durch Geschäfte selbst

verletzt, die er im Zustand eingeschränkter bzw. fehlender

Eigenverantwortlichkeit vornimmt.

Über die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hinaus ist allenfalls

noch sicherzustellen, dass dieser Kontrollmechanismus auch einwandfrei

funktioniert, dass also der Betreuer weder bewusst noch unbewusst eine

pflichtwidrige Zustimmung bzw. Zustimmungsverweigerung abgibt.

Verkürzt gesagt ist eine Überwachung des Kontrolleurs vorzusehen. Für

die Gefahren, die dem Betroffenen durch ein solches pflichtwidriges

Verhalten des Betreuers drohen, sind im Betreuungsrecht daher noch

weitere Schutzvorkehrungen vorgesehen.

c. Schutz durch gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt

Das Betreuungsrecht hat dem Vormundschaftsgericht die allgemeine

Aufgabe zugewiesen, den Betreuer zu beaufsichtigen und zu beraten591.

Gegen Pflichtwidrigkeiten hat das Gericht durch geeignete Gebote und

Verbote einzuschreiten, § 1837 BGB. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber

für die Geschäfte, die er für besonders wichtig oder gefährlich hielt, einen

gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt angeordnet592.

(1) Geschäfte, die einem gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt

unterliegen

Da für einen Großteil der vom Schenkungsverbot der §§ 1804,

1908i II 1 BGB erfassten Geschäfte schon ein solcher

vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungsvorbehalt besteht, und auch

die Genehmigung des Betreuers zu solchen Geschäften dann diesem

Genehmigungsvorbehalt unterliegt, ist insoweit bereits ein ausreichender

Schutz des Betroffenen gegeben. Denn auch ohne die Regelung der

§§ 1804, 1908i II 1 BGB müsste der Betreuer bei den hier behandelten

590 oben, § 4 I 3 b (2) bb 591 BayObLG FamRZ 1994, 1550. 1551 592 oben, § 4 I 3 c (2) aa

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§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

145

eigenen Schenkungen des Betroffenen dem Vormundschaftsgericht

darlegen, dass die Schenkung seinem Wohl nicht zuwider läuft, weil sie

entweder auf seiner eigenverantwortlichen Entscheidung beruht oder zwar

nur auf einer eingeschränkt eigenverantwortlichen Entscheidung basiert,

aber im übrigen seinem Wohl entspricht. Bei den Schenkungen, die dem

vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt unterliegen, ist

somit bereits ein doppelter Schutz vorgesehen: Das Schenkungsgeschäft

des Betroffenen wird vom Betreuer daraufhin untersucht, ob es auf einer

eigenverantwortlichen Entscheidung des Betroffenen beruht bzw. falls es

auf einer nur eingeschränkt eigenverantwortlichen Entscheidung des

Betroffenen beruht, ob es dem Wohl des Betroffenen zuwider läuft.

Sodann wird eine darauf beruhende Zustimmung des Betreuers vom

Vormundschaftsgericht noch einmal nach denselben Maßstäben überprüft.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine solche doppelte Kontrolle des

Betroffenen nicht ausreichend sein sollte, um die Betroffeneninteressen

sicherzustellen. Auch nach dem neuen schweizer Recht darf der Beistand

daher, wenn die beabsichtigte Schenkung einer Mitwirkungsbeistandschaft

unterfällt, jeglichen Schenkungen seine Zustimmung erteilen593. Der

schweizerische Gesetzgeber hat somit zu erkennen gegeben, dass er die

allgemein geltenden Kontrollmechanismen, die – wie gesehen – den

deutschen sehr ähnlich sind594, für ausreichend hält. Er hat sein

Schenkungsverbot nach neuem Recht daher nicht auf

Genehmigungshandlungen bezogen. Weder im schweizerischen

Beistandschaftsrecht noch im österreichischen Sachwalterrecht wurde

somit die Notwendigkeit eines Verbots von Genehmigungen, die sich auf

Schenkungen beziehen, für erforderlich gehalten. In Österreich hat sich

sogar der völlige Verzicht auf ein Schenkungsverbot seit annähernd 100

Jahren – sowohl im alten Entmündigungsrecht als auch im neuen

Sachwalterrecht – bewährt. Es ist nicht ersichtlich, dass in Deutschland

den Betroffenen eine größere Gefahr vor Fremdbestimmung als in den

Nachbarländern Österreich und Schweiz droht. Bei

593 oben, § 4 III 4 a 594 oben, § 4 IV 1

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§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

146

Schenkungsgeschäften, die ohnehin nach den allgemeinen Regeln einem

zusätzlichen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt

unterliegen, ist das Schenkungsverbot somit nicht erforderlich.

(2) Geschäfte, die keinem gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt

unterliegen

Aber auch bei den Schenkungen, die nicht zusätzlich einem

vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt unterfallen (hier ist

etwa an Schenkungen wertvoller Bilder, der Münzsammlung oder des

Tafelsilbers zu denken), ist bereits nach der eigenen Wertung des

Gesetzgebers auch ohne Schenkungsverbot ein ausreichender Schutz

gewährleistet, wie sich aus einem Vergleich mit letztwilligen Verfügungen

ergibt. Denn im Gegensatz zur lebzeitigen Verfügung über die Grenzen

des Schenkungsverbots hinaus, steht es dem Betroffenen frei, beliebige

letztwillige Verfügungen über sein Vermögen zu treffen. Wegen der

Regelung des § 1903 II BGB kann sich ein Einwilligungsvorbehalt

nämlich nicht auf letztwillige Verfügungen erstrecken595. Für letztwillige

Verfügungen wie Testament oder Erbvertrag richtet sich die Frage der

Wirksamkeit derselben lediglich danach, ob der Betroffene im Zeitpunkt

deren Vornahme testierfähig war, ob er also insoweit eigenverantwortlich

handelte. Ob dies der Fall ist, wird jedoch gerade nicht durch einen

Betreuer überprüft. Erst recht darf der Betroffene letztwillige Verfügungen

beliebigen Umfangs tätigen und ist hierbei nicht wie bei Schenkungen auf

solche Verfügungen beschränkt, die sittlich geboten sind oder die einer

Rücksichtnahme auf den Anstand entsprechen.

Wenn der Betroffene jedoch in der Lage ist, die Reichweite einer

letztwilligen Verfügung zu überblicken, wird er in aller Regel gleichzeitig

auch in der Lage sein, eine solche Verfügung bereits lebzeitig

eigenverantwortlich zu tätigen. Hierauf kommt es jedoch für die

Wirksamkeit seiner lebzeitigen Verfügung nicht an. Denn wie gesehen ist

er, so weit das vorzunehmende Geschäft einem angeordneten

595 Jurgeleit/Deusing, § 1903 BGB Rn. 40; Bienwald, in: Bienwald/Sonnen-

feld/Hoffmann, § 1903 BGB Rn. 56

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§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

147

Einwilligungsvorbehalt unterfällt, an die Grenzen der §§ 1908i II 1, 1804

BGB gebunden, da er insoweit nur noch eingeschränkt geschäftsfähig ist.

Es stünde dem Betroffenen somit nach der Wertung des Gesetzgebers

zwar frei, über den betreffenden Vermögensgegenstand letztwillig zu

verfügen. An einer lebzeitigen Verfügung wird er jedoch durch den

Einwilligungsvorbehalt im Zusammenwirken mit dem Schenkungsverbot

der §§ 1804, 1908i II 1 BGB gehindert. Es bestehen aber keine

Unterschiede zwischen Rechtsgeschäften unter Lebenden und

Verfügungen von Todes wegen von solcher Art und solchem Gewicht, die

rechtfertigten, dass Kranke und Behinderte im einen Fall am Rechtsleben

beteiligt und im anderen Fall bis auf wenige Ausnahmen ausgeschlossen

werden596. Im Gegenteil – es besteht gerade bei testamentarischen

Verfügungen ein erhöhter Bedarf an Rechtssicherheit, da nach Eintritt des

Erbfalls der rechtsgeschäftliche Wille des Betroffenen nicht mehr mit

seiner Hilfe ermittelt werden kann, während dies bei lebzeitigen

Verfügungen häufig noch der Fall ist597. Ein vormundschaftsgerichtlicher

Genehmigungsvorbehalt ist somit zwar nicht erforderlich, um für die

fraglichen Schenkungen einen ausreichenden Schutz zu gewährleisten. Die

Anordnung eines solchen unterliegt aber damit dem Gestaltungsspielraum

des Gesetzgebers. Ein gerichtlicher Genehmigungsvorbehalt wäre jedoch

allemal ausreichend, um einen genügenden Schutz des Betroffenen

sicherzustellen. Es gilt auch hier das bereits im Hinblick auf die

Gesetzeslage in Österreich gesagte: hier verzichtet man seit annähernd 100

Jahren auf ein Schenkungsverbot – zugunsten eines gerichtlichen

Genehmigungsvorbehalts. Schon zu Zeiten des alten

Entmündigungsrechts, in dem aufgrund der Selbstständigkeit des

Vormunds die Gefahr des Missbrauchs der Vertretungsmacht deutlich

größer war, reichte dem österreichischen Gesetzgeber ein solcher

Genehmigungsvorbehalt aus, um die drohenden Gefahren abzuwehren. An

dieser Regelung hat Österreich auch bei Einführung des Sachwalterrechts

festgehalten, ohne dass die Einführung eines Verbots auch nur angedacht

596 BVerfG FamRZ 1999, 985, 989 597 ebenda

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§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

148

wurde. Vor diesem Hintergrund ist es nicht ersichtlich, dass ein solcher

gerichtlicher Genehmigungsvorbehalt für die fraglichen Schenkungen

auch in Deutschland nicht ausreichend sein sollte, um die

Betroffeneninteressen sicherzustellen, zumal die übrigen

Sicherungsinstrumente annähernd deckungsgleich mit denen in Österreich

sind. Wie dargestellt verfügt nämlich das deutsche Betreuungsrecht

weiterhin über zusätzliche Mechanismen, die den Betroffenen vor

Pflichtwidrigkeiten des Betreuers schützen. So macht sich der Betreuer,

der gegen seine Pflichten verstößt und nicht das Wohl des Betroffenen

sicherstellt, nicht nur schadensersatzpflichtig, sondern ggf. auch

strafbar598.

Ein vollständiges Verbot der Genehmigung von Schenkungen, die keine

Pflicht-, Anstands- oder Gelegenheitsschenkungen sind, ist somit nicht

erforderlich. Die Anordnung eines vormundschaftsgerichtlichen

Genehmigungsvorbehalts reicht aus, um den Schutz des Betroffenen

sicherzustellen.

d. Zwischenergebnis

Bei eigenen Schenkungsgeschäften des Betroffenen besteht auch im

Rahmen eines Einwilligungsvorbehalts keine Notwendigkeit, diese auf

Sitten-, Anstands- und Gelegenheitsgeschenke zu beschränken. Das

Betreuungsrecht stellt gerade durch die Anordnung des

Einwilligungsvorbehalts ein Instrument zur Sicherstellung der

Betroffeneninteressen zur Verfügung. Darüber hinaus sieht das

Betreuungsrecht mit dem vormundschaftsgerichtlichen

Genehmigungsvorbehalt eine weitere Möglichkeit vor, die

Betroffeneninteressen zu sichern und den Betreuer ebenfalls zu

überwachen und zu kontrollieren. Dieser Genehmigungsvorbehalt ist

bereits für eine Vielzahl von Geschäften, nämlich jene, die der Gesetzeber

für wichtig oder gefährlich hielt, angeordnet. Es stünde dem Gesetzgeber

frei, sämtliche Eigengeschäfte des Betroffenen einem solchen

Genehmigungsvorbehalt zu unterstellen, statt sie zu verbieten. Weiterhin

598 oben, § 4 I 3 c (2) cc

Page 165: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 6 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit Art. 14 GG

149

stellen Schadensersatz- und Regressmöglichkeiten sicher, dass der

Betreuer pflichtgemäß handelt. Wie der Vergleich mit letztwilligen

Verfügungen zeigt, ist eine vollständige Unterbindung von Schenkungen,

die über jene der §§ 1908i II 1, 1804 BGB hinausgehen, unnötig.

Österreich hat mit seiner Regelung, wonach lediglich ein gerichtlicher

Genehmigungsvorbehalt angeordnet ist, gezeigt, dass ein Verbot von

einzelnen Geschäften der Betroffenen unnötig ist und die Betroffenen

daher übermäßig einengt. Auch die Schweiz verzichtet im neuen

Beistandschaftsrecht auf ein Verbot von Genehmigungshandlungen des

Beistands.

Wenn aber durch die allgemeinen Instrumente des Betreuungsrechts

sichergestellt wird bzw. sichergestellt werden kann, dass die fraglichen

Schenkungsgeschäfte auf eigenverantwortlichen Entscheidungen des

Betroffenen beruhen und ist das Schenkungsverbot somit zum Schutz der

Betroffeneninteressen nicht erforderlich, so stellt das Schenkungsverbot

einen übermäßigen und damit rechtswidrigen Eingriff in die

Freiheitsrechte des Betroffenen dar.

Bei eigenen Schenkungsgeschäften des Betroffenen, der unter

Einwilligungsvorbehalt steht und nicht geschäftsunfähig i.S.d. § 104 Nr. 2

BGB ist (also ohne Schenkungsverbot eine Schenkung vornehmen

könnte), ist das Schenkungsverbot der §§ 1908i II 1, 1804 BGB somit

nicht erforderlich und verstößt daher gegen das verfassungsrechtliche

Verhältnismäßigkeitsprinzip und damit gegen das Eigentumsgrundrecht

aus Art. 14 I GG.

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§ 7 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit dem allgemeinen

und dem speziellen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I und 3 III 2 GG

150

§ 7 Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit dem allgemeinen

und dem speziellen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I und 3 III 2 GG

So weit der Betroffene, der unter Einwilligungsvorbehalt steht, an eigenen

Schenkungen über die Grenzen des Schenkungsverbots hinaus in

verfassungswidriger Weise gehindert wird, liegt hierin zugleich auch ein

Eingriff in das spezielle Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 III 2 GG. Denn

im Gegensatz zu gesunden Menschen stehen ihm solche Geschäfte fortan

nicht mehr offen. Da die Einschränkung nicht erforderlich und somit

unverhältnismäßig ist, stellt sie automatisch auch gleichzeitig einen

Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar.

I. Rechtliche Ungleichbehandlung

Eine weitere Frage ist jedoch die, ob die Beschränkung von

Vertretungshandlungen des Betreuers, wenn sie schon nicht in die

Freiheitsrechte des Betroffenen eingreifen599, jedenfalls einen Eingriff in

seine Gleichheitsrechte darstellen. Wie gesehen600 erscheint nämlich

fraglich, ob die §§ 1804, 1908i II 1 BGB einer rechtlichen Prüfung im

Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Anspruch des Betroffenen aus

Art. 1 I 2, 3 I GG auf vollständige Herstellung seiner Rechtsperson

standhalten. Denn hiernach besteht ein Anspruch auf die vollständige

Herstellung einer gleichberechtigten Rechtsperson, die vollen Zugang zum

Rechtsverkehr hat. Die Rechtsordnung muss die Defizite des Betroffenen

im Bereich der Fähigkeit zu rechtserheblichen Handlungen dort

ausgleichen, wo sie im Vergleich zum Mündigen gemindert sind601. Das

Schenkungsverbot wirkt sich aber letztlich auch beschränkend auf den

Betroffenen selbst aus, da dieser die fraglichen Schenkungen weder selbst

noch mit Hilfe des Betreuers vornehmen kann. Das Schenkungsverbot

führt somit dazu, dass dem Betroffenen die untersagten

599 oben, § 5 II 600 oben, § 4 I 2; § 4 V 3 601 siehe Lipp S. 45

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§ 7 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit dem allgemeinen

und dem speziellen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I und 3 III 2 GG

151

Schenkungsgeschäfte nicht offen stehen, während ein Gesunder

demgegenüber frei ist, auch solche Schenkungen zu tätigen. Die

Rechtsperson des Betreuten ist somit nicht vollständig hergestellt. Das

diesbezügliche verfassungsrechtliche Gebot aus Art. 1 I 2, 3 I und

III 2 GG wird durch die Regelung der §§ 1804, 1908i II 1 BGB somit

berührt. Soweit die Rechtsperson des Betroffenen für Schenkungen

außerhalb von Pflicht-, Anstands- und Gelegenheitsschenkungen nicht

vollständig hergestellt ist, während diese Geschäfte einem gesunden

Nichtbehinderten offen stehen, liegt eine Ungleichbehandlung vor, die der

verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Dies gilt zum einen für den

Fall, dass ein Betroffener, der die Vornahme einer bestimmten Schenkung,

die seinem Wohl nicht zuwiderliefe, wünscht, diese aber aufgrund seiner

Geschäftsunfähigkeit iSd. § 104 Nr. 2 BGB nicht selbst vornehmen kann.

Zum anderen gilt dies auch dann, wenn der Betroffene die Schenkung

zwar selbst vornehmen könnte, hieran aber durch die Anordnung eines

Einwilligungsvorbehalts gehindert ist.

Es ist somit zunächst zu prüfen, ob ein sachlicher Grund für die

Ungleichbehandlung vorliegt.

II. Sachlicher Grund für Ungleichbehandlung

1. Höchstpersönlichkeit von Schenkungsgeschäften?

Wie Lipp602 zutreffend feststellt, sind Schenkungen jedenfalls keine

höchstpersönlichen Rechtsgeschäfte, so dass dies als Begründung für die

Ungleichbehandlung ausscheidet. Denn zum einen hat der Gesetzgeber

kein Verbot von gewillkürter Stellvertretung bei Schenkungen erlassen

und hierdurch deutlich gemacht, dass er selbst nicht von deren

Höchstpersönlichkeit ausgeht. Zum anderen dürften dann Sitten-,

Anstands- und Gelegenheitsschenkungen nicht ausdrücklich vom Verbot

ausgenommen werden. Im Übrigen dürften Schenkungsgeschäfte, wenn

602 Lipp, S. 163

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§ 7 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit dem allgemeinen

und dem speziellen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I und 3 III 2 GG

152

sie denn höchstpersönlicher Natur wären, auch nicht in den

Geltungsbereich eines Einwilligungsvorbehaltes fallen603.

2. Schutz vor Fremdbestimmung

Im Hinblick auf die Vertretungshandlungen durch den Betreuer kommt

nur der Schutzzweck des Schutzes vor Fremdbestimmung in Betracht. Da

dem Betreuer seine Vertretungsbefugnis nicht vom Betroffenen selbst

eingeräumt wurde, besteht bei seinen Vertretungshandlungen stets die

Gefahr, einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen.

Denn wie bereits festgestellt604 hat der Betreuungsgesetzgeber nicht mehr

wie noch bei der Entmündigung eine konstitutive Feststellung der

Entscheidungsunfähigkeit des Betroffenen vorgesehen, aufgrund derer es

auf die Entscheidung des Betroffenen nicht mehr ankäme. Das

Betreuungsrecht stellt die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des

Betroffenen vielmehr dadurch sicher, dass es den selbstbestimmten Willen

des Betroffenen, der nunmehr im Einzelfall festzustellen ist, für stets

beachtlich erklärt und darüber hinaus den Betreuer dazu verpflichtet, auch

Wünsche des Betroffenen zu beachten, wenn diese nicht dem subjektiven

Betroffenenwohl zuwider laufen.

Der Betroffene soll also davor geschützt werden, dass die fragliche

Schenkung seinem Wohl widerspricht.

III. Verhältnismäßigkeit des Schenkungsverbots

Es ist somit weiterhin zu prüfen, ob andere, weniger beschränkende

Schutzinstrumente als ein Schenkungsverbot ausreichen, um den

Betreuten ebenso wirksam vor Fremdbestimmung durch die vorgenannten

Pflichtverletzungen des Betreuers zu schützen.

603 Deshalb nimmt § 1903 II BGB höchstpersönliche Rechtsgeschäfte von der

Anwendbarkeit eines Einwilligungsvorbehalts aus; Schenkungen sind nicht hierunter. 604 oben, § 4 I 3

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§ 7 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit dem allgemeinen

und dem speziellen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I und 3 III 2 GG

153

1. Schutz durch § 1795 BGB

Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 1795 BGB eine Vorschrift geschaffen,

die, wie Holzhauer605 zutreffend festgestellt hat, sich weitgehend mit dem

Anwendungsbereich der §§ 1804, 1908i II BGB deckt. Für Geschenke des

Betreuers an sich selbst oder an einen seiner nahen Angehörigen ist ihm

durch § 1795 BGB die nötige Vertretungsmacht entzogen. Die Gefahr vor

einem Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Betreuer dürfte daher

weitestgehend schon allein durch diese Regelung gebannt sein. Denn

mangels Eigeninteresses des Betreuers an den sonstigen ihm noch

möglichen Schenkungen, dürfte es regelmäßig bereits an der Versuchung

fehlen, das Vermögensinteresse des Betreuten hintanzusetzen606. Für

Schenkungen, die § 1795 BGB unterfallen, ist das Verbot somit unnötig,

da diese bereits insofern unzulässig sind.

2. Gerichtlicher Genehmigungsvorbehalt

Wie bereits gesehen607, besteht für einen Großteil der Schenkungen, die

dem Schenkungsverbot der §§ 1908i II 1, 1804 BGB unterliegen, ein

vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungsvorbehalt.

Gründe, warum ein solcher Genehmigungsvorbehalt noch nicht

ausreichend sein sollte, um Pflichtverletzungen des Betreuers wirksam zu

verhindern, sind nicht ersichtlich608. Selbst der BGB-Gesetzgeber hat in

der amtlichen Begründung des BGB darauf hingewiesen, dass jedenfalls

vor Missbrauch der Vertretungsmacht durch die Anordnung eines solchen

vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalts ausreichender

Schutz gewährleistet sei609. Dass ein vormundschaftsgerichtlicher

Genehmigungsvorbehalt für die Sicherstellung der Betroffeneninteressen

ausreichend ist, zeigt sich weiterhin darin, dass Österreich auf ein 605 Holzhauer, FamRZ 2000, 1063, 1067 606 Holzhauer, FamRZ 2000, 1063, 1067; Erman/Holzhauer, § 1908i BGB Rn. 38 607 oben, § 4 I 3 c (2) aa; § 4 V 2 b 608 so ausdrücklich Böhmer MittBayNot 1996, 410; Bobenhausen BtPrax 1994, 160, 161;

Canaris JZ 1987, 999; Lipp S. 163 609 Mot., in: Mugdan IV, S. 1106

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§ 7 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit dem allgemeinen

und dem speziellen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I und 3 III 2 GG

154

ausdrückliches Schenkungsverbot seit jeher verzichtet und anstelle eines

Verbotes schon unter der alten Vormundschaftsordnung auf einen solchen

Genehmigungsvorbehalt des Vormundschaftsgerichts bei allen Geschäften

außerhalb des „ordentlichen Wirtschaftsbetriebs“ setzt,

§ 154 III ABGB610. Auch bei Einführung des neuen Sachwalterrechts

wurde hieran festgehalten, ein Schenkungsverbot wurde weiterhin nicht

für erforderlich gehalten. Im Gegensatz hierzu sieht das neue Schweizer

Recht zwar auch einen Genehmigungsvorbehalt vor, es ist jedoch nicht

verbindlich festgeschrieben, welche Organisationsform die

Genehmigungsstelle hat; insbesondere ob sie gerichtlich organisiert ist.

Denn im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens haben die Kantone

durchgesetzt, dass eine gerichtliche – und somit vor staatlicher

Einflussnahme sichere – Genehmigungsbehörde im Gegensatz zu

Deutschland und Österreich nicht festgeschrieben wird611. Ein den

Genehmigungsvorbehalten dieser Staaten gleichwertiger Schutz wäre

somit in der Schweiz nicht erreichbar.

Für die Geschäfte, für die ohnehin ein vormundschaftsgerichtlicher

Genehmigungsvorbehalt gilt, ist die Anordnung eines Verbotes somit

unnötig, da der Schutz der Betroffenen bereits ausreichend gesichert ist.

610 oben, § 3 II 3; § 4 II 2 e (2) 611 In den Kantonen bestehen drei Arten der Behördenorganisation: In den Westschweizer

Kantonen hat sich eine ausschließlich gerichtliche Organisation entwickelt, in den

Deutschschweizer Kantonen hat traditionell eine ausschließlich verwaltungsbehördliche

Organisation bestanden, in einzelnen Kantonen gibt es aber auch eine zweiteilige

Organisation, bei der auf der ersten Stufe Administrativbehörden und erst auf der oberen

Stufe gerichtliche Behörden tätig sind. Vgl. hierzu: Geiser, ZVW 1993, 201, 206ff.. Im

laufenden Gesetzgebungsverfahren stieß der Vorschlag, die Vormundschafts- und

Aufsichtsbehörden zwingend als gerichtliche Fachbehörden zu organisieren, auf breite

Ablehnung, vgl. Vernehmlassung, S. 11

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§ 7 – Vereinbarkeit von §§ 1804, 1908i II 1 BGB mit dem allgemeinen

und dem speziellen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I und 3 III 2 GG

155

3. Schutz durch Schadensersatzpflicht und Strafgesetze

Wie bereits oben gesehen612, steht dem Betroffenen darüber hinaus ein

Schadensersatzanspruch gegen den Betreuer zu, der gegen seine Pflichten

verstößt und nicht das Wohl des Betroffenen sicherstellt. Hinzu kommt,

dass sich der Betreuer ggf. auch strafbar macht613. Im Übrigen steht dem

Betreuten über § 816 I S. 2 BGB noch eine zusätzliche

Rückgriffsmöglichkeit auf den Beschenkten selbst zur Verfügung.

Zusammen mit dem vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt

ist somit hierdurch ein ausreichender Schutz gegeben, der ebenso effektiv

ist, wie das Schenkungsverbot.

4. Zwischenergebnis

Somit greift das Schenkungsverbot auch bei Schenkungen, die der

Betreuer in Vertretung des Betroffenen vornimmt, übermäßig in die

Grundrechte des Betroffenen ein. Während Gesunden alle Formen der

lebzeitigen Schenkung offen stehen, ist diese Möglichkeit dem kranken

oder behinderten Betroffenen verwehrt, ohne dass diese weite

Einschränkung erforderlich wäre, um den Betroffenen vor

Fremdbestimmung zu schützen. Die verfassungsrechtlich gebotene

vollständige Herstellung der Rechtsperson des Betroffenen erfolgt nicht,

ohne dass dies auf der Höchstpersönlichkeit der Schenkung beruhte. Die

Rechtsgleichheit des Betroffenen ist somit verletzt, das Schenkungsverbot

der §§ 1908i II 1, 1804 BGB verfassungswidrig.

612 oben, § 4 I 3 c (2) cc 613 ebenda

Page 172: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 8 Folgen der Verfassungswidrigkeit des Schenkungsverbots

156

§ 8 Folgen der Verfassungswidrigkeit des Schenkungsverbots

Es fragt sich, welche Folgen mit der Verfassungswidrigkeit des

Schenkungsverbots verbunden sind. In Betracht kommt hier anstelle eines

ersatzlosen Wegfalls der Norm eine verfassungskonforme Interpretation.

Denn diese hat Vorrang vor einer Verwerfung der Norm durch das

Bundesverfassungsgericht614.

I. Eigene Schenkungen des Betroffenen

Zum Teil wird daher versucht, die Verfassungswidrigkeit auf die

Rechtsfolgen zu beschränken, indem die §§ 1804, 1908i II BGB

verfassungskonform interpretiert werden und eine teleologische Reduktion

des Schenkungsverbots auf eine vormundschaftsgerichtliche

Genehmigungspflicht hinsichtlich aller Schenkungen, die keine Pflicht-,

Anstands- oder übliche Gelegenheitsschenkungen sind, vorzunehmen615.

In Bezug auf die hier untersuchten Fälle, in denen die Schenkung von den

Betroffenen selbst vorgenommen wird, lässt der Wortlaut der §§ 1908i II

1, 1804 BGB auch durchaus die hierfür notwendigen Auslegungs-

spielräume offen. Denn es sind ausdrücklich lediglich Schenkungen

verboten, die „in Vertretung“ vorgenommen werden. Zwar hat der

Gesetzgeber hiermit auch Genehmigungshandlungen erfassen wollen616,

der Wortlaut zwingt jedoch nicht zu dieser Auslegung. Denn

Genehmigungshandlungen sind gerade keine Vertretungshandlungen617.

Der Wortlaut erlaubte also in Bezug auf Genehmigungshandlungen eine

vom Schenkungsverbot abweichende Interpretation etwa durch

Anwendung eines solchen vormundschaftsgerichtlichen

Genehmigungsvorbehalts.

614 BVerfGE 2, 266, 282; Battis/Gusy, Rn. 325; Stern, § 44 II 3 a; Schmalz, Rn. 224 615 so ausdrücklich Lipp, S. 164; schon für die alte Rechtslage: Canaris, JZ 1987, 993,

999 616 Mot., in: Mugdan IV, S. 1106 617 Im Schweizer Recht werden seit jeher Genehmigungen nicht als

Vertretungshandlungen angesehen. Vgl. oben, § 3 III 2 a (2), Fn. 182

Page 173: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 8 Folgen der Verfassungswidrigkeit des Schenkungsverbots

157

Gegen eine solche verfassungskonforme Reduktion des

Schenkungsverbots wird eingewandt, dass die §§ 1821, 1822 BGB die

Geschäfte mit Genehmigungsvorbehalt enumerativ aufgezählt hätten und

daher Ausnahmevorschriften darstellten, die nicht analogiefähig seien618.

Hinzu komme, dass ein eventueller vollständiger Wegfall des

Schenkungsverbots allenfalls eine rechtspolitische, aber keine

verfassungsrechtliche Lücke reißen würde619.

Diese Einwände vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Denn auch wenn

der Gesetzgeber die Fälle vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungs-

vorbehalte enumerativ aufgezählt hat, anstatt hierfür eine Generalklausel

zu schaffen620, lässt sich hieraus allein jedenfalls kein zwingender Schluss

auf die Rechtsnatur des Genehmigungsvorbehalts ziehen. Denn schon aus

der ungeheuren Vielzahl der aufgeführten Geschäfte lässt sich ablesen,

dass ein solcher Genehmigungsvorbehalt keine Ausnahmeerscheinung ist,

sondern ein solcher bei nahezu allen größeren und bedeutenderen

Geschäften angeordnet ist. Darüber hinaus verbietet sich eine Analogie auf

den gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt nur dann, wenn hierdurch die

Rechte des Einzelnen beschnitten würden, wenn also an sich mögliche

Rechtsgeschäfte durch die analoge Anwendung des

Genehmigungsvorbehalts zusätzlich erschwert würden. Hier wird aber

kein Geschäft durch einen Analogieschluss zusätzlich erschwert, indem es

zusätzlichen Wirksamkeitserfordernissen ausgesetzt wird, sondern es

werden lediglich bestehende Einschränkungen in Form eines

Schenkungsverbots auf einen Genehmigungsvorbehalt reduziert. Es findet

somit letztlich keine Erweiterung des Anwendungsbereichs des

Genehmigungsvorbehalts statt, sondern vielmehr eine Einschränkung des

Schenkungsverbots. Es geht somit nicht um die Frage eines erweiternden

Analogieschlusses, sondern vielmehr um die verfassungskonforme

Reduzierung eines zu weitgehenden Verbots.

618 Böhmer, MittBayNot 1996, Fn. 83 619 Holzhauer, FamRZ 2000, 1063, 1068 620 wie etwa das österreichische Recht, vgl. § 154 III ABGB

Page 174: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 8 Folgen der Verfassungswidrigkeit des Schenkungsverbots

158

Eine solche Umdeutung des Schenkungsverbotes in einen gerichtlichen

Genehmigungsvorbehalt erscheint dabei nicht nur betreuungsrechtlich –

rechtspolitisch – wünschenswert, sondern auch verfassungsrechtlich

geboten. Denn durch die Anordnung eines Schenkungsverbots hat der

Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er Schenkungen, die keine Sitten-,

Anstands- oder Gelegenheitsschenkungen sind, für noch gefährlicher hielt

als diejenigen Rechtsgeschäfte, für die er lediglich einen

vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt angeordnet hatte.

Dieser deutliche Wille des Gesetzgebers darf bei der Frage der Auslegung

der Normen nicht einfach ignoriert werden, sondern muss so weit wie

möglich in die rechtliche Auslegung mit einbezogen werden.

Ließe man demgegenüber das Schenkungsverbot vollständig entfallen, wie

Holzhauer dies offenbar als Konsequenz vorschlägt621, wären die

Betroffenen entgegen der klaren Zielsetzung des Gesetzgebers bei solchen

Schenkungen weniger geschützt als bei anderen, schon nach allgemeinen

Regeln unter Genehmigungsvorbehalt stehenden, Geschäften. Der Weg in

solchen Fällen über eine teleologische Reduktion des Schenkungsverbots

auf einen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt ist somit

vorzuziehen.

Anstelle des Schenkungsverbots tritt somit im Wege der

verfassungskonformen Reduktion ein vormundschaftsgerichtlicher

Genehmigungsvorbehalt für die Genehmigung des Betreuers von allen

Schenkungen des Betroffenen, die nicht Sitten-, Anstands- oder übliche

Gelegenheitsschenkungen sind. Soweit der Betroffene, der unter

Einwilligungsvorbehalt steht, solche Schenkungen somit vornimmt, bedarf

er aufgrund des Einwilligungsvorbehalts stets622 zunächst der

Genehmigung des Betreuers. Dessen Genehmigung bedarf sodann stets

der weiteren vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung.

621 Holzhauer, FamRZ 2000, 1063, 1068 622 Selbstverständlich nur soweit das Schenkungsgeschäft auch vom

Einwilligungsvorbehalt umfasst ist – sonst wäre der Betroffene uneingeschränkt allein

handlungsfähig.

Page 175: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 8 Folgen der Verfassungswidrigkeit des Schenkungsverbots

159

II. Schenkungen durch den Betreuer

Auch bei Schenkungen, die der Betreuer in Vertretung des Betroffenen

vornimmt, stellt sich natürlich die Frage nach einer verfassungskonformen

Interpretation des Schenkungsverbots. Eine Interpretation bzw. Auslegung

des Inhalts einer Norm findet jedoch ihre Grenzen in ihrem Wortlaut623.

Auch eine verfassungskonforme Interpretation setzt nämlich voraus, dass

das Gesetz mehrere Auslegungsalternativen zulässt624. Hier besteht aber

das Problem, dass der Wortlaut der §§ 1908i II 1, 1804 BGB sich

ausdrücklich auf Vertretungshandlungen des Betreuers bezieht. Der

Wortlaut des Schenkungsverbots lässt somit – anders als noch bei der

Genehmigungshandlung des Betreuers zu einer eigenhändigen Schenkung

des Betroffenen im Rahmen eines Einwilligungsvorbehalts625 – keinen

Interpretationsspielraum zugunsten einer irgendwie gearteten

verfassungskonformen Auslegung. Denn bei der Eigenvornahme der

Schenkung durch den Betreuer handelt es sich dem Wortlaut nach ganz

eindeutig um eine Handlung „in Vertretung“ des Betroffenen. Die

Verfassungswidrigkeit des Schenkungsverbots führt hier daher

unweigerlich zu seiner Nichtigkeit und damit zum ersatzlosen Wegfall der

Norm.

Dies bedeutet in der Konsequenz, dass bei Schenkungen, die der Betreuer

in Vertretung des Betreuten vornimmt, nicht automatisch ein zusätzlicher

gerichtlicher Genehmigungsvorbehalt Anwendung findet, wie dies bei

Eigengeschäften des unter Einwilligungsvorbehalt stehenden Betroffenen

der Fall ist626. Der Schutzumfang bei Schenkungsgeschäften des Betreuten

selbst ist also geringfügig umfassender, als bei Vertretungsgeschäften des

Betreuers. Dies mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen; wie

Holzhauer aber zutreffend feststellt627, führt der Wegfall des

623 BVerfGE 8, 28, 34; 88, 203, 333; Epping, Rn. 61 624 Battis/Gusy, Rn. 208 625 oben, § 8 I 626 oben, § 5 IV 627 Holzhauer, FamRZ 2000, 1066

Page 176: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 8 Folgen der Verfassungswidrigkeit des Schenkungsverbots

160

Schenkungsverbots bei Vertretungsgeschäften des Betreuers nicht etwa zu

einer völligen Schutzlosigkeit der Betroffenen, da wie gesehen628 das

Betreuungsrecht bereits eine ganze Reihe von Schutzmechanismen

vorsieht, die den Betroffenen ausreichend vor Missbrauch der

Vertretungsmacht schützt. Denn allenfalls für Schenkungen, die keine

Sitten-, Anstands- oder Gelegenheitsschenkungen sind und die nicht an

Personen erfolgen, die in § 1795 BGB genannt sind, und für die außerdem

nicht in den übrigen Vorschriften des Betreuungsrechts ein

vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungsvorbehalt angeordnet ist,

verbliebe ein Bedürfnis für zusätzliche Schutzmaßnahmen, so weit man

weiterhin die Strafvorschrift des § 266 StGB und die zivilrechtlichen

Regressmöglichkeiten auf Betreuer und Beschenkten für unzureichend

hielte. Es stünde dem Gesetzgeber frei, hier etwa einen vormundschafts-

gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt anstelle des Verbots anzuordnen, da

ein solcher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Eine

verfassungsrechtliche Notwendigkeit für die Einführung eines solchen

Genehmigungsvorbehalts besteht freilich nicht, da die vorhandenen

Schutzmaßnahmen verfassungsrechtlich ausreichend sind, um den

Betroffenen zu schützen.

Wenn der Gesetzgeber hier also zusätzlichen Schutzbedarf sehen sollte,

wäre es an ihm, entsprechende Regelungen zu treffen, die der

verfassungsrechtlichen Kontrolle standhalten.

628 oben, § 4 I 3 c

Page 177: Schenkungen aus dem Vermögen Betreuter

§ 9 – Zusammenfassung der Ergebnisse

161

§ 9 Zusammenfassung der Ergebnisse

Das Schenkungsverbot des deutschen BGB verstößt in seiner jetzigen

Form gegen die Eigentums- und Gleichheitsrechte der Betroffenen und ist

daher verfassungswidrig. Wo bislang die §§ 1804, 1908i II 1 BGB für

eigene Schenkungen des Betroffenen, der unter Einwilligungsvorbehalt

steht, ein Verbot vorgesehen haben, tritt vielmehr im Wege der

verfassungskonformen Gesetzesauslegung ein vormundschaftsgericht-

licher Genehmigungsvorbehalt an dessen Stelle. Dies ergibt sich daraus,

dass ein solches Schenkungsverbot gegen das Übermaßverbot und den

speziellen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 III 2 GG verstößt.

Durch eine Reduktion des Schenkungsverbotes auf einen

vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt wird einerseits den

verfassungsrechtlichen Anforderungen Genüge getan und andererseits der

gesetzgeberische Wille zum besonderen Schutz der Betroffenen vor der

eigenen eingeschränkten Eigenverantwortlichkeit und vor Missbrauch der

Vertretungsmacht durch die Betreuer beachtet.

Für Schenkungen, die der Betreuer in Vertretung des Betroffenen

vornimmt, ist das Schenkungsverbot der §§ 1908i II 1, 1804 BGB jedoch

wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Gebot der vollständigen

Herstellung der Rechtsperson des Betroffenen aus Art. 1 I 2, 3 I GG

nichtig. Da der Wortlaut der Norm einer verfassungskonformen

Auslegung entgegensteht, besteht hier auch nicht die Möglichkeit einer

Reduktion des Verbots etwa auf einen vormundschaftsgerichtlichen

Genehmigungsvorbehalt. Soweit der Gesetzgeber nach einer

entsprechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hierdurch

eine Lücke im Schutzsystem sehen sollte, steht es ihm frei, eine

verfassungskonforme Regelung, etwa in Form eines gerichtlichen

Genehmigungsvorbehalts, zu schaffen. Die österreichische Vorschrift des

§ 154 III ABGB kann insoweit als Vorbild dienen.